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Pain of an angel

von

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Medusa

Es war außergewöhnlich heiß, selbst für gallifreynische Verhältnisse. Die Zwillingssonnen standen hoch am orangefarbenen Himmel und brannten erbarmungslos auf die Welt hinab, deren Luft zu brennen schien. Das grelle Licht blendete ihn und er musste die Augen zusammenkneifen, um etwas erkennen zu können. Vor ihm erstreckte sich eine weite, rote Wüste, an deren Ende, unübersehbar, das Kapitol in die Höhe ragte, geschützt von einer Kuppel aus Glas, die in der Sonne funkelte. Die Heimat der Time Lords, der wohl ältesten und mächtigsten Rasse des ganzen Universums.
 

Der Junge, der allein auf dem Felsen stand und genau wusste, dass er hier nicht sein sollte, grinste ein wenig, als er die Umrisse der Stadt betrachtete. Jedes mal, wenn er den ach so heiligen Hallen der Time Lord Academy entfliehen konnte, mit all ihren Regeln und Verpflichtungen und Aufgaben und Erwartungen, fühlte er sich frei, besonders dann, wenn er den freien, orangefarbenen Himmel über sich betrachten konnte. Er wusste, dass er großen Ärger kriegen würde, wenn man ihn hier fand. Es war ihm verboten worden und es war generell auch nicht gerne gesehen, wenn man die Stadt verließ. Doch der Junge war noch nie jemand gewesen, der sich gerne an Regeln hielt und wahrscheinlich war das genau der Grund, warum er so wenig Freunde hatte. Er war nicht wirklich ein Außenseiter, doch er war auch nicht das, was man beliebt nennen konnte. Eigentlich versuchte man ihn immer so gut es ging zu ignorieren und es kümmerte ihn nicht besonders.
 

Er war schon immer allein gewesen, sowohl in seiner Familie, als auch in der Academy. Mit seiner Familie hatte er kaum Kontakt. Sie mochten ihn nicht besonders. Für sie zeichnete sich jetzt schon heraus, dass er das berühmte schwarze Schaf in der Familie war. Er war stur, eingebildet, rebellisch und unverschämt. Er legte weder viel Wert auf die alten, ehrenwerten Traditionen seines Hauses, noch schien er es für angemessen zu halten, zumindest in der Schule den Stolz der Familie hochzuhalten. Er hätte eigentlich der Beste in seinem Jahrgang sein müssen –und bei Rassilion, der Junge war nicht dumm!-, doch stattdessen zählte er zu den schlechtesten Schülern an der Academy. Welch eine Schande. Sie konnten einfach nicht verstehen, dass der Junge, den alle unter seinem Spitznamen Theta Sigma kannten, keinen Wert auf Noten legte. Noten waren nicht dass, was jemanden ausmachte, Noten waren nur eine Bewertung in den Augen anderer, die der Meinung waren, die Leistungen anderer bewerten zu können. Aber in Wirklichkeit sagten sie nichts aus. Gar nichts.
 

Theta mochte die Schule nicht besonders. Es war nicht das Lernen, das ihn störte, sondern die Regeln, die man ihn auferlegen wollte. Sie schienen ihn zu erdrücken. Tu dies nicht, tu das nicht, das muss so sein, das so, das war verboten, das war erlaubt, das musste genau zu der Zeit erledigt werden, das genau zu einer anderen Zeit und wehe man tat das Eine anstatt das Andere oder das Andere anstatt das Eine. Wo blieb da die Individualität? Die Freiheit? Er durfte nicht einmal seine eigenen Entscheidungen treffen, zumindest kam ihn das immer häufiger so vor. Doch es ging nicht anders. Wenn man sich eines Tages Time Lord nennen wollte, so musste man Regeln und Grenzen kennen und akzeptieren. Es gab jedoch eine Gruppe von angehenden Time Lords, die sich Deca nannte, und die im geheimen gegen die Regeln, die ihnen auferlegt wurden, rebellierten. Er gehörte zu dieser Gruppe und es war das erste Mal, dass er so etwas wie Freunde gefunden hatte. Mit zwei von ihnen verstand er sich besonders gut. Da wäre zum einen Drax, ein lustiger Bursche, der nie etwas wirklich ernst zu nehmen schien und der, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Technikfreak war. Und zum anderen wäre da noch Koschei, mit dem er wohl die seltsamste Art von Freundschaft pflegte, die man sich vorstellen konnte. Entweder waren die beiden die ganze Zeit am streiten, am wetteifern oder sie verstanden sich so blendend, dass allein das schon irgendwie wieder beängstigend war. Theta konnte nicht wissen, dass die Hälfte seiner Freunde, mit denen er so gerne seine Zeit verbrachte, einmal seine größten Feinde werden sollen, allen voran der junge Koschei, der sich bereits jetzt in seiner vierten Inkarnation befand.
 

