Fuchsherz von Arianrhod- ([NaruHina]) ================================================================================ Kapitel 7: A star that refuses to fade -------------------------------------- Tokyo versank in Schnee. Hinata hatte gesagt, dass dies nicht oft geschah; immerhin war dies eine Großstadt. Aber die Arbeiter kamen kaum hinterher damit, die weißen Massen zur Seite zu schaffen, so dass einzig die Hauptstraßen gut passierbar waren. In allen anderen staute sich der Verkehr, weil die Autos durch all den Schnee nur im Schritttempo vorankamen. Zum Glück kamen die Feiertage rasch näher; die müssten im Schneegestöber verbracht werden, was für viele sicher nicht lustig sein würde. Die Schüler hatten bereits Ferien und Naruto genoss die freien Tage in vollen Zügen. Die meiste Zeit war er bei Hinata. Sie verbrachten Stunden in der Küche, wo sie mit Hanabi und Neji irgendwelche Spiele spielten um die Zeit totzuschlagen, im Circle, wo Naruto sehr einfach mithelfen konnte (Kiba war über die Feiertage zu seiner Familie gefahren), oder in Hinatas Zimmer, wo sie miteinander redeten oder einfach miteinander kuschelten oder beides. Außerdem nutzten sie die Zeit, mehr über Narutos Herkunft und Eltern herauszufinden. Hinata verwendete eine Wand dafür, Zettel aufzuhängen, auf die sie alle Kleinigkeiten schrieben, die Naruto einfielen. Es brachte sie nicht viel weiter. Auch der Ausflug zu dem Versteck der Schlangendämonen hatte nichts gebracht. Alles, was sie gefunden hatten, waren ein paar muffige Decken und abgelegte Kleidungsstücke, Dreck und Müll gewesen. Neji, der sie begleitet hatte, vermutete, dass die Dämonen über längere Zeit dort gehaust hatten und dass der Grund, warum sie das Versteck aufgegeben hatten, vermutlich der war, dass sie Naruto entdeckt und gegen ihn verloren hatten. Außerdem meinte er, dass die Youkai auf keinen Fall auf eigene Verantwortung gehandelt hatten, als sie das Pärchen vor dem Kabarett angegriffen hatten. Dazu war der Unterschied in ihren Kräften einfach zu groß. Hatte Neji zumindest gesagt, während er gleichzeitig einen Gesichtsausdruck trug, der etwas sagte wie „Die Typen sind doch irre!“. Wobei es zu bezweifeln war, dass Neji tatsächlich jemals etwas Derartiges sagen würde. „Maaaaan.“, murrte Hanabi hinter ihm und er drehte sich um. Sie stand neben dem Tisch, ein volles Glas in der Hand und starrte über seine Schulter nach draußen. Es dämmerte bereits, trotzdem waren die dicken, weißen Flocken gut zu erkennen, teilweise beleuchtet von dem Licht der Straßenlaternen. „Was ist das eigentlich für ein bescheuertes Wetter? Kann es nicht endlich mal aufhören zu schneien?!“ Sie nahm einen Schluck von ihrem Wasser, stellte das Gefäß ab und trat neben ihn, wobei sie die Arme vor der Brust verschränkte. „Es wird jetzt sowieso dunkel.“, bemerkte Naruto, der keine Lust hatte, sich auch nur einen Schritt zu bewegen und ausnahmsweise einmal die Stimme der Vernunft spielte. Wenn er etwas sagen würde, würde sie vielleicht auf die Idee kommen, ihn vor die Tür zu zerren. Und manchmal blieb selbst er lieber hinter verschlossenen Türen. Hanabi warf ihm einen Blick zu und zog eine Augenbraue hoch, als ob sie nicht glauben konnte, dass die Worte von ihm stammten. „Was?“, grummelte er. „Kann ich nicht auch mal niedergeschlagen sein?“ Sie blickte wieder aus dem Fenster. „Ihr seid noch nicht weitergekommen mit deiner Suche?“ „Sieht das hier etwa so aus?“ Seine harschen Worte taten ihm leid, sobald er sie ausgesprochen hatte. Hanabi war wirklich nicht die richtige Person, um an ihr seine Frustration auszulassen. Sie war nur neugierig und trug nun wirklich nicht die Schuld. „Wir überlegen gerade, ob es sich lohnen würde, einen Sucher zu beauftragen.“, fügte er darum ruhiger hinzu. „Sucher sind ziemlich teuer.“, bemerkte sie. „Es gibt einen Haufen Quacksalber unter ihnen. Und nach allem, was Isis gesagt hat und Hinata und Neji über den Zauber herausbekommen haben, ist es nicht mal sicher, ob das was bringt.“ Das mit dem Test des Schutzzaubers, den seine Eltern über Naruto gelegt hatten, war Nejis Idee gewesen. Hinata hatte sie sofort begeistert aufgegriffen. Es war eine Möglichkeit etwas über die Natur des Zaubers herauszubekommen, über seine Art, seine Herkunft und seine Stärke. Sie hatten das Ritual an dem ersten Wochenende durchgezogen, an dem Naruto bei Hinata geblieben war, da es langwierig, schwer und anstrengend war. Alle drei Hyuuga hatten dafür zusammengearbeitet, aber allzu viel war dabei nicht herausgekommen. Sie wussten jetzt, dass der Zauber wirklich stark war und noch ein paar andere Dinge, über sie die geredet hatten, während Naruto daneben gesessen und kein Wort verstanden hatte. Aber das war okay. Irgendwann würde er sicher mitkommen und momentan stieg ihm sowieso alles über den Kopf – Informationsüberlastung. „Das hat Hinata auch gesagt.“, bestätigte Naruto. „Darum überlegen wir ja noch. Aber wir haben nicht wirklich viele andere Anhaltspunkte. Kurama weiß auch nichts und die Schlangendämonen sind über alle Berge – ganz zu schweigen davon, dass wir wahrscheinlich gar nichts aus ihnen rausbekommen würden.“ Naruto verzog das Gesicht. „Und irgendwas müssen wir ja tun. Oder ich zumindest.“ Und wer der Kröteneremit war, wussten sie auch nicht. Das wäre noch ein anderer Punkt, aber … Moment mal! Hatte er Hinata und den anderen überhaupt von dem Typen und seinen kleinen Überraschungsgeschenken erzählt? Hanabi nickte und wirkte einen Moment tief in Gedanken versunken. „Bleibst du heute hier?“, wollte das Mädchen dann überraschend wissen und lockerte die starre Haltung etwas. Naruto nahm den Themenwechsel einfach an. „Ich denke schon. Iruka ist ein paar Tage zu seiner Mutter gefahren, es geht ihr nicht sonderlich gut. Er meinte, es wäre eine gute Gelegenheit, dass ich zurzeit so viel hier sein kann, weil ich sie angeblich immer so aufrege.“ Hanabi lachte. „Nein, woher bekommt er nur diesen Gedanken?!“ Naruto lachte und wollte gerade etwas sagen, als Hinata in die Küche kam. „Hier seid ihr ja.“, lächelte sie. Einen Moment stand sie im Türrahmen ohne etwas zu tun, als wüsste sie nicht, wie sie anfangen sollte. Und die Blicke, die Hanabi und Naruto auf sie richteten, halfen sicher auch nicht. Naruto hatte inzwischen verstanden, dass Hinata von tiefen Selbstzweifeln geplagt wurde und unter fehlendem Selbstvertrauen litt. Allerdings, glaubte er, dass sich dies inzwischen besserte, vor allem, seit er mit ihr befreundet war. Vielleicht brauchte sie einfach nur etwas Bestätigung. „Ich denke, dass wir es mit dem Sucher eventuell riskieren sollten.“, begann sie dann ohne Einleitung. „Da wir keine Ahnung von Suchern haben, dachte ich, wir fragen jemanden – vielleicht Kiba-kun, ich hab gehört, seine Mutter hat ein paar Kontakte, oder wir haben Glück und erwischen Pein-sama irgendwo. Oder so. Weil wir … damit wir, jemanden … äh … kriegen, der seine Arbeit auch tatsächlich versteht.“ Sie seufzte. „Auch wenn ich nicht glaube, dass es etwas bringt.“ Naruto kratzte sich am Kopf und bemerkte: „Wenn ich nur wüsste, wer dieser Kröteneremit ist. Das würde vermutlich helfen.“ Er verzog das Gesicht. „Warum können die Leute auch nie ihre Adresse und Telefonnummern hinterlassen, wenn sie irgendwo einbrechen und gute Ratschläge geben?!“, knurrte er. „Oder zumindest ihre richtigen Namen verwenden würden. Nein, alles muss geheimnisvoll und mysteriös sein, damit auch niemand weiß, wer hier mit wem spricht und man immer tiefer graben muss um irgendetwas zu erfahren, das mehr ist als nur ein paar Hinweise und…!“ Die beiden Mädchen starrten ihn an. Naruto starrte zurück, verdutzt, und verstummte. „Was?“, hakte er dann vorsichtig nach. Okay, er war jetzt nicht der, der ständig solche Wortschwalle losließ, aber er durfte auch einmal frustriert sein, oder nicht? „Der Kröteneremit?“, bohrte Hanabi und Naruto nickte, während er von ihr zu ihrer Schwester blickte und wieder zurück. Er nickte. „Ich hab früher schon mal gesucht und bekam prompt einen Tipp in schriftlicher Form von jemandem, der mit Kröteneremit unterschrieben hat. Er war höchst dramatisch und hat eine Nachricht mit einem Kunai auf den Tisch gepinnt, als ich bei der ersten Suche nicht aufgehört hab.“ Er rieb sich nachdenklich das Kinn und dann kam eine Idee. Die Mädchen starrten ihn noch immer wortlos an. „Der erste Brief trug den Poststempel aus Tokyo. Vielleicht können wir ja nach ihm suchen, statt nach meinen Eltern? Er weiß etwas, da bin sicher. Vielleicht wohnt er ja hier in Tokyo? Und er wird sicher einfacher zu finden sein…“ Er versank wieder in Grübelei. „Naruto, warum hast du uns nichts davon gesagt?“, fragte Hinata dann sanft. Er blickte sie an und grinste verlegen. „Ich hab’s wohl vergessen. Ich dachte, ich hab’s getan. Sorry.“ Hanabi kicherte. „Wir hätten uns viel Arbeit und Geld erspart, wenn du uns das gleich gesagt hättest.“ „Warum?“ Irgendwie stand er auf dem Schlauch. „Weil wir wissen, wer der Kröteneremit ist, Naruto.“, erklärte Hinata, ihre Stimme fest und noch immer mild. „Jeder in der tokyoter Neitherworld kennt den Kröteneremiten und auch anderswo ist er sehr berühmt. Jiraiya-sama ist ein ziemlich bekannter Ninja, der schon mehr als zwei Jahrhunderte Lebenserfahrung hat und schmutzige Bücher schreibt.“ Naruto starrte sie an und kam sich unglaublich blöd vor. Hinata wusste, dass sie von Glück reden konnten, dass sie es geschafft hatten, Naruto dazu zu überreden auf den nächsten Tag zu warten. Der blonde Junge wollte sofort aufbrechen, nachdem sie ihm erklärt hatten, wer der Kröteneremit war. Aber es war kalt draußen, der Schneefall hatte wieder zugenommen und es wurde bereits dunkel. Außerdem war es einfach zu spät. Jiraiya so ins Haus zu fallen würde ihnen sicher keine Pluspunkte bei ihm bringen. Also hatten sie es ihm ausgeredet, obwohl Naruto nicht hatte nachgeben wollen. Hanabi hatte schließlich das letzte Wort damit gehabt, dass sie gesagt hatte, es wäre seine eigene Schuld. Wenn er ihnen von Anfang an von den Nachrichten des Eremiten erzählt hätte, wären sie schon lang bei dem Ninja-Schrägstrich-Autor-Schrägstrich-Perversen gewesen. Es kam Hinata etwas unfair vor, dies zu verwenden – woher sollte Naruto wissen, dass der Kröteneremit so bekannt war? – aber es erfüllte seinen Zweck und darum sagte sie nichts dazu. Dafür waren sie alle früh aus dem Bett geworfen worden und Naruto hatte ihnen sogar Frühstück gemacht. Jetzt, kaum eine Stunde später stiegen er und Hinata aus der Straßenbahn. Sie befanden sich in einem der älteren Viertel der Stadt, nicht unweit der Straße der Götter. Man muss von dem Teehaus, das Hinata ihm gezeigt hatte, aus nur die Straße hinuntergehen, einmal links abbiegen und dann an zwei weiteren Querstraßen vorbei, bevor man zu diesem kleinen Elektrofachgeschäft kam. Hinata nickte der jungen Frau hinter dem Tresen zu und marschierte schnurstracks an den Regalen vorbei zu einer einfachen, weißen Tür, die scheinbar in den privaten Bereich des Geschäftes führte. Das tat sie jedoch nicht. Sie führte in die Neitherworld. Naruto folgte ihr neugierig, aber wortlos. Er wusste, dass er noch lange nicht alle Nischen Tokyos gesehen hatte und stelle schon lange keine Fragen mehr. Diese Nische war die älteste in Japan, geschaffen, als Tokyo noch lange Zeit Edo gewesen war, und so hieß sie auch: Edo. So sah sie auch aus, wie eine alte, japanische Stadt mit adretten Gebäuden, Tempeln, einem Schloss und Stadtmauern. Die Tür des kleinen Geschäftes führte durch einen niedrigen Gang auf eine schmale, staubige Straße. Hinter ihnen befanden sich die Stadtmauern. Wenn man auf sie hinaufkletterte hatte man einen interessanten Ausblick über Tokyo – das moderne Toyko. Das war ein -so starker Kontrast, dass Hinata es manchmal noch immer nicht glauben konnte. Die meisten Nischen waren in sich abgeschlossen, dass man schon auf die höchsten Dächer klettern oder fliegen musste, um hinauszuschauen. Nicht so Edo. Hinata sah zu Naruto hinüber, der sich nachdenklich umblickte, während sie ihn auf die Hauptstraße führte. Ein paar Leute kamen ihnen entgegen, ansonsten war in der kleinen Gasse, aus der sie kamen nicht viel los – aber der einzige Zweck, den sie hatte, war sowieso der, dass sie zu dem Nischenausgang führte. „Wo wohnt Jiraiya?