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Secret Society

von

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Prolog

Hallö ^^ Schön das ihr euch hier her verirrt habt. Diese FF ist ganz spontan endstanden. Und eigentlich wollte ich schon immer eine schön finstere Vampir FF schreiben *hihi* meine andere FF, an der ich ebenfalls aktiv schreibe ist mir noch nicht düster genug und ausserdem halte ich mich in der mit dem Lemon ziemlich zurück (noch kein einziges Adultkapitel) Das soll sich hier ändern ^^ Allerdings soll diese Fanfiction nicht als Marathonrammeln enden. Ich lege (meistens) relativ viel wert auf Story. Nun genug gelabert.... ach ja: Alle Figuren gehören mir (sollten jedenfalls ) Ähnlichkeiten sind nicht absichtlich (wenn ich mir vorstelle, dass von mir geklaut werden könnte -.-''... hoffentlich passiert das nie.) und nu viel Spaß ich hoffe die Geschichte gefällt euch, hinterlässt mir doch eure Meinung, wenn die FF es wert ist.^^ lg Succubi-sama

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Einst warst du die Perle, das Licht und der Mond des erwählten Volkes.

Über alle Maßen schön war dein Antlitz, das selbst sich die Götter neigten vor dir.

Geschmückt wurdest du von den Menschen mit Silber, Topas, Saphir und Smaragd.

Du, der du der armen Schar, Sinn und Verstand raubtest,

Du, dem sie im blutigen Lustspiel huldigten,

Du, dessen Namen sie in sündigen Orgien schrien.

Sie waren es, die deine Gaben verrieten,

sie, die uns, dein Volk verurteilten.
 

Ketzer an der Lust! Niederes Fleisch!

Narren!

Sie nahmen dir das Leben und glaubten uns das Leben zu nehmen!

Doch das erwählte Volk wird wiederkehren.

Du, oh Herrlicher, wirst abermals erstrahlen und über das niedere Gewürm richten.

Wir opfern dir Fleisch, Blut und Leben, Herr!

Du, oh Lichtbringer,

unser König,

unser Gott

und deine Mutter wird sein Lilithu


 

[dritter Brief des Tribunals]

Lucion

Hier habt ihr gleich noch etwas Nachschub^^ damit der Prolog etwas Sinn ergibt. Sachen, die selbst nach diesen Kapi noch offen sind, sollen so sein ^^ Viel Spaß.

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Ephra strich sich fahrig durch sein streng zurück gebundenes, schwarzes Haar und lief schnellen Schrittes den dunklen Gang entlang. Es war kaum mehr als zwei Tage Zeit bis zur Zusammenkunft und für das darauf folgende Bankett fehlten noch immer zwei weitere Jünglinge. Fünf mussten es insgesamt sein.

Er seufzte... Der Hunger seines kleinen Bruders, Lucion, war kaum mehr zu bändigen, dabei war man vor vier Jahren mit einem Jüngling ausgekommen. Hoffentlich konnte Enola geeignete Kandidaten finden, sonst würde noch ein Unglück geschehen...

Er schluckte schwer und seine Schritte verlangsamten sich, als er der massiven Eichentür, die sein Ziel war, immer näher kam. Einen Moment blieb er stehen um sich zu sammeln, dann trat er ein.
 

Kaum das der Vampir den Raum betrat, verspürte er einen eisigen Luftzug auf seiner Haut, obwohl das gesamte Gebäude mehr als großzügig beheizt war. Vor ihm präsentierte sich das Bild, welches er in seinen Gedanken erahnt hatte. Zwei kalkweiße Gestalten, ein Mann und eine junge Frau lagen reglos, mit erstarrten Gesichtszügen auf dem schwarz marmorierten Boden... nicht unweit von einem großen Kingsizebett. Mit wehmütigen Blick ging er darauf zu und betrachtete das weiße Geschöpf, welches flach atmend in den roten und schwarzen Seidendecken und Kissen gebettet lag. Noch immer zierten karmesinfarbene Flecken die Alabasterhaut und bildeten einen unwirklichen Kontrast.
 

„Lucion...“, hauchte Ephra leise um seinen Bruder zu wecken und strich ihm zärtlich über die schweißnasse Wange. Der angesprochene öffnete leicht die Augen, sah aber so aus als würde er jeden Moment in die Bewusstlosigkeit abtreiben. Ephra erschauderte, wie es fasst jedes Mal der Fall war, wenn Lucion ihn anblickte. Diese Augen... diese hungrigen, verschieden farbigen Augen, die trotz geschwächten Zustand, starr bernstein- und smaragdähnlich unter langen silbrigen, fast weißen Haar hervor leuchteten.
 

„So widerlich...“, war die heisere Antwort, die der schwarzhaarige erhielt.

„Nur der Mann war für dich bestimmt... Das Mädchen war eine frisch gebissene...“ Der silberhaarige Vampir richtete sich unter Mühen auf und bleckte wütend seine spitzen Fänge.

„Wie kannst du es wagen, mir einen Welpen zu schicken!“ Ephra sah tonlos auf seinen Bruder herab. Er war nicht gerade klein, nur einen Kopf kürzer und doch wirkte Lucion recht zerbrechlich, keiner würde darauf kommen, wie gefährlich dieser Vampir wirklich war.
 

Der schwarzhaarige deutete eine leichte Verbeugung an.

„Verzeih mir...“ Lucion schaute seinen Bruder ohne jeglichen Ausdruck an und ließ sich dann wieder erschöpft in die Kissen sinken.

„Sie haben so widerlich geschmeckt... alle beide...“

„Es war einer der Jünger... Enola hat ihn selbst ausgesucht!“, sagte der größere beschwichtigend, doch die bernstein- smaragd Augen blieben starr...

„Enola... wird nachlässig...“ Ein schwerer Kloß bildete sich in Ephras Kehle, doch er blieb stumm.

„Ephraim...“, sagte Lucion leise und sprach in einer fremden Sprache weiter... Der angesprochene vernahm die Worte und erkannte den Befehl darin, dem er sich nicht widersetzen durfte...
 

Folgsam setzte sich Ephra auf die Bettkante. Langsam hob er sein Handgelenk an den Mund und riss sich mit seinen scharfen Zähnen ohne mit der Wimper zu zucken den Puls auf... Eine Geste die ihm schwer fiel, denn von sich trinken zu lassen war schon demütigend, doch für einen anderen Vampir die eigene Ader zu reißen, war mehr als man vertragen konnte... dennoch... wenn er sein Blut nicht geben würde, würde das Zimmer seines Bruders mit Leichen überseht sein.

Sein Blut vermochte den Hunger Lucions für einige Zeit zu stillen, doch war es keine dauerhafte Lösung. Das Blut eines Lamias, eines geborenen Vampirs war zwar sättigend, aber nicht sehr nahrhaft.
 

Die Zunge des silberhaarigen holte ihn aus seinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit. Wenige Sekunden später fühlte er wie sich Lucions weiche Lippen auf seine Wunde pressten und ein gieriger Sog entstand. Ein leises Stöhnen entwich Ephras Kehle und er spürte wie seine eigenen Lippen gierig anschwollen. Ein unangenehmer Nebeneffekt, den der Durst seines Bruders oftmals mit sich brachte.

Der schwarzhaarige Vampir gab es nur ungern zu, aber jedes Mal, wenn Lucion von ihm Trank, war es ein erhebendes Gefühl. Woher es rührte wusste er nicht und ob es bei anderen genauso war konnte er auch nicht sagen. Denn sein Bruder war es als einzigem erlaubt den Durst an ihm zu stillen...
 

Die Zeit zog sich hin und an Ephra zerrte die Erschöpfung. Es war schwer, sich gegen den Reflex zu wehren, der ihm immer wieder befahl den Arm wegzuziehen... Lucions schneeweiße Haut nahm endlich einen lebendigen Ton an, wenn auch nicht besonders auffällig. Wenige Sekunden später ließ er endlich vom schwarzhaarigen ab. Wohlig spürte er wie sein Herz wieder kräftiger zu schlagen begann um den frischen Lebenssaft durch seinen Körper zu pumpen...
 

Ein zufriedenes Lächeln zeichnete sich auf sein blutbenetzten Lippen ab und er fuhr langsam, fasst schon zärtlich über das offene Fleisch seines Bruders.

„Dein Blut ist so süß... wie immer“ Ephra senkte leicht den Kopf.

„Es ehrt mich, wenn es dir schmeckt...“ Der Silberhaarige besah sich nachdenklich die Wunde, dann senkte er noch einmal sein Haupt an den Puls und leckte drüber... Die Wunde schloss sich.

„Ich will das nächste Mal einen jüngeren Menschen... und wenn Enola noch einmal so dreist ist mir einen Welpen zu schicken....dann...“ Lucion gab das Gelenk seines Bruders frei.

„Ich werde dafür sorgen, dass sie ihren Fehler bei dem Bankett wieder gut macht. Diesmal wird alles zu deiner Zufriedenheit verlaufen. Es werden die schönsten Jünglinge von ganz New Halen ausgewählt. Ihre Seelen werden dafür sorgen, das es die wieder besser geht.... Du solltest noch etwas schlafen, damit mein Blut bis zur Zusammenkunft hält...“
 

Lucion sah seinen Bruder nur kurz an und nickte dann leicht. Stumm drehte sich der Silberhaarige zu Seite und schloss die Augen...

Als Ephra das Zimmer verließ, warf er noch einen kurzen Blick zurück auf die Leichen. Sie würden von den Sklaven weggeschafft werden...
 

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Enola atmete tief ein. Die Luft im Konferenzraum war, durch dick wabbernden Zigarrenqualm alles andere als frisch. Sehnsüchtig sah sie aus den Panoramafenstern, die ihr einen atemberaubenden Ausblick über die nächtliche Millionenmetropole New Halen gewährte. Wie gern wäre sie jetzt da draußen auf der Jagd, statt dessen musste sie sich hier mit einem duzend überbeleibten Politikern herum schlagen... Sie konnte die nervösen Blicke auf sich fühlen. Spannung lag in der Luft und jene würde nicht abklingen ehe sie den Konferenzsaal verließ...
 

Leise öffnete sich die Tür des Saals und der düstere Ephra trat ein. Sie begrüßte ihren ältesten Bruder mit einem kaum bemerkbaren Lächeln, jedoch erhielt sie von diesem nur einem finsteren Blick... Das konnte nichts gutes bedeuten.

„Er ist sehr unzufrieden mit dir...“, raunte Ephra seiner Schwester ins Ohr, worauf ihre Haut um einige Nuancen bleicher wurde.

„Er gibt dir noch eine Chance..., Enny.“, fügte der ältere noch hinzu, als er sich an das Kopfende des Tischkreises setzte.

Enola räusperte sich leicht um sich wieder zu sammeln. Mit einer eleganten Bewegung strich sie sich eine Strähne ihres rot gefärbten Haares aus dem Gesicht und lächelte dann mit emotionsloser Maske auf die menschlichen Mitglieder der Styx Society herab.
 

„Nun, beginnen wir mit der heutigen Sitzung... Meine Herren, wie sie schon seit einigen Tagen wissen, befinden wir uns in der Vorbereitung der alljährlichen Zusammenkunft der Lamia. Nun, es werden noch immer zwei 'Auserwählte' für den ehrenwerten Lunarie Incubus gesucht...“

Ein unruhiges Raunen ging, durch die Reihen der Männer.
 

„Mit Verlaub, Miss Hunter, aber im letzten Jahr haben doch noch drei gereicht...“ Enola setzte zu einem gefährlich charmanten Lächeln an.

„Sir Banksly. Es geht auf die Zeit des Erwachens zu. Lucion braucht jeden Tropfen Blut, denn seine Macht ist dabei sich zu entwickeln...“ Die rothaarige erwartete noch weitere Kommentare, als nichts kam wanderte ihr Blick auf einen besonders fülligen Mann.

„Senator Rougen wie ich hörte ist ihr jüngster Sohn in das sechzehnte Lebensjahr getreten. Ein sehr gutes Alter... Unser Herr, würde sich über seine Gesellschaft sehr freuen...“

Der Senator wurde kreide bleich und fuhr sich fahrig mit seinen fleischigen Fingern über die Stirn.

„A-Aber Miss Hunter. Warum nehmen sie nicht Raphael. Gabriel ist noch so jung und relativ zart besaitet, er würde die Ehre nicht verstehen, die ihm zu Teil wird!“ Ephra richtete seinen kalten veilchenblauen Blick auf Rougen.
 

„Raphael ist ein Welpenanwärter und, wie soll ich es ausdrücken...? Nicht sehr ansehnlich... Ich denke Lucion würde ihren Sohn Gabriel vorziehen und was das mit der Ehre angeht, auch wenn er es nicht versteht, so werden sie es jedoch tun. Selbstverständlich sind sie somit auch zur Zusammenkunft eingeladen...“

„Aber, mein Herr-“

„Senator Rougen!“, fauchte Enola kurz, setzte aber sogleich wieder ein süßliches Lächeln auf...

„Senator Rougen... Sie bekleiden eins der höchsten Ämter in ganz New Halen. Durch uns haben sie es in Rekordtempo bis an die Spitze gebracht... Leider blieben ihre Tribute an die Society immer öfter aus. Sie sind in unserer Gunst sehr weit gesunken und das könnte sich auch auf ihre Karriere auswirken... jedoch, mit ihren kleinen Gab...“

Der dicke Mann schluckte leicht und schaute erregt von einem Kollegen auf den anderen. Sie alle sahen ihn finster an und ihm wurde bewusst, dass er weit aus mehr, als nur einen Sohn verlieren konnte.
 

„I- Ich bin einverstanden...“, keuchte er heiser und auf Enolas Lippen formte sich ein breites Grinsen. So verlief die Tagung stundenlang, bis auch schließlich der letzte Auserwählte erkoren war.
 

Der Raum leerte sich und die rothaarige Vampirin lehnte sich seufzend in ihren Ohrensessel zurück.

„Wir haben alle zusammen... Was für ein Glück...“ Ephra setzte sich mit finsteren Blick vor seine Schwester auf die Tischkante und fixierte sie regelrecht.

„Du hast eine Welpin zu ihm geschickt , Enny... Du weißt, wie er auf Frischlinge reagiert!“ Enola wedelte abwehrend mit der Hand.

„Nun mach mal nicht so einen Aufstand! Dafür habe ich den besten Jünger kommen lassen, war das denn nichts?! Ich wollte ihn mir eigentlich vornehmen...“

Der Schwarzhaarige beugte sich zu ihr rüber und rammte seine Hand neben ihren Kopf hart in die Rückenlehne.
 

„Wage es ja nicht von Lucion zu reden, wie von einem kleinen verwöhnten Kind!“

Die jüngere sog scharf die Luft ein.

„Aber, genau das ist er! Schau Mal, du und ich gehören wie er zu den Lamia, und? Sind wir so wählerisch mit unseren Opfern?“ Der schwarzhaarige verzog ärgerlich sein Gesicht.

„Pass auf, wie du von dem 'Lichtbringer' redest! Du weißt genau, was er für uns bedeutet! Sein Körper ist nicht stark genug für seine Macht, darum braucht er so viel hochwertiges Blut wie möglich!“

Enola bleckte ihre Fänge und gab ein bedrohliches katzenartiges Fauchen von sich.

„Na dann, wenn es dir so wichtig ist, unterwerfe dich ihn und lass von dir saugen, wie von einem willigen Menschen!“

Ephras Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und er griff an seinen Ärmel.
 

„Ich habe ihn von mir trinken lassen...“ Mit einem Ruck zog er das Stück Stoff hoch und entblößte die Unterseite seines Handgelenks. Es war angeschwollen und die Adern pulsierten aufgequollen vor sich hin...

Seine Schwester fuhr sich mit der Hand an den Mund.

„Du, hast...! Aber, du bist ein Lamia! Wie kannst du es nur über dich bringen einen jüngeren Vampir von dir saugen zu lassen? Damit-“

„Stell ich mich unter ihm... Ja ich weiß... Aber ich stehe so oder so unter ihm und ich bin ihm treu ergeben! Ich gab unserem Vater mein Wort ihn zu beschützen... auch vor den Schmerzen des Blutdursts... Jetzt entschuldige mich, ich will noch einmal nach ihm sehen....“ Mit diesen Worten verließ der dunkelhaarige Vampir den Konferenzraum...

Enola schaute indessen wieder aus dem Fenster. Ephra unterwarf sich dem kleineren Bruder total... wie weit es wohl noch kommen würde?

Die Leiden eines Teenagers

Ok ^^ hier bin ich wieder und vielen Dank für die Kommis, das mit den Rechtschreibfehlern tut mit leid, ich habe das erste noch mal gefilzt und hoffe alle gefunden zu haben, was ich recht stark bezweifle XD aber Übung macht den Meister. Bei Lucion habt ihr Recht, der Name leitet sich von Lucifer ab. Viel Spaß, beim nächsten Chap.
 

lg Succu
 

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Immer wieder blitzten neue Lichter des nächtlichen New Halen hinter der Fensterscheibe auf und verzerrten sich durch die Geschwindigkeit des fahrenden Mercedes, um wieder unbeachtet zu verschwinden. Lange Rinnsale des Regens ließen alles zu einem merkwürdig glühenden Bild verschwimmen.

Gabriels Kopf war schlaff an die kühle Scheibe gedrückt. Seine Augen starrten dumpf auf die vorbeiziehenden Lichtquellen, auch nahm er kaum die Vibrationen des Wagens war...
 

Der Fahrer des Autos gab ein leises Räuspern von sich und schaute trübsinnig in den Rückspiegel. Er beobachtete eine Weile den fast schon lethargisch wirkenden Jungen.

„Wie war Ihr Tag, Sir? Wie ich hörte haben Sie einen neuen Lehrer?“, versuchte der Butler mit freundlicher Stimme ein Gespräch anzufangen, erhielt jedoch nur ein missgelauntes Brummen zur Antwort.
 

„Oder gab es wieder... Ärger, Sir?“, startete der leicht ergraute Mann einen zweiten Versuch. Endlich kam es zu einer Reaktion, allerdings nicht zur gewünschten. Ärgerlich hob Gabriel den Kopf und blickte funkelnd mit zwei azurblauen Augen nach vorn, in den Spiegel.

„Mein Vater bezahlt dich nicht für's Quatschen, Briar! Fahre etwas schneller, mir knurrt der Magen!“ Briar widerstand einem kurzen Moment dem Blick seines jungen Herren, doch dann fixierte er wieder traurig die Straße vor sich.

Sein Herr war kein schlechter Junge, so verzogen er auch war....
 

Wieder ließ Gabriel sein Haupt an der Scheibe nieder. Plötzlich ertönte sein Handyklingelton in Form einer wilden Melodie und er zog es gelangweilt aus seiner Tragetasche. Er konnte sich denken wer es war. Seufzend betrachtete er die Buchstaben auf dem Display. Sein Vater hatte ihm eine SMS geschrieben. Ohne die Nachricht zu öffnen drückte er sie weg und stopfte das Mobiltelefon energisch zurück in die Tasche.
 

Sein Vater wollte ihm sowieso nur wieder mitteilen, dass er später nach Hause käme. Aber das tat er immer. Mit einem säuerlichen Lächeln erinnerte sich der Teenager zurück, wie viele Diskussionen er schon deswegen mit seinem Herrn Papa gehabt hatte. Es war aber jedes Mal das gleiche gewesen.

„Ich tue so viel für dich! Und hast du mir jemals dafür gedankt?“, hieß es dann immer. Oh ja, sein Vater hatte schon viel für ihm getan... egal ob sein Sohn etwas haben wollte oder er Schwierigkeiten in der Schule hatte. Mit Geld schienen sich alle Probleme lösen zu lassen...

Und das war der Faktor, welcher Gabriel so unglaublich störte. Sein Vater tat viel für ihn... aber wenig mit ihm...
 

Der dunkelhaarige Junge kam sich vor wie eines jener reichen Klischeekinder aus irgendwelchen TV- Serien, aber das war er scheinbar auch. Der arme verlassene Sohn, der alles besaß, außer Liebe und deshalb in allen erdenklichen Formen für Ärger sorgte, nur um auf sich aufmerksam zu machen. Es stimmte, Gabriel war keineswegs ein unbeschriebenes Blatt. Seine Taten würden ganze Bibliotheken mit Schulakten füllen, aber was tat sein Vater? Er regte sich nur kurz auf und gab seinen berühmten Satz von sich:

„Warum kannst du nicht sein wie dein Bruder Raphael?“ Damit war alles gegessen. Alles wurde irgendwie unter den Tisch gekehrt und er wurde wie immer an Briar weiter geschoben, der für seine Erziehung zuständig war. Er überlegte: Er sollte mehr wie sein Bruder sein? Nein danke! Raphael war Äußerlich nicht gerade das, was man “Form-schön“ nennen konnte und so wie sein Gesicht war, so war er auch charakterlich...
 

Das Auto holperte eine ganze Weile noch vor sich hin und der Junge konnte bald durch die verschwommene Fensterscheibe die Konturen des alten Herrenhauses sehen, welches die Familie Rougen ihr Heim nannte. Wie froh war er, endlich diesen muffigen Wagen verlassen zu können! Stumm folgte er seinem Butler und kaum, dass Briar die Tür des Hauses aufgeschlossen hatte, schon stapfte der Jugendliche trotzig davon.
 

„Junger Herr, das Essen-!“

„Lass es mir hochbringen... Ich will meine Ruhe haben.“ Der letzte Satz kam Gabriel relativ lächerlich vor, denn eigentlich hätte er auch im großen Speisesaal seine Ruhe gehabt... es war eh keiner da... Sein Vater musste wahrscheinlich wieder Berge von Formularen durcharbeiten und Raphael... Raphael war sicherlich wieder für diese ominöse Organisation unterwegs. Was genau das für eine war wusste Gabriel nicht. Ihm kam das alles mehr als suspekt vor... auch sein Vater war Mitglied dieser Gruppierung und offensichtlich sollte er, wenn er alt genug war ihr beitreten.

Alles war vorherbestimmt! Wie ihn das ankotzte!
 

In seinen Überlegungen vertieft, schritt der Junge fasst schon blind die schwach beleuchteten Gänge der alten Villa entlang, die noch aus dem vorherigen Jahrhundert stammte. Dabei merkte er nicht, dass ihm still ein Schatten folgte. Erst als Gabriel sein Zimmer betreten wollte, hörte er ein Knarren der Holzdielen, gefolgt von einen lauten Fluchen. Rasch drehte er sich um und starrte in das Gesicht seines älteren Bruders.

„Raphael! Was schleichst du dich so an!?“, keifte der dunkelhaarige. Der ältere jedoch, lächelte nur leicht hin und besah sich Gabriel stumm.
 

„Was machst du hier? Haben deine komischen Leute von der Organisation keine Aufgaben mehr für dich, oder haben die dich rausgeschmissen?!“ Es war immer so, wenn sich die beiden Gegenüberstanden. Raphaels bloße Anwesenheit reichte, um in Gabriel schiere Aggressionen auszulösen . Der ältere fuhr sich über das blonde kurz geschorene Haar.
 

„Du solltest nicht so abfällig von deinen zukünftigen Vorgesetzten reden...“, sagte er leise und ging einen Schritt auf seinen kleineren Bruder zu, worauf Gabriel misstrauisch zurückwich. An Raphael lag etwas Unheimliches, das er sich nicht erklären konnte. Zudem wirkte der junge Mann irgendwie... anziehend... Der Teenager schüttelte angewidert den Kopf. Hatte er das eben tatsächlich gedacht!? Raphael sah aus, als wäre er das Ergebnis einer Beziehung zwischen einem Storch und einem Gorilla! Der ältere besaß lange dürre Beine, auf den ein massiger muskulöser Torso saß. Eigentlich war alles was oberhalb des Bauchnabels lag groß und massig... aber dennoch, etwas hypnotisierendes lag auf Raphael, welcher sich leicht vorbeugte. Sein Gesicht kam dem des dunkelhaarigen gefährlich nahe.
 

„Aber, wenn du Glück hast wirst du erst gar nicht... für uns arbeiten müssen... Ich habe gehört, dass dir eine noch größere Ehre zu Teil werden soll als mir...“ Gabriel spürte wie sein Herz schneller schlug. Der ältere wanderte mit dem Kopf tiefer seinem Hals entlang und leckte leicht über die hektisch pulsierende Ader.

„Dennoch ist es schade... sonst könnte ich dich zum Welpen machen. Unter ihnen gilt die Moral der Menschen nicht... es ist so schade....“, raunte Raphael, dann ließ er von seinem Wunschopfer ab.
 

Endlich war Gabriel wieder fähig sich zu rühren und er drückte sich fest an die Wand.

„D-Du bist doch krank! Hast du irgendetwas genommen?!“ Sein Bruder grinste und entblößte dabei zwei übergroße Eckzähne. Der Junge keuchte auf und griff ohne hinzusehen nach dem Knauf seiner Zimmertür. Schnell flüchtete er in den Raum und atmete tief ein.

Was war das den eben?! Hatte Raphael gerade das Gebiss eines Tieres besessen?! Zusammennehmend schüttelte der dunkelhaarige den Kopf. Dass musste er sich eingebildet haben. Aber was hatte das wirre Gerede seines Bruders zu bedeuten?
 

Zur gleichen Zeit stand besagter noch immer vor der Tür und starrte sie an.

-Diese nutzlose Stück Holz würde dich nicht retten können, wenn ich handeln dürfte...-, dachte Raphael und leckte sich über seine Lippen. Er hatte das aufgeregte Fließen des Blutes gespürt, hatte es gerochen. Stark war der Drang gewesen zu zubeißen. Nur mit Mühe hatte er sich zurückhalten können. Wenn doch nur der Befehl seines Schöpfers nicht gewesen wäre...

Vampir auf Wanderschaft

Huhu^^

Ja, ihr seht recht, ihr dürft euren Augen trauen! Succu, das olle Weib hat ihre monströse Schreibblockade überwunden (einfrauparty)\(^__^)/ Ich schwöre, ich hatte noch nie so eine lange Schreibblockade! Sonst dauert das immer nur nen Monat oder so. Naja ist ja auch egal.

Hier habt ihr das dritte Chap und in der ihr Lucion aktiver erleben dürft. Viel Spaß beim lesen

eure Succu

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Enola saß angestrengt über einer massiven Ansammlung von Formularen und strich sich dabei immer wieder unbewusst mit den Fingern über ihre roten Lippen.

Die Zeit zum Bankett näherte sich unaufhaltsam und täglich fanden sich Bittschriften von hohen Vampiren ein, die dem Fest beiwohnen wollten. Viele von ihnen wurden von Lamia verfasst, die in irgendeiner Weise über hunderte von Ecken mit den Huntergeschwistern verwandt waren... Die rothaarige Vampirdame rollte mit ihren pinken kontaktlinsenbesetzten Augen.

Ein bissiges Schnauben entfuhr ihr, bei den Gedanken an ihre liebe Verwandtschaft.
 

Alle Zeit scherten sie sich einen feuchten Kehricht um die Familienbande, aber kaum bestand die Chance sich dem Lunarie Incubus zu nähern, rissen sich alle wie die Wölfe um eine Einladung. Entnervt legte sie ihren Kopf auf ihre Hand auf und seufzte theatralisch. Ein weiteres Mal musste sie wehleidig mit ansehen, wie die Nacht Einzug in New Halen hielt. Wieder ein Abend an dem sie nicht Jagen konnte. Ohne Zweifel gab es hier im Komplex der Styx Society genug Menschen die darum winselten ihren Biss spüren zu dürfen... dennoch war es nicht das Selbe.
 

Ruhelos durch die bunt erleuchteten Straßen zu ziehen, die vielen Düfte auszukosten, welche die Stadt bot und irgendwo da draußen einen jungen Nachtschwärmer zu finden um ihn sich willig zu machen... und ihm das Blut zu rauben bis sein Herz kaum mehr stark genug zum Leben war.
 

Ein winziges Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Dass solch sadistische Vorstelllungen sie derart in Wallungen versetzen konnten, war wahrlich nicht ihre Art, doch lag es an ihrem Wesen. Jeder Vampir, ob Lamia oder Gebissener, jeder erlag irgendwann einmal der Verlockung zu trinken, bis man den Tod küsste. Und bekanntermaßen gab es keinen größeren Liebhaber als den Tod.

Wiederholt entwich ihr ein Seufzer, welcher schnell in einen verwunderten Laut umschlug. Gleich darauf kratzte ein spitzes Etwas, mit zartem Druck von ihrem Haaransatz hinab zu ihrem Nacken.
 

In einer schnellen Bewegung wirbelte sie ihren Drehstuhl herum, doch konnte sie Nichts entdecken. Konzentriert lauschte sie in die Finsternis, wohin das Licht ihrer Lampe nicht mehr reichte...
 

Enola bemerkte zu spät die ungewöhnliche Beschaffenheit der Düsternis, die ihre unsterblichen Augen nicht zu durchdringen vermochten …
 

Silbrige Strähnen flossen an ihren Schultern hinab und hingen ihr ins Gesicht. Verstört riss sie ihren Blick nach oben und sah in zwei leuchtende verschiedenfarbige Augen, welche kaum drei Zentimeter vor den ihren schwebten. In einem panischen Aufschrei fuhr sie zusammen, erstarrte jedoch sogleich wieder, als sich zwei Arme um ihren Körper schlangen und kühle Finger, ihr Kinn in einen trügerisch sanften Griff nahmen.
 

Lange scharfe Fingernägel lagen an ihrer Haut und trieben ihr den Angstschweiß auf die Stirn.

„L-Lucion was m-machst du hier?“, fragte sie brüchig.

„Enny...du zitterst.“, war die gewisperte Antwort, in der unüberhörbarer Spott mit schwang.

Ihr Atem wurde etwas schwächer, auch wenn die 'Umarmung' ihres Bruders nur leicht war, wagte sie sich nicht zu rühren...
 

„D-Du solltest doch im Bett bleiben! Wie soll Ephras Blut für länger halten, wenn du es auf brauchst?“ Enola schluckte leise. Sie bewunderte sich immer wieder selbst, wie sie es schaffte ihren kleinen Bruder in solchen Situationen zu tadeln... Sie war wohl auch die Einzige die es fertig brachte.

Lucion gab ein leises Lachen von sich, welches dafür sorgte, das sich die Nackenhaare seiner Schwester aufrichteten.

„Sein Blut neigt sich nie dem Ende zu, Enola... Er ist doch immer in meiner Nähe... aber...“ Enola spürte wie das kühle porzelanfarbene Gesicht sich langsam zu ihrer Halsbeuge senkte.

„... du könntest ihn etwas entlasten….“
 

Erstmals, nach langen quälenden Minuten, war sie wieder zu einer Bewegung fähig, wenn auch nur einer sehr zaghaften. Vorsichtig schob sie den unteren Arm weg, der sie hielt.

„Hör auf so zu reden. Du klingst wie ein Junkie...“ Der sanfte Druck um ihr Kinn verstärkte sich und die langen Nägel gruben sich leicht in ihr Fleisch. Unnachgiebig schob Lucion den Kopf seiner Schwester zurück, sodass ihre Kehle hilflos frei lag.
 

Mit einem stummen Schmunzeln sah er in die weit aufgerissenen Augen, welche ihm verkrampft entgegen starrten. Er spürte die Woge ihrer Gefühle welche die Luft mit vielerlei Gerüchen schwängerte. In dieser Hinsicht war Lucion seiner Schwester voraus, denn selbst sie als Lamia konnte nicht so viele Düfte auf einmal wahrnehmen, wie er...

Genüsslich nahm er die dünnen Rinnsale aus Blut auf, die er Enola beigebracht hatte...
 

„Bitte, lass es... Du weißt, dass das Blut Geborener heilig ist.“ Es war wirklich ein kläglicher Versuch ihn aufzuhalten. Das wusste sie genau und verfluchte, wie so oft, dass die Gesetze für ihren kleinen Bruder nicht galten. Kurze Zeit später spürte sie erneut Lucions Zunge auf ihrer Wange, welche sich schon fast mit obszöner Ruhe den Weg bahnte.
 

Dann plötzlich passierte etwas, was sie nie für möglich gehalten hatte. Ihre Muskeln wurden weich, versagten völlig ihren Dienst und entspannten sich gegen ihren Willen. Ihr Herz trieb ihr Blut in kraftvollen Wogen durch ihre Adern, sodass sie jede Schlagader in ihren Körper zu spüren begann.

Was war das? Was machte Lucion mit ihr?! Enola hatte ihren Körper kaum mehr unter Kontrolle und ihr entwich ungewollt ein wohliger Seufzer, zwischen ihren Beinen entfaltete sich eine ekstatische Hitze.

Sie konnte es einfach nicht glauben! Mit ihr geschah gerade das, was normalerweise mit ihren Opfern passierte, kurz bevor sie ihre Zähne in deren Hälse schlug...
 

Der Panikpegel in ihr schlug aus, doch war sie nicht fähig etwas zu tun.

„Verdammt, hör auf! Du hast doch gar keinen Hunger! Ephras Blut kann noch nicht aufgebraucht sein!“

Ein letztes Mal ließ der Lamia seine Zungenspitze über die erhitzte Haut gleiten, bevor er antwortete.
 

„Wann habe ich behauptet, dass ich Hunger hätte? Du kennst es doch auch, oder? Die Neugier, Enny! Ephraims Blut ist so hinreißend... Schmeckt deines ebenso? Zudem, steht es mir zu! Die Jünger, die du mir schickst nehmen immer mehr an Qualität ab und dreister Weise lässt du sie mir auch noch von Welpen bringen! Es macht mich traurig, dass du mich scheinbar beleidigen willst...“

Enola zuckte leicht zusammen. Lucion mit fester Stimme reden zu hören war ungewohnt, wo dieser oftmals zu schwach war sich überhaupt aufzurichten.
 

Plötzlich drang eine herbe Stimme durch die Schatten und ließ den silberhaarigen Vampir aufsehen.

„Lucion!! Ich- Ich habe dich überall gesucht! Bitte, lass von Enola ab!“

Ephras Gestalt wand sich wie eine Schlange aus der Dunkelheit und wirkte auffällig unruhig, was für seine Verhältnisse mehr als abnormal war.
 

Ein gespieltes Schmollen stahl sich auf Lucions Lippen und er entwand seine Arme. Sofort verfiel Enolas Körper in gewollte Entspannung. Strapaziert legte sie ihre Hand auf ihre pochende Schläfe, noch nie war sie Ephra so dankbar gewesen wie in diesem Augenblick.
 

Lucion umrundete lächelnd ihren Schreibtisch.

„Ich hoffe, du hast verstanden... Sorge für Jünger, die mich zufrieden stellen. Ansonsten wirst du herhalten müssen... Dennoch bezweifle ich, das dein Blut mir die üblichen Magenschmerzen erspart!“

Seine Schwester ballte zusammennehmend die Fäuste, doch er beachtete sie nicht, sondern beugte sich etwas über die Tischplatte und griff in den Briefhaufen. Zielstrebig zog er einen Kuvert heraus.
 

„Ich frage mich, warum eine Bittschrift von Jerome hier liegt, Enola? Hast du ihm keinen Bescheid geschickt, wie es eigentlich deine Aufgabe war?“

Die Vampirin sah hilfesuchend zu ihrem ältesten Bruder, der sich jedoch geziemt im Hintergrund hielt. Sie hatte Jerome völlig vergessen.
 

Besagter Vampir fungierte oftmals als Notlösung, wenn die Opfer für die Zusammenkunft mal wieder nicht Lucions Geschmack entsprachen, oder sein Hunger noch immer nicht gestillt war. Jerome war in jeder Hinsicht etwas Besonderes, nicht nur weil er der Günstling des Lichtbringers war, nein... sondern auch weil jener eine eigenwillige Laune der Natur war.
 

Er war durch und durch ein geborener Vampir, allerdings war er kein Lamia, denn seine Eltern gehörten zu den Menschen... Jerome war ein Erbvampir, ein sogenannter Sanguar. Irgendwo in seiner Blutlinie hatte es irgendwann einmal einen Vampir gegeben, von dem er die Fähigkeiten geerbt hatte.

Sanguare waren eine wahre Seltenheit und wurden sehr geschätzt, weil sie eine kostbare Gabe besaßen. Ihre Körper konnten von selbst ein spezielles Blut produzieren, welches dem menschlichen ähnelte und das in rauen Mengen. Oft boten sie sich den hohen Lamia als Diener und Nahrungslieferanten an und lebten daher auch im größten Luxus... so auch Jerome, welcher gut und gerne mal mehr als sein Blut an Lucion gab.
 

„Bitte entschuldige...“, zwang sich Enola zu einem kleinlauten Ton. Der jüngere Lamia warf ihr den Brief achtlos hin und wandte ihr stumm den Rücken zu.

„Erfülle einfach den einzigen Zweck für den du existierst, dann wirst du keine Probleme haben...“

Seufzend ließ er sich von Ephra auf den Flur geleiten, welcher ihn zurück in sein Zimmer führen wollte. Allerdings stand dem eigenwilligen Vampir keinesfalls der Sinn danach und lenkte zum Fahrstuhl ein, der zu den Dachgärten führte.
 

„Ich denke nicht, dass du dorthin solltest. Der Unterricht für die Welpen findet um diese Zeit dort statt.“, sagte Ephra leise.

Lucion starrte schweigend aus der gläsernen Seite des Lifts und verblieb auch noch einige Sekunden so, dann wandte er sich mit ausdruckslosem Lächeln seinem Bruder zu.
 

„Ephra... Wo Reinheit ist, kann kein Schmutz existieren. Schick sie weg.“ Ein trockenes Nicken war alles was von Ephra kam, auch wenn er seinen kleinen Bruder lieber im sicheren Bett wissen würde.
 

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Die Dachgärten der Styx Society waren einige der wenigen grünen Lungen in New Halen, wahrscheinlich auch eine der letzten in der gesamten Region. In den vergangenen Jahren waren die natürlichen Oasen immer mehr zurück gegangen... gleichsam mit dem Wachstum der Menschheit. Dörfer, Kleinstädte… all dies sah man nur noch selten und meistens waren es verlassene Ansammlungen von zerfallenen Ruinen.
 

In einem Bereich der Dachgärten, saßen die frisch Gebissenen und lauschten ihrem Meister. Er brachte ihnen die dunklen Gaben näher. Nur wenige Welpen überlebten ihre ersten vampirischen Jahre, weil sie zu leicht dem Übermut unterlagen.
 

Mit einem leisen Summen öffnete sich der Fahrstuhl und das ungleiche Geschwisterpaar trat ins Freie.

Der Lehrmeister hob zornig zischend seinen Kopf. Niemand war es erlaubt die Gärten zur nächtlichen Stunde zu betreten! Doch als sein Blick auf seine Herren fiel wurde seine Hautfarbe um einige Nuancen bleicher.

Die Schüler folgten mit ihren Augen und auch sie erstarrten. Ihnen war nur zu gut bekannt, dass der Lunari Incubus nicht sehr gut auf Frischlinge zu sprechen war.
 

„Verschwindet!“, zischte Ephra mit seiner unterkühlten Stimme. Keiner ließ es sich zweimal sagen und binnen weniger Minuten war nur noch der Lehrer da.

Er bewegte sich in gebeugter Haltung zu Lucion und kaum das er vor ihm stand, glitt er in die Knie, drückte seinen Kopf zu Boden, an den Saum des weißen seidenen Morgenmantels, welcher sein Herr trug.

Der silberhaarige Lamia folgte mit gleichmütigem Blick der Bewegung, tat aber keine weitere Reaktion. Achtlos ging Lucion weiter, sog die frische Luft tief ein und hörte wie sich der Lehrmeister vorsichtig erhob und den Garten verließ.

Ephra gesellte sich zu ihm und beobachtete seinen kleinen Bruder, wie jener sein Gesicht in den Schein des Mondes hob.
 

Ein Lächeln zeichnete sich auf Lucions Lippen ab und er hob etwas die Hand an, als wolle er nach der hellen weißen Perle greifen.

„Bitte, pass auf… Ich hab mich noch nicht richtig erholt und wenn du die Kraft meines Blutes aufgezehrt hast kann ich dir nicht so schnell neues geben.“, bat Ephra, denn sein Opfer hatte sehr an seinen physischen Kräften genagt.
 

Lucion sah kurz auf seinen Bruder, dann lachte er leise.

„Ephraim… Du würdest mir dein Blut geben, selbst wenn du im sterben liegen würdest…“

Ephra senkte leicht seinen Kopf. Das würde er in der Tat.

„So ist es… Es war vor allem ein Versprechen, das ich unserem Vater und deiner Mutter gab.“

Ein abwesendes Nicken, war alles was von Lucion kam, als er sich wieder dem nächtlichen Himmel zuwandte, doch dann sagte er plötzlich:
 

„Du erwähnst sie oft… Sprichst aber nie über sie. Narziss und Lilia… Warum sind meine Erzeuger nicht hier und dienen mir, so wie du und Enola?“

Ein leichter Schatten huschte über Ephras Gesicht, als er den Namen seines Vaters hörte und noch dazu aus Lucions Mund… Denn ursprünglich trug auch Lucion den Namen Narziss.

„Vater hat dir gedient, mehr als du ahnst... und es war ihm, genau wie mir eine Ehre. Ebenso Lilia, aber sie kann es nicht mehr…“

Ephra biss sich auf die Unterlippe. Gleich würde die unvermeidliche Frage kommen, die er nicht beantworten wollte. Was war mit ihnen geschehen…
 

Doch Lucion schwieg und starrte einfach weiter vor sich hin. Ihn interessierte es nicht wirklich was mit seinen Erzeugern geschehen war. Sie waren nie in seiner Nähe gewesen und er hatte sie auch nie kennen gelernt. Also mussten sie relativ unwichtig sein.
 

Lucion lächelte. Seine Erzeuger hatten wohl schon ihren einzigen Zweck erfüllt, nämlich ihm das Leben zu geben…
 

„Lass mich allein….“

Ephra schnappte laut nach Luft und sah Lucion mit weit geöffneten Augen an.

„Lucion! Aber… du weißt das ich das nicht kann!“

Kaum das der Schwarzhaarige den Mund schloss, zog eine kühle Brise auf und legte sich wie ein eisiger Mantel über ihn nieder.
 

„Lucion, ich bitte dich!“ Sein Bruder neigte nur den Kopf leicht über die Schulter. Ephra konnte direkt in das bernsteinfarbene Auge blicken und erstarrte.

„Du sprichst davon, dass ich mir dein Blut einteilen soll... aber du zwingst mich dazu, es aufzubrauchen?“

Stilles unsichtbares Eis kroch über die Haut des älteren Lamias.
 

Innerlich fühlte Ephra sich jedoch, als hätte man ihn in heißen Teer getaucht. Die Sorge und das Pflichtgefühl zerrten an ihm andererseits bedrängte ihn auch der Trieb des Gehorsams. Wahrlich eine unangenehme Zwickmühle...

