Drachenkind von maidlin ================================================================================ Kapitel 12: Verlassen... Verzweifeln... Verlieren ------------------------------------------------- Sie blickte nach unten und nur schwach nahm sie die Flammen des Feuers wahr, die im Kamin vor ihr tanzten. Annie hatte ihrem Bruder erzählt, was geschehen war, was Barrington von ihr verlangte. Sie wusste nicht, wie lange sie dazu gebraucht hatte, aber es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Zu oft hatte sie unterbrechen müssen, um sich wieder zu sammeln und die Kraft zu finden weiter reden zu können. „Ich habe mir so etwas schon gedacht.“, sagte Alexander schließlich und setzte sich neben seine Schwester, das Gesicht hinter den Händen verbergend. „Er hat sich nach dir erkundigt. Nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen, Nachbarn und alten Freunden. Es ist nur wahrscheinlich, dass er so auch von Sophie erfahren hat. Allerdings hätte ich nicht geglaubt, dass er es so verwenden würde. Dabei hätte es mir klar sein müssen.“ Stumm nickte sie. „Was soll ich jetzt tun?“, fragte sie, nach einer weiteren kleinen Ewigkeit, schließlich leise. „Ich weiß es nicht.“, antwortete ihr Alexander ehrlich. Tiefe Sorge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Ein Ausdruck den Annie bisher nicht oft bei ihm gesehen hatte. „Ich kann dir nichts raten, aber...“ „Gibt es denn keine Möglichkeit ihm zu entkommen? Ich meine, er kann doch nicht einfach so damit durchkommen oder? Irgendwas... Ich will ihn nicht heiraten! Allein bei dem Gedanken daran wird mir so schlecht, dass ich mich am liebsten übergeben möchte.“, sprach sie hastig und sah ihn erwartungsvoll an. „Annie... Wir... Wir könnten versuchen Sophie und ihre Familie zur Flucht zu verhelfen.“, sagte Alexander, aber an dem Klang seiner Stimme konnte sie hören, dass er selbst daran zweifelte. „Warum machst du diesen Vorschlag, wenn du es nicht ernst meinst.“, äußerte sie ihre Gedanken. Annie fühlte sich von ihm im Stich gelassen. Sie wusste, dass es ungerecht war, so zu denken, aber es verletzte sie, dass er nicht einmal ernsthaft darüber nachdachte. Wollte er sie einfach so diesem Mann überlassen? Sie war doch seine Schwester. Seine einzige Schwester! „Ich meine es durchaus ernst!“, verteidigte er sich. „Du kannst mir glauben, dass ich schon die ganze Zeit darüber nachdenke, wie man es anstellen könnte, aber... Annie, du musst einsehen, dass es so gut wie unmöglich ist, sie alle in Sicherheit zu bringen. Sophie allein wäre vielleicht noch möglich, ihr Enkel ebenfalls. Hat er gesagt, dass er sie schon festgenommen hat? Wenn nicht, könnte man sie ohne weitere Schwierigkeiten außer Landes bringen. Barrington würde wohl dann erst etwas merken, wenn sie schon zu weit weg wären.“ „Warum machen wir es dann nicht so?!“, fragte sie und ihr Körper füllte sich mit Hoffnung. Es hörte sich doch so einfach an. „Jetzt gleich! Worauf wollen wir noch warten! Je eher wir er tun, umso besser!“ Ihre Euphorie verflog genauso schnell, wie sie entstanden war, als sie sah, wie ihr Bruder traurig mit dem Kopf schüttelte. „Was?“, fragte sie tonlos. „Warum nicht?“ „Wir könnten Sophie und einen anderen retten, aber was ist mit dem Rest ihrer Familie?“, fragte er leise und sah sie aus den gleichen dunklen Augen an, die auch sie hatte. Er nahm ihre Hände in die seine. „Annie, du weißt so gut wie ich, dass Sophie nicht nur einen Enkel hat. Was ist mit ihren vier Kindern? Was mit deren Kindern? Was mit ihrem Mann? Es wären Sechzehn Personen, die wir schützen müssten und so viele können wir unmöglich auf einmal von hier wegbringen. Schon gar nicht in einer Woche. Wenn wir Sophie und ihn in Sicherheit bringen, dann würde er es auf die anderen abgesehen haben und dann könnten wir gar nichts weiter tun, als zuzusehen. Und... er würde wissen, dass ich dir geholfen hätte. Wer sonst? … Wir müssten Susan mitnehme und würden wohl eine ganze Zeit lang auf der Flucht sein. Ich will ihr das nicht zumuten. … Es wäre nicht das Leben, welches ich ihr versprochen habe.“ Starr blickte sie nach unten. Auch, wenn er es anders gesagt hatte, so wusste sie doch ganz genau, was seine Worte eigentlich bedeuteten. „Ich soll ihn also heiraten?“, fragte sie tonlos. Sie hörte wie ihr Bruder tief durchatmete. Etwas was er für gewöhnlich immer dann tat, wenn er etwas sagte, was er nicht sagen wollte. „Ich will nicht, dass du ihn heiratest!