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Silberne Flügel, schwarzes Pferd

Feuerdämon und Wasserdrache
von

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Trost

Schade, dass hier keiner liest... oder zumindest keinen Kommi da lässt. Ich weiss, diese Story zieht sich ziemlich, aber inwzischen wird es sehr spamnnend - und politisch. Was wohl aus unsren Mädels wird? Müssen sie so springen, wie die andren das von ihnen erwarten?
 

Trost
 

Die Versammlung war bereits beendet worden, als Kaika zum großen Saal zurückkehrte. Tuschelnd entfernten sich die geladenen Gäste, empört über das unflätige Benehmen der Tochter des Herrschers des Ostens. Nein, wie ungebührlich sich die junge Frau benommen hatte. Kaika grinste in sich hinein und suchte mit raschem Blick ihren Vater in der Menge. Der schritt mit verschlossener Miene den Weg hinab, der zu seinem Gästehaus führte. Seltsam, die sonst so munter sprudelnden Bäche, die das ganze Areal des Wasserclans durchzogen, waren verstummt. Sie waren…vereist, und das, obwohl die Nacht ausgesprochen lau war. Seltsam. Ob Sui damit zu tun hatte? Oder ein anderes Wasserwesen? Kaika holte bald ihren Vater ein und schritt dann stumm neben ihm her. Beide schwiegen den ganzen Weg bis zu dem großen Gästehaus hinunter, das weit entfernt vom herrschaftlichen Schloss lag. Ungewohnte Stille lag über dem ganzen Gelände, da ja das Wasser in seinem Lauf gebannt worden war. Auch die Vögel waren bereits versummt, da die Nacht sich sanft über die Hügel gelegt hatte. Nur die raschen Schritte der vielen Gäste waren zu hören, die sich auf den Kieswegen verstreuten, um zu ihren Unterkünften zu gelangen.
 

Als sie angekommen waren und schon die Stufen des Hauses erklimmen wollten, wandte Kaika sich ihrem Vater zu.

„Du, Oto-chan, ich geh wieder zu Sui. Ich denke, die kann ein wenig Trost dringend gebrauchen. Und ich bleib bei ihr, so lange ich kann, OK? Reist ihr ruhig schon vor, ich komm nach, wenn es ihr wieder besser geht." Ihr Vater nickte nur stumm. Seine Augen zeugten von großem Verständnis, das er für die Prinzessin des Ostens aufbrachte. Er fand ihr Aufbegehren nur verständlich. Seine Tochter hätte wohl noch viel heftiger reagiert, und so ließ er sie gerne gehen, um dem armen Mädchen beizustehen.

„Geh nur!", brummte er nur und winkte ihr zu, als sie schon wieder davon getrippelt war. Seine Kaika in einem Kimono…er blieb kurz stehen und schaute ihr hinterher. Es war ein seltener Anblick, und er musste lächeln, als er sah, wie sie mit dem engen Kleidungsstück kämpfte, als sie versuchte, so schnell wie möglich zu den Gemächern ihrer Freundin zu gelangen. Nicht unbedingt die eleganteste Weise der Fortbewegung, aber das Wohlergehen ihrer Freunde lag ihr schon immer mehr am Herzen als ein würdiges Auftreten. Hoffentlich würde das ein zukünftiger Ehemann ebenso anerkennen können wie er.
 

Kaika versuchte, so schnell wie möglich zu Suis Gemächern zu gelangen, wo sie hoffte, die Freundin bald wieder zu treffen. Es sei denn, die Eltern hielten ihr immer noch eine Standpauke. Aber sie wollte bei denen lieber nicht mehr auftauchen und so beschloss sie, notfalls die ganze Nacht in ihrem Zimmer auf Sui zu warten. Endlich hatte sie trotz des beengenden Kimonos die große Außentreppe erreicht, hastete sie empor, stellte ihre Schuhe auf der Veranda ab und überprüfte, ob Suis Eltern noch irgendwo zu sehen waren. Nein, die langen Gänge schienen leer zu sein, und so huschte sie schnell und lautlos auf ihren Socken über den polierten Boden. Unentdeckt erreichte sie Suis Zimmer. Schnell öffnete sie die mit Reispapier bezogene Schiebetüre und huschte hinein.
 

