Porzellan von abgemeldet (Nicht nur Glück ist zerbrechlich...) ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Der nächste Morgen kam viel zu schnell für Farins Verhältnisse. Der Jetlag war immer noch nicht überwunden, da schien schon die Sonne strahlend hell durch das kleine Fenster und kündigte den neuen Tag an. Farins Laune sank gegen den Nullpunkt. Langsam hievte er sich aus dem Bett und musste schließlich kurz innehalten, weil das Bild vor seinen Augen schwarz wurde, als er sich in eine aufrechte Position gebracht hatte. „Scheiß Kreislauf“, stöhnte er leise, rieb sich flüchtig über die Augen und nahm sich dann ein paar Kleidungsstücke aus seinem Koffer. Nachdem er unter der Dusche fast wieder im Stehen eingeschlafen wäre, schlurfte der Gitarrist in die Küche. Sofort schlug ihm der typische Geruch von Kaffee entgegen. Am Tisch saß Bela und wirkte wie scheintot. Vollkommen regungslos wartete er darauf, dass die Kaffeemaschine ihren Dienst erfüllte, und schien dabei immer wieder dagegen anzukämpfen, dass seine Augenlider zufielen. Wortlos ging Farin an ihm vorbei, um einen Blick in den Kühlschrank zu werfen. Nach kurzem Überlegen entschied er sich einfach nur dafür, nach einer Flasche Orangensaft zu greifen, nahm sich ein Glas aus dem Schrank und setzte sich dann Bela gegenüber. „Auch keinen Hunger?“, fragte Bela, während Farin sich etwas von der orangenen Flüssigkeit einschenkte. „Nee…scheiß Jetlag“, seufzte er nur leise. Dann hüllte sich wieder die vertraute Stille um sie und sie verbrachten die mieden es, Blicke zu tauschen. Aus den Augenwinkeln sah Farin mit an, wie Bela langsam aufstand und die Kaffeemaschine ausstellte. Kurz darauf saß er wieder an seinem Platz und stellte seine Kaffeetasse vor sich ab. „Willst du auch?“ Farin blickte auf und hob seine Augenbrauen. „Ich trink keinen Kaffee. Immer noch nicht“, antwortete er und wunderte sich selbst über den bissigen Klang seiner Worte. Man sollte doch wirklich meinen, dass Bela ihn nun lang genug kannte, um diese kleine Tatsache über den Gitarristen zu wissen. „Ah, stimmt ja…du Wahnsinniger“, murmelte Bela nur und nippte dann stumm an seiner Tasse. Seufzend tat es Farin ihm mit seinem Orangensaft nach und ließ sich dann etwas weiter in das Polster seines Stuhls sinken. Unfixiert streifte sein Blick durch die Küche. Rustikal, stellte er nüchtern fest. Genauso wie der Rest des Hauses. Langsam stand Farin auf, ging zu der Theke und griff nach ein paar Prospekten, die dekorativ auf der Küchenfläche angeordnet wurden. „Was machen wir heute?“, fragte Farin gedankenverloren und ließ sich dann wieder auf seinen Stuhl sinken. „Weiterschlafen“ „Klingt verlockend, aber Antrag abgelehnt“, grinste Farin und blickte von den Prospekten zu Bela hoch. Dieser ließ nur ein gespieltes Wimmern verlauten und widmete sich dann wieder seinem Kaffee. Seufzend faltete er eines der kleinen Infoblätter auseinander, breitete sie auf dem Tisch vor ihm auf und beugte sich dann stirnrunzelnd über sie. „Skifahren, Snowboarden,...“, begann er monoton aufzuzählen. „Oh bitte, kein Sport heute“ „…Skilanglauf, Schneeschuhwanderungen…“ „Kein Sport!“, stöhnte Bela und ließ seinen Kopf dann auf die Tischplatte sinken. Farin beachtete ihn nicht. „…Winterhiking…was ist denn bitte schön Winterhiking?