„Verzeih mir meine Wiederworte, Lunarie Incubus... Bitte verspreche mir, das ich dich in einer Stunde zurück in dein Bett bringen darf.“

Er zuckte zusammen, als er von Lucion nur ein leises Auflachen zur Antwort erhielt. Gleich darauf spürte er, wie die unnatürliche Kälte von seinen Gliedern wich.

„Wenn es mir beliebt und nun, entferne dich! Ich will die Schönheit der Nacht für mich allein genießen...“
 

Ephra neigte leicht seinen Oberkörper und zog sich dann widerstrebend zurück. Kurz bevor seine Finger die Tastatur des Aufzuges berührten, sah er sich noch einmal um. Hoffentlich reichte sein Blut auch wirklich. Es war nicht so, dass sein kleiner Bruder sterben müsse, wenn es aufgebraucht war... Nein, es würde nur zu unerträglichen Schmerzen führen, vor denen er Lucion versuchte ständig zu bewahren.
 

Wie er seinen kleinen Bruder dort im bleichen Schein des Mondes stehen sah, überkam ihn ein befremdliches Gefühl. Wie sich Lucions Haar im sanften Nachtwind wiegte... Diese vollkommene Reinheit...

Mit ermattendem Schmunzeln trat er in den Lift. Oh ja, der Name, den Lilia Lucion einst gab, passte perfekt zu ihm. Als wäre er für diesen Namen gemacht... doch leider musste sein kleiner Bruder diesen, kaum das er ein halbes Jahr alt war, wieder ablegen...

Narziss... Schade drum...
 

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Lucion strich sich mit einer Hand langsam einige silberne Strähnen aus seinem Gesicht und schloss die Augen...

Es tat so gut, so unendlich gut, sich endlich wieder schmerzfrei Bewegen zu können. Doch diese niemals zu befriedigende Leere in seinem Magen blieb, dennoch war dieser Zustand nicht das was er Hunger nannte...
 

Weltendrückt lauschte er in die Nacht. Da waren sie wieder, die Geräusche, die er von seinem Zimmer aus nur dumpf wahrnahm.

Als er seine Augen wieder öffnete hing sein Blick auf dem Mond, welcher strahlend weiß zu ihm hinab schien. Das einzige Licht am Firmament, das es schaffte das Glühen der Stadt zu besiegen. Lucion lächelte leicht. Der Mond war schon seit frühster Kindheit seinem Vergnügen anheim gefallen.

Dieses Himmelsgestirn war eines der wenigen Dinge, welches nicht seine Augen beleidigte.

Seine Seelenspiegel neigten sich der ausladenden Weite der Stadt entgegen. Ob es da draußen noch weitere ähnliche Schätze gab? Dinge, die seinem Herz dieses erhebende Gefühl schenkten, welches er nicht zu benennen wusste?
 

Seine Hände umfassten fest das kühle Metall des Geländers. Seine Schätze, der Mond und das rubinrote Blut erschienen ihn auf einmal nicht mehr genug. Etwas in Lucion flehte danach in die Weite der vielen funkelnden Lichter der Metropole einzutauchen.

Er fühlte seine Kraft in seinem Körper pulsieren, wie es selten der Fall war. Die Chance musste er nutzen! In seinem hundertjährigen Leben hatte er noch nicht viel erfahren, außer wie sich die Wärme seiner Bettdecke anfühlte.
 

Lucion sprang seitwärts über die Brüstung und sah in die Tiefe.

„Hmmmm... Soviel, dass mir gefallen könnte...“, wisperte der Silberhaarige lächelnd und ließ sich mit ausgebreiteten Armen nach vorn fallen.
 

Der Wind fuhr ihn durch den weißen Morgenmantel und öffnete die nachlässig gebundene Schärpe. Seine seidenen Hosenbeine wurden dicht an seine Waden gepresst und flatterten wild umher. Die Fenster der 140 Stockwerke des Styx Komplexes rauschten nur so an ihm vorbei. Genießend entfaltete er seine Armen noch ein Stück und spürte, wie die kalten Ströme gegen seine nackte Brust peitschten.

Schon bald sah er den Erdboden immer näher kommen. Striemen des Lichts, verrieten eine stark befahrene Straße.
 

Die Autofahrer erstarrten an ihren Lenkrädern, um im nächsten Moment wieder aufzutauen und ihre Fahrzeuge in alle Richtungen herumzureißen, als ein weißes Etwas vom Himmel sauste und wenige Meter bevor es aufschlug, sein Tempo verringerte.

Lucion amüsierte sich über die panischen Reaktionen der Menschen, denn er konnte sie in ihren Vehikeln riechen.

Sanft glitt er zu Boden und setzte grazil in einer Hocke auf.

Um ihn herum wuchs das Chaos immer mehr an. Autos und Gleitfahrzeuge schlugen in Häuserwände ein, rissen Laternenpfähle und vielerlei andere Sachen um... und dies alles belustigte ihn.
 

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Gabriel schnaubte laut, als aus seiner Hosentasche ein lästiger Klingelton zum hundertsten Mal aufheulte. Gelangweilt zog er sein Handy heraus und grinste.

„Hey! Diesmal ist es mein, Alter! Jamon lass, die Moneten rüberwachsen!“ Gabriel beugte sich fordernd über den maroden Bistrotisch. Zwei weitere Jungs, die mit in der Sitzecke saßen johlten auf.

„Mensch, Gab! Die 10 Dollar sind alles, was ich für diesen Monat noch habe!“ Gabriel verzog missmutig die Augenbrauen und stützte seinen Kopf auf die Faust auf.

„Du hast gewettet und verloren! Also her mit der Kohle!“ Jamon sah verzweifelt zu seinen beiden anderen Kumpels, die waren allerdings keine große Hilfe.

Der junge Mann versank in seinen Sitzpolstern und sah Gabriel betroffen in die Augen.

„Was willst du mit dem Geld überhaupt? Du hast doch selber genug Schotter...“
 

Gabriel reagierte gar nicht erst auf die Unterstellung und hielt seine freie Hand unnachgiebig auf. Seufzend griff Jamon in seine Tasche und wenige Sekunden später verschwand ein 10 Dollarschein in der von seinem Kumpel.

Gabriel lehnte sich zufrieden zurück und grinste schief.

„Nimm's nicht schwer. Deine Mommy hat bestimmt noch was für dich über.“ Dabei besah er sich das Display seines Handys.

Es interessierte ihm wenig als, Jamon wütend aufstand und mit einem gemurmelten

„Arschloch...“, aus dem Lokal verschwand.
 

Gabriel seufzte, sechs Anrufe in einer halben Stunde. Die ersten vier von Briar und die zwei letzten von seinem Vater. Er wusste nur zu gut was sie wollten.

Glucksend sah er auf die zerschlissene Plastikuhr, welche nicht unweit von seinem Sitzplatz hing.

„Ein Uhr Morgens...“, murmelte er trocken. Vielleicht sollte er doch so langsam Mal nach Hause gehen?
 

„Ducky, Kid... Ich verzieh mich. Sonst steigt mein Alter zu Hause noch die Wände hoch...“

Die beiden Jungs sahen Gabriel unverwandt an.

„Sollen wir dich nicht lieber begleiten, Gab? Dies ist nicht gerade die Gegend in der Leute wie du gern gesehen werden...“, meinte Kid mit vorgehaltener Hand.

„Pffft! Was soll mir schon passieren!? Ich bin doch nicht anders angezogen als ihr!“
 

Kid und Ducky sahen sich stumm an. Mag ja sein, dass ihr Freund auf den ersten Blick nicht von den Leuten aus den Slums zu unterscheiden war, aber wenn man ein zweites Mal hinsah...

Gabriel trug einen schwarz- weiß gestreiften Hoody, auf dessen Vorderseite ein riesiges Logo von Base Bone prangte... eine Marke die sich niemand aus dieser Gegend leisten konnte.
 

Doch noch ehe seine Freunde etwas sagen konnten, war er auch schon zur Tür raus. Knurrend zog er sich seine Kapuze über und hörte wie schon wieder sein Mobil Telefon ansprang. Gereizt zog er es aus der Tasche. Schon wieder sein Alter!

„Was ist!“, blaffte Gabriel in den Hörer und vernahm am anderen Ende ein erleichtertes Aufatmen.

„Um Gotteswillen, Kind! Wo bist du nur!? Weißt du wie spä-“

„Ja, Dad! Ich kann seit gut zwölf Jahren die Uhr lesen.“

„Gabriel! Wie redest du mit mir? Ist ja auch egal... Kleiner, ich habe dir doch gesagt, dass du nach der Schule zu mir kommen sollst. Ich habe etwas sehr wichtiges mit dir zu bereden. Raphael und ich haben die ganze Zeit auf dich-“

„Mann, hol mal Luft! Ich bin in etwa einer Stunde wieder zu Hause. Bye!“

Gabriel hörte nur ein dumpfes „Aber-“ aus dem Hörer tropfen, bevor er sein Handy energisch zu klappte.
 

Während er so vor sich hin stampfte, wurde er plötzlich angerempelt.

„Hey, Hey! Nicht so stürmisch, Kleine.“, ertönte plötzlich eine fremde Stimme neben Gabriel und keinen Augenblick später, wurde er fest an der Schulter gepackt.

Verwundert sah er auf und blickte direkt in die Gesichter von zwei riesigen Typen, die ihn anzüglich angrinsten.

„Du hast richtig süße Augen, Kleine!“, sagte der eine, der ihn schon zuvor angesprochen hatte. Ein bulliger Typ mit Modebandana und Glatze. Der andere war ein schlaksiger braun gebrannter Kerl, mit reichlich Piercings im Gesicht.

Gabriel musste diesen Eindruck erst verarbeiten, bevor ihm ihre Worte bewusst worden.

Halten diese Trampel ihn tatsächlich für ein Weib!?

„Sagt Mal! Knick in der Optik? Seh' ich für euch ernsthaft wie ein Mädel aus?!“

Die beiden jungen Männer sahen sich ratlos an, dann aber fassten sie sich und Gabriel wurde grob in eine Seitengasse gedrängelt.
 

„Ob Mädel oder nicht, wir mögen es gar nicht, wenn man uns gegenüber die Klappe so weit aufreißt.“

Gabriel spürte wie eine Wand, in seinem Rücken, seine Bewegungsfreiheit einschränkte.

Er fühlte sich wie ein Tier in der Falle.

„So, Scheißerchen. Niemand muckt ungestraft bei uns auf. Hm? Mann, du bist ja ganz schön aufgebrezelt! Da fällt doch sicher was für uns ab? Was meinst du, Gary!?“, sagte der Glatzkopf und stieß seinem Kumpel grinsend in die Seite.
 

Gabriel hörte den beiden schon gar nicht mehr zu und sah sich um. Er musste doch irgendwie hier weg kommen! Warum passierte so etwas immer nur ihm?!

Plötzlich kam ihn jedoch eine Idee!
 

Gabriel schaute an dem braun gebrannten Mann vorbei, worauf dieser stutzend mit dem Blick folgte. In diesem Moment stieß sich Gabriel von der Wand ab und packte mit aller Kraft in das Gesicht seines Gegenübers.

Er spürte die kalten metallenen Ringe und Stecker in seiner Hand. Er zögerte keinen Augenblick und riss kräftig an den Unmengen von Piercings.
 

Gary heulte auf und sein Freund sprang auf Gabriel zu.

„Kleiner Dreckskerl!!!!“ Der dunkelhaarige konnte gerade noch so ausweichen und zerrte noch kräftiger am Körperschmuck. Wenige Sekunden später stand er mit einigen verbogenen Metallstücken in der Hand da.

Gary krümmte sich vor Schmerz und hielt sich sein entstelltes Gesicht. blutige Rinnsale flossen zwischen seinen Fingern hindurch.
 

Gabriel schmiss seine Beute dem völlig perplexen Glatzkopf entgegen und türmte. Raus aus der Ecke, raus aus diesem Viertel! Die Kerle würden wohl mehr als nur leicht verärgert sein!

Er sollte recht behalten. Er hatte auf seiner Flucht nur wenige Meter zurück gelegt, schon hörte er das Stampfen von schweren Stiefeln und wütendes Gebrüll hinter sich.

In diesem Moment verfluchte Gabriel sich für seine kurzen Beine. Schon völlig außer Atem, blickte er hinter sich und sah die beiden Schläger, wie sie immer mehr aufholten.

Verdammt! Hätte er doch bloß mehr Sport getrieben, anstatt sich ständig chauffieren zu lassen. Er schwor sich, wenn er heil hier raus kam würde er das nachholen!
 

Gabriel machte einen mehr oder weniger grazilen Hakenschlag und bog in eine enge Gasse ein. Vielleicht konnte ihm hier seine geringe Körpergröße nutzen... Leider war dies ein Irrtum. Die Gasse war gefüllt von alten Kartons und verbeulten Mülltonnen und zum allen Überfluss mündete der Weg in einen alten verlassenen Hinterhof, welcher von einem baufälligen Reihenhaus umsäumt war.

„Na toll!“, knurrte der dunkelhaarige und wich vor seinem Verfolgern zurück.

„Haben wir dich, Kleiner! Aus dir machen wir Dosenfutter!!“
 

Beide stürzten sich auf Gabriel, welcher wieder versuchte irgendwie auszuweichen. Doch diesmal war sein Handeln nicht vom Erfolg gekrönt.

Der Typ Namens Gary hatte ihm am Arm gepackt und zu Boden geworfen. Der Glatzkopf hatte sich hinter ihm aufgebaut und versetzte ihn, während er fiel einen harten Schlag.

Gabriel keuchte ächzend auf und versuchte sich zur Seite zu Rollen, doch Gary hatte ihm an der Kapuze seines Hoodys gepackt und zu sich herangezogen.
 

„So Kleiner! Nun pell' dich mal schön aus! Allein deine Hose könnte mir schon das ersetzen, was du mir raus gerissen hast!“

Gabriel fasste sich an den Kragen, der sich durch die festgehaltene Kapuze in seinen Hals fest schnürte.

„Garg! Lasst los!“

Wie auf Befehl wurde er plötzlich losgelassen und fiel zurück in den Staub. Röchelnd rappelte er sich auf und krabbelte hektisch einige Meter von seinen Peinigern weg, doch dann musste er feststellen, dass ihre Aufmerksamkeit nicht mehr auf ihm lag.
 

Die Augen der Schläger waren weit aufgerissen und starrten auf einen Punkt weit neben Gabriel. Er folgte ihren Blicken und erstarrte ebenfalls...

Vor ihnen, vom kalten Mondschein erleuchtet hob sich eine weiße Gestalt von der schmutzigen Umgebung ab.

Gabriel hätte den Fremden leicht für eine Frau gehalten, hätte er nicht Einblick auf dessen freien Brust- und Bauchbereich gehabt.

Der weiß gekleidete Unbekannte schritt, oder vielmehr schwebte auf die beiden Raufbolde zu. Gabriel kam es merkwürdig vor, denn die beiden standen einfach nur wie versteinert da und gaben keinen einzigen Ton von sich. Nur ihre Augen folgten den Bewegungen des Neuankömmlings. Auch Gabriel bemerkte zu spät, dass alle seine Gliedmaßen eingeschlafen zu sein schienen.
 

„Menschen... Wilde Menschen... Ihr seit keine aus dem Zuchtlager...“, murmelte der absonderliche Fremde und kaum das er direkt vor Gary und dessen Freund zum stehen kam, gaben ihre Knie nach... Es sah fast so aus, als würden sie in eine demütige Haltung verfallen.

„Wie hässlich ihr seid.... Ob euer Geschmack besser ist...?“, wisperte der Schönling mit der silbernen Mähne und beugte sich in einer fließenden Bewegung zu Gary runter.
 

Gabriel blinzelte ungläubig. Küsste dieser verschrobene Sonderling, den zerfleischten Typen wirklich?

Jedoch revidierte er seine Gedanken im selben Moment, als der weiße Fremde mit einem fauchenden Geräusch auffuhr und sich geziert die Hände vor dem Mund hielt.

„Nicht nur Hässlich, sondern auch ungenießbar!“ Der Silberhaarige trat einige Schritte zurück und fing plötzlich an spöttisch zu grinsen.

„Aus meinen Augen, wertloses Gewürm!“ Augenblicklich, gingen die Körper von Gabriels Verfolgern in Flammen auf.
 

Er selbst, sog scharf die Luft ein und versuchte sich die Hände auf die Ohren zu pressen, damit er deren verzweifelte Rufe nicht hören musste. Jedoch schaffte er es nur die Augen zuschließen. Erst als die markerschütternden Todesschreie verklungen waren schlug er sie wieder auf... doch er bereute es schon im nächsten Augenblick.
 

Der Silberhaarige stand direkt vor ihm. Mit Grauen starrte er in die verschiedenfarbigen Augen, die ihn mit dezenter Neugier musterten.

„Geh weg...“, presste Gabriel mit Angst entstellter Stimme hervor, doch der Silberhaarige schien es nicht zu hören.

„Deine Augen...“, sagte er leise und beugte sich zu Gabriel hinunter. Der Kleinere spürte wie sein Gesicht von eiskalten Händen umfasst wurde und lange Fingernägel an seine Wangen zum Ruhen kam...

„So Blau... das selbst das Herz des Himmels vor Neid verfault...“

„W-Wie bitte!?“

Auf den Lippen des Unbekannten zeigte sich wieder ein Lächeln, welches durch Mark und Bein ging.

„Ich will diese Augen! Gib sie mir!“

Gabriel keuchte auf, als die scharfen Fingernägel um seine Augen fuhren.

„NEEEEEEIN!!!!“
 


 

♦ tbc ♣

Ein neues Spielzeug?

Guten Morgen ;D
 

Ich habe endlich (mal wieder) meine Schreibblockade überwunden. Kennt ihr auch diesen krankhaften Perfektionismus, und das euch irgendwie nie gefällt was ihr schreibt? Ich habe diese Kapitel wahrscheinlich 100 mal angefangen um es nach halber Volständigkeit wieder zu löschen *arg* -.- Originale sind irgendwie schwerer zu schreiben, als die FFs mit Vorlagen. Aber ich werde diese FF auf keinem Fall abbrechen, dafür mag ich die Story zu sehr >< Ich hoffe nur, dass sich mein Schreibstil bald etwas mehr entwickelt, dass ich endlich mit dem zufrieden bin. Tips werden gerne entgegen genommen :)

Und nun viel Spaß euch allen^^

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Kapitel 4: Ein neues Spielzeug?
 

Gabriels Brust bebte vor Angst und sein Atem ging so schnell, als stünde er kurz vor dem Ersticken. Wieder strichen die Fingernägel, die wahre Krallen waren mit grotesker Zärtlichkeit um seine Augen.
 

Lucion setzte zu einem genussvollen hämischen Lächeln an. Dieser Junge gefiel ihm, wie er von seiner eigenen Furcht verschlungen wurde. Gabriels helle pastellweiße Haut hatte den Farbton von Kreide angenommen.

„Verschwinde, du Monstrum.“, wisperte er schwach und brüchig. Was geschah hier nur? Warum konnte er sich nicht bewegen?!
 

„Ich? Ein Monstrum?“, wiederholte Lucion leise und seine Augen schmälerten sich vor Spott.

„Ich verüble es dir nicht, kleiner Mensch. Aber glaube mir, du erkennst kein Monster, wenn es vor dir stünde, denn du bist unter ihnen groß geworden… Eine Lebensform, die so hässliche Geschöpfe hervor bringt, so schwach ist, dass sie uns nicht wiederstehen kann und sogar winselnd im Dreck kriecht, nur damit wir sie beachten. Das sind die wahren Scheusale.“

Zufrieden beobachtete der Lamia, wie die Pupillen des Jungen zu kleinen Stecknadelköpfen zusammenschrumpften. Ihm gefielen diese Augen wirklich sehr.

Plötzlich ertönte eine wilde Melodie, die Lucion zusammenfahren ließ und auch Gabriels Starre löste.

Benommen richtete sich Gabriels Blick auf den Übeltäter, der nur wenige Zentimeter neben ihm auf dem verdorrten Rasen lag: Sein Handy, das ihm aus der Hosentasche gefallen war. Die schlanke bleiche Hand des Fremden griff nach dem kleinen Gerät und besah es sich mit nichtsagender Miene.
 

Lucion wusste nicht genau worum es sich bei diesem Gegenstand handelte, doch dann entsann er sich. Auch Ephra besaß eine ähnliche Spielerei, die er oft benutzte um mit Enola zu reden.

Um es zum Schweigen zu bringen musste man es aufklappen und auf einen kleinen grünlichen Knopf drücken und schon sprach das Ding mit einem, erinnerte er sich.
 

Neugierig legte er sich den Hörer ans Ohr und lauschte.

„Gabriel! Wo bleibst du?! Du wolltest doch schon vor einer Stunde hier sein, weißt du was ich mir für Sorgen mache? Raphael und Ich müssen wirklich mit dir reden.“

Lucions Grinsen wurde immer breiter und er sah auf den Jungen herab.

„Gabriel ist also dein Name…“
 

„DAD!!“ Gabriels Stimme hatte endlich wieder an Stärke gewonnen. Er hätte nie im Traum daran gedacht nach seinem Vater zu schreien. Er wollte nur eines: Hier wieder heil rauskommen und da war ihm egal wer ihm half.
 

„Hallo? Wer sind sie?! Was ist mit meinem Sohn?!“, bellte Senator Rougen am anderen Ende der Leitung in den Hörer des Telefons. Gegenüber von ihm saß Raphael, der unruhig an seinem Vater hinauf schaute. Senator Rougen bekam nur ein leises Lachen zur Antwort, dann gab es nur ein zischendes Geräusch. Alles was danach aus der Leitung drang war ein monotones Tuten.
 

Schnell knallte der beleibte Mann den Hörer auf das Telefon und wählte erneut die Nummer seines jüngsten Sohnes, doch vergeblich.

„Raphael!“, wirbelte er panisch zu seinem Ältesten herum.

„Schnell Gabriel ist in Gefahr! Such ihn! Wenn ihm was passiert, dann Gnade uns Gott!“ Noch ehe er den Satz beendet hatte, innerhalb eines Wimpernschlags war Raphael verschwunden, als wäre dieser nie im Raum gewesen.

Senator Rougen sackte in sich zusammen und sein vom Bluthochdruck gezeichnetes Herz trieb das Hämoglobin unerbittlich durch seine Venen und Arterien. Seine Angst um seinen Zweitgeborenen mischte sich mit der Furcht vor den Folgen, die ihn ereilten, würde er Gabriel nicht zu dem Bankett der ehrenwerten Lamia bringen.

Hoffentlich konnte Raphael ihn retten, auch wenn er noch ein Welpe war, war er einer der begabtesten der Society.
 

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Entsetzt musste Gabriel mit ansehen, wie sein Handy sich in der Hand des silberhaarigen zu einer zähen Kunstoffbrühe verwandelte, die achtlos als klebriger Klumpen zu Boden viel.

Er spürte, wie plötzlich eine unsichtbare Kraft von seinem Körper besitz ergriff und ihn flach auf den harten Boden drückte.

Der Fremde schritt langsam auf ihn zu und beugte sich grinsend über ihn. Gabriel konnte nun in die beiden verschiedenfarbigen Augen schauen und erkannte die grausame Belustigung.
 

„Lass mich in Ruhe! Wenn du mir die Augen rausreißt, wird man dich jagen! Mein Vater ist ein einflussreicher Mann!“, krächzte er heiser und kam sich dabei so lächerlich vor, mit seinem nutzlosen Vater zu drohen… aber für irgendwas musste der ja gut sein.
 

Lucion indes verzog seine Lippen zu einem Schmunzeln.

„Rausreißen? Du kleiner dummer Junge… Der Tot würde ihnen ihre Schönheit nehmen und sag mir, wann entreißt man einem goldenen Rahmen das Gemälde, wenn er ebenso wertvoll ist? Deine Gestalt ist zwar recht schlicht, aber für einen Menschen…“

Gabriel zog die Stirn kraus. Sah er aus wie ein Gegenstand?
 

Seine Gedanken wurden jedoch auf der Stelle nebensächlich, als der silberhaarige Schönling seine langen Finger zu Gabriels Kehle wandern ließ.

„Solch einen zierlichen Hals sieht man selten bei Männern…“

Gabriel wurde fest ans Kinn gegriffen und sein Kopf zur Seite gezwungen. Er konnte einfach nicht glauben, was hier gerade geschah! Der Fremde neigte sein Haupt und ließ seine Lippen zärtlich über Gabriels Hals wandern. Er erschauderte und sein Geist wurde von einem prickelnden Gefühl umnachtet.

All seine Anspannung wich aus seinen Körper, obwohl die Angst sich noch immer an ihm geklammert hielt.
 

„Bitte… lass mich…“, entrann es Gabriel schwach und leise.

„Bangst du um dein Leben, kleiner Gabriel?“, sagte der Silberhaarige und sah auf.

„Sei unbesorgt. Ich zerstöre keine so hübschen Kreaturen… solange sie mir gefallen. Du duftest so appetitlich. Armer Junge, wenn du nur ahntest, welch göttliche Ehre dir zu Teil wird.“

Lasziv beugte er sich wieder herab.

„Der perfekte Jüngling für das Bankett, ja das wärst du… Demütig zu meinen Füßen zu sitzen, unter den neidzerfressenen Blicken derer, die sich für die wahre Krone der Schöpfung halten, wäre das nicht eine erhebende Vorstellung?“, flüsterte Lucion mit anzüglichem Ton.
 

Gabriel konnte wirklich nicht sagen, was mit ihm geschah. Sein Atem wurde schwerer und diese Stimme aus flüssiger Seide ließ ihm die kleinen Härchen seiner Haut steil zur Berge stehen… allerdings nicht aus Angst. Er atmete tief ein, um die aufsteigende Wärme seines Körpers zu ignorieren, aber ohne jeglichen Erfolg. Stattdessen erschienen ihn Bilder hinter seinen Lidern, die ihm erregte Röte ins Gesicht trieben.
 

Er sah sich selbst auf einem weißen Fell sitzend, mit vier weiteren jungen Männern. Sie alle waren ziemlich freizügig bekleidet und hoben sich vom Rest der versammelten Gesellschaft ab. Alle in dem unbekannten Saal schienen von hohem Rang zu sein.

Allerdings hatte Gabriel keine Zeit mehr sich um zu sehen, denn er spürte einen leichten Zug um seinen Hals. Zögernd betastete er sich und stellte fest, dass er ein ledernes Halsband trug. Seine Finger stießen auf das kalte Metall einer polierten Eisenkette, die den Zug verursachte. Benommen drehte er sich und sah auf… in das Gesicht des Silberhaarigen. Dieser saß auf einen prunkvollen Stuhl. Ohne es zu wollen erhob sich Gabriel, zog sich langsam am Hosenbein hoch und sein Blick war begierig auf die vollen Lippen gerichtet, die ihn so spöttisch angrinsten…
 

Eine warme Zunge an seinem Hals holte ihn wieder zurück in die Wirklichkeit. Während seiner geistigen Abwesenheit hatte er seine Arme um den Fremden geschlungen und ein leises Stöhnen entglitt seinen Lippen. Sein Körper wurde immer heißer und das raue leise Lachen, seines Peinigers machte es nur noch schlimmer.

„Allein durch diese kleine Vorstellung wirst du ganz zahm? Was würde wohl sein, wenn ich mich richtig um dich bemühen würde?“
 

Gabriel presste die Lippen aufeinander. Er fragte sich selber warum er so sehr darauf reagierte und das… auf einen Mann.

Er keuchte leise, als er spürte, dass sich scharfe Zähne um seine Haut am Hals legten. Sein Kopf befahl ihn in Panik zu verfallen und weg zulaufen, doch stattdessen sammelte sich eine unerträgliche Hitze in seiner Körpermitte. Wenn es so weiter ginge, dann…
 

„LASS DIE FINGER VON IHM, STRIGOI!!!“, rollte eine Stimme quer über den Hinterhof und ließ Lucion innehalten. Das Wort “Strigoi“ hallte ungläubig in seinem Kopf wieder. Es bezeichnete gebissene missgebildete Vampire. Elende stinkende Kreaturen, die allein durch ihren Hunger angetrieben wurden, bis ihre fett gewordenen, halb verwesten Körper den Dienst versagten.
 

Gabriel erschrak als die eben noch verführerische Aura des Silberhaarigen sich in das pure Gegenteil verwandelte.
 

Lucion erhob sich und richtete seine glühenden Augen auf den Fremden. Gabriel folgte dessen Blick und schnappte laut nach Luft.

„Raphael!?“
 

Raphael zuckte zusammen, als er den Fremden sah. Er konnte sofort erkennen, dass es sich um einen Vampir handelte. Aber es musste einer sein, der nichts mit der Styx Society zu tun hatte, denn jedes der Mitglieder wusste durch eine magische Markierung, wer für das große Bankett vorgesehen war.

Diese Menschen waren Tabu für jeden Einzelnen, sie gehörten allein dem Lichtbringer.

Lucion rümpfte die Nase, als er einen eindeutigen Duft erfasste. Dem Störenfried haftete noch ein schwacher menschlicher Geruch an. Ein Welpe und anscheinend noch dazu ein sehr dummer.
 

„Wage es ja nicht meinen Bruder noch einmal anzufassen, sonst kannst du was erleben!“, drohte Raphael. Er war sich seiner Sache sehr sicher, denn sein Meister war einer der mächtigsten Vampire der Society und das hatte sich auch auf seine Kräfte ausgewirkt. Gabriel währenddessen erlangte langsam wieder die Herrschaft über seinen Körper zurück. Ihm war schwindelig und vor seinen Augen verschwamm alles kurzzeitig. Zudem wurde sein Kopf wieder klar. Er konnte nicht glauben was da alles passierte. Er hatte nach seinem Vater gerufen wie ein kleiner Junge und jetzt musste auch noch sein Bruder kommen und ihm helfen. Plötzlich hörte er ein lautes Aufbrüllen und sah ungläubig zu, wie Raphael mit einer leuchtenden Hand auf den Silberhaarigen zustürmte.

Ok, dass war jetzt wirklich abgefahren. In was für einer Freakshow war er hier gelandet? Er schüttelte leicht den Kopf. Es war nun wirklich nicht an der Zeit sich über sowas Gedanken zu machen, immerhin war es die Gelegenheit abzuhauen.
 

Als er leise auf die Gasse zu schlich, die aus dem Hinterhof hinaus führte, meldete sich ein kleines zaghaftes Stimmchen namens Gewissen.

Was ist mit deinem Bruder?

Gabriel drehte sich nur kurzweilig um und zuckte mit den Schultern. Das war nun wirklich nicht sein Problem. Oder sollte es etwa?

„Hm, ne.“, schloss er seine Überlegungen ab, sah aber noch mal zu Raphael und wie es aussah hatte dieser keine Schwierigkeiten.
 

Ein scharfes Fauchen entwich Lucion und er packte sich mit schmerzverzerrter Miene ans Herz. Er hatte nur eine kurze Weile mit dem lästigen Vampir spielen wollen, bevor er ihn endgültig bestrafte. Genau in dem Moment, als er im Begriff war seine Kraft zu konzentrieren, zuckte ein brennender Schmerz durch seine Brust und brachte seinen Herzschlag in einen unregelmäßigen Tackt. Schweiß trat auf seine Stirn und ließ ihn in die Knie gehen. Seine zweite Hand wanderte zitternd an seine schmerzende Kehle.

„N-nicht jetzt…“, presste er schwer atmend hervor. Hatte er denn schon die ganze Kraft von Ephras Blut aufgebraucht?!

Durch das plötzliche Fauchen, seines Gegners war Raphael auf der Stelle erstarrt. Er hatte doch noch gar nichts gemacht! Die kurze Zeit, in der er Angegriffen hatte, hatte er kein einziges Mal getroffen. Der Silberhaarige war ihm jedes Mal elegant ausgewichen. Warum klappte dieser nun einfach zusammen?

Raphaels Verwirrung wurde noch größer, als der fremde Vampir plötzlich anfing in einer seltsamen Sprache zu reden.

„W-Was soll das?“, fragte er sich selbst und ließ eine Augenbraue hoch wandern, doch dann schüttelte er sich. Dies war seine Chance für einen endgültigen Angriff.
 

Gabriel war gerade dabei gewesen los zu sprinten, doch etwas zwang ihn, sich wieder umzudrehen. Der Silberhaarige murmelte etwas vor sich hin, was er nicht verstand, aber irgendwie…

Wieder erfüllte dieses Gefühl der Hitze seinen Körper und trieb ihn in die Richtung des Fremden.

Zur gleichen Zeit sammelte Raphael seine gesamte Kraft in seiner Hand und nutzte die Fähigkeit der Blitze, die er von seinem Gebieter erhalten hatte. Die Luft flimmerte um ihn herum. Er streckte seinen Arm aus und zielte…
 

„WIE KANNST DU ES WAGEN!!!“, dröhnte eine Stimme plötzlich. Alle Mobilität entwich Raphaels Körper und eine Druckwelle, die auch Gabriel erwischte, riss beide in den Staub. Benommen versuchte der Welpe den Übeltäter ausfindig zu machen, aber nirgendwo war etwas entdecken.

Gabriel versuchte sich hoch zu kämpfen und verkrampfte seine Finger in einem Kraut, das durch den brüchigen Betonboden wucherte. Auch er richtete so gut es ging seinen Blick nach allen Seiten aus.

„Du elende unwissende Made…“, kam es nun leiser und Gabriel durchfuhr ein kalter Schauer. Auf allen Vieren versuchte er so schnell wie möglich weg zu kommen, denn auf die Beine schaffte er es einfach nicht. Als er kurz zu Boden schaute, entwich ihm ein spitzer Schrei. Aus seinem Schatten heraus blickten ihn zwei schmale blaue Augen an.

Keuchend kippte er nach hinten und sah entsetzt, wie langsam die Gestalt eines düsteren Mannes empor stieg.
 

„Meister Ephraim!“, krächzte Raphael unnatürlich verzerrt, so das er kaum noch menschlich Klang. Er versuchte seinen fast gelähmten Körper in eine demütige Position zu bringen.

„Ich habe versucht meinen Bruder, den Erwählten vor diesem Stri-“

„Unterstehe dich, ihn noch einmal so zu nennen!“, zischelte der Mann aus den Schatten und lief mit eiligem Schritt auf den Silberhaarigen zu, der sich nur mühsam und stoßatmend in einer aufrechten Haltung stützte. Sofort schwand die Härte aus den scharfen Gesichtszügen und sanfte Besorgnis hielt Einzug. Denn er kannte diesen Namen, wie alle Welpen es taten.

„Lucion. Wir haben überall nach dir gesucht!“
 

Als Raphael den Namen des fremden Vampirs vernahm, flüchtete all seine Farbe aus seinem Gesicht und sie nahm sogar einen blutleeren bläulichen Ton an. Unter Zittern wurde er sich seiner Tat bewusst.

„V-verzeiht mir, Gebieter…“, stammelte Raphael.

Ephra ignorierte seinen Untergebenen, denn all seine Aufmerksamkeit galt dem leichenfahlen Wesen in seinen Armen.

„Ephra…“, hauchte Lucion kaum vernehmbar, doch langsam zeichnete sich ein kaltes Lächeln auf den pastellfarbenen Lippen ab. Ein kalter Schauer durchfuhr Ephra und noch bevor er reagieren konnte, wurde sein Kopf mit einem kraftvollen Ruck nach unten gezogen und scharfe Eckzähne bohrten sich in seinen Hals.

„Lucion! Bitte…“, flehte er seinen Bruder an, aber dieser schien es nicht sonderlich zu interessieren. Lucion drückte seine Zähne fester als nötig in Ephras weißes Fleisch, schloss die Augen und begann ausgehungert zu saugen. Der schwarzhaarige Vampir verkrampfte sich als er die Gier spürte, mit der Lucion sein Werk vollrichtete. War sein Hunger etwa noch weiter angewachsen?
 

Kälte kroch in Ephras Glieder und er glaubte schon der Ohnmacht zu verfallen, als sein Bruder endlich abließ.

„Du hast diese niedere Kreatur erschaffen, die allein schon das Vergehen beging mir, dem Lichtbringer in die Augen zu sehen… Es überhaupt wagte, sich mit seiner widerlichen Gestalt in meiner Nähe aufzuhalten.“, flüsterte Lucion leise und kühl.

„Bitte verzeih mir und zeige Nachsicht mit dem Welpen. Ich habe ihn nur geschaffen, da mit er den Außerwählten für das Bankett schützt.“

Der silberhaarige Lamia hob leicht den Kopf und schaute mit einem nichtsagenden Blick zu Gabriel, der immer noch kraftlos am Boden saß. Ein zufriedenes Lächeln entfaltete seinen auf deinen Lippen.
 

„Als hätten du und Enola meinen Wunsch vorausgeahnt… Warum könnt ihr euch nicht immer so anstrengen. Doch wie es scheint, hat dieser nutzlose Wurm von einem Welpen, seine Aufgabe als Wächter verfehlt. Aber ich werde es ihm nachsehen. Er hat mich davor bewahrt, dass ich mir selber den Höhepunkt, des Festes nehme. Es wäre schade um dieses vorzügliche Geschöpf… Gabriel…“

Der jüngste der Rougenbrüder sah auf. Er verstand zwar kein einziges Wort von dem was die schrägen Typen dort redeten, aber der Psychopath mit den langen Fingernägeln meinte das was er da sagte eindeutig zweideutig!
 

Gabriel schluckte. Der Typ schien ihn als eine Art Überraschungsei zu sehen. Spiel, Spaß und Spannung in einem… Na, super.

„Ephraim, bring mich weg von diesem dreckigen Ort. Ich bin so müde.“, kam es matt von Lucion und sein Blick wurde trüb. Ephra seufzte. Natürlich wurde sein Bruder müde. Wer würde das nicht nach solch einer Mahlzeit. Auch er selbst war erschöpft, durch seine mehr oder minder freiwillige Blutspende.

Mit etwas Mühe raffte er sich auf und hievte die schlanke Gestalt Lucions auf seine Arme. Einen Moment blieb er auf der Stelle stehen, denn durch den Blutmangel war ihm leicht schwindelig.

„Raphael!“, sagte er scharf, als er sich wieder sicher fühlte.

„Ja, mein Meister?“ Raphael spürte wie der unnachgiebige Druck auf seinen Körper nachließ und wie seine Kraft wiederkehrte.
 

„Zieh dich zurück und bereite dich auf eine angemessene Strafe vor! Nur weil der Lunarie Incubus dir Gnade gewährt, brauchst du dasselbe nicht von mir erwarten! Dein Bruder Gabriel wird mit mir kommen, da du in nächster Zeit nicht mehr dazu fähig sein wirst, deine Aufgabe erneut aufzunehmen…“

Gabriel glaubte sich verhört zu haben. Was zum Teufel ging hier ab?! Mit verwirrtem Blick, sah er wie Raphael sich kurz verbeugte und sich dann einfach in Luft auflöste. Dann bemerkte er, dass dieser zwielichtige Kerl, den sie Ephra nannten, genau vor ihm stand.

„Ist der Boden nicht kalt? Willst du nicht aufstehen?“
 

Stutzig wurde Gabriel bewusst, dass auch er wieder Herr seines Körpers war. Hastig rappelte er sich auf und probierte sogleich einen weiteren Fluchtversuch, doch er schaffte es nicht sich umzuwenden.

„Verschwende nicht deine Kraft, Kleiner.“, meinte der Schwarzhaarige mit verhaltenem Lächeln. Gabriel biss wütend auf seiner Unterlippe rum und schickte Ephra einen giftigen Blick.

„Ich habe keine Ahnung, was dieser ganze Scheiß soll oder was ihr von mir wollt. Ich sage euch nur eines: Lasst mich in Ruhe!!“

Ephra schmunzelte.
 

„Du brauchst keine Angst haben. Raphael wird Senator Rougen davon in Kenntnis setzen, das wir dich früher als geplant zu uns holen werden.“ Gabriel verzog das Gesicht und fing an hilflos zu gestikulieren.

„Wow, wow, wow! Halt, stop, Moooment! Wer will mich wohin holen? Was hat mein Alter mit dem ganzen Dreck zu tun?“

„Anscheinend hat dich der Senator noch nicht informiert? Nun denn, dass werde ich gerne nachholen, allerdings nicht hier, in dieser herunter gekommenen Gegend. Dem Lunarie sollte solch ein Ort nicht zugemutet werden.“ Ephra deutete mit einem Kopfnicken auf den schlafenden Lucion.

„Luna-was? Sagen Sie mal für wie bescheuert halten Sie mich eigentlich, Mister?“, lamentierte Gabriel und erntete von Ephra einen strapazierten Seufzer.

„Hör zu, Kleiner. Du hast die Wahl. Entweder bewegst du freiwillig deinen Hintern oder ich spiele wieder Marionettenmeister.“

Gabriel schürzte störrisch die Lippen, entschied sich aber dafür zu kooperieren. Mürrisch trottete er Ephra hinterher, der ihn durch die enge Gasse zurück zur offenen Straße führte.
 

Stirnrunzelnd bemerkte Gabriel den großen dunklen Wagen, der nun wirklich nicht in diese Gegend gehörte. Ein Chauffeur stieg stumm aus dem Wagen und verbeugte sich kurz vor Ephra und Lucion. Nur kurz schaute der Mann interessiert zu Gabriel, dann öffnete er strammstehend die Tür für seine Herrschaften. Zwei gegenübergestellte Sitzreihen kamen zum Vorschein und erinnerten Gabriel an den Wagen, den sein Vater immer für wichtige Ereignisse, wie Empfänge nutzte.

„Kamen Sie nicht aus meinen Schatten gekrabbelt? Wozu diese Prollkutsche?“

Ephra legte sanft den leise atmenden Lucion auf die hintere Sitzreihe und strich ihm fürsorglich eine der langen silbernen Strähnen aus dem Gesicht.
 

„Mit dem Schattenwandeln ist der Transport von mehreren Personen nicht möglich. Komm setz dich, mein Lieber.“ Der Schwarzhaarige hatte sich neben seinen Bruder nieder gelassen, um diesen zu stützen. Auffordernd deutete er auf die gegenüberliegenden Sitze. Gabriel fühlte sich mehr als nur unwohl, aber er wusste dass es kein Zweck hatte zu türmen. Wer immer dieser Mann auch war, bei ihm handelte es sich garantiert nicht um einen Menschen und ebenso wenig bei diesem geschlechtsverwirrten Typen mit den verschiedenfarbigen Augen… Er atmete noch einmal tief durch und stieg dann in das Auto. Der Chauffeur schlug schwungvoll die Tür zu und Gabriel zuckte leicht zusammen. Ihm kam es so vor, als hätte man ihn in einen Käfig voller giftiger Schlangen gesperrt aus dem er niemals wieder rauskommen würde.
 

Unmerklich setzte sich der Wagen in Bewegung und eine unangenehme Stille machte sich breit. Gabriel wartete darauf, dass sein Gegenüber das Wort ergriff und mit den Erklärungen anfangen würde. Und endlich nach langen quälenden Minuten in denen Gabriel von oben bis unten gemustert wurde, beschloss dieser merkwürdige Vogel mit den schwarzen Haaren, ihn nicht dumm sterben zu lassen.
 