“, wollte Naruto unvermittelt wissen und blickte sich um, als erwarte er, dass der Kröteneremit plötzlich hinter einer Tür hervorsprang und schrie: „Hier bin ich!“ Er wirkte nicht sonderlich interessiert an Edo oder den Leuten, die sich hier befanden. Die Mischung der Bewohner oder Besucher der alten Nische war nicht so bunt wie die beim Bazar oder in der Straße der Götter. Im Gegenteil, die meisten hier waren Menschen, die zum größten Teil auch noch Kleidung trugen, die in dieseselbe Epoche wie die Gebäude passte. Hinata konnte eine Gruppe Kitsune entdecken, die vor einem Teehaus saßen, und außerdem drei Panthermagier aus den Tiefen des Lixanta-Dschungels, die riesige Flughörnchen als Kleidung trugen, mit ihren Storchenmenschen, die das Gepäck trugen. „In der Nähe des Schlosses.“, erklärte Hinata und deutete zum Mittelpunkt Edos. Das majestätische Gebäude erhob sich auf einem kleinen Hügel und reckte sich hoch in den Himmel. Die Mauern über dem Fundament aus zugehauenen Steinblöcken waren weiß getüncht, die stufenartig gesetzten Dächer bestanden aus dunklen, glänzenden Ziegeln und Fensterrahmen, Verzierungen und Balkone aus hellem, poliertem Holz. Auf den Giebeln befanden sich große Figuren aus dunklem Gestein, die sich nach außen und in den Himmel reckten wie Gallionsfiguren auf Schiffen. Selbst von weitem konnte man die kunstvollen, hochwertigen Verarbeitungen sehen, die in jedem Zentimeter steckten. Es gab drei hohe, turmartige Gebäude und dazwischen unzählige kleinere, die teilweise hinter den hohen Mauern verborgen waren. Sie alle waren im selben Stil gehalten, erbaut innerhalb weniger Jahre in einem Zug. Es war eines der schönsten Gebäude, die Hinata kannte, inner- und außerhalb der Neitherworld und sie konnte die Magie, die in die Mauern eingearbeitet war, von den Stadtmauern aus spüren, konnte die Symbole und Stigmata, die die Wände zierten, deutlich erkennen – manche waren unsichtbar für das normale Auge, leuchtend silberblau oder schillernd flammenrot, doch dem Blick einer Hyuuga blieb nicht viel verborgen. Andere, in dunklerem Blau, waren weit für jeden erkennbar, Inschriften und Zauberformeln, die Feinde und Katastrophen abwehrten und die Gebäude ebenso fest zusammen hielten wie der Mörtel zwischen den Steinen. Der Palast war, wie viele andere ähnliche Gebäude, umgeben von einem Gespinst von Schutzmagie und Abwehrzaubern, das beinahe dicht genug war um für jeden sichtbar zu sein. Ein großer Teil dazu wurde von den Glasspielen beigetragen, die dicht hinter den Mauern standen und sie überragten – schlanke Säulen aus hellem Holz, die mit kristallenen Windspielen gekrönt waren. Die durchsichtigen Röhren, die gegeneinanderstießen und dabei glockenhelle, klare Töne erzeugten, die melodisch miteinander harmonisierten, glitzernden im Schein der Sonne und warfen Lichtblitze in alle Richtungen. Das Schloss von Edo, bekannt als die Zitadelle der Mondprinzessin, war wahrlich ein prachtvoller Anblick. „Dann auf geht’s!“, bestimmte Naruto und marschierte einfach los. Sein Schritt hatte etwas Energisches und gleichzeitig Wütendes an sich. Er schenkte der Schönheit Edos und der Eleganz der Zitadelle kaum einen zweiten Blick. Es war völlig anders als bei seinem ersten Besuch beim Bazar, wo er bei jedem Stand große Augen gemacht und so viele Dinge in die Hand genommen hatte, einfach um sie anzusehen. Damals war alles, alles, alles neu gewesen für ihn. Die Anziehung der Erstmaligkeit war längst verschwunden, doch noch immer betrachtete Naruto alles Neue mit der Neugierde eines Kindes, schenkte jeder Nische, die er besuchte vor allem bei seinem ersten Besuch Aufmerksamkeit und brachte allem Wissbegierde entgegen, als könne er nicht genug davon kriegen. Selbst bei wiederholten Besuchen – wie sich vor allem beim Bazar und der Straße der Götter gezeigt hatte – betrachtete er noch immer alles mit Neugierde und Eifer. Er trampelte niemals an den Dingen vorbei ohne nach rechts und links zu sehen, ohne auf die Dinge zu achten, die vonstatten gingen, die Waren, die verkauft wurden, oder die Leute, die sich hier herumtrieben und ihren Geschäften nachgingen. Doch jetzt tat er es. Hinata starrte ihm verwundert nach, wie er die Straße hinunter schritt, schnell und zielstrebig. Dann kam ihr wieder in den Sinn, was sie überhaupt hierhergebracht hatte und sie wusste, was der Unterschied zu allen anderen Ausflügen in der Neitherworld war. Aber jetzt hatte er eine Mission. Eine Aufgabe. Er war nicht einfach zu Besuch hier, er war hier, um Antworten zu bekommen, und er würde nicht eher gehen, bis er sie hatte. Während sie sich ebenfalls in Bewegung setzte und ihm hinterherrannte um ihn einzuholen, fragte sie sich, ob es reichen würde. Sie wusste nicht viel über Jiraiya-sama, nicht mehr als das, was jeder über ihn wusste. Jiraiya war älter, als ein Mensch es eigentlich sein konnte. Wie er es geschafft hatte, sein Leben so zu verlängern, wusste niemand. Viele hatten gefragt, aber er hatte niemals geantwortet und irgendwann hatte er die Fragen unterbunden. Er war mit Tsunade, der Ärztin, befreundet, die mit ihm aufgewachsen war. Vermutlich kannte sie sein Geheimnis, da sie nicht jünger war als er (auch wenn sie so aussah.) Außerdem war er ein Ninjameister der alten Schule; einer der begabtesten, die jemals auf der Erde gewandelt hatten, so hieß es zumindest. Es hieß außerdem, er wäre ein Held, der Unschuldige verteidigte, wenn sie es brauchten. Jemand, der von seinem Weg abwich um die Schwachen zu beschützen und die Starken zu bestrafen, wenn diese ihre Macht missbrauchten. Ob das der Wahrheit entsprach, wusste Hinata nicht – er sei in Rente gegangen, wiederholte er wieder und wieder, wenn man ihn danach fragte, vor etwa neunzehn Jahren. Seitdem verdiente er sein Geld mit dem Schreiben und Veröffentlichen zweifelhafter Bücher – Pornos in Schriftform, wenn man es direkt sagen wollte. Hinata hatte nie eines seiner Bücher gelesen, doch Kiba schon. Der Werwolf war zum Teil aufs Höchste amüsiert, zum Teil begeistert und zum Teil angewidert gewesen, aber sie hatte nie gesehen, dass er mehr als ein Band von Jiraiyas Büchern besaß. Ansonsten hörte man nur immer wieder, dass der Kröteneremit erwischt worden war, wie er Frauenbäder oder ähnliches ausspionierte, was nie mit Begeisterung aufgenommen wurde, aber inzwischen als ein normales Ereignis der tokyoter Neitherworld galt. Wie ein Ninjameister von Jiraiyas Kaliber regelmäßig dabei erwischt wurde, konnte Hinata nicht sagen. Vielleicht störte es ihn schlichtweg nicht. Vielleicht ließ er es zu, dass man ihn bemerkte. Vielleicht waren die Geschichten übertrieben. Vielleicht stimmten sie einfach nicht. Vielleicht gab es einen anderen Grund. Es passierte zumindest immer wieder, in recht regelmäßigen Abständen. Jeder wusste davon. Dennoch war über Jiraiya selbst wenig bekannt. Hinata hatte ihn ein paar Mal gesehen, während ihrer wenigen Besuche in Edo vor allem. Viel hatte sie aus ihm nicht machen können. Darum hatte sie keine Ahnung, was sie erwartete. Jiraiya wohnte in einem einfachen, einstöckigen Haus. Es war weiß getüncht und mit hellen Holzschindeln gedeckt. Die Streben sowie die Veranda und die Pfeiler, die das überstehende Dach trugen, bestanden ebenfalls aus hellbraunem Holz. Der Garten war gut gepflegt, es gab einen Koiteich und ein Weg aus Steinplatten führte zu der Vordertür, neben der zwei Laternen aus Stein aufgestellt waren. Naruto zögerte keinen Moment, nachdem Hinata ihm das Haus gezeigt hatte, und marschierte sofort zur Haustür. Das Mädchen folgte ihm hastig und versuchte, unauffällig zu wirken. Vermutlich tat sie das tatsächlich, denn Naruto zog alle Aufmerksamkeit auf sich, mit seinem ausdruckslosen Gesicht, den aufgewühlten Gefühlen und seinem fremdartigen Aussehen. Er machte sich auch nicht die Mühe, höflich zu sein, sondern hob einfach eine Faust und hämmerte gegen den hölzernen Türrahmen, dass man ihn im ganzen Haus hören musste. Doch nichts rührte sich. Vielleicht war Jiraiya gar nicht anwesend? Hinata begann schon zu überlegen, wo sie als nächstes nachsehen sollten. Jiraiya musste sicher irgendwo ein Teehaus oder ähnliches haben, in das er regelmäßig ging. Vielleicht war er einkaufen. Vielleicht bei den Frauenbädern. Vielleicht besuchte er einen Freund. Vielleicht war er sonstwo unterwegs – woher sollten sie das denn wissen? Vielleicht sollten sie einfach sitzen bleiben und auf den Ninjameister warten. Naruto jedoch wiederholte einfach seine Attacke gegen die Tür. Und dann noch einmal. Gerade als er das vierte Mal die Faust hob, wurde die Tür zur Seite gerissen und der Hausherr stand vor ihnen. Jiraiya war ein großer Mann. Er wirkte wie jemand Mitte Fünfzig, doch er war durchtrainiert und unter der weiten Kleidung zeichneten sich deutlich weit mehr Muskeln ab, als man bei jemandem seines Alters vermutete. Sein Gesicht musste früher einmal attraktiv gewesen sein und auch jetzt war er trotz der Falten nicht hässlich. Sein graues Haar war wild und zu einem langen Pferdeschwanz gebunden. Und er starrte mit finsterem Blick auf sie hinunter. „Willst du mir meine Tür einschlagen, Bengel?“, brüllte er Naruto an, doch der blickte nur unerschrocken zurück, während Hinata nach hinten stolperte. Das brachte den Ninja dazu, ihn sich genauer anzusehen und langsam breitete sich Erkennen auf seinem Gesicht aus, das rasch in Entsetzen umschlug. Kitsune (jap. 