“ Ohne seinen Kopf von der Tischplatte zu heben zuckte der Schlagzeuger mit seinen Schultern. Kopfschüttelnd nahm Farin sich einen anderen Prospekt, in dem es augenscheinlich um das Naturschutzgebiet in ihrer Nähe handelte, und begann darin zu blättern. Das Programm darin sah weniger sportlich und deutlich mehr nach Kultur aus. Mit schleppender Stimme las Farin Bela die zur Auswahl stehenden Freizeitaktivitäten vor. Man einigte sich schließlich darauf, im Laufe des Tages in ihren Mietwagen zu steigen, um einfach ins Blaue zu fahren. Als Farin wieder sein Zimmer betrat, hievte er seinen Koffer auf sein Bett und räumte gedankenverloren seine Kleidung in den leeren Schrank. Das Frühstück war ein Anfang – sie konnten sich ohne große Mühen miteinander unterhalten, wenn auch nur über so alltägliche Dinge wie die Tagesplanung. Trotz allem lagen noch viel zu viele unausgesprochene Dinge zwischen ihnen, als dass Farin von einem Erfolg sprechen konnte… Kaum war der Gedanke durch seinen Kopf geschossen, schnaubte Farin kurz abfällig über die Absurdität dieser Situation. Er hätte nie gedacht, dass er sich einmal den Kopf darüber zerbrechen würde, wie er mit Bela umgehen sollte. Kopfschüttelnd stellte er den mittlerweile leeren Koffer wieder unter sein Bett. Ein schrilles Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken. Für einen kurzen Moment blickte er sich einfach nur desorientiert in dem Raum um – bis er schließlich die Quelle dieses störenden Geräusches ausmachen konnte. Sein Handy. Mit schnellen Schritten ging Farin durch den Raum zu seiner Jacke, die auf einem Haken neben dem Fensterrahmen hing. Es dauerte nicht lange bis er seine Jackentasche durchwühlt hatte und den kleinen, vibrierenden Störenfried schließlich in seiner Hand hielt. Auf dem leuchtenden Display wurde der Name seines Tour-Bookers angezeigt. Nachdem er das Handy mit einem Tastendruck seines Daumens zum verstummen gebracht hatte, legte er es an sein Ohr. „Mhm?“, begrüßte er die Person am anderen Ende der Leitung wenig euphorisch. „Hier ist Kiki, hi. Ich bin gerade dabei die Daten deiner nächsten Tour durchzugehen und…-“ Mit jedem Wort verlor sich Farins Aufmerksamkeit immer und immer mehr. Gedankenverloren trat er ans Fenster und betrachtete die dicke, unberührte Schneeschicht. Der Anblick hatte etwas seltsames Beruhigendes… „Hallo, Jan? Hörst du mir überhaupt zu?“ Seufzend wandte Farin dem Fenster den Rücken zu, lehnte sich an den Fenstersims und legte eine Hand über seine Augen. „Müssen wir das jetzt besprechen? Ich bin grad im Urlaub“, antwortete er ihm schließlich und vernahm ein leises Seufzen am anderen Ende der Leitung. „Sonst hast du dein Handy doch immer aus im Urlaub“ Kikis Stimme klang verwundert. Wenn Farin es sich Recht überlegte, konnte man diese seltsame Situation auch weniger als Urlaub als eine Mission zur Erhaltung seiner Freundschaft bezeichnen. „Auf jeden Fall…“, plapperte es schon wieder aus dem Hörer, „…brauch ich eh nur kurz deine Zustimmung“ „Wozu?“ „Festival.“ „Und was soll das für ein Festival sein?“, fragte Farin nur desinteressiert, „…und außerdem…wir wollten mit den Ärzten nächstes Jahr doch keine Konzerte mehr spielen“ „Es geht ja auch um dich und das Racing Team, wenn du mir eben zugehört hättest, dann…-“ Doch ein zweites Mal schwand Farins Aufmerksamkeit, denn in diesem Augenblick hatte er seine Hand von seinen Augen gezogen. Im Türrahmen lehnte Bela, die Arme verschränkt und die Stirn in Falten gelegt. Verwirrt blinzelnd starrte Farin ihn für einen Moment nur an, dann umklammerte er sein Handy ein wenig fester. „Du, ich kann jetzt wirklich nicht“, unterbrach er Kiki schnell und schluckte, „ruf mich in zwei Wochen noch mal an, okay?