Theta war neunzig und weder ein Kind, noch ein Erwachsener, aber er war allein. Bis auf seine Freunde in der Deca-Gruppe und einem einsamen Eremiten hatte er niemanden. Er kam weder mit den meisten seiner Mitschülern gut aus, noch mit seiner eigenen Familie. Sie hielten ihn für seltsam, hoffnungslos und gefährlich, nur weil seine Vorstellungen und Träume nicht den ihren glichen, noch denen der meisten anderen Time Lords. Wie gesagt, er war ein Rebell und er Träumte beinahe jede Nacht davon, der Pilot seiner eigenen Zeitkapsel zu werden, mit der er Raum und Zeit erkunden konnte. Genau das war es, was er machen wollte, genau das war der einzige Grund, warum er sich durch die langweilige Schule quälte. Er wusste, dass als Belohnung das Universum auf ihn wartete. Nur leider würde es dann sogar noch schlimmere Regeln geben. Zum Beispiel durfte man nur zugucken, aber sich auf gar keinen Fall einmischen. Theta konnte den Sinn hinter dieser Regel verstehen, aber was sollte das? Geschichte musste man erleben und nicht beobachten! Abgesehen davon gab es ohnehin nur sehr wenige Time Lords, die freiwillig diesen Planeten hier verließen. Diejenigen, die es taten, wurden meist sehr kritisch beäugt und als seltsam abgestempelt. Genau wie der junge Theta.
 

Ein plötzliches Geräusch erfüllte die Luft, ein Geräusch, dass dem Jungen die Haare zu Berge stehen ließ. Es war nicht so, dass er dieses Geräusch noch nie zuvor in seinem Leben gehört hatte, doch dass war noch nie hier draußen gewesen und wenn es hier draußen so ein Geräusch gab, dann war das nicht gut. Überhaupt nicht gut. Diese Art von überhaupt nicht gut, die ihn irgendwie ständig in Schwierigkeiten brachte.
 

Hastig sah er sich um, doch auf diesem verdammten Felsen gab es nichts, wo er sich hätte verstecken können. Es wäre sowieso zu spät gewesen. Mit einer Mischung aus Entsetzten und Aufregung beobachtete er, wie aus dem nichts eine weiße, runde Kugel materialisierte. Einen winzigen Augenblick herrschte entsetzliche Stille, Sekunden, in denen Thetas Verstand raste. Er brauchte eine Ausrede, sogar eine verdammt gute, denn irgendwie hatte er das ungute Gefühl zu wissen, wer da gerade aufgetaucht war. Er konnte es in seinem Kopf spüren, eine verärgerte Präsens, die aus der Masse hervorstieß und die er nur zu gut kannte. Theta war noch kein Time Lord, nur ein Junge von Gallifrey, dennoch konnte er die anderen Time Lords spüren. Irgendwo im hinteren Teil seines Kopfes waren sie präsent, wie eine sich ständig windende, beruhigende Masse, aus der, sobald er sich einem bekannten Geiste näherte, Erkennen wuchs. Und der Junge musste nicht warten, bis sich die Türen der Zeitkapsel geöffnet hatten, um zu wissen, wer da drinnen auf ihn wartete. Er schluckte schwer, nicht gerade begierig darauf einzutreten. Unter anderen Umständen, bei einer anderen Person, wäre er nicht zu halten gewesen, doch bei diesem war es anders.
 