„Senator Rougen hätte dich wirklich aufklären sollen, es hätte die ganze Sache vereinfacht, aber nun gut. Mein Name ist Ephraim Hunter, kurz Ephra und ich bin der erste Vorsitzende der Styx Society.“ Zufrieden beobachtete Ephra, wie sich die Augen des Jungen langsam weiteten und ihn bestürzt ansahen

.

„Wie ich sehe ist dir die Society durchaus ein Begriff. Gut. Dann ist dir sicherlich auch bekannt, dass dein Vater und dein Bruder Mitglieder sind.“ Gabriel grub seine Finger so tief es ging in die ledernen Sitze und biss die Zähne zusammen. Hatte er es doch gewusst, dass er irgendwann mit dieser dubiosen Organisation Bekanntschaft machen würde.

„Hören Sie, Mr. Hunter. Ich will mit den Machenschaften meines Alten nichts zu tun haben, es ist mir egal, was er Ihnen aufgetischt hat, aber ich werde ganz bestimmt kein Mitglied.“ Ephra wunderte sich zunächst über diese Art, doch dann hob er belustigt seine Hand an sein Kinn und lächelte.
 

„Keine Sorge, keiner wird dich zwingen uns beizutreten, solange du uns nicht von Nutzen bist.“ Gabriel zog fragend die Augenbrauen zusammen.

„Warum setzen Sie mich dann nicht einfach irgendwo ab, erstatten mir mein Handy, das der da verflüssigt hat und lassen mich dann in Ruhe?“

„Leider ist die ganze Situation etwas komplizierter… Du sollst zwar kein Mitglied werden, aber du wurdest zu unserem Bankett zu Ehren des Lunarie Incubus eingeladen. Das ist ein Privileg, welches nur wenigen zu Teil wird.“

Gabriel verschränkte die Arme und lehnte sich nach hinten.

„Nein danke, ich passe. Wie ich bereits sagte, ich will nichts mit der Styx Society zutun haben.“

Ephra seufzte leise. Er sah schon, auf die rücksichtsvolle Tour konnte er verzichten. So kam er hier auf keinen Fall weiter. Seine Gesichtszüge erkalteten und seine Lippen teilten sich zu einem unberührten Lächeln.
 

Gabriel… du bist nicht in der Position, um die Einladung auszuschlagen. Sicher bist auch du langsam dahinter gekommen, dass ich kein Mensch bin, genau so wenig wie Lucion…“

Natürlich war Gabriel das. Benommen fasste er sich an die Stirn und schüttelte den Kopf. Er ahnte was diese Typen waren. Diese Kräfte, die aus einem Horrorfilm stammen könnten und das Blutsaugen…

Er hatte genug Bücher von Anne Rice gelesen, um zu wissen, mit wem er es hier zu tun hatte.

„Vampire…“, flüsterte Gabriel abwesend, denn er konnte seinen eigenen Worten kaum Glauben schenken.

„Nicht nur einfache Vampire, Kleiner… Wir sind Lamia.“ Gabriel stieß laut hörbar die Luft zwischen den Zähnen aus und ließ seinen Kopf auf die Rückenlehne fallen. Fahrig legte er seine Hand auf die Stirn. Er wusste nicht genau was ein Lamia war, aber so wie es Ephra betont hatte musste es etwas Besonderes sein.

„Vampire… Sowas passiert auch nur mir…“, murmelte er leise zu sich selbst und richtete sein Blick wieder auf seinen Gegenüber.

„Warum suchen Sie sich nicht einfach einen anderen?! Wenn es so eine Ehre ist, wie Sie sagen, dann werden sich doch etliche um eine Einladung reißen.“

„Oh, das tun viele, mein Lieber. Aber es geht nicht allein um die Einladung. Du wirst kein einfacher Gast sein. Gabriel, du bist einer von fünf Außerwählten, die ihr Blut in der heiligen Nacht der Lilithu Lamina bis zum letzten Tropfen unserem göttlichen Gebieter geben werden.“
 

Ein Schlag fuhr quer durch Gabriels Körper und ließ ihn, sich ruckartig aufsetzen.

„W-was?“ Er starrte Ephra fassungslos an. Lucion indes gab einen leisen schnurrenden Seufzer von sich und öffnete die Augen. Geschmeidig richtete er sich auf und lächelte lasterhaft. Er hatte im Halbschlaf alles mitbekommen.

„Du erhältst die Ehre den einzigen menschlichen Nutzen zu erfüllen und dich einem vollkommenen Geschöpf zu opfern.“ Gabriel bemerkte keine einzige Bewegung. Er blinzelte nur kurz und plötzlich saß Lucion dicht an ihm geschmiegt an seiner Seite.

„Fürchtest du dich, kleines Menschlein? Das glaube ich dir nicht. Du hast dich selbst willig gezeigt, erinnere dich an deinen kleinen Traum von vorhin. Dein Körper hat sich richtig nach dieser Vorstellung verzerrt…“
 

Gabriels Gedanken wurden erneut von den anrüchigen Bildern überschwemmt und er schloss die Augen. Wieder stieg die Hitze in seinem Körper auf und er sog scharf die Luft ein um sie sogleich wieder laut auszustoßen. Was waren das nur für wallende Gefühle? Was machte dieser Typ mit ihm!? Das alles konnte niemals von ihm selbst kommen… oder doch?

Über Ephras Wangen legte sich eine leichte Röte und er schaute verschämt zur Seite. Er hatte noch nie erlebt, dass sein Bruder derart von einem Menschen verzückt war. Lucion spielte zwar oft mit seinen Opfern, besonders wenn es junge ansehnliche Männer waren, aber sobald er seinen Spaß gehabt hatte, machte er kurzen Prozess. Scheinbar würde es bei Gabriel anders laufen, so wie er versuchte diesen zu reizen.
 

Lucion neigte seine Lippen zu Gabriels Ohr hinunter.

„Bevor ich dich für immer in mich aufnehme, werde ich mich erkenntlich zeigen und dich in Wollust tanzen lassen… Du sollst es kennenlernen, die süßen Freuden…“, wisperte er mit rauer Stimme…
 

♦ tbc ♠
 

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So ihr habts geschafft ^^ War euch das Kapitel genehm? XD Ich hoffe doch, dass einige Stellen Fragen aufgeworfen haben, z.B.:

Wozu soll dieses Bankett gut sein? Warum sollen da fünf Jünglinge an Lucion verfüttert werden, obwohl der doch schon jeden Tag gut versorgt wird? ^^

Bis zum nächsten Mal
 

eure Succu *wink*

Die fünf Jünglinge

Hi
 

Da bin ich wieder mit einem neuen Kapitel ^^ Diesmal auch gebetat XD Saspi, die schon meine andere FF betat, hat auch dieses Kapitel übernommen (@saspi ganz solle danke dafür ^^

Zudem gibt es neue Bilder für Lucion und Gabriel, weil mir die alten gar nicht gefallen ^^

Dauert warscheinlich etwas, bis sie freigeschaltet werden *gg
 

Nun aber viel spaß bei der FF.
 

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Kapitel 5: Die fünf Jünglinge
 

Lucion hatte sich dicht an Gabriel gelehnt und hörte mit entzücken, wie dessen Atem immer schwerer wurde und sein Herz zu kraftvolleren Wogen antrieb. Am Liebsten hätte er sofort ein kleines Bisschen gekostet, doch er wollte sich nicht die Freude nehmen.

Was ihn so genau an diesem Menschen faszinierte wusste er nicht so genau. Vielleicht war es die Großspurigkeit, die Gabriel trotz seiner ausweglosen Situation an den Tag legte. Lucion lächelte in sich hinein und betrachtete die geschlossenen Lider seines Lieblings. Er würde dem Kleinen zeigen wo sein Platz war, und er würde dafür sorgen, dass es ihm gefiel.
 

„Lucion… Du solltest aufhören, bevor unserem Gast etwas Unangenehmes passiert.“, merkte Ephra mit hoch rotem Kopf an, denn er sah, dass es Gabriel langsam zu viel wurde. Er war weiß Gott nicht prüde, aber solch eine delikate Situation, war selbst ihm unangenehm, zumal Lucion selten bewusst solch ein anrüchiges Verhalten zeigte. Die Augen des silberhaarigen Vampirs schmälerten sich zu einem hinterhältigen Blick.

„Entschuldige Ephra, wie ungezogen von mir, dass ich nicht an dich gedacht habe.“, spottete er und nahm plötzlich Gabriels Gesicht in beide Hände.
 

Unter der Berührung der weißen Haut riss Gabriel verblüfft beide Augen auf und spürte nur noch wie zwei kühle Lippen sich auf seine niederließen. Erstarrt spähte er in ein goldenes und ein grünes Auge und hielt den Atem an.

Ephra verkrampfte sich und war wieder gezwungen zur Seite zu schauen. Zusammennehmend biss er auf seine Unterlippe und verfluchte in Innern seinen Bruder. Dieser wusste genau, dass auch er dem männlichen Geschlecht nicht ganz abgeneigt war.
 

In Gabriels Körper kehrte endlich wieder das Leben zurück, demgemäß war er endlich wieder zu einer Reaktion fähig. Hastig drückte er sich in die Ecke seiner Sitzbank, so weit wie möglich von Lucion weg. Diesen belustigte es jedoch nur und er legte sein Haupt spielerisch auf die Seite. Den Blick lauernd auf sein Opfer gerichtet.

„Das dich eine so jungfräuliche Berührung zur Flucht bewegt…“

„Verzeih mir meinen Einwurf, Lucion, aber hebe dir den Spaß für das Bankett auf. Außerdem ist Gabriel nicht der einzige attraktive Jüngling, der dich erwartet.“

„In der Tat…“, äußerte Lucion beiläufig ohne Ephra wirklich Aufmerksamkeit zu schenken.

Aus einem kleinen Lautsprecher des Wagens drang plötzlich die Stimme des Chauffeurs.

„Wir haben den Hauptsitz der Styx Society erreicht, Sir.“
 

Wenige Minuten später spürte man, wie der Wagen an Geschwindigkeit verlor und gänzlich zum stehen kam. Der Fahrer öffnete formvollendet mit einer tiefen Verbeugung die Tür. Ephra stieg als Erster aus, um Lucion aufzuhelfen, der noch immer schwach auf den Beinen war.

Gabriel tat sich daran als letztes aus zu steigen und staunte nicht schlecht, als sich vor ihm ein riesiger Wolkenkratzer in den Himmel erhob. Viele Etagen mit etlichen Panoramafenstern ließen das Gebäude so erscheinen, als bestünde es nur aus Glas.

„Wo für zum Teufel, brauchen Vampire so einen riesigen Kasten?!“, stieß er zweifelnd aus.

„Wir verwalten ganz New Halen und die nähere Umgebung, da ist es praktisch, wenn man alle Büros beisammen hat. Die ersten 125 Stockwerke beinhalten diverse Verwaltungen, Ämter, Agenturen und einen Großteil an Büros für Medien und Presse. Die restlichen 15 Stockwerke sind Ausbildungszentrum für Welpen, ein großer Konferenzraum, ein Festsaal, Wohnbereiche und die Residenz des Lunari Incubus.“, erklärte Ephra nebenbei, und beschloss Lucion lieber zu tragen, da dieser gefährlich wankte.

„Beeindruckend… Und hat die Bude auch einen Keller?“, fragte Gabriel sarkastisch.

„Keller nicht direkt, aber drei weitläufige Untergeschosse. Das erste ist das Lager für unsere Zuchtjünger, unsere Speisekammer wenn du so willst. Im zweiten befinden sich die Verliese und im dritten Untergeschoss… nun ja, sagen wir, da bewahren wir das auf, was ich in jeder Nacht der Lilithu Lamina produziere, aber glaub mir du willst nicht wissen was das ist. Du wirst dort noch früh genug hinkommen…“, fügte Lucion mit einem finsteren Lächeln hinzu.
 

Gabriel beschloss lieber nicht weiter zu fragen. Da alles einen bitteren Nachgeschmack zu besitzen schien. So wie es aussah, hatten diese verdammten Blutsauger die komplette Kontrolle über die Stadt. Wie sollte er hier bloß wieder rauskommen? Er müsste an irgendein Telefon kommen, dann könnte er die Polizei rufen, und diese ganze dämonische Organisation auffliegen lassen.

Stumm in seinen Gedanken versunken folgte er Ephra zur Rezeption, wo die Empfangsdame ihn mit einem eleganten Knicks und demütig gesenkten Lidern begrüßte. Ephra murmelte einen kurzen Befehl, worauf die Dame sich eiligst zu einer Sprechanlage wandte. Dann warteten sie, auf was, dass wusste Gabriel nicht, doch dies beantwortete sich nach kurzer Zeit. Zwei hünenhafte schwarze vermummte Gestalten erschienen mit einem Rollstuhl, aus einem Lift und hielten mit starrem Schritt auf sie zu.

Wieder geschah dasselbe Spiel, wie schon beim Chauffeur und der Empfangsdame zuvor. Die beiden Giganten gingen tief in die Knie und legten ihre Köpfe unterwürfig auf das vorgestreckte rechte Knie, dann erhoben sie sich wieder und nahmen Lucion behutsam an sich. Für Gabriel war es ein unwirklicher Anblick, wie diese monströsen verdeckten Männer in Anzügen mit Lucion umgingen. Als wäre dieser eine unbezahlbare Porzellanpuppe, wurde er bedächtig in den Rollstuhl gesetzt.
 

„Lucion, ich kann deine Ungeduld spüren, aber bitte zügle sie. Das Bankett ist morgen Abend und es ist alles vorbereitet. Ruhe bis dahin.“, bat Ephra und neigte leicht den Kopf. Lucions Züge erkalteten auf diese Worte.

„Deine Erinnerungen sind unnötig und nicht erwünscht, Ephraim. Ich weiß was gut für mich ist, dass solltest du langsam auch erkennen, wenn du mich nicht missgünstig stimmen willst.“

Ephra legte seine Hand auf den Bauch und verbeugte sich noch tiefer.

„Nichts lag mir ferner, als meinen Herren zu verärgern. Bitte verzeih mir.“ Gabriel lief es bei diesem Anblick kalt den Rücken hinunter. Ein Wesen mit solch reglosem Gebärdenspiel, wie es bei Lucion der Fall war, hatte er noch nie gesehen. Und plötzlich, ganz so, als hätte der silberhaarige Vampir seine Gedanken gelesen, wandte dieser ihm sein Gesicht zu.

Gabriel erwartete, dass sich das blasse Antlitz wieder zu einem sündigen Lächeln verzog, doch diesmal blieb es glatt, kalt und reglos, als hätte es noch nie eine Emotion gezeigt. Er verstand, die Warnung, die in diesem Gebaren lag, ihn nicht zu verärgern.
 

Er schluckte leicht. Hatte er es doch längst verstanden, doch kam es ihm immer noch völlig unwirklich vor, dass hinter dieser zerbrechlichen und vollendeten Erscheinung, viel mehr lag… Etwas Dunkles und Unheil bringendes…

„Gib auf Gabriel acht… Sollte nur die kleinste Beschädigung vorhanden sein, würde es mir sehr missfallen…“, sagte Lucion leise und gab dann ein unmerkliches Zeichen mit der Hand, worauf sich die stummen Riesen in Bewegung setzten.

„Du hast ihm zu lange in die Augen gesehen…“, wisperte Ephra plötzlich heiser ohne seinen Blick von seinem Bruder abzuwenden, bis dieser verschwunden war.

„W-Was? Wieso sollte ich?! Was soll der ganze Zirkus überhaupt!?“
 

Ephra schien sich erst sammeln zu müssen, bis er antworten konnte.

„Kein Zirkus, mein Kleiner. Sondern bitterer ernst.“ Der Schwarzhaarige wandte sich endlich zu Gabriel um und fasste ihn eindringlich an beiden Schultern.

„Ein gut gemeinter Rat, verärgere Lucion niemals, hörst du? Auch wenn du auf Grund deiner Jugend noch so rebellische Gefühle hegst. So wird er deinen Tod zum genüsslichsten und erfülltesten Abschnitt deines Lebens machen.“ Ephra wollte seinen Gast weiter durch das Gebäude führen, doch Gabriel zerrte ihn energisch am Jackett.

„Jetzt hören sie Mal, Mister! Ich habe gar nicht vor zu sterben!“ Der große Schwarzhaarige gab sich einem Mitleidigen lächeln hin.

„Ein schöner Vorsatz, aber leider zwecklos. Wenn Lucion etwas beschlossen hat, wird es so geschehen. Glaub mir, du entkommst ihn nicht, egal wo du bist. Seine Draugr würden dich finden…“ Gabriel runzelte die Stirn.

„Was sind Drauga?“

„Draugr… Diese monströsen Gestalten, die du gesehen hast. Es sind antike Wesen, mit furchtbaren Kräften, die ihrem Schöpfer willenlos folgen. Kaum einer von uns besitzt noch die Fähigkeit sie zu erschaffen, außer Lucion. Wenn du ihn morgen Abend demütig bittest, wird er dir vielleicht ihre Erschaffung erklären. Folge mir bitte und stell keine weiteren fragen. Ich werde dich nun zur Musterung bringen…“
 

Obwohl es angebracht war, stand Gabriel nicht mehr der Sinn irgendwelche Fragen zu äußern. Alles Blut war in ihm abgesagt und er fühlte sich wie in einen Horrorfilm. Vampire, Willenlose Wesen… Was würde ihn noch erwarten? Eigentlich wollte er es gar nicht so genau wissen. Er folgte Ephra einfach nur stumm zu einem Fahrstuhl und lehnte sich in die Ecke. Leer und verschwommen spiegelte sich sein Blick an den metallenen Wänden. Es musste doch eine Möglichkeit geben, hier raus zukommen. War sein Vater wirklich für das alles verantwortlich? Wie konnte er nur? Über Gabriels Augen huschte ein dunkler Schatten und seine Brauen zogen sich verärgert zusammen. Wenn er seinem Vater und Raphael noch einmal begegnen würde, würde es ihnen teuer zu stehen kommen.
 

Nach etlichen Minuten im stickigen Lift, stieg die Anzeige auf eine leuchtende 130 und mit einem leisen Pling, öffneten sich die Türen.

„Wir sind da. Fühl dich geehrt, in diese und in die höheren Etagen kommen nur wenige erwählte Menschen. Folge mir bitte.“, erklärte Ephra und verließ die kleine Kabine als Erster. Gabriel trottete ihm hinter her und ließ seinen Blick durch den knapp beleuchteten Gang schweifen, durch den er geführt wurde. Der Boden, die Wände und sogar die Decke waren in schwarz gehalten. Zu seiner rechten befand sich eine schier endlose Fensterreihe. Vereinzelt standen alle paar Meter saftig grüne Pflanzen.

Ephra blieb vor einer unscheinbaren Tür stehen, die optisch den anderen im Flur glich.

„Ab hier werde ich dich verlassen, da ich noch die restlichen Vorbereitungen für das Fest treffen muss. Meine Schwester Enola wird sich ab jetzt deiner annehmen. Sei vorsichtig und vergreif dich bei ihr nicht im Ton, sie ist reichlich schnell zu beleidigen.“
 

Mit diesen Worten klopfte er dezent an der Tür und eine junge braunhaarige Frau trat heraus.

„Willkommen daheim, Meister Ephra. Wir haben Euch schon erwartet. Ist dies der erwählte Jüngling?“

„So ist es. Sage Enola, dass sie mit ihm besonders Vorsichtig umgehen soll. Er darf keinen einzigen Kratzer haben. Der Lichtbringer wünscht es so… Ich verabschiede mich nun. Gabriel? Wir sehen uns.“

Gabriel sah Ephra noch kurz nach, als er von der jungen Frau spielerisch am Arm gepackt wurde.

„So, so, so! Komm nur herein, junger Herr! Ich bin übrigens Marcie Dollet, Miss Hunters Assistentin. “

Kaum das Gabriel hinein gezogen wurde und Marcie die Tür geschlossen hatte, wagte sie sich zögernd an seine Schulter und sog tief die Luft ein.

„Er war bei dir, er hat dich berührt! Welch ein Glück du hast, ich beneide dich.“, sagte sie leise und ein leichter Rotschimmer bildete sich auf ihren Wangen.

„Du meinst diesen Luci-“

„PSSSSSSST!!!“, kam es nur panisch von Marcie, die sich den starren Zeigefinger vor die Lippen hielt.

„Lass dich nicht erwischen, in der Gegenwart eines Lamia den Namen des Lichtbringers auszusprechen. Ich meine, es nur zu deinem Besten, junger Herr.“ Gabriel wollte noch was erwidern, als plötzlich eine energische rauchige Stimme aus dem Nebenzimmer drang.
 

„Marcie?! Ist unser Gast eingetroffen? Was trödelst du noch!“

„Verzeihen Sie, Miss Hunter! Ich komme sofort! Los komm, junger Herr. Du brauchst dich vor Miss Hunter nicht fürchten, auch wenn sie sehr streng wirkt.“ Unstet packte sie Gabriel am Arm und zog ihn weiter in den nächsten Raum der sich als kleine Vorkammer entpuppte.

„So, bevor du in den Musterungsraum gehst, muss ich dich bitten deine Kleider abzulegen, damit Miss Hunter schauen kann, wie gut du in Schuss bist.“

Gabriel verdrehte die Augen. Sah er aus wie ein Pferd? Doch Zeit zum Beschweren hatte er keine mehr. Marcie Dollet war schon verschwunden, also tat er wie ihm gesagt wurde und entledigte sich, bis auf seine Shorts seiner Klamotten.
 

Zögernd legte er seine Hand auf die Klinke, öffnete die Tür und trat in einen hell beleuchteten Raum.

Dieser so genannte Musterungsraum erinnerte mehr an ein Büro, denn ihm gegenüber befand sich ein Schreibtisch. An ihm saß die knalligste Frau, die Gabriel je in seinem Leben gesehen hatte. Mit ihren Leuchtend roten, kunstvoll hochgesteckten Haaren und den pinken Augen, sah sie aus, als wäre sie irgendeinem schrägen Science Fiction Film entstiegen. Unter nichts sagenden Blick erhob sie sich und setzte sich auf die Tischkante.

„Komm ruhig näher, Menschlein. Ich beiße nicht… jedenfalls nicht dich.“, sagte sie mit einem spitzen Lächeln.

„Ich schätze Mal, du bist Gabriel Rougen? Es freut mich, das du erschienen bist.“ Gabriel schnaubte säuerlich.

„In der Tat. Ich habe noch nie eine verlockendere Einladung zum Sterben bekommen und Ihre komische Organisation war ja auch noch so nett mir die Entscheidung abzunehmen. Ich kann mein Glück kaum fassen.“

„Ich sehe schon, du hast ein reichlich großes Mundwerk. Ich rate dir, dich etwas zu zügeln, denn du könntest in ernste Schwierigkeiten kommen.“
 

Ein freudloses Lachen ertönte im Raum und Gabriel verschränkte feixend die Arme.

„Dass ich sterben soll ist doch schon beschlossen! Ich weiß nicht, was noch kommen könnte“

Enola gab ein leises Knurren von sich. Was erlaubte sich dieser vorlaute Knabe eigentlich? Verstimmt schritt sie auf den Menschenjungen zu und packte ihn am Kinn.

„Du solltest dir wirklich überlegen wie du mit mir redest! Ich kann deine beste Freundin, aber auch deine schlimmste Feindin sein!“

Gabriel zuckte leicht zusammen. Enola hatte genauso lange Fingernägel wie ihr Bruder Lucion… Er blinzelte kurz. Es war schon schlimm genug gewesen, das ein Mann so mit ihm umsprang, aber eine Frau?! Enolas Augen weiteten sich, als Gabriel mit finsterem Blick fest ihr Handgelenk packte.

„Ich weiß genau, was ich zu wem sage. Und nur, weil du mir wahrscheinlich das Genick wie ein Streichholz zerbrechen könntest, muss ich noch lange nicht kuschen!“ Enola gab ein lang gezogenes Fauchen von sich und riss sich los.
 

„Wie kannst du es wagen, dich einer Lamia gegenüber so respektlos zu verhalten!“ Mit der flachen Hand verpasste sie Gabriel eine heftige Ohrfeige, die ihn einknicken ließ. Mit verkniffenen Augen hielt er sich die brennende Wange. Aber was hatte er erwartet, bei dieser Frau? Sie war eine Vampirin, die mit enormen Kräften ausgestattet war. Enolas Lippen verzogen sich zufrieden zu einem Lächeln.

„Armer kleiner Gabby. Ich sagte dir doch, du sollst nicht mit dem Feuer spielen.“

Gabriel lächelte säuerlich.

„Sieht es so für dich aus? Das Feuer spielt mit mir und wird mich am Ende verschlingen. Ist es nicht die Art Lucions?“ Enola biss wutentbrannt die Zähne zusammen und holte erneut mit der Hand aus.

„Der Name des Lichtbringers ist heilig und darf nicht von einem Wurm wie dir ausgesprochen werden! Du bist jederzeit ersetzbar!“, schrie sie, aber noch bevor sie zu schlagen konnte, war Marcie in das Zimmer eingetreten und hielt sie panisch zurück.
 

„Miss Hunter, nein! Tun sie es nicht!“ Die junge Frau stellte sich schützend vor Gabriel und senkte entschuldigend den Blick.

„Der Lunarie Incubus persönlich hat auf diesen Jüngling ein besonderes Augenmerk. Meister Ephra selbst beharrte darauf.“ Die Lamia zuckte in sich zusammen.

„Wie bitte? Lucion ist mit ihm in Kontakt gekommen? Aber wann?“

„Der ehrenvolle Gebieter hatte einen kleinen Ausflug in die Stadt gemacht und ist dem jungen Mr. Rougen begegnet.“ Gabriel runzelte die Stirn.

„Woher weißt du das?“ Marcie wandte sich lächelnd über die Schulter.

„Hier sprechen sich solche Sachen schnell rum…“
 

Enola währenddessen hatte die Augen geschlossen und versuchte sich zu beruhigen.

„Wie dem auch sei. Fangen wir am besten mit der Kontrolle an. Ich will nicht, das Lucion wieder an allem etwas auszusetzen hat. Marcie, bereite schon mal das Testserum vor.“

„Es ist schon vollständig angerührt, Miss. Oh! Ich habe die Injektionsnadel vergessen!“ Marcie stellte das kleine unscheinbare Tablett, das sie bei sich trug, auf den Schreibtisch ab und verließ eilig den Raum.

Gabriel runzelte die Stirn.

„Injektionsnadel? Wollt ihr mich auch noch unter Drogen setzen?“ Enola nahm das kleine getönte Fläschchen in die Hand und lächelte nur wissend.

„Mach dir keine Sorgen, Gabby. Es ist nur dazu da, um dich auf diverse Krankheiten und Allergien zu testen. Aber das braucht dich nicht zu kümmern. Zeig mir mal deinen hübschen Körper.“
 

Enola fasste Gabriel an der Schulter und forderte ihn auf sich zu drehen.

„Hmmm… Nicht schlecht. Du bist zwar etwas klein für einen Mann, aber das ist nicht weiter schlimm. Du bist auch recht dürr.“, murmelte sie vor sich hin. Gabriel wurde das ganze unangenehm und er fühlte sich etwas erniedrigt. Zusammennehmend schloss er die Augen und ließ die ganze Prozedur über sich ergehen. Doch plötzlich schrie er auf.

„UAAAAH!! WAS MACHST DU DA?!“ Gabriel wirbelte erschrocken herum.
 

Enola gab ein leises lachen von sich.

„Ein kleiner süßer Hintern, da könnte man ja fast neidisch werden. Naja vorne sieht es etwas ernüchternd aus, aber das stört Lucion nicht weiter.“

„Hey was soll das?!“ Die Vampirin erntete von Gabriel einen tödlichen Blick.

Es klopfte zaghaft an der Tür und Marcie trat ein

„Ich habe die Nadel, Miss Hunter.“

„Gut, gut. Dann komm. Ich halte ihn fest und du injizierst ihm das Serum.“

„He! Moment mal!“, wollte Gabriel sich beschweren, doch Enola hatte ihn schon fest in den Griff genommen.
 

„Setz intravenös an, Marcie. Keine Angst, Gabby. Es ist nur ein kleiner Piecks.“ Marcie zog die Spritze voll und setzte sie an Gabriel an. Ein wespenartiger Schmerz breitete sich in seinem Arm aus und verteilte sich auf seinen ganzen Körper.

„Was zur Hölle ist das!?“, fragte er panisch, doch plötzlich wurde alles schwarz vor seinen Augen und er sank in die Bewusstlosigkeit.

Enola lächelte.

„Perfekt. Sein Körper reagiert auf das Testserum, also können wir ihn nach seinen Tod weiter verwenden. Das reicht für heute. Mann soll ihn zu den anderen Jünglingen bringen…“
 

♣~♠~♣~♠~♣~♠
 

Helle Stimmen drangen durch die Finsternis und wandelten sich zu dumpfen Worten, die keinen Sinn zu ergeben schienen. Gabriel fühlte sich, als würde er schwerelos in einer warmen Flüssigkeit schwimmen, die sanft auf und ab wogte. Nur beschwerlich schaffte er s die Augen zu öffnen und verfiel in flatterndes Blinzeln. Seine Umgebung war so hell.

„Da seht! Er kommt zu sich!“, hörte er eine entfernte Stimme sagen. Und noch weitere Stimmen ertönten. Gleichsam mit seinem Bewusstsein, kehrte auch seine Sehkraft zurück und das erste was er erblickte, war das freundliche Gesicht eines Jungen.

Erschrocken fuhr er auf.

„Heilige Scheiße!“ Plötzlich verlor er den halt und kippte zur Seite in ein warmes Nass.

„Immer langsam mit den jungen Pferden!“, lachte ein anderer Junge und griff Gabriel hilfsbereit unter die Arme.
 

„Wo bin ich, verdammt?“, stöhnte Gabriel und fasste sich benommen an seinen Kopf. Sein Blick glitt verwirrt durch eine große Schwimmhalle, dessen Becken voll mit einer milchigen Flüssigkeit war, die einen angenehmen süßen Duft verströmte.

„Ganz ruhig, Kleiner. Du bist in den Gemächern der Jünglinge…“, erklärte ein junger Mann, der lässig am Beckenrand lehnte.

Erst jetzt schenkte Gabriel den anderen seine Aufmerksamkeit. Stutzig sah er in die Gesichter. Bis auf einen, der etwas abseits saß, kannte er alle. Der braungebrannte Typ mit den roten lockigen Haaren, der ihn stützte hieß, Dwight Eddison und war der Sohn eines Abgeordneten. Der am nächsten Stehende, war ein hünenhafter Kerl der Phelias Hopps hieß. Er war der älteste Sohn des Polizeipräsidenten von New Halen. Bei dem Dritten der bekannten Gesichter traute er seinen Augen nicht. Da saß auch ein Klassenkamerad von ihm! Tyson Riley.

„Ich glaub ich spinne! Was hast du denn hier zu suchen, Ty!?“ Tyson rieb sich grinsend die Nase.
 

„Ich schätze mal genau dasselbe wie du. Hätte nicht gedacht, dass die Society, Jungs von der Straße holen.“, spottete er und setzte sich zu Phelias. Gabriel war zu perplex, um zu reagieren und atmete zunächst ein paar Züge durch.

„Gemächer der Jünglinge… Sieht mir eher nach einer Badeanstalt aus. Was ist das für ein Zeug!?“ Dwight gesellte sich ebenfalls zu seinen Freunden und lehnte seinen Kopf an Phelias‘ Schulter.

„Ein Teil der Gemächer. Wir haben recht viele Räume für uns. Das so genannte Zeugs ist ein Honig- Milchbad, das mit exotischen Essenzen angereichert wurde. Macht die Haut zart wie ein Babypopo.“, säuselte er und rieb sich genießerisch über die Bauchmuskeln.

Gabriel konnte nur verständnislos blinzeln.
 

„Seid ihr übergeschnappt? Wisst ihr was die Styx Society mit uns vorhat?“ Phelias lächelte träumerisch.

„Natürlich. Uns wird morgen die große Ehre zu Teil, mit unseren Körpern und unserem Blut den Lunari Incubus zu stärken.“ Gabriels Kinnlade fiel fast aus den Angeln.

„Ehre?! Du wirst morgen gekillt!“

Alle drei Jungen sahen ihn verärgert an.

„Für uns ist es eine große Chance die menschliche Schuld gegenüber den ehrwürdigen Vampiren zu begleichen, die sich unsere Vorfahren aufgeladen haben. Wir alle sind treue Mitglieder der Society und sind dankbar, dass sie uns ausgewählt haben.“, erklärte Tyson tadelnd. Gabriel schüttelte nur den Kopf und ließ sich gedankenverloren in eine Hocke gleiten.

Seine Freunde gehörten also auch zu den Verrückten? War die Organisation denn überall? Phelias setzte sich vor ihn und strich ihn sanft über den Kopf.

„Ich verstehe, dass du verzweifelt bist. Aber du darfst die Opferung keinesfalls als etwas Verderbliches ansehen… Wir schenken unsere Kraft dem Lichtbringer, damit er überleben kann. Morgen, in jener besonderen Nacht, wird die Macht der Vampire anwachsen und unser schöner Gebieter erhält die Fähigkeit unsere Seelen in sich aufzunehmen.“
 

Die tröstenden Worte Phelias drangen nicht zu ihm durch. Er wollte das alles nicht wahr haben. Er wollte nicht sterben… Gabriel versuchte seine Angst runter zu schlucken und schaute zu dem vierten Jüngling, den er nicht kannte.

„Wer ist das?“ Phelias folgte mit seinem Blick und seufzte.

„Er kommt aus einem Zuchtlager und hat keinen Namen. Wir rufen ihn Eleven, weil er eine tätowierte Elf auf seinem Fußknöchel trägt… Armer Kerl…“

„Was ist mit ihm?“

Wieder entrann Phelias ein Seufzen.

„Der Lunarie Incubus hat sich mit ihm etwas die Zeit vertrieben… Der Kleine hat sich bis in beide Ohren in ihn verknallt.“ Gabriel sah zum Eleven rüber. Er schien sie belauscht zu haben, denn als Lucions Titel fiel, neigte dieser träumerisch lächelnd seinen Kopf und eine zarte Röte zog sich über dessen Wangen.
 

Wie kann man sich nur in diesen schrecklichen Vampir verlieben, dachte Gabriel angestrengt. Doch dann rief er sich seine eigene Begegnung mit dem Lichtbringer in Gedanken. Die weiße Haut, unter den silbernen Haaren mit den mystisch glänzenden, verschiedenfarbigen Augen… Dieser hungrige Blick…

Gabriel gab ein leises Keuchen von sich, als ihm die Fantasien vom Bankett wieder einfielen, die Lucion in sein Bewusstsein gesät hatte. Wieder spürte er den Zug einer Kette an einem imaginären Lederhalsband. Seine Fantasie schien ein Eigenleben zu entwickeln und sich selber auszubauen.

Er sah sich wieder in jenem unbekannten Saal mit den vielen Menschen, doch diese beachtete er nicht. Allein dem silberhaarigen Vampir, zu dessen Füßen er saß, galt seine gesamte Aufmerksamkeit. Genüsslich schloss er die Augen, als er spürte, wie Lucion ihm durchs Haar strich. Bittend legte er seinen Kopf auf dessen Schoß und nahm die Liebkosungen gierig entgegen. Eine tiefe Hitze schoss durch seinen Körper und sein Blut war dabei sich an einer bestimmten Stelle zu sammeln.
 

„Gabriel?!“, rief eine Stimme entsetzt und riss ihn wieder in die Realität.

„Was zum Teufel machst du da?“

Gabriel blinzelte verwirrt und bemerkte, dass er sich tief in die Halsbeuge seines Freundes geschmiegt hatte. Hastig wich er zurück und die Schamesröte schoss ihn in den Kopf.

Was hatte Lucion, dieser verdammte Bastard nur mit ihm angestellt?!
 

-tbc-

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So das war es erstmal XD bis zum nächsten mal ^^ und danke für eure Kommis

Ephra in Bedrängnis

Hallo alle zusammen ^^
 

Da bin ich wieder mit einem neuen Kapitel. Ich schreib nicht mehr so viel weil ich müde bin XD Also viel Spaß beim lesen
 

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Kapitel 6: Ephra in Bedrängnis
 

Die Hälfte der Nacht war fast vorbei und eine zarte rosa Linie teilte den noch fast schwarzen Himmel, von der erwachenden Erde. Gabriel sah die Schönheit der sterbenden Finsternis nicht, zu weit war er in seinen eigenen Gedanken versunken, die düsterer wahren als es eine Nacht je sein konnte. Auch wenn das Gemach, in dem er saß sehr warm beheizt war, waren seine Glieder der Kälte anheim gefallen. Seine Schultern und sein Kreuz schmerzten vom stundenlangen regungslosen Sitzen am Fenster. Er hatte keine Ruhe gefunden, denn einige Stunden später um diese Zeit, würde er nicht mehr existieren. Die unendliche dumpfe Leere war immer weiter angewachsen, umso näher die Zeit des Banketts kam. Die Vorstellung allein, zu sterben war schon schlimm, aber das Wissen, dass auch seine Seele erlöschen würde machte es unerträglich.
 

Er war nie ein großartiger Kirchgänger gewesen, hatte auch nur im Entferntesten über die Existenz der Seele nachgedacht, doch jetzt… Er war Vampiren begegnet, hatte erfahren was sie für eine Macht haben konnten…

Das wenige Wissen was er über die Seele besaß, war das sie der einzige unsterbliche Teil des Menschen war. Doch diesen würde er an ein Monster verlieren, dass das Gesicht eines Engels besaß.
 

Er blinzelte einige Male und trat mit seinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Es musste doch einen Weg geben zu entkommen. Er wollte nicht sterben! Sein Blick glitt in die Tiefe und er erhaschte die Lichtstriemen der Autos, welche die Straßen überfüllten. Ob die Menschen dort Unten wussten, was sich in ganz New Halen abspielte? Dass sie insgeheim von Gestalten beherrscht werden, die in Fantasiegeschichten gehörten? Wohl kaum. Verschwörungstheoretiker schienen Recht gehabt zu haben, dass die Menschen von einer geheimen Organisation beherrscht wurden, auch wenn sie sich in diesem Fall nicht um die Illuminati handelte. Gabriel zog seine Beine an sich ran und legte übermüdet seinen Kopf auf die Knie. Wenn er sich so umsah, konnte er kaum glauben, dass es heute Abend endgültig aus war. Jegliche Realität wurde von Prunk und Luxus erstickt. Die Gemächer der Jünglinge erinnerten ihn an einem Harem. Jeder Raum schien jeden Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Wie ihn das ankotzte! Gabriel war von Geburt an, an Reichtum und Überfluss gewöhnt. Er hatte es einerseits gehasst und gleichzeitig genossen, doch das alles hier schien zu viel. Für ihn war es einfach nur das Grauen, verpackt in eine goldene Hülle.
 

Seine Freunde schienen das alles anders zu sehen. Er erkannte sie gar nicht wieder. Tyson und Phelias waren so fröhlich. Sie lachten und scherzten, dabei waren sie ihm eigentlich sehr ähnlich. Jedenfalls hatte er es gedacht. Doch war dies alles nur Fassade gewesen? Auch Dwight war alles andere als ein Sonnyboy. Gabriel kannte ihn als ernsten und starren jungen Mann, der dickköpfig auf seiner eigenen Meinung beharrte. Er war das Abbild seines Vaters, in dessen Fußstapfen er treten wollte.

Gabriel schien in eine total verkehrte Welt geraten zu sein. Er kam sich vor wie in einem Paralleluniversum. Aber so, wie Enolas Schlag wehgetan hatte, musste es real sein. Vorsichtig fuhr er sich über die Wange auf der sich ein schwacher blauer Fleck gebildet hatte. Nur nach einer kurzen Berührung zuckte er zusammen. Sie tat noch immer weh… ja alles war so unerträglich real…
 

Auch wenn er immer wieder dran zweifelte. Besonders dieser Eleven machte es ihm durch sein verhalten schwer. Er saß einfach nur da und stierte mit entrücktem Blick an die Decke, manchmal verformten sich seine Lippen zu einem schüchternen Lächeln. Gabriel beobachtete ihn eine Weile und mit der Zeit vielen ihm immer mehr seltsame Details an Elevens Körper auf, die er vorher nicht bemerkt hatte.
 

Er war nicht hässlich, im Gegenteil. Von ihm ging etwas Exotisches aus, das Gabriel nicht einordnen konnte. Eleven hatte ein schmales Gesicht, mit etwas weit auseinander stehenden Mandelaugen, eine schräge Stirn und eine schmale sanft geschwungene Nase. Er war ziemlich groß und schlank und besaß lange zierliche Gliedmaßen… Reichlich seltsame Proportionen, wie Gabriel fand. Er musste sich eingestehen, dass dieser befremdliche Kerl ihn neugierig gemacht hatte. Vielleicht sollte er mit ihm reden um sich etwas von seinen düsteren Gedanken abzulenken?

Ach was soll’s? , dachte er sich und stand auf.
 

„Hey…“, sagte Gabriel leise. Elevens Reaktion verwirrte ihn, denn sie trat nur sehr beschwerlich und nach etlichen Sekunden auf. Der glückselige Ausdruck verschwand und enttäuscht senkte der junge Mann den Blick, ohne Gabriel Aufmerksamkeit zu schenken.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, versuchte er nach zu haken. Endlich hob Eleven den Blick und schaute ihn groß an.

„Du… bist einer der Schuldigen, oder?“ Gabriel verzog zerstreut das Gesicht.

„Schuldigen?“

„Einer der Menschen, die außerhalb der Society leben und den Tribut an die ewig Wandelnden verweigert… Einer jener, die nicht verstehen…“

Elevens Stimme glich fallenden Schnee. Sie war sehr leise und in ihr schwang ein leicht apathisch wirkender Ton. In Gabriel stieg die Galle hoch. Was machte die Styx Society nur mit den Menschen?

„Ich bin mir keiner Schuld bewusst!“ Auf Elevens Lippen erschien ein seichtes Lächeln,

„Wie solltest du auch… Keinem der Außenstehenden ist das. Einige erkennen von selbst, andere werden unwissend sterben. Aber wir alle werden unsere Schuld abtragen, jedoch nur die es freiwillig tun werden den größten Lohn erhalten. Wir Auserwählten sind es, die das größte Glück leben dürfen…“ War das die Ideologie der Styx Society?

„Ich weiß ja nicht, ob ich es so bezeichnen würde. Du bist doch einer dieser so genannten Zuchtjünger. Ihr werdet eingepfercht, gezwungen euer Blut zu geben und wie Müll behandelt!“
 

Ein kurzes Schweigen entstand. Eleven sah Gabriel mit großen Augen an und legte den Kopf schief, doch dann füllte sich seine Mimik mit Mitgefühl und Geduld.

