Gefallene Engel von Riana-chan (Wenn Schutzengel sterben) ================================================================================ Kapitel 5: Die Zeit vergeht --------------------------- Die Zeit vergeht Es war Frühling. Das erste grün zierte die Bäume. Die Vögel kamen wieder zurück und gaben ihren Gesang zum Besten. Ich saß auf einer Bank im Park und genoss die Sonnenstrahlen. Etwas abseits von mir spielte der Sohn meines Cousins mit Rumael. Ihr Lachen wehte zu uns rüber. "Was macht Marcel?", fragte mich mein Cousin. "Es geht im soweit ganz gut." "Und dir?" Ich sah zu den beiden hinüber. Rumael ließ sich gerade von dem kleinen Fabian überrumpeln: "Mir auch." "Sicher?" Ich lächelte ihn an: "Ja, ganz sicher. Ich bin weg von dem Teufelzeug, ich kann wieder atmen und ich hab Rebecca abgeschossen." "Du warst in einer Klinik?" "Nein, kalter Entzug zu Hause bzw. bei einem Freund. Rumael hat mir geholfen." Nun sah auch Jannes zu den beiden hinüber: "Er scheint etwas Besonderes zu sein, dieser Rumael." "So was wie ihn findet man nicht an jeder Kreuzung", bestätigte ich. "Woher kommt er, ich meine, ich habe ihn hier noch nie gesehen." "Weiß ich nicht. Er ist ein Wanderer. Lebt von der Hand im Mund. Ist mal hier, mal dort. Als er herkam, hatte er als Pizzabote gejobbt, nun ist er Zivi im Krankenhaus." "Was sagtest du, wie alt ist er?" "19." Ich sagte doch schon von Anfang an, dass er nicht normal für einen 19-jährigen ist. Er hatte Weltansichten, die in diesem Alter, nicht einmal ansatzweise zu finden wären. Sein ganzes Auftreten war so anders. Vielleicht lag es genau daran, dass ich ihn so anziehend fand. Inzwischen hatte ich aufgegeben, meine Gedanken an meinen persönlichen Engel zu unterdrücken. Es hatte keinen Sinn. Ich hatte längst bemerkt, dass ich ihn sehr anziehend fand, nahezu erotisch. Seine Bewegungen, anmutig, grazil. Seine Lippen, sinnlich und wahrscheinlich weich. Seine Augen, wie tiefe Seen. Sein Aussehen war vollkommen. Kein Makel, keine Narbe, kein gar nichts. Sein Lachen, wunderschön. Seine Haare. Mit kurzen Haaren wäre der Zauber vermutlich verflogen. Sie gehörten zu ihm, wie alles andere. "Bist du ein Egel", hörte ich die Stimme meines Neffen plötzlich ganz in meiner Nähe. Rumael lachte: "Ein Engel? Wie kommst du den darauf?" "Du siehst aus wie einer", bemerkte der kleine. "Na dann. Danke." Fabian kam auf seinen Vater zugelaufen. "Papi, Papi! Romi ist ein Engel", flüstere er aufgeregt. Sein Vater schmunzelte. Ebenso Rumael, der sich neben mir auf der Bank niederließ. "Genug getobt?", fragte ich ihn. "Du glaubst gar nicht, was für eine Ausdauer der kleine hat", gab er ein wenig prustend von sich. "Hat mich schon gewundert, wie lange du das durchgehalten hast." Wieder grinste Rumael und zeigte dabei seine weißen Zähne: "Das ist mein Geheimnis." "Ich möchte dich ein paar meiner Freunde vorstellen", sagte ich im gehen. An der Tür blieb ich noch kurz stehen. "Deinen Freunden?" "Ja." "Ok", Rumael zuckte mit den Schultern, "Wann?" "Heute Abend, bei mir." "Gut, ich werde kommen." "Freut mich", und es war absolut ernst gemeint. Es klingelte. Einer meiner Freunde öffnete die Tür: „Ah, da ist ja dein FREUND.“ „Pass auf, dass er dich nicht gleich vollschleimt, die kleine Schwuchtel!“, rief ein anderer. „Wenn er zuschlägt, stirbt selbst die Fliege vor Lachen.“ Rumael verzog das Gesicht. „Oh, hat dein Papilein dir nicht gesagt, dass du eigentlich ein Mann sein solltest?“ „Geht nicht, das Papilein weiß gar nicht, dass es ihn gibt. Seine Mutter habe ich letztens am Busbahnhof gesehen.