狐) ist der japanische Name sowohl des Rotfuchses (Vulpes vulpes) als auch des Eisfuchses (Alopex lagopus). Der Rotfuchs bildet in Japan zwei Unterarten: Vulpes vulpes japonica (本土狐, Hondo kitsune, dt. Hauptinsel-Fuchs) lebt auf Honshū, der größten der vier Hauptinseln. Auf der nördlichen Insel Hokkaidō kommt die Unterart Vulpes vulpes schrencki (北狐, Kita kitsune, dt. Nordfuchs) vor. Beide Unterarten spielen in der japanischen Mythologie eine große Rolle. Als heilige Tiere der Gottheit Inari gelten, wie aus vielen Darstellungen ersichtlich, aber besonders die weißen Füchse. Als Vertraute der Gottheit Inari (selbst mitunter als Fuchs dargestellt) gelten Kitsune als Glücksbringer, doch haben sie in Märchen und Legenden oft auch andere Seiten. Viele Geschichten beschreiben ihre Beziehungen zu Menschen oftmals als zunächst sehr vorteilhaft für die Menschen, doch schon kleine Störungen der Beziehung können die Situation ins totale Gegenteil umschlagen lassen und zu katastrophalen Ergebnissen führen. * In dem Lesesaal war es still. Man konnte das Klacken der Tasten hören, wenn man nahe genug bei den Computerterminals war, und das Umblättern der Buchseiten. Von draußen drang gedämpft der Verkehrslärm herauf. Die alten Deckenlampen summten leise, aber sie gaben ein freundliches, angenehmes Licht, das den ganzen Raum erhellte. Naruto hatte keine Ahnung, warum er nicht am heimischen PC saß und da nach den Informationen suchte. Vielleicht war es eine verrückte Paranoia – immerhin hatte er keine Ahnung, wie er Irkua seine Recherche erklären sollte, wenn dieser zufällig darüber stolperte. Iruka würde ihm die Schulaufgabe als Grund sicher nicht abnehmen. Nicht nur, dass er recht gut wusste, was sein Ziehsohn gerade in der Schule durchnahm – einer der Vorteile (oder Nachteile, wenn man Naruto fragte), weil er an Narutos Schule unterrichtete – sondern auch, weil Naruto bodenlos faul war und für den Unterricht selten einen Finger krümmte und schon gar keinen zu viel, was Iruka natürlich wusste. Und dafür, sich einen besseren Anlass aus den Fingern zu saugen, hatte Naruto keinen Kopf. Er war unruhig und aufgekratzt, seit Kurama ihm im Café enthüllt hatte, dass er ein Youko war, aber wirklich eingeschlagen hatte der Besuch bei Jiraiya. Alles war plötzlich so real geworden, fast greifbar und so nah, dass es beinahe schmerzte. Nach der jahrelangen Suche und der Zeit in der Neitherworld, die sich wie ein ganzes Leben angefühlt hatte, hatten sich die Ereignisse plötzlich überschlagen oder so erschien es ihm zumindest. Erst Kurama, der ihm seine Neuigkeit gebracht hatte, dann Hinata und Hanabi und der Kröteneremit, Jiraiya. Auf einmal war es da, stand es vor ihm, direkt da – das Geheimnis um seine Eltern, seine Vergangenheit, Herkunft. Vielleicht auch das Geheimnis seines Schicksals. Die Antwort auf so viele Fragen. Und doch schien es unerreichbar. Denn Jiraiya hatte sie nicht einmal hereingelassen. Es hatte nicht lange gedauert, dass er seine Mimik wieder unter Kontrolle gebracht und eine ausdruckslose Maske aufgesetzt hatte. Er hatte Naruto nur angesehen und Hinata nicht einmal einen Blick geschenkt, ehe er geseufzt und bemerkt hatte: „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst das sein lassen? Geh nach Hause, vergiss alles und halte dich fern von uns.“ Damit hatte er ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen und wie sehr Naruto auch gegen die Tür gehämmert hatte, Jiraiya hatte nicht mehr geantwortet. Hinata hatte ihn schließlich weggezogen und bis zum Circle hinter sich hergeschleift. Neji hatte dafür gesorgt, dass er sich in die Küche verkrümelte und erst einmal einen Tee trank, dass er sich beruhigte. Denn er hatte fast vor Zorn gebebt. Was fiel Jiraiya eigentlich ein?! Wer war er, dass er über Narutos Leben bestimmen konnte? Was kümmerten Naruto die Gefahren? Vielleicht war es gefährlich da draußen, wenn er über seine Herkunft Bescheid wusste, aber sollte das nicht seine eigene Entscheidung sein? Wusste Jiraiya denn, wie es war, elternlos zu sein? Ohne das Wissen nach seinen Wurzeln? Vor allem, wenn es solche Wurzeln waren, wie er sie offenbar hatte? Wie konnte der alte Sack es wagen, ihm die Entscheidung abzunehmen, ihn zu bevormunden und es ihm vorzuenthalten? Nein, Naruto würde sich das nicht gefallen lassen. Er wär sofort nach Edo zurückgestürmt, hätte diese Tür eingetreten und den Kröteneremiten so laut angeschrien, dass ihm die Ohren abgefallen wären. Aber Hinatas zarte Hand, die stark und vertrauensvoll in seiner gelegen hatte, hatte ihn scheinbat stärker in die entgegengesetzte Richtung gezogen, als ein Truck das hätte tun können. Hinata würde so eine Aktion sicher nicht gutheißen. Also hatte er es zugelassen, dass sie ihn zum Circle brachte, mit Tee versorgte und davon abhielt, Jiraiyas Haus zu zertrümmern. Irgendwann würde er dem Alten sagen, was für ein Glück er gehabt hatte, dass Hinata da gewesen war, um ihn vor Narutos Zorn zu schützen. Doch Naruto würde bald zu dem altertümlichen Haus zurückgehen, auch allein, wenn Hinata nicht mitkommemn wollte, und wenn sein musste, würde er diesmal tatsächlich die Tür einschlagen um mit Jiraiya zu sprechen. Denn das würde er tun, koste es, was es wolle. Nicht einmal der Tod würde ihn davon anhalten, aus dem Kröteneremiten einige Antworten herauszubekommen. Aber Hinata hatte ihn versprechen lassen, mindestens eine Woche verstreichen zu lassen und seinen Zorn etwas unter Kontrolle zu bringen. Nach langem Zögern hatte Naruto zugestimmt und war dann bald nach Hause gegangen. Doch die Zeit bis zu seinem nächsten Treffen mit dem Ninjameister würde er nicht ungenutzt verstreichen lassen. Darum saß er jetzt hier in der Bibliothek und versuchte zu recherchieren. Zuerst hatte er diverse Suchbegriffe eingegeben – Kitsune, Youko, Fuchsdämon, am Ende sogar Neitherworld, während er sich immer wieder paranoid über die Schulter blickte – aber die Fülle an Seiten, die aufgetaucht waren, hatten ihn ein wenig abgeschreckt. Er hatte sich desinteressiert durch die Seiten geklickt, meist irgendwelche Esoterikhomepages, die von irgendwelchen Otherworldmenschen aufgebaut worden waren. Ob sie überhaupt wahre Informationen enthielten? Oder hatten sich die Leute nur ein paar Sachen aus den Fingern gesaugt? Vermutlich lag überall zumindest ein Körnchen Wahrheit zugrunde – immerhin basierten sie alle auf den Legenden, die wiederum auf dem realen Leben basierten. Doch wie viel tatsächlich Wahrheit und wie viel Dichtung war, das konnte Naruto nicht sagen. Schließlich war er auf Wikipedia gelandet und hatte den Text gefunden, den er eben gelesen hatte. Doch viel brachte ihm das auch nicht. Er fragte sich, ob es in der Neitherworld Bibliotheken gab. Vielleicht sollte er Hinata fragen, doch eigentlich interessierte er sich nicht dafür – Lesen war nicht gerade sein Steckenpferd, im Gegenteil. Vielleicht hatte die Neitherworld auch eine Art Internet? Oder vielleicht fand er irgendwo Kurama. Immerhin war der ebenfalls ein Youko. Wenn der ihm nichts über seine eigene Rasse erzählen konnte, dann konnte es niemand. Naruto stützte die Hand auf das Kinn und starrte ins Leere. Wenn er tatsächlich mit Kurama sprechen wollte, wie würde er den silbernen Fuchs finden? Das war sicher nicht leicht. Vielleicht könnte Hinata ihm weiterhelfen? Aber vermutlich wusste auch sie nicht, wo Kurama lebte. Die beiden kannten sich, aber sie waren keine Freunde. Naruto seufzte und starrte auf den Bildschirm, auf dem noch immer die Wikipediaseite über Kitsune zu sehen war. Wie sollte er jemals etwas über sich selbst herausfinden, wenn ihm alle Leute nur Steine in den Weg legten? Er wollte doch nur wissen, wer er war! Und bis jetzt wusste er nur sehr wenig über seine Vorfahren. Kitsune. Youko. Fuchsdämon. Dämonenfuchs. Was bedeutete das eigentlich für ihn persönlich? Er wusste, dass die Kitsune zu den Youkai gehörten, die irgendwann aufhörten zu altern und für immer jung blieben, bis jemand daherkam und ihrem Leben ein gewaltsames Ende setzte. Hieß das denn, dass Naruto ewig leben würde? Dass er seinen Ziehvater um mehr als um zwanzig, vierzig Jahre überleben würde? Wie sollte er Iruka erklären, dass er nicht mehr alterte, wenn diesem das auffiel? Ewig konnte man sowas sicher nicht verstecken… Die Aussicht, in hundert Jahren noch zu leben, in zweihundert oder dreihundert mochte auf den ersten Blick aufregend und erfreulich aussehen. Wenn man das Alter und den Tod nicht zu fürchten brauchte, wäre das Leben nicht wunderbar? Aber Naruto fühlte mit einer bitteren Sicherheit, dass nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen war. Gerade jetzt, hier in dem unbequemen Stuhl vor dem alten PC der Bibliothek fiel ihm auf, dass Unsterblichkeit kein Segen war, sondern eher ein Fluch. Denn was bedeutete das eigentlich für ihn und Hinata? Er war ein unsterblicher Youkai, Hinata ein sterblicher Mensch. War ihre Liebe von Anfang an zum Scheitern verurteilt? „Vielen Dank für Ihren Einkauf.“ Hinata warf dem jungen Mädchen vor dem Tresen ein Lächeln zu, schob die beiden Bücher, für die es eben bezahlt hatte, in eine Plastiktüte und reichte diese hinüber. „Bitte beehren Sie uns bald wieder.“ Das Mädchen lächelte schüchtern zurück und machte eine Bewegung, die ein Nicken andeutete, ehe sie sich leise verabschiedete und das Circle verließ. Es war verkaufsoffener Sonntag, Tag der offenen Tür, und die Kunden gaben sich die Klinke in die Hand, zumindest für die Verhältnisse des Circle. Auch die Neitherworldbewohner nutzten diese Chance, darum hatte Neji jeden Mitarbeiter zum Helfen eingespannt, selbst Naruto. Hanabi und Kiba bemannten das Hinterzimmer, Hinata und Neji befanden sich im vorderen Raum und Naruto machte das, was gerade anfiel. Im Moment lümmelte er auf einem Stuhl herum, der neben dem Eingang zum Hinterzimmer stand und sah sie an. Als er ihren Blick bemerkte, lächelte er; ein zufriedenes, sanftes Lächeln, das sie dazu brachte, rot zu werden. „Du machst das richtig gut.“, bemerkte er. „I…ich ma…mach das ja auch schon lä…länger.“, stotterte sie. Sein Lächeln hatte sie vollkommen aus dem Konzept gebracht. Dabei schaffte sie es inzwischen meistens, das peinliche Zittern aus ihrer Stimme zu halten, wenn sie mit ihm sprach! Nicht so wie am Anfang, als sie jedes zweite Wort nicht an einem Stück herausgebracht hatte. Sie blickte sich einmal kurz im Laden um, aber es schien nicht so, als ob jemand ihre Hilfe brauchen oder bald zur Kasse kommen würde, also verließ sie ihren Posten, um sich zu ihrem Freund zu gesellen. Sie hatte ihm verboten, in der Öffentlichkeit und vor allem im Laden zu stark zu zeigen, dass sie ein Paar waren – das wäre unprofessionell und außerdem war sie der Meinung, das zu deutliche Liebesbezeugungen nicht jeden etwas angingen. Trotzdem hatte sie nichts dagegen, dass er ihre Hand nahm, als sie sich neben ihn an die Wand lehnte. „So voll habe ich den Laden noch nie gesehen.