„Das ist völliger Humbug, mein Freund. Wir werden nicht eingepfercht, sondern leben schon seit dem Beginn, an der Seite der ehrwürdigen Vampire. Dafür, dass wir ihnen unser Blut opfern, geben sie uns Futter und halten jegliche Bedrohung fern.“ Er legte vertraut eine Hand auf die von Gabriel. Doch dieser erschrak bei der Berührung.

Elevens Haut war warm, fast schon heiß, als hätte er Fieber.
 

„W-Was ist mit dir?! Bist du krank!? Du glühst ja!“

„Aber nein, mein Freund. Das ist völlig normal. Ich wurde so gezüchtet.“, gluckste Eleven nur und wirkte dabei so unnatürlich beglückt.

„G-g-gezüchtet?“ Gabriel schluckte. Er schien wirklich in einem Horrorfilm gelandet zu sein.

„Ja, warum hießen wir sonst Zuchtjünger? Ich sagte ja bereits, wir dienen den Gebietern schon seit dem sie sich das erste Mal den unwürdigen Menschen offenbart haben. Sie bringen uns mit den geeignetsten Partnern zusammen, damit unsere Nachkommen die besten Werte aufbringen. Die Gebieter sagen, wir sind eine andere Art Mensch und nennen uns Donor.“

„Du bist doch wahnsinnig! So was ist krank! Wie kann euch das so einfach am Arsch vorbei gehen!? Hallo, sie züchten euch, um euch zu töten!“ Wieder erntete Gabriel eine Reaktion die völlig surreal und nicht angebracht war: Ein belustigtes Lachen.
 

„Nein, nein, sie töten uns doch nicht. Sie stillen ihren Durst an uns und wenn sie gesättigt sind, werden wir zurück in unsere Gemächer in den Kellergewölben gebracht. Nur der Lichtbringer nimmt auch unser Leben, aber das muss er tun, damit er selbst überleben kann. Sein Hunger ist so groß, dass ein Donor meist nicht ausreicht…“ Gabriel konnte einfach nicht mehr zuhören und wandte sich ab. Wie konnte man glücklich sein zu sterben!? Wie konnte man sich nur “züchten“ lassen!? Er musste hier raus! Irgendwie! Einfach nur weg! Er hatte genug auf eine Gelegenheit gewartet, doch diese würde nie kommen. Er musste es selbst in die Hand nehmen und das am besten auf der Stelle.
 

Schnell stand er auf und lief kopflos davon. Er dachte nicht nach, nur allein der Fluchttrieb schien ihn zu beherrschen und seine gesamte Selbstkontrolle gefressen zu haben. Auch dachte er nicht daran, dass die Gemächer der Jünglinge überwacht werden würden. Er-musste-raus!!!
 

„Hey, Gab! Du bist so bleich? Ist irgendwas nicht in Ordnung?!“, fragte Tyson, der mit Phelias und Dwight im benachbarten Raum saß und sich über ein üppiges Mahl hermachte. Gabriel beachtete sie gar nicht und ging schnellen Schrittes auf die nächste Tür zu.
 

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Verschlafen blinzelte Ephra in das noch spärliche Licht der Morgensonne. Ein leises Stöhnen entwich ihm. Es war jedes Mal das Gleiche mit den Vorbereitungen des heiligen Banketts. Sie waren kräftezehrend und meist erst im letzten Moment beendet. Früher war es noch recht unkompliziert gewesen… Ein sanftes Lächeln schlich sich auf seine mürben Züge, als er an damals dachte.

Es war erst gut neunzig Jahre her, als das erste Bankett zu Ehren Lucions stattfand. Dieser war damals noch ein kleines Kind gewesen.
 

Bei der Erinnerung ging ein leichter Ruck durch seinen Körper und mit klopfendem Herzen fuhr er an die Schublade seines Arbeitstisches. Schnell glitt seine Hand durch Bleistifte und andere Schreibutensilien und brachte alles in ein heilloses Durcheinander. Doch das war ihm in diesen Moment egal. Er suchte etwas, dass ihm sehr viel bedeutete, aber irgendwann in seinen Sachen untergegangen war. Die Erinnerungen hatten einen Blitz durch seinen Geist geschickt und riefen ihm nun die Existenz dieses Etwas wieder ins Gedächtnis. Ungeduldig schob er seinen Arm weiter in die Schublade und als seine Fingerspitzen ein hartes Papierstück berührten erhellte sich seine Miene triumphierend.

Lächelnd zog Ephra es hervor und ein altes zerknicktes Foto kam zum Vorschein. Auf diesem befand er sich selbst, mit einem ca. sieben jährigen Kind auf seinem Schoß, jedenfalls sah der Körper des Kindes aus wie der eines sieben jährigen Jungen. Doch in Wahrheit war er doppelt oder wahrscheinlich dreifach so alt. Ephra konnte es nicht mehr genau sagen.
 

Zärtlich fuhr er mit den Fingern über das Abbild des kleinen Jungen mit dem frechen Grinsen und den strahlenden verschiedenfarbigen Augen, die freudig unter einer silbernen Mähne hervor lugten.

Es war Lucion in seiner Kindheit zur Zeit seines ersten Banketts. Ephra erinnerte sich noch genau, als dieses Foto aufgenommen wurde, auch wenn es schon so viele Jahrzehnte zurück lag. Gleich nach der Aufnahme hatte sich der kleine Lucion an seiner Kleidung hochgezogen und ihm einen Kuss auf die Wange gegeben. Eine Erinnerung nach der anderen flutete Ephras Geist und trieb ihm leichte Feuchtigkeit in die Augen.

Damals war alles anders gewesen, damals… Zu jener Zeit nannte er seinen kleinen Bruder immer noch bei dem Namen, mit dem dieser geboren war: Narziss… Obwohl er offiziell schon lange nicht mehr so hieß. Auch Lucion war in seiner Art ganz anders gewesen. Ephra gab zu, sein kleiner Bruder war schon immer ein wenig auf sich selbst bezogen, doch hatte dieser Lachen können…

Ja, Ephra erinnerte sich noch genau daran… Lucions sanftmütiges unbeschwertes Lachen, mit dem er ihm immer aufgeheitert hatte.
 

In der Nacht vor dem ersten Bankett hatte Lucion große Angst gehabt, erinnerte sich Ephra schwach lächelnd. Der Kleine hatte ihm einen großen Schreck eingejagt, als dieser plötzlich in völliger Dunkelheit zu ihm unter die Decke gekrochen war.

„Darf ich bei dir schlafen, Ephra? Bitte, Bitte…“, bettelte Lucion und seine Augen waren von Tränen gerötet.
 

So hatte Ephra seine erste Nacht damit verbracht, Lucion zu trösten und das war gar nicht so einfach gewesen.

Blinzelnd löste er sich aus seinen Gedanken und wischte eine feuchte Träne vom Foto, die er nicht unterdrücken konnte. Zwischen dem Lucion damals und dem heute lag ein himmelweiter unterschied. Wie war es nur so gekommen? Warum hatte sein kleiner Bruder plötzlich darauf bestanden nicht mehr Narziss genannt zu werden? Warum hatte er sich immer mehr zurückgezogen und angefangen alle Lebewesen um sich herum als wertlose Objekte zu sehen?

Des Nachdenkens müde legte Ephra seine Stirn in seine Hand und seufzte. Das alles würde er wohl nie erfahren. Es schmerzte ihn sehr, für Lucion nicht mehr als ein auswechselbarer Bediensteter zu sein… Lucion hatte ihn einfach kalt ausgesaugt, obwohl er wusste, dass sein großer Bruder so gut wie am Ende war…
 

„Wie kann es sein, das der große Meister Ephraim so ratlos aussieht? Ist unser schöner Gebieter unzufrieden mit dir?“, erklang plötzlich eine Stimme neckisch dicht vor ihm. Ephra bemühte sich gar nicht aufzusehen, sondern lächelte nur.

„Du kommst reichlich spät, Jerome… Lucion wäre enttäuscht gewesen, wenn du nicht gekommen wärest.“
 

Jerome schmunzelte nur süffisant, umrundete langsam den Schreibtisch und setzte sich gemächlich auf eine Kannte.

„Verzeih mir, meine Geschäfte laufen momentan etwas zu gut. Ich musste meine Kräfte sammeln… Apropos Geschäfte. Wie ich sehe, könntest du meine Dienste auch gut vertragen. Bist wohl seit geraumer Zeit nicht oft zum Trinken gekommen, hm?“

Ephra legte grinsend seinen Kopf schief.

„Lucion ist in letzter Zeit etwas aktiv gewesen und ich habe für ihn den Sanguar gespielt. Wie du dir vorstellen kannst ist das gar nicht so einfach, wenn der Körper selber kein Blut produziert.“

Jerome schlug die Beine über einander und beugte sich leicht über Ephra.

„Deswegen sollte man auch immer einen von uns Sangs in der Nähe haben, meinst du nicht auch?“

Ephra starrte wie hypnotisiert auf den Hals des Sanguars und leckte sich begierig über die Lippen.

„Ja… Doch leider sind die eurer Art selten. Aber ich bezweifle, dass ihr euch mehr eurer eigenen seltsamen Art wünscht.“, Ephra blinzelte zusammennehmend. Erst jetzt merkte er wie ausgehungert er war. Es war wirklich viel Zeit seit seinem letzten “Snack“ vergangen. Er atmete tief durch um nicht die Kontrolle zu verlieren, doch Jeromes unterschwelliges Angebot war so verlockend.
 

„Oh, wie Recht du hast, Meister. Es gäbe nur lästige Konkurrenzen und ich bin keines Falls gewillt, meine Gunst bei Lucion zu verlieren. Er schätzt mein Blut und das bringt mir viel ein. Viele Lamia bezahlen unermesslich viel Geld, um ihre Lippen dort anzulegen, wo der ehrenwerte Lunarie Incubus an mir saugte… Hast du nicht auch das Bedürfnis?“

Ephra leckte sich begierig über die Lippen und schaffte es nur noch schwer Jeromes Worte auf zu nehmen.

„Die Gerüchte, die unter den hohen Herrschaften kursieren scheinen sich zu bewahrheiten…“, schmunzelte Jerome und sah dem Lamia dabei anzüglich in die Augen. Ephra schüttelte leicht den Kopf, um wenigstens etwas Kontrolle über seine Triebe zu behalten.

„Gerüchte?“, wiederholte er benommen.

„Ja, es heißt, dass Ephra, der auch der Bluthund genannt wird, seine Wildheit verloren hat. Der Ring der Zeitalter bestärkte das Gerede auch noch, weil du dich schon seit Jahrzehnten nicht mehr hast blicken lassen. Was wohl meine Kunden sagen würden, wenn sie erführen das der Bluthund nicht mehr in der Lage ist seinen eigenen Durst zu stillen?“, lächelte Jerome spöttisch und beobachtete, wie Ephras Gesicht sich vor Zorn verzog.
 

„Wie können sie es wagen?! Ich bin der Wächter des Lunarie Incubus! Ich trage die Verantwortung unserer gesamten verdammten Gesellschaft auf den Schultern!“ Die Pupillen des Lamia drängten sich zu schmalen Schlitzen und die Farbe der Regenbogenhäute färbte sich zu finsteren Tönen.

„Und du, mein Lieber…“ fügte er drohend hinzu und packte Jerome unsanft an den Haaren, dass dieser leicht aufschrie. Unerbittlich zog er den Jüngeren zu sich rann, so das seine Lippen fast das Ohr berührten.

„Das Gesetz besagt zwar, das Sanguare unantastbar sind, aber durch den Umstand, dass die Styx Society im Besitz des Lunarie Incubus ist, macht uns vom Ring der Zeitalter unabhängig. Die Society macht ihre eigenen Regeln und das heißt für dich, dass du mir gegenüber lieber die Zunge hüten solltest!“ Ohne weitere Worte stieß Ephra seine spitzen Zähne in Jeromes Hals. Dieser lächelte jedoch nur und schloss genüsslich die Augen.

„Das weiß ich, Meister. Ich wollte dein wahres dunkles Gesicht hervor locken, das du hinter dieser Maske aus Gutmütigkeit verbirgst. Du solltest sie öfter fallen lassen, sonst könnte der Ring der Zeitalter in Versuchung geraten dich zu entmachten…“
 

Ephra stutzte auf.

„Was sagst du da?“ Jerome stützte sich etwas am Lamia ab und richtete sich leicht auf.

„Es laufen schon seit langem Dinge hinter deinem Rücken, von denen du nichts ahnst… Sättige dich ruhig an mir, Meister. Ich werde dir alles Weitere mitteilen, wenn dein Hunger gestillt ist…“, flüsterte er und senkte seinen Kopf so, das Ephra nur das Haupt neigen brauchte. Im Hals des älteren Vampirs herrschte plötzlich eine unangenehme Trockenheit und der Appetit war ihm vergangen, nichts desto trotz musste er trinken um wieder zu Kräften zu kommen.
 

Nach wenigen Minuten leckte er über die Wunde, die er Jerome beigebracht hatte, worauf diese sich langsam zu schließen begann. Seufzend drückte er den Kleineren von sich und strich ihm entschuldigend durch das dunkelblonde Haar.

„Verzeih mir meinen Ausbruch. Und nun erzähl mir alles was du weißt. Was ist mit dem Ring der Zeitalter?“ Jerome rutschte wieder etwas weiter auf die Tischplatte und schaute Ephra ernst in die Augen.

„Du weißt doch, was seit der Geburt unseres schönen Gebieters am laufen ist, oder?“, fragte der Jüngere vorsichtig und vernahm ein säuerliches Auflachen seines Herren.

„Natürlich! Alle hohen Herrschaften, Lamia, Adlige und sogar Mitglieder des Rings bemühen sich um die Aufmerksamkeit Lucions. Sie alle sind wie die Aasgeier und buhlen um seine Gunst. Es ist wirklich schwer sie alle von ihm fernzuhalten.“

„Genau so ist es. Dadurch hat der Gebieter euch sehr viel Einfluss über unsere Gesellschaft gebracht. Du sagtest ja selbst, die Styx Society ist dadurch unabhängig von dem Ring der Zeitalter. Genau genommen ist es sogar so, das die Society mehr Einfluss hat, als der Ring. Im Prinzip ist er nur noch für die Sachen da, um die sich die Organisation nicht kümmert.“
 

Ephras Augen blitzten belustigt auf und er stützte seinen Kopf seitlich auf die Hand.

„Sie sind selbst Schuld. Hätten sie meinen Vater damals nicht gestürzt, hätte er nie die Society gegründet.“ Jerome machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Nun anscheinend wollen sie das ganze wiederholen. Genau wie dein Vater damals, wirst du dem Ring zu mächtig. Sie haben Angst, dass du den Lunarie Incubus zu sehr beeinflussen könntest…“

Seufzend erhob sich Ephra und schritt langsam um seinen Stuhl herum. Genervt richtete er seinen Blick zum Fenster.
 

„Das alte Problem schon wieder… Ich werde aus den Ältesten nicht schlau, nun ist es doch wirklich beinahe zu spät. Lucions Metamorphose ist fast vollendet. Sie können nichts mehr erreichen. Ich habe versucht Lucion so zu erziehen das er nur das tut, was er für richtig hält“ Sein Blick wurde schmal und bitter. Ja seine Erziehung war ein voller Erfolg, nur leider nicht so wie er es sich vorgestellt hatte…

„Trotzdem haben sie nicht aufgegeben. Solange unser Messias noch nicht zum Gott gereift ist haben sie eine Chance. Du weißt wie schwach der Lunarie momentan ist! Ich habe gehört, dass der Ring der Zeitalter die Society unterwandern will. Es heißt, sie hätten sogar die Verbannung der Kalyhten aufgehoben und ihnen erlaubt unsere Länder zu betreten!“ Jeromes Worte wurden immer eindringlicher und verfehlten ihre Wirkung nicht. Ephra fuhr hastig mit schock geweiteten Blick herum.

„Sag dass das nicht wahr ist! Haben die Mitglieder des Rings komplett den Verstand verloren, diese Kannibalen auf uns zu hetzen!? Und das ohne Absprache mit der Society!“

„Ephra, selbst wenn sie dir bescheid gesagt hätten, wäre es Sinnlos gewesen. Die Kalyhten sind auch Vampire und haben das Anrecht auf den Gebieter vor allem, weil Lilia… seine Mutter eine Kalythe war und noch dazu nicht irgendeine…“

„Ich weiß, ich weiß, Jerome. Du brauchst mich nicht daran erinnern. Ich verstehe nur das Vorgehen, des Rings einfach nicht… Die Kalyhten erheben schon Lange Anspruch auf Lucion. Sie werden nie mit dem Ring zusammen arbeiten… Wenn mein Bruder ihnen in die Hände fallen sollte, wären wir alle verloren.“
 

Jerome wollte gerade seine Meinung dazu äußern, als plötzlich die Tür zu Ephras Büro hastig aufgerissen wurde.

„Meister! Vergebt mir mein respektloses Eindringen, aber einer der Jünglinge ist getürmt!“, sagte ein Wachmann und glitt dabei panisch in eine demütige Verbeugung. Ephra rang mit seiner Fassung und mit seinem aufwallenden Zorn krallte er seine Finger fest in die Lehne seines Stuhls.

„WAS!?“

„Es ist der schmächtige Junge mit dem violett gefärbten Haarschopf.“ Der Lamia fauchte leise im Angesicht dieser überflüssigen Auskunft.

„Ich hoffe stark, das ihr eine Suchaktion eingeleitet habt?! Dieser Jüngling ist der wertvollste von allen!“ Der Wachmann zuckte leicht zusammen und schluckte schwer.

„Eine Suchaktion wird nicht nötig sein, Herr. Wir wissen wo er sich befindet. Es ist nur…“

„Ja?“, flüsterte Ephra nur in gefährlicher Ruhe.
 

„Es ist nur… Er befindet sich im dritten Untergeschoss. Wir können dort nicht rein, weil die Larven in der Phase des Schlüpfens sind. Es wäre Selbstmord!“ Der Lamia wurde aschfahl und setzte sich langsam wieder in seinen Stuhl.

„Scheiße… Was sollen wir jetzt nur tun?! Die Draugr können wir auch nicht runter schicken, sie würden die Larven einfach fressen!“ Jerome fuhr Ephra leicht durchs Haar.

„Du kannst mich runter schicken. Ich bin zwar kein Lamia, aber ein geborener Vampir. Sie werden in der Aura keinen Unterschied spüren.“ Ephra sah mit ungläubigen Augen am Sanguar hoch.

„Es mag schon sein, das sie dich nicht anrühren werden, aber ihr Gestank. Du wärst Ohnmächtig, bevor du überhaupt zwei Schritte tun könntest!“

„Meister, du vergisst, dass ich nicht so einen guten Geruchsinn habe wie ein Lamia. Ich bin zwar nicht erpicht drauf, an solch einen widerlichen Ort zu gehen, aber ich möchte nicht, das mein geliebter Gebieter um seinen Spaß betrogen wird.“, sagte Jerome mit einem Zwinkern.
 

„Gut, wenn du so willst...“, sprach Ephra mit einem Nicken und wandte sich dem Wachmann zu.

„Führe ihn hinunter, aber so schnell es geht!“
 

♣~♠~♣~♠~♣~♠
 

Nervös und völlig außer Atem wischte Gabriel sich den Schweiß von der Stirn. Das kalte Metall des Fahrstuhls, in dem er sich befand kühlte seine erhitzte Haut, die nicht von seinem seltsamen Gewand bedeckt wurde.

Endlich hatte er diese Typen abhängen können!
 

Als er aus den Gemächern der Jünglinge geflüchtet war, dauerte es auch nicht lange, bis er die Security auf den Fersen hatte. Nur weil er sich immer wieder versteckte und andere Richtungen nahm konnte er seinen Häschern entgehen, doch leider hatte er sich durch diese Strategie völlig verlaufen. Irgendwann stand er vor einer alten eisernen Tür auf der ein riesiges “Betreten verboten“- Schild prangte. Wenn solch ein Schild auf den Stockwerken war, wo ohnehin nur erwählte Leute hin durften, musste diese Tür zu Gängen führen die so gut wie nie benutzt wurden. Und wirklich, hinter ihr befand sich ein riesiger verstaubter Korridor, der alles andere als günstig beleuchtet war. Eine einzige fensterlose Strecke, die nur gerade ausging und ihr Ende an einem Fahrstuhl fand, in diesem Gabriel nun saß.
 

Wie lange er nun schon so dicht in die Ecke gedrängt hockte, wusste er nicht. Es wunderte ihn, dass der Lift an keiner Etage anhielt sondern immer weiter fuhr. Gut, so war es auch besser. Hier würde er vorerst sicher sein… Dennoch schwang sein Blick besorgt zur Armatur, die nur aus einem Knopf bestand. Scheinbar war dieser Lift nur für zwei Etagen vorgesehen. Es gab auch keinen Display, der anzeigte wo Gabriel sich gerade befand. Sehr seltsam. Er nutzte die Zeit um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er hatte keine Ahnung, was in ihn gefahren war, so überstürzt zu flüchten.
 

„Dein Wille zu leben…“, antwortete er sich selbst und seufzte. Ephras Worte klangen ihm noch warnend im Hinterkopf:

„Wenn Lucion etwas beschlossen hat, wird es so geschehen. Glaub mir, du entkommst ihn nicht, egal wo du bist. Seine Draugr würden dich finden…“

Na, das werden wir ja sehen, dachte er scharf. Ein lautes “Ping“ ließ Gabriel erschrocken zusammen fahren. Er schaute hoch zur Fahrstuhltür, über der eine rote leuchte angesprungen war. Anscheinend hatte seine Reise in die Tiefe endlich ein Ende gefunden. Knarzend öffnete sich der Ausgang und eine heiße Woge aus feuchter Luft und Gestank erfüllte die kleine Kabine. Würgend fuhr er sich mit den Händen an Mund und Nase um sie vor den beißenden Geruch zu schützen, doch es war zwecklos. Nun hatte Gabriel die Wahl: Entweder er wagte sich in die stinkende Dunkelheit, oder er ging wieder zurück zu den Vampiren, zurück zu diesen verrückten Lucion… Gabriel schüttelte sich und machte energisch einen Schritt vorwärts, dann den nächsten. Er ahnte, das was vor ihm lag, höchstwahrscheinlich der Tod war. Aber langsam gewann seine Verzweiflung die Oberhand. Lieber wollte er so sterben, als sein Leben und seine Seele zu verlieren!
 

Der Fahrstuhl hinter ihm schloss sich und somit verschwand die einzige Lichtquelle. Zusammennehmend schloss er die Augen und konzentrierte sich, doch dies war gar nicht so einfach. Es war so heiß und schwül und seine nackten Füße sackten leicht im glitschigen Boden ein. Er wollte gar nicht wissen worauf er stand. Die Übelkeit saß ihm im Hals und war kaum zu ignorieren, doch er nahm sich zusammen. Vorsichtig schritt er voran und stieß schon bald an eine Wand, die sich genauso wie der Boden anfühlte: Warm und schmierig. Zudem war sie mit irgendwas überwuchert. Trotz all seines Ekels griff er fester an die Wand und erfühlte unter dem feuchten Belag ein altes Mauerwerk. Gabriels Herz machte einen Sprung, vielleicht war dieses Gewölbe so alt, das es mit dem alten Kanalisationssystem von New Halen verbunden war! Das hieße, er hätte noch eine Chance hier raus zu kommen!
 

Er faste neuen Mut und schritt weiter durch die Dunkelheit, doch alle paar Meter hielt er an, ob ein Luftzug oder irgendwas Ähnliches zu spüren war. Doch erfolglos. Seine Augen gewöhnten sich zusehends an die Dunkelheit und schon bald konnte er graue und schwarze Schemen erkennen, die er als Ecken und Nischen identifizierte. Was war das nur für ein grausiger Ort?! Diese Frage sollte sich schneller beantworten, als es Gabriel lieb war. Er blieb ein weiteres Mal, wie so oft stehen um zu fühlen und zu lauschen, als er plötzlich ein merkwürdiges Geräusch vernahm. Von ganz weit her hörte er, dass etwas über den Boden gezogen wurde. Immer wieder und das ziemlich ruckartig. Dazu ertönte immer wieder ein angestrengtes Keuchen. Gabriel wollte sich gerade wieder in Bewegung setzen, als von einer anderen Ecke schwere schlurfende Schritte erklangen.
 

Hier war irgendwas im Gange! Schnell wandte Gabriel sich um, denn in ihm machte sich ein drückendes Gefühl der Angst breit. Seine Füße verfielen von einem vorsichtigen gehen in ein höheres Tempo, bis er anfing zu laufen. Immer schneller bis er plötzlich über eine Erhebung stolperte und fiel. Stöhnend landete er auf dem Rücken und wollte sich sogleich wieder aufrappeln, aber etwas lenkte ihn ab. Die dunkle Erhebung, die er in der Dunkelheit kaum erkennen konnte, bäumte sich kurz auf und erwachte zum Leben. Keuchend zog sich das Etwas über den Boden zu Gabriel und packte sein Bein.
 

Dies war zu viel. Panisch schrie er auf und versuchte sich tretend von der spindeldürren Hand zu befreien. Die Bestie kreischte auf, als sie getroffen wurde. Diese Chance nutzte Gabriel! Strauchelnd fuhr er auf und rannte los.

Ich muss hier raus, ich muss hier raus, ich muss… dieser Satz war das einzige was er denken konnte. Völlig außer Kontrolle stieß er gegen Wände, als er erneut gefangen wurde. Zwei Arme die scheinbar aus dem Nichts kamen, zogen ihn zu einem grindigen Ungetüm, welches seine Zähne in seinen Unterarm grub. Gabriel schrie wie am Spieß, als sich der Kiefer des Monsters fest um seinen Knochen schloss und dran zu reißen begann. Dies war sein Ende! Diese Biester würden ihm am lebendigen Leibe zerfleischen. Sein ganzer Körper zitterte vor Angst und Schmerz, trotz seiner Lage wehrte er sich und haute mit seiner freien Hand gegen den knotigen Kopf des Ungetüms… vergeblich…

Gabriel fühlte, dass sich viele dieser Wesen um ihn versammelt hatten. Eines war gerade dabei sich an seinem Bein zu verbeißen, als plötzlich ein Feuerschweif die Dunkelheit zerriss.
 

„Nimmt eure verwesten Pfoten von dem Jungen!! Er gehört eurem Herrn!“, brüllte wütend ein braungebrannter junger Mann mit dunkelblondem Haar. Die Bestien jaulten qualvoll auf und ließen von ihrem Opfer ab. Gabriel sackte zu Boden und hielt sich den blutenden Arm. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er die Gestalten erblickte, welche ihn da angegriffen hatten. Es waren unförmige Wesen, welche eine menschliche Statur anmuten ließen. Ihre Körper waren verquollen und von einer toten Haut überzogen, die teilweise verwestes Fleisch freigab. Hastig robbte er von den Biestern weg und stieß gegen das Bein, des jungen Mannes, der noch immer mit flammenden Fäusten da stand.

„Alles in Ordnung, Kleiner?“, fragte dieser freundlich, dennoch blieb Gabriel misstrauisch.

„Wer bist du?“

„Ich bin Jerome Garrison. Ephra hat mich geschickt, um dir den Arsch zu retten.“, meinte Jerome im vergnügten Plauderton.

„Also heißt das wohl, dass mein Ausflug hier zu Ende ist?“, fragte Gabriel gleichgültig, worauf sein Gegenüber belustigt lächelte.

„So ist es. Komm mit, dann werden wir deine Wunden versorgen. Der Lunarie wird zwar nicht gerade begeistert sein, aber zum Glück ist alles andere ja heile geblieben.“ Stumm nickend gab Gabriel sein Einverständnis zu gehen, doch als Jerome sich umdrehen wollte ging er in die Hocke und riss seinem Retter die Beine weg.

„Naiver Idiot! Ich bin so weit gekommen, denkst du, da lass ich mich von euch Spinnern wieder einfangen?! Ephra, Lucion und diese beschissene Organisation können mich mal kreuzweise!“, donnerte Gabriel, während er an Jerome vorbei lief und schliddernd um eine Ecke bog.
 

Da! Vor ihm erhob sich ein großes vergittertes Loch, das zur Kanalisation führte. Erstmals in seinem Leben war er dankbar dafür, dass er so klein und zierlich geraten war. Begünstigt durch seine völlig feuchte Kleidung konnte er sich schnell zwischen den Gitterstäben hindurch zwängen und seine Flucht vorsetzten. Eiligst lief er die rundlichen Gänge lang und bog einige Male ab, damit dieser Typ ihn nicht so schnell wieder einholen konnte. Von weiten her hörte er plötzlich lautes Brüllen und das Rauschen eines gewaltigen Brandes. Oh, oh, da war jemand sauer.

Hastig sah er sich um und entdeckte eine metallene Leiter die nach oben, zu einem Gully führte. Ohne zu zögern kletterte er sie hinauf und drückte mit aller Kraft gegen den Deckel. Er rührte sich nicht… In Gabriel stieg Panik auf, denn er hörte Jeromes wütende Stimme und seine schnellen Schritte, die immer näher kamen. Erst jetzt sah er die beiden Griffe an denen man drehen musste. Mit letzter Kraft zog und drückte er. Endlich! Der Gully bewegte sich ein Stück. Unter Keuchen und Stöhnen schaffte er es den Deckel beiseite zu schieben. Erschöpft kroch er aus dem Loch und wollte schon eine Pause machen, als er unter sich Jerome stehen sah.
 

„Sei froh, dass ich dir nicht an den Kragen darf, sonst hättest du dir längst eine gefangen!“ Japsend rappelte Gabriel sich auf und lief los. Das gab’s doch nicht! Warum mussten alle Vampire so anhänglich sein!? Hastig schaute er sich um und stellte fest, dass er sich in einer Gasse befand. In der Ferne hörte er Stimmengewirr. Da musste er hin! Er war sich sicher, dass ihm dort jemand helfen konnte. Doch kaum das er um die Ecke gebogen war, stieß er mit jemandem zusammen.

„Nicht so stürmisch, junger Mann. Na was ist denn mit dir passiert. Du zitterst ja am ganzen Leib.“ Gabriel schaute zu einem Mann mittleren Alters hoch, der ihn mit geschlossenen Augen freundlich anlächelte.
 

„Bitte helfen sie mir! Ich werde von Vampiren verfolgt!“

„Vampire?“, wiederholte der man stutzig und erst jetzt begriff Gabriel, wie idiotisch er sich anhörte. Bloß momentan war ihm das völlig egal und er klammerte sich verzweifelt an dem Mantel des Mannes fest.

„Halten sie mich meinetwegen für verrückt, aber bitte helfen sie mir!“ Der Mann mit dem langen weißen Haar strich beruhigend über Gabriels Kopf.

„Du bist ja völlig verwirrt, mein Sohn. Aber keine Sorge, verrückt bist du nicht. Uns Vampire gibt es überall…“ Geschockt schaute Gabriel auf und blickte in zwei verschiedenfarbige Augen, die denen von Lucion glichen. Eines golden, das andere leuchtend grün! Er vernahm einen geschockten Laut hinter sich und erkannte Jerome, der starr vor ihnen stand. Angst und Panik spiegelte sich in seinen Augen wieder.
 

„T-Taris?!“

„Erstaunlich, dass man trotz langer Verbannung noch so bekannt ist.“, lächelte der silberhaarige Mann, dabei blitzten scharfe Zähne auf. Seine Hand glitt auf die Schulter Gabriels, worauf dieser vor Furcht erstarrte. Der Griff von Taris glich einem Schraubstock.

„I-Ich warne Euch! Lasst den Jungen in Frieden! Er gehört dem Lunari Incubus!“ Taris hob interessiert eine Augenbraue.

„Ach tut er das? Wirklich ein hübscher Jüngling, aber anscheinend könnt ihr nicht richtig auf ihn aufpassen. Vielleicht sollte ich ihn vorerst in Gewahrsam nehmen, um ihn heute Abend Lucion zu überreichen?“, sagte er spöttisch, worauf Jerome mit einem wütendem Fauchen antwortete.

„Nur über meine Leiche! Und falls Ihr diese Lösung in Erwägung zieht, solltet Ihr wissen, dass ich ein Günstling des Messias bin! Er wird Euch töten noch bevor er überhaupt erfährt wer Ihr seid! Zudem seit Ihr noch nicht einmal zum Bankett geladen!“
 

Gabriel verstand wie so oft in letzter Zeit nur die Hälfte, aber so wie es aussah befand er sich in gewaltigen Schwierigkeiten.
 

~tbc~
 

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*gg Da habe ich euch mal wieder ein paar Brocken hingeworfen, die noch keinen Sinn ergeben, aber vielleicht gibt es einige, die sich was zusammen reimen können. Ich meine, so undurchsichtig ist die Story nicht (noch nicht)^.^ Ich freu mich schon auf eure Meinung. Bis zum nächsten Mal
 

byby

Gebrochen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Das Bankett (Teil 1)

Hallo Alle zusammen ^^

und viel Spaß XD
 

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Kapitel 8: Das Bankett Teil 1

Kalt lagen seine Handschellen auf seiner blassen Haut, von denen Gabriel seinen Blick nicht abwenden konnte. Ein letztes Mal würde er seinen Vater und seinen Bruder sehen. Aber wenn er ehrlich war, würde er da drauf am Liebsten verzichten, doch es war seine letzte Chance ihnen seine Meinung zu sagen. Ein leichtes hämisches Grinsen legte sich auf seine Lippen, denn diese Tat würde eine kleine süße Genugtuung werden. Er würde kein Blatt vor den Mund nehmen.

Schweigend hatte Ephra den Jüngling zwei Etagen höher geführt. Er spürte förmlich was in diesem Jungen vorging. Zwischen all der Hoffnungslosigkeit, glühte plötzlich bittere Freude. Plante der Kleine etwas? Ephra lächelte leicht. Nein, Gabriel plante nichts. Er freute sich nur ungeheuerlich auf irgendetwas. Sie schritten einen weiteren Gang entlang und Gabriel konnte von Weiten das Gewirr von Stimmen vernehmen. Anscheinend war der Festsaal nah. Bestätigung fand Gabriel als er seinen Blick voraus schweifen ließ und eine große breite Flügeltür erspähte. Ephra indes wandte sich zu Gabriel um. Ihm war der neugierige Blick nicht entgangen.

„Dort wirst du vor den Lichtbringer treten aber vorerst, erwartet dich deine Familie hier.“

Der große Dunkelhaarige deutete auf eine Tür zu seiner rechten und öffnete sie.

„Familie…“, raunte Gabriel abfällig und trat ein, gefolgt von Ephra.
 

In dem kleinen gemütlichen Raum saßen Senator Rougen und Raphael, die erstaunt aufsahen. Gabriel sagte nichts sondern musterte seinen Bruder nur, der aussah wie ein geprügelter Hund. War das seine Strafe dafür gewesen, das er Lucion so respektlos gegenüber getreten war? Im Innern bedauerte Gabriel, dass die Strafe nicht härter ausgefallen war.
 

„Gabriel!“, rief der beleibte Mann und versuchte vergnügt zu klingen, aber man sah ihm an, dass er sich unwohl fühlte. Immer wieder glitten seine Augen zu Ephra und der Schweiß lief ihm über die Stirn. Gabriel bemühte sich gar nicht erst, seine Wut zu verbergen.

Mit verschränkten Armen und einem grimmigem Lächeln stand er dem Mann gegenüber, der ihn sprichwörtlich verkauft hatte.

„Das ihr beiden dreckigen Ärsche euch traut mir noch mal unter die Augen zu treten.“, wisperte er und starrte den Senator hasserfüllt an. Dieser erwiderte den Blick und Nervosität stand in seiner Mimik.

„Versteh doch, mein Sohn. Es ging nicht anders!“ Gabriel schloss zusammennehmend die Augen und ließ sich die Worte durch den Kopf gehen. Wieso zum Teufel fühlte er sich schon wieder wie in einem schlechten Film? Irgendwie wurde ihm dieser Vergleich langsam überdrüssig…

„Nenn mich nicht Sohn… denn sonst müsste ich diese Missgeburt weiterhin Bruder nennen.“

Raphael fuhr knurrend auf, doch noch im selben Moment wurde er von Ephras kalter Mine eingefangen.

„Pass auf wie du dich in der Gegenwart eines Jünglings verhältst.“, zischte er scharf. Ein kurzes Lächeln umspielte Gabriels Lippen. Schade, dass es solch eine Situation nicht schon früher gab.
 

„Ihr ahnt nicht, wie sich mir der Magen umdreht, wenn ich eure Visagen sehe! Besonders von dir alten raffgierigen Mann. Du hast die Leben deiner beiden Kinder verschachert, nur damit du auf deinem Posten bleibst…“ Senator Rougen schluckte schwer. Er konnte auf diese Anschuldigungen nichts erwidern, doch straffte er seinen Rücken und sah streng auf seinen Sohn herab.

„Wie sprichst du mit mir?! Du bist reichlich undankbar, findest du nicht? Habe ich dir jemals etwas abgeschlagen?! Habe ich dir nicht jeden deiner Wünsche erfüllt, egal wie kostspielig er war?“ Gabriel ballte die Fäuste. Ging das schon wieder los! Ja sein Vater hatte ihm immer alles gegeben, aber nie das was er wirklich brauchte. All das viele Geld, das für ihn ausgegeben wurde, war für ihn im Nachhinein wertlos.
 

„Du enttäuscht mich wirklich, Gabriel. Ich habe immer dafür gesorgt, dass du im Überfluss lebst, dies ist der Society zu verdanken. Unsere Familie dient der Organisation schon seit ihrer Gründung. Trage dein Schicksal mit Würde, wie es sich für einen Rougen gehört! Auch mein Bruder, war an deiner Stelle gewesen und er war verdammt stolz!“ Gabriel riss ungläubig die Augen auf.

Also war er schon seit seiner Geburt eine Figur im diesem kranken Spiel der Vampire?!

„Ist dir klar, das du alle deine Nachkommen der Organisation geopfert hast?!“ Der Senator lehnte sich mit geschlossenen Augen im Sessel zurück und lächelte leicht.

„Nicht geopfert, Gabriel, nicht geopfert. Mit Raphael findet unsere Familie endlich Erlösung vom Menschendasein. Und du bist der letzte Tribut, mein Junge. Mit dir hat die Familie Rougen ihre Schuld abgetragen.“

Gabriel biss die Zähne zusammen und die Verzweiflung kroch in ihm hoch. Auch sein Vater war also völlig übergeschnappt!

„Ein Tribut wofür!? Was für Schulden!?“ Gabriels Vater öffnete die Augen wieder und starrte kurze Zeit vor sich hin.
 

„Seit vielen Jahrhunderten tobte ein Krieg zwischen Mensch und Vampir. Ein sinnloser Krieg, dessen Grund schon lange in tiefen der Zeit verloren gegangen ist. Die große Gottheit Lilithu Lamina schickte ihren Sohn um diesen Schlachten endlich ein Ende zu bereiten. Er war ein Geschenk an uns alle, doch die dummen Menschen verstanden es nicht, sahen den neuen Gott sogar als Bedrohung. Und es passierte das, was immer geschah wenn den Menschen etwas fremd war… Sie vernichteten ihn, in einem verwundbaren Moment. So beschwor unsere Art den Zorn von Lilithu. Sie gab ihr Leben hin, damit ihr Sohn wiederkehren konnte, doch dieses Mal sollte er keinen Frieden bringen, sondern die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen. Davon habe ich gesprochen Gabriel. Jeder Mensch, der auf Erden wandelt, trägt diese Schuld.“
 

Die Wut in Gabriel schwoll immer mehr an, doch versuchte er seiner Sinne Herr zu bleiben. Wenn sein Vater wenigstens den Anstand gehabt hatte ihn auf sein Schicksal vor zu bereiten, aber nein.

„W-Was ist mit Briar? Steckte er auch mit euch unter einer Decke.“ Die Vorstellung allein, dass sein Butler und gleichzeitiger Vaterersatz auch mit drin stecke machte es unerträglich. Der Senator gab sich einen kurzen Augenblick dem Schweigen hin und starrte abwesend in den Raum.

„Ja… Auch Briar war mit in die Sache verwickelt. Allerdings…“ Sein Blick wurde wieder klarer und richtete ihn fest auf seinen Sohn.

„Allerdings, stellte sich seine Loyalität als nicht ganz so zuverlässig raus. Er hatte versucht dich hier raus zu holen… Bedauerlicherweise mussten wir ihn aufgrund dessen beseitigen.“ Ein Ruck ging durch Gabriels Körper und seine geballten Fäuste zitterten. Die Worte seines Vaters schnitten ihm wie ein kalter Dolch in sein Herz. Briar war… tot?

„Mörder…“, wisperte er mit bebender Stimme, auch wenn er nicht sonderlich höflich mit Briar umgesprungen war, so war er doch der einzige Vertraute in seinem Leben gewesen. Tränen quollen aus seinen Augen hervor und er schluckte schwer. Dann nahm er sich jedoch zusammen und schaute mit finsterem Blick auf. Die Worte, die sich in seinen Sinn drangen, wollte er nicht zurückhalten.
 

„Raphael und Senator Michael Rougen… seid froh, dass mein Leben heute ein Ende findet, ansonsten würde ich euch an euch blutige Vergeltung üben. Ephra, bring mich bitte hier weg, ich habe genug. Bringen wir das ganze hinter uns.“ Der schwarzhaarige Vampir nickte nur lächelnd. Was für ein illusteres Aufeinandertreffen. Er hatte geglaubt, dass Gabriel weinend um den Hals seines Vaters fallen würde, aber da schien er sich geirrt zu haben. Am Ende stellte sich der Junge nicht als das Muttersöhnchen heraus, wie er es am Anfang von ihm gedacht hatte.

„Leider wird das ganze nicht so schnell ablaufen, wie du es dir wünscht, Gabriel. Lucion will sich mit dir noch etwas vergnügen, deshalb triffst du früher auf ihn, als die anderen Jünglinge.“
 

Gabriel wandte sein Gesicht ab. Das hatte er keineswegs vergessen… Es schauderte ihn, als er daran dachte, wieder die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Er erinnerte sich noch genau daran, wie es war in Lucions Armen zu liegen und wiederwillig zu schmelzen, während in seinem Körper die Panik tobte. Es war einfach nur bizarr…
 

Leidlicher Weise musste Gabriel feststellen, das Vater und Bruder ihm folgten. Es war logisch, da ja auch sie am Bankett teilnahmen. Er wandte sich kein einziges Mal zu ihnen um und doch spürte er den Blick seines Vaters in seinem Nacken. Ephra legte seine Hände auf die Klinken der großen Flügeltür, von der die lauten Stimmen drangen. Mit Schwung öffnete er sie und Gabriel musste zunächst seine Augen vor grellem Licht schützen. Denn im Vergleich zu den zwielichtigen Fluren war der Festsaal heller. Noch bevor sich seine Augen an das Licht gewöhnten, ahnte Gabriel, was ihn erwarten würde. Ein pompöser Saal, der mit allerlei goldenem Kitsch überfüllt war. Und er sollte Recht behalten. Als sich sein Blick klärte, stach ihm die Aufmachung des Raumes förmlich die Augen aus.
 