“, sagte er mit Nachdruck. „Aber ich sehe auch keine andere Möglichkeit! Mir fällt absolut nichts ein, wie wir das alles doch noch zu einem guten Ende führen könnten. … Das Versprechen, welches wir uns gaben, hindert uns daran, unsere Magie gegen ihn anzuwenden. Ohne dem, gäbe es vielleicht noch weitere Möglichkeiten. Aber so... „Wir sind ihm und seiner Willkür gänzlich ausgeliefert.“ Seine Stimme klang frustriert, aber noch hilfloser. „Aber Alexander!“, sagte sie verzweifelte und schluchzend. „Ich kann ihn nicht heiraten! Ich kann nicht! Ich habe...“ Sie verstummte. Wie sollte sie nur jemals erklären, dass sie einen anderen liebte? Wie formulieren, wie sehr sie einen anderen Mann liebte? Sie konnte es ja nicht einmal begreifen, wie sollte sie es dann in Worte fassen? „Es ist wegen ihm.“, sagte ihr Bruder sachlich und Annie schluchzte erneut laut auf. Woher wusste er davon? Musste er es aussprechen? Sie fühlte sich, als hätte er eine alte Verletzung frisch aufgerissen. Aber das ihr Bruder nicht weiter darauf einging, zeigte ihr, dass er schon längst begriffen hatte. „Warum ist er überhaupt so gegen eine Beziehung, bevor man den Bund der Ehe schließt?“, fragte sie auf einmal. Sicher wurde es in der Gesellschaft nicht gut geheißen und man konnte auch verstoßen werden und verachtete, aber was kümmerte sie das Gerede der Leute? Darauf gab sie nichts. Konnte Barrington das Sophies Enkel wirklich zum Vorwurf machen – wenn seine Anschuldigungen überhaupt eine Berechtigung fanden? Wieder holte ihr Bruder tief Luft. „Ich habe gehört, dass Barrington wohl selbst das Ergebnis einer verbotenen Beziehung war. Seine Mutter war wohl Nonne oder so was. Man erzählt sich hinter vorgehaltener Hand, dass er ein Bastard sei, seine Mutter gotteslästerlich und seinen Vater nur ausgenutzt hätte, um den Konvent zu entkommen. Wie viel davon stimmt, weiß ich nicht. Die Leute dichten gern etwas hinzu oder lassen etwas weg, wie du ja weißt. Jedenfalls hatte Barrington es wohl immer schwer und als es dann darum ging das Erbe seines Vaters anzutreten, wurde er außen vorgelassen, weil er kein legitimer Nachfolger war. Man könnte fast Mitleid mit ihm haben.“, sagte er und seine Stimme klang nunmehr sarkastisch. „Er hat seinen Erbteil erst zugesprochen bekommen, als alle anderen Erben bereits verstorben waren. Alle kurz hintereinander und auf sehr merkwürdige und niemals geklärte Weise. Mit dem Erbe stieg auch sein Ansehen und Einfluss bei Hofe. Man lästerte immer noch über ihn, aber der König schien mit ihm zu sympathisieren. Daraufhin soll er dann dieses Land zugeteilt bekommen haben. Die näheren Umstände kenne ich nicht und selbst, wenn es alles nur Gerüchte sind, wird wohl auch ein bisschen Wahrheit dabei sein. So etwas entsteht niemals aus der Fantasie des Menschen allein.“, erzählte Alexander. Annie erhob sich mit zittrigen Gliedern. Sie musste gehen. Alexander würde ihr nicht helfen. Vielleicht weil er nicht konnte, vielleicht weil er zum Teil nicht wollte. So oder so machte es nicht viel Sinn zu bleiben. Aber eigentlich wollte sie diesen Raum gar nicht verlassen. Selbst, wenn er auf der anderen Seite war. Da war noch dieser hasserfüllte Blick, der Erklärungen von ihr verlangen würde. Erklärungen, die sie ihm nicht geben konnte. Sie ging langsam zu Tür, doch Alexander stellte sich noch einmal vor sie und nahm sie dieses Mal wirklich in die Arme. Sie ließ es geschehen. „Ich kann dir nicht helfen oder dir die Entscheidung abnehmen. Doch glaube mir, solltest du plötzlich verschwinden, werde ich dich niemals vorher gesehen haben - weder dich noch ihn. Aber du musst gründlich überlegen und ich weiß, dass du das bereist die ganze Zeit tust. Doch du musst dir absolut sicher sein. Egal für was du dich entscheidest, niemand würde dir einen Vorwurf machen. … Wir kommen schon allein zurecht.“, flüsterte er in ihr Ohr und alles was sie in der Lage war zu tun, war stumm zu nicken. Sollte sie das tun? Einfach verschwinden und alle anderen ihrem Schicksal überlassen? Sie löste sich langsam von ihm. Alexander machte ihr den Weg zur Tür frei. Doch als sie in die Küche trat, sah sie nur Susan, die auf einem der Küchenstühle saß und auf sie gewartet hatte. „Wo ist er hin?“, fragte Annie dumpf. Er war nicht mehr da! Kälte machte sich in ihren Herzen breit und sie konnte die eisige Wunde, die er zuvor dort hinterlassne hatte, erneut aufgehen spüren. „Dein Begleiter ist sofort gegangen, als du mit Alexander in der Stube warst. Er schien... nein, er war sehr wütend. Ich weiß nicht, was mit ihm los war.