Nach ihrem Wutausbruch hatte sich Sui in ihren kleinen Garten zurückgezogen. Sichtlich ruhiger hatte sie sich auf ihre Bank gesetzt und ihren Blick auf den gefrorenen Brunnen gerichtet. Sein Wasser war in einer wunderschönen, vielschichtigen Krone erstarrt und funkelte nun im Licht der aufgehenden Sterne. Eine kurze Weile saß sie so davor und versuchte, Ordnung in ihr Gedankenchaos zu bringen. Ein Ereignis des Tages jagte das nächste und ständig ging es im Kreis herum. Und immer wieder tauchte das Gesicht dieses Dämons vor ihrem geistigen Auge auf. Er ließ ihr keine Ruhe.

Als es ihr zuviel wurde, sprang sie auf von ihrem Platz und stellte sich vor ihren Brunnen. Seit sie zurückgekommen war, war sein Eis nicht geschmolzen, trotz den warmen Temperaturen der Frühlingsnacht. Das Lächeln, das sich nun auf ihren Lippen abzeichnete, konnte man ruhig als böse bezeichnen. Keiner der Diener konnte das Eis zum schmelzen bringen, man brauchte Magie dazu. Die Gäste ihres Hauses mussten wohl einige Zeit lang ohne Wasser auskommen.

Sie hob ihre Hand und legte sie auf das Eis, als ein Geräusch sie aufschauen ließ. Tapsende Schritte wurden lauter und im nächsten Moment wurde eine der Türen, die die Räume von der Veranda abtrennten, aufgeschoben und Kaika erschien in der Öffnung.

Hastig warf sie einen Blick in den umsäumten Garten und sah ihre Freundin dort am vereisten Brunnen stehen. Schnell breitete die Arme aus und eilte auf die blasse Gestalt zu, die sich gerade über die gefrorene Wasseroberfläche beugte. Schnell packte sie Suis eiskalte Hände. Wie erstarrt wirkte das Wassermädchen, mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen. Hoffentlich waren ihre Eltern nicht zu sehr über sie hergefallen. Das hatte ihnen ja bestimmt gar nicht gepasst, dass ihr liebes Töchterlein einmal nicht ‚Ja und Amen’ zu ihren Plänen gesagt hatte. Kaika seufzte. Es war klar, dass sie als unverheiratete Kinder der hohen Herrscher als erste als Pfand herhalten mussten. Auch ihr würde dieses Schicksal wohl nicht erspart bleiben, auch wenn sie sich schon so lange erfolgreich davor gedrückt hatte. Aber bisher hatte Frieden geherrscht. Das war nun vorbei und so mussten sie wohl oder übel Opfer bringen. Aber so schwere? Verzweifelt richtete sie ihre dunklen Augen auf die leichenstarre Freundin. Sie trieb ein wenig Wärme in ihre Finger, um die Erstarrung vielleicht damit lösen zu können. Außerdem berührte sie kurz mit einer Fingerspitze das Eis in dem erstarrten Brunnen. Augenblicklich begann es zu schmelzen, die Kristalle verschwanden und das Wasser begann wieder zu plätschern. Sui öffnete die blassen Lippen, sah sie verzweifelt an. Blankes Entsetzen stand in ihren tiefblauen Augen, in denen bereits Tränen funkelten, aber sie war nicht in der Lage, etwas zusagen.

„Mein Gott, meine Süße, ich weiß, es ist schrecklich. Komm, sag doch was! Was haben sie mit dir gemacht?“

Suis Ton war bitter, als ihre Stimme ihren Mund verließ. „Sagen? Was soll ich denn sagen?“ Sie senkte ihren Blick. „Ich habe meine Eltern alles gesagt, was ich zu diesem Thema zu sagen gehabt habe. Ich werde genau das machen, was von mir erwartet wird. Wie immer. Es liegt in der Natur der Dinge, dass ich als hohe Tochter das mache.“ Wut und Sarkasmus sprachen aus ihrer Stimme. Das waren momentan die einzigen Gefühle, die sie in ihrem Inneren hegte.

Sie schwieg, bevor sie ihrer Freundin von dem Gespräch mit ihren Eltern berichtete. Wie sie ihre Einwände übergangen hatten, und am Ende ihr befohlen hatten, diese Heirat einzugehen. Davon, dass sie am Schluss ihre Strafe war, da sie ihre Familie bei dem Bankett so entehrt hatte, und dass ihr Vater sie von ihr gefordert hatte, um dafür zu sühnen und die Ehre wiederherzustellen.

„Der Prinz des Westens ist nun meine Strafe. Dafür, dass ich mich gewehrt habe.“, schloss sie düster. Ihr Hals fühlte sich an, als würde sie jeden Moment ersticken. Sie spürte, wie eine neue Tränenflut in ihr hoch wuchs.

