Von A bis Z von abgemeldet (Ein Alphabet der Liebe) ================================================================================ Kapitel 2: B wie Blutsbrüderschaft [korrigiert~♥] ------------------------------------------------- B wie Blutsbrüderschaft Wie ein Tiger im Käfig lief ich in meinem Zimmer auf und ab. Nicht, dass ich mir große Sorgen machte, oder so, aber…wo blieben die bloß? Paps hatte gesagt, sie würden spätestens um acht Uhr hier sein und dass ich zu dieser Zeit mit dem Abendessen fertig sein sollte. Aber jetzt hatten wir schon kurz nach neun und es war immer noch nicht der kleinste Krümel von ihnen zu sehen! Wenn ich nur eine Idee hätte, wie ich herausfinden könnte, wo sie abgeblieben waren… Verärgert trat ich gegen meinen Kleiderschrank und verzog das Gesicht. Verdammt, das war wirklich keine gute Idee gewesen, zumindest half sie mir nicht weiter. Ob sie in einen Unfall verwickelt worden waren und deshalb so lange brauchten? Nein, sicher nicht. Dann wäre ich angerufen worden. Und was war mit einem Raubüberfall in einer Bank? So etwas dauerte manchmal eine Zeit lang, vor allem, wenn die Täter auch noch Geiseln nahmen…aber was zum Henker hätten sie in einer Bank tun sollen?! Paps wollte doch nur zur Beerdigung gehen, dann der Trauerfeier beiwohnen und noch mal kurz mit den Beiden zu ihnen nach Hause, um ihre Sachen abzuholen. Danach sollten sie schnurstracks hierhin kommen. Und wenn es einfach keine Bank, sondern eine Tankstelle war~? Halt! Stopp! Sitz! Platz! Aus! Ecke! Schäm dich, Rei! Herrgott noch mal! Dieses Warten machte mich noch wahnsinnig! Was für Fantasien ich schon entwickelte! Bestimmt hatten sie etwas vergessen und mussten deshalb noch einmal zurückfahren oder einer der Beiden hatte sich nicht von seinen Freunden trennen können oder noch einfacher: sie waren in einem Stau gelandet. Warum musste ich mir bei solch simplen Dingen gleich solche Horrorszenarien ausdenken?! Sie würden doch bald aufkreuzen, mich schräg angrinsen und – Es klingelte unten an der Tür. Sofort schnellte ich wie von einer Tarantel gestochen herum, sauste aus meinem Zimmer, die Treppen hinunter und auf die Haustür zu, die sich plötzlich öffnete, als ich sie gerade aufreißen wollte. Ich musste einen Satz nach hinten machen, um nicht von ihr getroffen zu werden und setzte gleichzeitig ein etwas atemloses Lächeln auf. Immer schön freundlich auf unsere Gäste und Mitbewohner wirken., klang es noch in meinem Kopf nach. Das hatte Paps mir heute Morgen noch eingetrichtert. Eben jener kam auch als Erster durch die Tür hinein, doch hinter ihm konnte ich schon einen schwarzen Haarschopf erkennen. „Oh, Rei, da bist du ja. Ich dachte schon, du hättest das Klingeln nicht gehört, weil du nicht aufgemacht hast.“, begrüßte er mich und lächelte schräg – wie ich es hervorgesehen hatte. „Alles okay?“ Ich nickte und ging ein Stück zurück, um sie hindurchzulassen. „Ich war nur gerade oben, tut mir Leid.“ „Ach, kein Problem. Ich erwarte ja nicht von dir, dass du wie Speedy Gonzales die Treppen runterstürzt und dir dabei womöglich noch etwas brichst!“ Mein Vater quetschte sich an mir vorbei und stellte einen Koffer, den er getragen hatte, ächzend ab. „Mann, Mann, Mann, Jungs, was habt ihr bloß eingepackt? Das fühlt sich an als wäre da ein Packen Kieselsteine drin. Sind eure Taschen auch so schwer?“ Er drehte sich zu den Angesprochenen um, ich tat es ihm gleich – und musste mir prompt ein Pfeifen verkneifen. Wow. Zwei Sahneschnitten auf Tour. Und dann sahen sie auch noch absolut gleich aus, paradiesisch – nur dass der Eine ziemlich finster dreinschaute, aber das lag wahrscheinlich daran, dass er gerade seinen Vater verloren hatte. Ich lächelte ihm also etwas aufmunternd zu und sah dann zu dem anderen. Er wirkte auch ein wenig gequält, aber eher als nerve ihn etwas. Hielt er es etwa für so schlimm, ab jetzt neue Mitbewohner zu haben? Wenn ja, wäre das jedenfalls ziemlich unhöflich von ihm, schließlich waren wir ja so nett gewesen, sie bei uns aufzunehmen… „Ich weiß, eigentlich kennt ihr euch ja schon, aber…Joshua, Zack. Das ist mein Sohn Rei, der Kleine, mit dem ihr früher immer gespielt habt. Rei, das sind Joshua und Zack – frag mich aber bitte nicht, wer von den Beiden wer ist, ich kann sie nicht auseinanderhalten~!“ Mein Pa lachte verlegen und streckte sich, während ich ihm einen wütenden Blick zuwarf. Das hatte ja fast so geklungen als wäre ich immer noch ein kleines Kind, das man bespaßen musste! Das machte sicher keinen sonderlich guten Eindruck auf unsere Lecker-Schmecker-Zwillinge. Diese ließen derweil kein Anzeichen darauf, dass ihnen etwas aufgefallen war, erkennen, nur der, der etwas entspannter aussah, verzog sein Gesicht jetzt zu einem gequälten Lächeln. Irgendwie reizte es mich. Ich konnte nicht erklären, warum, aber dieses gezwungene Lächeln reizte mich. Wahrscheinlich, weil es die Vorstellung, dass er das Leben hier nicht mögen würde, wieder weckte. Fest entschlossen, ihnen gegenüber undurchschaubar zu wirken, lächelte ich noch ein bisschen strahlender und streckte dem Zwilling, der mir am nächsten war, meine Hand entgegen; es war der finster Guckende. „Hi. Lang nicht mehr gesehen, hm?