The Wasted Time of Our Lives von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: 運命の皮肉 - Unmei no hiniku - Irony of Fate -------------------------------------------------- Einmal, es ist schon ein paar Jahre her, kam das Gespräch mit einem Moderator auf die Frage, wie häufig ich gewöhnlich weinte. Aufrichtigerweise antwortete ich, dass es durchschnittlich einmal pro Tag dazu kam. Ein Mal am Tag kam diese Stimmung über mich, und ich wusste, dass es mir besser gehen würde, verdrängte ich sie nicht, sondern ließ sie fließen. Die Tränen flossen auch nie lange; es waren nur ein paar Minuten, dann war es vorbei. Und ich fühlte mich wieder normal. Und ich ging davon aus, das wäre normal. Es ist das Alter, redete ich mir immer ein. Mehr nicht. Dass es etwas anderes sein könnte, kam mir nicht in den Sinn. Dass es einen tieferen Grund haben könnte, glaubte ich nicht. Dass es mir zeigen sollte, dass ich unglücklich war, begriff ich nicht. Zu sehr dachte ich, ich hätte alles, was man sich als Mann nur wünschen könnte: eine Frau, ein Kind, Freunde, Erfolg, einen Beruf, der mich erfüllte. Was wollte ich mehr?, fragte ich mich, als ich langsam ahnte, dass doch etwas nicht in Ordnung war. Ich verstand es nicht. Und so achtete ich mehr darauf, was ich manchmal nur halb bewusst dachte. Ich begann, meine Gedanken in meinem Kopf zu wiederholen. Es war, als dachte ich alles zweimal. Es war, als redete ich mir ein, dass das meine Gedanken waren. Es war, als wären es Regieanweisungen. Und ich war der Schauspieler. Und eines Tages, es ist noch gar nicht so lange her, da bemerkte ich etwas: Ich lag in meinem Bett, alleine; Megumi war für ein Wochenende bei ihren Eltern; Joseph hatte sie bei sich. Und ich wurde mir bewusst, dass ich den ganzen Tag, obwohl ich, seit Nachmittag, den kompletten Abend alleine gewesen war und nicht wirklich etwas zu tun gehabt hatte, noch kein einziges Mal geweint hatte. Es wäre keine großartige Entdeckung gewesen, wenn ich nicht so viele Stunden dieses Tages Zeit gehabt hätte, in diese Stimmung zu verfallen. Ich hatte nicht viel zu tun; ich tat dies und das, und doch ging es mir gut. Ich fühlte mich nicht einsam, nicht untätig, nicht mit nutzloser Zeit beschenkt. Daher fragte ich mich: Warum? Warum war es heute nicht so? Warum, wenn doch die Umstände die besten Voraussetzungen dafür boten? Ich verstand es nicht. So lag ich die halbe Nacht wach und dachte darüber nach, was am vergangenen Tag anders gewesen war, wie an den „normalen“ Tagen. Ich suchte die Ursache in den kleinen Dingen des alltäglichen Lebens: in meinen Gedanken, in dem, was ich gegessen hatte, in winzigen Auffälligkeiten, in glücklichen Zufällen. Doch es war vergebens. Ich wollte den Fall gerade als puren Zufall abtun, indem ich einfach annahm, dass ich mehr oder minder grundlos gute Laune gehabt und mir nichts meine positive Stimmung verdorben hatte; da öffnete ich plötzlich ruckartig meine Augen, obgleich ich sie eben erst geschlossen hatte, mit dem Gedanken, endlich zu schlafen zu versuchen, und ich wusste, dass ich diese Nacht nicht mehr viel würde schlafen können. Ich wusste, dass ich mir in diesem Moment der offenbaren Erkenntnis ein breites Gedankenfeld eröffnet hatte, und ich nicht eher ruhen würde, bis ich es vollkommen durchforstet hatte. Es wurde eine lange Nacht. „Was?“ Ich sah ihn fragend an. Es dauerte einen Moment, dann blickte er in meine Augen. „Nichts.“, antwortete er und es war mehr als eindeutig, dass er log. Ich zeigte ihm, dass ich das wusste mit einem ironischen „Ach so“. Aber ich war überrascht, dass er mir doch noch eine Antwort gab. „Ich habe...