Die Decke war eine einzige große gläserne Kuppel, die den Blick auf einen ungewöhnlich großen violett verfärbten Mond freigab. Gabriel erinnerte sich daran, dass vor einigen Tagen von diesem Phänomen im Fernsehen berichtet wurde, welches seit etwa neunzig Jahren jährlich auftrat. Im Nachhinein war der Festsaal doch nicht so stark beleuchtet, wie es zunächst gewirkt hatte, denn man konnte den Mond gut erkennen, mit all seinen Nuancen, wie es bei hellem Licht nicht möglich gewesen wäre. Gabriel bekam eine Gänsehaut, denn der große Himmelskörper wirkte so, also würde er sich direkt auf sie zu bewegen… oder bildete er es sich nur ein? Die Nacht des violetten Mondes war immer eine seltsame Zeit, denn mit jedem Jahr schien die Natur bei diesen Phänomen mehr verrückt zu spielen. Letztes Jahr herrschten weltweit starke Stürme… außer in New Halen…
 

Gabriel schloss die Augen um sich von der bedrohlichen Aura des Mondes los zu reißen, doch die Gesellschaft, die sich unter ihm versammelt hatte, wirkte nicht anders. Er ließ seinen Blick über die düstere Zusammenkunft gleiten. Egal wohin er auch sah, erblickte er kalte, scheinbar perfekte Wesen, die sich anmutig zur festlichen Musik bewegten. Ironischer Weise konnte man genau erkennen welche Menschen waren und welche nicht… all jene die unsicher und nervös zusammen gedrängt standen. Schaudernd biss sich Gabriel auf die Unterlippe. Dies alles war die reinste Farce! Die Menschen waren zwar geladene Gäste, aber nur zu einem Zweck… zur Belustigung der Vampire. Abrupt wurden Gabriels Gedanken von Ephra unterbrochen, der sanft seine Hand auf die Schulter des Kleineren legte und still in eine bestimmte Richtung nickte. Fragend folgte Gabriel dem Deut und erblickte einen leeren Thron am anderen Ende des Saals. Erschrocken weiteten sich die Augen des Jünglings, denn es war genau der Thron, den er in der Vision gesehen hatte. Ein ausladender prunkvoller Stuhl, der aus einem einzigen filigran gearbeiteten Goldgestell bestand, dass ein großes Kissen umfasste. Es sah so aus, als sei der Thron so bearbeitet, das man ihn auch als Diwan nutzen konnte.
 

Aus dem Augenwinkel bemerkte Gabriel, dass sich ihnen ein junger Mann näherte, der sich anschließend respektvoll vor Ephra verneigte. Mit beiden Händen trug er ein großes rotes Samtkissen auf dem zusammen gerollt eine massive goldene Gliederkette lag. Schluckend beobachtete Gabriel, wie Ephra die Kette nahm und ihn zu sich ran zog.

„Habt ihr mich nicht schon genug demütigt?“, fragte der Kleinere leise und erhielt ein dezentes Kopfschütteln zur Antwort.

„Hättest du dich bereitwilliger gezeigt, wäre dies nicht nötig…“ Ephra stockte und sah einen Moment nachdenklich zur Seite, dann wandte er sich mit bitterem Lächeln dem Jüngeren zu.
 

„…Jedoch in Anbetracht deiner Situation, hätte Lucion wohl die Kette auch gern als kleines Extra an dir gesehen. Er hat so seine Vorlieben, weißt du…“ Zweifelnd sah Gabriel am Lamia hoch. Aufmunterungen erhoffte er sich nicht, aber er hätte Ephra etwas mehr Taktgefühl zugetraut. Seufzend packte der Schwarzhaarige, Gabriel am Halsband und befestigte die Kette mit einem leisen Klick.

„Befolge einfach nur meinen gut gemeinten Rat und sei artig. Umso mehr wird dir Lucions Spiel Freude bereiten.“ Gabriel ließ seinen Kopf hängen und schnaubte leise. Konnten alle nicht allmählich damit aufhören seine Situation schön zu reden? Seine Verzweiflung wuchs dadurch nur noch mehr.
 

Senator Rougen indes achtete gar nicht auf die Gemütslage seines jüngsten Sohnes und trat begierig näher um von Ephra die goldene Kette entgegen zu nehmen, doch dieser zog seine Hand aus der Greifrichtung des dicklichen Mannes. Erstaunt sah der Senator auf.
 

„Für gewöhnlich ist es üblich, dass die Eltern die Jünglinge zum Lichtbringer führen, doch in Gabriels Fall… Er wurde vom Gebieter als Gespiele ausgesucht. Deshalb sollte kein niederer Mensch ihn zum Thron führen.“ Stirnrunzelnd bemerkte Gabriel, das Ephra ihn zu zwinkerte. Schön dass jemand versuchte ihm diese ohnehin schon demütige Lage zu erleichtern, aber davon konnte er sich auch nichts kaufen!
 

Ein leichter Zug an der Kette, war das unerbittliche Stichwort, dass die Zeit der wahren Erniedrigung gekommen war. Ephra ging voraus und zog Gabriel wie ein Hündchen hinter sich her. Die Vampire hielten in ihrem Tanz inne und wichen mit neugierigen Blicken zurück. Sie bildeten eine Schneise für Ephra, vor dem sie sich ehrfürchtig verneigten, doch ihre Blicke… lagen interessiert auf Gabriel. Er ballte unmerklich die Fäuste, denn ihm entging die Belustigung in den Augen der Umherstehenden nicht. Nein, dies war zu viel für ihn! Noch nie hatte er es ertragen können wenn man über ihn spottete. Automatisch straffte er seine Schultern und hob stolz das Haupt, als er die wenigen Stufen der Erhöhung hinauf stieg, auf der der Thron stand.
 

Nicht unweit von ihm stand Enola, die zunächst erstaunt, dann amüsiert drein schaute.

„Wie ein kleiner Prinz, der zum Schafott geführt wird.“, flüsterte sie und ahnte voraus, was Gabriels Gebaren nach sich ziehen würde.
 

Gut so, mein Kleiner. Schüre Lucions Hunger… so wird uns alle noch ein wollüstiges Schauspiel geboten, dachte sie süffisant grinsend und fuhr sich mit den Fingern erwartungsvoll über die Lippen. Auch wenn sie ihrem jüngsten Bruder noch so skeptisch gegenüber stand, so hatte sie jedoch gefallen an dessen sadistischen Spielen gefunden, welches er manchmal mit seinen Jünglingen trieb. Es war der Höhepunkt für alle in diesem Saal.
 

Ephra hielt vor dem einsamen Prunkstuhl inne und deutete neben diesen auf den Boden.

„Setz dich nieder. Du wirst nicht mehr lange warten müssen…“ Trotzig verschränkte Gabriel die Arme und ließ sich im Schneidersitz nieder, doch im gleichen Moment zuckte er zusammen. Der Boden war scheiße kalt!

Unmerklich grinsend beugte sich Ephra zur linken Armlehne des Thrones und befestigte Gabriels goldene Leine daran. Mit seiner widerspenstigen Körpersprache wirkte der Junge gerade zu niedlich. Ein Wort, das Ephra wirklich nicht oft in den Mund nahm.

„Viel Spaß.“, wünschte der Lamia Gabriel noch, worauf dieser mit schmalen Augen eine Grimasse zog. Missmutig sah er Ephra hinter her, der geradewegs auf die Flügeltür zuschritt, durch die sie den Raum betreten hatten. Gabriel schauderte leicht. Wahrscheinlich holte der Schwarzhaarige gerade diese verrückte Vampirtranse. Frierend zog er seine Arme noch etwas dichter an seinen Körper ran. Warum musste er hier auf dem kalten Boden sitzen, wenn er doch so wertvoll war. In Lucions Vision durfte Gabriel wenigstens auf einem weißen Fell sitzen…
 

Minuten verstrichen und der Jüngling ließ die Vampire nicht aus den Augen, die sich wieder ihrem illusteren Treiben hingaben. Dabei fiel ihm auf, dass sie einen großen Abstand zum Thron hielten.
 

Na toll… Womit hab ich das alles nur verdient, dache Gabriel seufzend und ließ sich sein ganzes Leben noch ein Mal durch den Kopf gehen. Er war doch eigentlich immer recht brav gewesen… sah man mal über diverse Schlägereien und Erpressungen von Strebern hinweg… na gut, dann war er eben nicht so brav gewesen. Seine Lehrer hatten ihn oft genug als ‚Schulhoftyrann‘ betitelt, aber was konnte Gabriel dafür, wenn alle meinten nach seiner Pfeife tanzen zu müssen.
 

Sollte dies hier eine Strafe für all seine kleinen Missetaten von irgendeinem ‚lieben Gott‘ sein? Sollte er daraus etwas lernen? Gabriel überlegte… Was hatte er bis jetzt gelernt? Die Antwort kam prompt. Es war öde und scheiße unbequem auf seinen Tod zu warten. Ob ihn jemand mal eine PSP bringen könnte?
 

Der Galgenhumor von Gabriel verzog sich jedoch schnell wieder, als sich die große Flügeltür erneut öffnete und alles verstummte. Schlagartig veränderte sich die Atmosphäre im Saal. Mit hocherhobenem Haupt führte Ephra seinen Bruder, der von seiner grotesken Brut flankiert wurde, in den Raum. Alle im Festsaal, ob Mensch oder Vampir neigten ihre Köpfe tief vor ihren Gebieter. Gabriel entwich alles an verbliebener Wärme und ein frostiger Schauer jagte ihm über den Rücken, als er die beiden Draugr erblickte. Sie riefen wieder die traumatischen Erinnerungen aus dem Untergrund hervor, die Gabriel schon fasst verdrängt hatte. Seine Furcht wuchs immer mehr, umso näher sie kamen. Zusammennehmend versuchte er sich auf Lucion zu konzertieren, von dem die eigentliche Gefahr ausging. Doch wie er diesen näher betrachtete, verschlug es ihm die Sprache.
 

Der Lichtbringer war ganz in weiß gekleidet und sein Gewand war dem von Gabriel gar nicht so unähnlich. Doch im Gegensatz zu ihm wirkte Lucions Aufmachung, züchtiger und erhabener. Er trug keine Lederbänder und Schnallen. Sein enganliegendes Oberteil war ebenfalls ärmellos, doch verdeckte es den gesamten Oberkörper, darüber trug er einen weiten lockeren Mantel, welcher ihm lose von den Schultern hinab floss. Erstaunt hob Gabriel eine Augenbraue, denn entgegen seiner Vermutungen, stellte sich Lucion als relativ gut gebaut her raus. Sein enges Oberteil betonte die schmale Figur und es waren sogar leichte Bauchmuskeln vorhanden. Um seine Hüfte trug der Lunarie Incubus ebenfalls einen kettenähnlichen Gürtel der einen fließenden Rock hielt, der im Gegensatz zu Gabriels geschlossen war. Natürlich fehlte auch der Schmuck nicht. Lucions Stirn wurde einem goldenen Reif geziert, drei weitere lagen um seinen Hals und um seine Oberarme ebenso. Seine silbernen Haare waren zu einem kunstvollen dicken Zopf geflochten der ihm lang über die Schulter hing und sein Pony war schief über das rechte Auge gekämmt.
 

Lucion hätte mit all dem weiß wirklich wie eine Gottheit des Lichts gewirkt, wären da nicht seine auffällig langen schwarz lackierten Fingernägel gewesen. Der Blick Gabriels verfinsterte sich und er machte sich darauf gefasst ein spöttisches Grinsen zur Begrüßung zu erhalten. In Ketten gelegt, musste er ja ein wunderbares Bild für diesen Blutsauger abgeben.
 

Doch entgegen seiner Erwartungen, würdigte Lucion ihm keines Blickes. Ephra positionierte sich rechts vom Thron und schaute abwartend zu seinem kleinen Bruder, der sich seinem Gefolge zuwandte.
 

„Lamia! Hoher Adel unserer Gesellschaft und Kinder aus meinem ersten Leben! Wieder einmal habt ihr euch hier eingefunden um zu sehen wie ich an Kraft wieder erlange und meiner Vollständigkeit näher komme. Schon bald wird der Tag gekommen sein, an dem die gestraft werden, die mir einst den Kopf abschlugen und mir das Herz raus rissen!“, erhob der silberhaarige Lamia seine kraftvolle Stimme und Gabriel schaute mit verzogenen Augenbrauen auf. In Lucions Mimik spiegelte sich Verbitterung wieder, etwas das irgendwie nicht zu ihm passte. Aus unerfindlichen Gründen stieg etwas Mitleid in dem Jüngling auf und er lauschte weiter.
 

„Ich sollte ihnen Frieden bringen…“ Eine Pause trat ein und Gabriel änderte schnell seine Meinung mit dem Mitleid für den Vampir. Denn Lucions Augen schmälerten sich und er lächelte spöttisch, dabei glitt er sich wollüstig mit den Fingern über die Lippen und öffnete sie etwas so, dass seine Eckzähne leicht sichtbar wurden.
 

„Ich sollte Frieden bringen, doch damals wie heute interessiert mich nur ihr Fleisch! Lamina Lilithu war eine schwache Mutter für unser Volk, eine Närrin! Ihre einzige vernünftige Tat war es, dass sie ihr Leben hingab, damit ich euch erneut führen kann… Lasst uns heute, hier den Tag gedenken an dem ich zurück zu euch- zu meinem Volk fand!“, endete Lucion und Gabriels Herz sprang vor Panik gegen seine Rippen. Na das unterschied sich aber gewaltig von der Story seines Vaters. Das dürfte den menschlichen Besuchern doch gar nicht gefallen! Doch als Gabriel seinen Blick den Publikum zuwandte musste er mit Grauen feststellen, das die Augen seiner Artgenossen leer und dumpf geworden waren- ganz als wären sie in tiefer Trance.
 

Ephra trat an Lucion heran. Es war Zeit für die kleine Einleitungszeremonie.

„Ephraim, Bruder… Stellvertreter meines Volkes…“, hauchte der Lichtbringer leise. Der Schwarzhaarige glitt langsam in die Knie und küsste den Saum des weißen Mantels von seinem jüngeren Bruder.

„Dein Volk heißt dich Willkommen, oh Messias…“, entgegnete er und spürte wie Lucion ihm kurz zärtlich durch die Haare fuhr. Ihm war klar, dass diese Geste lange nicht so warm gemeint war, wie sie sich anfühlte. Vorsichtig erhob er sich wieder und sah seinem Bruder in die Augen, die ihm wie immer mit Spott entgegen blickten. Seufzend hob er sein Handgelenk zum Mund und riss sich den eigenen Puls auf. Die Geste der Unterwerfung… die er diesmal als Repräsentant des Volkes zeigen musste. Zufrieden nahm Lucion das Gelenk in beide Hände, legte seine Lippen aber nicht sofort auf.
 

„Hoffst du deiner Strafe zu entgehen, Ephraim?“, hauchte der Lichtbringer leise, so das nur Ephra die Worte vernehmen konnte. Dessen Augen weiteten sich furchtsam, doch es war schon zu spät. Lucion schlug seine Fänge fester als nötig in den Puls und vergrößerte die Wunde so absichtlich etwas mehr. Ephra versuchte so gut es ging still zu halten. Er durfte sich dem nicht entziehen und zu gleich war es noch seine Aufgabe, aufzupassen, dass Lucion nicht mit seinem Blut besudelt wurde.
 

Die Nackenhaare von Gabriel stellten sich auf und sein Blick lag ängstlich auf dem Draugr, der sich neben ihm postiert hatte. Der Zweite stand auf der anderen Seite des Thrones. Gabriel drückte sich etwas näher an die Lehne um zwischen sich und der grausigen Kreatur etwas mehr Abstand zu bringen. Ihm war zwar bewusst, dass sie sich nicht rühren würden, doch verspürte er bei ihren Anblick panische Angst. Immerhin wurde ihm vor wenigen Stunden von einer Draugrlarve fasst der Arm abgebissen. Zusammennehmend kämpfte er gegen seine Furcht an und wandte sich wieder Lucion zu, der noch immer an seinem Bruder sog. Es schien, als würde er es extra in die Länge ziehen. Ephras geweitete Augen verrieten es.
 

Der Lamia kniff kurz die Augen zusammen, denn Lucions Biss schmerzte ungewöhnlich stark. Anscheinend hielt sein Bruder absichtlich den Speichel zurück, der die Haut betäubte und heilen ließ. Er versuchte durchzuhalten, sich nichts anmerken zu lassen und endlich löste Lucion seine Lippen. Lächelnd leckte er kurz über die Wunde und erlaubte ihr somit sich zu schließen.

„Nein… das war keine richtige Strafe…“, sagte der Silberhaarige leise und etwas Bedauern schwang in seiner Stimme.

„Es war mehr an eine Erinnerung… eine Erinnerung daran, dass ich es nicht dulde, wenn man meine Befehle missachtet. Sei es auch aus versehentlich.“

„Es wird nicht wieder vorkommen.“, hauchte Ephra und verbeugte sich, worauf Lucion nur leicht lächelte und sich wieder seinem Volk zuwandte.
 

„Durch Ephraim nahm ich euer Blut, seid euch meinem Segen gewiss. Lasst das Fest nun beginnen und andauern, bis die Zeit gekommen ist, in der sich meine göttlichen Kräfte offenbaren und ich mir die Seelen der Schuldbeladenen nehme…“, somit beendete der Lunarie Incubus die Einleitungszeremonie und beobachtete zufrieden, wie sich sein Gefolge vor ihm verneigte. Auch Ephra neigte sein Haupt und verließ die Erhöhung, um sich unter die anderen Vampire zu mischen. Seufzend ließ sich Lucion in seinem Thron nieder und lehnte sich gelangweilt zurück. Misstrauisch schaute Gabriel an dem Silberhaarigen hoch, noch immer schien dieser kein Interesse an ihm zu haben. Doch der Jüngling traute dieser Ruhe nicht.
 

Doch es geschah noch immer nichts. Lucion saß einfach nur da, schaute monoton in das Gemenge. Automatisch folgte Gabriel dessen Blick und bemerkte, dass der Silberhaarige Ephra zu beobachten schien. Der große Lamia unterhielt sich gerade mit Jerome, der nicht gerade glücklich aussah. Plötzlich spürte er wie eine Hand langsam durch sein Haar glitt und er fuhr ruckartig zusammen.
 

„Weißt du…, ich sollte dir eigentlich ganz langsam den Kopf von den Schultern reißen, meinst du nicht auch?“ sinnierte Lucion nachdenklich ohne auf Gabriel herab zu sehen. Trocken schluckte der Jüngling und schloss zögernd die Augen.

„I-Ich… wüsste keinen Grund. Aber hast du das nicht sowie so vor?“, sagte er entschlossen, doch konnte er ein leichtes Beben seiner Stimme nicht verhindern. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er die Finger seinen Wangenknochen entlang wandern spürte.

„Wegen dir musste ich Ephra Schmerzen zufügen…“ Nicht begreifend verzog Gabriel die Augenbrauen und sah auf. Diese Anschuldigung klang unlogisch, hatte es doch so ausgesehen, als wenn es Lucion Freude bereitete.
 

„Ich versteh nicht…“

„Musst du auch nicht…“ Nun verstand Gabriel gar nichts mehr, doch ehe er weiter fragen konnte, versteifte er sich, denn Lucions Finger wanderten zu seinem Nacken. Langsam wandte der Silberhaarige, Gabriel den Blick zu, so dass er direkt in das grüne und das goldene Auge schauen konnte. Ein leichtes Zittern ging durch seinen Körper, denn auf Lucions Lippen lag plötzlich das unheilversprechende spöttische Lächeln.
 

„Aber du hattest deine Strafe schon, nicht wahr? Dein kleines Rendezvous mit den Larven?“ Gabriels Augen weiteten sich und er wandte schnell den Blick ab. Er wollte nicht mehr daran denken, die Erinnerungen an die Hölle waren noch immer zu frisch. Unbewusst zog er die Beine an seinen Körper und schlang seine Arme um die Knie, so sah er nicht, das Lucions Lächeln nur noch breiter wurde.
 

Gabriel bemerkte wie der Draugr sich neben ihm regte. Plötzlich drang ein rasselndes Geräusch aus der Kehle des Ungetüms. Der Jüngling sah schnell hoch und noch im nächsten Moment schrie er auf. Der Draugr beugte sich zu ihm runter, wollte nach ihm greifen, aber Gabriel versuchte sich hektisch aufzurichten. Dabei verhedderte er sich in seiner Fußfessel und sackte erneut zu Boden. Panisch robbte er zurück, bis er mit seinem Rücken gegen etwas Weiches stieß. An seiner Hand spürte er ein Stück Stoff in das er sich unbewusst verkrallte. Sein Herzschlag erhöhte sich, denn der Draugr kam immer näher. Jetzt war es aus! Zittrig drückte sich Gabriel noch weiter gegen den Wiederstand in seinem Rücken, wandte seinen Blick ab und vergrub sein Gesicht in dem weichen fließenden Stoff. Er wartete darauf, das der Draugr in packte, ihn fortreißen würde, doch lange Zeit geschah nichts. Langsam beruhigte Gabriels Herz sich wieder, doch wagte er es noch nicht aufzusehen. Zudem spendete das, woran er sich auch immer festhielt, wohlige Wärme und es roch so angenehm.
 

Ein leises Kichern holte ihn ins Hier und Jetzt zurück. Verwundert sah er auf und ihm wurde bewusst, dass es Lucion war, der da lachte. Er machte eine leichte Handbewegung und der Draugr trat wieder zurück an seinen Platz.

„Anscheinend hast du an meiner Nähe doch gefallen gefunden…“ Gabriel stutzte und sah sich um. Perplex wurde ihm klar, dass er sich gerade hilfesuchend an Lucions Bein klammerte. Schnell ließ er ab und schob sich wütend von dem Silberhaarigen weg.
 

„Das warst du!“, knurrte der Jüngling, was Lucion jedoch nur zum Schmunzeln brachte.

„Natürlich war ich es, wer sonst?“ Der Lichtbringer beugte sich leicht über die Lehne, legte seinen Kopf auf seiner Hand auf und streichelte mit der anderen wieder durch Gabriels Haar.

„Wer sonst hier hat die Macht über die Draugr?“, fügte er leise hinzu und der Kleinere verspürte den Drang, die Hand weg zu schlagen. Jedoch unterließ er es. Wer wusste, auf was für komische Ideen dieser verrückte Vampir dann wieder kam. Eine seltsame Stille erstand und Gabriel wiegte sich in trügerischer Erleichterung, doch dann…
 

„Möchtest du… dass er sich umbringt?“, fragte Lucion belustigt und lächelte in die Augen die ihm entgeistert entgegen starrten. Gabriel schluckte leicht. Es war bestimmt eine Fangfrage…

„Wie soll sich etwas umbringen, das schon lange tot ist?“, wisperte er und sah wieder zu Boden.

„Tot?“ Lucion lachte leise.

„Nein, nicht tot… Sie sind genauso lebendig wie du und ich. Wenn ich es zuließe, würde er sogar ein eigenes Bewusstsein entwickeln… Er würde sich sogar an sein vorheriges Leben erinnern. Allerdings leiden Draugr dann sehr, weißt du? Sie betteln dann geradezu um ihren Tot, weil sie ihre hässliche seelenlose Gestalt nicht ertragen können…“ Schluckend blickte Gabriel dem Vampir in die Augen um zu prüfen ob er scherzte. Aber nein, Lucion meinte es ernst und wirkte dabei grotesk vergnügt. Dieses Verhalten war doch nicht normal, noch nicht mal für einen Vampir. Fröstelnd presste er die Arme an seinen Körper und dies lag nur zum Teil an seiner Furcht. Die Kälte des Bodens kroch unerbittlich in seine Glieder und sein Rücken schmerzte bereits. Er blinzelte nur kurz in die Gesellschaft und da wurde ihm bewusst, dass einige Vampire ihn mit verhaltenem Lächeln spöttisch ansahen.
 

Die meisten der geladenen Gäste beobachteten Gabriel immer wieder. Sie waren neugierig geworden, denn noch nie wurde nur ein Jüngling zum Gebieter geführt. Normalerweise war es so, dass der Lichtbringer von vielen jungen hübschen Männern umgeben war und sich mit diesen vergnügte. Die Neugier der Vampire wurde auch geweckt, weil der Kleine in Ketten vorgeführt wurde, jetzt wussten sie warum. Dieser Jüngling erwies sich als ungewöhnlich widerspenstig…
 

Die Blicke machten Gabriel immer nervöser. Es war alles so demütigend! Insgeheim wünschte er sich das alles endlich ein Ende haben möge. Wieder zog sich eine Kältewelle durch seinen Köper… Wie konnte das nur sein? Am Anfang war der Saal doch noch warm gewesen? Lucion entging das Zittern von Gabriel nicht. Er beobachtete den Kleineren eine Weile, doch dann hielt er ihm seine Hand entgegen. Erstaunt starrte Gabriel auf diese und verstand nicht was das sollte.
 

„Du frierst…“, sagte Lucion nur und machte mit seiner Hand einer fordernde Bewegung.

„Komm zu mir…“ Gabriel glaubte sich verhört zu haben und drängte sich kopfschüttelnd von dem Vampir weg. Das war doch sicher wieder ein Trick! Lucions Mimik blieb nichtsagend, doch funkelten seine Augen verräterisch. Noch im gleichen Moment fühlte der Jüngling den modrigen Atem des Draugr in seinem Nacken. Mühelos packte der Hüne Gabriel und setzte ihn einfach Lucion auf den Schoß. Perplex sah er dem Vampir in die Augen, denn das konnte er problemlos, weil er ihm mit der Vorderseite zugewandt saß. Erschrocken fuhr Gabriel auf, als der Draugr seine Fußfesseln packte und sie einfach so zerriss. Kaum war das passiert, trottete er zurück an seinem Platz als wäre nichts geschehen.
 

Schnell wollte Gabriel von Lucions Schoß rutschen, doch dieser hielt ihn fest und zog ihn sogar noch ein Stück an sich ran.

„Kälte ist nicht gut für Menschen. Sie schadet ihren Körpern… meinte Ephra einmal…“, sagte der Lamia und wirkte dabei wie ein kleines Kind, das etwas Gelerntes naiv rezitierte. Aber Gabriel achtete nicht darauf, er gab es auf zu verstehen was in Lucion vorging. Obwohl er von der Kälte erlöst wurde, zog sich seine Haut zusammen und seine Härchen stellten sich auf. Zwischen beiden herrschte eine seltsame Stille in der sie sich nur anstarrten. Gabriel wusste nicht was mit ihm geschah. Die neugierigen Blicke der Vampire, die scheußlichen Draugr, selbst das Gefühl der Demütigung schien nicht mehr zu existieren. Nur diese verschiedenfarbigen Augen, die ihn interessiert musterten. Es war das erste Mal das er sie so genau betrachtete. Irgendwas war an diesem Blick sonderbar. Ihm kam es nicht so vor, als würde er Lucion anstarren, sondern jemand völlig anderen!
 

Kein Spott, keine Grausamkeit und kein Irrsinn waren in ihnen zu lesen. Noch immer war dort diese dezente Kälte, doch auch etwas Weiches… Gabriel schloss die Lider und schüttelte leicht den Kopf.

Fall nicht darauf rein, es ist ein Trick, warnte ihn seine innere Stimme und er sah zur Seite.
 

„Na los, bringen es hinter uns… I-Ich will nicht mehr…“ Gabriel erhielt keine Antwort, doch er spürte wieder, wie Lucions Finger über seine Wange strichen. Was zum Teufel sollte das?! Sanft glitten sie über seinen Wangenknochen hinunter zu seinem Kinn, wo sie inne hielten. Ein leichter Druck zwang Gabriel dem Lamia wieder in die Augen zu schauen, die von einem süffisanten Lächeln unterstrichen wurden.
 

-tbc-

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Das Bankett (Teil 2)

Hi Schnuschis :D
 

So nach etlichen technischen Problemen mit meinem Computer kommt endlich das neue Kapitel. Ihr erfahrt endlich wer Taris ist ^_^
 

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Kapitel 9: Das Bankett Teil 2
 

Umso länger Gabriel dem silberhaarigen Vampir in die Augen starrte, desto träger fühlte er sich. Was war das nur für eine seltsame Ruhe, die plötzlich in ihm herrschte? Sein Herz schlug immer langsamer, doch die Kraft der einzelnen Schläge schien zu zunehmen. Sein Atem wurde etwas schwächer…
 

„Du willst nicht mehr? Seltsam… Dein Körper scheint aber nach dem Gegenteil zu verlangen.“, sagte Lucion spöttisch und in seinem Blick lag ein hungriger Glanz, der Gabriel faszinierte. Der Jüngling bemühte sich, sich von Lucion abzuwenden, die Augen zu schließen, aber es war vergeblich.

„Lass mich in Ruhe…“, wisperte er heiser und versuchte sich gegen diese seltsame Trägheit zu wehren. Lucion lachte nur leise im Angesicht dieser Widerspenstigkeit.

„Hinreißend, wie sich dein Geist, gegen deinen Körper wehrt. So etwas erlebe ich selten. Du gibst dich wie ein Krieger, dabei bist du nur ein verwöhntes Prinzchen.“

Trocken schluckte Gabriel und sog scharf die Luft ein. Was sollte das denn heißen?!

„Ich, ein verwöhntes Prinzchen? Was bist dann du?“ Insgeheim hatte er gehofft, etwas an Lucions überheblicher Maske zu kratzen, doch dieser sah nur selbstgefällig auf Gabriel herab.
 

„Ein verwöhnter Prinz, der alles bekommt was er will, wann er es will. Aber ich muss sagen, diese Rolle gefällt mir ausgesprochen gut.“ Der Finger der unter Gabriels Kinn ruhte, strich sanft den Hals hinunter und harkte sich in das lederne Halsband. Langsam zog Lucion den Jüngling weiter zu sich rann, bis seine Lippen nur noch einen Hauch von Gabriels Ohr entfernt waren.
 

„Alles was du bisher in deinem kleinen kurzen Leben gesehen hast ist Mein. Diese Stadt, sowie die Wesen die in ihr leben. Doch bisher hat nichts meine Gier derart entfacht, wie du. Ich frage mich nur wieso? Du bist nur ein kümmerlicher Mensch und dazu auch noch reichlich unterentwickelt. Vielleicht ist es deine Schönheit, die mich an die meinige erinnert?“ Endlich schaffte es Gabriel die Augen zu schließen. Er kniff sie regelrecht zu, um die aufkommende Wärme zurück zu halten, die Lucions raue Stimme in ihm wachrief.

„Narzisst…“, knurrte er und brachte damit Lucion zum Lächeln.

Du ahnst nicht, wie treffend du mit deiner Bezeichnung liegst, mein kleiner Prinz, dachte der Lichtbringer und blickte schmunzelnd in die zusammengekniffenen Augen. Erstaunt stellte er fest, dass sich auf Gabriels Wangen eine dezente Röte gebildet hatte.

„H-Hör auf mich z-zu beeinflussen!“, presste der Kleinere keuchend durch die Zähne hindurch.
 

„Bisher habe ich in dieser Richtung kaum etwas getan…. bist du etwa…, einer jener Menschen, die allein durch die Aura eines Lamias erregt werden?“ Auf Lucions Lippen breitete sich plötzlich ein entzücktes Grinsen aus.

„Bei den Zuchtjüngern ist dies eine wertsteigernde Eigenschaft, die leider nicht oft vorkommt. Das sie bei einem gewöhnlichen Menschen auftritt ist wahrlich selten…“
 

Erschrocken über Lucions Worte schlug Gabriel seine blauen Augen auf und starrte in den gierigen Blick des Lichtbringers. Dieser zog den Jüngling weiter an sich ran.

„Wenn dem so ist, bist du ein unbezahlbares Püppchen… Was meinst du, wie stark diese Affinität bei dir ausgeprägt ist?“, fragte er anzüglich lächelnd. Gabriels Herz verweilte immer noch in Trägheit, doch die Schläge waren so stark als kämpfte es ums überleben. Für einen Moment setzte es aus, als Lucion sanft seine Lippen auf die von Gabriels legte. Es war, als fuhr ein heiß kalter Blitz durch seinen Körper. Gabriel befahl seinen Gliedern sich loszureißen, doch sie entsagten sich völlig jeglichem Gehorsam. Endlich verlor Gabriels Herz seine Trägheit und schlug ihm wild gegen seine Rippen. Er konnte das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren hören.
 

Genüsslich bemerkte Lucion, wie die Finger seines Lieblings sich in seinem Gewand vergruben und dieser immer heißer wurde. Genießend ließ er seine Zunge langsam über die Lippen Gabriels gleiten, um diese im nächsten Moment zu teilen.

Dem Jüngling stockte kurz der Atem, als er Lucion in sich eindringen fühlte. Er wollte ihm auf die Zunge beißen, nur irgendetwas tun um sich zu wehren, aber es war zwecklos... Doch plötzlich stockte Lucion und sah verwundert auf.
 

„Was… ist das?“, fragte er neugierig und griff an Gabriels Kinn, welches er sanft nach unten zog, so dass der Jüngling gezwungen war den Mund zu öffnen. Er hob leicht eine Augenbraue, als er auf Gabriels Zunge eine silberglänzende Perle fand. Gabriel blinzelte etwas benommen. Hatte dieser Vampir noch nie ein Zungenpiercing gesehen? Der Jüngling wollte gerade etwas erwidern, als der Lunarie Incubus wollüstig lächelte.

„Körperschmuck… Du gefällst mir immer mehr, mein kleiner Prinz, weißt du das? Mit dir könnte man so viele schöne Sachen anstellen…“ Der Silberhaarige beugte sich lächelnd wieder zu Gabriels Gesicht und kurz bevor er diesen erneut küsste, wisperte er erregt:

„Wirklich schade, dass du als meine Mahlzeit enden wirst. Am Liebsten würde ich deine kleine Perle an meinem Glied spüren, wie du heiß daran leckst…“
 

Wieder spürte Gabriel, wie sein Körper von einem unsagbaren Sog ergriffen wurde und die Hitze ihm immer mehr zu Kopf stieg. Das konnte doch nicht sein!? Sein Körper schien tatsächlich auf diesen verrückten Vampir zu reagieren ohne, dass dieser etwas tun musste. Immer wieder fühlte Gabriel wie das Zungenspiel Lucions ihn völlig in Wallungen brachte. Aber dies wollte er nicht! Er war doch nicht irgendein Flittchen!
 

Wie ein Schwert drangen diese Gedanken durch Gabriels Benommenheit und er schaffte sich für einen Moment von Lucion weg zu drücken, dann ging alles ganz schnell. Ein knallender Laut zerschnitt die anrüchige Atmosphäre des Saals und alles wurde augenblicklich still. Die Gäste hoben verwirrt ihre Blicke zum Thron ihres Herrn. Lucion starrte ungläubig auf Gabriel, fuhr sich zögernd mit der Hand über die Wange und besah sich diese kurz, dann lag sein zweifarbiger Blick wieder auf dem Jüngling.
 

Gabriel konnte beobachten, wie der Unglaube tiefer Wut wich und Lucions Pupillen sich zu kleinen kalten Punkten verzogen. Die Hand, die ihn zuvor so zärtlich gestreichelt hatte, packte ihn mit ungeahnter Kraft bei den Haaren und zog seinen Kopf schmerzhaft in den Nacken, so dass Gabriel aufschrie.

„Niemand, in über neunzig Jahren hat es je gewagt, die Hand gegen mich zu erheben!“, knurrte Lucion wütend. Der Jüngling biss die Zähne zusammen, denn der Zug an seinen Haaren war so stark das es sich anfühlte, als wenn sich seine Kopfhaut jeden Moment lösen könnte. Trotz des Schmerzes und dem Bewusstsein, das sein Ende gekommen war, fühlte Gabriel seltsamerweise keine Angst…
 

„Niemand in über neunzig Jahren?“, wiederholte er pressend und zwang sich zu einem Lächeln.

„Dann wurde es ja Mal höchste Zeit!“ Gabriel wusste nicht, was plötzlich mit ihm los war, aber er spürte tief in sich einen leichten Triumpf. Man konnte Lucion doch aus der Fassung bringen. Aus dem Augenwinkel konnte Gabriel erkennen, wie sich der Zorn quer über das Gesicht des Silberhaarigen zog und es übte merkwürdigerweise eine tiefe Faszination auf ihn aus. Erst jetzt, wurde ihm bewusst wie schön Lucion wirklich war. Die Augen düster funkelnd vor Zorn, die vollen cremefarbenen Lippen die mit verzogenen Mundwinkeln leicht die perlweißen spitzen Zähne freigaben.

Lucions Griff verstärkte sich und Gabriel erwartete, dass sein Nacken jeden Augenblick mit einem knarrenden Ächzen zerbersten würde. Doch er lächelte weiter. Vielleicht wäre es besser auf diese Art zu sterben.
 

„Ich habe keine Ahnung, wie lange du schon lebst, aber du ähnelst einem verwöhnten Balg!“, stieß er mit letzter Kraft hervor und schloss die Augen. Entweder seine Halswirbel oder seine Kopfhaut…, eines von beiden würde jeden Moment nachgeben, da war er sich sicher.

Doch plötzlich ließ der Schmerz nach und erschöpft klappte Gabriels Kopf nach vorne. Schwer atmend schaute er auf und blickte in Lucions Augen, die ihn interessiert musterten. Verwirrt stutzte der Jüngling. Wo war dieser unbändige Zorn geblieben, der vor wenigen Sekunden noch das Antlitz des Silberhaarigen beherrscht hatte?
 

Nachdenklich lehnte Lucion sich zurück und ließ den Jüngeren nicht aus den Augen.

„Du magst Recht haben. Es ist kindisch, sich wegen dir aufzuregen…“ Dann lächelte der Silberhaarige plötzlich wieder, was Gabriel vollends irritierte. Schmunzelnd zog Lucion den Kleineren wieder zu sich ran.

„Du bist unwissend, wahrscheinlich auch nur dumm, mich verärgern zu wollen. Nie hat es jemand darauf angelegt… Seltsam, das dein Körper deinen Geist nicht bezwingt. Du bist wirklich ein faszinierendes Wesen. Du hast alle Voraussetzungen für ein perfektes Spielzeug…“
 

Gabriel schauderte es bei den Worten. Es war wieder so weit… Der verrückte Vampir heckte irgendetwas Abstruses aus, das ihm sicherlich nicht gefallen würde. Plötzlich japste Gabriel laut auf und sein gesamter Körper verspannte sich, als er Lucions Finger langsam seinen Oberschenkel hinauf streichen fühlte. Darauf gluckste der Silberhaarige amüsiert.

„Deine Haut ist eigentlich viel zu schade um die Hülle einer faulenden Kreatur zu werden.“ Hastig kratzte Gabriel den letzten Rest seiner Selbstbeherrschung zusammen und hob wieder seine Hand, doch dieses Mal kam Lucion ihm zuvor. Grinsend packte er das Handgelenk mit der freien Hand, während er mit der anderen weiterhin langsam über den Schenkel strich.
 

„So weich, glatt und weiß… als wenn du einer von uns wärst. Hmmmm….“ Gabriel spürte die Ansätze der Angst in sich hochkriechen, doch gleichzeitig erhitzte sich sein Körper immer mehr. Er spürte, wie Lucion seine gefangene Hand langsam zu seinen Lippen führte und lasziv über die Fingerkuppen leckte. Der Atem Gabriels stockte. Lucions andere Hand lag mittlerweile gefährlich hoch, doch für einen Moment hielt er inne.

„Du denkst, du könntest gegen deine Triebe ankommen?“ Der Jüngling zwang sich zu einem Grinsen.

„I-Ich denke es nicht nur, ich weiß es. Du wirst meinen Körper nie beherrschen!“ Ein gespieltes Seufzen, rann über Lucions Lippen und er lächelte, dann sah er direkt in die Augen des Kleineren. Er senkte sein Haupt dicht an das von Gabriel und verzog, dann spöttisch die Mundwinkel.

„Wollen wir wetten? Wenn du es schaffst standhaft zu bleiben bist du frei und wirst mich nie wieder sehen. Ich werde keinerlei Suggestion einsetzen.“ Blinzelnd wurde sich Gabriel der Worte bewusst. Das war seine Fahrkarte in die Freiheit! Immerhin war er ein zäher Knochen. Ohne weiter zu Fragen nickte der Jüngling.

„Deal!“ Noch im selben Moment verzog sich Lucions Mimik zu einem unheil versprechenden Grinsen und Gabriel beschlichen leise Zweifel, ob sein Handeln richtig war. Doch es war zu spät. Der Silberhaarige umspielte sanft die Lippen des Kleineren. Gabriel starrte entsetzt in die verschiedenfarbigen Augen, die lustvoll zurück blickten und sich langsam schlossen.
 

Dieser Kuss verwirrte ihn, denn er war weder besitzergreifend noch fordernd, wie er es erwartet hatte. Lucion ging geradezu liebevoll mit ihm um. Zuckend nahm Gabriel wahr wie ihm vorsichtig über die Wange gestrichen wurde, doch wurde ihm nicht bewusst, dass sein Körper sich langsam entspannte. Auch er schloss seine Augen, allerdings um seine Sinne beisammen zu halten. Die Tatsache dass seine Hand wieder frei war, bemerkte er jedoch nicht.

Kurz darauf teilten sich Gabriels Lippen und er presste fest die Augen zusammen.

Du musst Widerstand leisten, dann bist du frei, ermahnte er sich streng, doch… es fühlte sich so gut an… Er konnte nicht sagen was gerade mit ihm geschah, doch alles in seinen Körper schien zu rebellieren, zu flehen, doch wenigstens ein bisschen dieser Gefühle kosten zu dürfen.
 

Doch dann gestattete er sich für einen kurzen Moment das angenehme Unbekannte in sich aufzunehmen. Lucion würde es schon nicht merken… doch dieser merkte es sehr wohl, als Gabriel ein leises Aufstöhnen von sich gab. Eigentlich hätte er somit die Wette gewonnen, doch wollte er es deutlicher haben.
 

Langsam fuhr Lucion immer kräftiger über Gabriels schmalen Schenkel. Lächelnd stellte er fest, dass der Jüngling es kaum bemerkte. Der Silberhaarige trieb sein Spiel unmerklich an, so dass Gabriel kaum wusste was mit ihm geschah.
 

Im Kopf des Jünglings begannen sich die Gedanken zu drehen und alles wirbelte durch einander. Überall stieg erwartungsvolle Wärme in ihm auf und wandelte sich bald in pochende Hitze. Was war das, was Lucion mit ihm tat!? Es fühlte sich so wahnsinnig gut an. Einen Moment zuckte er zusammen, denn er spürte die Hand Lucions unter seinem Rock, wie sie langsam seinen Hintern zu kneten begann. Zusehens wurde der Rhythmus stärker. Gabriel wusste, das er sich beschweren sollte, doch noch immer küsste ihn der Silberhaarige so innig, das es ihm den Atem raubte und zudem… fühlte sich das alles so gut an! Es schien als würden sich diese Gefühle in ihn türmen und einen unglaublichen Druck erzeugen!
 

