Porzellan von abgemeldet (Nicht nur Glück ist zerbrechlich...) ================================================================================ Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- A/N: Ein paar Wochen, ein paar Problemchen und eine Schreibblockade später...hier das neue Kapitel. Bela zu küssen war anders. Mit diesem Wort konnte Farin es wohl am besten beschreiben. Die Lippen des Schlagzeugers waren nicht weich und auch nicht voll und ähnelten so viel eher denen von Farin als denen einer Frau. Immer wenn sich ihre Münder mit einer schieren Erbarmungslosigkeit gegeneinander drückten, waren ihre Lippen hinterher wund und geschwollen. Es waren Gedanken wie diese, die Farin die Absurdität der Situation immer wieder vor Augen hielten. Jahrelang war er vollkommen zufrieden damit gewesen, sein Verlangen an den Damen der Schöpfung zu befriedige. Abgesehen von den Experimenten mit Bela in seiner Jugend hatte er auch nie an seiner Sexualität gezweifelt. Die Jahre damals fielen ohnehin ganz klar unter den Begriff Jugendsünde. Sie waren jung gewesen, triebgesteuert und lebten zu zweit in einer viel zu kleinen Wohnung. Wenn er hingegen nun mit Bela Vertrautheiten austauschte, die weit über den Kontakt hinausgingen, die normalerweise unter Freunden üblich waren, plagte ihn beinahe so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Es fühlte sich wie Verrat an seiner eigenen Heterosexualität an. Schließlich war Farin mittlerweile über 40, in einem Alter, in dem man Küsse unter Männern nicht mehr als bloßes Experimentieren mit dem eigenen Geschlecht ansehen konnte. Die Tatsache, dass Farin bei jedem Kuss schlagartig bewusst wurde, wie männlich sein Gegenüber war, machte es nicht besser. Er war es gewohnt, die Führung in den Berührungen dieser Art zu übernehmen - für Bela allerdings schien dasselbe zu gelten. Und so verwandelte sich jeder Kuss bald in eine kleine, vor Testosteron strotzende Rangelei unter ihnen, in denen die Berührungen immer ruppiger, intensiver wurden, eine Rangelei, in der sie stumm um die Dominanz während der wenigen Sekunden ihrer Zweisamkeit kämpften. Freiwillig gab keiner nach und so endete es meist in einem atemlosem Unentschieden. Nicht, dass sie sich oft geküsst hätten in den letzten Tagen. Sie beschränkten sich auf flüchtige, zufällige Berührungen, die viel zu viel und gleichzeitig viel zu wenig waren. Als ihre letzte gemeinsame Nacht in der kleinen Blockhütte anbrach, lag Farin wach - wie so oft in den vorherigen zwei Wochen. Seine Gedanken kreisten sich um den morgigen Flug zurück in die Heimat und vor allem um Bela, Bela und Bela. Ein leises Klopfen riss ihn aus seinem wohligen Dämmerzustand. Erschrocken schreckte er hoch, da öffnete sich auch schon die Tür und schickte einen einsamen Lichtstrahl durch den Spalt zwischen Türrahmen und Tür auf den hölzernen Boden. Vom Schlagzeuger nahm er nur die Umrisse wahr. „Tschuldigung, dass ich dich bei deinem Schönheitsschlaf störe“ hörte er seine Stimme flüstern und Farin könnte schwören, dass auf seinen Lippen ein Grinsen lag, „aber ich kann nicht pennen“ Nun musste auch Farin grinsen. Für einen Moment beobachte er die Konturen des Schlagzeugers, dann winkte er ihn nur lächelnd zu sich heran. Sofort ertönte das metallische Klicken des Lichtschalters und der schmale Lichtstrahl aus dem Nachbarzimmer verschwand.. Es dauerte nicht lange, da spürte Farin die Präsenz des Anderen an seinem Bett. „Darf ich?