“, entschuldigte sich Susan. Panik ergriff Annie und es war eine andere, als sie sie zuvor bei Barrington verspürt hatte. Ohne sich zu verabschieden, rannte sie hinaus, auf den Wald zu. Vielleicht konnte sie ihn ja noch einholen, dachte sie fieberhaft. Vielleicht war er nur zur Hütte zurückgekehrt und würde dort auf sie warten, würde eine Antwort verlangen und dann würde sie ihm eine geben müssen. Umso überraschter war sie, ihn gleich hinter der Grenze des Waldes zu sehen. Er schien auf die gewartet zu haben. Sein Körper war an einen Baumstamm gelehnt, aber aus seinem Gesicht sprach noch die gleiche Wut. „Was sollte das?“, fragte er sie unvermittelt, mit kalten Augen und schneidender Stimme. „Ich…“ „Was wollte Barrington? Warum bist du mit ihm gegangen? Warum sollte ich es nicht sagen? Warum will er dich noch immer heiraten?“, stellte er ihr ohne Gnade die Fragen, vor denen sie sich am meisten fürchtete. Annie schloss die Augen, wohl wissend, dass er sie noch immer anstarrte und auf seine Antworten wartete. Sie musste es ihm sagen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Es wäre zu dumm, zu glauben, dass noch Zeit wäre oder sich noch rechtzeitig eine Lösung finden würde. Sie hatte nur noch sieben Tage. Erschöpft und schlaff ließ sie sich in das Gras sinken. Verzweifelt krallte sie die Fingernägel in den dünnen Stoff ihres Kleides, als könnte ihr das Halt geben. „Barrington war heute Mittag da.“, begann sie leise zu erzählen und versuchte gleichzeitig eine Träne wegzublinzeln. Draco trat einen Schritt näher an sie heran. Er wollte ihr Gesicht sehen, ihre Gefühle, wenn sie sprach, doch sie drehte es ihm weg und verbarg es hinter ihren Haaren. „Bitte sie mich nicht an.“, wisperte sie flehendlich. „Ich schäme mich zu sehr.“ Zeit verstrich und sie hatte gehofft, dass Draco etwas sagen würde, dass er ihr die Angst nahm oder sie zumindest nicht mehr die Feindseligkeit spüren ließ, die so stark von ihm ausging. Doch er wartete nur ab und die unerbittliche Stille, zerrte nur noch mehr an ihren Nerven. Wie würde er reagieren, wenn sie ihm erzählte, dass sie doch nicht sein war. „Er will noch immer, dass ihr ihn heirate.“, sprach sie endlich weiter, „und er kann es auch noch verlangen.“ Die Tränen waren zu mächtig. Ihr Herz, von den sie geglaubt hatte, es wäre schon längst gestorben, schien nun noch zu zerspringen. „Er… Er hat… Ich habe eine gute Freundin. Sie hat mich großgezogen und sie war vielleicht mehr eine Mutter für mich, als es meine eigene war. Sie hat selber schon Kinder und diese haben auch wieder welche. Aber ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.“ Sie schluchzte auf. Allein der Gedanken an Sophie, an diese herzensgute Frau, die niemanden etwas tun würde, die Kinder über alles liebte und die so ein Tod erwarten sollte, ließ sie beinah den Verstand verlieren. „Barrington muss irgendwie von ihr erfahren haben. Er hat… Er will sie töten, wenn ich mich nicht dazu bereit erkläre ihn zu heiraten. Sie und ihre Familie. Und er… er würde auch vor Alexander und Susan nicht zurückschrecken. … Er hat gedroht ihnen ebenfalls zu schaden, wenn ich mich nicht dazu bereit erkläre seine Frau zu werden. „Er würde meinen Bruder, seine Frau und meine Freundin und ihre Familie, töten lassen, wenn ich nicht einwillige.“, wisperte sie heißer, tonlos; den Blick auf den Boden gerichtet, der von ihren Tränen benässt wurde. Noch immer starrte Draco sie wortlos an. Er versuchte zu verstehen, was sie ihm erzählte, aber es gelang ihm nur mäßig und gleichzeitig ärgerte ihn dies. Doch er hatte genug verstanden, um einen zu begreifen. „Aber du bist mein!“, sagte er voller Überzeugung und noch immer hatten diese Worte den gleichen Effekt auf Annie, wie beim ersten Mal. Schauer rannen durch ihren Körper und ihr Herz schlug heftig gegen ihre Brust. Wie sehr sie es doch liebte, diese Worte von ihm zu hören… „Draco, du weißt gar nicht, wie sehr ich dir gehöre. Mein Herz, mein Körper, meine Seele, jede einzelne Faser meines Körpers… Doch es hindert ihn nicht daran, mich auch sein zu machen. „E-Erinnerst du dich daran, wie ich dir sagte, er k-könnte mich auch mit Gewalt haben? Das kann er immer noch. Wir sind nicht verheiratet. Ich gehöre dir nicht vor dem Gesetz.“, flüsterte sie. „Das ist mir egal!“, zischte er. Was war schon ein Gesetz? Sie hatte es doch gerade gesagt oder? Sie war sein! Dieser Mann konnte nichts mehr tun, um sie von ihm zu trennen. „Ich weiß.