“ Sein Blick wurde noch düsterer und ich war froh, dass in seiner Nähe kein Messer war, mit dem er mich hätte abstechen können. Im nächsten Augenblick wünschte ich mir jedoch, selbst eins zur Hand zu haben, denn er drückte mir seine Jacke, die nach Leder roch, an die Brust und meinte: „Häng die auf. Aber pass auf, das Ding war ziemlich teuer. Wenn da auch nur ein Kratzer nachher drin ist…!“ Er musste diesen Satz nicht zu Ende führen, sein Blick sprach Bände! Und meiner anscheinend ebenfalls, denn Paps warf mir einen warnenden Blick zu. Also beließ ich es dabei, dem in der Küche Verschwindenden nur noch einen bösen Blick zuzuwerfen, hing seine anscheinend heißgeliebte Jacke auf und setzte wieder ein Lächeln auf. Nur die Ruhe… Der andere Zwilling – ich wusste einfach nicht, wen ich wie nennen sollte; vielleicht Finsterling und Zwangsjacke? – sah mich entschuldigend an. Aha, ihm gefiel das Verhalten seines Bruders also auch nicht. Na, das war doch schon mal ein Anfang. Vielleicht war er ja doch umgänglicher als es schien. „Hallo, Rei. Alles klar bei dir?“, fragte er und schüttelte mir die Hand. Sie war schön warm, perfekt zum Reinkuscheln… Meine Anspannung löste sich etwas und still änderte ich den Spitznamen, den ich mein Gegenüber gegeben hatte von Zwangsjacke in eventueller Anwärter auf eine neue Beziehung oder kurz heißer Posten. „Jupp, alles bestens und bei dir?“ „Ja, auch. Der Kerl da nervt nur.“, erwiderte er und verdrehte die Augen. Oh, ich hatte Recht. Nur mit Mühe konnte ich ein zufriedenes Grinsen unterdrücken. „Sorry, aber er war heute schon den ganzen Tag mies drauf. Besonders, nachdem er seinen Schatz verabschieden musste, wurde er unerträglich. Normalerweise ist er etwas…netter. Tut mir wirklich Leid.“ „Ach, kein Problem.“ Höflich wie ich war winkte ich ab. Schließlich konnte ich ihm ja schlecht ins Gesicht sagen, dass mir das Benehmen seines Bruders sehr wohl gegen den Strich ging und dass er ihm mal eine gehörige Tracht Prügel verpassen sollte, damit er endlich Manieren lernte! Ich für meinen Teil hatte aus diesen paar Minuten geschlossen, dass der Kerl in der Küche Joshua und der vor mir Zack sein musste. Also war alles beim Alten geblieben. Und ich hatte mir schon Hoffnungen gemacht, dass Joshua es endlich aufgegeben hatte, mich zu ärgern. Aber ich sollte froh sein, dass ich nur einen mit einer solchen Laune ertragen musste, bei zweien…ich wäre definitiv zu einem unberechenbaren Nervenbündel verkommen, das jedem an die Kehle gehen wollte, der auch nur entfernte Ähnlichkeit mit ihnen hatte. So war noch alles im Rahmen der Erträglichkeit. Mein Pa kam gerade schnaufend mit einem zweiten Koffer angewankt, stellte ihn im Flur ab und grinste in die winzige Runde. „Aah, ich sehe, ihr unterhaltet euch schon. Wo ist denn der Dritte im Bunde abgeblieben?“ Ich deutete mit dem Kinn auf die Küchentür, ansonsten blieb ich stumm. Für den Kerl lohnte es sich nicht, allzu viel Energie zu verschwenden. „Oh. Habt ihr ihn alleine gelassen? Na ja. Okay…“ Er klang nicht allzu begeistert, doch auch ihm musste doch aufgefallen sein, dass dieser schwarzhaarige Holzkopf nicht gerade der Netteste war! Paps seufzte noch einmal kurz, schnappte sich dann aber wieder den Koffer, den er für seine Verschnaufpause vor sich auf dem Boden abgestellt hatte, und machte sich dann wieder auf den Weg nach oben in me–! Um Gottes Willen, ich hatte total vergessen, dass ich ja jetzt die nächsten Jahre mit besagtem Vollidioten in einem Zimmer wohnen musste! Oh nein, wie sollte ich das bloß überleben?! Meine Augen wanderten hilfesuchend zu dem anderen Zwilling, der mich fragend ansah und dann leicht irritiert die Stirn runzelte. Er verstand ganz offensichtlich nicht, was bei mir dieses Entsetzen, das mir nun ganz deutlich im Gesicht prangte, ausgelöst hatte; aber das war ja eigentlich klar gewesen, schließlich konnte er nicht in meinen Kopf gucken. Wessen Glück das jetzt wohl eher war, ließ ich offen. Leicht überreizt ließ ich meinen Blick wieder sinken, atmete tief durch und sah dann doch wieder auf. Es half alles nichts, ich würde jetzt in die Küche gehen und dort das Essen wieder aufwärmen müssen, weil diese drei hungrigen Schnecken zu langsam gewesen waren. Toll, oder? Ohne noch ein weiteres Mal zu dem heißen Posten – ich konnte mich beim besten Willen entscheiden, wie ich die Beiden sonst unterscheiden sollte – zu sehen, tapste ich in die Küche, wo ich schon von einem finster vor sich hinkauenden Schwarzhaarigen, dessen Blick noch düsterer wurde, als er mich bemerkte, erwartet wurde. Doch auch mein Blick, den ich ihm zuwarf, hatte nichts Freundliches in sich. Das einzige, was er beinhaltete, war eventuell der Zwang, ihm nicht sofort für das, was er keine zwei Sekunden später sagte, den Hals umzudrehen. „Schön, dass man hier auch mit einem warmen Essen und Trinken begrüßt wird.