Und ich wart` nicht... von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Teil 2 ----------------- UND ICH WART` NICHT Teil 2 - - - Ich hatte die nördliche Grenze des Feuerlandes vor einigen Tagen hinter mir gelassen und war Richtung Osten unterwegs durch das Land der Reisfelder, das weitgehend aus kleinen Dörfern mit florierender Landwirtschaft bestand. Schmale gepflasterte Wege zogen sich über seichte Hügel und vorbei an bewässerten Feldern und smaragdgrünen Seen. Auf den Feldern herrschte immer viel Betrieb, und die Bevölkerung schien Fremden gegenüber recht aufgeschlossen zu sein. So war es kein Wunder, dass ich mich des Öfteren von einer Menschentraube umzingelt sah, die mich nach meiner Herkunft und meiner Reiseroute fragten, und mir ab und zu auch die Aussicht auf eine warme Mahlzeit und ein Bett für die Nacht boten. Ich war ihnen dankbar, lehnte jedoch ab, rastlos wie ich war. Ich kam mit einer jungen Frau ins Gespräch, die auf einem der Reisfelder arbeitete. Ich beobachtete sie einige Zeit lang, während ich der sich windenden Straße um das Feld herum folgte. Sie musste meinen Blick irgendwie gespürt haben, denn als sie ihren Blick hob, wusste sie genau in welche Richtung sie zu schauen hatte. Ich grüßte sie mit einem knappen Kopfnicken, und sie lächelte mir zu – ein attraktives Lächeln wie ich es lange nicht mehr gesehen hatte – und brach ihre Arbeit ab um sich mit mir unterhalten zu können. Ihre Haare waren lang und schwarz, und ihre Augen leuchteten wie Saphire. Ihre Haut war von der Sonne gebräunt, was angesichts ihrer Arbeit auch kein Wunder war. Doch ich erkannte sofort, dass sie eigentlich ein heller Typ war, von Natur aus weiche, blasse Haut, sanft wie Seide bei der Berührung – „Mein Name ist Tysha!“ stellte die junge Frau sich vor und streckte mir ihre Hand entgegen. Dieses Blitzen in ihren Augen… Sie musste bemerkt haben, dass ich sie angestarrt hatte. Sie war beinahe noch ein Mädchen, achtzehn, höchstens zwanzig Jahre alt. „In letzter Zeit sind viele Fremde in dieser Gegend unterwegs.“ meinte sie. „Woher kommst du?“ „Aus dem Land des Feuers.“ antwortete ich knapp. „Ich bin auf der Durchreise.“ Sie nickte, und blickte mich weiterhin erwartungsvoll an. „Und hat dieser Fremde auf der Durchreise auch einen Namen?“ hakte sie schließlich nach, als ich nicht weiter sprach. Ihre Augen zogen mich in ihren Bann, und gleichzeitig ließen sie mich unbehaglich fühlen. Sie kamen mir so bekannt vor. „Jiraiya.“ antwortete ich, wie im Trance. „Mein Name ist Jiraya.“ Mein eigener Name klang merkwürdig aus meinem Munde. So als gehöre er nicht mir, sondern irgendeiner anderen Person. „Jiraiya also!“ meinte das Mädchen sichtlich erfreut. „Freut mich sehr! Bist du unterwegs nach Kyoto?“ „…Kyoto?“ Ich hatte diesen Namen schon einmal gehört. Vielleicht hatte ich auch den Ort schon einmal besucht, auf einer meiner unzähligen Missionen, doch gerade in diesem Augenblick wusste ich nichts mit diesem Begriff anzufangen. Und Tysha schüttelte ungläubig ihr aufgewecktes Köpfchen, so als konnte sie nicht verstehen, dass jemandem Kyoto kein Begriff war. „Na Kyoto halt, die größte Stadt hier in dieser Gegend. Dort findet einmal in der Woche der große Markt statt, auf dem wir unsere Sachen verkaufen… Viele Leute sind dorthin unterwegs, darum dachte ich…“ Ein großer Markt voller Leute aus allen Landen versprach eine gute Chance zu sein, Informationen zu sammeln. Einen großen Verlag sollte es laut Tysha ebenfalls in dieser Stadt geben, sowie diverse Tavernen und – was für mein körperliches Wohlbefinden am wichtigsten war – ein Badehaus. Und idealerweise war es nur mehr ein vierstündiger Marsch bis dorthin. Mein nächstes Reiseziel stand somit fest, und als ich mich bei Tysha für diese Informationen bedankte zwinkerte sie mir zu und meinte, dass wir uns mit viel Glück in der Stadt über den Weg laufen könnten. Da hätte ich wirklich nichts gegen, dachte ich im Stillen, und ärgerte mich über diesen Gedanken. Was war nur los mit mir? Warum schwirrten meine Gedanken ständig umher? Warum war ich nicht dazu fähig, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen? Die Menschen und Bäume und Felder um mich herum verblassten, und ich sah mich gefangen in einem