Kaika zog das Mädchen näher zu sich heran und umfasste sie fest mit beiden Armen, streichelte ihr den Rücken. Was sollte sie nur tun? Der Brunnen begann auch schon wieder zuzufrieren. Suis Mächte machten sich selbständig, je mehr ihre Gefühle außer Kontrolle gerieten. Dabei hatte immer alle Regeln befolgt, sie war nie aufmüpfig gewesen, hatte nie rebelliert. Und nun sollte sie auch noch einen Mann heiraten, den sie hasste? Es war leider klar, dass es Sui erwischen würde. Sie war die älteste Tochter, und er der anscheinend einzige Sohn.

Obwohl, es hätte auch das Haus des Südens treffen können und sie selbst hätte seine Gemahlin werden müssen. Aber sie hatte das seltsame Gefühl, dass das nicht gepasst hätte. Er war Suis Schicksal, und sie grübelte, wie sie die Freundin damit versöhnen könnte.

Er hatte Sui gerettet, er hatte sich um sie gekümmert, sie geküsst, und er muss einen Grund dafür gehabt haben. „Sui, Sui, meinst du nicht dass er dich mag? Sui, er hätte dich nie geküsst wenn er dich nicht…nett gefunden hätte. Ist es denn so schlimm?“

„Mich nett findet? Was interessiert es mich, dass er mich nett findet? Was ist mit mir?“ Ihre Stimme wurde laut durch die Wut, die nun zum Vorschein kam. Aber das, was Kaika hinter ihrem Rücken erblickte, sprach eine andere Sprache. Dort zeichnete sich langsam das Gesicht des ihr ach so verhassten Dämonen auf der glatten Eisfläche ab. Erst hatte sie gedacht, es sei nur eine Art Wirbel, doch das Eis wurde auf einmal glänzend und glasklar, und sie konnte Sesshomaru erkennen, sein hübsches Gesicht, mit den langen Haare und den ausdrucksvollen Augen, das sich aus der Oberfläche heraus schob. Sui empfand also doch mehr für ihn als sie zugeben wollte, wenn sie sein Abbild unabsichtlich im Eis formte. Aber bevor sie bloß gestellt werden würde, wischte die junge Feuerdämonin das Gesicht mir einem Bewegung ihre Hand hinweg und ließ das wassere erneut schmelzen.

„Was ist mit mir?“, hauchte sie danach, wobei die Worte kaum ihren Mund verlassen konnten vor lauter ungeweinter Tränen. Sie kämpfte sie tapfer zurück und erschlaffte in Kaikas Armen.

Kaikas Stirn zeugte von tiefem Nachdenken. Fieberhaft versuchte sie, der Freundin einen Lösungsweg aufzuzeigen. „Hm, wenn es so schlimm ist für dich, dann lauf doch einfach weg. Pack schnell ein paar Sachen zusammen und ich helfe dir zu fliehen. Vielleicht musst du das Land verlassen, aber wenn er dir so verhasst ist, dann solltest du alles tun, um ihm aus dem Weg zu gehen.“ Eigentlich war sie überrascht, dass Sui sich so vehement gegen diese Verheiratung wehrte. Gerade von ihr hätte sie eher erwartet, dass sie diese Pflicht akzeptierte und gehorchte, so wie sie es sonst all die Jahre über getan hatte. Nun, dass es aufgerechnet dieser Randalierer vom See sein musste, war echt blöd. Aber wenn man bedachte, dass Sui eh bald verheiratet worden wäre, dann war die Sache gar nicht mal so schlecht gelaufen. Sie heiratete in die höchsten Kreise, der Kerl war umwerfend schön, und Manieren konnte sie ihm ja noch beibringen.

Sui rückte von ihr ab und schaute sie entgeistert an.

„Weglaufen? Ich kann doch nicht weglaufen! Ich habe heute schon genug angerichtet. Meine Familie würde dadurch endgültig ihr Gesicht verlieren und das will ich nicht, trotz allem. Das neue Bündnis könnte ebenfalls zerbrechen, was zu gefährlich wäre in diesen Zeiten. Außerdem…hätte ich dann kein Zuhause mehr.“, flüsterte sie noch und schluckte schwer. Durch tiefe Atemzüge versuchte sie Herr über ihr Gefühlschaos zu werden, vor allem über ihre Tränen, die nicht lockerließen.