“ Fragend sah Rumael zu mir rüber, doch ich sah ihn nur kalt an: „Verpiss dich, kleine Schwuchtel.“ „Ist das alles, was du zu sagen hast? Kaum bist du wieder unter deinen „Freunden“ ist dir alles andere egal. Fang doch gleich wieder an, dir Drogen in die Birne zu schmeißen“, die Enttäuschung war deutlich aus seiner Stimmer zu hören. Gelangweilt zuckte ich mit den Schulter. Rumael machte auf dem Absatz kehrt und verließ meine Wohnung. „Rumael! Warte!“, Marcel rannte hinter ihm her. „Na los. Mach mich auch noch fertig.“ „Wieso sollte ich das tun? Du hast mir keinen Grund dafür gegeben. Das einzige, was ich jetzt von dir verlange sind Antworten auf meine Fragen.“ Rumael schnaubte: „Fragen, klar. Die habt ihr immer. Fragen, die niemand beantworten kann. Mal davon abgesehen, dass es auch Fragen gibt, die ich nicht beantworten will.“ „Du musst sie aber beantworten können, weil du da warst!“ „Schon mal was von einer Sinnestäuschung gehört? Ihr hattet alle Angst.“ „Das ist mir klar. Aber dafür war das zu real. Du warst zu real. Fakt ist, ich weiß, wer oder was du bist. Aber ich kann es mir nicht erklären.“ Rumael ließ seinen Kopf hängen und sank auf die Knie: „Ihr habt absolut von nichts eine Ahnung! Niemand hat Ahnung davon. Absolut niemand. Alles was ihr euch nicht erklären könnt, ist für euch nicht echt.“ Eine seiner Tränen reflektierte das Mondlicht, welches die Landschaft und ein silbriges Licht tauchte und alles unwirklich erscheinen ließ. Bizarre Schatten bildeten Fratzen. Der Wind ließ die Blätter rauschen. Es herrschte eine eigenartige Stimmung, die mit Worten nicht zu beschreiben ist. Alles sah so wunderschön aus. Marcel ließ sich zu Rumael auf den Boden sinken und zog ihn in seine Arme. Der Jüngere leistete keinen Widerstand, sondern krallte sich regelrecht in das Shirt Marcels. Seine Tränen befeuchten das Gras und schimmerten wie kleine Kristalle im Mondlicht. „Alle Welt erwartet von mir, dass ich stark bin, dass ich jegliche Last auf meiner Schulter tragen kann. Aber ich kann das nicht mehr. Ich habe keine Kraft mehr“, schluchzte der Blonde. „Scht, sag jetzt nichts.“ Beruhigend strich Marcel über den bebenden Körper, der sich an ihn schmiegte. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis Rumael sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Sanft wischte Marcel ihm die Tränen fort. Er hob das Kinn des jüngeren ein wenig an und sah ihm in die Augen, die noch tränennass waren. Vorsichtig strich er Rumael eine Strähne aus dem Gesicht. Er beugte sich zu dem kleineren hinunter und verschloss dessen Lippen mit den seinen. Seine Zunge bat um Einlass, welcher ihm auch gewährt wurde. Es war ein intensiver Kuss, der die Gefühle in Marcel explodieren ließ. Aus Luftmangel mussten sie sich wieder von einander trennen. „Romi, ich erwarte nicht von dir, dass du immer stark bist. Ich liebe dich“, hauchte er. Rumael erstarrte bei diesen Worten und schüttelte schon fast panisch den Kopf: „Nein, nein. Das darfst du nicht!“ Stolpernd rappelte er sich auf: „Nein.“ Er rannte davon. „Rumael!“ Erschöpft fiel er auf die Knie. Da waren diese Gefühle. Noch nie zuvor hatte er sie gefühlt. Wut, Hass. Sie fühlten sich so unglaublich stark an. So unglaublich gut. Aber sie waren falsch. Das wusste er, das hatte man ihm beigebracht. Sie ließen einem Dinge tun, die man nicht wollte und nicht kontrollieren konnte. Er schrie in die Nacht. Schrie sich die Wut aus seiner Seele: „Warum? Warum hast du das getan? Was habe ich falsch gemacht, dass du mich so strafen musst?“ Er sah in den Himmel, so als erwarte er eine Antwort: „Ich rede mit dir! Ich will wissen, was ich getan habe! WAS?