„Komm rein“, erklang eine eisige Stimme. „Sofort.“
 

Theta zögerte einen Moment und warf noch einmal einen letzten Blick über die Schulter, bevor er die Schultern rafte und mit beinahe provozierender Gelassenheit die Zeitkapsel betrat. Der Raum war groß, schien kein Ende zu nehmen, doch er hatte keinen Blick für das grelle Weiß, dass ihm für einen kurzen Moment in den Augen schmerzte. Er hatte nur Augen für den Mann, der an einer Konsole stand und an ein paar Knöpfen drehte, ohne auf ihn zu achten. Ein leises Summen erfüllte die Luft, begleitet von einem kaum wahrnehmbaren Pochen. Theta spürte, wie Wärme seine Brust erfüllte. Diese Zeitkapsel mochte ihn und es hätte ihn nicht überrascht, wenn sie ihn sogar lieber gemocht hätte als den Time Lord, der sie steuerte. Er jedenfalls mochte ihn nicht so besonders, was wohl, schmerzhafter weise, auf Gegenseitigkeit beruhte.
 

„Ich muss sagen“, begann Theta langsam, „ich bin überrascht, dass du mich hier rein lässt.“
 

„Ich habe keine andere Wahl“, kam die kühle Antwort. „Wenn es die einzige Möglichkeit ist, mit dir ein Gespräch zu führen, werde ich dieses Opfer wohl bringen müssen.“ Der Time Lord drehte sich nicht zu ihm um, sondern betätigte einige Knöpfe und das Summen schwoll an. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde es dunkler, nur damit das weiße Licht noch greller Strahlen konnte.
 

Theta nutzte die Zeit um sich umzusehen. Es war schrecklich steril hier. Bis auf die Konsole gab es nichts, im wahrsten Sinne des Wortes. Es war offensichtlich, dass diese Zeitkapsel nur selten benutzt wurde. Eine unverständliche Frechheit, wie Theta fand. Wozu ein Schiff, das durch Raum und Zeit fliegen konnte, wenn der Pilot es schon hasste, es überhaupt anzusehen? Wie konnte man sich nur die Gelegenheit entgehen lassen, das Universum zu erkunden? Nicht theoretisch, nicht mit Büchern und Aufzeichnungen, sondern mit eigenen Augen? Aber so waren sie, die selbst ernannten Wächter der Zeit. Nur gucken, nichts anfassen und wenn möglich erst gar nicht Gallifrey zu verlassen, es sei denn, es war unbedingt notwendig. Einen typischen Vertreter eben genau dieser Denkartig betätigte einen weiteren Schalter und die Kapsel hielt an. Der Time Lord richtete sich auf und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, ohne sich umzudrehen. Unangenehmes Schweigen erfüllte die Luft.
 

„Wo sind wir?“, fragte Theta schließlich nach schier endlos langer Zeit. Beim Klang seiner eigenen Stimme, die hart von den sterilen Wänden widerhallte, sträubten sich ihm die Nackenhaare. Ja, das war definitiv einer jeder Situationen, die ganz und gar nicht gut waren.
 

„Öffne die Türen“, kam die merkwürdig gepresste Antwort.
 

Mit gerunzelter Stirn sah Theta den ihm abgewandten Rücken an. Öffne die Tür? Das war nicht gerade das, was er erwartet hatte. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass der Time Lord seine übliche Du-bist-eine-Schande-für-die-Familie-Rede hielt. Aber öffne die Tür? Das waren ja ganz neue Töne, Töne, die Theta misstrauisch machten. Der Mann wollte ihn doch nicht etwa alleine auf einem fremden Planeten absetzen oder ihn in eine verbrennende Sonne schmeißen?
 