“ Er schien nicht so recht zu wissen, wie er es formulieren sollte. „Ich bin nur wieder einmal fasziniert, wie jemand so Kleines...“ „...schon so alt sein kann?“, führte ich seinen Satz weiter und meinte mit einem ein wenig empörten Unterton: „Damit hat die Größe doch nichts zu tun.“ Ich glaube, ich hatte einfach gehofft, dass er von etwas Bedeutendem zu sprechen anfangen würde. „Nein, ich meinte, so viel Power haben und so gut singen kann.“, klärte er mich schließlich auf, was mich etwas verwirrte, weil ich nicht wusste, wie er auf diesen Gedanken gekommen war. Eben hatten wir es noch von meiner Geburtstagsfeier. „Aber mit dem Alter ist das auch so eine Sache...“, grinste Gackt. „Dass du, obwohl du zwei Köpfe kleiner bist als ich...“ „Jetzt übertreib mal nicht!“, warf ich entrüstet, aber lachend, ein. „Höchstens eineinhalb.“ „...trotzdem vier Jahre älter bist... Das ist einfach unglaublich.“, führte er seinen Satz zu Ende. „Tja... Ich weiß, dreiundvierzig ist ein stolzes Alter.“, meinte ich abwesend, meine Gedanken noch immer bei der Frage, wie er darauf gekommen war, dass ich zwar klein, aber gesanglich talentiert und energiegeladen war. Nach einem Moment bemerkte ich, dass ich Löcher in die Luft starrte und suchte etwas, das ich sagen konnte, um das Schweigen zu brechen und meine Gedankenverlorenheit zu überspielen, und da fiel mein Blick auf meine Geburtstagstorte, die Gackt eigenhändig für mich gebacken hatte. Ich habe mich wahnsinnig über sie gefreut. Ich konnte ihm gar nicht sagen, wie sehr. „Hast du die wirklich selbst gebacken?“, fragte ich nun zum ich weiß nicht wievielten Male. „Das willst du nicht wahrhaben, oder?“, fragte er zurück. „Ich finde es nur einfach... Dass du dich in die Küche gestellt hast, nur um mir einen Kuchen zu machen... Das ist total... Ich bin begeistert.“, versuchte ich, meine Freude in Worte zu fassen. „Ich hoffe, ich muss das an deinem Geburtstag dieses Jahr nicht auch.“, scherzte ich, um die Stimmung etwas zu verändern, die Spannung, die ich verspürte, zu entschärfen. „Natürlich nicht. Ich esse so süßes Zeug doch gar nicht gern. Aber... ich hätte da eine viel bessere Idee: ein kleines Konzert, ganz für mich alleine... Das hätte schon etwas.“, schlug er vor und mein Herz setzte einen Takt aus. Er wünschte sich ein Privatkonzert von mir? Meinte er das ernst? Würde ihm das wirklich gefallen? „Du bist mittlerweile ein richtiger Fan von mir, was?“, versuchte ich, ihn zu necken. „Auf jeden Fall.“, antwortete Gackt in einem Tonfall, der einfach nach Wahrheit duftete. Doch auch wenn es auf den ersten Blick positiv zu sein schien, war es nicht das, was ich hören wollte. ~Ein Fan... Was ist in seinen Augen schon ein Fan? Ein Bewunderer? Einer von vielen. Was, wenn es mehr sein soll als das? ~ Es war wie ein Kompliment, das einen traurig machte. Ich schüttelte diese Gedanken ab und versuchte, an etwas durch und durch Positives zu denken. Ich lächelte bei dem Anblick der Torte, die Gackt für mich gebacken hatte. „Ich schneide ihn jetzt an, ich bin so neugierig, ob er auch schmeckt.“ Mit einem letzten Blick auf die Torte und einem zu Gackt, um seine Reaktion zu sehen, ging ich in die Küche, um Geschirr zu holen. „Du möchtest ja eh keins, nehme ich an.“ Ich hatte das Bedürfnis, etwas zu sagen. Egal, was es war. „Bist du sicher, dass du nicht erst einmal probieren solltest? Du weißt doch gar nicht, ob man das essen kann - oder sollte.“ Er klang ein wenig besorgt. „Ich schätze, du hast ihn auch zwischendurch nicht probiert, oder? - Aber egal. Ich vertraue auf diene Backkünste.