Triumphierend spürte Lucion wie Gabriel sich plötzlich dem Kuss entgegen lehnte und dieser seine Finger tief in sein Gewand grub. Sogar seine Zunge nahm er bereitwillig auf. Der Silberhaarige selbst, hatte alle Mühe sich zu beherrschen, denn das konnte dieser nie, wenn Fleisch sich ihm willig darbot. Langsam löste er sich aus dem Kuss und fuhr mit seinem Lippen Gabriels Hals bis zur Beuge lang, die er hungrig liebkoste. Unterdessen trieb er sein Spiel mit den Hintern des Kleineren.
 

Gabriel wimmerte leise auf, als ein Finger langsam über seinen Ringmuskel wanderte und er vergrub sein Gesicht in Lucions Schulter. Verdammt! Warum machte ihn das so an?! Dieser Gedanke wurde jedoch von einer Welle der Lust hinfort gespült. Seine Stimme der Vernunft erstarb und stattdessen ertönte seine eigene Stimme mit lautem Stöhnen. Wie aufs Stichwort zog Lucion sich zurück und spürte mit tiefster Genugtuung, wie Gabriel leicht seine Schenkel spreizte und seinen Unterleib gegen seinen Bauch drückte.
 

„Du hast verloren, Prinzchen.“, wisperte Lucion mit rauer Stimme die von seiner eigenen Erregtheit zeugte. In diesem Moment erwachte Gabriel aus seiner Trance und mit entsetzen wurde ihm klar, was er getan hatte.

„N-nein, das kann nicht sein!“, stotterte er verzweifelt. Lucion lehnte sich selbstgefällig zurück und stützte seinen Kopf schräg auf seiner Hand ab.

„Ach ja? Und was ist das hier?“
 

Gabriel gab einen gequälten laut von sich, als der Silberhaarige einfach zwischen seine Beine griff.

„Hmmm…“, stöhnte er genießerisch und leckte sich lasziv über die Lippen, während er sanft Gabriels Mittelpunkt streichelte.

„So schön prall und empfindlich. Du bist besser bestückt, als ich es geglaubt hatte. Hm… ob er noch ein bisschen größer werden kann?“, fragte Lucion mit finsteren Grinsen.

„N-Nein! Halt! Hör auf!“, wimmerte Gabriel, doch es war zwecklos. Während der Silberhaarige den Kleineren massierte und rieb, senkte er sich leicht zu dessen Ohr.
 

„Wieso sollte ich? Du hast die Wette verloren und damit gehörst du endgültig mir. Außerdem, scheint es dir ja richtig zu gefallen. Allerdings solltest du hier nicht abspritzen, was sollen denn die Leute denken?“, meinte Lucion mit spöttischer Stimme und Gabriel fiel es wie Schuppen von den Augen. Der Silberhaarige hatte dies alles geplant! Er wollte sich wehren, doch irgendwie gehorchte sein Körper überhaupt nicht mehr. Lucions Bewegungen wurden plötzlich heftiger und Gabriel bäumte sich vor Lust, dass ihm der Speichel aus dem Mundwinkel rann. Zitternd öffnete er die Augen.

„W-warum… tust du… d-das?“ In den verschiedenfarbigen Augen funkelte es boshaft.

„Du bist ein dummer Mensch, der nicht weiß wo sein Platz ist und das gefällt mir nicht. Ich habe beschlossen dich zu behalten und zu erziehen. Dies hier soll deine erste Lektion sein. Sei froh, dass sie so delikat ausfällt, denn ich kann eine Strafe durchaus schmerzhafter gestalten…“
 

Gabriel biss die Zähne zusammen.

„Du wirst mich niemals brechen…“, flüsterte er leise, hin und her geworfen zwischen Wut und Erregung. Mit mitleidig gespieltem Blick, streichelte der Silberhaarige über die schweißnasse Wange des Jünglings.

„Wieso sollte ich dich brechen wollen? Ich bin kein Vampir, der schöne Sachen einfach zerstört. Lediglich Gehorsam will ich dir einbläuen. Du wirst schnell merken, dass es durchaus Vorteile hat in meiner Gunst zu stehen und eines kann ich dir Prophezeien. Sobald du das verstanden hast, wirst du mir deinen kleinen Arsch freiwillig entgegen strecken, du wirst regelrecht darum betteln… das haben sie alle getan und du wirst keine Ausnahme sein…“

Für einen Moment glaube Gabriel Verbitterung in Lucions Augen aufblitzen zu sehen… Nein er glaubte es nicht mehr, er war sich sicher! Es war schon das zweite Mal heute, dass der Vampir scheinbar unbewusst einen anderen Charakter zeigte!
 

Doch konnte er seine Bedenken nicht weiter ausführen, denn der Silberhaarige bearbeitete ihn erbarmungslos weiter.
 

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Eine ganze Zeit, ließ Ephra seinen Blick nervös über die Gesellschaft gleiten, denn noch immer hatte er die Drohung Taris‘ im Kopf, die ihm von Jerome überbracht wurde. Seine Unruhe war auch angebracht, denn immerhin war Taris nicht irgendein Vampir… er war noch nicht mal ein gewöhnlicher Lamia. Plötzlich erklang in seinem Ohr eine überlaute Stimme, die ihn ruckartig zusammen fahren ließ.

„War unser liebes Brüderchen wieder bockig? Er hat ja ganz schön an dir rumgekaut!“ Ephra seufzte zusammennehmend und hob seine Hand an das unauffällige Earpiece, das in seinem rechten Ohr steckte.

„Du brauchst nicht brüllen Enny, ich würde dich auch hören, wenn du flüsterst… Und rede nicht so Respektlos von Lucion!“

Als Antwort erhielt der Schwarzhaarige einen frustrierten Laut, der diesmal aber nicht aus seinem Ohr kam. Mit strenger Mimik drehte er sich Enola zu, die ihm vorwurfsvoll und zugleich besorgt in die Augen blickte.
 

„Du weißt, dass ich es nicht mit ansehen kann, wenn er so mit dir umgeht. Es ist unter deiner Würde, immerhin bist du der älteste Sohn, des berühmten Narziss…“

Stumm starrte Ephra an seiner Schwester vorbei und versuchte sie zu ignorieren.

„Das musst du mir nicht sagen. Auch wenn Lucion eine andere Mutter hat, ist er genau wie wir ein Kind von Narziss… Nicht nur das, er trug sogar den Namen unseres Vaters…“, wisperte er leise und wandte Enola den Rücken zu. Diese rümpfte nur leicht die Nase und verzog die Mundwinkel. Was war nur aus Ephra geworden? Was war aus dem Bluthund geworden, der geschworen hatte zusammen mit ihrem gemeinsamen Vater die Gesellschaft der Vampire umzuwerfen und zu erneuern. Ephra hatte zwar sein damaliges Ziel erreicht und war zu einem der mächtigsten Lamia geworden, aber schien es so als wäre es ihm nicht mehr wichtig. Enola schaute traurig zum schwarzen Haarschopf ihres Bruders auf. Seit Lucions Geburt war Ephra immer kühler und reservierter geworden. Nichts ließ mehr von dem aggressiven und machthungrigen Lamia erahnen, der er einst gewesen war.
 

Zärtlich lehnte Enola ihren Kopf gegen den Rücken des Schwarzhaarigen und seufzte.

„Sei nicht so kalt zu mir. Tief in deinem Inneren weißt du genau das ich Recht habe…“ Der große Lamia biss sich auf die Unterlippe, blieb aber trotz seiner aufziehenden Wut gefasst.

„Geh bitte zurück auf deinen Posten, Enny. Unsere ungebetenen Gäste könnten jeden Moment hier auftauchen. Ich will nicht, das Taris jemals mit Lucion in Kontakt komm… Das könnte fatale Folgen haben…“
 

Erstarrt weiteten sich Enolas Augen, doch dann füllten sie sich mit Zorn und verzweifelten Tränen. Ihre sonst so vollen Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich. Hilflos schlang sie Arme um den muskulösen Körper Ephras und vergrub ihr Gesicht in seinem langen Pferdeschwanz.

„Lucion, Lucion… immer nur Lucion. Siehst du denn nicht, dass er dich nur ausnutzt?! Ihm ist es doch völlig egal, wer da vor ihm im Staub kriecht. Warum lässt du dir das gefallen!? Du bist mächtiger als er, viel mächtiger! Du solltest dort auf dem Thron sitzen, nicht dieses-“ Enola konnte ihren Satz nicht beenden, denn Ephra hatte sich in einer schnellen Bewegung von ihr befreit und ihr eine schallende Ohrfeige verpasst.
 

„Sei froh, dass es verboten ist das Blut eines Lamia zu vergießen, sonst…“ Die Augen Ephras wurden schmal.

„Ephra… Was versprichst du dir, von all dem? “, wisperte die rothaarige Vampirin mit bebender Stimme.

Einen Moment blickte der schwarzhaarige Lamia zur Seite, dann schaute er mit kalten blauen Augen auf.

„Lucion braucht mich. Ich bin der Einzige, dem er vertrauen kann. Wenn es mich und die Organisation nicht gäbe, würde Er in die Hände des Rings der Zeitalter fallen, oder noch schlimmer in die Hände von Taris. Lucion würde ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und das würde seinen Charakter verderben…“
 

Ungläubige starrte Enola mit ihren pinken Kontaktlinsen zu ihrem Bruder hinauf.

„Charakter verderben? Weißt du, was du da sagst?! Schau dir Lucion an! Er ist selbstgefällig, narzisstisch und unberechenbar! Er ist jetzt schon vollkommen verdorben!“

Ein abwesendes Lächeln schlich sich über Ephras kalte Züge und er schüttelte unmerklich den Kopf.

„Das zeigt, wie wenig du ihn kennst… Ich habe keine Ahnung, was ihn bewegt hat so zu werden. Auch wenn es oft so aussieht, weiß ich, dass er mir nie ernsthaft schaden würde. Ich bin der Einzige, der Lucion beschützen kann…“

Enola verzog nichts verstehend die Augenbrauen.

„Beschützen? Wovor?“ Auf Ephras Lächeln legte sich ein wissender düsterer Schatten.
 

„Enny, unsere Gesellschaft ist zum Teil auf einem gewaltigen Netz aus Lügen und Intrigen. Die meisten Legenden, die wir kennen, sind reine Dichtungen vom Ring der Zeitalter…“ Atemlos schüttelte sie den Kopf und wirkte sichtlich überfordert.

„Halt, Stopp… Moment! W-was redest du da?“

Ephra hielt es nicht für nötig zu erklären und fuhr unbeirrt fort.

„Du wirst es nicht verstehen, Enny, aber ich versuche es dir einfach zu machen. Ich will Lucion vor etwas bewahren, was der Ring seit Jahrtausenden verschweigt. Nur die Mitglieder des Rings können sich noch an das erinnern… weil sie die einzigen Überlebenden sind.“

„Sprichst du etwa, von dem großen Völkermord, in dem auch der dunkle Gott von den Menschen getötet wurde?“ Ephra nickte nur und schaute seine Schwester dann ernst an.

„So ist es. Die bekannte Legende ist lediglich eine Erfindung die nur noch wenig Wahrheit enthält…“
 

Ephra konnte förmlich beobachten, wie Verwirrung und Unglaube in Enolas Augen wuchsen, doch irgendwie belustigte ihn das. Die rothaarige Lamia wollte gerade Antworten, als ein lauter knallender Laut durch den Saal schallte und alle wandten sich gleichsam ruckartig um. Ephra war nur kurz zu einem verwirrten blinzeln fähig, noch im gleichen Moment wich alles an Farbe aus seinem Gesicht.
 

„H-Hat der Junge den Verstand verloren!?“, fuhr er auf, als er sah, Gabriel gerade getan hatte. Sofort wollte er losstürmen, doch Enola hielt ihm mit verhaltenem Lächeln zurück.

„Der Kleine hat Mut, aber lass ihn… Ich will sehen wie Lucion ihn in Stücke reißt…“ Mit geschmälerten Augen schaute er auf seine Schwester in deren Blick bluthungrig auf funkelten.

„Enny…“, seufzte er nur und wollte gerade wieder zu seinem jüngeren Bruder schauen, als in seinem Augenwinkel etwas Weißes aufblitzte. Sein schon lange währendes Leben hatte ihn oft genug gelehrt etwas als Einbildung abzutun. Schnellen Schrittes ging er auf eines der vielen großen Fenster zu und sah hinaus, doch konnte er nichts erblicken.
 

Er ballte die Fäuste. Nein, er hatte es sich nicht eingebildet. Da war definitiv was gewesen. Er hatte es gespürt… spürte es immer noch! Hastig riss er seinen Blick hoch zur großen Glaskuppel und ihm stockte der Atem.
 

Tausende von Vögeln starrten mit kalten gelben Augen auf die Gesellschaft herab. Seltsamer Weise schien keiner die Tiere zu bemerken. Plötzlich kam Leben in Ephras Glieder und er fuhr sich an sein Earpiece.

„An alle Einheiten! Der Code U ist eingetreten und es sind nicht gerade wenige. Lasst niemanden hinein oder hinaus, ich wiederhole…“, bellte der Schwarzhaarige. Und stürmte zu Enola, die noch immer zu Lucion starrte. Doch ihre Mimik wirkte nicht mehr erfreut, sondern eher verwirrt. Ephra hatte keine Zeit ihr Interesse zu teilen. Eilig packte er sie am Arm.

„Enny! Sie sind hier! Schau.“ Enola folgte dem Fingerzeig ihres ältesten Bruders und erstarrte.

„W-weiße Raben?! A-aber…“

„Keine Zeit für Erklärungen! Geh zurück auf deinen Posten und pass auf, dass keinem unserer Gäste etwas passiert… Bei diesen kann man nie so Recht wissen…“ Irritiert nickend machte sich Enola ohne weitere Fragen auf den Weg. Ertönte neben Ephra ein spöttisches Räuspern.
 

„Darf man den hochgeschätzten Meister Ephra fragen, was der Grund der Aufregung ist?“ Ärgerlich wandte sich Ephra dem Fremden zu, doch seine Gesichtszüge entglitten sofort. Vor ihm stand Taris, flankiert von zwei jungen platinblonden Vampiren, ein Mann und eine Frau. Leicht schluckend sammelte Ephra seine Nerven zusammen und setzte einen distanzierten spöttischen Ausdruck auf.

„Wenn das nicht der große Taris ist… Was bewegt den Anführer der Kalyhten und seine verdammte Brut sich in das Herz der Styx Society zu wagen? Ihr dürftet nicht hier sein!“
 

Die Begleiterin Taris fauchte bedrohlich auf, doch ihr Herr hielt sie zurück.

„Nicht doch, meine Liebe. Wir sind nur Gäste… Nun es mag dir vielleicht noch nicht zu Ohren gekommen sein, aber der Ring der Zeitalter hat unsere Verbannung aufgehoben. Ich hätte liebend gern eine Bittschrift geschickt, aber ich glaube, selbst wenn ich nett gefragt hätte, würdest du mich hier nicht dulden…“
 

Ephra hatte alle Mühe ruhig zu bleiben. Taris war ein mächtiger und alter Vampir… von dem Mann nicht wusste, ob er einen klaren Verstand besaß, auch wenn er oft so wirkte, als besäße er einen.

„Wohl kaum… Also stimmen die Gerüchte um unseren nutzlosen Rat? Nun Taris, ich will Euch nicht enttäuschen, aber da dieser Erlass ohne die Zustimmung der Society verabschiedet wurde, ist sie wohl ungültig.“

Lächelnd schloss der alte Vampir die Augen und schritt an Ephra vorbei, zum Büfett. Dort griff er gemächlich zu einer Karaffe und schenkte sich eine blutige Flüssigkeit ein. Er nahm sogleich einen kleinen Schluck und verzog darauf das Gesicht.

„Menschenblut…“, seufzte er und wandte sich wieder Ephra zu.

„Nun, mein Lieber. Dieser Entschluss befindet sich weit außerhalb deiner Befugnis, aber lassen wir das. Ich bin nicht gekommen um die momentane politische Lage zu besprechen… Du wirst es eh bald merken…“
 

Ein kalter Schauer lief Ephra über den Rücken. Er ahnte was Taris hier wollte, dennoch…

„Und? Was ist Euer Begehr?“

Taris öffnete die Augen die denen von Lucion so ähnelten.

„Ich will meine geliebte Tochter wiederhaben, die deine dreckige Organisation und dein Vater mir genommen haben. Aber ich weiß, das ich sie nie wieder sehen werde darum…“ Er wandte seinen Blick Richtung Lucion und sein Lächeln wurde breiter.

„Darum will ich wenigstens meinen Enkel sehen…“
 

Ephra konnte seine Fassung nicht mehr beibehalten und er knurrte laut auf.

„Nie! Ihr und Eure dreckigen Bälger werden niemals in die Nähe unseres geliebten Gebieters kommen!“

Der andere Begleiter Taris‘ lachte leise auf.

„Passt auf Eure Wortwahl auf, Meister Ephra. Schon der erste Lichtbringer entstammte unserer Linie. Redet Ihr schlecht über unsere Familie, verunglimpflicht Ihr den Namen des hochverehrten Lunari Incubus.“ Noch bevor antworten konnte hob Taris beschwichtigend die Hand.

„Ich muss Oisin Recht geben. Sie dir den Lichtbringer an. Er trägt alle Merkmale eines Kalyht, willst du das leugnen? Und genau genommen aus diesem Grund bin ich der Meinung meinen Enkel in meine Obhut zu geben. Wenn er noch länger hier bleibt, wird er bald sterben.“
 

Ephras Pupillen verzogen sich zu Stecknadelköpfen und er bleckte die Zähne.

„Sterben!? Seit über neunzig Jahren kümmere ich mich um ihn. Warum sollte er-“ Taris‘ lautes Lachen unterbrach den Schwarzhaarigen, der verwirrt stutzte.
 

„Neunzig Jahre? Wäre der Junge wie abgesprochen bei mir aufgewachsen, wäre er schon längst in vollem Besitz seiner Kräfte! Du verfütterst an ihn wahrscheinlich noch immer, wertlose Menschen?“ Bitter schaute Taris auf das Glas in seiner Hand.

„Dadurch, das sich in seinem Körper aufbauen ist er geschwächt, das wird noch durch sein kalyhtisches Erbe begünstigt. Kannst du dir vorstellen, was für Qualen der Lichtbringer leidet, wenn er Hunger hat?“
 

Diese Worte trafen Ephra mitten ins Herz und er wich unbewusst einige Schritte zurück. Doch Taris schien noch lange nicht fertig zu sein.

„Du hast sicher schon entdeckt wie du seine Schmerzen lindern kannst?“, fragte der alte Vampir plötzlich und pflegte einen ungewöhnlich väterlichen Ton. Ephra schluckte nur und schüttelte unmerklich den Kopf.

„Doch, hast du. Du willst es nur nicht wahr haben… Wovon ernähren wir Kalyhten uns? Was hat dazu geführt, dass wir, die frühere Königsfamilie so schändlich verjagt und verbannt wurden?“

Die Lippen Ephras zitterten leicht. Die Worte lagen ihm auf der Zunge.

„Das… Blut der Lamia…“ Lächelnd nickte Taris.

„Ganz Recht. Wie du weißt sind wir Kalyhten mehr als nur Lamia… und darum brauchen wir spezielle Nahrung. Irgendwann, mein Guter, wirst du Lucion mit menschlichem Blut nicht mehr sättigen können, egal wie viel du ihm gibst. Die wenigen Tropfen von deinem eigenen Lebenssaft, können ihn nur für geraume Zeit befriedigen, vielleicht zwei bis drei Jahre… aber bald wird Lucion mehr brauchen.“ Die Augen schließend wandte Ephra sich ab und starrte abwesend aus dem Fenster. Wie hallende Echos schallten Taris‘ Worte durch seinen Kopf.
 

Für einen normalen Lamia, war das Blut eines Artgenossen nicht sättigend, aber für einen Kalyht… Plötzlich spürte der Schwarzhaarige, wie sich eine Hand sanft auf seine Schulter legte.

„Ephra… Ich bin nicht gekommen um einen erneuten Krieg zwischen deinem Volk und den Kalyhten anzusetzen, nein, Kriege hatten wir genug. Wir töten keine Lamia mehr, aber wir brauchen dennoch deren Blut zum überleben.“ Alle Muskeln in Ephra waren angespannt und er kämpfte gegen den Drang die Hand weg zu schlagen.

„Aber die Gerüchte um den Ring der Zeitalter…“

„Ephra, einst waren wir das Königshaus der Vampire. Meinst du, ich würde mein Volk unter den Befehl einfacher Lamia stellen? Nein. Auch wenn es nicht so aussieht, bin ich in Frieden hergekommen. Du hättest mir nie zugehört. Ich will dir den Vorschlag unterbreiten zwischen den Kalyhten und der Styx Society ein Bündnis zu schließen.“
 

Nur leicht neigte Ephra seinen Blick über die Schulter, so dass er den alten Vampir aus dem Augenwinkel heraus sehen konnte. Was sollte er tun? Schon oft hatte Taris bewiesen, das man ihm nicht trauen konnte und doch… Langsam hob Ephra seine Finger zum Earpiece.
 

„An alle Wachposten… Gebt alle Durchgänge wieder frei… Code U ist mit sofortiger Wirkung hinfällig…“

Taris lächelte zufrieden.

„Du hast das richtige getan.“ Ephra nickte nur abwesend und blickte ernst in die Augen des Älteren. Mit einem Bündnis gäbe er den Kalyhten gefährlich viel Macht, aber andererseits… Ein unmerkliches Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Vielleicht konnte er das ganze zu seinen Gunsten wenden.
 

„Ein Bündnis wäre nützlich, aber bevor ich Euch traue…“ Ephra wandte sich mit gestrafften Schultern Taris zu, den er sichtlich überragte und schaute emotionslos auf ihn herab.

„Schwört der Styx Society die Treue. Da ihr an den Lichtbringer wollt, ist es Eure einzige Chance, Taris. Und bevor Ihr mir drohen wollt, entsinnt Euch das alle Draugr in diesem Gebäude unter anderem meinem Befehlen gehorchen…“ Taris starrte einen Moment auf den schwarzhaarigen Lamia, doch dann lächelte auch er.
 

„Die Gerüchte sagten, Ephraim der durchtriebene Bluthund wäre Tod, doch ich sehe ihn gerade vor mir stehen. Aber ein guter Bluff. Du würdest die Draugr nicht gegen uns einsetzen, denn dann würde mein lieber Enkel der Puppenspieler doch Wind von allem bekommen. Ich sage dir Ephra, sei unbesorgt. Ich werde den Schwur ablegen, aber nicht hier und heute. Ich sehe Lucion ist sehr beschäftigt, drum werde ich auch heute nicht vor ihm treten.“ Taris ging einige Schritte zurück und verbeugte sich leicht.
 

„Nun, ich habe mein Ziel erreicht. Ich und meine Lieben werden wieder gehen, doch wirst du wahrscheinlich noch vor dem Ende dieser Woche mit mir rechnen können. Oisin, Ferralis? Lasst uns gehen….“
 

Ephra tat nur einen Wimpernschlag, schon waren die drei Vampire entschwunden. Erneut zog sich ein kalter Schauer über sein Rücken, denn er konnte definitiv nicht sagen ob seine Entscheidung richtig war…

„Sag Mal, was soll das ganze Theater! Erst machst du totalen Wind und dann bläst du wieder alles ab?!“ Enola kämpfte sich keifend durch die tanzende Gesellschaft und hielt unter energischen Schritten auf ihren Bruder zu, doch noch bevor er ihr antworten konnte, erfüllte eine mächtige Aura den Saal. Gleichsam hoben alle Vampire schweigend ihren Blick zum verfärbten Mond.
 

„Es ist so weit…“, hauchte der schwarzhaarige Lamia und drückte langsam auf sein Earpiece.

„Bringt die Jünglinge…“
 

-tbc-

Das Bankett (Teil 3)

Huhu ^^
 

Viel Spaß beim neuen Kapitel :D
 

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Kapitel 10 Das Bankett Teil 3
 

Gabriel nahm kaum mehr war, was um ihn herum passierte. Sein gesamter Geist war darauf bedacht, nicht noch mehr der geringen Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Seine klammernden Hände, an Lucions Mantel krallten sich fest in dessen Schultern, das es eigentlich schmerzen müsste, doch der Lichtbringer verzog keine Miene.
 

„Bitte... hör auf...“, stieß der Jüngling immer wieder heiser flehend heraus, doch schon bald versagte auch seine Stimme ihren Dienst. Lucion kannte keine Gnade und er trieb sein Spiel weiter mit beharrlicher Grausamkeit. Der Anblick des erhitzten Jünglings erregte ihn sehr und er dachte gar nicht daran aufzuhören. Er wollte sehen, wie viel Ausdauer sein neues Püppchen besaß und da war es ihm relativ gleich, ob sich der Jüngling hier und jetzt ergoss. In solchen Dingen kannte er keine Scham, wozu auch? Er konnte tun und lassen was er wollte, schon immer und daran würde Niemand etwas ändern.
 

„Hmm... Ein hübsches Gesicht, gezeichnet von geröteter Scham. Wirklich ein erhebender Anblick. Schade, das du es nicht so sehen kannst wie ich.“ Mit Nachdruck presste Lucion seine Hand deutlich gegen den geschwollenen Schritt des Jünglings, worauf dieser unterdrückt aufschrie. Gabriel biss sich fest auf die Unterlippe, etwas zu fest. Der metallische Geschmack des Blutes sickerte durch seine Zähne und er ahnte, was nun folgen würde und wirklich, keine Sekunde verging und Lucion nahm das Blut lüsternd mit seiner Zunge auf.

Ein unbewusstes Keuchen entwich dem Jüngling und seine Nackenhaare stellten sich auf. Wenn das so weiter ging würde er tatsächlich noch...
 

Doch plötzlich stockte Lucion. Ein bebendes Zittern fuhr durch seine Glieder und er drückte Gabriel leicht von sich. Verwirrt schaute der Kleinere dabei zu, wie der Silberhaarige langsam in sich zusammensackte. Der seitlich gescheitelte Pony verbarg gänzlich das schmerzverzerrte Gesicht.

„Ephra!“, rief Lucion laut, mit einer Stimme, die so kräftig war, wie es Gabriel nie erwartet hätte. Der schwarzhaarige Lamia ließ nicht lange auf sich warten. Er war bereits auf den Weg zu seinem Bruder gewesen als er die veränderte Aura des Mondes bemerkte.
 

Eilig beugte sich Ephra zum Silberhaarigen hinunter und strich beruhigend die Haare aus dessen Gesicht. Der Lamia wusste genau was zu tun war, lief es doch jedes Jahr so ab. Zu jedem Bankett, wenn der volle Mond seine Kräfte entfaltete stiegen auch die Kräfte der Vampire. Für Lucion hieß das doppelte Belastung für seinen Körper.
 

Mit einem durchdringenden Fauchen krallte der Lunarie Incubus seine Finger in die Lehne seines Thrones.

„Ruhig, ganz ruhig... gleich ist es vorbei...“, flüsterte Ephra ihm fürsorglich zu. Es tat ihm jedes Mal weh Lucion so zu sehen, denn vor diesen Schmerzen konnte er den Silberhaarigen nicht bewahren. Langsam schaute er zu Gabriel und umfasste leicht dessen schmalen Nacken. Er spürte das Zittern des jungen Mannes.

„Es tut mir Leid, Gabriel. Deine Zeit ist gekommen...“, wisperte er und schenkte dem Jüngeren einen betroffenen Blick. Gabriels Augen waren weit aufgerissen. Was zum Teufel geschah hier? Was hatte Ephra vor?!
 

Die Hand in seinem Nacken übte einen sanften Druck aus, der jedoch stark genug war, das Gabriel nicht dagegen ankam. Ephra drückte ihn näher zu Lucions verhangenem Gesicht. Sein Herz hämmerte vor Angst, als er durch die langen silbrigen Strähnen weiße glühende Augen sah. Fast schon mechanisch hob Lucion seine verkrampften Finger und umfasste Gabriels Kopf, den er näher an seinen zog, ohne auf zusehen.

Doch plötzlich ging ein Ruck durch den Körper des Silberhaarigen und er gab das Haupt des Jünglings wieder frei.
 

„NEIN! Er nicht!“, presste er schwer atmend heraus. Seine Stimme war derart verzerrt, das Gabriel sie kaum wieder erkannte. Ephra indes stutzte nur und sah fragend auf seinen Bruder herab.

„E... Er soll leben. Er wird mir... anders... dienlich sein! Nimm ihn hinfort!“ Ephra verstand das nicht, denn so etwas war noch nie vorgekommen. Doch er tat was Lucion von ihm verlangte und zog den Jüngling behutsam vom Schoß.
 

Kaum, dass Gabriel auf die Beine kam, sackte er zusammen und wurde nur gerade so vom großen Lamia aufgefangen und abgestützt. Hilfesuchend hielt Gabriel sich fest und verfluchte seinen eigenen Körper. Er hatte gedacht, wenn Lucion von ihm abließe würde es ihm wieder besser gehen. Doch da hatte er sich getäuscht. All seine Fasern strebten zum silberhaarigen Vampir, gierte nach dessen unzüchtigen Berührungen. Was sollte das? Dies alles konnte doch nicht allein von ihm kommen? Das widerspräche jeder biologischer Logik!
 

Plötzlich schaute Gabriel auf. Ephra versuchte ihn zu einem der Draugr zu bugsieren. Das fehlte ihm auch noch!

„Na los, geh schon. Sie werden dir nichts tun.“, seufzte Ephra. Er wollte sich unbedingt um Lucion kümmern.

„Ich übernehme ihn.“, kam plötzlich die Errettung. Jerome stieg die Stufen des Thrones hinauf und brachte die anderen Jünglinge mit sich , die sich alle tief vor Lucion verbeugten, doch dieser nahm sie kaum wahr. Ephra nahm ohne weiteres das Angebot an und drückte den Jüngling Jerome entgegen. Er packte Gabriel unsanft und schenkte ihm nur einen verdrießlichen Blick.
 

Jerome hatte definitiv schlechte Laune und woran das lag konnte Gabriel sich nur zu gut denken. Immerhin hatte dessen über alles geliebter Meister öffentlich mit ihm rumgemacht. Der Jüngling kümmerte sich jedoch nicht weiter darum und schaute furchtsam zu Lucion. Er war für den Augenblick in Sicherheit aber was war mit den anderen? Was war mit seinem Freund Tyson?
 

Es schien so, als hätte Lucion sich soweit wieder erholt, dennoch wirkte er von den schmerzhaften Krämpfen sichtlich erschöpft. Er sah langsam auf und ließ seinen Blick von Ephra auf Gabriel gleiten. Dieser erschauderte furchtsam. Lucions Augenpaar fehlte jegliche Farbe! Seine Iris waren weiß und ähnelten stark vereistem Glas. Die Pupillen waren klein und starr.
 

Dieser Blick behagte Gabriel gar nicht, denn so trat die nackte Gier noch stärker hervor, was von einem plötzlichen selbstgefälligen Lächeln noch unterstrichen wurde. Dann wandte er sich wieder um und schenkte den anderen Jünglingen endlich die Aufmerksamkeit, die sie sich so sehr wünschten.

„Ich spüre euer Verlangen, Menschensöhne. Ihr wünscht euch der Schuld eurer dreckigen Herkunft zu entledigen?“

Der Größte unter den Jünglingen, Phelias Hopps trat vor um sogleich wieder in einer demütigen Haltung zu verweilen.

„So ist es Gebieter der Unsterblichen, doch unser Verlangen ist weit aus größer. Unsere Väter und Mütter sind seid Generationen der Styx Society ergeben.“
 

Gabriel konnte erkennen wie in Phelias' Augen ein begieriges Feuer entfachte. Langsam stieg der große junge Mann die Stufen des Thrones empor und näherte sich langsam dem Lichtbringer.

„Wie schon Brüder vor uns stehen wir hier um Euch mit unseren Körpern zu nähren, mit unseren Seelen zu stärken und um unsere leblosen Hüllen in Euren Dienst zu stellen... Nur... dieses eine letzte... Mal...“, plötzlich brachen Phelias die Worte und er vermochte nicht weiter zu sprechen.

Er stand genau vor Lucion. Schaute ihn atemlos und ungehalten in die Augen und... tat etwas was Gabriel nie für möglich gehalten hätte. Phelias beugte sich mit flehentlichem Ausdruck über den Vampir, sodass ihre Lippen sich kurz, nur ganz kurz berührten. Dann ließ Phelias sich auf einer der Armlehnen nieder und neigte seinen Hals.
 

Der Silberhaarige lächelte leicht. Es war wirklich eine willkommene Erholung, das nicht alle Menschen sich so widerspenstig und störrisch zeigten, wie sein neues kleines Spielzeug. Mit diesem würde er sich später noch ausgiebig beschäftigen, doch jetzt würde er sich erst einmal stärken. Sein Hunger brannte bereits lodernd in seiner Kehle, besonders nachdem er das Blut seines hinreißenden Lieblings kosten durfte. Aus dem Augenwinkel blickte er noch einmal zu Gabriel. Er genoss den entsetzten Blick des Kleineren. Nun denn, der Augenblick war gekommen, dass er endlich nach langer Zeit wieder zu vollen Kräften fand, auch wenn dieser Umstand nie lange währte. Leider war Lucion nur in der Nacht der Lilithu Lamina fähig Seelen aufzunehmen. Der Prozess die Seele aus einem Körper zu ziehen war so kräftezehrend, das er sterben würde, bevor er die vierfache Menge der Energie zurück erhielt.
 

Gabriel indes, war von Phelias Worten gerade zu betäubt. Sie wussten also, was auf sie zu kam? Sie wussten dass sie zu hässlichen modernden Monstern werden würden? Es musste doch irgendetwas geben, um das zu verhindern! Gut, seine Freunde hatte er zwar oftmals hängen gelassen, aber jetzt ging es um Leben und tot! Er wollte etwas rufen, doch noch bevor er den Mund öffnen konnte, hatte Jerome ihn fester an den Schultern gepackt und sich zu ihm hinunter gebeugt.
 

„Lass es lieber, Kleiner. Du hast die Nerven des Gebieters schon weiter strapaziert, als jemand es je gewagt hätte. Du weißt nicht was passiert, wenn er missgestimmt ist. Da er beschlossen hat dich am Leben zu lassen, wird er wohl möglich seinen Zorn an deinen Freunden dort auslassen.“

Verzweifelt schaute Gabriel zu Jerome auf. Was sollte er denn sonst tun? Er konnte doch die anderen nicht einfach so sterben lassen!
 

Zufrieden wandte Lucion sich dem dargebotenen Hals zu und liebkoste ihn kurz. Dieser Jüngling roch sehr gut. Es lag wohl daran, dass ihm nur junge Männer aus höherer Gesellschaft zugeführt wurden. Sie kamen meist nur mit exquisiten Lebensmitteln in Berührung und Lucion konnte das sehr genau heraus schmecken.
 

Während der Silberhaarige langsam seine weißen Fänge in die Haut seines Opfers versenkte, erhoben sich die anderen ohne zu zögern und traten ebenfalls näher an Lucion heran. Sie setzten sich wartend, mit bittenden Blicken zu seinen Füßen, doch er beachtete sie gar nicht. Gabriel erkannte diese Szene aus seinen Traumbildern. Wäre es so ähnlich abgelaufen, wenn Lucion nicht nur ihn allein empfangen hätte? Dieser gesamte Anblick widerte ihn an. Alle Jünglinge außer Eleven waren einst stolze Männer gewesen! Vor allem Phelias. Gabriel hatte ihn für relativ homophob gehalten... Wie konnte Lucion es schaffen, diese Menschen einfach so um 180 Grad zu drehen?
 

Der Zuchtjünger mit dem Namen Eleven starrte leidend zu seinem heiß geliebten Herrn hinauf. Gabriel entsann sich an das was ihm seine Freunde erzählt hatten. Eleven war schon vorher Opfer von Lucions scheinbar unersättlicher Libido geworden und verzehrte sich nun sehnsüchtig. Bettelnd lehnte er seinen Kopf gegen den Schenkel des Silberhaarigen um wenigstens etwas Aufmerksamkeit zu erhalten... Lucion stockte kurz, als er den sanften Ruck spürte und sah an sich runter. Phelias wirkte gar nicht begeistert von der Unterbrechung, doch sagte er nichts. Lucion erkannte den jüngeren Eleven wieder und lächelte seidig.

„So ungeduldig?“, fragte er spöttisch und zog den Zuchtjünger zu sich hoch auf den Schoß. Gabriel wurde es ganz anders, als er bemerkte, dass der Blick des Lichtbringers nicht auf Eleven sondern auf ihm lag. Er verstand das nicht. Was sollte das?
 

Lucion begann langsam Eleven zu liebkosen und überstreckte leicht dessen Hals, doch anstatt sich ebenfalls an dessen Kehle zu vergehen küsste er ihn leidenschaftlich... den Blick noch immer auf Gabriel geheftet.
 

Dieser sah den Treiben eine ganze Weile zu und fuhr sich selbst unbewusst mit seinem Finger über die Lippen. Gabriel vermochte sich nicht dem weißen Blick zu entziehen. Perplex bemerkte er, wie die heiße Erregung in seinem Innern erneut aufflammte und genau das bezweckte Lucion.

Endlich schaffte Gabriel es sich abzuwenden und zog die Aufmerksamkeit des verwunderten Jerome auf sich. Der Sanguar bemerkte erst jetzt was sein Gebieter dort trieb. Seine Lippen pressten sich zu schmalen Strichen und sein Herz krampfte sich zusammen. Früher hatte Lucion das zu gern mit ihm gemacht und er hatte es geliebt...
 

Mit der Zeit bediente sich Lucion an all seinen Jünglingen. Phelias war der Erste, der durch den hohen Blutverlust in sich zusammen sank. Ephra stand nur daneben. Mit kühler Miene wartete er darauf, das Lucion die Seelen an sich nahm. Wenn irgendetwas bei diesem Vorgang schief ginge, würde er zur Stelle sein um seinen kleinen Bruder zu retten. Für Gabriel war dies ein grausamer Anblick. Einer nach dem anderen verfiel mit glückseligem Lächeln dem Delirium. Lucions Haut hatte durch die rauen Mengen des Blutes einen gesunden rosigen Ton angenommen, so, dass er schon fast menschlich aussah. Zum Schluss war nur noch Tyson übrig, der sich genau wie alle anderen bemühte Lucion möglichst gut zu gefallen. Gabriel wollte angewidert weg schauen. Er wollte das einfach nicht mit ansehen...
 

Sie hatten so viel erlebt, soviel zusammen durchgemacht! Lucion schien auch ihm nur noch wenige Tropfen zum Leben gelassen zu haben. Gabriel überlegte hektisch was er tun konnte... Wenn er nichts tat würde Tyson sterben, aber wahrscheinlich auch, wenn er etwas tat.
 

Lucion hielt mit beiden Händen Tysons schlaffen Kopf und schaute ihm süffisant grinsend in die halb geschlossenen Augen.

„Du wirst der Erste von den Jünglingen sein, der seine Seele hergibt. Dein kleiner Freund, dort drüben scheint allerdings nicht sehr davon angetan zu sein. Vielleicht sollte ich seinem Wunsch nachgeben? Was meinst du? Willst du zurück zu deiner Familie?“
 

Träge hing Tyson in Lucions Armen, doch nun zeigte sich ein leichtes Flimmern des Lebens. Kraftlos weiteten sich seine Lider, mühsam stützte er sich an Lucion ab um sich etwas aufzurichten. Wut funkelte in seinem trüben Blick, als er zu Gabriel hinüber sah.

„Wenn das... das sein Wunsch ist... D-Dann ist er nicht... mein Freund. Bitte Herr, nehmt Euch meine Seele und kommt... wieder zu Kräften... Dies ist mein einziger Lebenszweck...“
 

„TYSON!“, brüllte Gabriel auf, denn er konnte seinen Ohren nicht trauen. Der Tyson den er kannte, mit dem er lange Jahre befreundet gewesen war, hätte so etwas doch nie gesagt. Gabriel wollte zu ihm stürzen, ihn wachrütteln, doch Jerome hielt ihn eisern fest.
 

Tyson lächelte seinem Freund nur kurz zu.

„Du wirst es nie... verstehen, Gab. Dein Vater... hätte dich viel früher... in die Society einführen sollen, dann wärst du nicht... so dumm und unrein, wie der Rest der... Menschheit. Sehe es als Chance, das du dem... Gebieter weiterhin dienen darfst... um dich zu bessern...“ Er wandte sich wieder Lucion zu der ihn belohnend einen Kuss auf die Stirn gab. Gabriel schüttelte verzweifelt den Kopf und kämpfte gegen Jeromes Griff erfolglos an. Tysons Worte brannten sich tief in sein Bewusstsein. Sie taten weh, so unglaublich weh. Wie konnte man nur so fanatisch sein!? Ein leises zärtliches Hauchen ertönte und Gabriel hob wieder den Blick. Lucion nahm Tysons Kopf wieder in beide Hände und schaute dem Menschenjungen tief in die Augen. Seine Pupillen zogen sich noch weiter zusammen, als Gabriel es für möglich gehalten hätte.
 

Mühsam versuchte sich Tyson an dem Silberhaarigen fest zu halten. Alles um ihn herum schien zu verschwimmen und nur noch sein Meister existierte. Wie lange hatte er sich doch diesen Moment herbeigesehnt. Vom weitem her hörte Tyson noch Gabriels rufen, dessen verzweifelte Schreie, doch es scherte ihn nicht.
 

Langsam spürte er wie all seine Wärme aus seinen Gliedern floss und diese nach einander ertaubten. All diese Wärme sammelte sich in seiner Brust, staute sich, kurz bevor sie seine Kehle hinauf wanderte. Er keuchte leise, als seine Augen die Fähigkeit des Sehens verloren und alles um ihn herum schwarz wurde, doch hatte er keine Angst. Die Wärme glitt über seine Zunge und das war das Letzte was Tyson spürte…
 

Gabriels Augen weiteten sich in Panik. Seine Rufe verendeten in einem kraftlosen Krächzen. Aus Tysons Mund entstieg eine weiße grell glühende Kugel, die aus vielen kleinen umher wirbelnden Lichtfasern bestand. Sie warf ein unheimliches tanzendes Licht auf Lucions Gesicht, der sie gierig anlächelte.

„Es gibt nichts Schöneres als die Seele eines Lebewesens, findest du nicht auch, Gabriel?“, wisperte er nur ohne seinen neuen Günstling auch nur anzusehen. Gabriel brachte keinen Ton heraus, das Entsetzen saß zu tief und es lief ihm eiskalt den Rücken runter, als Lucion langsam das weiße Licht in sich aufnahm. Für einen Moment schloss Lunarie Incubus die Augen und fühlte die neue unglaubliche Energie, die mit seinem Kreislauf verschmolz und zu frischer Lebenskraft wurde.
 