“ Seine Stimme hätte kaum mehr vor Ironie triefen können. Ich spürte, wie mein Gesicht auf der Stelle hochrot anlief und verspannte mich noch mehr als ich es ohnehin schon gewesen war. Dieser…! Von intensiver Ruhe erfüllt ging ich auf den Kühlschrank zu, öffnete ihn, holte eine Flasche Saft hervor und kehrte langsam zu dem Tisch, den ich vor fast zwei Stunden gedeckt hatte, zurück. Wo ich ihm dann ohne zu Zögern besagte Flasche vor seiner Nase auf das Holz knallte. Dieser Nörgler wagte es, einfach so dazusitzen und beim Kauen ein Gesicht zu ziehen als hätte er in eine Zitrone gebissen. Vielleicht hätte ich nicht ganz so aggressiv reagiert, wenn ich nicht in Punkto Kochen meinem Vater sehr ähnlich gewesen wäre. Kritisierte jemand meine Gerichte, in die ich immer verdammt viel Mühe steckte, sah ich rot – besonders, wenn ich wusste, dass diese Kritik aus reiner Antipathie entstanden war. „Wie kannst du es bloß wagen, mein Essen zu bemängeln?! Erstens: Hättest du es ein bisschen eher hierhin geschafft und nicht viel zu lange gebraucht, um deinen ach so tollen Schatz zu verabschieden, wäre das Essen sicher noch warm gewesen. Zweitens: Ich hätte das Zeug eigentlich jetzt noch mal aufgewärmt, aber da der Herr es ja lieber kalt zu haben scheint – Bitteschön!“ Erst schrak der Finsterling zurück, doch kaum hatte ich das Wort Schatz in den Mund genommen, trat seinerseits ein gefährliches Funkeln in die Augen meines Gegenübers. „Ich kritisiere dieses ungenießbare Zeug so viel ich will, verstanden? Übrigens ist es viel zu lasch, richtig übel! Schon mal was von Gewürzen gehört?! Und was meinen Schatz angeht…das hat dich nicht zu interessieren! Oder…“ Er musterte mich abschätzig und grinste mich anschließend hinterhältig an. „Oder bist du etwa eifersüchtig, weil du niemanden mehr hast~?“ „Woher –?!“ Ein lautes Scharren. Ich fuhr zur Tür herum, in der mein Vater stand und betreten zu Boden sah. War ja klar gewesen. In seiner zu jeder Zeit vorherrschenden Übervorsicht hatte er versucht, mich vor unbedachten Kommentaren, die mir hätten wehtun können, zu schützen. Das war ja echt lieb von ihm, doch er sollte in Zukunft vielleicht eher darüber nachdenken, wem gegenüber er was sagte! Jemand kicherte leise hinter meinem Rücken; wieder fuhr ich herum. „Tja ja, so schnell kann’s gehen. Aber ich wundere mich nicht darüber, dass er dich verlassen hat. Du siehst ja schon so schwul aus. Widerlich!“ „Jetzt ist aber genug!“, wurde Finsterlings verächtliches Schnauben im Ansatz erstickt. Der andere Zwilling war in die Küche getreten und sah wütend an mir vorbei zu seinem Bruder, während ich mit brennenden Augen versuchte, meinem Impuls der Mordlust nicht nachzugeben. Was mir durch ein übertrieben lässiges „Ist doch wahr! Ich hoffe bloß, ich komme nicht mit dem in eine Klasse. Wäre ja echt peinlich…“ erheblich erschwert wurde. So dauerte es eine gewisse Zeit lang, bis ich eine einigermaßen annehmbare Antwort formen konnte. „Wenigstens geile ich mich nicht daran auf, andere Leute niederzumachen!“, erwiderte ich noch mit erstickter Stimme und rauschte an meinem verwirrt wirkenden Vater, der anscheinend erst jetzt bemerkt hatte, warum der gute Zwilling und ich uns alleine unterhalten hatten, vorbei aus dem Raum, konnte mich gerade noch so in mein Zimmer retten, bevor erneut ein Damm in mir brach. Gott, war das grauenvoll! Ständig dieses ewige Geheule und nichts, was ich dagegen hätte tun können! Es war ja wirklich nicht so, dass ich Szenen wie die gerade eben nicht schon öfters erlebt hatte – das Gegenteil war sogar der Fall – doch jedes Mal verletzte mich auf eine unbeschreibliche Art und Weise neu, sodass ich keine Chance hatte, den Schmerz auf welche Weise auch immer anzunehmen und dadurch ertragen zu können. Zwar wollte ich das auf der einen Seite auch nicht, da ich mich dann selbst für ein gefühlsloses Etwas halten würde, aber etwas weniger Schmerz wäre dann doch wünschenswert. Aber wahrscheinlich war ich einfach zu nah am Wasser gebaut für diese Welt, als dass diese Minderung je geschehen könnte. So jedenfalls blieb mir nichts anderes übrig, als diese Schmähungen zu ertragen – aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund fiel es mir meistens unglaublich schwer angemessen zu kontern – und danach eine Runde Selbstmitleid zu schieben. Plötzlich klopfte es vorsichtig an meiner Tür, jemand kam hinter mir ins Zimmer hinein. Ich verkrampfte mich und krallte meine Finger fester in mein Kissen, das gerade leiden musste, versteckte mein Gesicht stur darin. Ein leises Seufzen, dann setzte sich jemand neben mich aufs Bett und ich spürte, wie der eben Eingetretene über meine Haare strich. Es hatte etwas Tröstliches an sich, auch wenn ich genau spüren konnte, dass es nicht die Hand meines Vaters war. Moment mal…nicht mein Pa?! Ich schrak hoch und sah direkt in die Augen des Netteren der beiden Brüder, der seine Hand jetzt schuldbewusst zurückzog. Als wenn es mir etwas ausmachte, getröstet zu werden! Nachdem ich mir noch mal kurz über die Augen gewischt hatte – mittlerweile hatte ich aufgehört zu weinen, vor Schreck hatte ich es komplett vergessen! – musterte ich mein Gegenüber neugierig, der sich nervös an den schwarzen Haaren rumspielte und zwischendurch tief Luft holte, als wolle er etwas sagen und es dann doch nicht tat. Anscheinend fehlen auch ihm die Worte, was seinen Bruder angeht…, dachte ich trocken und starrte ihn weiter an, bis er besonders tief durchatmete und leise sagte: „Es tut mir schrecklich Leid. Ehrlich…“ Diese zusätzliche Bestätigung hätte er besser lassen sollen. Sie wirkte deprimierend auf mich. Als ich nicht reagierte, fuhr er fort: „Wirklich, ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Er ist ja normalerweise ganz nett.