“, meinte ich zuversichtlich und dachte: ~Egal, wie es schmeckt, ein Stück werde ich schon essen können. ~ Ich spürte, wie er mich beim Essen beobachtete. „Hey... Das schmeckt richtig gut.“ Es war die Wahrheit. „Das hätte ich dir gar nicht zugetraut.“, neckte ich ihn. „Es schmeckt wirklich?“, überging er meine neckende Bemerkung. „Ja, ernsthaft. Es schmeckt sogar richtig klasse. Und du hast ihn wirklich selbst gebacken?“, neckte ich ihn weiter. „Jetzt muss ich ihn doch probieren.“, beschloss Gackt überraschenderweise. „Wirklich?“ Damit hatte ich nicht gerechnet, umso mehr freute es mich. In diesem Fall störte es mich nicht, dass man es mir ansah, als ich ihm meine Gabel entgegenhielt. Es war eine Ausnahme. Ich hatte die Berechtigung, mich über etwas so Seltenes zu freuen. Er beugte sich aus seinem Sessel zu mir nach vorne und ich sah ihm zu, wie er überaus vorsichtig ein wenig von der Gabel aß. Es versetzte mir einen Stich bei dem Gedanken, dass es aussah, als wollte er die Gabel so wenig wie möglich berühren. Meinetwegen. „Das schmeckt ja wirklich nicht schlecht... Und nicht einmal so schrecklich süß...“ Ich nutzte die Situation. „Das ist eine Premiere!“ Es gefiel mir, ihn zu füttern. „Iss du auch mal wieder und fütter mich nicht nur.“, beklagte er sich halbherzig und setzte sich neben mich aufs Sofa. ~Er will nicht mehr gefüttert werden... Aber er setzt sich zu mir. ~ „Es macht aber viel mehr Spaß, dich zu füttern, als selbst zu essen. Und du kannst ohnehin mal ein paar Kilo mehr vertragen.“, rutschte es mir heraus. Mit diesem Thema hatte ich heute eigentlich nicht mehr beginnen wollen. „Findest du?“ Ich hatte das Gefühl, er wollte es beiläufig klingen lassen. „Auf jeden Fall. Manchmal frage ich mich, wie du deinen Alltag durchhältst und warum du nicht einfach zusammenklappst.“ Ich konnte mich nicht zurückhalten. Ich wollte es wissen. „Wie viel wiegst du überhaupt momentan?“ „Keine Ahnung.“, kam als Antwort zurück. Das genügte mir nicht, lange nicht. „Natürlich weißt du das. Du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht mindestens viermal pro Woche auf die Waage stehst. Also, was hat sie das letzte Mal angezeigt? Sechzig? Fünfundfünfzig? Noch weniger?“ „Soll das ein Verhör werden?“, fragte er bissig und kreuzte die Arme vor der Brust. „Wie viel, Ga-chan?“ Ich wollte, jetzt da das Thema angeschnitten war, Antworten. Er seufzte. „Neunundvierzig.“ „Neunundvierzig?“, keuchte ich atemlos. „Neunundvierzig? “ Es war eine grausame Zahl. „Ga-chan... Du bist über einen Meter achtzig groß... Du solltest normalerweise nicht viel weniger als achtzig Kilo wiegen, vielleicht siebzig, aber...“ Ich hatte gehofft, dass er nur - aus einem mir noch nicht bekannten Grund - etwas magerer als gewöhnlich aussah - denn er war schon immer sehr, sehr dünn und achtete stark auf sein Gewicht , aber wenn er wirklich so wenig wog - noch weniger als wenn er auf Tour war , dann war das schrecklich. Ich konnte die Besorgnis nicht aus meiner Stimme verbannen. „Warum?“ „Ich weiß es nicht.“ Er klang niedergeschlagen. „Wie geht es dir?“ Es war eine so simple Frage, aber ich wusste, eine Antwort zu geben, konnte so schwer sein. „Das weiß ich auch nicht.“ Meine Besorgnis wuchs. „Aber du musst doch wissen, was deine Probleme sind oder zumindest was dir an deinem Leben nicht gefällt... Oder nicht?“, fragte ich vorsichtig. Ich befürchtete, dass er das Gespräch jeden Moment beenden würde. „Ich weiß es auch nicht, was mich so unzufrieden macht.