In seinem linken Arm hielt Lucion noch immer die schwer atmende Hülle des Jungen. Er würde ihr nun auch den letzten Tropfen des Blutes entziehen und durch seinen Biss den Keim für die Entwicklung des Draugrs einpflanzen…

Gabriels Augen füllten sich mit Feuchtigkeit und Tränen liefen schon bald über seine bleich gewordenen Wangen. Tyson war tot. Vor seinen Augen… Lucion ließ den leblosen Körper von seinem Thron achtlos zu Boden gleiten und nahm sich einfach den nächsten Jüngling vor. Gabriel hob sich die zitternden Hände vor das Gesicht. Mehr wollte und konnte er nicht ertragen.
 

Tut es dir weh?, fragte plötzlich eine leise Stimme in seinem Kopf und Gabriels Herz setzte kurz aus. Es war unverkennbar Lucions Stimme. Wie konnte das sein, das er ihn hörte!? Ängstlich schaute er auf und stellte schaudernd fest, dass dessen durchdringender weißer Blick starr auf ihm lag. Er wusste nicht was er antworten sollte oder eher gesagt, wagte er es nicht zu antworten.

Schlaf, befahl plötzlich Lucions Stimme als er minutenlang auf eine Reaktion warten musste. Gabriel verstand es nicht, doch er hatte kaum mehr Zeit darüber nachzudenken. Seine Glieder wurden schwer wie Blei und schienen ihn zu Boden reißen zu wollen. In seinem Kopf flackerten die Gedanken wie vom Wind geplagte Kerzen. Langsam schlossen sich seine Lider und eine unglaubliche Müdigkeit erfüllte ihn.
 

So sackte er ohnmächtig in Jeromes Armen zusammen. Verwirrt starrte dieser zu Ephra, der jedoch genauso ratlos war.

„Bring ihn in meine Gemächer, Jerome. Er soll etwas ruhen, denn ich habe mit ihm noch einiges vor…“, sagte Lucion leise und lächelte. Der Sanguar biss sich unmerklich auf die Lippen, sagte jedoch nichts. Ohne weitere Worte verneigte er sich und nahm den schlafenden Gabriel auf seine Arme.
 

Er hätte nie gedacht dass er derart Eifersüchtig auf jemanden sein konnte. Mit funkelnden Augen schaute er auf den Jungen in seinem Arm. Er war nur ein Mensch und noch dazu ein unverschämter. Es war seltsam, hatte sein Gebieter doch schon viele Liebschaften gehabt und auch er als Sanguar und Spion in den Reigen vom Ring der Zeitalter. Aber egal wie vielen Herrschaften Jerome seine körperlichen Dienste schon angeboten hatte, sein Herz gehörte dem Lichtbringer und das seit ihrem ersten Zusammentreffen. Für ihn würde er alles tun, also warum zog sein Gebieter ihm einen kleinen verwöhnten Bengel vor, der sich so erbittert wehrte!? Abermals schaute er auf Gabriel herab und betrachtete ihn genauer.
 

Hübsch war er ja, keinen Zweifel aber… Seufzend entdeckte er eine Träne die stumm über Gabriels Wange glitt. Unverschämt war der Bengel und verzogen, dennoch war er nicht Schuld an dem Schicksal, welches ihm auferlegt wurde. Eigentlich war Gabriels Verhalten gerechtfertigt. Nicht jeder konnte mit dem einnehmenden Wesen des Lichtbringers etwas anfangen. Merkwürdig, trotz seiner tiefen Eifersucht vermochte der Sanguar den Jungen nicht zu hassen.
 

Schon bald stand Jerome den ersten Draugrn gegenüber, die ihm bereitwillig die Flügeltüren zu den Gemächern seines Geliebten öffneten und er legte Gabriel auf das ausschweifende Bett seines Herrn. Wieder entwich seinen Lippen ein Seufzen. Es schien so als würde der Lichtbringer ihn eine ganze Zeit nicht mehr zu sich rufen und wenn dem doch so war, könnte er es nicht ertragen ihn mit dem Jüngling zusammen zu sehen. Vielleicht war es besser, wenn er sich wieder in seine Arbeit stürzen würde.
 

Sanft strich Jerome durch das schwarzviolett gefärbte Haar Gabriels. Er glaubte nicht daran, das dieser Junge ein Snack für Zwischendurch war. Der Lunarie Incubus würde dafür nicht extra auf eine Seele verzichten. Wie er so nachdachte, wusste er nicht, ob er auf Gabriel neidisch sein oder ihn bemitleiden sollte. In der Gunst des Gebieters zu stehen war für viele ein erstrebenswertes Ziel. Manche opferten dafür nicht wenig, denn wer im Kreis der Vertrauten aufgenommen wurde, erlangte unglaubliche Macht. Man musste da nur an Meister Ephraim denken…
 

Einst war er ein blutrünstiger Handlanger des Rings der Zeitalter, als dessen Vater Narziss I. noch Oberhaupt gewesen war. Jedoch, durch seine bemerkenswerten Fähigkeiten war er ein Dorn im Auge vieler Mitglieder. Nachdem sein Vater aus dem Ring ausgestoßen wurde trachtete man ihm nachdem Leben. Erst durch die Geburt des Lichtbringers und Ephras Aufgabe als dessen Vormund wandelte sich sein Leben komplett. Heute war der Ring der Zeitalter ein rudimentäres Herrscherorgan, das zum Teil von den Entscheidungen der Styx Society und somit von Meister Ephra abhängig war.
 

Wer wusste, was Gabriel an der Seite des Lichtbringers erwartete? Jerome hoffte, dass es das Schicksal besser mit dem Jungen meinte, als mit anderen. Denn dies hing allein vom Gebieter ab und schon mancher war dem Wahnsinn verfallen, als der Lichtbringer nach langer hingebungsvoller Verführung plötzlich das Interesse verlor…
 

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Dwight war der letzte der Jünglinge, der seine Seele verlor und achtlos von Lucion zu Boden gestoßen wurde. Ihm hatte der Lichtbringer nicht mehr jene Zärtlichkeit entgegen gebracht, denn die hungrige Gier war mit ihm durchgegangen. Er zitterte leicht, als ihm dieser Kontrollverlust bewusst wurde. Ein Umstand den er immer wieder verabscheute doch jetzt… Lächelnd leckte Lucion sich einen kleinen Blutspritzer vom Handrücken und genoss die neue Energie, die seinen Körper stärkte. Wie sie warm und erregend durch seine Adern floss. Nur eines war an dieser jährlichen Prozedur störend. Mit den Seelen nahm Lucion auch die Gedanken, Gefühle und Erinnerungen seiner Opfer in sich auf. All jenen Gedankenmüll, aber dieses Mal jedoch kamen sie sehr gelegen, wie er fand.
 

Bis auf einen, waren alle der Jünglinge mit seinem neuen Liebling mehr oder weniger vertraut gewesen. Ein wahrlich wertvoller Informationsquell, wie Lucion schon bald feststellte. Besonders dieser junge Mann mit dem Namen Tyson wusste viel über Gabriel. Gemächlich lehnte Lucion sich zurück und genoss den Moment in dem sein Körper endlich völlig gesättigt war. Es würde nur eine Frage von Stunden sein, bis sein Hunger wieder erwachte und das, obgleich er immer noch randvoll mit Energie war…
 

Ephra indes, betrachtete seinen Bruder mit gemischten Gefühlen. Er war beruhigt, das Lucion die Seelen ohne Probleme aus den Körpern ziehen konnte. Im Angesicht dessen Zufriedenheit jedoch, lief dem Schwarzhaarigen ein leichter Schauer über den Rücken. Er musste an Taris‘ Worte denken. Lucions Hunger würde schon bald weiter wachsen. Er befürchtete, dass es ein Problem mit der Versorgung von menschlichem Blut geben würde, denn schon jetzt brauchte Lucion die Menge von drei Menschen täglich. Das durchschnittliche Bedürfnis eines Lamias lag bei einem Menschen pro Woche. Kleine Mengen konnten auf die Tage verteilt werden, so dass man keine Leben opfern musste. Aber Lucions Körper brannte einfach zu schnell aus.
 

Ein verzerrter Schrei riss den schwarzhaarigen Lamia aus seinen Gedanken und er fuhr erschrocken zusammen. In eine der umher liegenden Leichen, kehrte urplötzlich das Leben zurück und sie wand sich quälend am Boden. Immer wieder fuhr sie sich mit den Händen an den Kopf, schlug sich, kratzte sich und riss sich wie im Wahnsinn die Haare aus. Nur wenige Sekunden vergingen und auch die anderen Körper verfielen in dieses absonderliche Gebaren. Lucion betrachtete die Leichen nur einen Augenblick und lächelte träge.

„Die Wandlung beginnt schon… Dieses Mal hat sich der Keim sehr schnell verwachsen.“, stellte er nüchtern fest und war nicht sonderlich überrascht. Es war nur ein Zeichen dafür, dass die Entwicklung seiner Fähigkeiten unaufhaltsam voran schritt. Wie sollte es auch anders sein? Müde lächelnd gab er mit seiner Hand eine halbherzige Geste von sich und die Draugr sammelten die zukünftigen Larven auf. Schweigend sah Lucion seinen finsteren Dienern nach und legte seine Wange auf der Hand auf.

„Ephra?“, richtete er sein Wort an seinen Bruder, der leicht benommen von dem Anblick war, dem die toten Jünglinge ihm geboten hatten. Egal wie oft Lucion auch Larven erschuf, Ephra würde sich nie an die gequälten Gestalten gewöhnen… Aber die Draugr waren notwendige Werkzeuge. Sie dachten nicht nach, waren absolut gehorsam und verursachten keine Kosten, da sie sich nur von Aas und anderem fauligen Zeug ernährten.

Blass sah Ephra Lucion in die Augen.
 

„Das Essen hat mich müde werden lassen. Ich werde mich in meine Gemächer zurückziehen…“, sagte der Silberhaarige nur knapp und blickte ein letztes Mal in die Gesellschaft, welche mit gebanntem Blick der Opferung zu geschaut hatte. Das restliche Bankett war nur noch reine geschäftliche Formsache, also all das was Lucion nicht interessierte und nur langweilen würde.

Langsam stieg er seinem Thron hinab und wurde unter tiefen Verbeugungen verabschiedet, die er jedoch nicht weiter beachtete. Ephra wollte ihn begleiten, doch kaum das sie an die große Flügeltür kamen, versperrten ihm zwei Draugr einfach dem Weg.
 

Lucion hielt inne.

„Ephra, ich bedarf keiner weiteren Aufsicht. In nächster Zeit wird es nicht zu Schwächeanfällen kommen.“, sagte er ohne sich um zudrehen und ging weiter. Der schwarzhaarige Lamia sah seinem kleinen Bruder mit zweifelndem Blick nach. Er wusste, dass Lucion in nächster Zeit stark genug sein würde, doch genau das bereitete ihm auch Sorgen. Jetzt wo Lucion nicht mehr ans Bett gefesselt und nicht mehr auf ihn angewiesen war, würde er wieder ungemein aktiv werden. Genau das beunruhigte ihn...
 

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Der Lunarie Incubus schritt langsam durch die vereinsamten Gänge und ein nachdenklicher Ausdruck lag auf seiner Miene, doch plötzlich umspielte ein finsteres Lächeln seine Lippen. Unheimlich flackerten die Lampen im Gang und für einen Moment erloschen sie gänzlich. Als sie wieder erstrahlten war Lucion verschwunden...
 

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Lange lag Jerome nun schon wach. Den Blick starr gegen die hohe Zimmerdecke gerichtet. Durch die, mit dunkelrotem samtverhangenen Fenster konnte man die erste Helle der Morgenröte anmuten, doch das interessierte ihn wenig. Noch immer kämpfte in ihm die Schlacht der Eifersucht gegen das Mitleid für den jungen Mann, der nun wohl in den Armen seines Geliebten lag und unfreiwillig zerfloss. Allein das Bild ließ Jerome krampfhaft das Herz zusammen fahren. Er wusste einfach nicht was er tun sollte. Es war ihm schon lange klar gewesen, das er dem silberhaarigen Gebieter weitaus mehr als nur Verehrung übrig hatte. Er liebte seinen Herrn mit jeder Faser seines Herzens, auch wenn dieser seine Gefühle nicht erwiderte.
 

Mit verkniffenen Augen wälzte der junge Sanguar sich auf die Seite, als könne er somit seinen quälenden Gedanken entfliehen, doch es war vergeblich. Seine Gehirnwindungen wurden wie immer nur von einer einzigen Person beherrscht: Lucion. Er lächelte bitter. Seit er ihm das erste Mal begegnet war und er erinnerte sich noch genau daran, war er von diesem überirdischen Wesen fasziniert. Wie sollte er das alles bloß ertragen? Wäre Gabriel nur eine Liebschaft im Sinne einer Mahlzeit, würde es ihm gewiss nichts ausmachen, aber es war das erste Mal, seit langer Zeit dass der Lunarie Incubus neben ihm einen zweiten Geliebten hatte... Vielleicht... Vielleicht sollte er Meister Ephra darum bitten ihm neue Aufträge zu verschaffen. Jerome wusste, dass dies feiges Weglaufen war, aber was anderes konnte er nicht und hatte er auch nie gelernt. Im Prinzip war er nur eine geduldete Hure, zu schwach um sich in der strengen Gesellschaft der Vampire zu behaupten. Er war auf mächtige Lamia wie Ephra angewiesen.
 

Leicht öffnete der Blonde die Augen und stierte verloren gegen die Wand seines Bettes und stutzte leicht als er silberne Strähnen bemerkte, die fließend über seine Schulter auf das Kopfkissen hingen. Erschrocken fuhr er zusammen, doch war er nicht mehr fähig sich zu bewegen. Aus den Schatten die über ihm lagen, formte sich ein schlanker Körper der Jerome leicht in die Kissen drückte. Der blonde Sanguar hielt die Luft an, als sich eine samtene Wange an seine nackte Schulter schmiegte und diese zärtlich zu küssen begann.

„G-Gebieter...“, hauchte er leise, denn welcher Vampir würde ihn sonst auf diese Weise besuchen.

„Du warst so schnell verschwunden, Jerome.“, hörte er die vorwurfsvolle Stimme seines Geliebten in sein Ohr flüstern.

„Ich hätte mich so gern noch etwas mit dir amüsiert... Aber wie dem auch sei...“
 

Jerome wagte es nicht zu erwidern und sog jede Liebkosung des Silberhaarigen auf. Wer weiß, wann er sie das nächste Mal zu spüren bekam, doch daran wollte er jetzt nicht denken. Das grün goldene Augenpaar beobachtete zufrieden, wie sein Gespiele sich unter ihm zurecht drehte und ihn in eine hungrige Umarmung nahm.

„Du verzerrst dich ja regelrecht, Liebster. Hat dich mein Spiel mit dem kleinen Wildfang vorhin derart erregt?“ Ein stechender Schmerz zog sich durch Jeromes Brust, doch verbarg er sein Leid hinter einer Maske, die schüchtern lächelte. Er durfte sich nichts anmerken lassen, denn er wusste nicht wie sein Meister drauf reagieren würde.
 

„Gebieter, einzig Eure Anwesenheit versetzt mich in Flammen...“ Ein leises Stöhnen entwich dem Sanguar als Lucion seine Finger über dessen Nippel gleiten ließ. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen und er küsste Jerome innig.

„Das brauchst du mir nicht sagen, kleiner Dummkopf. So ergeht es doch jedem in meiner Gesellschaft.“ Der Silberhaarige ließ sich lasziv zum Ohr des Kleineren gleiten und strich dort mit seinen Lippen Spitze der Muschel. Ein Schauer fuhr durch Jeromes Körper und verebbte in einem Beben seiner Lenden.

„Ich bin hier weil ich eine kleine Bitte an dich habe...“ Der Blonde blickte unter erhitzten Wangen verwundert in das Gesicht seines Gebieters.

„Ich will, dass du dich um den kleinen Wildfang kümmerst, wenn ich nicht da bin.“ Schlagartig weiteten sich die Augen des Blonden.

„A-aber, Gebieter. Ich bin doch- Meister Ephra hat Aufträge für mich und-“ In Lucions Augen blitzte es listig.

„Ephra wird sich einen anderen suchen müssen. Weißt du, ich werde nicht immer bei meinem kleinen Liebling sein, weil ich einiges vorhabe, solange die Seelen mir noch Kraft geben.“ Verwirrt runzelte Jerome die Stirn. Diese Worte konnten bei seinem Herrn nichts Gutes bedeuten.

„W-Was meint Ihr, G-Gebieter?“ Lucion bemühte sich zunächst nicht zu einer Antwort und drückte seinen Gespielen erneut in die Kissen und verwickelte ihn in ein wollüstiges Fingerspiel, in dem Jerome seine Frage fasst schon vergaß.
 

„Ich finde, Ephra verheimlicht zu viel vor mir, das habe ich heute wieder einmal gemerkt. Es passiert aber zu häufig. Er scheint vergessen zu haben, dass ich alles was er erreicht hat, mit einem Fingerschnippen zerstören kann.“ Bei diesen Worten spürte Jerome die Ansätze der Entgeisterung in sich aufsteigen, doch Lucions geschickte Hände hielten ihn in der Lust gefangen, so das er nichts erwidern konnte. Der Silberhaarige sah dies mit wohligem Schauer, denn er liebte es zu sehr die wilde Erregung in dem Gesicht seines Gespielen zu sehen.

„Daher sollst du dich um meinen kleinen Prinzen kümmern. Ich hoffe, das du ein bisschen auf ihn abfärbst.“ Lucions Stimme wurde immer leiser und rauer.

„Du bist so schön gefügig und weißt wo dein Platz ist. Vielleicht kannst du Gabriel etwas von deiner Unterwürfigkeit abgeben, hm?“ Jerome vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge des Silberhaarigen und vernahm sein leises Lachen. Der Sanguar biss sich auf die Lippen. Lucion hatte ihm soeben auf grausamste Art den einzigen Fluchtweg genommen. Er sollte sich … um Gabriel kümmern? Dieser Gedanke verlor sich je in einer Woge des Schmerzes und Jerome, schrie atemlos auf. Die seidigen Finger die um sein Kinn lagen, verwandelten sich in kalte Klauen und verschlossen sich fest. Er wurde gezwungen in die noch leicht weißlichen Augen seines Gebieters zu schauen, der ihn noch immer liebevoll anlächelte.
 

„Enttäusche du mich nicht auch noch, Liebster und vergiss nicht, das du nur mir zu dienen hast. Auch wenn Ephra dir häufig Befehle erteilt hat, gehört deine Treue mir...“ Eine Gänsehaut zog sich über Jeromes Körper, als die Hand des Silberhaarigen an ihm herab glitt und sich auf seinen schon leicht verhärteten Schritt legte.

„Genauso, wie das hier mir gehört...“, fügte Lucion spöttisch hinzu und schmiegte sich nun wieder gegen die Schulter seines Gespielen. Langsam begann er Jeromes Mitte zu massieren während er leise weiter sprach.

„Dies ist aber noch nicht alles, was ich möchte. Ich weiß, das Ephra dir sehr wohlgesonnen ist. Er vertraut dir, weil du ihm sehr viele Informationen über diesen nutzlosen Ring der Zeitalter zugeführt hast. Dasselbe wirst du nun aber für mich tun, nur für mich! Alles was Ephra tut, was er plant, wirst du an mich in jeder Einzelheit weitergeben.“

Der Körper Jeromes verspannte sich immer mehr unter den sündigen Berührungen und er konnte sich kaum auf die Verzweiflung in seinem Herz besinnen. Er mochte Meister Ephra sehr. Schon lange hatte er ihm gedient, doch... seine Liebe zu Lucion war weit aus stärker.

„Alles was immer Ihr befiehlt, Gebieter... alles was immer Ihr befiehlt...“, wisperte er ungehalten.
 

~tbc~

Whisky - Goldenes Gift

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Gabriels Entschluss

So ihr Lieben da bin ich wieder :)
 

Hat leider wieder zu lange gedauert, wegen meinen Klinikaufenthalt und weil danach mein liebster Opa gestorben ist. Aber jetzt geht’s wieder einigermaßen ^^
 

@ Toastviech

XD Wie kann man an meinem Schund bloß so viel gefallen finden. Aber Mal ehrlich ich bin froh das sich auf Mexx für ein Original interessiert. Auf Fanfiction.de sind es schon etwas mehr, aber trotzdem XD Irgendwie bin ich mit dem war ich schreibe immer unzufrieden. *gg
 

@ Silverdarshan

Danke für dein Verständnis Silver :) Habs im Nachhinein doch nicht bearbeitet, weil es doch irgendwie sinnfrei wäre. Hab mich da etwas zu dolle von Kritik beeinflussen lassen. Aber als Autor will man schließlich alles perfekt machen und da nimmt man sich alles Mögliche zu Herzen, was man als Feedback bekommt. *gg
 

@ HarukaEva

Huhu :D Mit deiner Meinung über Jerome hast du aber vollkommen ins Schwarze getroffen. Er bildet sich wirklich viel auf seine Stellung ein, aber dafür liebt er Lucion bedingungslos, obwohl das wohl ziemlich einseitig zu sein scheint ^^
 

Liebe Grüße an alle :D Weiter im mit dem Kapitel

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Kapitel 12: Gabriels Entschluss
 


 

Gabriel fragte sich, wann dieses Gefühl der Unwirklichkeit endlich ein Ende haben würde, denn nichts anderes vermittelten ihm seine Sinne. Die Leichtigkeit, die noch wenige Minuten zuvor in seinem Kopf geherrscht hatte, war verschwunden. Seine Haut fühlte nichts als feuchte schwüle Wärme. Vor seinen Augen herrschte ein dunstiger Schleier und seine Ohren nahmen nur alles am Rande war. Er hörte Lucions Stimme, die sich schon seit ihrer ersten Begegnung tief in sein Bewusstsein eingebrannt hatte. Warum konnte diese Trägheit nicht abklingen? Warum konnte er sich nicht so schrecklich fühlen, wie sein Verstand und seine Vernunft es weiß machten? Es war einfach eine Qual. Sein eigener Körper schien sich ihm immer mehr zu entfremden, gleich so als wollte er die Seele, die er beherbergte, abstoßen.
 

Aus dem Augenwinkel sah Gabriel wie Jerome sich zurück zog und die Tür schloss. Dessen Konturen waren für verschwommen, doch konnte er erkennen, dass seine Bewegungen unkoordiniert waren. Er hörte wie Lucion geräuschvoll ausatmete, so als würde er stumm lachen. Ein Zucken ging durch Gabriel, als er spürte wie Lucion den Arm um ihn legte und sich langsam zu seinem Ohr beugte. Die Hand, die nur kurze Momente auf seiner Schulter verweilt hatte, fuhr zärtlich seine Wirbelsäule herab, fasst bis über seinen Steiß hinaus und wieder zurück. Der heiße Atem, der an seine Ohrmuschel stieß, verursachte ein prickelndes Kribbeln und er neigte den Kopf in die Richtung aus der die Wärme kam.
 

„Hast du denn immer noch nicht genug?“, fragte Gabriel wispernd und hörte wie Lucion leise Auflachte.

„Genügsamkeit ist für all jene, die die Maßlosigkeit fürchten...“, erwiderte er in einem Tonfall, der Gabriel verwirrte. Eine leichte Ironie, schwang in der Stimme des Lichtbringers. Aber wieso nur?

„All diese genügsamen Kreaturen... die glücklich mit dem Wenigem sind, was sie besitzen...“ Vorsichtig öffnete Gabriel die Augen wieder und neigte zögernd den Kopf zu Lucion um die Emotion zu sehen, die er gerade in dem Satz vernommen hatte. Und tatsächlich! Gabriel hatte sich die Verbitterung nicht eingebildet. Lucions Züge hatten sich zu einem verhärmten Lächeln verzogen.
 

Nur wenige Minuten verblieb diese Mimik auf dem Antlitz des Lichtbringers, denn schon bald hörte man das leise Geräusch von der sich öffnenden Tür. Fast im selben Moment, gefroren jegliche Emotion auf Lucions Gesicht. Stumm hob er das Haupt und in seinen Augen blitze es hungrig auf. Gabriel folgte unsicher mit dem Blick und sah das Jerome mit dem Zuchtjünger wieder gekehrt war. Es war ein junger Mann, der Eleven stark ähnelte. Genau das seltsame schmale Gesicht mit den weit auseinander stehenden Mandelaugen und den befremdlichen Proportionen.
 

Nur wenige Sekunden nach dem der Zuchtjünger mit Jerome den Raum betreten hatte verweilte er wenige Momente in einer aufrechten Haltung, doch dann senkte er den Blick und er neigte seinen gesamten Körper demütig, bis seine Stirn unterwürfig den Boden berührte. Gabriel tat sich schwer alles mit zu bekommen, was um ihn herum passiert, doch bemerkte er, wie Lucion von ihm abließ.
 

Umsichtige Hände halfen ihm aus dem Becken zu steigen. Ein kleiner Schauder zog an seinen Beinen hinauf, als seine Füße auf den kalten Boden trafen. Doch schnell wurde sein Körper in ein warmes seidenes Gewand gehüllt. Gabriel hörte Jeromes Stimme wie sie leise mit ihm redete, doch der Sinn der Worte blieb ihm verschlossen. Langsam versuchte er die Augen zu öffnen, als eine Schulter ihn zu stützen begann. Ohne sein geistiges Zutun, begannen seine Füße einen Schritt nach dem anderen zu machen.
 

Mit gemischten Gefühlen schaute Jerome auf den Jüngling herab und seufzte nur. Einerseits tat der Junge ihm Leid, andererseits machte er ihn auch so wütend. Alles was Gabriel von Lucion empfing wäre für ihn eine Ehre gewesen. Vorsichtig stützte der Sang den Jungen und wollte gerade mit diesem das Bad verlassen, als der Lichtbringer ihn noch zurück hielt.

„Ach, Jerome! Noch etwas...“ Mit gesengten Lidern wandte der dunkelhäutige Sanguar sich seinem Herrn zu.

„Ja... Gebieter?“

Entspannt saß der Lichtbringer da und betrachtete mit seinen verschiedenfarbigen Augen gelangweilt seine schlanken Finger und vollführte mit ihnen einige elegante Bewegungen.

„Dein kleiner Schützling ist hier nicht dazu gekommen Nahrung aufzunehmen. Kümmere du dich darum. Du weißt besser als ich was Menschen zu sich nehmen...“ Eine kurze Stille entstand und Lucion tippte sich nachdenklich an sein Kinn, die Augen waren auf einen imaginären Punkt in weiter Ferne gerichtet. Ein dezentes Lächeln zeichnete sich auf den hellen Lippen Lucions ab. Jerome schluckte leicht als er aufsah und ihm bewusst wurde das sein Herr ihn nun direkt fixierte.

„Ich denke, es ist durchaus eine gute Idee, wenn du dir ein Zimmer mit Gabriel teilst.“

Unglauben spiegelte sich in Jeromes Augen und sein Hals wurde schlagartig trocken.

„A-Aber Gebieter-“
 

Das Wasser im Becken schlug leise fasst geräuschlose Wellen und Jerome spürte noch im selben Moment wie eine krallenbewerte Hand sich fest um seinen Hals legte. Zärtlich schmiegte sich Lucions Kopf in seine freie Halsbeuge.
 

„Ich wünsche mir, dass mein kleiner Liebling ebenso gefügig wird wie du...“, flüsterte Lucion mit kindlich klingender Stimme.

„Sind meine Wünsche so schwer für dich ausführen, mein geliebter Jerome?“ Wie ein Gewitter trommelte Jeromes Herz in seiner Brust. Sein Atem ging schnell und er leckte sich nervös über die Lippen. Auf seiner linken Schulter spürte er wie Gabriel leicht zuckte, doch anscheinend war dieser noch zu benommen um irgendetwas mit zubekommen.

„Nein, Gebieter! Alles was Ihr befiehlt...“ Die Hand um Jeromes Hals lockerte sich und glitt zärtlich zum Schlüsselbein hinab. Ein sanfter Kuss traf das Ohrläppchen des Sanguars und er erschauderte.

„So ist es gut...“, flüsterte Lucion. Zittrig fasste Jerome Gabriel fester und zog ihn näher an seinen Körper.
 

Der Sanguar sah seinem Herrn hinter her, wie dieser sich in einer sanften Bewegung abwandte. Dessen schlanke Füße hinterließen feuchte Spuren, auf dem dunklen Boden und das fahle Licht spiegelte sich in ihnen wieder. Lucion ließ sich geschmeidig auf einem Diwan nieder und ließ seinem Blick an Jerome vorbei wandern, als wenn es ihn gar nicht mehr geben würde.

„Lass mich dich ansehen... Zuchtjünger, ob du meinen Ansprüchen genügst!“ Den Anblick, den der Lichtbringer für Jerome bot, war kaum zu ertragen. Wie er dasaß! Nackt, mit leicht geöffneten Schenkeln. Einzig die silbernen Haare verbargen kleine Partien des feuchten sinnlichen Körpers... Jerome biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. Er wollte nicht sehen, was sein Gebieter mit dem Zuchtjünger tat. Die Szene mit dem jungen Gabriel hatte ihm völlig genügt. Schnell wandte er sich ab und machte sich auf, den Raum zu verlassen. In Lucions Gemach seufzte er und ging mit Gabriel zu einer antiken Chaiselongue, auf die er den Menschenjungen absetzte. Hier hatte er Gabriel vorsorglich ein paar weiche Schlappen bereitgestellt. Er beugte sich herab und nahm einen der Füße in seine Hand, doch im nächsten Moment gab Gabriel einen leisen Laut von sich.
 

Mit einer schnellen Bewegung zog der Jüngling seinen Fuß zurück und kauerte sich gegen die schräge Lehne der Chaiselongue.

„Fass mich nicht an!“, zischelte Gabriel heiser. Langsam, aber immer mehr gewann er die Kontrolle über seinen Körper wieder, doch noch immer beherrschte ihn diese unangenehme Trägheit. Er umschlang seinen Körper mit den Armen um sich vor weiteren fremden Berührungen zu schützen.
 

„Lass mich dir die Schuhe anziehen, sonst verkühlst du dich.“, sagte der braun gebrannte Sanguar nur und schaute auf das helle Fußpaar. Gabriel blinzelte einige Male und besah sich die kostbar bestickten Schlappen, doch gab er keine Antwort. Auch wenn ihn das Seidengewand etwas wärmte, so kroch die verdammte Kälte unerbittlich seine Beine hinauf. Er blickte Jerome an, der einfach nur dasaß und seinen Blick regungslos erwiderte. Dieser Diener Lucions war gefährlich, das wusste Gabriel nur zu gut, doch jetzt, in diesem Moment lag etwas Weiches, ja schon etwas Menschliches in seinem Blick. Langsam streckte er Jerome seine Füße entgegen. Nur ungern nahm er Hilfe entgegen doch nun fühlte er sich so hilflos und schwach. Nach allem was in den letzten Stunden geschehen war, sehnte er sich nach jemanden, dem er vertrauen konnte. Selbst wenn es die Hure des Lichtbringers persönlich war.
 

Jerome besaß auch unheimlich Kräfte, hatte er es doch am eigenen Leib erfahren, doch eines war klar. Jerome war lange nicht so unberechenbar wie Lucion.

„Warum tust du das alles...“, fragte Gabriel aus heiterem Himmel, dabei klang ihm seine eigene Stimme so rau und fremd. Jerome hatte erst einen der weiß goldenen Schlappen über Gabriels Füße gezogen und schaute überrascht auf.
 

„Was meinst du?“ Gabriel blinzelte einige Male und hob dann seine Augen. Sein Blick wanderte entrückt durch das große Gemach und fixierte sich irgendwann auf einen imaginären Punk.

„Dieses Leid... Warum machst du das alles mit?“ Immer größer wurden Jeromes Augen, doch als er vermutete worauf Gabriel hinaus wollte, biss er sich zerknirscht auf die Unterlippe.

„Ich verstehe wirklich nicht was du meinst.“, sagte er betont distanziert und wandte sich wieder seiner Tätigkeit zu.

„Ich bin nicht so dumm, wie aussehe... Jedes Mal wenn er mir diese schrecklichen Dinge antut, scheinst du Qualen zu leiden. Und ich schätze Mal stark, dass es nicht meinetwegen ist.“ Eine ganze Weile starrte Jerome auf die Pantoffeln, doch dann ließ er sich rücklings auf sein Gesäß fallen und lachte leise. Er stütze sich leicht nach hinten ab und schaute zu Gabriel hinauf, der ihn verwundert ansah.

Dieses leise Lachen, erreichte nicht die Augen des Sanguar und es klang schon fasst verbittert.

„Was er dir antut!?“ Das Lachen verstummte und Jeromes Blick wurde ernst.
 

„Der Gebieter tut dir gar nichts an! Im Gegenteil, er ist sehr nachsichtig mit dir! Nach all deinem respektlosen Eskapaden! Du widersprichst ihm, erhebst gegen ihn die Hand und fügst dich ihm einfach nicht! In all den Jahren in denen ich dem Lichtbringer diente, ist so etwas nie vorgekommen. NIE!“ Einen Moment hielt Jerome inne, um sich zu sammeln. Er atmete kurz tief durch, denn er hatte bemerkt dass er immer lauter geworden war. Beklommen starrte er auf den schwarz marmorierten Boden in dem sich dumpf seine Umrisse spiegelten.
 

„Oft habe ich erlebt wie schon ein falscher Blick das Ende eines Unwürdigen bedeutet hatte. Eine falsche Geste oder gar ein unbedachtes Wort... Nur bei dir ist es anders!“ Gabriel wusste selbst nicht warum er so gelassen blieb. Vielleicht war es noch eine Nebenwirkung des Alkohols.

„Du bist eifersüchtig“, stellte er nur trocken fest, aber das war auch nicht schwer. So wie Jerome sich aufregte war es einfach zu offensichtlich. Noch ehe sein Gegenüber etwas erwidern konnte fuhr Gabriel fort:

„Und ich verstehe auch nicht, warum du so jammerst. Alles was du eben aufgezählt hast, ist bei dir doch ähnlich. In Lucions Augen hast du dir ein paar Ausrutscher geleistet, aber er hat dich nicht gleich gekillt.“
 

Jerome saß nur da und starrte den Jungen verdutzt an. Solche Worte hatte er wahrhaftig nicht erwartet. Er wollte darauf antworten und sich rechtfertigen, doch sein Verstand hielt ihn zurück. Er wollte dem Jungen durch sein Verhalten nicht auch noch Recht geben.

„Du bist noch zu jung, um das zu verstehen“, sagte er nur, wandte unbewusst den Blick ab und erhob sich.
 

„Wir sollten das Gemach des Lichtbringers verlassen... Du hast sicherlich Hunger? Ich werde dich in den Salon dieses Geschosses bringen. Dort wirst du deine neue Kleidung in Empfang nehmen, bevor das Mahl für dich angerichtet wird.“

Gabriel stutzte, hatte er richtig gehört?

„Neue Kleidung?“

Noch immer wagte Jerome nicht den Menschenjungen anzusehen, sondern konzentrierte seinen Blick auf das Fenster hinter dem jungen Mann. Mit einer leichten Geste seiner Hand fuhr er sich bedeutend über seine Weste.

„Du bekleidest ab heute dieselbe Position wie ich... Du bist ein Lustknabe des Lichtbringers. Das heißt, du wirst die Reize deines Körpers elegant zur Schau stellen, um deinem Herrn zu gefallen.“

Entgeistert folgten Gabriels Augen den Fingern, wie sie über Jeromes Kleidung glitten.

Er trug eine knappe Weste von dunkelvioletter Farbe. Die Hose dazu war schwarz und genauso knall eng! Gabriel biss sich auf die Innenseite seiner Wange. Der Anblick dieser Hose ließ ihm Übles schwanen, denn das Gemächt wurde nur zu gut betont.

„D-Das ist nicht dein Ernst?!“
 

Jerome bemerkte sofort, was Gabriel meinte und zuckte ungerührt mit den Schultern.

„Ich sagte ja bereits, die Aufgabe eines Lustknaben ist es seinem Herrn gefällig zu sein.“ Ein kleines spitzbübisches Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

„Im Übrigen gewöhnt man sich daran. Ich habe sogar daran Gefallen gefunden angestarrt zu werden.“ Ja, er hatte tatsächlich im Laufe der Jahre daran Gefallen gefunden. Er wusste nur zu gut, wie verführerisch sein Körper auf andere wirkte und die Gewissheit das alle gerne das besäßen, was mit dem Lichtbringer in Berührung gekommen war, verursachte in ihm ein ungemein wohliges Gefühl. Er gehörte nur dem Gebieter, sonst niemandem!
 

Gabriel sackte in den Polstern der Chaiselongue zusammen und fühlte sich plötzlich noch hilfloser als zuvor. Schluckend besah er sich Jerome näher. Goldene Reifen blitzten um Hals und Arme und bildeten einen angenehmen Kontrast auf der dunklen nussfarbenen Haut.
 

„I-Ich soll genau wie du zu einer... einer...“ Gabriel wagte es nicht den Satz zu beenden. Schon allein dieses widerliche Wort in Bezug auf seine eigene Person in den Mund zu nehmen, verursachte ihm Übelkeit.

Diese Unsicherheit belustigte Jerome jedoch und er empfand es schon fast als niedlich. Er beugte sich leicht zu Gabriel, so dass sein Gesicht nur wenige Zentimeter vor dem seines Schützlings schwebte.

„Ja, du sollst genau wie ich zu einer kleinen Schlampe werden.“ Er richtete sich wieder auf und ließ seine Worte noch kurz nachwirken, bevor er wieder ernst wurde.

„Glaub mir, Kleiner. Das ist für dich wahrscheinlich der einzige Weg zu überleben. In der Gesellschaft der Vampire gilt eine strenge hierarchische Ordnung in der Menschen kaum eine Chance haben und das weiß ich am besten, denn ein Sanguar ist mehr Mensch als Vampir. Es gilt das Gesetz der Macht. Verstehst du?“
 

Gabriels Blick war ausdruckslos und starrend, doch hatte er jedes Wort genau verstanden. Diese Welt wurde aus den Schatten heraus von den Vampiren beherrscht und wer einmal mit den Vampiren verkehrte, konnte sich ihnen nicht mehr entziehen, denn sie waren einfach überall. Es gab nur wenige Wege wirklich frei zu sein. Das Leben in Unwissenheit oder...

„... einem mächtigen Vampir dienstbar zu sein...“, murmelte Gabriel ausdruckslos vor sich hin und Jerome nickte langsam.

„So ist es. Umso mehr Macht dein Besitzer hat, desto mehr Macht hast auch du! Es kommt nur noch darauf an, wie dich dein Meister behandelt und glaub mir, es gibt kein größeres Glück für einen Menschen, als die Hure des Lichtbringers zu werden. Fügst du dich dem Gebieter, so wird auch er dich gut behandeln.“
 

Ein Ruck ging durch Gabriels Körper und das Gefühl der Hilflosigkeit in ihm wuchs ins unermessliche. Nein! Das durfte alles nicht wahr sein! Das konnte er nicht! Niemals konnte er, Gabriel Rougen, zu einer Hure werden! Stets hatte er den Kopf hoch getragen und war stolz und stark gewesen. Weder Lehrer noch Polizei hatten ihn was anhaben können und sogar seine Freunde hatten nach seiner Pfeife getanzt. Wie konnte sich das alles bloß in einer einzigen Nacht ändern!?

Sein Vater! Allein sein Vater, dieser Teufel trug die Schuld daran. Das Verlangen nach Rache stieg abermals in ihm auf. Während er hier drinnen litt, war er irgendwo da Draußen und feierte seinen Ruhm, den er durch das Opfer und den neuen Status seines jüngsten Sohnes erlangt hatte.

Gabriel fuhr sich mit den Fingern in seine Haare und vergrub sie darin.
 

„An all dem ist nur mein Vater schuld! Wenn er mit jemals wieder unter die Augen treten sollte, wird er dafür büßen! Er wird leiden!“

Jerome erschrak bei diesem Ausbruch leicht, doch als er begann zu verstehen lächelte er und verschränkte die Arme.

„Machst du es dir nicht ein bisschen sehr einfach? Ich meine, denke einmal genau nach. Dein Vater ist in New Halen ein äußerst bedeutender Mann. Sein Weg zur Macht hat er sich mit Korruption und Intrigen geebnet.“

Gabriel ließ die Hände sinken und hob fragend eine Augenbraue.

„Kannst du neuerdings Gedanken lesen?“

„Nein, Kleiner. Ich kenne nur deine Geschichte und kann eins und eins zusammenzählen. Jedenfalls kannst du dir denken worauf ich hinaus will. Deinen Einfluss hast du allein durch deinen Vater und dieser wiederum hat seinen Einfluss durch die Vampire. Also? Was schlussfolgern wir daraus? Du warst schon dein ganzes Leben von den Vampiren abhängig.“
 

Gabriel wusste darauf nichts zu antworten, denn alles entsprach leider der uneingeschränkten Wahrheit. Durch den Status seines Vaters wäre er wahrscheinlich sowie so mindestens an seinem siebzehnten Geburtstag unfreiwilliges Mitglied in der Styx Society geworden. Dennoch änderte dies nichts an der Art, wie sich sein Vater und sein Bruder verhalten hatten... Er wollte Rache an beiden! Wenn nicht für sich selbst, dann für seinen geliebten Butler und Freund Briar. Bei diesem Gedanken ballte er die Fäuste, was Jerome nicht entging. Er seufzte leise.
 

„Wir sollten langsam wirklich gehen... Komm ich helfe dir aufzustehen.“
 

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Während er Jerome durch die Flure gefolgt war, hatte Gabriel immer wieder das Gefühl gehabt sich im Zoo zu befinden. Nicht das er etwas gegen Zoos hatte, denn zweifellos hatte er es immer geliebt die Tiere zu bestaunen. Doch nun war er zum exotischen Tier geworden, das von den Vampiren angestarrt wurde. Ob es an ihm oder Jerome lag konnte er nicht sagen. Immer wieder blieben vereinzelt Blutsauger stehen und gafften ihnen nach. Frustriert schlang er sich die Arme fester um seinen Körper und beschleunigte seinen Schritt um mit Jerome mitzuhalten.

„Was glotzen die so?“, raunte Gabriel dem Größeren so unauffällig wie möglich zu. Jerome schien die anderen gar nicht erst bemerkt zu haben, denn er schaute sich verwundert um. Doch dann lächelte er schief und richtete seinen Blick wieder nach vorn.
 

„Kümmere dich nicht um die Welpen. Sie wollen nur den Verrückten sehen, der gegen den Gebieter die Hand erhoben und überlebt hat.“

„Welpen?“, fragte Gabriel mit erhobener Augenbraue.