“, erklärte er nach einer Weile einvernehmlichen Schweigens. Hinata blickte auf, als die Türglocke ging und ein Trio junger Leute den Laden betrat. Sie waren offensichtlich Ausländer, die Kleidung, die Art der Bewegungen und ihr Aussehen zeichneten sie eindeutig als Europäer aus. Briten tippte Hinata, eine Vermutung, die sich bestätigte, als das einzige Mädchen unter ihnen den Mund öffnete und etwas zu ihren Begleitern sagte. Sie trug eine Tüte von Sonokos Welten unter dem Arm. Das war ein sehr bekannter Buchladen in Tokyos Neitherworld. Naruto mochte die Aufschrift nichts sagen, da war Hinata sich sicher, aber sie selbst ging oft dorthin. Sie warf ihrem Freund ein kurzes Lächeln zu, löste sich von ihm und trat auf das Trio zu. Der schlaksige, rothaarige Junge sagte gerade etwas Streitlustiges zu seiner Begleiterin, während der dritte im Bunde nur daneben stand und die beiden halb amüsiert, halb genervt anblickte. Anscheinend waren hitzige Diskussionen bei seinen Freunden an der Tagesordnung. Er hatte wildes, schwarzes Haar, eine Brille und eine seltsame, blitzförmige Narbe auf der Stirn. Als er Hinata bemerkte, drehte er sich zu ihr und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. „Bitte, sagen Sie mir, dass wir hier richtig im Hyuuga-Circle sind.“, bat er sie. Sein Japanisch war so perfekt, dass es nur ein Übersetzungszauber sein konnte und zwar ein ausgesprochen guter. Hinata war froh, ihn beruhigen zu können und nickte mit einem freundlichen Lächeln. „Ja, da seid ihr hier richtig. Ich nehme mal an, ihr wollt in die hinteren Räume.“ Sie trat einen Schritt zur Seite und machte eine einladende Geste, mit der sie auf den Durchgang zum Hinterzimmer deutete. Die junge Frau, die ihr dickes, buschiges Haar zu einem Knoten aufgesteckt hatte, nickte ihr dankbar zu. „Danke, Sie retten mir echt das Leben. Noch viel länger hätte ich es mit diesem Idioten nicht ausgehalten!“ Sie schnaufte, aber da lag mehr als nur ein Hauch von Zuneigung in ihrer Stimme. Das musste auch der Grund sein, warum nur ein leiser gemurmelter Protest statt einer lautstarken Beschwerde zu hören war. „Sie haben hier doch Phönixfedern?“, wollte die Hexe in gedämpften Ton wissen. „Man hat mich hierher verwiesen, als ich danach gefragt habe.“ Hinata nickte. „Sogar zwei eines goldenen Phönixes.“ Die Augen ihres Gegenübers leuchteten auf. „Aber … das ist ja phantastisch!“, erklärte sie. „Ich werd mir das gleich mal anschauen. Vielen Dank.“ Damit folgte sie mit raschen Schritten ihren beiden Freunden, die schon voran gegangen waren. „Goldener Phönix?“, wollte Naruto wissen, als sie wieder zu ihm kam. Sie nickte. „Ja. Die sind sehr, sehr selten und sehr, sehr scheu. Mein Vater hat einmal einen von ihnen gesehen, irgendwo in Tibet.“ „Und er hat die Federn gleich mitgebracht?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Die bringt uns immer Pein – es ist extrem schwer, an diese Federn zu kommen.“ „Hm.“, machte er statt einer Antwort und wirkte nachdenklich. „Weißt du, was ich mich gerade frage? Wenn ihr hier so wertvolle Dinge habt, warum werdet ihr nicht überfallen?“ Sie grinste ihn spitzbübisch an. „Das ist einfach zu beantworten: Wir haben hier ein ziemlich gutes Sicherheitssystem. Es ist keines, das für die Otherworld Sinn machen würde, aber gegenüber der Neitherworld ist es sehr wirksam – jahrhundertealte Schutzzauber und –runen. Wer hier etwas stehlen will, braucht mehr als nur einen guten Magier, denn sie sind nicht leicht zu brechen. Wenn es überhaupt noch möglich ist – je älter sie werden, desto stärker werden sie auch.“ Naruto nickte. „Verstehe.“ Er lehnte sich zurück und schien nachzudenken. „Warum fragst du das?“, wollte Hinata vorsichtig wissen. Sie wusste nicht, ob es sie etwas anging. In vielen Sachen war sie noch immer unsicher – wie weit durfte sie in Narutos Privatsphäre eindringen? Sie mochte seine Freundin sein, aber immerhin war sie trotzdem ‚nur‘ das. Nicht mehr. Manche Dinge würde er ihr vielleicht gar nicht erzählen wollen und sie wollte ihn unter keinen Umständen bedrängen. Doch der Blonde zuckte bloß nachlässig mit den Schultern. „Nur so.“ „Oh.“, machte sie. Manchmal war eine Fliege eben einfach nur eine Fliege. „Wa…warst du noch einmal bei Jiraiya?“, fragte sie dann. Eigentlich ging sie das nichts an… Aber sie war neugierig und sie hatte ihm schon so viel geholfen und vielleicht konnte sie ihm noch einmal helfen? Schaden würde sie sicher nicht – eher im Gegenteil, so viel konnte sie sagen. Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte am Wochenende noch einmal hin.“ Er fuhr sich durch die Haare. „Und vielleicht kommt Neji ja mit.“ Sie blinzelte erstaunt und warf einen Blick zu ihrem Cousin hinüber, der an einem Regal stand und irgendetwas ordnete. „Neji?“ Wie kam Naruto denn plötzlich auf ihn? „Weißt du…“, begann der Angesprochene. „Nichts für ungut, aber du gibst nun mal keine sonderlich beeindruckende Person ab. Neji dagegen…“ Sie verstand und nickte. Gerade, als sie noch etwas sagen wollte, fokussierte Narutos Blick sich auf etwas hinter ihr und er murmelte leise: „Aber das wird vielleicht gar nicht nötig sein…“ Verwirrt drehte sie sich um. Sie sah sofort, was seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Oder besser wer: Jiraiya. Der alternde Ninja war gut durch das Schaufenster zu sehen und gerade stieß er die Tür zum Circle auf. Überrascht starrte Hinata ihn an. Neji blickte ebenfalls auf, aber er schaute nur kurz zu Naruto, der sich bereits von seinem Stuhl erhoben hatte, und mischte sich nicht ein. Der Kröteneremit kam geradewegs auf Naruto zu, der ihm mit grimmigem Gesichtsausdruck entgegenblickte. „Was willst du?“, raunzte er Jiraiya an, noch ehe der etwas sagen konnte. Anscheinend war er immer noch sauer. „Wenn du weiterhin so unverschämt bist, geh ich gleich wieder.“, bellte Jiraiya zurück, der sich solche Impertinenz von einem Neuling wie Naruto anscheinend nicht bieten lassen wollte. Allerdings ließ er es gar nicht zu, dass der Blonde darauf antwortete, sondern fuhr ohne Unterbrechung fort: „Ansonsten biete ich dir an, dir von deiner Familie zu erzählen.“ Das verschlug Naruto tatsächlich die Sprache und für einen Moment starrte er den Ninjameister nur stumm und fassungslos an. Dann runzelte er die Stirn, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, Jiraiya einfach zum Teufel zu jagen, und dem Verlangen, endlich das Geheimnis seiner Herkunft aufzudecken. Hinata war es, die sich instinktiv einschaltete, ehe etwas Schlimmes passieren konnte, das ihr Freund am Ende bereuen würde. „Oh, das ist eine phantastische Nachricht!“, erklärte sie. „Bitte, wann sollen wir zu Ihnen kommen, Jiraiya-sama?“ Die beiden Streithähne starrten sie an und für einen Moment wünschte sie sich, dass sich der Erdboden auftun und sie verschlingen würde. Doch nur für einen einzigen Augenblick. Denn es war das Richtige gewesen. Naruto hätte den älteren Mann nur beleidigt, der die erste Bemerkung hingenommen hatte, aber ganz sicher nicht mehr solcher Frechheiten durchgehen lassen würde. Jiraiya war der erste, der sich wieder fing und er wandte sich wieder an Naruto. „Da ist jemand nicht nur hübscher, sondern auch viel klüger als du, Bengel!“ Naruto schien die Bemerkung kaum zu beachten. Hätte er Gelegenheit zum Antworten gehabt, hätte er vermutlich etwas wie „Das wusste ich doch schon lange, du Idiot!“ gesagt. Doch der Ninjameister sprach sofort weiter: „Kommt am Sonntagmorgen zu mir. Wir werden viel zu bereden haben. Ich hoffe, du bist auf das vorbereitet, was auf dich zukommen wird, Uzumaki Naruto.“ Der funkelte ihn an und Hinata konnte die Vorfreude sehen, die ihn jetzt erfüllte. „Was denkst du, alter Mann?“, grinste er herausfordernd und Jiraiya nickte, plötzlich einen nachdenklichen und gleichzeitig erwartungsvollen Ausdruck im Gesicht. „Und bringt einen zweiten Begabten mit.“ Er sah zu Neji hinüber, der die kleine Gruppe mit undurchdringlichem Blick beobachtete. Jetzt nickte er zustimmend und erklärte: „Wir werden da sein.“ Damit grüßte Jiraiya kurz und verließ das Circle mit raschen Schritten. Neji blickte ihm nach und verschwand ohne ein Wort zwischen den Regalen. Hinata strahlte ihren Freund an und fiel ihm um den Hals. „Siehst du? Das Warten hat sich gelohnt!“ Naruto nickte nur und wirkte fast, als hätte man ihm mit der Bratpfanne eines übergezogen. Aber dass war wohl normal bei der plötzlichen Aussicht auf das Ende seiner ewig scheinenden Suche. Neji war der einzige unter ihnen, der ruhig und gefasst wirkte. Hinata war nervös und rang unruhig die Hände oder zupfte fahrig an ihrem Pulloversaum herum und Naruto vibrierte geradezu vor Energie und Aufregung. Während der letzten Tage war er kaum zur Ruhe gekommen und jetzt schien alles aus ihm herauszubrechen, die Erwartung, die Ungeduld, die Spannung. Vielleicht war da sogar etwas wie Furcht dabei. Hinata ging sicher, an seiner Seite zu bleiben; sie war eine beruhigende, tröstliche, ständige Präsenz neben ihm, etwas wofür er ihr unendlich dankbar war. Jiraiya führte sie in ein großes, unordentliches Zimmer. Der Boden bestand aus hellen Matten und der Mittelpunkt war ein Tisch mit Sitzkissen darum. An der Wand standen einige Kommoden und gegenüber der Eingangstür führte eine weitere, weit offen stehende Tür hinaus in den Garten. Auf einer der Kommoden stand ein Gestell mit zwei Samuraischwertern. Einige weitere Klingen lagen unordentlich darum verteilt, im Rest des Zimmers waren andere Dinge verstreut – Sammlungen von Papieren, manche blank, andere mit enger, unordentlicher Handschrift beschrieben, schmutziges Geschirr, Bücher und Schriftrollen, sowie Stapel von Kisten aus Pappe und Holz. In einer Ecke türmten sich Kerzen, edle Steine, Kräuter und diverse andere Dinge, die man für lange Rituale gebrauchen konnte. Etwas hatte er in der Zeit, in der er die Hyuuga kannte, über Magie aufgeschnappt. Er fragte sich, ob die Sachen immer dort lagen oder ob Jiraiya sie herbeigeschafft hatte, weil er für Naruto ein Ritual durchführen wollte. Hinata hatte gesagt, die Tatsache, dass Jiraiya Nejis Anwesenheit gefordert hatte, zeigte darauf hin, dass er die Sache sofort hinter sich bringen wollte. Auf einem der Kissen hockte ein bekannt aussehender Mann unbestimmten Alters. Er wirkte jung, doch sein Haar war silbergrau. Naruto brauchte einen Moment um ihn einzuordnen und erinnerte sich an sein erstes Date mit Hinata, das Date, das keines war und bei dem sie sich zum ersten Mal geküsst hatten. Sie hatten ihn bei Ichiraku’s getroffen, der Mann, der über einen weiteren Uzumaki gesprochen hatte und über jemandem, dem Naruto ähnlich sah. „Das ist Kakashi.“, erklärte Jiraiya, als er die Blicke seiner Gäste bemerkte. „Er ist ein alter Freund deiner Eltern, Naruto.“ Kakashi, der ein einem orange eingebundenen Buch gelesen hatte, sah auf und musterte die Gruppe. Sein Blick lag dabei vor allem auf Naruto, der ihn beinahe trotzig erwiderte. Dann stand der Grauhaarige auf und erklärte: „Kein Wunder, dass du Minato ähnlich siehst.“ „Setzt euch.“, wies der Ninjameister sie ohne weitere Überleitung an. Hinata und Neji kamen der Aufforderung geschmeidig nach, während Naruto stehen blieb. Er hatte keine Lust, Jiraiya entgegen zu kommen – dessen erste Abfuhr hatte ihm in Naruto keinen Freund gemacht. „Wir haben Sie getroffen.