“, fragte er leise und ein weiteres Mal antwortete Farin nicht mit Worten, sondern durch Taten. Langsam hob er seine Bettdecke, so dass Bela mit unter diese schlüpfen konnte. „Scheiße, hast du kalte Füße“, stöhnte Farin, als die nackten Zehen des Schlagzeugers zufällig sein Schienbein streiften. Bela lachte nur, nuschelte eine leise Entschuldigung und kurz darauf spürte Farin, wie Bela seinen Oberkörper aufrichtete, nur um sich kurz darauf links und rechts von Farin mit seinen Händen auf der weichen, nachgiebigen Matratze abzustützen. Ein kurzer, ungeschickter Kuss folgte, der aufgrund der Dunkelheit ziemlich missglückte. Er hörte Bela leise gegen Farins Lippen summen und Farin konnte sich kein schöneres Geräusch vorstellen. Hatte er nicht eben noch gedacht, dass sie zu alt fürs Experimentieren waren? Er hatte unrecht. Es war genau das, was sie die ganze Zeit über taten. Nach ihrem zugegebenermaßen recht unglücklichen Start in ihre Romanze – Farin erschauderte beim Gedanken an dieses Wort – testeten sie nun ihre Grenzen aus. Wie weit konnte man gehen, wie viel konnte man dem jeweils anderen und auch sich selbst zumuten...sie waren vorsichtig und gleichzeitig ungehemmt, und aus irgendeinem Grund gefiel Farin diese Tatsache. Ein flüchtiger, kurzer Kuss folgte und Bela seufzte leise auf. „Ich kapier das immer noch nicht“, hörte Farin ihn gegen seine Lippen flüstern. Ein schwaches Lächeln erschien auf seinen Mundwinkeln, dann spitzte er seine Lippen, so dass sich ihre Münder kurz berührten. „Was kapierst du nicht?“ „Das zwischen uns. Was...ist das jetzt?“, antwortete Bela leise zögernd. Mit einer jähen Bewegung schob Farin den Schlagzeuger von sich und knipste die Nachttischlampe an. Die Helligkeit stach für einen Moment in seinen Augen und auch Bela hatte stöhnend eine Hand vor sein Gesicht gehalten. Doch schnell hatten sich seine Pupillen an das Licht gewöhnt und mit einem Lächeln auf den Lippen zog Farin die Hand von Belas Augen. „Brauchen wir eine Definition?“, fragte Farin und sah zu, wie Bela ihn perplex anblinzelte. „Du macht grad 'nen ziemlich wahnsinnigen Eindruck, weißt du das?“, entgegnete Bela nur lachend und kassierte dafür einen schwachen Schlag in die Seite. Grinsend ließ sich Farin wieder zurück in sein Kissen sinken und beobachte, wie Bela sich über ihn beugte, um die Lampe wieder auszuschalten. Als die Dunkelheit sie wieder hatte, spürte Farin eine warme Hand auf seinem Bauch. „Wie meinst du das mit Definition?“, hakte Bela nach einigen Momenten der Stille schließlich leise nach. Langsam schloss Farin seine Augen und konzentrierte sich auf die Finger, die sanft über seine Haut strichen. „Ich meine damit, dass ich es idiotisch finde, dass man immer krampfhaft versucht, irgendetwas...ja, zu definieren eben. Das ist wie Schubladendenken“, erklärte Farin leise und musste sich stark zusammennehmen, um sich nicht vom fremden, beständigen Atem, der jetzt nah an seinem Ohr war, ablenken zu lassen. „Mhm“, machte Bela leise und Farin wusste, dass er nicht verstanden hatte. „Also...“, fuhr er seufzend fort, „wozu brauchen wir einen bestimmten Begriff für unsere Beziehung? Es ist ja nicht so, dass wir entweder Freunde oder ein...ein...Paar...sein müssen“ Beim Wort „Paar“ schienen seine Stimmbänder zu streiken. Er spürte, wie sein Verstand empört gegen diese Bezeichnung rebellierte und Farin würde ihm lauthals zustimmen, wenn da nicht diese Gewissheit wäre, dass dieses Wort auf die Beziehung zwischen ihnen, Bela und Farin, durchaus zutreffen würde. „Wir sind halt...wir“, murmelte er weiter, diesmal um einiges leiser, „Jan und Dirk. Das reicht, finde ich. Wir sind...zu speziell, um uns in irgendwelche Kategorien einordnen zu lassen“ Bela, der die ganze Zeit über nur geschwiegen hatte, strich Farin blind eine Strähne von der Stirn. „Wow...