“, sagte sie unglücklich. „Aber…“, sie wischte sich eine Träne aus dem Auge. „I-Ich weiß nicht, wie ich es dir noch erklären soll. We-Wenn ich ihn nicht heirate, wenn ich dich nicht...“ Sie konnte das Wort nicht einmal aussprechen. Es fühlte sich wie Gift in ihrer Kehle an. „Was?!“, fragte er ungeduldig. Er wollte jetzt endlich eine Antwort haben, bevor ihn die Wut ganz übermannen konnte; bevor er sich von diesen schwachen, menschlichen Gefühlen abermals beherrschen lassen würde. „W-Wenn ich dich nicht… Wenn ich dich nicht… nicht v-ver-verlasse,… werden all die andere sterben. Meinetwegen… Er würde nicht zögern, sie zu… töten… selbst, wenn ich ihm vorher entkommen könnte. … Se-Selbst Alexander wusste keinen Au-Ausweg.“, stammelte sie unter Tränen. Etwas in Draco schien sich plötzlich zu verändern. Er war nicht mehr so sehr die Wut, die ihn beherrschte, sondern etwas anderes. Etwas, was er bisher nicht kannte. Aber es füllte ihn aus und gleichzeitig tötete es alles andere in seinem Körper. Dieses Mal hatte er sie sehr gut verstanden. „Du muss ihn heiraten?“, fragte plötzlich und seine Stimme war vollkommen verändert, dunkler und rauer. Sie machte Annie Angst. Trotzdem nickte sie kaum merkbar. „Damit diese Frau und Alexander nicht sterben?“ Wieder nickte sie. Dann trat Schweigen ein. Selbst die Bäume, Vögel und anderen Bewohner des Waldes schienen verstummt zu sein. Es gab nichts weiter um sie herum, als absolute Stille. „Es ist mir egal!“ Er sagte es mit solch kalter Stimme, mit solcher Gleichgültigkeit, dass selbst die Zeit für einen Moment einzufrieren schien. Entsetzt sah sie ihn mit weitaufgerissenen Augen an. Tonlos formte sie mit ihrem Mund das Wörtchen „Was?“ und ihre Tränen versiegten augenblicklich. Draco kniete sich vor sie. Seine eisblauen Augen sahen sie geradewegs an, ehrlich und doch undurchdringlich, aber vor allem waren es die Augen eines Raubtieres. „Nur deinetwegen bin ich zu einem Menschen geworden.“, sagte er leise und bedächtig und doch hatte jedes seiner Worte eine viel mächtigere Wirkung auf sie, als wenn sie seinen Zorn hätte direkt spüren können. Bei jedem Wort hatte er sich ein Stück weiter nach vorn gebeugt. Er war ihr schon viel näher gewesen und doch war es nie so, wie in diesem Augenblick. Vor Angst wich sie vor ihm zurück. Er ist gefährlich, dachte sie instinktiv und zum aller ersten Mal während ihres Zusammenseins. „Es ist mir egal, was aus anderen wird, solange ich nur dich habe.“, flüsterte er beinah bedrohlich. Was interessierte ihn das Leben anderer Menschen? Menschen, die er nicht einmal kannte und die er auch nicht kennen wollte. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Er wusste einfach nicht, was er da sagte. Er wusste nicht, welche Bedeutung seine Worte eigentlich hatten. Anders konnte es gar nicht sein, dachte sie und nach einer Entschuldigung suchend. „So ist es aber.“, sagte er, als wäre es eine Antwort auf ihre unausgesprochenen Gedanken. „Nur deinetwegen hat sich mein Herz in das eines Menschen verwandelt, nur deinetwegen bin ich jetzt fast ein vollkommener Mensch. … Warum sollte ich ein Mensch bleiben? Welchen Sinn hat mein Dasein, wenn ich dich nicht haben kann? „Aber kann ich zurück? Nein... “ Er hatte sich selbst aufgegeben, um sie zu bekommen. Er hatte sich selbst verraten, hatte geglaubt, dass es gut so war, solange sie bei ihm war. Und jetzt sollte sie trotzdem einem anderen gehören? Sie war nicht sein? Wozu all das, wenn er sie jetzt verlor? Noch immer war seine Stimme ruhig und doch stießen seine Worte ihr wie Messer in die Brust. Langsam und qualvoll durchdrangen sie ihr Fleisch, durch die Knochen hindurch, bis in ihre Seele. Annie schüttelte hastig den Kopf, wollte etwas sagen, doch kein Wort wollte aus ihrem Mund kommen. Sie wollte ihm wiedersprechen. Sie musste ihm wiedersprechen! Ihr blutendes Herz wurde erneut kalt und schien aufzuhören zu schlagen. „Es ist wohl zu spät für mich um zurückzukehren.“, sprach er unerwartete weiter. Der Ton seiner Stimme hatte sich so schnell geändert, dass Annie ihn verwirrt ansah. In seinem Gesicht, welches nun einen merkwürdigen Ausdruck zeigte – war es etwa Leid, was sie bei ihm sah? – konnte sie es sehen. Etwas war gerade passiert, aber sie wusste nicht was es war. „Draco?