“ Noch bevor irgendwelche Einwände ertönen konnten, hatte Farin das Handy auch schon wieder ausgeschaltet und es zurück in seine Jackentasche gesteckt. Belas Miene jedoch blieb unverändert eisig. „So viel zum Thema: Zwei Wochen lang ohne die Band, ohne Geschäfte, einfach nur wir zwei“, murmelte Bela und Farin konnte ihm die Mühe anhören, die es machte, seine Wut zu unterdrücken. Mit einer Mischung aus Enttäuschung und Ärger auf den Gesichtszügen drehte sich der Schlagzeuger um und verließ das Zimmer seines Freundes. „Warte, ich kann dir das erklären“, rief Farin ihm nach und bemerkte erst, als die Worte schon ausgesprochen waren, wie lächerlich sie doch klangen. Es dauerte eine Weile, bis Farin es schließlich gelang, seine vor Schreck gelähmten Glieder wieder in Bewegung zu setzen, um Bela zu folgen. Dort stand der Schlagzeuger, vor dem Sofa des Wohnzimmers, die Hände in die Hüften gestemmt und der Blick stur zu Boden gerichtet. Mit einem Mal fühlte sich Farins Mund merkwürdig trocken an. „Hör zu, ich…-“ „Weißt du, Jan, ich hab gedacht, dass dir irgendwas daran liegt, unsere Freundschaft wieder auf Vordermann zu bringen“, unterbrach Bela ihn nur in einem nüchternen Ton und Farin spüre, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. „Mir liegt doch auch was daran, ich hab doch nur…-“ Doch auch dieses Mal blieb Farin keine Zeit, auszusprechen. Schnaubend hob Bela seinen Blick und griff dann nach seiner Jacke, die er bei ihrer Ankunft achtlos auf das Sofa geschmissen hatte. „Du hast doch nur unsere Abmachung gebrochen, unter der wir erst in den Urlaub gefahren sind“, vervollständigte Bela Farins Satz und mit jedem Wort klang seine Stimme gereizter, „sollte so was wie Vertrauen nicht eigentlich die Basis für eine Freundschaft sein?“ Stumm presste Farin seine Lippen aufeinander und wandte den Blick dann ab. Das Schuldbewusstsein, das ihn durchströmt hatte, als er während des Telefonats Bela im Türrahmen stehen sehen hatte, ließ ihn immer noch nicht los und Farin verfluchte es dafür. „Meinst du nicht, dass du gerade ein bisschen überreagierst?“, seufzte Farin nach einem kurzen Moment der Stille und hob wieder den Blick. Erst nachdem die Worte ausgesprochen waren, wurde ihm klar, dass sie wohl so ziemlich das Falscheste waren, das er in diesem Moment sagen hätte können. „Ja, ich reagiere über, du Wichser!“, schrie Bela und sah seinen Gegenüber mit einem Blick an, der ihm unmissverständlich zeigte, wie ernst die Situation eigentlich war. Farin zuckte bei dem Klang seiner Worte zusammen. Für einen kurzen Augenblick hüllte sich wieder die gespenstische Stile um sie, dann schüttelte Bela nur stöhnend den Kopf und schlüpfte in seine Jacke. „Wo willst du hin?“, fragte Farin nach kurzem Zögern und wunderte sich nur kurz über den zerbrechlichen Klang der Worte. Mit einer flüchtigen Bewegung glitten seine Hände in seine Hosentaschen und verkrallten sich dort in dem rauen Stoff der Jeans. „Weg“, antwortete Bela nur, nun um einiges leiser als noch zuvor. Und bevor Farin weiter reagieren konnte, zerriss das Knallen der Tür für einen Augenblick die Stille und ließ den Gitarristen so als einzigen Anwesenden in dem Raum zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)