„Öffne die Tür“, forderte ihn der Time Lord ein weiteres Mal auf, diesmal verärgert. „Was ist, Theta? Du bist doch sonst so neugierig.“
 

Thetas Augen begannen zu funkeln, dann drehte er sich um und marschierte grade Wegs auf die Tür zu. Er stieß sie auf und plötzlich hatte er das Gefühl, als hätte die Zeit vergessen sich zu drehen. Ihm stockte der Atem, seine Augen weiteten sich. Das, was sich ihm offenbarte, war atemberaubend. Kosmische Wolken türmten sich vor ihm auf, strahlten in türkisen, orangenen, rosaroten Farben, schienen ineinander zu wirbeln, doch gleichzeitig sah es so aus, als wären sie in ihren Bewegungen erstarrt. Ein aufgeregtes Kribbeln erfüllte den Jungen, ließ ihn vor Ehrfurcht jegliche Vorsicht vergessen. Es war wunderschön und beängstigend zugleich, es lebte und war doch tot, es war friedlich und gefährlich zugleich … Es war wundervoll. Diese kosmischen Wolken, diese wunderbaren kosmischen Wolken … Die Farben, diese strahlenden Farben und dazwischen, nur sichtbar für jene, die wahrhaftig sehen konnten, ein Riss, so mächtig und gebieterisch …
 

„Weißt du, was das ist?“, erklang eine unfreundliche Stimme, doch sie schien aus weiter, weiter Ferne zu kommen. Theta antwortete nicht. Selbst wenn er es gewollt hätte, hätte er es nicht gekonnt. Er war unfähig, seinen Blick von dieser ehrfurchtsvollen Schönheit abzuwenden, von diesem eindrucksvollem Gebilde in den Sternen. Er hatte vergessen zu atmen. Atmen war nicht wichtig, gar nichts war wichtig. Es war nur wichtig dieses Wunder in sich aufzusaugen. Er hatte Gallifrey noch nie verlassen, nur in seiner Vorstellungskraft … Aber die Realität übertraf jede Vorstellungskraft … Es war …
 

Und plötzlich geschah es, ohne Vorwarnung, im Bruchteil einer Sekunde.
 

Schiffe, runde Sternenschiffe … Hunderte, Tausende, Millionen … Getrieben von Hass, von Wut …

Planeten, geraubt aus Raum und Zeit … so voller Angst … so voller Verzweiflung … Gefangen an einem Ort, zu dem sie nicht gehörten …

Überall Feuer … Gewallt, Hass, Verzweiflung, Angst … Hoffnung …

Ein Name liegt in der Luft … Nein, nicht einer … Zwei Namen … Einer voller Macht, einer voller Schuld … Der eine selbst gewählt, der andere auferlegt …

Was war das für ein Name? … Er schien wichtig zu sein, so wichtig, so bedeutend … Wichtig für ihn, wichtig für das Leben, wichtig für das Universum selbst … Was war das für ein Name? … Feuer, Eis und Wut … Ein Sturm im Herzen der Sonne … Brennend im Herzen der Zeit … Ein Name, der so wichtig ist, dass er geschützt werden muss … geschützt von ihr selbst … Wer war das? Wer war dieser Mann, der so besonders war? …
 

Theta rührte sich nicht … konnte es nicht. Die Schönheit brannte in ihm, brannte in seinen Herzen, brannte in seinem Geist und er sah, er sah diese tausende, millionen Schiffe, sah diese Schönheit und zugleich den Sturm … Etwas regte sich in ihm, nur kurz, kaum wahrnehmbar … Etwas verschwand und begann zu brennen …

Und plötzlich war es vorbei, im Bruchteil einer Sekunde. Die Bilder verschwanden und mit ihnen die Fesseln, die ihn hatten erstarren lassen. Er blinzelte. Was war das eben gewesen? Er versuchte sich zu erinnern, doch das einzige, was sich in ihm regte, war ein leichtes, angenehmes Brennen in seiner Brust. Verwirrt drehte er sich um.
 