“, neckte der Schlagzeuger schließlich leise, „wie philosophisch.“ „Fick dich“, lachte Farin und drückte Bela ein weiteres Mal von sich weg. „Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt, du Diva“ „Ich geb dir gleich Diva!“ Ihr Wortgefecht ging in einer vertrauten Rangelei unter, die diesmal Farin gewann. Als dieser auf den Hüften des bewegungsunfähigen Schlagzeugers Platz nahm, stieß er triumphierend seine Faust in die Höhe. „Wer ist der Beste?“, lachte Farin. „Du bist der Beste“, kam es widerwillig grinsend von Bela. Kurz beugte sich der Gitarrist zu ihm herunter, um ihn einen Kuss aufzudrücken. „Es war 'ne ziemlich bescheuerte Idee von dir, zu mir zu kommen“, seufzte Farin, „zusammen bekommen wir ja noch weniger Schlaf“ „Schlafen kannst du auch morgen im Flugzeug“, raunte Bela und tastete in der Dunkelheit nach den Farins Händen. Stille brach über sie hinein, doch empfand Farin sie ausnahmsweise nicht als unangenehm und angespannt. Viel mehr schloss er einfach nur die Augen und genoss das Geräusch des Rascheln der Bettdecken, das bei jeder noch so kleinen Bewegung ertönte. „Und jetzt?“, murmelte Farin leise und rieb seinen Daumen über den Handrücken Belas. „Mhm...wir könnten uns gegenseitig Geschichten aus unserer Jugend beichten“, entgegnete Bela leise und Farin lachte auf. „Und was wären das so für Schauergeschichten?“ Für einen kurzen Moment überlegte Bela, dann setzte er sich langsam auf und ein weiteres Mal wurde das Licht eingeschaltet. „Zum Beispiel die Geschichte, in der ich deine Schwester näher kennen gelernt hab“ Diese Worte reichten, um das Grinsen mit einem Schlag aus Farins Gesicht zu wischen. Langsam öffneten sich seine Lippen, formten sich zu einer Frage, doch glitt kein Wort über sie. „Ich weiß gar nicht, ob sie damals schon 18 war...auf jeden Fall hatten wir sehr viel Spaß miteinander“, erzählte er unbeirrt weiter und hob seine Augenbrauen viel versprechend. War es normal, dass Farins Hals mit einem Mal so trocken war? Dass in ihm das Bedürfnis hochkochte, der Person unter ihm die Faust in den Bauch zu rammen? Langsam schluckte Farin, dann holte er tief Luft – doch bevor er zum Schreien ansetzen konnte, verwandelte sich Belas herablassende Mimik in ein Grinsen. „Reingelegt“, flötete er schlicht und Farin spürte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. „Mann!“, rief Farin halb empört, halb lachend und ließ sich neben Bela auf die Matratze sinken, „ich stand kurz vor einem Herzinfarkt“ „Du darfst auch nicht immer alles glauben, was der Onkel dir erzählt, Jan“ „Der Onkel sollte jetzt gefälligst den Mund halten, jetzt wird nämlich geschlafen“ Mit diesen Worten schaltete Farin die Nachttischlampe wieder aus. „Wenn wir das Ding jetzt noch öfters an- und ausschalten, geht die Lampe bald kaputt“, murmelte Farin kurz darauf leise, während Bela sein Gesicht in der Halsbeuge des Gitarristen vergrub. „Na und? Morgen sind wir hier sowieso weg“, entgegnete Bela mit gedämpfter Stimme und bei dem heiseren Lachen des Schlagzeugers an seiner Haut lief Farin ein Schauer über den Rücken. „Immer dieser Vandalismus, Herr Felsenhei-...“ Doch bevor Farin ausreden konnte, spürte er, wie ihm eine Hand mit einem leisen „Sssssht“ über den Mund geschoben wurde. „Maul halten, schlafen“, befahl Bela und Farin versuchte ausnahmsweise einmal nicht dem Schlagzeuger zu widersprechen. Langsam zog er die Bettdecke ein Stück höher und letztendlich glitten seine Augen zu. Es würde schwer werden, dem Befehl zu folgen, jetzt wo ihn doch die Nähe zu der kleineren Gestalt neben ihm vom eigentlichen Ziel, dem Schlafen, ablenkte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)