Tagtraum, der niemals zu enden schien. Es war immer dasselbe. All die Wochen (Monate? Jahre?), die ich nun bereits unterwegs war, träumte ich des Tags von der Vergangenheit, und des Nachts von der Straße. Dieser Umstand erzeugte eine solch konfuse Mischung in meinem Inneren, dass ich in manchen Momenten nicht einmal mehr dazu fähig war, zwischen Schlafen und Wachen zu unterscheiden. Ich war viel zu lange ziellos von Ort zu Ort gereist... Und gebracht hatte es mir letztendlich gar nichts, außer Blasen an den Füßen und ein paar nächtlichen Abenteuern. Darauf konnte ich gut verzichten. Ich brauchte etwas Zeit für mich, das stand fest. Ich war seelisch sowie physisch an einem Punkt angelangt, an dem ich einfach nicht mehr weiterleben konnte wie bisher. Und so kam es, dass ich beschloss, mich in dieser so vielversprechenden Stadt namens Kyoto für eine Weile niederzulassen. Nicht offiziell, nicht einmal völlig bewusst. Ich wusste bloß - So konnte es nicht weitergehen. Und ich zog meine Konsequenzen. Kyoto konnte von der Größe her gut mit meiner eigenen Heimatstadt konkurrieren. Und auch von der Lage her bemerkte ich verblüffende Ähnlichkeiten. Kyoto war am Rande eines großen Waldgebietes und im Schatten eines Berges gelegen. Auch ein Fluss wand sich durch die Stadt. Lag es letztendlich daran, dass ich meine weitere Reise für unbestimmte Zeit aufschob? Ich weiß es nicht. Ich nahm mir ein Zimmer in einem Gasthaus gegenüber vom Stadtpark. Es war bei weitem nicht die beste Unterkunft der Stadt, und mein Zimmer war winzig, doch ein Blick aus dem Fenster entschädigte für all das – Ich konnte von oben auf den Stadtpark herab blicken. Ich gehöre eigentlich nicht zu der Art von Mensch, die sich etwas aus einer schönen Aussicht macht. Doch irgendwie schien mir dies nun sehr wichtig. Ich verbrachte den Rest des Tages damit, am Fluss spazieren zu gehen, und bei Anbruch der Dunkelheit tat ich das, was ich immer zu tun pflegte, wenn ich in einer neuen Stadt einkehrte – Ich setzte mich in ein Wirtshaus und trank Sake. In dieser Nacht schlief ich alleine. Nicht etwa, weil ich keine Gelegenheit gehabt hätte, ein hübsches und williges Mädchen zu bekommen, ich fühlte mich einfach... nicht in Stimmung. Eine seltsame Melancholie hatte von mir Besitz ergriffen, und ich schob sie auf die Ähnlichkeit dieses Ortes mit meiner Heimat. In dieser Nacht träumte ich nicht von der Straße. Ich träumte, dass ich in einem leeren Raum stand. Um mich herum war alles dunkel. Ich durchquerte den Raum mit schnellen Schritten, blickte mich um, niemand durfte mir folgen! Alles war still... Bis auf mein Herz. Es pochte und pochte so laut, dass ich glaubte, ganz Konoha müsse davon erwachen. Mit zitternden Händen berührte ich die Türklinke am anderen Ende des Raumes. Licht schien unter dem Türschlitz hervor. Ich schüttelte den Kopf und sprach mir Mut zu. Ich fühlte mich so komisch, ich war nicht imstande, meine Gefühle zu ordnen... Sie waren anders als alles, was ich jemals in meinem Leben gefühlt hatte. Mit einem Ruck riss ich die Tür auf. Der Raum vor mir war von Kerzen erleuchtet. Sie tauchten das Zimmer in flackerndes Zwielicht. Einladend warm war es dort drinnen... Nicht so kalt wie draußen. Doch was mich wirklich in diesen Raum zog, das waren nicht die Kerzen, nicht die Wärme, nicht einmal die weichen Teppiche und das gemütliche Sofa. Es war – Ich erwachte mit einem Ruck. Ich weiß nicht, was es war, das mich vorzeitig aus meinem Traum riss, denn obwohl ich einen leichten Schlaf besaß, gab es nichts, das die nächtliche Ruhe störte. Alles war still, sowohl draußen als auch hier drinnen. Kein überdurchschnittlich lautes Schnarchen aus den Nachbarräumen, keine knarrenden Dielen, nicht einmal die typischen Geräusche einer wilden Liebesnacht. Kein Vogel sang, kein Wind pfiff, nicht einmal... Halt. Ein Geräusch drang von draußen an mein Ohr. Es klang wie das Gelächter einer jungen Frau. Ich stand auf und trat ans Fenster. Ein wunderbarer Blick über den Stadtpark bot sich mir. Zu dieser nächtlichen Stunde war er von einem Meer bunter Lichter erleuchtet. Die Lichter erinnerten mich an meinen Traum. Wie seltsam war er doch gewesen... Und zuordnen konnte ich ihn beim besten Willen nicht. Ich