Der Time Lord hatte sich ihm zugewandt und beobachtete ihn aufmerksam, ohne jeden Ausdruck im Gesicht. „Weißt du, wo wir sind?“
 

Theta antwortete nicht, nicht gleich. Seine Gedanken waren wie gelähmt. Aber warum? Was hatte er gesehen? „Medusa Kaskade …“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
 

Der Time Lord hob eine Augenbraue. „Oh, wunderbar! Scheinbar lernst du ja doch etwas in der Schule. Und weißt du auch, was die Medusa Kaskade ist?“
 

Theta nickte, zu sehr in Gedanken vertieft, um wirklich mitzubekommen, was der Time Lord von ihm wollte. „Ein Spalt in Raum und Zeit.“
 

Die zweite Augenbraue wanderte in die Höhe. „Kannst du dir vorstellen, warum ich dich hier her gebracht habe?“ Er wartete auf eine Antwort, doch als keine kam, fuhr er fort. „Weil ich wollte, dass du das hier siehst. Vielleicht regt dich ja das endlich dazu an, mehr Leistung in der Schule zu bringen.“
 

Und da war es. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ihm das dieses Mal hätte erspart bleiben können. Aber nein, natürlich nicht. Es musste ja dazu kommen.

„Du bist Mitglied eines der ältesten und angesehensten Häuser auf Gallifrey, einem Haus, dem selbst der große Rassilion zugeneigt war. Du bist dazu verpflichtet, den Namen dieses Hauses aufrecht zu erhalten und mit Ehre zu füllen!“
 

„Ja, ja, ich weiß“, seufzte Theta resigniert. Er konnte es nicht mehr hören.
 

„Scheinbar nicht. Andernfalls währst du der beste in deinem Jahrgang, aber so, wie es aussieht, wirst du die Academy nicht schaffen. Aber bei den Umgang, den du pflegst, ist es auch kein Wunder.“
 

„Ich weiß nicht, wovon du redest.“
 

„Das weißt du ganz genau“, fauchte der Time Lord, der sichtbar darum kämpfte, seine Fassung zu bewahren. „Deine Leistungen sind grottig, deine Manieren unangemessen, du bist aufsässig, stur und respektlos. Du tust nur das, wovon du glaubst, dass es das Richtige ist, selbst wenn du dafür die Regeln und Gesetzte mehr als nur ausdehnen musst! Du treibst dich mit diesem Koschei rum, der bereits jetzt mehrmals wegen seinem wilden Lebensstil regenerieren musste- immerhin sind seine Leistungen weit besser als die deinen- und, was das Schlimmste von allen ist: Du verlässt ohne Erlaubnis die Zitadelle, um dich in der Wüste herumzutreiben! Mit wem triffst du dich? Den Ausgestoßenen?“ Die Augen des Time Lords sprühten vor offenem Entsetzen und Verachtung. Allein der Gedanke war schon schlimm genug. Ein Junge aus seinem ehrenwerten Hause, ein rebellischer Herumtreiber, der sich mit den Verstoßenen zusammentat! Das war unverzeihlich. Time Lords sollten keinen Kontakt zu jenen pflegen, die ihrem eigenen Volk den Rücken gekehrt hatten.
 

„Er ist kein Ausgestoßener“, antwortete Theta trotzig, darum bemüht, möglichst ruhig zu klingen. „Er ist ein Time Lord, der sich dazu entschlossen hat, sich in den Bergen zurück zu ziehen.“ Und er war mehr als nur sein Freund. Im Laufe der Zeit war der Eremit zu seinem Lehrer geworden, zu seinem Guru. Er lehrte ihm Dinge, die in der Schule nicht gelehrt wurde, Dinge, die er in seinem Alter noch gar nicht wissen durfte. Theta mochte den Eremiten. Er hatte schon so viele Welten besucht, so viele Dinge gesehen, so viel erlebt. Der Junge genoss jedes Wort, das den Mund seines Freundes verließ und sog seine Weisheit begierig in sich auf. Er war ein viel besserer Lehrer als die meisten Dozenten an der Academy, viel freundlicher, viel geduldiger. Außerdem hatte Theta irgendwie das Gefühl, dass der Eremit einige Sachen über ihn wusste, über die er nicht redete, aber da war er sich nicht wirklich sicher. Es war die Art, wie er ihn manchmal ansah, wenn er glaubte, dass der Junge es nicht bemerken würde; es war das geheimnisvolle Lächeln, dass jedes Mal seinen Mund umspielte, wenn sich Theta über irgendetwas entrüstete.
 