“ Der heiße Posten wirkte irgendwie total hilflos auf mich, wie er so seine Worte von vorhin wiederholte und nicht zu wissen schien, was genau er tun sollte. Aber süß, dass er sich dann trotzdem noch bemühte… „Ich weiß, das hört sich alles nach einer Ausrede an, mit der ich dich zu beschwichtigen versuche, damit das Leben hier in den nächsten Jahren erträglich wird und ihr euch nicht regelmäßig umbringen wollt, aber es ist die reine Wahrheit. Bitte verzeih ihm, er hat wahrscheinlich einfach nur einen schlechten Tag~“ Ich schnaubte. Schlechter Tag? Dem gab ich gleich schlechter Tag! Mein Gegenüber sollte sich vielleicht mal anschauen, gegen welche Neigung von mir die Kommentare seines Bruders speziell abgezielt hatten, dann konnten wir eventuell noch einmal über die Sache mit dem schlechten Tag reden. Und überhaupt: wenn ich diesem Kerl verzeihen sollte, musste er mich schon selbst und auf Knien – am besten noch den Boden vor mir küssend – darum anflehen! Was das anging war ich echt nachtragend. Betretenes Schweigen folgte. Währenddessen wurde ich immer unruhiger. Mir brannte immer noch diese eine Frage auf der Zunge, nur wollte ich ihn auch nicht daran hindern, noch irgendetwas zu sagen. Doch irgendwann kribbelte sie so unerträglich, dass ich meiner Neugierde nachgeben musste. „Wie soll ich euch beide eigentlich nennen?“, platzte es aus mir heraus. Der Schwarzhaarige vor mir sah mich erstaunt an; da hatte wohl jemand die Tatsache vergessen, dass ich nur ihre Namen und nicht die ‚Zuordnung’ kannte. Nach einer kleinen Schrecksekunde wurde sein Gesicht leicht verlegen. „Weißt du, Rei…darf ich dich überhaupt so nennen?“ Ich nickte und bedeutete ihm stumm weiterzusprechen. „…Es ist einfach so, dass…er will nicht, dass ich dir sage, wer von uns wer ist.“ „Was?!“ Was war das denn jetzt schon wieder für ein unsinniger Mist?! Ging’s diesem Kerl eigentlich noch gut?! Erst beschimpfte der mich und jetzt durfte ich noch nicht einmal wissen, wie er hieß, damit ich ihn ordentlich zurückbeschimpfen konnte?! „Er will, dass du es von alleine herausfindest.“, erklärte der heiße Posten weiter. Ziemlich kleinlaut aber. Anscheinend spürte er, dass mir das, was ich da von ihm zu hören bekam, überhaupt nicht gefiel. „Und wie zum Henker soll ich das bitteschön anstellen?“, fauchte ich auf dem Weg zur Hundertachtzigermarke. Sofort verzog er das Gesicht und zuckte mit den Schultern. „So ganz weiß ich auch nicht, wie er sich das vorgestellt hat, ich darf dir ja schließlich auch keine Tipps oder so was geben, aber…vielleicht wäre es am besten, wenn du ihn ‚Kashiwazaki’ nennst und mich ‚Zaki’. Als Abkürzung halt…“ Meine Gedanken rasten. Ob das wirklich nur eine Abkürzung sein sollte? Oder doch eher ein Tipp? Schließlich waren sich ‚Zaki’ und ‚Zack’ sehr sehr ähnlich… Nachdenklich musterte ich mein Gegenüber, der mich gespannt ansah, bis mir auf einmal auffiel, dass ich ihm noch gar nicht gesagt hatte, was ich von seiner Idee hielt. Peinlich berührt lächelte ich ihn an. Jetzt war mir die Rolle des Vergesslichen zugefallen. „Okay, ist gebongt, Zaki~“ Er grinste erleichtert und ich war um mein Problem erleichtert. Schließlich musste ich jetzt nicht mehr zwischen dem heißen Posten und dem Finsterling unterscheiden, was auf Dauer ja auch ziemlich bescheuert war. Blieb also nur noch die Frage, wie ich die Beiden unterscheiden sollte, wenn sie nicht gerade beide vor mir standen, aber das würde ich wohl an ihrem grundverschiedenen Verhalten erkennen können. Gedanklich ging ich noch mal die Szene in der Küche durch. Erst seine Beleidigungen gegenüber meinem Essen, dann die Sache mit meinem Pa, noch mehr Beleidigungen, Zakis Eingriff, meine Mordlust, die Sache mit der Peinlichkeit, wenn er in meine Klasse käme, mein Wutanfall, die– Halt! Hatte ich da gerade tatsächlich etwas mit meiner Klasse gehabt?! Ich spulte meine Gedanken zurück und ‚sah’ mir die Stelle noch einmal genauer an. „Ist doch wahr! Ich hoffe bloß, ich komme nicht mit dem in eine Klasse. Wäre ja echt peinlich…“ NEIN! BITTE NICHT!, schrie es in mir auf. Voller Panik durchbohrte ich den Zwilling vor mir mit meinem Blick, hätte ihn am liebsten am Kragen gepackt, durchgeschüttelt und angefleht, dass er mir sagen solle, dass meine Gedanken gerade in die völlig falsche Richtung abgedriftet waren. Zaki musterte mich skeptisch; kein Wunder: ich musste gerade wie ein wildes Tier wirken. „Alles okay?“ NEIN! NICHTS IST OKAY! „Beantworte mir nur eine Frage – dann vielleicht.“ „Okay…“ „Was meinte dein Bruder damit, dass er hofft, nicht in meine Klasse zu kommen?!“ „Oh~“, machte er. „Das ist auch noch so eine Episode. Er ist vor zwei Jahren ein Mal sitzen geblieben und ist jetzt deshalb in deiner Stufe.“ Wieder ein Aufschrei, doch diesmal blieb ich stumm. Nur mein Gesicht sagte so ziemlich alles von „Aah!“ über „Mord!“ und „Nein!“ bis „Zaki, hilf mir!