Kaika sah Sui eindringlich an. Ihre Augen glitzerten verdächtig. „Ach, wein doch einfach, wenn dir danach ist. Aber was willst du dann machen? Weglaufen willst du nicht, aber dann wird dir nichts anderes übrig bleiben als mitzuspielen.“

Sui versuchte, sich wieder zu fassen. „Du weißt genau, dass ich nicht weinen darf. Es könnte wer weiß was passieren, vor allem jetzt, wenn die Herren der anderen Länder hier sind. Am Schluss verursache ich auch noch einen Bruch dieses Bündnisses.“ Sie schüttelte ihren Kopf, blinzelte aber weiter.

„Und was ich machen will?“, wiederholte sie Kaika bitter. „Das, was ich immer mache. Ich gehorche. Ich tue, was man von mir verlangt. Egal wie ich mich dabei fühle.“ Der Zorn und die Trauer über diese Worte lieferten sich ein Gefecht und Sui wusste nicht, was die Oberhand gewinnen würde. Beides drängte stark in ihrem Inneren darauf, nach Außen dringen und sich der Welt zeigen zu können. Doch sie wusste nicht, was ihre Wut als nächstes anrichten würde in ihrem Umfeld, und ihrer Trauer war es verboten, sich zu zeigen.

„Was ich will, ist egal. Ich meine, ich darf nicht einmal so etwas Simples wie weinen! Obwohl alles in mir gerade danach schreit, es zu tun. Meinen Tränen einfach nur einmal freien Lauf zu lassen. Wann mir danach ist, ohne Rücksicht auf andere.“ Sie barg ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte kaum hörbar. Heiße Tränen liefen ihre Wangen hinab und sie fragte sich, wann sie zum letzten Mal dieses Wasser gespürt hatte. Es war zu lange her.

Kaika stöhnte empört auf. Ein Blick auf den Brunnen zeigte ihr, wie sehr ihre Freundin verstickt war in ihre riesige, unterschwellige Wut. Die Oberfläche war schon wieder gefroren. Und nicht einmal die Tränen waren ihr erlaubt. Sie wusste ja, dass es den Wasserdämonen aus Suis Clan strengstens verboten war, zu weinen. Obwohl jeder einzelne von ihnen mit dem Urelement des Wassers verbunden war und das von Geburt an, war es ihnen beinahe unmöglich, selbst dieses Element zu erschaffen. Nur die alten und längst verstorbenen hohen Dämonen dieser Familie waren noch dazu in der Lage gewesen, Wasser aus dem Nichts zu erschaffen, was jedoch nur selten geschah: erschuf man Wasser, konnte das das Gleichgewicht der Elemente erheblich stören und wahre Katastrophen auslösen, da Prozesse dadurch in Gang gebracht wurden, die versuchten, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Mit den Jahren war diese Fähigkeit jedoch verschwunden.

Allerdings, wenn einer der derzeitigen Dämonen weinte, erschuf er Wasser. Drachendämonen hatten keine Tränendrüsen, somit war es ihnen eigentlich unmöglich, zu weinen. Nichtsdestotrotz konnten sie es und holten sich das dafür nötige Wasser aus ihrer Magie. Und auch wenn es nur vergleichsweise wenig Wasser war, bewirkte es irgendetwas. Niemand wusste, was genau das war. Weinte einer, konnte es ohne Vorwarnung und Anzeichen zu regnen beginnen, Flüsse konnten einfach überlaufen oder austrocknen, Ebbe und Flut erstarrten, irgendetwas geschah eben, das mit Wasser zu tun hatte. Es gab Geschichten, dass wegen einer Träne riesige Sturmfluten das Land heimgesucht hatten und Stürme mit unglaublicher zerstörerischer Kraft alles verwüstet hatten. Deshalb war es ihnen verboten worden, zu weinen.

„Kein Mensch kann dich zwingen, diesen Kerl zu heiraten. Du musst dir nur im Klaren sein, welche Konsequenzen das haben wird. Aber müssen tust du gar nichts. Und wein doch einfach, schrei deinen Frust heraus, heul wie ne alte Kanalratte! Und wenn dann was passiert, na und? Hast du nicht auch ein Recht auf deine eigenen Gefühle? Wenn Feuerdämonen Schluckauf haben, dann fackeln sie die ganze Umgebung ab. Meinst du, das hätte auch nur einen aus meinem Clan davon abgehalten, sich die Birne voll zu saufen und Schluckauf zu kriegen? Nö, nicht die Bohne, alle lachen nur und nehmen es einfach hin, weil Spaß haben und feiern einfach wichtiger sind als verängstigt in der Bude zu hocken und sich zu fürchten und zu grämen, das was passieren könnte.“