“, bemerkte er und blickte Kakashi an. „Im Ichiraku's.“ „Jup.“, antwortete Kakashi lässig. „Und ich hätte schon früher daran denken sollen, dass du Minatos Sohn bist.“ Minato. Das war der Name seines Vaters. Und seine Mutter? „Warum wollten meine Eltern mich nicht?“, platzte es aus ihm heraus, eine Frage, die er so nicht hatte stellen wollen. Nicht so, nicht vor diesen Fremden, nicht vor Hinata. Diese blickte ihn betroffen an und so, als hätte sie eine plötzliche Erkenntnis. Nejis Gesicht blieb unbewegt. Hinata dagegen wirkte für einen Moment, als wolle sie in Tränen ausbrechen. Zum Glück tat sie das nicht, stattdessen stand sie wieder auf und stellte sich neben ihn. Kakashi dagegen reagierte überhaupt nicht auf die Frage. „Naruto.“, begann Jiraiya leise. „Deine Eltern wollten dich. Und wie.“ „Und warum bin ich dann nicht bei ihnen?! Warum haben sie mich dann weggegeben?!“ „Weil sie dich lieben.“ Die Stimme des Kröteneremiten war ruhig und nahezu sanft. Naruto starrte ihn feindselig an, als ob Jiraiya an allem Schuld wäre. Daran, dass er seine Eltern nicht kannte. Daran, dass die beiden ihm Steine in den Weg gelegt hatten. Daran, dass er vor seinem Treffen mit einem Mitglied der Neitherworld nicht einmal auf eine Chance auf die Wahrheit gehabt hatte. Daran, dass seine Eltern ihn weggegeben hatten. „Wenn ihr von Minato sprecht, meint ihr dann Namikaze Minato?“, erkundigte sich Neji von der Seite, bevor Naruto mit irgendetwas herausplatzen konnte. Sein Ton war kühl und kalkulierend. Alle Blicke richteten sich auf ihn und er erwiderte sie unbewegt. Hinata zog scharf den Atem ein – wer immer Namikaze Minato war, er war bekannt wie ein bunter Hund. Naruto sagte der Name überhaupt nichts. „Nun?“, wollte Neji wissen und zog eine Augenbraue hoch, als nicht sofort eine Antwort kam. „Ja.“ Jiraiya nickte. „Oh, Naruto...!“, hauchte Hinata besorgt und griff mit beiden Händen nach dessen Fingern, um sie zu drücken. „Wer ist das?“, wollte er wissen; er störte sich nicht mehr daran, dass er grob und unhöflich klang. Er wollte jetzt einfach nur noch Antworten haben. Und die am besten sofort. Jiraiya schüttelte den Kopf und wies sie an: „Setzt euch. Wir müssen hier weiter ausholen, ansonsten wäre es nicht angemessen und nicht fair – dir gegenüber und deinen Eltern gegenüber.“ Für einen Moment dachte Naruto daran, sich erneut zu weigern, bis er eine zufriedenstellende Antwort bekam. „Bitte.“ Das und der leichte Zug, den Hinata in seinen Arm legte, brachten Naruto schließlich dazu, nachzugeben und sich auf eines der Sitzkissen fallen. Hinata sank neben ihm ebenfalls auf einem der Plätze nieder. Auch Jiraiya und Kakashi setzen sich, doch Naruto ließ ihnen keine Zeit, es sich bequem zu machen, sondern forderte: „Nun? Fangt an.“ „Ich weiß nicht, wie viel du bereits über die Neitherworld weißt, Junge. Aber ich werde von ganz vorne anfangen, damit du auch wirklich verstehst, was vorgefallen ist.“ „Ich bin kein Trottel, Alter.“, zischte Naruto zurück, doch während Hinata erschrocken zusammenzuckte, kümmerte Jiraiya sich weder um den feindseligen Ton noch um die Beleidigung. „Das ist mir klar, aber ich will nicht, dass da irgendwelche Missverständnisse auftreten. Und jetzt halt die Klappe und hör zu. Du entstammst einer alten Linie von Youko – das ist übrigens eine bösartigere Unterart der Kitsune – den Goldenen Füchsen von Konoha. Sie sind sehr berühmt und mächtig. Deine Familie, Naruto, liegt schon seit Generationen in einer Fehde mit anderen Youkai, einer Gruppe überaus mächtiger Orochiyoukai – den Schwarzen Schlangen.“ Naruto dachte sofort an den Angriff vor dem Kabarett, an den Youkai, den er selbst getötet hatte, und öffnete den Mund um etwas zu sagen. Dann überlegte er es sich anders und blieb still. Erst wollte er den alten Ninjameister anhören. Danach konnte er reden. Der wirkte zufrieden ob der Tatsache, dass Naruto es schaffte, die Klappe zu halten und sprach weiter. „Ich kenne deinen Vater schon sehr lange. Als ich ihn kennen lernte, war er noch ein Kind, keine zwanzig Jahre alt. Ich weiß nicht, ob du weißt, wie alt ich wirklich bin – es sind jetzt fast 65o Jahre...“ Naruto runzelte die Stirn, verkniff sich aber einen bissigen Kommentar. „Jedenfalls habe ich ihn ausgebildet und er hat in mir immer einen Vertrauten gesehen. Eine Aufgabe, die ich stets so gut wie möglich erfüllte. Deine Mutter, Uzumaki Kushina, ist eine einfache Kitsune. Vor etwa zweihundert Jahren lernten sie sich kennen und lieben – sie sind wie geschaffen füreinander, das haben selbst Minatos Eltern eingesehen.“ Jiraiyas Blick schweifte aus dem Fenster und er wirkte, als würde er sich an die Situation erinnern. Dann lachte er leise. „Die waren am Anfang nicht wirklich begeistert. Sie hatten deinem Vater schon eine angemessene Braut aus einem ihrer Clane ausgewählt und waren bereits in Verhandlungen mit deren Eltern getreten, über die Mitgift und den Brautpreis und alles. Aber Minato hatte immer eine Art, die Pläne von anderen über den Haufen zu werfen und dabei auch noch gut wegzukommen…“ Der Ninja schüttelte den Kopf und wandte sich wieder an Naruto, der gespannt lauschte und gar nicht erst versuchte, all die Informationen auszuwerten. Ihm war es jetzt erst einmal wichtiger, sie überhaupt zu bekommen. Mehr von seinen Eltern zu erfahren und ihrer Geschichte. Die Realität, nun direkt vor der Aufdeckung der Geheimnisse und der Lösung aller Rätsel zu stehen, die ihn in der letzten Zeit so beschäftigt hatte, hatte ihn wie ein Schlag getroffen, als Jiraiya angefangen hatte zu erzählen. Der fuhr jetzt fort, ohne Naruto und seinen beiden Freunden viel Zeit zu lassen, über das Gesagte nachzudenken. „Kakashi lernte er auch in dieser Zeit kennen.“ Naruto schaute zum dem grauhaarigen Mann hinüber, der auf seinem Kissen lümmelte und den Blick gelassen erwiderte. „Sie sind auch ganz schön alt.“, erklärte er dann aus Ermangelung von einer passenderen Bemerkung. „Ich bin ein Halbdämon. Wir leben eben länger.“ „Aha.“ Es klang beinahe so desinteressiert, wie Naruto sich fühlte. Aber im Moment lockte ihn einfach nur eines: das, was Jiraiya und Kakashi ihm über seine Eltern erzählen konnten. Kakashi schien diesen Wunsch zu erkennen, denn jetzt war er es, der den Faden wieder aufnahm. „Drei oder vier Jahrzehnte nach dieser Zeit wurden die Kämpfe zwischen deiner Sippe und den Orochiyoukai schlimmer. Die Schwarzen Schlangen hatten einen neuen Anführer bekommen, Orochimaru vom Tsurugi-Dake. Er war sehr stark und auch extrem gerissen und geschickt. Darüberhinaus verstand er, seine Talente einzusetzen und verfügte über äußerst wenig Skrupel… Die Schlangen sind, wie die Füchse, untereinander zerstritten – der Grund, warum so lange keine der beiden Gruppen gewinnen konnte. Aber Orochimaru wandte sich erst ab von der Fehde und unterwarf einige Schlangenclans, einen nach dem anderen – am Ende war seine Streitmacht um vieles stärker als die der Goldenen Füchse. Zu diesem Zeitpunkt begann er, gegen uns vorzugehen. Nur dank Minato und Kushinas Familie, die uns immer wieder helfend unter die Arme griffen, hielten wir so lange stand. Aber … Minato wusste das und sagte voraus, dass sie diesen Kampf nicht mehr gewinnen konnten. Er behielt recht. Heute gibt es nicht mehr viele Goldene Füchse, Naruto, und die, die übrig sind, sind in alle Winde verstreut, damit Orochimaru sie nicht finden kann. Einzeln können Kitsune untertauchen, dass niemand sie findet. In Gruppen sind sie leider leichter aufzuspüren. Orochiyoukai dagegen sind in Gruppen stärker und einzeln oft schwach wie Maden. Etwas, was leider nicht auf Orochimaru selbst zutrifft, sonst hätte die Sache anders ausgehen können. Im Massaker von Kyogatake wurden die meisten Mitglieder deiner Sippe niedergemetzelt.“ Kakashi hob eine Hand und tastete nach seiner Augenklappe. Für einen Moment schien es, als würde er sich in Erinnerungen verlieren – es war offensichtlich, wann er dieses Auge verloren hatte. Aber er fing sich und sprach, bevor Naruto auch nur realisieren konnte, von was er da wirklich redete, abrupt weiter: „Trotzdem schien es, als würde Minato der glücklichste Mann auf Erden sein, als Kushina schwanger wurde, das war vor zwanzig Jahren – einige Monate später kamst dann du auf die Welt. Sie waren so glücklich.“ Diesmal schlich sich ein leises Lächeln auf Kakashis Gesicht. „Aber Orochimaru schien einen besonderen Hass auf deinen Vater zu haben, denn Minato war der einzige, den er aktiv suchte. Ein Jahr konntest du bei deinen Eltern bleiben, aber er fand uns immer wieder und zwang uns zur Flucht. Irgendwann entschieden deine Eltern sich, dich wegzugeben und damit zu verstecken. Du solltest nicht in den Zwist hineingezogen werden und ein weiteres Opfer der Schlangen werden, sondern eine Kindheit haben, die so normal wie möglich war. Uns allen fiel das sehr schwer, Naruto, aber deinen Eltern besonders. Ich glaube nicht, dass sie danach je wieder dieselben wurden. Minato rief Jiraiya, der alles plante und durchführte. Ich glaube, er fand sogar deinen Ziehvater für dich.“ Naruto richtete einen Blick auf den alten Ninjameister, der bekümmert und entschlossen zugleich aussah, doch er brachte es nicht mehr über sich, zornig auf den Mann zu sein. Jetzt, wo er die ganze Wahrheit kannte, war es viel leichter zu verstehen. Auch, wenn er die gesamte Tragweite der Geschichte noch nicht verstanden hatte. Fehde? Kämpfe? Massaker? Das war so leicht zu sagen und zu hören, aber schwer zu verstehen. Wieder wurde ihm bewusst, wie wenig er eigentlich von der Neitherworld wusste. Hinata und Neji schien dieses Massaker ein Begriff zu sein, ebenso wie der Name seines Vaters, Namikaze Minato. Aber er … er wusste von nichts. Nur eines begriff er: Dass er seinen Eltern schon längst vergeben hatte dafür, dass sie ihn weggegeben hatten. Denn auch wenn er nicht wirklich verstand, was vorgefallen war, so erkannte er doch auf einer tiefen Ebene, dass sie es getan hatten, um ihn zu schützen. Um ihm die Gelegenheit auf eine Kindheit zu geben. Auf ein Leben ohne ständigem Kampf und Flucht und einer Fehde mit so mächtigen, grausamen Youkai, die ein ganzes Volk vernichten wollten. Und dafür hatten sie sich von ihm, den sie mehr liebten als alles andere, getrennt. Wer würde ihnen das nicht verzeihen können? Wer würde es ihnen anlasten? Naruto war nie jemand gewesen, der unversöhnlich und nachtragend war. Er brauchte einfach nur gute, verständliche Gründe um zu verzeihen und er war Jiraiya und Kakashi dankbar, dass sie ihm welche geliefert hatten. Dann fiel ihm etwas auf und er wandte sich an den Ninjameister: „Wie kannst du Iruka für mich gefunden haben? Ich war doch erst im Kloster und niemand konnte ahnen, dass er sich meiner annehmen würde.“ Der nickte. „Das Kloster wurde auf Isthar Isis‘ Rat hin ausgewählt.“, erklärte er. „Wir waren mehrmals bei ihr, damit du nicht in falsche Hände gelangst und so sicher wie möglich bist.