“, hauchte sie leise und wusste doch, dass sie keine Antwort erhalten würde. Er würde sie niemals in seine Seele blicken lassen. Plötzlich hatte er es gewusst. Für all dies konnte es nur eine Erklärung geben, einen Grund, warum es geschah. Dies war die Strafe, die ihn schon lange für sein Vergehen erwartete hatte. Er sollte auf einmal das verlieren, weswegen er sich und seine Art verraten hatte. Wie einst seine Vorfahren, die sich so sehr nach dem Mond sehnten und deren Strafe er trug, kam nun die Abrechnung für sein Verbrechen. Es war besser, wenn er selbst dafür zahlte. So würden andere nach ihm verschont, dachte er still. Dennoch... es hätte von Anfang an nicht sein sollen. „Du hättest mich sterben lassen sollen.“, sprach Draco weiter und wandte erst in diesem Moment den Blick von ihr ab. Dann ließ er sie allein zurück. Zurück in ihrer Einsamkeit, ihrer Verzweiflung und Qual ohne eine Hoffnung auf Erlösung. Es hatte eine Zeit gegeben in der sie befürchtete hatte, er könnte sie für ihre Taten hassen. Doch er hatte es nicht getan. Nie hatte sie verstanden warum. Weil er sie mochte? Weil er sie vielleicht sogar ein winzig kleines bisschen liebte? All das war vollkommen egal. Alles war vorbei. Endgültig vorbei. Es war vorbei? N-Ne-Nein... Es durfte nicht vorbei sein! Er konnte doch nicht... Er würde doch nicht... Wenn er jetzt ginge, würde sie ihn für immer verlieren. Sie würde ihn zum letzten Mal sehen und alles woran sie sich würde erinnern können, wäre dieser Hass in seinem Gesicht, die fremde Stimme, mit der er gesprochen hatte und die Klingen, die er in ihrem Herzen und Körper versenkt hatte. Sie stützte sich mit den Händen am Boden ab. Nein. Langsam und zitternd erhob sie sich. Nein. Sie versuchte ihre Beine nach vorn zu setzen, erst das Linke, dann das Rechte. NEIN. Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen. NEIN! Sie musste es schaffen! Sie musste! „DRACO!“ Obwohl sie weiter lief, entfernte sich seine Gestalt immer mehr von ihr. Die Umrisse der Bäume verzerrten sich unter ihren Tränen, verschwammen und verschwanden schließlich ganz, bis sie nur noch eine einzige Masse aus Braun und Grün waren. „DRACO! Bitte bleib stehen! Bitte geh nicht weg!“ Er hatte sie nicht gehört. Sie war zu leise gewesen. Zu leise und zu langsam. Sie zwang sich dazu schneller zu laufen, noch schneller als vorher. Wohin ging er? Das war nicht der Weg zu ihrer Hütte zurück! „DRACO!“, rief sie noch einmal und tatsächlich schien sie ihn langsam einzuholen. Er rannte nicht. Sie würde es schaffen Er hörte ihre Rufe, hörte ihre Schreie und erkannte an der Zerrissenheit ihrer Stimme, dass sie wohl abermals weinte. Aber was interessierte es ihn? Er fühlte - er spürte - dass sie bereit war diesen Mann zu heiraten. Er hatte es zuvor in ihren Augen gesehen. Warum also sollte er dann noch auf sie warten? Vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit zurückzugehen. Er konnte nichts von dem, was er getan hatte, ungeschehen machen, aber ein Teil seines alten Selbst war immer noch da. Vielleicht genügte das. Doch auf einmal spürte er, wie sich bebende und kalte Finger, um sein Handgelenk schlossen. Pah! Als könnte sie ihn damit festhalten! Mit einem einzigen Ruck, riss er sich von ihr los und stieß sie dabei mit der anderen Hand zurück. Und dann sah er in ihr Gesicht. Es war tränenverschmiert und rote Flecken zierten es auf hässliche Weise. Der Anblick erschrak ihn so sehr, dass er für einen Augenblick sogar vergaß zu atmen. Immer schon, hatte er ihren weinenden Anblick schön gefunden. Doch, dass was er jetzt sah, war grauenhaft. „Geh nicht!“, flehte sie ihn an und krallte ihre Fingernägel in den Ärmel seines Hemdes. Ihm war als, könnte er ihr Zittern in seinem eigenen Körper spüren. Starr sah er sie an, wusste nicht was er tun sollte. Er wusste, dass er sie trösten sollte – irgendwie. Schon allein deswegen, weil er diesen Anblick einfach nicht ertragen konnte. Aber er wusste nicht, warum er es tun sollte. Sie hatte sich bereits entschieden. Würde er etwas anderes glauben, würde er sich selbst zum Narren halten. Wie sehr er die Menschen doch verachtete. Als würde die Zeit plötzlich langsamer vergehen, sah er, wie sie auf den Boden sank. Der Griff um sein Handgelenk lockerte sich und sie schien sich vor Schmerzen zu krümmen. Ihr Weinen war so qualvoll, wie er es noch nie zuvor gehört hatte und doch vermochte es nicht sein Herz zu erreichen. Wenn sie ihn nicht wählte, gab es für ihn keinen Grund zu bleiben. Abermals wandte er sich von ihr ab. Ließ sie mit ihrem Schmerz allein und hörte ihr Schluchzen und Weinen noch, als