Kaika war so richtig in Fahrt gekommen. Ihre Meinung war es schon immer, das Leben in die Hand zu nehmen und das Beste darauf zu machen. Suis Unterwürfigkeit und Passivität reizten sie da sehr. Sie konnte sich dieses Leben ja wählen, aber dann sollte sie auch damit zufrieden sein und nicht jammern. Sie packte die schmalen Schultern der verdutzt blickenden Freundin und rüttelte sie. „Hey, Sui, Prinzessin, aufwachen! Du bist gefragt. Du musst handeln, nicht handeln lassen. Was willst du? Denk genau drüber nach…und handle danach. Wenn du ihn nicht willst, welche Möglichkeiten gibt es? Welche möchtest du wählen?“

Sui blickte ihre Freundin überrascht an. Ihre Augen waren groß geworden bei deren Worten und ihr war auf einmal, als wäre sie hellwach aus einem Schlaf hoch geschreckt. Die Bedeutung der Worte sickerte durch.

„Was ich will?“, wiederholte sie leise. „Ich will vieles, nur…was kann ich denn machen, wenn man es mir versperrt?“

„Du kannst ihn heiraten und dich gleich nach dem Krieg wieder scheiden lassen. Das tun viele, gerade wenn die Ehen aus rein politischen oder militärischen Gründen geschlossen wurden. Scheidungen sind gang und gäbe gerade bei den Mächtigen. Oder du lebst dein eigenes Leben in deiner Ehe, hast deine Räume, deinen eigenen Umgang, vielleicht auch einen Liebhaber, einen Mann, den du wählst und der dir gefällt. Auch das ist durchaus verbreitet. Oder du könntest versuchen, Druck auf ihn und sein Verhalten auszuüben, damit er dich so behandelt, wie du es dir wünschst. Du bist kein kleines Bauernmädchen, das nach der Ehe zur Sklavin ihres Herrn wird, du bist eine Prinzessin aus einem der höchsten Häuser. Und wenn er dich mies behandelt, dann haben deine Eltern genug Macht, um ihn die Ohren lang zu ziehen. Und wenn du alles gar nicht willst, dann hau ab. Und du kannst immer noch stiften gehen, wenn dir das alles gar nicht passt. Aber tu etwas, handle, sei nicht das kleine Opferlamm.“

Sui starrte ihre Freundin zuerst sprachlos an. Kurz war in ihrem Kopf gähnende Leere, sie konnte an nichts denken, und erst nach und nach legte sie sich innerlich die Worte ihrer Freundin zurecht. Kaika sprach von der Zeit nach der Hochzeit. In ihrer aufgekommenen Panik hatte Sui noch gar nicht so weit gedacht, ihre Gedankengänge waren bei ihrem neuen Verlobten angekommen und gegen eine Wand aus Panik gelaufen. Zum ersten Mal atmete sie wieder tief durch, auch um ihren Körper zu beruhigen. Es war selten, dass eine so große Panik sie übermannte, aber wenn, dann richtig. Sie blockierte dann alles, vor allem ihr Denken.

Nun setzte es wieder richtig ein.

Nachdenklich senkte sie ihren Blick und ging für sich Kaikas Vorschläge für die Zukunft durch. Sie hatte Recht. Wenn sie es wollte, konnte diese Verbindung nur vorübergehend sein. Weglaufen konnte sie nach wie vor nicht, das stand außer Frage für sie, denn zuviel stand dabei auf dem Spiel. Also würde sie heiraten. Und danach, wenn dieser Krieg zu Ende und diese Art Bündnis nicht mehr nötig waren, dann konnte sie sie wieder trennen. Denn mit ihm zusammenbleiben wollte sie nicht, das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen! Auch nicht, wenn sie dann praktisch ein eigenes, von ihm unabhängiges Leben führen würde, wenn, dann sollte sie das richtig tun und sich scheiden lassen.

Und mit diesen Gedanken floss eine unglaubliche Erleichterung durch ihr Innerstes. Die Situation wirkte mit einem Mal nicht mehr so ausweglos wie vor ein paar Minuten noch. Sie hatte eine Lösung gefunden für ihr Problem, zumindest die beste, die man finden konnte, wie sie meinte. Sie stimmte ihrer Freundin wirklich zu: anstatt hier wütend rum zu weinen, sollte sie das Beste aus ihrer Situation machen und handeln.