“ „Wie bitte?!“, fuhr Naruto auf. „Die kannte mich?!“ „Ward ihr bei ihr?“, wollte Kakashi wissen und klang amüsiert. „Ärger dich nicht über sie – Ishtar Isis ist sehr weise und weitsehend. Sie weiß oft, was das Beste ist, aber sie mischt sich selten ein. Außerdem – wahrscheinlich hat sie sich entweder auch gar nicht an dich erinnert oder dich nicht erkannt. Das ist immerhin schon fast zwei Jahrzehnte her und wie soll sie diese Verbindung knüpfen? Es war immer Jiraiya, der bei ihr war und sie hat weder dich noch deine Eltern getroffen.“, bemerkte der Halbdämon und Hinata nickte heftig. „Die Fähigkeiten von Sehern wirken darüberhinaus oft sehr seltsam und für unsereins unveständlich.“, fügte sie hinzu. Naruto beruhigte sich wieder. Vermutlich war es tatsächlich so. Und Ishtar Isis musste zu diesem Zeitpunkt sowieso noch ein Kind gewesen sein, richtig? Sie war ihm nicht sonderlich alt erschienen. Er schwieg für einen Moment. Was wollte er noch fragen? Er wusste jetzt die Gründe, warum er nicht bei seinen Eltern hatte aufwachsen können, er wusste, wer sie waren und zu welchem Volk sie angehörten… Was gab es noch? „Habt ihr… habt ihr ein Bild von ihnen? Von meinen Eltern?“, fragte er, beinahe schüchtern. „In der Tat, die haben wir.“ Jiraiya griff hinter sich und zog ein Fotoalbum unter einem Stapel Blätter hervor, die sich daraufhin in einem Schwall über den Boden verteilten. Naruto hätte beinahe gelacht – solche Alben kannte er von Iruka, der sie in einem Regal im Wohnzimmer aufbewahrte, wo jeder sie ansehen konnte, wenn er wollte. „Hier. Du kannst es mitnehmen.“ Jiraiya schob den dicken Band zu ihm hinüber und Naruto griff danach. Er fühlte sich beinahe ehrfürchtig. Hier drin… hier drin waren Bilder von seinen Eltern. Seinen Eltern. Endlich würde er wissen, wer sie waren. Wie sie aussahen. Er klappte den Deckel auf. Das erste Bild wirkte uralt – sepiabraun und vergilbt und die beiden Personen darauf trugen altmodische, japanische Kleidung und sahen aus wie Menschen. Aber Naruto wusste sofort, dass es tatsächlich seine Eltern waren. Die Frau saß auf einem Stuhl, die Hände brav im Schoß verschränkt. Ihr Kimono wirkte edel und schwer, ein fließendes Gewand, das sie mit der Eleganz einer Königin trug. Ihr langes Haar war aufgesteckt und fiel ihr trotzdem über die Schultern und den Rücken hinunter, dass es beinahe den Boden berührte. Sie war außerordentlich hübsch. Den Mann neben ihr würde jeder sofort als Narutos Vater identifizieren – sie sahen sich so ähnlich, dass Naruto ihn einen Moment nur anstarren konnte. Seine hellen Haare standen in alle Richtungen ab, seine Augen waren offen und ehrlich und sein Gesicht war für Naruto beinahe das Spiegelbild seines eigenen. Minato hatte den Blick liebevoll auf seine Frau gerichtet, die wiederum in die Kamera blickte. Das waren also Kushina und Minato. Das waren also seine Eltern. „Das nächste Bild ist viel besser.“, erklärte Kakashi plötzlich. „Es zeigt, wer sie wirklich waren, nicht dieses hier, das auf den Wunsch von deinen Großeltern gemacht wurde.“ Naruto blickte auf und blätterte dann um. Das zweite Bild war sehr viel jünger, die Farben leuchtend und klar. Kushinas Haar war flammendrot und Minatos Augen himmelblau. Er trug sie huckepack und beide strahlten lachend in die Kamera, als hätten sie keine Sorgen auf der Welt. Ob sie hier schon in diesem harten Kampf mit den Orochiyoukai standen? Vermutlich nicht… Oder doch? „Sie sehen glücklich aus.“, bemerkte Hinata nach einer Weile. „Oh, das waren sie.“, bekräftigte Jiraiya. „Und sie sind es vermutlich noch immer. Die beiden haben immer alles daran gesetzt, das Positive in jeder Lebenslage zu sehen. Man lebt nur einmal und man sollte jede Sekunde auskosten. Nach dieser Philosophie haben sie gelebt.“ „Und du scheinst mir nicht anders zu sein, Uzumaki Naruto.“, fügte Kakashi hinzu. Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: „Ich kann dir leider nicht sagen, wie es den beiden geht. Ich habe schon seit Jahren nichts mehr von ihnen gehört – sie haben sich von allen getrennt, die nicht zu ihrem Volk gehören, damit sie nicht in Gefahr sind und dann sind sie untergetaucht.“ „Keine Nachricht“, warf Jiraiya ein. „ist also eine gute Nachricht.“ Naruto senkte den Kopf und starrte auf den Boden. Der Ninja hatte sicherlich recht. Trotzdem hätte er seine Eltern gern einmal getroffen. Aber das schien in näherer Zukunft nicht möglich zu sein. Kakashi war es, der ihn aus den Gedanken riss. „Und wie sieht es jetzt aus? Bist du bereit, den Zauber loszuwerden und das zu werden, was du wirklich bist?“ Überrascht blickte Naruto auf. „Was meinst du?“ „Der Schutzzauber, der auf dir liegt? Wie werden ihn entfernen – wenn du willst, jetzt sofort. Wenn du willst, erst in ein paar Tagen oder nächstes Jahr. Es ist deine Entscheidung.“ Jiraiya blickte ihn ernst an. „Aber bedenke – es wird dein Leben für immer verändern.“ Naruto starrte ihn an und seine Gedanken überschlugen sich. Aber im Grunde wusste er, was seine Antwort war, und sie sprudelte rasch aus ihm heraus: „Worauf warten wir dann noch?“ Plötzlich war da Aufregung da und freudige Erwartung. Wie würde es sein, Dämon zu sein? Youko? Würde sich das anders anfühlen als jetzt? Sehr viel anders? Oder würde sich gar nichts verändern? Würde das Ganze schnell gehen? Würde es schmerzhaft sein? Und wenn schon – nichts würde ihn davon abhalten! Kakashi lachte. „Ich sehe, du bist ganz deine Mutter.“, erklärte er und erhob sich. Er wechselte einen kurzen Blick mit Jiraiya, der daraufhin nickte, und wandte sich wieder an Naruto. „Komm mit.“ Hinata drückte seine Hand, ehe sie ihn gänzlich losließ, und er sprang auf um dem Halbdämon zu folgen. Der schleppte ihn zuerst in ein Nebenzimmer, wo er einen weißen Kimono hin die Hand gedrückt bekam mit dem Befehl, sich umzuziehen. Kaum hatte er das erledigt, brachte Kakashi ihn in den großen herkömmlichen japanischen Garten, wo er unter einem kleinen, künstlichem Wasserfall ein reinigendes Bad nehmen musste. Danach bekam er einen trockenen Kimono und wurde wieder ins Haus zurückgebracht. Jiraiya hatte inzwischen mit den Hyuuga das Ritual vorbereitet. Sie waren in ein anderes Zimmer gegangen, dessen Holzboden mit einer lückenlosen, hellen Matte bedeckt war. Darauf war ein kompliziertes, kreisförmiges Muster zu sehen, das mit einem blauen Pinsel aufgezeichnet worden war. Dazwischen prangten grüne Symbole, die Naruto rein gar nichts sagten. In regelmäßigen Abständen waren Kerzen aufgestellt worden, die angenehmes, ruhiges Licht verbreiteten. Kakashi blieb im Türrahmen stehen, drückte ihm kurz die Schulter und verschwand nach draußen, wobei er die Tür hinter sich zu schob. Jiraiya war nicht anwesend, aber die beiden Hyuuga. Hinata saß auf Händen und Knien und zeichnete ein letztes Symbol in den Kreis. Neji stand mit überkreuzten Armen daneben und betrachtete das Muster aufmerksam. Sie blickten beide auf, als Naruto hereinkam, aber sie sagten nichts und auch Naruto schwieg. Er hatte das Gefühl, dass Worte hier und jetzt nicht angebracht waren, und ließ sich von Neji in die Mitte des Ritualkreises führen, wobei sie darauf achteten, keine der sorgfältig aufgetragenen Linien zu verwischen oder gar zu unterbrechen. Kurz darauf kam Jiraiya durch eine zweite Tür herein. Auch diese wurde gewissenhaft geschlossen, ebenso wie die Blenden an den Fenstern. Bald waren die Kerzen die einzigen Lichter im Raum, aber ihr Licht war hell und ausreichend. Neji und Hinata ließen sich links und rechts von Naruto auf die Knie sinken, direkt zwischen zwei Kerzen. Neji hielt einen golden schimmernden Dolch in den Händen, Hinata ein faustgroßes, ebenfalls goldenes Glöckchen. Sie hatten sich nicht umziehen müssen, aber Jiraiya trug einen ähnlichen Kimono wie Naruto. Er nahm den Platz gegenüber dem blonden Jungen ein. Sein Blick war ernst und fragend. Wenn er es sich doch anders überlegen wollte, musste er sich jetzt melden, das wusste er. Aber Naruto hatte keine Zweifel. Er erwiderte Jiraiyas Blick entschlossen und fest. Dieser begann ohne weitere Unterbrechung, indem er die Räucherstäbchen anzündete, die der Junge bis jetzt noch nicht bemerkt hatte. Ein durchdringender, süßer Geruch erfüllte den Raum und stieg Naruto beinahe sofort zu Kopf. Er konnte nicht sagen, ob es ein angenehmer Duft war – auf jeden Fall schien er allgegenwärtig. Jiraiya ging mit gemessenen Schritten um den Ritualkreis, Naruto und die beiden Hyuuga herum. Als er die erste Runde vollendet hatte, begann er mit einer Intonation. Sie klang tragend und kompliziert, aber Naruto verstand kein Wort. Was das wohl für eine Sprache war? Hin und wieder an den richtigen Stellen (zumindest vermutete Naruto das – er hatte keine Ahnung davon) bimmelte Hinata mit ihrem Glöckchen oder pochte auf das Holzbrett, das neben ihr lag. Sie hielt die Augen geschlossen und rührte sich sonst nicht. Neji war ebenso bewegungslos, den Dolch in seinem Schoß, still und unbeweglich. Seine Augen waren wie helle Monde in seinem bewegungslosen Gesicht, über das die Schatten tanzten. Sie wirkten hell und gespenstig im dunklen Raum und reflektierten das Licht der Kerzen. Es sah unheimlich aus, unmenschlich fast. Hyuugaaugen – Hinata und auch die anderen beiden hatten das öfter erwähnt, aber bis jetzt hatte Naruto sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was das bedeuten sollte. Und jetzt war wohl auch kaum der richtige Zeitpunkt dafür. Jiraiya ging noch zweimal um sie herum, während er ununterbrochen sprach. Während er ging, sammelte sich etwas im Raum an, ballte sich zusammen. Die Härchen auf Narutos Armen und in seinem Nacken stellten sich auf, dann überzog ihn eine Gänsehaut, schließlich brach ihm der Schweiß aus. Das war Macht; pure, reine Energie, die durch das Ritual zusammengezogen und gesammelt wurde. Jirayas Stimme war am Anfang leise gewesen und wurde mit jedem Schritt lauter, langsam, aber stetig. Als er fertig war, schien der Sprechgesang beinahe wie Donner durch den Raum zu klingen. Die Luft vibrierte nahezu vor Energie. Die Kerzen flackerten unruhig und wild und warfen tanzende, zuckende Schatten an die Wände. Nejis Augen wirkten noch unheimlicher als vorher, sie schienen nahezu in silbernem Feuer zu brennen – oder taten sie es tatsächlich? Kein Wunder, dass der alte Ninjameister noch einmal Narutos Entschlossenheit geprüft hatte – wenn sie das Ritual jetzt unterbrechen würden, würde eine Katastrophe folgen, das merkte selbst jemand wie Naruto, der so unerfahren mit Magie war. Jiraiya beendete mit einem letzten, tragenden Wort seine Intonation und ließ sich wieder vor Naruto auf den Boden sinken. Hinata hob ihre Glocke und schwenkte sie langsam hin und her – helle, klingende Töne, die lange nachwirkten und Naruto bis in die Knochen fuhren. Dann löste Neji sich aus seiner Starre. Seine Bewegungen waren präzise und geschmeidig, als er seine Hand hob und sich mit seinem goldenen Dolch quer über die Handfläche fuhr. Naruto schaute ihm beinahe entsetzt zu, aber Neji musste es gewusst haben – er wirkte gefasst und nüchtern. Der Schnitt musste tief sein, denn er füllte sich sofort mit Blut, das als ein kleines Rinnsal seine Hand hinunterfloss und auf den Boden tropfte, in den Ritualkreis. Der erste Tropfen Blut ging wie ein Trommelschlag durch die angesammelte Energie und schien Wellen zu schlagen. Der zweite und der dritte wirkte ähnlich, die darauffolgenden noch lauter. Dann presste Neji seine Hand auf den Boden, dort wo er schon von Blut verschmiert wurde und die Macht vervielfältigte sich mit einem Schlag. Für diesen einen Moment war es, als würde sich diese Kraft zusammenziehen. Naruto bekam keine Luft mehr und es war, als würde jemand seine Knochen zermalmen. Die Panik lauerte bereits an den Rändern seines Bewusstseins, als sich der Druck mit einem Schlag auflöste und verschwand. Stattdessen strömte etwas Anderes, Vertrautes auf ihn ein und es war, als würde … Etwas, eine Kraft, eine Gewalt in ihm erblühen mit der Macht der heiß brennenden Sonne und des peitschenden Sturmes, mit der Stärke von unaufhaltsamen Wassermassen und beständiger Erde. Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, wie Hinata und Neji ihre Hände zusammenfassten, nur die Zeigefinger ausgestreckt. Hinata hielt ihr Glöckchen dazwischen, das jetzt schwieg. Neji floss noch immer Blut den Arm hinunter, das auf den Boden tropfte, wo es die Magie weiterhin zum Klingen brachte. Jiraiya begann wieder mit einem Sprechgesang, ebenso tragend und langgezogen wie der erste. Diesmal hatte Naruto nicht einmal mehr die Chance, etwas zu verstehen, denn kaum hatte Jiraiya den ersten Ton von sich gegeben, zog sich die Energie im Raum um ihn herum zusammen, während dieses … Etwas in seinem Inneren herauszudringen schien. Er krümmte sich und versuchte festen Halt an dem rutschigen Boden zu finden, aber seine Finger glitten ab. Etwas klirrte, so als ob eine Glasscheibe Risse bekommen würde. War das ... war das der Schutzzauber, der brach? Jiraiyas Stimme wurde lauter, energischer, und dann barst etwas mit einem ohrenbetäubenden, lautlosen Donnern. Brennender Schmerz zuckte von seinem Steißbein aus sein Rückgrad hoch und sein Kopf schien plötzlich in Flammen zu stehen. Er öffnete den Mund, um zu schreien, aber kein Ton drang über seine Lippen. Doch der Schmerz war so schnell vorbei, wie er gekommen war, und er hinterließ Veränderungen. Naruto ahnte den buschigen, goldenen Schwanz eher, als er ihn spürte, aber er wusste, dass er da war. Er wusste auch, dass seine Ohren sich verändert hatten, zu pelzigen Fuchsohren wie die des Silbernen Youko Kurama. Seine Finger fanden plötzlich halt, die scharfen, langen Nägel – neu gewachsene Klauen – zogen tiefe Furchen in den Boden. Doch die Verwandlung war noch nicht zu Ende. Von seiner Seite kam wieder der Klang des Glöckchens klar und gut zu hören, selbst über den Lärm, den Jiraiya plötzlich machte. Nejis Blut erfüllte seinen Geruchssinn, metallisch und bitter und so deutlich, als würde er seine Nase direkt hineinstecken. Es war, als wären seine Sinne plötzlich um ein vielfaches besser. Er riss die Augen auf und zuckte erschrocken zurück – die Luft schien erfüllt von bunt schillernden Farben, blau und violett vor allem, gemischt mit ein wenig grün, außerdem gold und rot wie Flammen. War das ... war das die Magie? Konnte er sie jetzt sogar sehen?! Ihm blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken, denn jetzt begann sich auch sein Körper zu verwandeln. Seine Arme und Beine wurden Kürzer, Mund und Nase stülpten sich zu einer Schnauze nach vorn und seine Hände und Füße wurden zu kompakten Pfoten. Zu seinem Schwanz gesellte sich noch ein zweiter – also galt die Neun-Schwänze-Regel auch für Youko? Aber ja doch! Kurama hatte als Fuchs ganze sechs Schwänze gehabt und in seiner menschlichen Gestalt ebenfalls nur einen. Naruto fragte sich für einen Moment, wie alt der Silberne wohl war und wie mächtig. Dann konzentrierte er sich wieder auf das Wichtigere – sich selbst, seine neuen Körper, die plötzliche Kraft, die in seinen Muskeln steckte. Er drehte sich einmal um sich selbst, ließ die buschigen Fuchsschwänze durch die Luft schnellen, wobei die Magieschwaden Wellen schlugen, und drehte die Ohren – eines in Hinatas und eines Nejis Richtung. Das Mädchen bimmelte noch immer mit ihrem Glöckchen, aber ihr Cousin war so vollkommen still, dass es beinahe schien, als wäre er nicht einmal anwesend. Jiraiya hatte derweil aufgehört mit seiner Intonation. Naruto wandte den Kopf zu Neji und dieser starrte ihn aus silbern leuchtenden Augen an. Schaudernd wandte der Fuchs sich ab und beschloss, dass jetzt gut war mit der kleinen Tiergestalt. Er konzentrierte sich instinktiv wieder auf den anderen Körper, den, der beinahe menschlich war und jetzt der Seine. Die Verwandlung setzte schnell ein und verlief konträr zu der vorherigen. Bald hatte er wieder lange Glieder und sehr viel weniger goldenes Fell. Er blickte auf, direkt in Jiraiyas Augen. Dieser starrte fest zurück. Nach einem Moment löste er sich und nickte Hinata zu, die ihr Glöckchen sinken ließ. Der Nachhall der hellen Töne verschwand. Neji beugte sich vor und fuhr mit der verletzten Hand direkt durch den blutigen Handabdruck, der vor ihm auf zwischen sorgfältig gezogenen Linien prangte. Blitzschnell, beinahe, als würden sie von etwas herausgesogen werden, verschwand die schillernde Magie aus dem Raum. Die Kerzen hörten auf, so hastig zu flackern und Nejis Augen wirkten nunmehr weiß, nicht mehr silbern. Hinata öffnete die Lider und sah ihn einfach nur an. „Es hat funktioniert.“, bemerkte Jiraiya unnötigergeweise und Naruto bewegte seinen Schwanz, einfach um es zu testen. Es machte ihm überhaupt keine Probleme – als hätte er diesen Körperteil schon immer gehabt und nicht erst eben bekommen. Er war damit geboren worden. Warum sollte es ihm Probleme machen? Warum sollte es nicht natürlich kommen? Auch seine Sinne blieben feiner als vorher. Er konnte Kakashi vor der Tür undeutlich atmen hören und das leise Knarren der Holzdielen, wann immer sich jemand bewegte, klang laut und deutlich in seinen Ohren. Das war ... ein Aspekt, an den er nicht gedacht hatte, aber der so logisch war, dass er sich beinahe an die Stirn geschlagen hatte. Er ließ es bleiben und stand stattdessen auf, erst unsicher, aber das fiel rasch von ihm ab. Er fühlte sich nicht anders als vorher. Nicht schlechter zumindest oder ungewohnter – im Gegenteil. Jetzt schien alles zu stimmen und zu passen. Jetzt war es so, wie es sein sollte. Er blickte zu Hinata hinüber, um nach ihrer Meinung zu fragen, aber sie sprang auf und stürzte auf ihn zu, um ihm um den Hals zu fallen. Sie stieß dabei eine Kerze um, was keine Rolle mehr zu spielen schien, außer, dass Jiraiya erschrocken aufsprang um die Flammen auszutreten. Aber er sagte nichts, sondern lächelte nur über den Enthusiasmus des Mädchens. Überwältigt schloss Naruto sie in die Arme, sog ihren süßen Duft in sich auf, der ihm jetzt um so vieles lieblicher erschien als vorher. „Das ist so toll.“, flüsterte sie und er roch ihre Freudentränen, salzig und bitter und doch... „Das ist so toll.“, wiederholte sie, als ihr nichts anderes einfiel. Naruto warf einen unsicheren Blick zu Neji, der gerade einen Verband um seine Hand wickelte. Bei dem Anblick bekam er ein schlechtes Gewissen – immerhin hatte Neji sich nur wegen ihm selbst verletzt! – doch Neji lächelte ihm nur zu, ruhig und fest. Die Tür, die sich öffnete, lenkte Narutos Blick auf Kakashi, der jetzt eintrat. Er musterte den wie neugeborenen Youko eingehend, dann nickte er und sein Blick wirkte zufrieden. Es dauerte eine Weile, ehe sich der Trubel gelegt hatte und Hinata sich von ihm löste, um zu Neji zu gehen und sich die Schnittwunde noch einmal anzusehen. „Komm.“, befahl Kakashi ihn dann. „Ich werde dir jetzt die Grundformen der Illusionskunst zeigen – irgendwie musst du diesen Schwanz und die Ohren vor normalen Leuten verbergen. Auch ... insbesondere vor deinem Stiefvater.“ Naruto warf den beiden Hyuuga noch einen kurzen Blick zu, erhob sich und folgte dem Halbdämon den Gang hinunter. Sein Schwanz peitschte dabei unruhig hin und her und seine Ohren zuckten. Es fühlte sich alles vollkommen natürlich an. In der nächsten Woche fehlte Naruto in der Schule. Als Hinata sich bei seinem Ziehvater nach ihm erkundigte, bekam sie die Antwort, dass Naruto Fieber habe und eine derartig schlechte, abweisende Laune, dass er ihn nicht zwingen wollte und ihn zuhause bleiben ließ. Hinata wusste, dass das Fieber eine Nachwirkung des Rituals war, das sie an ihm durchgeführt hatten, und bekam ein schlechtes Gewissen. Aber sie wusste, dass es im Grunde nicht ihre Schuld war – das Ritual forderte einfach von allen Beteiligten. Sie selbst fühlte sich noch einige Tage schlapp, ließ alle ihre AGs saußen und ging heim, sobald es ihr möglich war. Außerdem versuchte sie so gut wie möglich, Yamanaka aus dem Weg zu gehen, am besten in großen Bögen. Das andere Mädchen schien schlechte Laune zu haben und wild entschlossen zu sein, diese an jemand anderem auszulassen. Und ohne Naruto an der Seite schien Hinata wieder zu ihrem Opfer Nummer eins zu werden. Doch es gelang ihr, sich von der Blonden fern zu halten. Auch Neji war nicht auf der Höhe, obwohl er es besser verstecken konnte als Hinata selbst. Dennoch schmiss er den Laden, ging zur Uni und schrieb nebenbei eine seiner Semesterarbeiten. Manchmal fragte sie sich, wie ihr Cousin das hinbekam ohne zu verzweifeln, aber Neji schien sich kein Stück darum zu kümmern. Dafür hatte er, das wusste sie ganz genau, wenig Freizeit, kaum Hobbys und nur ein oder zwei Freunde, die allerdings eher Bekannte waren. Hin und wieder kam ihr auch der Gedanke, ob er nicht einsam war. Aber es schien ihn nicht zu kümmern, darum versuchte sie nicht, ihn zu etwas zu drängen, was ihn offensichtlich nicht interessierte. Hinata dagegen fühlte sich niedergedrückt und hilflos. Sie vermisste Naruto, seine positive, unbändige Art, seinen unbrechbaren Willen, die lebhafte Freude, die er immer versprühte. Aber Naruto rief sie nicht an und für sie war das ein klares Zeichen, dass er vorerst allein sein und keinen, nicht einmal sie, sehen wollte. Erst am Wochenende nahm Neji sie zur Seite und befahl ihr, den im Grunde neugeborenen Fuchsdämon aufzusuchen. Er habe jetzt lange genug Zeit für sich gehabt. Jetzt brauche er jemanden, der ihm stillschweigend zur Seite stand und wer sei da besser geeignet als sie, Hinata? Also machte sie sich auf den Weg zu dem kleinen Apartement, in dem Naruto mit seinem Ziehvater lebte. Iruka öffnete ihr und für einen Moment hatte sie das seltsame Gefühl, die Wohnung eines Lehrers zu betreten, nicht die ihres Freundes. Aber dieser Eindruck verschwand rasch wieder, als Iruka sie ohne Fragen vorbeigehen ließ. Sie fand Naruto in seinem Zimmer, wo er auf der Fensterbank lümmelte und überhaupt nicht krank aussah. Für einen Moment blickte er sie so ausdruckslos an, dass sie beinahe auf der Stelle umgedreht und wieder gegangen wäre. Dann breitete sich ein so strahlendes, ehrliches Lächeln auf seinem Gesicht aus, dass sie weiche Knie bekam. „Hinata!