“ Nicht wissend, was er tun konnte oder sollte, tätschelte Zaki meine ins Laken gekrallte Hand. „Keine Sorge, wir wissen noch gar nicht, in welche Klasse wir kommen; nur die Stufe ist klar. Vielleicht hast du ja Glück und er kommt doch in eine andere Klasse.“ Warum immer auf die Kleinen?, dachte ich daraufhin bloß und nickte mutlos. Bei meinem Pech würde Kashiwazaki zu hundert Prozent in meine Klasse kommen und dann auch noch direkt neben mir sitzen. Ich wusste doch, welche Chancen ich bei dem Leben hatte! Nachdem ich mich noch einmal kurz versichert hatte, dass ich im Moment nicht in der Gefahr schwebte, erneut loszuheulen, sah ich den Schwarzhaarigen vor mir von unten her leidend an – das zog bei den meisten –, da ich getröstet werden wollte. Dabei fiel mir etwas auf, das ich bisher noch nie bemerkt hatte, obwohl ich so klein war, dass ich mich eigentlich in der perfekten Position dafür befand. Neugierig beugte ich mich vor und fing schließlich an zu grinsen. „Hat dein Bruder das auch?“ Während ich sprach, stupste ich vorsichtig seine Haut an der Stelle, die ich meinte, an. „Was?“ „Na…diesen Leberfleck unter deinem Kinn.“ Erstaunt fasste er sich dorthin, mein Grinsen wurde breiter. „Den hatte ich ja fast vergessen…“, meinte er und schmunzelte. Oh Gott, stand dem das gut! Zaki sollte wirklich mal öfters lächeln, jeder würde auf ihn fliegen! Obwohl…das hieße ja, dass ich ihn teilen müsste…Nein, in diesem Fall sollte er es nur in meiner Gegenwart tun… Nicht, dass ich etwas Bestimmtes vorgehabt hätte, aber…sicher war sicher! „Nein, mein Bruder hat den nicht. Wir haben früher, als wir noch klein waren, immer geguckt, woran man uns unterscheiden kann. Dieser Leberfleck ist eines dieser Merkmale.“ Erleichtert atmete ich auf. „Dann weiß ich ja jetzt endlich, wie ich euch auseinanderhalten kann~!“ „Ich denke, dass kannst du auch so schon an unserem Verhalten.“, erwiderte mein Gegenüber trocken und grinste mich schräg an. „Ja, aber…ich meine…wenn er mal versuchen sollte, mich zu verarschen und dann dein Verhalten kopiert, habe ich immer no-!“ „Nein.“, unterbrach er mich schroff und musterte mich ein wenig unterkühlt. „Mein Bruder ist nicht so. Er sagt einem viel lieber direkt ins Gesicht, was ihm nicht passt. Und dass er dabei nicht gerade sanft vorgeht, dürfte dir ja mittlerweile bekannt sein. Sieh’s positiv, jetzt kennst du schon mal einen seiner wichtigsten Charakterzüge.“ Mir entfuhr ein verächtliches Schnauben. „Und was soll mir das bringen? Etwa Neunhundertneunundneunzigtausendneunhundertneunundneunzig Gummipunkte und eine pinke, aufblasbare Waschmaschine? Nein, danke, ich verzichte!“, fauchte ich ihn bissiger als geplant an. Zaki schüttelte aber nur leicht grinsend den Kopf. Fand er es lustig, dass ich mich so über seinen Bruder aufregte? Warum bloß konnte ich an dieser Sache nichts Lustiges finden?! „Das zwar nicht, so sehr mir dieser Anblick gefallen würde, aber du bist vorbereitet, wenn er wieder zuschlägt, und kannst besser kontern.“ „Super!“, murmelte ich sarkastisch und erntete einen sanften Klaps auf den Hinterkopf für diese Frechheit. „Wenn du so denkst, dann warte doch einfach nur ab, bis es besser wird. Vielleicht hast du Glück und es ist schon in ein paar Tagen so weit.“ „Und wenn ich Pech habe?“ „Dann…“ Zakis Gesicht wurde düsterer, als er sich selbst unterbrach. „Darüber sprechen wir besser erst, falls es wirklich dazu kommen sollte. Wozu denn den Teufel an die Wand malen?“ Na klasse, das brachte es mir auch! Grummelnd drehte ich mich von ihm weg, woraufhin er sich erhob und mir mit einem leisen „Bis nachher dann!“ die Haare durchwuschelte. Ich konnte spüren, dass er noch kurz hinter mir stand und anscheinend eine Antwort, die ich ihm nicht gewährte, erwartete, doch auch dieser Augenblick verging und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Augenblicklich drehte ich mich wieder auf den Rücken und starrte meine Zimmerdecke, auf die mein Digitalwecker per Laser die Zeit projizierte, an. Erst fünf nach zehn… Ich verzog das Gesicht. Wegen dieser ganzen Aufregung kommt es mir so vor als hätten wir schon fünf nach zwölf! Wieder drehte ich mich auf die Seite, diesmal in die Richtung der Tür. ‚Zaki’ durfte ich ihn jetzt also nennen. Hmm… Mich quälte die Frage, ob es wirklich nur der Unterscheidung dienen sollte, oder ob nicht vielleicht doch noch etwas anderes dahintersteckte. Vorhin hatte ich ja gar nicht richtig darüber nachdenken können, aber wenn ich jetzt schon mal die Zeit hatte… Leider konnte ich diese nicht wirklich nutzen, denn schon bald schweiften meine Gedanken zu belangslosen Träumereien ab und ich schlief, ohne es wirklich zu bemerken, ein. vOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIsz Entgegengesetzt Zakis Vermutung wurden die nächsten Tage nicht besser. Schlimmer war die treffendere Bezeichnung. Kashiwazaki piesackte und quälte mich auch weiterhin, wie es ihm gerade in den Kram passte und auch ich würgte ihm eine rein, wann immer es ging, doch meistens zog ich den Kürzeren und verkroch mich anschließend wie ein geprügelter Hund in meinem Zimmer, das Lachen dieses Finsterlings immer noch in den Ohren – oder ich musste von dem anderen