„Du hast Recht.“ Sie wischte sich ihre Tränen ab und trocknete ihre Hand dabei schnell an ihrem Kimono. „Du hast so Recht.“

Sie schaute auf und lächelte ein wenig. „Ich hab mich wohl wirklich dumm benommen, so…stark zu reagieren.“

„Nein“, Kaika blickte betreten zu Boden, „dumm wirklich nicht sondern ganz normal. Das war schon der Hammer und ich wäre genauso baff gewesen wie du auch. Grad der Kerl, der uns so brutal angegangen ist… Der hat Dreck am Stecken und damit könntest du ihn packen. Hör mal, zwei Prinzessinnen angreifen auf so gewalttätige Art. Und den sollst du heiraten? Das könntest du ohne weiteres als Verhandlungsargument anbringen. Bist dir ja deines Lebens nicht mehr sicher bei so nem Ehemann.“ Sie erhob ihren Lockenkopf und grinste Sui frech an. „Mach ihn fertig, fordere von ihm und seiner Familie was du willst. Du sitzt am längern Hebel. Also mach das Beste draus.“ Trotz der lockeren Sprüche brütete Kaika, was sie wohl getan hätte, wenn ihr der Lange als Ehemann aufgebrummt worden wäre. Ein schöner Mann, aber ob er jemals zulassen würde, dass man sich ihm emotional nähern würde? Könnte der wirklich lieben? Oder seine Frau wenigstens respektieren? Würde er zulassen können, dass auch die Stimme seiner Frau Wert hat? Oder könnte er nur als Oberhaupt leben und alle anderen mussten sich ihm unterordnen?

„Hm…“, machte Sui nachdenklich. „Heiraten muss ich ihn, trotz dem, was vorher passiert ist.“ Sie atmete tief ein. „Diese Ehe ist wichtig beim momentanen Stand der Dinge. Und ich bin die einzige königliche Tochter des Ostens, die im heiratsfähigen Alter ist, also…und ich bin froh dass es nicht eine meiner Schwestern getroffen hat.“ Sie schüttelte schnell ihren Kopf. „Aber du hast Recht: Ich sitze am längeren Hebel.“ Ein Lächeln zeichnete sich in ihrem Gesicht ab und in ihren Augen blitzte es verschlagen auf.

„Ich kann ihm zwar für den Moment nicht umgehen, aber er sollte nicht erwarten, dass ich das brave, fügsame Frauchen sein werde!“ Sie schaute ihrer Freundin fest in die Augen. „Ich werde meine Pflicht erfüllen, aber unter meinen Bedingungen!“ Tatendrang und Entschlossenheit sprachen aus ihrer Gestik und Mimik, sie hatte neuen Mut gefasst und ihre Angst war verschwunden. Stattdessen machte sich kühle Berechnung in ihr breit und grimmig schwor sie sich, nicht klein bei zu geben. Er würde sie kennen lernen…

Dann schenkte sie ihrer besten Freundin ein dankbares Lächeln: „Was wär ich nur ohne dich?“ Sie drückte ihre Hände fest, die immer noch so schön warm waren. Es fiel ihr jetzt erst richtig auf. Und der Brunnen plätscherte wieder.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  nivana
2010-02-26T16:59:42+00:00 26.02.2010 17:59
Also ich schreibe jetzt mal. Ich kenne das schließlich selbst, wie es ist, wenn sich keiner meldet.
Ich kenne deine/ eure FF schon auf ff.de und ich muss sagen: Ihr trefft definitiv meinen Geschmack, schade nur, dass es nicht voran geht.
Jedenfalls finde ich gerade die Kombination der Charaktere so interessant. Die beiden feurigen jungen Leute (logisch, dass Kaika das Feuer kontrolliert) und die kühle, beherrschte, aber starke Silberhaarige (ich sage nur: Water) und dazu die Jungs. Das passt alles so gut, die Harmonie wird richtig greifbar.
Wie gesagt, wenn es mal wieder voran gehen würde, dann würden sicherlich auch auf ff.de wieder mehr Leute rein schaun und was die Leser hier auf mexx angeht: Die Leser werden überall fauler und weniger. Kein Wunder, wenn man bedenkt, was die Medien an Animes ausstrahlen, die Leute wissen doch gar nicht mehr, was richtiger Anime ist. Also halt den Kopf hoch und mach weiter.


lg
nivana


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