er sie bereits nicht mehr sehen konnte und doch ging er weiter. Die Sonne versank am Horizont und tauchte den Wald in ein Feuer aus Licht und Schatten, Rot und Orange. Die Bäume zeichneten sich schwarz vor diesem Hintergrund ab und verliehen allem um sich herum etwas Gespenstisches, Verlassenes und doch Traumhaftes. Wie ein vergessener Ort, voller Geheimnisse. Doch Draco hatte keinen Sinn für die Schönheit dieses Augenblickes. Er saß nahe dem Ufer des Sees, an dem er schon oft so viele Stunden verbracht hatte. Er hatte sie verlassen wollen. Aber wohin? Er kannte nichts außer diesem Wald und selbst, wenn er es versuchen würde, wusste er, dass sein Herz hier bleiben würde. Zu sehr war er an diesen Ort gebunden. Hier war er als Drache gestorben und als Mensch geboren. Es war nicht erst dann geschehen, als dieses Gefühl für sie in ihm erwacht war. Nein, er war schon eher gestorben, sein Körper, wie auch seiner selbst. Eine Weile hatte er noch sein altes Herz besessen, doch auch das, war irgendwann fast vollständig erloschen. Wohl in jenem Moment, in dem er sie das erste Mal liebte. Sein Herz! Dieses dumme, alberne Herz eines Menschen. Wie sehr wünschte er sich sein Altes zurück! Seit er an diesen Platz gekommen war, hatte er versucht sich zu erinnern, wie es war ein Drache zu sein, wie es sich anfühlte zu fliegen, durch die Nacht zu streifen, nur sich selbst und seinesgleichen zu kennen und niemand anderes, unwissend, wie die Menschen dachten oder fühlten, keine Tiere kennend. Er konnte sich erinnern. Jeder Moment in seinem früheren Leben, war ihm so klar im Gedächtnis, als hätte es sich erst vor wenigen Augenblicken zugetragen. Er erinnerte sich selbst daran, was er in jenen Momenten empfunden hatte. Doch es war nicht echt. Sein dummes Herz, war an sie gebunden. Egal, wie sehr er sich erinnerte, sein Herz war immer nur bei ihr und nicht bei seinen Erinnerungen. Sie schlich sich zwischen seine Gedanken und es erweckte in ihm erneut das Gefühl von Sehnsucht nach ihr, nicht nach seinem alten Ich. Als die Nacht auch die letzten Strahlen der Sonne verschlungen hatte, stand er auf. Es war sinnlos an diesem Ort zu bleiben, wenn es sein Herz doch immer nur zu ihr zog. Er wollte ja bei ihr sein! Trotzdem würde er sie bitten ihn zurückzuverwandeln. Das hatte er sich genau überlegt. Es war ihr doch gelungen einen Menschen aus ihm zu machen. Dann müsste es ihr doch auch gelingen, ihn wieder zu einem Drachen werden zu lassen. Es müsste ein leichtes für sie sein, immerhin hatte er schon oft gesehen, was sie in der Lage war mit ihren Kräften zu tun. Sie würde es tun müssen und dann würde er zu dem werden, was er sein sollte. Sein Dasein als Mensch und all die Dinge, die erfahren und gefühlt hatte, würden nur einen winzigen Moment in seinem langen Leben darstellen, unbedeutend und nichtig. Er war sich gewahr, dass es ihm fast unmöglich sein würde, ohne sie zu leben, denn zu sehr verlangte es ihn nach jedem einzelnen Augenblick mit ihr. Aber irgendwann würde sie sterben. Lange vor ihm. Und das würde es für ihn leichter machen, dachte er. Der Tod war eine Macht, der selbst er nichts entgegen zu setzen hatte. Wenn sie starb, würde es die tierische Seite in ihm, als etwas Unausweichliches hinnehmen. Etwas, was zum Leben dazu gehörte. Sehr viel anders sah er es auch jetzt nicht. Aber der Teil von ihm, der wohl für immer ein Mensch bleiben würde, würde daran zu zerbrechen drohen. Doch es würde nur ein kleiner Teil von ihm sein, der so denken würde, dessen war er sich sicher. Der Großteil seines Wesens würde es akzeptieren. Es war nun einmal der Lauf der Dinge, das man starb. Jeder Tod bedeutete schließlich das Leben eines anderen. Er ging zurück. Er würde sie noch heute danach fragen, denn je eher er wieder zurück konnte, desto besser würde es für sie beide sein. Einen Moment überlegte Draco, ob sie wohl noch an der Stelle sein würde, an der er sie zurück gelassen hatte. Bei dem Gedanken daran, wurde ihm ganz kalt. Noch nie hatte er sie so erlebt und die Vorstellung, sie noch immer so vorzufinden, ließ sein Herz vor Angst schneller schlagen. Was würde er tun, wenn es tatsächlich so war? Es schien Draco unmöglich ihr irgendwelche falschen und fadenscheinigen Worte zuzusprechen, von denen nicht eines wahr sein würde. Er kehrte geradewegs in die Hütte zurück und noch bevor er die Tür geöffnet hatte, wusste er, dass sie da war. Er konnte ihr leises Wimmern hören. Annie hörte, wie die Tür sich