“ Er sprang von seinem Sitzplatz herunter und eilte zu ihr. „Wie schön, dich zu sehen. Ich hab ehrlich gesagt früher mit dir gerechnet, aber dass du heute kommst, ist perfekt!“ Sie ging nicht darauf ein – in erster Linie, weil sie nicht wusste, was sie auf so etwas sagen konnte – und erkundigte sich stat dessen: „Wie geht es dir?“ „Gut!“ Seine Antwort war etwas zu enthusiastisch und er merkte es offensichtlich schnell, denn er fügte gesetzter hinzu: „Gut. Jetzt wieder. Die letzten Tage waren … aufregend. Anders. Neu.“ Das war verständlich. Immerhin hatte er einen machtvollen Zauber abgeworfen, der so vieles in ihm unterdrückt hatte. „Willst du mir davon erzählen?“, wollte sie wissen. Das täte ihm sicher gut. Neji hatte das gemeint, das wusste sie. Sie ging an Naruto vorbei und setzte sich auf sein Bett. Der Junge ließ sie nicht aus den Augen und schwieg. Erst nach einer Weile nickte er und ließ sich neben ihr auf das Bett fallen. „Ich … weiß nicht, ob du das verstehen würdest.“, erklärte er dann und Hinata schätzte, dass er recht hatte. Aber es ging nicht darum, dass sie verstand. Es ging darum, dass er reden konnte, wenn er wollte. „Aber ich kann es ja mal versuchen.“ Und das tat er. Er sprach von Gerüchen und Geräuschen, die er vorher noch nie wahrgenommen hatte. Er sprach davon, auf allen vieren als Fuchs durch die Stadt bei Nacht zu huschen, von körperlicher Stärke und der Fähigkeit, starke Magie zu riechen. Er sprach von Ewigkeit und vom Leben und dem Tod. Er sprach davon, kleine Illusionen erzeugt zu haben, einfach aus dem Gefühl heraus. Er sprach davon, jetzt endlich ganz zu sein und sich auf eine Art vollkommen zu fühlen, die den meisten nicht genommen wurde – und darum auch nicht auffiel. Er sprach von so vielem, dass Hinata bald der Kopf schwirrte – jetzt wusste sie, wie Naruto sich fühlte, wenn sie mal wieder zu viel über die Neitherworld, ihre Eigenarten und Marotten erzählte – aber sie unterbrach ihn nicht und ließ ihn einfach reden. Sie fragte sich, ob er in der letzten Woche einfach zu viel Zeit gehabt hatte, dass er sich so viele Gedanken gemacht hatte, oder ob es eine Nebenwirkung des Gegenzaubers gewesen war. Sie hoffte auf ersteres. Nicht, dass sie etwas gegen diesen mitteilungsfreudigen Naruto hatte, aber der Alte … das war ihr Naruto. Der, der sich keine Gedanken über die Zukunft machte, der alles, was das Leben auf ihn war, locker und beinahe nebenbei annahm und in etwas Positives oder einfach nur Nützliches verwandelte, der von unbändigem Willen und Freude nur so leuchtete. Sie wollte ihn zurück. Als er schließlich endete, blickte Naruto sie lange an und sagte dann: „Ich möchte, dass du bei mir bleibst, so lange es geht.“ Dann nahm er ihre Hand fest zwischen seine. „Ich werde nicht gehen.“, versprach sie und fragte sich, ob es etwas dazu beitragen würde, ihn aus dieser Phase zu reißen, und auch, ob sie in der Lage war, dieses Versprechen zu halten. Aber Naruto schien das nicht zu stören. Er beugte sich einfach vor und küsste sie, gierig und sehnsüchtig. Naruto hatte Hinata nichts von seinem Ausflug erzählt. Stattdessen hoffte er einfach, dass er alles richtig gemacht hatte. Er war zum Isistempel gegangen und hatte ein Opfer gebracht. Er hatte ein Geschenk für die Seherin besorgt. Nun ging er durch die schmalen Gassen zu dem Haus, dass diese mit ihrem jüngeren Bruder bewohnte. Wie bei seinem ersten Besuch schwang die Tür nach innen auf, nachdem er geklopft hatte. Der Innenhof hatte sich überhaupt nicht verändert seit seinem letzten Besuch hier, nur jetzt stand ein rotes Motorrad auf dem Platz. Werkzeuge waren darum verteilt und auf einem weichen Tuch lagen die Einzelteile des vorderen Scheinwerfers. Malik saß daneben und fummelte mit ein paar Kabeln herum. Er blickte auf, als Naruto eintrat und erklärte dann: „Isis ist nicht da.“ Naruto machte ein langes Gesicht und konnte seine Enttäuschung nicht unterdrücken. Er hatte so gehofft, die Seherin jetzt und heute hier anzutreffen, aber sie konnte wohl auch nicht immer in ihrem Haus verharren und auf potentielle Kunden hoffen. Dann würde er eben später wiederkommen. „Wann ist sie denn wieder da?“, wollte er also wissen. „In fünf Tagen.“, antwortete Malik locker. „Oder so. Sie ist nach zurück Ägypten, weil es Ärger mit dem Clan gab – das kann länger dauern.“ Naruto seufzte, noch enttäuschter als vorher. Er hatte einige Fragen und Isis war die Person, der er sie stellen wollte. Er wusste nicht, wem sonst – Hinata? Das würde sie zu sehr aufregen. Jiraiya? Irgendwie hatte er nicht so ein Vertrauen zu dem alten Ninja wie zu der Seherin. Kakashi? Dem dagegen vertraute er kein Stück und sollte er tausend Mal ein Freund seiner Eltern sein. Neji? Irgendwie ... war das nicht für Nejis Ohren bestimmt. „Oh... Okay. Danke.“ Er drehte sich um und wollte wieder gehen, doch Maliks Stimme hielt ihn zurück. „Warte.“ „Was gibt's?“ Naruto wandte sich wieder dem anderen Jungen zu. Malik musterte ihn aus klugen, violetten Augen und brauchte eine Weile, ehe er antwortete: „Damals … als Jiraiya kam, um nach deinem Schicksal fragte…“ Naruto starrte ihn an und unterbrach: „Du warst da auch dabei?“ Für einen Moment blickte sein Gegenüber verwirrt. „Ja. Natürlich. Jedenfalls...“ Dem Youko kam ein anderer Gedanke und er fuhr erneut dazwischen, hin und her schwankend zwischen Kränkung, Zorn und Resignation: „Du wusstest, wer ich bin, nicht wahr? Schon, als ich zum ersten Mal herkam.“ Malik grinste. „Klar. Du siehst deinem Vater ziemlich ähnlich und ich bin ihm einmal begegnet. Er ist niemand, den man so schnell vergisst.“ Naruto runzelte die Stirn. „Warum hast du nichts gesagt?!“ „Hast du mich gefragt? Ich mische mich nicht in Dinge ein, die mich nichts angehen.“ Malik stand auf und wischte sich die Hände an der Jeans ab. „Deine Mutter kam vorbei, nachdem sie dich weggegeben haben. Sie hat etwas da gelassen, das wir dir geben sollen.“ „Warum hat sie das nicht Jiraiya gegeben?“ Der Dunkelhäutige zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen? Ich habe nicht gefragt und Isis vergisst manchmal Sachen.“ Vergesslich war die Seherin Naruto zwar nicht erschienen, aber ihr Bruder musste es wissen, richtig? „Die Bedingung war, dass wir es dir erst geben, wenn du bereits weißt, wer du bist.“ Malik verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Nach den Gerüchten, die man momentan hört, ist es jetzt so.“ Erschrocken machte Naruto einen Schritt auf den Anderen zu. „Gerüchte? Was für Gerüchte denn?“ Malik blickte ihn offen an, das Gesicht ausdruckslos. „Dass Minatos Sohn endlich zurückgekehrt ist.“ Sie schwiegen und starrten sich gegenseitig an, bis Naruto es nicht mehr aushielt. „Was du schon vorher wusstest.“ „Natürlich. Du warst doch hier.“ „Und du ... erinnerst dich an meinen Vater. An Jiraiya und den Besuch meiner Mutter hier. Nachdem ...“ Dabei fiel Naruto auf, dass hier ein paar Sachen waren, die nicht zusammenpassten. „Das war vor neunzehn Jahren, Malik.“ „Ich weiß.“ Malik wirkte nicht wie neunzehn. Ganz und gar nicht. Sondern jünger – siebzehn vielleicht. Aber dies, rief er sich in die Erinnerung, dies war die Neitherworld. Wer hatte gesagt, dass Malik tatsächlich so alt war, wie er aussah? Niemand. Auch Jiraiya war älter, als er wirkte. „Wie geht das?“, platzte Naruto heraus. „Ich meine... ihr seid doch beide Menschen.“ Er verstummte für einen Moment und setzte nach einem weiteren Moment hinzu: „Oder?“ „Ja.“ „Und?“, hakte Naruto wieder nach, als der andere nicht weitersprach. Anscheinend wollte Malik sich jedes Wort aus der Nase ziehen lassen. War das einfach nur seine Art oder wollte er Naruto ärgern? „Und wie geht das?“ Naruto dachte an sich und seine Unsterblichkeit und dann an Hinata und ... ihr menschliches Leben. Konnte sie das auch haben, was Malik und Jiraiya hatten? Aber über Maliks Gesicht legte sich ein finsterer Ausdruck. „Das willst du gar nicht wissen. Woran auch immer du im Moment denkst, verfolge das nicht weiter. Ich mag zur Zeit der Kreuzzüge geboren worden sein, aber der Preis der Unsterblichkeit ist immer hoch – viel zu hoch. Ich weiß nicht, was der Ninja und seine Freundin dafür bezahlt haben, aber meine Familie hat mit mehr gezahlt als nur mit ihren Leben und ihrer Seele. Wir sterben nur, in dem man uns umbringt, und was uns danach erwartet...“ Malik ließ den Satz in der Luft hängen. Die kleine Rede hörte sich so bitter und kalt an, dass Naruto den Gedanken an Hinata und die Ewigkeit im Keim erstickte. Vielleicht… vielleicht sollte es einfach nicht sein. Vielleicht waren er und Hinata einfach nicht füreinander bestimmt. Oder vielleicht nur dafür, ein kurzes Stück des Weges miteinander zu gehen. Naruto senkte den Blick. Er wollte Hinata nicht verletzen. Dann würde er lieber zusehen, wie sie alterte und starb. Besser, als sie einem Schicksal zu überlassen, das sie so verbittern würde, wie es das mit Malik getan hatte. „Gut.“ Malik wirkte zufrieden, als hätte er Narutos Gedankengang verfolgt. Wer wusste das, vielleicht hatte er es auch? Dass er mehr verbarg, als Naruto bis vorhin geahnt hatte, hatte er ja inzwischen preisgegeben. Wer wusste, was da noch alles war? In einem solch langen Leben konnte man sich gewiss viele Fertigkeiten aneignen. „Warte hier.“ Damit verschwand er im Haus, vermutlich um zu holen, was Kushina ihnen überlassen hatte. Die Zeit der Kreuzzüge hatte er gesagt? Wenn es die Kreuzzüge waren, an die Naruto jetzt dachte, dann musste das … Jahrhunderte her sein. Naruto hatte nicht viel Ahnung von diesem Thema, aber er wusste, dass es im tiefsten Mittelalter geschehen war, eine raue, harte Zeit. Wer mochte wohl älter sein? Jiraiya oder Malik? Man durfte nicht nach dem Aussehen gehen, das hatte er jetzt gelernt. Als Malik zurückkam, hielt er etwas in der Hand. Es war ein kleiner Beutel, den Naruto empfing. Neugierig kippte er den Inhalt in seine Handfläche. Es war eine Kette, an dem ein langer, schmaler Kristallquarz hing. Er war von einem hellen, durchscheinenden Blauton. Eingefasst war er an einem Ende in Silber und er hing an einem einfachen Lederband. „Das ist ein Schutzamulett. Frag mich nicht, wie genau es wirkt – Kushina wollte darüber nichts sagen.“, erklärte Malik. Damit wandte er sich ab. „Wir sehen uns, Uzumaki Naruto.“ Die Verabschiedung war brüsk, aber Naruto hätte nichts anderes von ihm erwartet. „Auf dann, Naruto von den Goldenen Füchsen. Bleib am Leben, solange du kannst!“ Und Naruto verließ unter seinem lauten Lachen den Hof der Seherin, mit der festen Absicht, eben das zu tun, wozu Malik ihm da riet. Auch wenn Hinata es ihm vielleicht nicht gleichtun konnte. Er würde jede Sekunde mit ihr auskosten, jede einzelne, so lange es ihm möglich war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)