wollte mich gerade wieder abwenden, da hörte ich das Lachen erneut. Ich blickte hinunter und sah zwei Menschen direkt unter meinem Fenster auf einer Bank sitzen. Es waren ein Mann und eine Frau, vom Alter her höchstens fünfundzwanzig. Sie saßen Arm in Arm, und die junge Frau redete und lachte ununterbrochen. Der Mann saß einfach nur da und hörte ihr zu, lächelte ab und an, und streichelte ihr dann und wann leicht durchs Haar. Ich konnte nicht verstehen, wovon die Frau sprach. Doch es war leicht zu erkennen, dass es sich bei den beiden um ein frisch verliebtes Paar handelte. Die Frau versuchte, ihre Nervosität durch willkürlich aufgegriffene Gesprächsthemen in den Griff zu bekommen... Und der Mann hörte zu und schwieg, aus Angst etwas Falsches zu sagen. Wie berechenbar die Menschen doch sein konnten, wenn sie verliebt waren. Doch seltsamerweise rührte mich dieser Anblick. Wie schnell man auf der Straße doch vergisst, welch aufregende Erfahrungen das Leben für uns bereit hält. Ich wandte mich von den beiden ab, und legte mich zurück ins Bett. Doch schlafen konnte ich beim besten Willen nicht mehr. Also entzündete ich eine Kerze auf dem Nachttisch neben mir, nahm mir Papier und Federhalter, und begann mit meinem Buch. Einfach so. Es war verblüffend. Wie lange hatte ich mir nicht schwer getan und immer wieder von neuem mit meinem Roman begonnen, weil ich es nicht fertig gebracht hatte, meine zerstreuten Gedanken in die richtige Richtung zu lenken. Und jetzt auf einmal war da diese klare Linie in meinem Kopf, und meine Finger brauchten nichts anderes zu tun, als den Federhalter über das Papier gleiten zu lassen. Die Worte schienen sich ganz von alleine zu formen. Ich brauchte nur da sitzen und sie mir anzusehen. Und von dem Ergebnis war ich mehr als zufrieden. Zugegeben, es war nichts mehr als der Anfang einer ziemlich kitschigen und an manchen Stellen beinahe anstößig wirkenden Liebesgeschichte... Doch es war weitaus mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte. Ich schrieb die ganze Nacht durch, bis in den frühen Morgen herein, und als mein Magen vor Hunger zu knurren begann, nahm ich mein Manuskript kurzerhand mit hinunter in den Schankraum, wo jeden Morgen gegen einen geringen Aufpreis für die Gäste des Hauses ein herzhaftes Frühstück angeboten wurde. Und als ich am späten Morgen dann am Fluss spazieren ging, war mir kaum bewusst, dass ich Papier und Stift mit mir führte. Völlig unbewusst hatte ich sie in meinen Rucksack gesteckt. Der späte Nachmittag fand mich auf der Bank unter meinem Zimmer sitzend wieder. Auf eben jener Bank, auf welcher ich die Nacht zuvor das Liebespaar hatte sitzen sehen, was mir eine nie zuvor da gewesene Kreativität beschert hatte. Ich schrieb... Und auch die darauf folgenden Tage schrieb ich. Ich tat kaum etwas anderes, und es... war seltsam befreiend, an nichts anderes denken zu müssen als an die Geschichte zweier Menschen, die in einem Hin und Her aus Liebe und Eifersüchteleien verstrickt waren. Wie einfach das Leben einem erscheinen konnte, wenn man es sich nicht unnötig schwer machte... ...Doch wie flüchtig waren solche Momente. An irgendeinem Morgen – Die letzten Tage hatte ich so sehr in den Tag hinein gelebt, dass ich nicht einmal mehr wusste, welcher Tag der Woche es war – beschloss ich, dem stadteigenen Badehaus einen Besuch abzustatten. Die Hitze des Wassers und der schwere, mit zahlreichen Kräuterzusätzen geschwängerte Dampf taten mir gut. Auch wenn meine Unterkunft über einen eigenen Baderaum verfügte, von welchem ich natürlich auch Gebrauch gemacht hatte, so hatte ich trotzdem erst jetzt das Gefühl, der gesamte Staub und Schweiß meiner Reise würde von mir abgewaschen, und die Anstrengung und die Strapazen von meiner Seele genommen. Auch die Gelegenheit zu einer Massage nahm ich wahr. Es gefiel mir gut, einfach nur regungslos auf der gepolsterten Liege zu entspannen und mir meinen verspannten Rücken von einer gut aussehenden jungen Frau bearbeiten zu lassen, die obendrein auch noch etwas von ihrem Handwerk verstand. In jener Nacht schlief ich wie ein Toter. Und am darauf folgenden Tag beendete ich mein Buch. - - - Fortsetzung folgt…? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)