“ Ich wusste nicht so recht, ob ich ihm glauben sollte, dass er ahnungslos war. Mir kam ein unschöner Gedanke. „Warum hattest du eigentlich noch nie eine feste Freundin, außer deiner ersten Frau?“ Es dauerte nicht lange, da antwortete er: „Ich schätze, ich bin nie der Richtigen begegnet.“ Doch es klang wie eine Floskel, eine billige Ausrede. „Du hattest auch nicht allzu viel Gelegenheit dazu. Es ist so selten, dass du einmal ausgehst.“ Er schwieg. „Ich weiß, es ist nicht ganz so einfach, wenn man ziemlich bekannt ist, aber du musst schon mehr unter Menschen, wenn du jemanden finden willst.“ Es tat weh. Es war einfach schmerzhaft, so etwas über die Lippen zu bringen, wissend, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn er sich das Gesagte zu Herzen nahm. „Ja, wahrscheinlich schon.“, sagte er nur. Eine leere Stille trat ein. Ich wollte sie brechen. „Aber es muss doch trotzdem irgendetwas geben, das dich beschäftigt.“, sagte ich leise und fragte behutsam: „Ist es deine Familie?“ Ich dachte einen Augenblick an den Tod Belles, doch er lag bereits so viele Jahre zurück, dass ich davon ausging, dass er das mittlerweile verkraftet haben musste. Aber vielleicht hatte es ihn auch allmählich einsamer gemacht. „Nein.“ In dem Fall schien er sich sicher. Ich zögerte, weiterzufragen. „Dein Freundeskreis?“ Auch er zögerte. Dann hörten wir jemanden an der Tür und wussten, das Gespräch war beendet. „Ich denke, ich gehe dann mal.“, sagte Gackt plötzlich und ich glaubte, er wollte, dass Megumi ihn nicht hörte. Ich spürte, dass es keinen Sinn hatte, zu versuchen, ihn am Gehen zu hindern. „In Ordnung.“ Ich tat es ihm nach und stand ebenfalls auf. „Oh, guten Abend, Gakuto-san.“, begrüßte meine Frau ihn. „Verlässt du uns schon?“ „Ja, er wollte gerade gehen.“, hielt ich den Schein aufrecht. Ich wusste selbst nicht genau, weshalb. Ich wusste einfach, dass er gehen wollte und ich wollte ihn zu nichts zwingen. Außerdem war es für mich nie angenehm, Gackt und Megumi in einem Raum zu haben. Es war immer ein eigenartiges Gefühl gewesen. Ich konnte nicht anders, als sie zu vergleichen. Doch es war lächerlich, einen Mann mit einer Frau zu vergleichen. „Schade. Ich habe so viel fürs Abendessen gekauft. Hast du wirklich keinen Hunger?“, fragte Megumi und kam ins Wohnzimmer. „Nein, danke. Ich muss wirklich los.“, lehnte Gackt ab und lief an ihr vorbei, zur Tür. Ich wollte unbedingt noch etwas sagen und ihn nicht einfach so gehen lassen. Auf diese eigenartige Weise wortlos. „Ich möchte unbedingt das Rezept von dieser Torte da, ja?“ Das war das Erste, das mir einfiel. „Kein Problem.“ Er versuchte ein Lächeln und hob die Hand zum Abschied. „Ciao.“ „Tschüß!“, entgegnete Megumi ihm, bevor ich es tun konnte. Ob er meinen Abschiedsgruß überhaupt noch hatte hören können, konnte ich nicht sicher sagen. Als ich an diesem Abend, an dem meines dreiundvierzigsten Geburtstages, im Bett lag, dachte ich an unser Gespräch zurück. „Auf jeden Fall.“ ~Er zählt auf jeden Fall zu meinen Fans. Manchmal frage ich mich, ob es nicht einfacher für mich wäre, ein Fan von ihm zu sein. Einer von Tausenden, die keine andere Möglichkeit haben, als ihn aus der Ferne zu bewundern, in dem Bewusstsein, dass man mit seinen Gedanken lediglich in einer Traumwelt lebt und die Vorstellung eines näheren Kennenlernens oder gar einer Beziehung zu ihm für immer eine Utopie bleiben wird. Würde man nicht viel leichter aufhören können, sich Hoffnung zu machen? Würde der Abstand, der unüberwindbar schiene, nicht hilfreich sein, um irgendwann einzusehen, dass es keinen Sinn hatte? Es wäre so viel unkomplizierter für mich, so viel schmerzloser. Wäre es nicht... traumhaft? ~ Plötzlich kam mir eine Textzeile in den Sinn, gefolgt von weiteren Versen, die, als wäre es selbstverständlich, sich ganz von selbst in meinem Kopf formten: ~Wishing to be one of your admirers To live in their world of dreams and imagination Far, so far away from you Without hope of becoming someone close to you ~ Ich schnaubte. ~Wie viele es gibt, die sich wünschen, in meiner Lage zu sein... Und ich? Ich sehe momentan nur das Negative in ihr.