Zwilling gerettet werden, der diese Entwicklung voller Beunruhigung gemeinsam mit meinem Vater beobachtete. Paps hatte sogar angeboten, etwas gegen diesen ganzen Mist zu tun, doch ich hatte abgelehnt, was die Sorgenfalten in seinem Gesicht sichtbar vertieft hatte. Aber mit diesem Kerl würde ich schon alleine fertig werden. Diesen Triumph wollte ich mit um nichts in der Welt nehmen lassen! Das hatte ich mir fest vorgenommen und meinen Willen anschließend auf die höchste Sturheitsstufe gestellt, um den Stress mit Kashiwazaki zu überstehen. Doch ebenso wie die schlimmen Momente, in denen ein Hackebeil mein größter Wunsch war, gingen auch die Ferien zu Ende. Und das war wirklich ein Grund zum Fluchen. Jetzt kam ich nicht mehr darum herum, all die Bescheuerten an meiner Schule wieder sehen zu müssen. Nur machte das diesen Morgen des ersten Schultages, den die beiden Zwillinge an meiner Schule antreten sollten, auch nicht gerade besser. Die Fäuste, zu denen meine Hände geballt waren, wurden fester, ich konnte schon meine Knöchel knacken hören, während ich wütend auf den Schlafenden hinabsah. Selig lächelnd lag er dort auf dem Doppelklappbett, als hätte er noch lange nicht etwas zu tun, geschweige denn aufzustehen. Eigentlich hätte er das aber spätestens vor zehn Minuten tun müssen und im Prinzip war es mir auch egal, ob er es tat, oder nicht, aber ich sollte unsere Mitbewohner laut Anweisung meines Vaters, der schon auf der Arbeit war, ins Sekretariat bringen, damit sie in ihre Klassen gebracht werden konnten, und wenn dieser Mistkerl dort unten nicht bald seinen hochwohlgeborenen Arsch bewegte, würden wir alle zu spät kommen! Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte, mal zu spät zu kommen. Aber heute wurden die Sitzplätze wieder neu verteilt und ich wollte mir unbedingt meinen Platz am hintersten Fenster sichern. Weiter vorne bekam ich einfach keine Ruhe! „Kashiwazaki…“, knurrte ich heute wohl zum hundertsten Mal, diesmal jedoch mit einer ziemlich bedrohlichen Stimme, und verpasste dem Schwarzhaarigen auf der Matratze einen leichten Tritt in die Seite. „Wenn du nicht sofort aufstehst, werde i–“ Weiter kam ich nicht, denn in diesem Augenblick drehte der Finsterling sich mit einem Ruck zu mir um, packte mein Bein und zog daran. Erschrocken japste ich auf, ruderte mit den Armen und taumelte einige Male hin und her, bevor die Schwerkraft diesen Kampf für sich entschied und ich nach vorne und direkt auf Kashiwazaki – wie hätte es bei meinem Glück auch anders sein können? – kippte. Ich gab beim Aufprall ein erschrockenes Keuchen von mir und wollte schon von ihm runterrutschen, doch bevor ich auch nur irgendetwas hatte tun können, schubste er mich von sich. Verwirrt blinzelnd landete ich auf der Matratze neben ihm; ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf meinen Gesicht aus, als ich die Gefahr für gebannt erkannte. Aber keine zwei Sekundenbruchteile später war er über mir, beugte sich mit einem dämonischen Grinsen tiefer und tiefer zu mir herunter. Mein Mund wurde ganz trocken, als ich in seine hämisch glitzernden Augen sah, und mein Herz machte einen ängstlichen Hüpfer, bevor es begann, voller Panik gegen meinen Brustkorb zu trommeln. Unfähig mich zu bewegen starrte ich weiter zu ihm hinauf und fühlte mich dabei mehr und mehr wie eine Maus, die von einer äußerst hungrigen Schlange beobachtet wurde. Hilfe…! „Na~? Wie gefällt dir das?“, säuselte es da zärtlich an meinem Ohr. Gott, er war viel zu nah an meinem Hals! Ich konnte schon seinen warmen Atem spüren, als ich erschrocken feststellte, dass seine Lippen nur kurz über meinem Nacken schwebten und ich eigentlich nur noch die Decke mit den roten Zahlen meines Digitalweckers anstarrte. Er strich ein bisschen weiter nach unten, bevor er fortfuhr. „Wie ich dich kenne, wird das unglaublich gut sein, was?“ Seine Hand wanderte über meinen Oberkörper, bis sie schließlich an der Stelle, an der mir gerade mein lebenswichtigstes Organ zu entfliehen drohte, Halt machte. „Ja…dein Herz rast…und das, obwohl du mich doch hasst. Wie erbärmlich…du bist wirklich eine verdorbene, kleine Schwuchtel!“ Ein protestierendes Krächzen wich mir von den Lippen. „Sei still, sonst werde ich unangenehm.“, kam es augenblicklich von dem Kerl über mir. Ich setzte zu einer mehr als nur gepfefferten Antwort an – mittlerweile hatte ich mich wieder so halbwegs gefangen – als Kashiwazaki mir grob den Mund zuhielt und mich noch etwas stärker auf die Matratze drückte. Ein gleichzeitig zufriedenes und angewidertes Grinsen machte sich in seinen Zügen breit. Jetzt konnte ich mich wirklich nicht mehr rühren. So eine Scheiße aber auch!, dachte ich mit weit aufgerissenen Augen und versuchte, ihn mit meinem Blick zu durchbohren. Doch nicht einmal das half etwas. „Hey…so hilflos gefällst du mir sogar richtig gut, Kleiner.“ Sein Schnurren ließ mich laut aufjapsen. Was zum–? Was denkt der sich eigentlich?! „Wenn man dein Gesicht betrachtet und sich die Haare ein bisschen länger vorstellt, könntest du glatt als Weib durchgehen.