„Er hat dem Hohen Rat den Rücken gekehrt!“
 

Oh, jetzt wurde es ernst. Sobald der Hohe Rat ins Spiel kam, wurde es immer ernst. „Er folgt nur seinen Überzeugungen. Was ist falsch daran? Ich würde genau das selbe tun. Wer sich nicht selber treu bleibt, der verrät sich selber.“
 

„Oh, das passt zu dir. Du hast ja gesehen, wohin ihn das geführt hat! Er wird für den Rest seines Lebens alleine in einer Höhle hausen! Willst du das etwa auch? Willst du ihm etwa nachfolgen? Willst du etwa dein ganzes Leben alleine in Einsamkeit verbringen, verschmäht von deinem eigenen Volk?!“ Er war unnatürlich ruhig, beängstigend ruhig. Seine Stimme hatte einen seltsamen Ton, einen Ton, den Theta noch nie zuvor gehört hatte. Er war irgendwie ruhig, gefasst, so als würde er es nicht anderes erwarten, so, als hätte er sich tief in seinem Inneren längst damit abgefunden. Aber gleichzeitig war er auch drohend, fordernd und irgendwie … eisig. Theta sträubten sich die Nackenhaare, doch er antwortete nicht. „Sag mir, Theta Sigma“, fuhr der Time Lord fort, „was du von deiner Zukunft erwartest.“
 

Irgendetwas verkrampfte sich in seinem Inneren. Es war eine einfache Frage, die auch ohne weiteres beantworten konnte, doch irgendetwas hing in der Luft. Etwas, das sich schwer auf seine Schultern legte. Er musste seine Worte mit bedacht wählen. Seine Antwort könnte weitreichende Folgen haben. Aber er konnte auch nicht lügen. Der Time Lord würde sofort wissen wenn er log, denn er kannte die Antwort bereits. „Meine Zukunft liegt in den Sternen. Wenn ich einmal Time Lord bin, werde ich meine eigene Zeitkapsel haben und ich werde andere Welten bereisen. Und ich werde das tun, was ich für richtig halte. Selbst wenn es mich umbringen sollte!“ So wie es der Eremit vor mir getan hat, fügte Theta in Gedanken hinzu.
 

Die Schultern des Time Lords hoben sich verkrampft, doch im immer noch ausdruckslosem Gesicht war keinerlei Regung zu erkennen. „Pass auf, welchen Weg du beschreitest, Theta Sigma. Du stehst an einem Scheideweg. Der eine Weg wird dich zu den Time Lords führen, der andere in die Schande. Den Weg, den du dir vorstellst, wird dich auf den falschen Weg bringen. Wenn du ihn wählst, Theta, wirst du nicht mehr Mitglied unseres Hauses sein. Hast du das verstanden?!“
 

Das saß, aber nicht so, wie es der Junge erwartet hätte. Sein Magen verkrampfte sich, ihm wurde kalt und übel, doch irgendetwas, ganz tief in ihm drinnen, regte sich. Der Time Lord hatte ihn gerade angedroht ihn zu verstoßen. Es gab nur wenige Sachen, die schlimmer waren. Ins Exil geschickt zu werden zum Beispiel. Theta sah in das immer noch regungslose Gesicht des Mannes. Ihre Blicke trafen sich, der eine kalt, der andere mit verstecktem Trotz. Der Time Lord lag falsch. Es war keine Entscheidung zwischen Time Lords und Einsamkeit. Es war eine Entscheidung zwischen dem, wonach er sich so sehr sehnte, besonders nach dem, was er soeben gesehen hatte, und einem Leben voller Zwänge, voller Regeln und Verpflichtungen. Es gab nur eines, was gesagt werden konnte. Nur eines, was in diesem Augenblick angebracht war und er scheute sich nicht, sie auszusprechen. „Ja, Vater.“ Irgendwann würde er seine Wahl treffen, doch noch nicht jetzt, nicht heute.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Die_BMF
2009-05-18T22:32:02+00:00 19.05.2009 00:32
Ich finde das dieses Kapitel von Dir auch wieder so was von Super Toll geworden ist!
Ich werde den Rest Morgen Weiter Lesen!

Sailormoon-fan
Von: abgemeldet
2008-12-02T21:15:44+00:00 02.12.2008 22:15
echt coole story, sobald ich zeit habe werde ich weiterlesen!


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