“ Die letzten Worte gingen in einem Schluchzen unter. Die Müdigkeit überkam ihn. In weiter Entfernung entfuhr jemanden ein niedergeschlagenes Seufzen: „So wird das nie etwas. Es ist mir egal, dass es mir verboten wurde. Aber ich kann meinen kleinen Bruder jetzt doch nicht alleine lassen.“ „Hey, ich bin mir sicher, dass er das verstehen wird. Ich werde dir den Rücken frei halten.“ „Ich danke dir, Gabriel. Noch in dieser Stunde werde ich aufbrechen. Je schneller ich Handel, desto länger braucht Vater, bis er es bemerkt.“ Ich war wütend. Vor allem auf Rumael. Er hatte mich belogen. Von wegen ein kleiner Zivi, als Verdienst und Haussitter, weil sein Freund nicht da ist. Nichts da. Der Universalerbe des Gerber-Imperiums war er. Der größten Computer Firma der Welt. Ältester von vier Söhnen und wird schon bald die Firma übernehmen und war deshalb hergekommen. Er hat es mir nie erzählt, und das ist es, was mich so wütend macht. Meine Haustür wurde zugeschlagen. „Sag mal, was fällt dir ein, Romi so fertig zu machen.“ „Ach, du nennst ihn schon Romi? Bist du etwa in ihn verschossen?“ Mein Bruder wurde rot. Das kannte ich gar nicht von ihm: „Bist du etwa … schwul?“ Die zarte röte der Verlegenheit wechselte in Zornesröte: „Wow, das ich das noch einmal erleben darf. Mein Bruder, der große Daniel Stein, bemerkt endlich mal, dass sein kleiner Bruder schwul ist. Das ich das noch erleben darf!“ Er schnaubte wütend. Ich war sprachlos, wusste einfach nicht, was ich daraufhin sagen sollte und sah, wie es meinen Bruder verletzte. Es tat mir ihm Herzen weh, ihn so leiden zu sehen. „Komm mal her“, ich zog ihn in meine Arme, „Es ist mir egal, dass du schwul bist. Du bleibst immer mein Bruder, egal, was auch passieren wird.“ „Aber deinen Freunden ist es nicht egal.“ „Das sind doch Idioten. Die tun nur das, was ich auch mache.“ Ich spürte, wie etwas mein T-Shirt benetzte. „Weiß er, dass du ihn liebst?“ Marcel nickte. „Und?“ „Er ist davon gelaufen.“ Erneut kam die Wut in mir hoch. Wie konnte er es wagen, meinen Bruder so zu verletzen. Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg zu Rumael. Ich musste mit ihm reden. Ob er mich überhaupt reinlassen würde? Mit klopfenden Herzen blieb ich vor der Tür stehen. Ich hatte Mist gebaut, und das weiß ich auch. Woher hat Rumael denn wissen sollen, dass ich nun wusste, wer er war? Zögernd streckte ich die Hand nach der Klingel aus und drückte sie. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich Schritte hörte. Ein Junger Mann öffnete die Tür. Er hatte langes schwarzes Haar, dunkle, braune Augen. War recht kräftig und wirkte im Allgemeinen ein wenig wild. Er musterte mich: "Du bist also Daniel." Verblüfft sah ich ihn an: "Wer bist du?" "Ich bin Rumaels größerer Bruder." "Rumaels großer Bruder?" "Momme? Wer ist da?" Der Mann trat zur Seite und gab den Blick auf Rumael frei. Seine sonst so blauen Augen waren gerötet. Seine Arme hingen schlapp an en Seiten runter. Er sah so anders aus. So verletzlich. Und es war meine Schuld. "Rumael? Bitte, ich muss mit dir reden." "Geh weg. Ich will dich nicht mehr sehen", seine Stimme klang matt. "Bitte", flehte ich schon fast. "Hau ab! Verschwinde endlich!", schrie er mich an. Ich erschrak. So kannte ich ihn nicht. "Es ist besser, wenn du gehst", meinte auch jetzt dieser Momme. Enttäuscht nickte ich. Während er die Tür schloss, zog er seinen Bruder in seine Arme. Ich hatte es versaut. Ich hatte Rumael zu tiefst verletzt. Wie konnte ich nur so bescheuert sein? Ich hatte ihm so viel zu verdanken und was tat ich? Ich vertrieb ihn. Dabei ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)