“, raunte er ganz nah an meinem Ohr, meine Nackenhaare stellten sich vor Abscheu auf. „Schade nur, dass du’s nicht bist, sonst hätte ich mich glatt mit dir anfreunden können. Du denkst jetzt bestimmt, Anfreunden können wir uns auch so, aber es gibt da eine kleine Kleinigkeit, die mich stört…“ Seine Hand glitt zu meiner Hose hinab, streichelte dort sanft auf und ab. Schlagartig wurde mir heiß und kalt zugleich, was der Kerl, der über mir hockte, jedoch sofort wieder mit seinen Worten zunichte machte – was wahrscheinlich mein Glück war. „Na…wirst du schon spitz? Ich weiß ja, wie ihr es treibt. Einer kann hemmungslos das tun, was er will und der Andere muss im wahrsten Sinne des Wortes einstecken…!“ Das leise „Widerlich!“, das er noch hintendran hängte, überhörte ich geflissentlich und versuchte stattdessen, irgendwie seine Hand, die sich so unangenehm bemerkbar machte, abzuschütteln und wand mich mit aller Kraft, die ich aufbieten konnte; aber er drückte mich, als wäre es das Einfachste dieser Welt, nur noch fester nach unten, was mir einen leisen Laut der Pein entlockte, denn sein Griff war dabei alles andere als sanft! „Ach, komm schon, sei nicht so wehleidig!“, lachte er daraufhin bloß. „Du genießt es doch, so niedergeworfen zu werden und wartest bestimmt schon darauf, einmal so richtig von mir durchgenommen zu werden!“ „Nein~!“ Meine Stimme war durch den Versuch, nicht zu wimmern, ziemlich gepresst, wodurch sie – oh Wunder, oh Wunder – den gleichen Effekt auf ihn hatte wie ohne mein Bemühen. Nämlich gar keinen. Dafür legte er seine Lippen auf meinen Hals und machte sich unverzüglich daran, ihn zu liebkosen. Sein Knabbern und Saugen war unglaublich sanft…und die Berührungen seiner Hände erst! Es machte mich schier wahnsinnig, stand es doch völlig im Gegensatz zu seinen bisherigen und auch noch folgen sollenden Worten. „Willst du mehr~?“, hauchte er und leckte über meine Nervenstränge, ignorierte dabei konsequent mein wildes Kopfschütteln und sprach stattdessen weiter. „Ihr Schwuchteln seid doch alle gleich. Ihr nehmt immer den Erstbesten, der euch geboten wird – also gib dich gefälligst auch mit mir zufrieden!“ Irgendwann schaffte meine Stimme es tatsächlich, sich zu einem „Ich will nicht~!“ aufzuraffen – was der Finsterling prompt mit Fingernägeln in meinen Handgelenken belohnte. Ich schrie leise auf. „Tu nicht so, oder willst du etwa, dass ich dich dazu zwinge mit–“ Ein wütender Ausruf verhinderte, dass ich erfuhr, wozu er mich mit wem zwingen wollte, doch das war mir jetzt egal. Viel lieber sah ich zur Tür, in der meine Rettung in Form eines Gottes, der vor Zorn geradezu rauchte, erschienen war. Natürlich war es kein richtiger Gott, das wäre ja auch zu schön gewesen. Aber ein wütender Zaki reichte mir auch vollkommen aus! Vielleicht sollte ich diese übernatürlichen Strahlen aus meiner Einbildung streichen, damit diese Aussage wirklich wahrheitsgetreu blieb, doch im Moment hatte ich ganz andere Dinge im Kopf. Schließlich sah dieser Kerl gerade noch besser aus als in meinen – nein, böser Gedanke! Aus! – als je zuvor. Einfach nur wow. Kaum dass Kashiwazaki ihm ebenfalls den Kopf zugewandt hatte, stand er auch schon bei uns und zerrte seinen Zwillingsbruder von mir runter, während er zur gleichen Zeit losbrüllte. „Sag mal, was zum Henker ist denn jetzt in dich gefahren? Ist dir eigentlich klar, was du da fast getan hättest? Du hättest ihn beinahe vergewaltigt und das ist strafbar, du Vollhonk! Warum hast du das gemacht?! Sind deine ohnehin schon wenigen Gehirnzellen jetzt etwa auch noch durchgebrannt?! Lass den Kleinen endlich in Ruhe! Was hat er dir eigentlich getan, dass du ihn so scheiße behandelst?!“ „Er ist schwul, das reicht.“ Der Finsterling stand mit verschränkten Armen seinem zornesrauchenden Zwillingsbruder gegenüber und sah diesen gelassen an. Nur seine Beine, die sich in kampfbereiter Stellung befanden, gaben einen Hinweis darauf, dass er nicht ganz so ruhig war wie er tat. „Wie bitte?! Hast du überhaupt eine Ahnung, was du da sagst?!“ „Natürlich. Du kennst mich ja!“, meinte Kashiwazaki kühl und fing an, mit seinem Fuß auf den Boden zu tappen. Wartete er auf irgendetwas? „Ja.“ Zaki knirschte mit den Zähnen. „Leider. Komm, Rei.“, fügte er nach einer kleinen Pause hinzu, zog mich behutsam von dem Klappbett und aus dem Zimmer hinaus. Er wollte ganz offensichtlich so schnell wie möglich von seinem Bruder wegkommen und ich konnte dieses Verlangen nur zu gut nachvollziehen. Ein dumpfes Krachen ertönte plötzlich hinter uns und ich zuckte erschrocken zusammen, wollte mich schon nach der Ursache umdrehen, doch Zaki gab mir keine Chance dazu und schob mich ins Badezimmer, schloss die Tür hinter sich ab. „Alles okay bei dir?“, fragte er und strich sich ein paar der schwarzen Strähnen aus seinem Gesicht. Ich nickte bloß stumm und starrte ihn aus großen Augen an. Ich wollte mich bei ihm bedanken, bloß…wie? Ein einfaches „Danke“ würde nicht reichen, zu schlimm war das, was mir hätte widerfahren können, wenn er nicht gekommen wäre. „Oh Gott, geh mir bloß mit diesem Hundeblick weg! Der weckt ja noch Beschützerinstinkte in mir!“, meinte mein großer Retter, lachte und zog mich auf einmal an sich. Verwirrt blinzelnd lag ich an seiner Brust und lauschte verzückt seinen folgenden Worten. „Hey…es ist schon in Ordnung, ich habe dir gerne geholfen, du musst nichts sagen.