~ Mit diesem Gedanken kam mir die Idee für den Titel des Songs: Irony of Fate. ~Solche Gedanken sind sinnlos.~, tadelte ich mich nach einem kurzen Moment der Gedankenstarre. ~Wünscht man sich nicht immer auf die andere Seite? ~ Ich seufzte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als aufzustehen. Ich musste die Zeilen aufschreiben. So leise ich konnte, erhob ich mich vom Bett, ein achtsamer Blick auf meine schlafende Frau. Realisierend, dass ich mich ungewöhnlich munter fühlte für diese Uhrzeit - und das nach einer solchen Nacht - in seinen Geburtstag hineinzufeiern, ist eigentlich alles andere als erholsam , verließ ich das Schlafzimmer und wanderte leise in mein so genanntes Arbeitszimmer. Eigentlich passte der Name nicht so wirklich, denn, wie in dieser Nacht, zwang ich mich nicht dazu, etwas zu kreieren, sondern es kam von selbst. Es war keine Arbeit, es war etwas, das ich tun wollte und gern tat. Manchmal musste ich es auch tun, damit ich Dinge, die mich beschäftigten, hinauslassen konnte. Danach ging es mir meistens besser. In letzter Zeit kam es immer häufiger vor, dass das Schreiben ein solches Muss war. Und es war auch nicht mehr selten, dass ich mitten in der Nacht aufstand, um etwas auf Papier zu bringen. Irony of Fate Wishing to be one of your admirers To live in their world of dreams and imagination Far, so far away from you Without hope of becoming someone close to you I can’t stand you - being so near I don’t want to hear - your voice - so clear I wished you’d disappear - from my memories I wish you far away - from my fantasies Etwas auf sich selbst Zutreffendes und Schicksalsträchtiges schwarz auf weiß vor sich zu sehen, macht das Gefühl der Hilflosigkeit nur noch unerträglicher. Am nächsten Tag, den ich nach wenigen Stunden Schlaf begonnen hatte, war das Erste, das mir in den Sinn kam, der in der Nacht begonnene Song. Er schwirrte in meinem Kopf herum; ich konnte nichts dagegen tun. Er war ununterbrochen da, sang sich selbst in meinen Ohren. Plötzlich stoppte der Gesang, als ich mich zu wundern begann: ~Müsste es im sechsten Vers nicht korrekt „clearly“ heißen? Wenn ich das ändere, reimt es sich aber nicht mehr auf „near“... Hm...~ „I don’t want to hear...“, sprach ich vor mich hin, um zu hören, wie es klang. „...your voice... in my ear ?“ Das würde die Nähe auch noch etwas mehr betonen, stellte ich fest. Unwillkürlich dachte ich an Szenen zurück, in denen Gackt mir etwas ins Ohr geflüstert hatte. „...to hear your voice... whispering in my ear...“ Das war es, das ich unbewusst gesucht hatte. „Schatz?“ Ich sah auf, wurde mir wieder bewusst, dass ich im Schlafzimmer vor meinem Kleiderschrank und mit einem Mal auch Megumi hinter mir stand. „Ja?“ Ich wandte mich zu ihr um. Sie lächelte nachsichtig. „Träumst du mal wieder?“, fragte sie, ohne eine Antwort zu erwarten. „Schreibst du gerade an einem neuen Liedtext?“ Nun erwartete sie eine. „Ja, eh - nein. Ich - Doch. Doch, ja, ich... habe da so eine Idee, die mir im Kopf herumschwirrt.“ „Ach... so. Du scheinst dir aber noch nicht so ganz sicher zu sein, ob es eine gute ist oder nicht, ne?