öffnete, doch sie hatte nicht die Kraft sich umzusehen. Wie oft hatte sie dieses Geräusch in den letzten Stunden gehört? Vielleicht zehn Mal, vielleicht zwanzig Mal, doch nie hatte jemand in der Tür gestanden. Sie irrte sich bestimmt wieder. Und eine Lösung hatte sie ebenso noch nicht gefunden. Alexander hatte Recht gehabt. Es war ausweglos. Sie konnte nur Sophie oder Draco wählen und egal, wen sie wählte, den anderen würde sie für immer verlieren. Aber vielleicht brauchte sie auch gar nicht mehr zu wählen. Draco schien bereits verschwunden. Er hatte sie zurückgelassen. Ohne sich noch einmal nach ihr umgedreht zu haben. Wie dumm war sie auch gewesen, dass sie geglaubt hatte, er hätte sich an sie gebunden? Er würde sich nie an jemanden binden, dazu war er viel zu stolz. Stattdessen war sie es gewesen, die sich an ihn gebunden hatte. Für sie gab es kein zurück mehr. Sie würde nie mehr in ihr altes Leben zurückkehren können. Aber würde es Draco gelingen? Hatte er nicht gesagt, sein Herz wäre das eines Menschen? Wie konnte er wieder zu einem Drachen werden? Würde er sich, nach dem das Jahr vergangen war, einfach wieder zurückverwandeln können? Würde sein Herz es annehmen? Daran hatte sie eigentlich keine Zweifel. Er hatte sich so schnell an das Leben als Mensch gewöhnt, warum sollte es ihm nicht auch gelingen zu seinem altenWesen zurückzufinden? Zumal er auch alle Erinnerungen daran besaß. Das machte es ihm leichter. Er öffnete die Tür und sah sie auf dem Boden liegen. Sie rührte sich nicht, dabei war er sicher, dass sie ihn gehört haben musste. Die Tür quietschte ein wenig. Aber sie lag einfach nur da, die Beine an ihren Körper gepresst und die Arme darum geschlungen, als würde sie unerträgliche Schmerzen erleiden. Warum?, fragte er sich. Draco hatte sein Ersuchen nicht vergessen und doch konnte er nicht sprechen. Ihr Anblick machte es ihm unmöglich, dabei hatte er gedacht darauf vorbereitet gewesen zu sein. Zögernd ging er auf sie zu und kniete sich abermals vor sie. Hätte sie seinen Blick in seinen Augen sehen können, hätten sie nicht glauben können, dass er sie vor wenigen Stunden noch so kalt und hasserfüllt angesehen hatte. Leidvoll und unsicher sah er sie an, nicht wissend wie er ihre Tränen aufhalten konnte. Dabei wollte er das nicht einmal. Er war der festen Überzeugung, dass sie es verdient hatte. Sie hatte es so gewollt. Und dennoch... er konnte es einfach nicht aushalten, sie so zu sehen. Etwas in ihm spannte sich dann immer so sehr an, dass es drohte zu zerreisen. Nicht nur sein Inneres, sondern alles was er war. Alles, was er sich hatte noch bewahren können. Vorsichtig berührte Draco ihre Schulter. Weinte sie, weil er gegangen war? Er würde ohnehin gehen. Sie sollte es wissen und wenn er es nicht war, der ging, dann würde sie es sein. Kaum, dass seine Fingerspitzen sie berührt hatten, sah sie abrupt auf und sah ihn aus kleinen, geröteten Augen an. Die Tränen waren nicht einmal versiegt, seit er sie allein gelassen hatte. „Draco?“, fragte sie ungläubig und streckte zaghaft eine Hand nach ihm aus. Bestimmt war dies auch nur ein Trugbild. Er konnte unmöglich vor ihr stehen. Er hatte sie verlassen. Sie hatte es in seinen Worten und vor allem in seinen Augen erkannt, dass es ihm Ernst gewesen war. Er konnte also nicht bei ihr sein. Und doch konnte sie ihn berühren. Seine Haut in diesem Traum war genauso weich und warm, wie in der Wirkleicht. „Was für ein schöner Traum.“, flüsterte sie heißer. „Ein Traum?“, fragte er sie. „Ja, ich will nie wieder aufwachen, denn wenn ich es tue, wirst du nicht bei mir sein.“ Einen Augenblick sah er sie prüfend an und Annie dachte, dass es genauso war, wie wenn sie nicht träumen würde. Er würde sie genauso ansehen und dann würde er sie wohl fragen, was sie noch alles träumte. Denn was ein Traum war, wusste er bereits. „Es ist aber kein Traum.“, sprach er und seine Stimme war weder sanft noch rau, sondern sachlich und vielleicht ein wenig distanziert. Erschrocken blickte sie ihn an. Ihre Augen huschten in der Hütte umher, sahen die Bäume draußen und hörten den immer gleichen fröhlichen Gesang der Vögel. „Nein?“, fragte sie leise und ungläubig. Warum sollte er bei ihr sein, wenn es kein Traum war? Draco hob eine Augenbraue und sah sie zweifelnd an. Hatte sie jetzt ihren Verstand verloren? Doch immerhin hatte sie aufgehört zu weinen, dachte er erleichtert. Anscheinend hatte sie es selbst noch nicht einmal bemerkt. „Wirklich nicht?