“ Seine Hand strich mir sanft über die Haare und ich drückte mich etwas enger an ihn, schmiegte mich glücklich lächelnd an sein Shirt. Eine angenehme Ruhe hatte von mir Besitz ergriffen. Wie ich in seinen Armen lag…hach...! Ich wäre gerne noch eine ganze Weile so geblieben, aber es dauerte nicht lange, da hob Zaki auch schon seinen Arm und sog scharf die Luft ein. „Rei, hast du Hunger?“, fragte er mich leicht gehetzt und sah mit einer Art Bettelblick zu mir nach unten. Ich schüttelte den Kopf. Kashiwazaki hatte mir gerade den Appetit aufs Gründlichste verdorben und ich aß morgens eh nie viel. „Gut. Sonst würden wir jetzt zu spät kommen.“ Er drückte mir meine Zahnbürste in die Hand und fuhr fort: „Mach dich schon mal fertig, ich warte im Flur auf dich, ja? Bis gleich.“ Nach einem kurzen Haarwuscheln, schob er sich an mir vorbei und verließ das Bad. Ich lächelte ihm ein wenig verpeilt hinterher. Vielleicht täuschte ich mich, aber es kam mir so vor als wäre das der Grundstein zu einer neuen L…Beziehung. Weiter mochte ich erst gar nicht denken. Fünfundzwanzig Fehlschläge waren mehr als nur Grund genug, bei der Wahl des Richtigen Vorsicht walten zu lassen. Meine Gedanken völlig an Zaki hängend wandte ich mich dem Spiegel zu und begann damit, mit fertigzumachen. vOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIsz Nur eine Stunde später saß ich mies gelaunt an meinem Platz in der Schule und starrte aus dem Fenster. Von meiner eh schon kümmerlichen von Zaki ausgelösten Hochstimmung war nichts mehr übriggeblieben. Ich wollte einfach nur noch weg. Vor ein paar Minuten war er nämlich hereingekommen, hatte sich mit einem einfachen „Kashiwazaki mein Name. Tag auch.“ vorgestellt und war daraufhin von meinem Klassenlehrer – verflucht möge er sein! – direkt neben mich gesetzt. Aber was hatte ich auch anderes erwartet? Das war nun mal mein Glück. Verdammt! Erst vergewaltigte mich dieser Mistkerl halb und jetzt sollte ich ganz ruhig neben ihm sitzen und so tun als wäre nie etwas gewesen? So langsam glaubte ich echt, dass mein Pech nicht größer werden konnte. Aber was tat man nicht alles für die Blutsbrüderschaft seines Vaters? „So. Jetzt löst auf Seite zweiundachtzig die Aufgaben zehn und elf. Am Ende der Stunde werde ich rumgehen und eure Lösungszettel einsammeln. Ich werde benoten, was ihr geschafft habt, also trödelt nicht!“ Also wirklich, ich sollte eine Gehaltserhöhung, beziehungsweise mehr Taschengeld verlangen! Schlecht gelaunt griff ich nach meinem Mathebuch, während ich diesem wahnwitzigen Lehrer da vorne an der Tafel einen Blick zuwarf, der ihn das Fürchten gelehrt hätte, wären seine Augen in diesem Augenblick in meine Ecke gewandert. Aber mal wieder wollte mir mein Glück nicht hold sein. Ich suchte nach der richtigen Seite und lehnte mich dabei über das Buch, wobei ich versuchte, den stechenden Blick, der sich plötzlich auf mich richtete, zu ignorieren. Ah, da war ja die Seite. Und die Aufgabe…da! Ich wollte gerade anfangen zu rechnen, als sich plötzlich ein leise gehauchtes „Rei~“ in mein Ohr schlich. Erschrocken erstarrte ich mitten in der Bewegung. Oh nein, bitte lass ihn nicht das Buch brauchen…! Kashiwazaki beugte sich ganz nah zu mir hinunter. Ich unterdrückte den Impuls schreiend aufzuspringen und drückte mich stattdessen enger an das Buch. „Was willst du?“, fragte ich kühl – und zu meinem Bedauern auch noch viel zu belegt. „Ooh~, warum bist du denn jetzt so kalt zu mir?“, kam es gedehnt von meinem verhassten Sitznachbarn. „Vorhin hast du dich doch noch ganz heiß unter mir gewunden. Sag bloß, du bist enttäuscht, weil wir so schnell unterbrochen wurden?“ „Halt die Fresse!“, knurrte ich, konnte jedoch die Hitze, die mir ins Gesicht stieg, nicht verhindern. Eine warme Hand legte sich auf meinen Oberschenkel, strich dort auf und ab. Ich zog scharf die Luft ein und schob ihn mit einem leisen Fauchen weg, aber er blieb stur und kehrte wieder zu mir zurück. „Komm, lass uns heute Nacht ein Zimmer nehmen. Ich bin gespannt, was du alles–“ Ein lauter Knall unterbrach ihn. Unser Mathelehrer stand wutschnaubend mit einem Buch in den Händen vor unserem Tisch und funkelte uns an. Geschockte Stille durchflutete den Raum. „Wie ich sehe, seid ihr noch nicht mit euren Aughaben fertig. Kashiwazaki–kun, lass deine Finger während des Unterrichts bei dir. Und du, Kousaka–kun…sei so standhaft und lass dich wenigstens hier in der Schule nicht begrabschen!“ „Ja, Sensei…“, erwiderte ich leise und senkte den Kopf. Meine Augen brannten, genauso mein Gesicht. Es war zwar allgemein bekannt, dass ich auf Männer stand, aber abfinden konnten die Anderen sich anscheinend nicht damit. Das hatte mir die Verachtung in der Stimme meines Lehrers mal wieder allzu deutlich in Erinnerung gerufen. Ziemlich angeschlagen versteckte ich mich hinter meinen Sachen und betete dafür, dass dieser Tag möglichst schnell ein Ende nahm. vOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIszvOnAbIsz B wie Blutsbrüderschaft – Ende Weiter geht’s in: C wie Cosplay Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)