“ „Ja.“ Es war nicht einmal gelogen. Denn eine gute Idee war es nicht, wenn es darum ging, einen neuen Song für mein nächstes Album zu produzieren. Ich hoffte nur inständig, sie würde nicht fragen, was das Thema des Songes war. „Worum geht es denn in dem Lied?“, zerstörte sie meine Hoffnung. „Das weiß ich auch noch nicht so genau.“ Das war eine Lüge. Definitiv. „Na dann viel Erfolg.“, wünschte sie mir mit einem Lächeln. „Ich werde jetzt mit Jo-chan zusammen einkaufen gehen. Willst du mitkommen?“ „Eh, nein, ich... würde gerne weiterschreiben. An dem Songtext.“, erklärte ich, schuldbewusst. „Und ich bin noch viel zu müde. Ich sehe bestimmt schrecklich aus.“ „Nein, gar nicht. Ich finde es bemerkenswert, wie du nach einer solchen Nacht schon wieder so frisch aussehen kannst.“ Ihre Antwort erinnerte mich an Gackts am Tag zuvor, als er, der als letzter meiner Gäste noch bei mir geblieben war, um mir alleine sein Geschenk überreichen zu können, meinte, wie es ihn faszinierte, dass jemand so Kleines wie ich angeblich „so viel Power haben und so gut singen“ konnte. Hatte er das mit „Power haben“ gemeint? Nach einer solchen Nacht noch relativ fit zu sein? Er war der Grund dafür. Wäre er nicht mehr da gewesen, hätte er mir nicht sein Geschenk überreicht und mich damit vollkommen verwirrt, hätte ich auf der Stelle einschlafen können. „Na gut. Dann gehen wir eben alleine. Wir sind auch bald wieder zurück, denke ich.“ Megumi holte mich von dem gestrigen in den heutigen Tag zurück. Ihrem Tonfall entnahm ich, dass es ihr nicht sonderlich viel ausmachte, dass sie allein gehen musste. Das glaubte ich zumindest. Vielleicht redete ich es mir auch nur ein. „Ich wünsche euch viel Spaß.“, meinte ich noch. Ich empfand es als meine Pflicht, das zu sagen. Immerhin das. „Und wir wünschen dir gute Ideen.“, lächelte sie und gab mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund. „Bis später!“ Ich sah ihr nach, wie sie das Schlafzimmer verließ, hörte noch, wie sie etwas zu meinem Sohn sagte und wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Ich verdrängte meinen momentanen Gedanken und überlegte, wo ich zuvor stehen geblieben war. Mein Blick fiel wieder auf den Kleiderschrank vor mir und ich verließ das Schlafzimmer, ging in mein Arbeitszimmer, nahm den Ordner aus dem Regal, wie in der Nacht zuvor, und zog gezielt das Blatt Papier mit der Überschrift „Irony of Fate“ heraus. Ich änderte die Stelle, wie ich es eben vor dem Kleiderschrank beschlossen hatte und las die Strophen nochmals durch. Irony of Fate Wishing to be one of your admirers To live in their world of dreams and imagination Far, so far away from you Without hope of becoming someone close to you I can’t stand you - being so near I don’t want to hear - your voice - so clear I wished you’d disappear - from my memories I wish you far away - from my fantasies You’re here, here in my head Ceaselessly torturing me I thought I already had enough tears shed Why haven’t you turned your back on me? You’re around, I’m shivering What the hell are you doing with me? You tell me every tiny thing What the hell are you doing to me? Why the hell are you so near? You’re around, all around me You keep smiling your beautiful smile at me There are just a few words I wanna hear Why the hell are you so - silent? Why am I not like all the others? Admiring you from far away Knowing that my wish you will never hear Why the hell am I so near? Heute würde keiner dieser Tage sein, an denen ich nicht weinte. Hosted by Animexx e.V. 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