“ Annie richtete sich auf und legte nun auch die andere Hand auf sein Gesicht, um es ganz zu umfassen. „Wirklich nicht?“, fragte sie noch einmal. „Annie, ich möchte, dass du mich-“, begann er, doch auf einmal lag sie so unerwartet in seinen Armen und begann von neuem hemmungslos zu weinen und zu schluchzen, dass er vor Bestürzung einen Moment erstarrte. Wenn sie ihm so nah war, wurde seine menschliche Seite nur wieder stärker. Dabei war er doch gerade dabei sie ganz und gar abzulegen und zu vernichten. Doch ihr Duft und ihr schlanker Körper, der sich gegen seinen presste, machte ihm das fast vollkommen unmöglich. Wie ein erwachendes Tier, erhoben sich seine Gefühle und füllten ihn aus, ohne, dass er sie bändigen konnte. „Du bist wirklich wieder hier.“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme und umarmte ihn nur noch fester. „Ich dachte, ich hätte dich bereits für immer verloren. Ich dachte, du hättest mich für immer verlassen. Einfach so. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr.“, wisperte sie unter Tränen und kaum hörbar. Es gab nichts, was Draco ihr hätte antworten können. Warum tat sie so, als wäre es seine Schuld, als wäre es seine Entscheidung? Er war sich nichts von dem bewusst. Er würde seine Bitte vortragen und sie würde sie erfüllen müssen. Aus keinem anderen Grund war er zurückgekommen. Selbst, wenn es ihm Mühe kostete, dass Verlangen nach ihr zu unterdrücken. „Lass uns davon laufen.“, sagte sie plötzlich mit aufgeregter Stimme. Überrascht sah er sie an und sie begegnete seinem Blick scheinbar furchtlos und unerschrocken. „Lass uns davon laufen! Du und ich! Irgendwohin, in ein anderes Land! Er würde uns nicht finden. Wir könnten ein neues Leben beginnen. Vielleicht unter Menschen. Du würdest dich bestimmt daran gewöhnen und so schlimm wird es nicht sein. Komm mit mir! Aber bitte verlass mich nicht!“, sprach sie scheinbar fest entschlossen und doch spürte er, wie ihre Hände auf seinen Körper zitterten. „Wenn wir es tun, können wir für immer zusammen sein. Wir könnten als Mann und Frau zusammenleben und niemand würde auch nur einen Zweifel daran haben, dass wir nicht zusammengehören. Niemand könnte mich dir wegnehmen und ich würde dein sein. Nur dein. Ich liebe dich doch.“, flüsterte sie mir bebender Stimme. Er zögerte, denn obwohl ihre Worte so fest und stark klangen, konnten sie nicht über ihren Schmerz hinwegtäuschen. Tränen liefen abermals, still und leise ihre Wange hinunter. Draco verstand sehr wohl, was ihre Worte bedeuteten. Würde sie mit ihm davonlaufen, würde sie Barrington nicht heiraten. Und dann würde dieser Mensch dieser Sophie und ihrem Bruder etwas antun. Das Leben anderer interessierte ihn nicht. Alles was er wissen wollte, war, dass sie sich gerade für ihn entschieden hatte. Seinen eigenen Wunsch vergaß er darüber hinaus. Alles woran er denken konnte, war, dass er sie doch nicht verlieren würde, dass sie weiterhin sein war. Er allein würde sie besitzen. Er allein könnte sie küssen und liebkosen. Nie müsste er auch nur den Gedanken daran verschwenden, dass sie ein anderer haben könnte. Ohne zu sprechen beantwortete er ihre Frage mit einem Kuss. Und auch, wenn seine Gedanken einen Moment bei Alexander und dieser unbekannten Frau waren, so ließ dieser Kuss ihn schnell vergessen. Zu sehr verlangte es ihn nach ihr. So lange, wie er sie als Mensch haben konnte, so lange würde er einer bleiben. Egal welche Opfer andere dafür bringen mussten. Sie konnten auf sich selbst aufpassen. Und Annie... sie brauchte sie nicht. Er war alles, was sie begehren und brauchen sollte. Sein Kuss fühlte sich heiß an auf ihren Lippen und genauso bitter. So sehr sie es auch versuchte, sie konnte das Bildnis ihres Bruders oder das ihrer geliebten Amme nicht aus ihrem Kopf verbannen. Immer wieder sah sie sie vor sich, wie sie sie mit liebenden Augen ansahen. Doch sie hatte erfahren, wie es sich anfühlte, wenn sie ihn verlieren würde. Und das allein nahm mehr Platz und Angst, Schmerz und Verzweiflung in ihrem Herzen ein, als alles andere. Hatte es Alexander nicht selbst gesagt? Wenn sie nicht mehr da wäre, hätte er sie niemals gesehen. Er würde auf sich selbst aufpassen können und er würde auch auf Sophie acht geben. Dessen war sie sich sicher. Alexander würde alles tun, um sie zu beschützen. Sie musste ihm vertrauen und daran glauben, dass alles gut werden würde. Sonst würde ihre Schuld sie erdrücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)