„Frisch gebissene Vampire...“, erklärte Jerome beiläufig. Gabriel wartete darauf, dass der Sanguar mehr erklärte, doch dieser schwieg beharrlich. Unter schwerem Seufzen verfinsterte sich der Blick des Jünglings. Na super! Jetzt lag nicht nur mehr die Aufmerksamkeit des Oberblutsaugers auf ihm, sondern nun auch noch die vom Nachwuchs. Natürlich war es logisch, das sich seine Freveltat herum sprach, aber ihm gefiel es gar nicht, dass noch andere ihm solche Beachtung schenkten. Wieso fühlte er sich bloß plötzlich wie Harry Potter, der „Junge der lebt“? Die Blicke dieser sogenannten Welpen waren voll von Skepsis und Missgunst. Ihm schwante Übles...
 

Nach kurzem Fußmarsch bog Jerome in eine Seite ein und öffnete eine dunkle Tür.

„Nach dir.“, deutete er nur an. Schnell schlüpfte Gabriel an dem Größeren vorbei, um endlich den Blicken dieser Jungvampire zu entgehen. Erleichtert atmete er auf, als er den großen Raum betrat. Einer gewissen Neugier konnte er sich nicht entsagen und er ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Der größte Teil des Salons war in Grün gehalten. Die Möbel waren dem viktorianischen Stil angepasst. Sofa und Sessel waren in edle dunkle Holzrahmen gefasst und mit grünen Samtbezügen bespannt. Auch der Tisch mit der Glasfläche wurde von einem kunstvoll gewundenen Holzrahmen gehalten. Gabriel runzelte leicht die Stirn, aber bevor er sich weiter Gedanken machen konnte, lenkte ihn ein leises Geklapper von Tasten ab. Automatisch wandte er sich dem Geräusch zu und sah Jerome wie er eine Nummer in ein kleines Intercom tippte.
 

„Sie wünschen?“, fragte das Intercom mit einer hohen Frauenstimme.

„Hier spricht Jerome Garrison. Ich möchte, dass die bereitgelegten Kleider für den ehrenwerten Gabriel Rougen aus meinem Zimmer hier her gebracht werden. Und dann möchte ich so schnell wie möglich eine kleine Auswahl an Snacks und Getränken hier haben...“, befahl Jerome und wollte den Sprachknopf schon loslassen, als ihm noch etwas einfiel.

„Ach ja... Seine verehrte Heiligkeit der Gebieter wünscht, dass sein neuer Liebling mit mir ein Gemach bezieht. Sorge dafür, dass mein Zimmer in mindestens 3 Stunden für eine zweite Person hergerichtet ist.“

„Sehr wohl, wie Sie befehlen, Mr. Garrison.“
 

Seufzend wandte sich Jerome seinem Schützling zu, der ihn entsetzt anstarrte.

„Ich soll mit dir...?“, wollte Gabriel brüskiert drauf los reden, doch Jerome unterbrach ihn sofort mit einer unwirschen Handbewegung.

„Der Lichtbringer hat mir befohlen, mich deiner anzunehmen und dich gesellschaftsfähig zu machen.“, während er so redete schritt er langsam auf Gabriel zu, bis er dicht vor ihm stand. Ihm gefiel das alles auch nicht, aber es musste wohl so sein.
 

„Und ich bin ab heute so etwas wie deine Lebensversicherung. Dein neuer Status als Lustknabe des Lunarie Incubus macht dich unglaublich wertvoll und die Tatsache, dass du auch noch ein gewöhnlicher Mensch bist steigert diesen Wert bis ins unermessliche. Deshalb werden die hohen Herren unserer Gesellschaft ein besonderes Auge auf dich haben.“

Erschöpft ließ sich Gabriel rücklings auf das grüne Sofa fallen und legte erschöpft den Kopf in den Nacken. Er fühlte sich so was von zerschlagen! Das wurde einfach alles zu viel!

„Warum sollte ich überhaupt etwas über die Regeln der Vampire lernen, wenn mich euer Obermotz sowie so nur als Betthäschen haben will!“
 

Es war ziemlich schwer für Jerome sich zusammen zu nehmen und er schloss für einen Moment die Augen. Er legte sein Gewicht in die Hüfte und verschränkte die Arme, dann räusperte er sich.

„Zunächst solltest du aufhören so respektlos von dem Lichtbringer zu reden oder noch besser, ihn nicht mehr beim Namen nennen. Glaub mir, es ist besser wenn du dich mit der Etikette unserer Welt auskennst. Insbesondere, wie du dich dem Lichtbringer gegenüber zu verhalten hast.“
 

Gabriel presste fest die Lippen zusammen und starrte an die hohe mit Bildern verzierte Decke. War dies denn die einzige Möglichkeit nicht mehr Leiden zu müssen? Nein, tief in seinem Innern kannte Gabriel noch eine weitere Möglichkeit dem ganzem ein Ende zu setzen...Der Tod. Sein Herz verkrampfte sich. Er wollte leben, um jeden Preis. Koste es was es wolle! Zudem wusste er nicht, wie weit Lucions Kraft reichte. Er hatte gesehen, dass er Seelen einfach so aus dem Körper ziehen und verschlingen konnte. Vielleicht hatte dieser widerliche Vampir im Tod noch viel mehr Macht über ihn als im Leben.
 

Langsam beugte er sich nach vorn und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.

„Wird er dann aufhören meinen Körper zu beeinflussen? Wird er aufhören, das ich diese... ekelhaften Gefühle in mir zu verursachen?“, wisperte er leise und starrte verhärmt auf die gläserne Kante der Tischplatte, in dem sich seine blauen Augen sanft spiegelten.

„Gefühle zu verursachen?“, fragte Jerome erstaunt.

„Der Gebieter kann den Körper und den Geist manipulieren, aber keine Gefühle...“

Ruckartig hob Gabriel den Kopf.

„Aber ich spüre es doch! Diese widerlichen Gefühle, wenn er mich berührt. Ich vergesse fast alles um mich herum! Das rührt niemals im Leben von mir!“

Jerome hob den Blick und schaute nachdenklich aus dem Fenster auf die nächtliche Metropole von New Halen. Dann erinnerte er sich an das, was vor kaum einer halben Stunde in dem Bad passiert war. Gabriel hatte sich dem Lichtbringer schon fast bedingungslos hingegeben und hungrig dessen Küsse entgegen genommen. Nicht nur das, der Jüngling hatte sogar selbst zu einem gierigen Kuss angesetzt. Irgendwie bezweifelte Jerome stark, dass es nur an dem Whisky lag, der Gabriel verabreicht wurde.
 

„Der Gebieter tut viele Dinge, die man nicht versteht und er ist unberechenbar, aber noch nie hat er einen seiner Geliebten körperlich manipuliert. Meinst du nicht, das der reizvolle Körper des Gebieters diese Gefühle verursacht?“ Gabriel konnte nicht verleugnen, das Lucion eine Augenweide war, aber da gab es eine kleine Tatsache die dagegen sprach.

„Jerome, ich bin keine Schwuchtel! Mein ganzes Leben habe ich nur einen hoch bekommen, wenn eine scharfe Braut vor mir stand, oder ich den Playboy vor der Nase hatte! Es ist einfach unmöglich das-“ Gabriel brach mitten im Satz ab, denn er erinnerte sich daran, was Lucion ihm erzählt hatte... Angeblich besaß er eine besondere Affinität gegenüber Lamia.

„Diese Ausdrucksweise! Gabriel, es ist nicht ungewöhnlich, dass Männer in deinem Alter ihre schwule Neigung entdecken. Bei mir war es nicht anders.“, antwortete Jerome lächelnd und ahnte nichts von den Gedanken seines Schützlings.
 

„Nein warte! Lucion mein-“ Jerome schnitt Gabriel das Wort mit einem lauten penetranten Räuspern ab, worauf dieser einen trotzigen Blick erntete.

„Der Lichtbringer“, verbesserte sich Gabriel genervt, „meinte mein Körper reagiert auf die Aura von Lamia.“ Mit großen Augen wandte sich Jerome dem Jüngling zu. Wie bitte?

„Was! Aber wie kann das sein! Du bist nur ein gewöhnlicher Mensch!“ Er setzte sich neben Gabriel und griff sich grübelnd ans Kinn. Das wovon sein Schützling da erzählte, war eine seltene Eigenschaft die bei Zuchtjüngern auftrat. Schon seit Jahren war die Zucht auf diese Eigenschaft mit ausgerichtet, leider mit nur mäßigem Erfolg.

„Wenn dem so ist, erklärt das einiges...“, murmelte der Sang leise.

„Ich verstehe nicht was daran so besonders ist! Alle Menschen werden doch irgendwie von der Aura eines Vampirs angezogen.“

„Ja das schon, allerdings nicht direkt auf sexueller Basis, wie es bei dir der Fall ist...“ Jerome dachte einen Moment nach.

„Diese Eigenschaft geht sogar noch ein Stück weiter. Nicht nur du wirst sexuell von ihnen angezogen. Es beruht auf Gegenseitigkeit!“ Gabriel riss die Augen auf.

„Nein!“ Das hatte ihm gerade noch gefehlt!
 

„Ist es möglich, dass du von Zuchtjüngern abstammst?“, fragte Jerome und schaute dabei den Jüngling forschend an, aber egal wie lange er Gabriel musterte, er fand einfach keinen Hinweis. Gabriel besaß keine der äußerlichen Merkmale der Zuchtjünger, die durch Jahrtausendelanger Zucht entstanden sind. Gabriel schaute verdutzt von Jerome auf seine eigenen Hände. Stammte er von Zuchtjüngern ab? Was für eine groteske Vorstellung! Gerade als er zu einem Kommentar ansetzen wollte, klopfte es. Die Köpfe der beiden jungen Männer wandten sich gleichzeitig der Tür zu und beobachteten wie zwei junge Hausmädchen, in schwarz weißen Rüschenuniformen, eintraten. Das rothaarige größere Mädchen schob einen Servicewagen vor sich her und ihre brünette Kollegin trug einen großen Stapel säuberlich getürmter Kleidung mit sich. Beide verbeugten sich tief voller Demut.

„Wie befohlen haben wir die neue Bekleidung des jungen Herrn geholt und ein kleines Mahl angerichtet. Als Vorspeise ein leichtes Geliertes Kokos- Potpourri mit feinstem Ingwer und echter Vanille. Danach Putenstreifen in Crémant-“ Gabriel wurde es zu anstrengend dem Mädchen zuzuhören. Aber eines war klar, es gab viel zu Essen. Besorgt starrte er auf den Wäschestapel, der noch unschuldig in den Armen der Braunhaarigen ruhte. Es sah so aus, als hatte Jerome eine kleine Modenschau für ihn geplant. Was ihn am meisten beunruhigt, war die Art von Kleidung die ihm blühte.
 

Nach dem Aufzählung der Fressalien endlich ein Ende gefunden hatte, hob Jerome erstaunt die Augenbrauen.

„Wo habt ihr in aller der kurzen Zeit, solche Gerichte aufgetrieben?!“ Das große rothaarige Mädchen kicherte verschmitzt.

„Im Restaurant im Erdgeschoss findet ein großes Geschäftsessen statt. Es gab einen kleinen Fehler in der Planung, so wurden einige Speisen zu viel angerichtet. Welch ein Glücksfall! Nun, wie dem auch sei. Die Umgestaltung Ihres Gemachs müsste auch jeden Moment anfangen.“ Sie wollte nach einer der Wärmehauben greifen die, auf den Gerichten ruhten. Doch dann hielt sie inne.

„Mr. Garrison, Sir, soll die Anprobe der Kleider vor oder nach dem Essen beginnen?“ Jerome brauchte nicht lange überlegen und erhob sich.

„Natürlich sofort. Soll sich der junge Herr erkälten?“
 

Immer wieder starrte Gabriel sehnsüchtig zum Servicewagen. So langsam bekam er ernsthaft Hunger. Doch natürlich interessierte es die beiden Mädchen, die an ihm herum bastelten, nicht im geringsten. Ein Kleidungsstück nach dem nächsten wurde Gabriel an- und wieder ausgezogen. Alles unter den strengen Augen Jeromes.

„Zieh nicht so ein Gesicht! Ich kenne den Geschmack des Gebieters am Besten und um das richtige zu finden, braucht es halt seine Zeit- Margret! Zieh ihm noch einmal die Strapse über. Ich glaub, die passen ganz gut zu der kurzen schwarzen Hose!“ Am Liebsten hätte sich Gabriel die Hand gegen die Stirn geschlagen, bloß diese wurde gerade von der brünetten Beth durch den Ärmel eines knappen T-shirts gezwungen. Er mochte diese Weiber nicht. Die waren ganze Zeit am kichern und zerrten an ihm rum und seine Selbstbeherrschung schwand dadurch rasant. Warum hatte man ihm nicht Marcie Dollet, die Assistentin von dieser schrecklichen Enola geschickt, wenn er sich schon nicht allein anziehen durfte. Sie war wenigstens nett und erträglich.
 

„ES REICHT!“, platzte es aus ihm heraus und er riss sich von der blonden Margret los, die ihm gerade eine der Strapsen überstreifen wollte. Beth wollte ihn noch festhalten, doch er schlug schnell die Hand weg, worauf sie quiekend wie ein Ferkel zurück schreckte.

„Beruhigen Sie sich doch, Mr. Rougen, Sir!“, versuchte Margret, Gabriel zu beschwichtigen, doch er wandte sich nur zornfunkelnd zu ihr um.

„Verschwindet!“, fauchte er sie an, wie er es schon früher bei den Hausmädchen daheim gemacht hatte, wenn sie ihm zu viel wurden. Langsam schritt er auf sie zu während sie mit erhobenen Händen zurück wich.

„A-Aber, Sir! B-Bitte-“

„RAUS, ZUM TEUFEL! ALLE BEIDE!“, donnerte er, auf das die Mädchen kreidebleich anliefen und versuchten so schnell wie möglich dem Zimmer zu flüchten.
 

Zitternd vor Wut blieb Gabriel auf der Stelle stehen und ballte die Fäuste, bis die Knöchel hell unter der Haut hervortraten. Kein Dienstmädchen, menschlich oder vampirisch, durfte so mit ihm umspringen!

„Wieder ganz der Alte, hm?“, stellte Jerome nüchtern fest und verschränkte die Arme.

„War es denn nötig, die armen Mädchen so zu verschrecken?“
 

Zunächst ignorierte Gabriel den Sanguar und befreite sich knurrend von dem unmöglichen Shirt und der einzelnen Strapse. Dieser Lucion hatte es geschafft, dass er sich völlig aufgegeben hatte und völlig im Selbstmitleid versank. Aber damit war jetzt Schluss. Gut, es gab für ihn kein entrinnen und musste diese pervertierten Spielchen dieses verrückten Obervampirs ertragen. Keiner hier würde ihm das Leid und die Demütigungen abnehmen. Wie Lucion sagte, er hatte mit seiner Tat entschlossen zu Leben und das würde er auch tun! Es wurde Zeit zu zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt war.
 

Gabriel straffte den Rücken und hob auf seine eigene arrogante Art den Kopf. Entschlossen bot er Jerome die Stirn.

„Ich werde mir selbst die Klamotten raus suchen und wenn dem verehrten Lichtbringer mein Aufzug nicht passt, hat er Pech gehabt!“ Wenn es keinen anderen Weg gab, dann würde er sich halt Lucion beugen, aber nicht kampflos... Tief hinter seinen energischen Gedankenstrom sprach jedoch eine leise Stimme:

„Hoffentlich kann ich mich auch an meine eigenen Worte halten...“
 

Jerome starrte Gabriel einfach nur mit offenem Mund an. Doch dann stürmte er nach vorn und griff seinem Schützling an die Schulter, bevor er los wetterte.

„Bist du denn Lebensmüde, Junge!? Haben dir die ganzen Strafen, denn überhaupt nichts gezeigt?! Wenn du dich nicht fügst, nimmt das ein böses Ende mit dir.“ Gabriel drückte Jerome sanft von sich. Doch, sie hatten ihm viel gezeigt. Vor allem wie machtlos und erbärmlich er doch war, aber damit war jetzt Schluss. Er lächelte seinen Gegenüber spitzbübisch an.
 

„Ich habe nie behauptet, dass ich mich nicht fügen würde.“ Gabriel nahm seinen Blick von Jerome und sah auf die am Boden verstreuten Klamotten. Schnell ging er hin und her und suchte sich einige Stücke zusammen, die ihm wenigstens ansatzweise gefielen. Ein schwarzes ärmelloses Shirt mit Reißverschluss und hohem eng anliegendem Kragen. Er fand noch eine Hose die nur am Beckenbereich eng saß und dafür aber lockerer an den Hosenbeinen abfielen. Leider saß diese Hose, ähnlich wie bei Jerome, sehr tief. Unbehaglich versuchte er den Bund zurecht zu Zupfen, damit wenigstens etwas von seiner Unterwäsche verborgen wurde... was in diesem Fall ein String war.... Ja, unglaublich aber wahr! Er, ein überzeugter Fan von Boxer, hatte mehr oder weniger freiwillig einen Ritzenputzer angezogen! Er würde nicht wie Jerome keine Unterwäsche tragen, so tief war er noch nicht gesunken.
 

Als er sich fertig umgezogen hatte, drehte er sich lächelnd zum Sang um.

„Es wird Zeit mein Schicksal in Angriff zu nehmen... nach dem Essen, versteht sich.“

Dies war Lucions Spiel, in dem er haushoch verlieren würde, da war er sich sicher, aber er konnte bis zu einem gewissen Grad die Regeln mit bestimmen...

Der Lichtbringer sollte sich warm anziehen...
 

~tbc~

Mutter

Kapitel 13 Mutter
 

Nun war mehr als eine Woche vergangen, in der sich sein Leben in eine völlig ungeahnte Bahn gelenkt hatte. Er, Gabriel war mit Wesen und Kreaturen in Berührung gekommen, die er sonst in das Reich der Sagen und Mythen verbannt hatte. Hätte ihn Jemand zuvor erzählt, dass er zum Lieblingspüppchen eines schwulen verrückten Vampirs werden würde, hätte er ihn wohlmöglich zusammengeschlagen...

Schweigend schritt Gabriel durch die düsteren Gänge der oberen Etage der Styx Society.

Lange Schatten begleiteten seinen ziellosen Weg. Einzig die Ablenkung war es, die er in seinem kleinen Spaziergang suchte, aber die würde er ohnehin nicht finden. Alles erinnerte ihn an seine verfangene Situation, aus der er nicht mehr entkommen konnte. Wie auch? Er war längst kurz davor gewesen aufzugeben... Nur die Entscheidung, das zu tun, was man von ihm verlangte rettete ihm wohl den Arsch, aber selbst da konnte er sich nicht so sicher sein. Na wenigstens hatte sein Entschluss dazu geführt, das Jerome ihn erlaubte sich frei auf den oberen Etagen der Society bewegen zu können.

Für einen Moment erwachte Gabriel aus seinen Gedanken, als er bemerkte, dass er beinahe gegen einen großen Blumentopf gelaufen wäre. Seine Füße hatten ihn zum Ende des Ganges geführt, der sich zu einem kleinen Raum verbreiterte.

Wofür dieser Raum wohl gedacht ist, fragte Gabriel sich, als er sich die Einrichtung genauer besah. Ein kleiner Tisch und drei gepolsterte Sessel aus hellem Korbgeflecht standen in der Mitte. Ein besonderen Flair erhielt der kleine Raum durch die großen Fenster, durch dass das kühle Licht der nächtlichen Metropole fiel und auf die vielen Grünlilien schien, die großzügig in den Zimmerecken verteilt worden waren. War dies hier so eine Art Wartezimmer? Um sich zu orientieren ging Gabriel wieder in den Korridor zurück und entdeckte das dieser weiter nach links abbog.

Schon im ersten Augenblick bereitete dieser Gang Gabriel ein ungutes Bauchgefühl. Auch wenn er erst seit einer Woche an diesem seltsamen Ort war, so hatte er doch schnell gelernt auf ein solches Gefühl zu hören. Schließlich war er hier schon oft genug in Schwierigkeiten gekommen.

Er war ganz klar dazu entschlossen kehrt zu machen, doch ein Funkeln, dass er aus dem Augenwinkel erblickte zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Für einen Moment tat sein Herz einen erschrockenen Satz, denn er glaubte Lucions glühende Augen dort in der Dunkelheit aufblitzen zu sehen. Nein er glaubte es nicht nur, er war sich sicher. Langsam wandte er sich der Düsternis zu, denn weglaufen hatte sowieso keinen Zweck.

„Luc-“, begann er seinen Satz, doch räusperte er sich und krächzte zögernd.

„Lichtbringer?“

Schon seit seinem ersten Tag hier in dem Komplex der Society verfluchte er die ständige Dunkelheit die in den oberen Stockwerken herrschte und auch dieser Korridor war voll davon. Keine Fenster, aber während andere Gänge noch beleuchtet waren, lag dieser vollkommen in Finsternis. Warum mussten Vampire bloß so versessen auf dunkle Löcher sein, wo doch die tödliche Lichtempfindlichkeit nur ein Hollywood- Mythos war.

Keine Antwort. Gabriel spähte in die schwarze Tiefe zu der das schwache Licht des kleinen Raums hinter ihm kaum mehr hin reichte. Da war definitiv etwas! Für einen kurzen Moment glaubte Gabriel sogar das Rascheln von Stoff zu hören.

Er wusste das es dumm war, dennoch tat er einen kleinen Schritt in den Gang. Ein kleiner Schritt würde schon nicht Schaden... Nur ein kleiner Schritt, um besser sehen zu können...

Schon allein der Gedanke an den silberhaarigen Vampir bereitete ihm ein kaltes schauriges Prickeln im Nacken und er hatte keine Lust ausgerechnet jetzt dessen sadistischen Spieltrieb durch eine kopflose Flucht zu wecken. Doch kaum das er besser erkennen konnte, was sich dort verbarg, wurde ihm leicht in seiner Brust. Ein Glück, es war nicht Lucion. Nur ein Portrait eines feisten Mädchens war es gewesen, das vom schwachen Licht beschienen wurde. Die Augen und das unnatürlich helle Haar, waren auf kunstvolle Art mit leicht glänzenden Farben auf der Leinwand verewigt. Die genaue Technik konnte er nicht erkennen, was aber auch nicht überraschend war, denn er besaß das Kunstverständnis einer Lakritzschnecke. Aber diese Farben nannten einen perlmutartigen Glanz ihr Eigen und reflektierten das fahle Licht auf mystische Weise. Schnell war der Schreck vergessen und Gabriel ging auf das Bildnis zu, dabei grinste er verschmitzt zu der jungen Frau hoch.

„Langsam werde ich noch paranoid...“, murmelte er zu sich selbst und betrachtete das Portrait genauer. Ganz klar war, dass sie ein paar Kilos zu viel auf den Hüften hatte, aber die junge Frau schien die Art Mensch (oder eher gesagt Vampir, denn das war sie ohne Zweifel) zu sein, die man sich optisch nicht anders vorstellen konnte. Sie gehörte einfach so und es machte sie schön.

Von ihren runden Wangen lenkten zwei hell grüne Augen ab, die genau wie ihr schiefes Lächeln spöttisch auf ihren Betrachter hinab sahen. Doch war es kein boshafter Spott, sondern die freche kokette Art, wie sie nur selbstbewusste Mädchen haben konnten.

Diese beiden leuchtenden Augen und die vollen rosaroten Lippen gaben dem blassen Gesicht etwas Lebendiges und Schönes. Durch ihr platinblondes, fasst weißes Haar hätte man sie ansonsten leicht für eine Marmorstatue halten können.

Das Bild endete unterhalb ihrer Brust, die von dunkelroter Spitze verziert wurde. Man konnte es nicht erkennen, aber Gabriel vermutete, dass sie ein Kleid aus dem vorherigen Jahrtausend trug.

Ihr Anblick erfüllte ihn auf unerklärliche Weise mit einem warmen angenehmen Gefühl, so als würde er in das Gesicht seiner verstorbenen Mutter blicken und dass, obwohl er nicht mal mehr wusste wie seine Mutter überhaupt aussah. Es war einfach ihre Ausstrahlung, so fand er.

Doch gleichzeitig verstörte ihn etwas an dieser Rubensschönheit und das war bestimmt nicht ihre leichte Leibesfülle.

Diese blasse Erscheinung...

Diese glühenden Augen und die Art wie sie lächelte...

Konnte es sein, dass sie-

Weiter kam Gabriel in seinen Überlegungen nicht, denn ein erneutes Rascheln nicht unweit von ihm erregte seine Aufmerksamkeit. Alle seine Gliedmaßen verkrampften sich, als dieses verräterische Geräusch noch von einem lauteren, viel unangenehmeren Ton begleitet wurde.

Ein tiefes rasselndes Keuchen...

Alles in ihm schaltete sich auf Automatik und mechanisch wandte Gabriel sich um. Dieses Mal brauchte er keineswegs Licht, um die riesigen dunklen Schemen von zwei Draugrn zu erkennen. Augenblicklich löste sich ein erschrockener Schrei aus seiner Kehle und er machte einen ungelenken Satz zurück, der ihn taumeln rückwärts zu Boden fallen ließ. Sie standen dort wachend vor einer massiven Eichentür und bedrohlich neigten sie ihre Köpfe.

Wo kamen die denn so plötzlich her!? Warum hatte er sie vorher nicht bemerkt!

Atemlos und erstarrt wartete er auf eine Reaktion der beiden Riesen, doch sie taten nichts weiter, außer ihn mit leuchtenden Augen zu fixieren. Gabriel wagte es, sich ganz vorsichtig zu rühren und begann langsam sich aufzurichten. Dabei achtete er genauestens auf jede seiner Regungen, gleich so, als wollte er vor einem vor Tollwut schäumenden Hund zurückweichen. Jedoch schon der erste Schritt reichte um dem links stehenden Draugr ein bedrohliches Knurren zu entlocken. Obwohl dieser keine Anstalten machte ihm zu folgen, erstarrte Gabriel sofort wieder an Ort und Stelle.

Verdammt, da hatte er sich ja wieder erstklassig in die Scheiße geritten. Warum waren diese Biester bei Jerome nur so handzahm und bei ihm nicht? Wollten ihm Draugr nur Angst einjagen? Aus irgendeinem Grund beschlich ihm eher das Gefühl, dass nicht nur das der Fall war.

„Wirklich ein zu köstlicher Anblick, den du da bietest, doch solch halbherzige Fluchtversuche solltest du unterlassen.“, sprach eine amüsierte Stimme neben Gabriel und augenblicklich sträubte sich ihm jedes noch so kleine Härchen vor Schreck.

„Ephra!“, entwich es ihm krächzend und starrte auf den hochgewachsenen Vampir, der einfach so neben ihm stand, als würde er auf den Bus warten.

„Woher-“ Abrupt schluckte er seine Frage hinunter, denn diese war einfach zu dumm um sie zu stellen.

„Natürlich, du kannst durch die Schatten wandeln. Ich vergaß...“, murmelte Gabriel und lächelte bitter mit abgewandten Blick, dann sah er zu den Draugrn.

„Mir scheint, dass sie mich nicht sonderlich mögen, was allerdings auf Gegenseitigkeit beruht.“ Ephra schmunzelte nur verhalten und schaute auf.

„Oh, wenn du wüsstest, wie sehr sie dich wirklich mögen. Deine ungezügelte Angst macht dich für sie so sympathisch wie eine Praline mit feinster Füllung.“ Mit einem süffisanten Lächeln drehte der schwarzhaarige Lamia sich dem Jüngling zu und musterte ihn. Gabriel entging nicht, dass der Vampir die Gesamtsituation sichtlich amüsierte und ohne Zweifel auskosten würde. Na wenn das nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war, dachte der Jüngere sarkastisch.

„Frisches Fleisch ist für Draugr ein absoluter Genuss und mit deinem Furchtgeruch machst du sie schier wahnsinnig.“

Natürlich. So etwas musste doch kommen. Schluckend schaute Gabriel zu Ephra.

„Du verarscht mich.“

„Mitnichten.“, sagte der Vampir trocken und schloss schmunzelnd die Lider.

„Du solltest niemals einen Draugr mit Furcht begegnen, aber dieser Punkt verwundert mich schon die ganze Zeit an dir. Wieso bist ausgerechnet du, diesen Wesen gegenüber so schreckhaft?“

Gabriel zog die Stirn kraus. Diese Frage konnte Ephra doch nicht ernst meinen, oder doch?

„Sollte ich ihnen deiner Meinung nach eine Einladung zum Kaffeeklatsch schicken? Du hast eben selbst gesagt, das die Biester mich gerne vernaschen würden- Außerdem erinnere ich mich noch sehr gut daran, wie derbe die Larven zubeißen können.“ Allein der Gedanke ließ Gabriel schaudern und er rieb sich den betroffenen Arm. Zu sehen war nichts mehr, dank diesem mysteriösen Taris, doch diese Erfahrung hatte sich in ihm eingebrannt und er hatte wirklich keine Lust diese noch ein zweites Mal zu machen.

Schweigend strich sich Ephra eine schwarze Strähne aus dem Gesicht und schritt lächelnd auf einen der Draugr zu. Gabriel hingegen beobachtete ihn nur misstrauisch, doch schon im nächsten Moment glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Ephra hatte den Draugr einfach bei der Kehle gepackt, worauf dieser einen schrillen langgezogenen Laut von sich gab. Für einen kurzen Augenblick glühten die Augen rot auf und Gabriel glaubte der Draugr würde Ephra mit einem einzigen Schlag nieder schmettern und zerfleischen, doch stattdessen erstarben sofort alle Regungen und die Bestie ließ sich einfach zu Boden ringen. Mit einem dumpfen Laut schlug der massige Körper vor Gabriels Füßen auf und er machte aufgeschreckt einen Satz zurück. Der zweite Draugr, verharrte einfach emotionslos an seinem Platz und beobachtete seinen Kollegen nicht weiter.

„Niemand kann in einem Kampf gegen einen Draugr gewinnen.“, begann Ephra und packte fest den Nacken der Kreatur um den Kopf noch tiefer zu Boden zu drücken. Nur eine leise Beschwerde kam von dem Riesen, sonst nichts weiter. Dies alles ließen Ephras Worte unwirklich und bizarr erscheinen.

„Sie sind Kreaturen die kaum Verstand haben und wenn ihr Schöpfer sie nicht kontrolliert werden sie einzig durch ihren unersättlichen Hunger angetrieben. Und sie verschlingen wirklich alles mit Haut und Haar. Einzig vor ihrem Gebieter kriechen sie wie getretene Hunde. Nur weil es der Wille des Lichtbringers ist, kann ich mit diesem Draugr hier so umspringen ohne Schaden zu nehmen... Und bei dir dürfte es nicht anders sein...“, sagte Ephra und schaute dabei vielsagend zum Jüngeren. Gabriel stutzte leicht, doch dann verstand er was der Vampir ihm sagen wollte. Die Draugr waren nichts weiter als Sklaven die bedingungslos ihrem Herrn folgten. Schwerfällig rieb Gabriel sich die Stirn und verzog die Lippen. Natürlich war ihm so was offensichtliches nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen. Da er Lucions Günstling war, würden ihn diese Biester niemals von sich aus anrühren, geschweige davon zu versuchen ihn anzuknabbern. Darum konnte Jerome sie derart herumkommandieren! Als Ephra die Erkenntnis in Gabriels Augen aufblitzen sah, nickte er zufrieden.

„Jetzt scheinst du es begriffen zu haben. Verwunderlich, dass dein Mentor dich nicht darauf aufmerksam gemacht hat. Er scheint bewusst keine Auskünfte zu geben, aber irgendwo verständlich... Du gibst einen zu herrlichen Anblick ab, wenn du vor Angst vergehst.“, lachte er leise.

„Ja ja, sehr lustig! Ich habe es satt ständig die Lachnummer von euch Blutsaugern zu sein!“, gab Gabriel mit einem genervten Knurren von sich, worauf Ephra in seinem Feixen inne hielt.

„Dies liegt ganz in deiner Hand, mein Junge. Das Gewicht der Macht lässt sich einfacher verlagern, als man denkt. Man muss nur seine Möglichkeiten kennen oder wie ihr Menschen das immer so gern ausdrückt: Wissen ist Macht.“ Mit diesen Worten ließ er den Draugr wieder los und worauf die Kreatur zurück an seinem Platz trottete, als sei nie etwas gewesen.

Langsam nickte Gabriel und bedachte Ephra mit einem nachdenklichen Blick. Weshalb erzählte er ihm das alles überhaupt? Doch noch bevor er fragen konnte, wechselte der Schwarzhaarige abrupt das Thema.

„Was mich jetzt weitgehend interessiert ist, warum du allein vor meinem Büro herumlungerst? Du hattest doch nicht etwa wieder Fluchtabsichten?“ Einen letzten misstrauischen Blick warf Gabriel auf die beiden Riesen, dann wandte er sich um und schritt zum Gemälde des hübschen Mädchens mit der runden Figur.

„Nein keine Sorge. Ich habe eingesehen, was gesünder für mich ist.“ Er machte eine kurze Pause und senkte den Blick.

„Was allerdings nicht heißt, dass ich das brave Püppchen sein werde. Euer Pseudo-Prinz soll ja nicht glauben, dass er schon gewonnen hätte.“ Er konnte das Gesicht des Älteren nicht sehen doch er hörte das leise Lachen.

„Es gleicht einem Spiel von Katz und Maus, findest du nicht? Und ich bin gespannt, wie lange mein geliebter Bruder dieses Spiel noch dulden wird. Es ist neu, dass er einer Lebensform, die er sonst nur als Snack betrachtet, eine derartige Narrenfreiheit lässt. Und so undurchschaubar er auch sei, ich kenne ihn von seinem ersten Atemzug an.“ Der letzte Satz entflammte eine gewisse Neugier in Gabriel und verdrängte den unangenehmen Beigeschmack von Ephras Worten. Langsam sah er auf, zum Bild des Mädchens, das ihn einfach nicht losließ. Diese Ähnlichkeit mit dem Lichtbringer war doch kein Zufall. Er beschloss etwas nachzuhaken.

„Sie hat mich hier her gelockt. Dieses Mädchen... Ich verwechselte sie mit Lucion.“ Er vergaß ganz, das Theater, das um Lucions Namen gemacht wurde und wie aus der Pistole geschossen kam ein strenges Räuspern von Ephra. Allerdings beließ er es auch dabei. Ein minutenlanges Schweigen entstand, das von einem schwerfälligen Seufzen des Vampirs unterbrochen wurde.

„Schlimm wenn es anders wäre. Sie hat uns allen einen großen Dienst erwiesen für den sie einen hohen Preis zahlte und sollte wenigstens so in unserer Erinnerung verbleiben.“, sagte Ephra mehr zu sich selbst und dies blieb von Gabriel keineswegs unbemerkt.

„Wer ist sie?“, hakte der Jüngling zögernd nach und zuckte zusammen, als er plötzlich Ephras Hand auf seiner Schulter spürte.

„Dies, Kleiner, war Lilia Litha Lunae, liebste Tochter des Kalyhtenführers und Mutter meines verehrten Bruders.“ Hatte er es doch geahnt, allerdings befriedigte ihn die Antwort nicht wirklich. Schon allein deshalb, weil sie noch mehr Fragen auf warf.

„Kalyhten?“, fragte er mit erhobener Augenbraue. Wieder einer dieser Begriffe mit denen er kaum etwas anfangen konnte, obwohl ihm schon die ganze Woche von Jerome alle möglichen Informationen über die Vampirgesellschaft in seine Birne geprügelt worden waren. Lamia, Welpen, Sanguar, Strigoi, Draugr.... Hoffentlich kam Jerome nicht auch noch auf die Idee einen Test mit Notenvergabe zu veranstalten.

„Die Kalyhten zu beschreiben ist ein kompliziertes Vorhaben, aber ich versuche es dir einfach zu machen. Sie sind der Ursprung aller Kinder des Blutes, die reinste und unverfälschte Form unserer Art und auf diese Reinheit legen sie bis heute großen Wert. Sie paaren sich nur mit Ihresgleichen...“ Die Nackenhaare Gabriels stellten sich auf denn er ahnte was das hieß.

„Du meinst, sie.... Sie betreiben Inzest?“

„So ist es. Aber ihr Blutstolz hört da noch nicht auf. Sie trinken selten das Blut von Menschen... Nun gut, bedingt durch ihre momentane Situation öfter, aber das ist eine andere Geschichte. Das wonach es sie wirklich gelüstet ist das Fleisch und das Blut von uns Lamia. Auch wenn unser Blut viel weniger Nährstoffe enthält als das der Menschen, so ist es Träger von großer Energie.“ Ein kalter Schauer zog sich über Gabriels Rücken. Inzest und Kannibalismus waren nicht gerade sympathische Eigenschaften. Jetzt wunderte er sich nicht mehr, dass Lucion so krass drauf war. Bei dieser Familie konnten nur abgedrehte Freaks hervor kommen.

„A-Also ist der Lichtbringer zur Hälfte ein... ein Kalyht?“, fragte er langsam und erntete sogleich von Ephra nur ein raues Lachen.

„Wo denkst du hin?! Aus einer gemischten Verbindung hätte nie so ein perfektes Wesen wie der Lichtbringer hervorgehen können! Nein, mein Junge. Mein Vater, Narziss I. Er nannte sich selbst aus rebellischen Gründen zwar Lamia, war selbst aber ein abtrünniger Kalyht. Die Lebensweise seines Volkes hatte er schon lange vor meiner Geburt abgelegt.“ Ephra zeigte auf ein Bildnis, das direkt neben Lilia hing. Ein streng drein blickender Mann war darauf zu sehen, der ein Klon von Ephra hätte sein können. Genau dieselben veilchenblauen Augen. Die einzigen Unterschiede waren nur ein das Ephras Vater einen hellen Bartschatten besaß und platinfarbenes Haar.

Bei diesem Anblick kam Gabriel ein seltsamer Gedanke.

„Irre ich mich oder stehen diese Kalyhten auf fürchterlich auf wasserstoffblond?“ Der Vampir nickte lächelnd.

„Daran erkennst du sie. Alle Kalyhten haben helles blondes, bis weißes Haar begleitet von blauen oder grünen Augen.“

„Irgendwie krank...“, entwich es Gabriel ohne nachzudenken, worauf er von dem großen Vampir ein schiefes Grinsen erntete.

„Dies sagt ein junger Mann mit- was für eine Haarfarbe soll das eigentlich sein? Lila? Purpur?“ Knurrend fuhr sich Gabriel an den Kopf.

„Hey, keine Kommentare über meine Matte, ja? Es war ein Unfall! Schwarz sollte es eigentl-“ Der Jüngling hielt inne als er bemerkte, wie sehr sein kleiner Wutausbruch Ephra belustigte. Ärgerlich biss er auf seinem Zungenpiercing herum. Eine Angewohnheit, die er immer Tat um sich wieder zusammen zu nehmen. Sein Blick wanderte vom Gemälde des Mannes zu dem von Lilia. Die Ähnlichkeit zum verrückten Vampir war da. Ohne Zweifel, allerdings wirkte ihr Gesicht im Gegensatz zu dem ihres Sohnes voller Wärme und Leben. Bei diesem Gedanken stutzte Gabriel leicht.

„Wir reden die ganze Zeit von 'war'... Wo ist sie jetzt?“ Ephras Lippen pressten sich zu einem Strich und er rieb sich betreten den Nasenrücken.

„Erinnerst du dich, dass ich sage, dass sie für das, was sie uns schenkte einen hohen Preis zahlen musste? Dieses Geschenk war der Lichtbringer.“

„Ich versteh nicht ganz...“, warf Gabriel ein und zog die Stirn kraus.

„Es würde mich wundern, wenn du es verstehen könntest. Der Lunari Incubus ist ein heiliges Wesen, das eine spezielle Seele beherbergt... Eine göttliche Seele. Und um diese in unsere Welt zu holen muss sie mit einem Körper geboren werden. Das darfst du allerdings nicht mit der Schwangerschaft einer Menschenfrau vergleichen. Die göttliche Seele bedarf Unmengen an Kraft und Energie um sich an den Körper des ungeborenen Kindes zu binden.“ Tief schaute Ephra dem Jüngling in die Augen und sofort schauderte es Gabriel, denn er hatte plötzlich eine unheimliche Vorahnung...

„Diese Energie...Woher...?“, erkundete er sich zögernd.

Der schwarzhaarige Lamia machte eine Pause und betrachtete abwesend das Gemälde Lilias.

„Aus dem Leib der Mutter. Neun Monate labt sich das Kind, an der Kraft und an dem Blut. Bei Vampirkindern nichts ungewöhnliches, doch der Seelenträger verschlingt seine Mutter von innen heraus. Blut, die Essenz ihrer Seele und die Lebenskraft werden ihr über die 9 Monate ausgesaugt. Dieses Bild wurde von Lilia gemacht, kurz bevor wir erfuhren das sie Schwanger war. Wir ahnten allerdings nicht, wen sie da unter ihrem Herzen trug. Erst als ihr körperlicher Verfall begann, begriffen wir... Ach. Ich schweife ab...“

Entsetzt starrte Gabriel den Größeren an und schluckte schwerfällig.

„K-Körperlicher Verfall? Ist sie etwa... tot?“ Ephra nickte leicht und obskurer Weise zeichnete sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen ab.

„Tot ist wohl nicht ganz das richtige Wort. Ihre sterblichen Überreste spazierten noch eine ganze Weile nach ihrem Ableben durch die Gegend.“, sagte er ungerührt und warf dabei einen viel sagenden Blick über die Schulter... direkt zu den Draugrn. Jedes einzelne Nackenhaar von Gabriel stellte sich auf und seine Muskeln vibrierten vor Grauen.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Du willst mir nur Angst einjagen, hab ich Recht? Keiner der beiden ist das Mädel.“ Eine Augenbraue von Ephra schob sich nach oben und er zuckte mit den Schultern.

„Nein, keiner der Beiden ist Lilia, aber tatsächlich wurde sie unabsichtlich zum ersten Draugr den Lucion schuf. Doch existieren tut sie nicht mehr. Weder seelisch noch körperlich. Aber so ist es nun Mal, sie hatte ihren Auftrag erfüllt, nämlich dem Lichtbringer das Leben zu schenken. Nun ist es an mir über ihn zu wachen bis sein Schicksal sich erfüllt.“ Alles an Farbe wich aus Gabriels Gesicht. Wie konnte Ephra nur so ungerührt reden.

„Komm! Findest du das nicht etwas übertrieben?“, sagte er und versuchte dabei betont locker zu klingen, was ihm aber nicht wirklich gelang. Ephras Lächeln verschwand und plötzlich wurde seine Miene kühl.

„Ich mache keine Scherze, Gabriel. Ich war dabei gewesen und habe zusammen mit Enola den gesamten Geburtsvorgang überwacht. Lilia war durch ihren Verzicht auf Lamiablut zu einer schwachen Frau geworden, weshalb mein eigener Vater seine Lebensenergie opferte. Ich sah an dem Tag meine Eltern sterben, aber das war es wert. Alles einzig dafür, damit unser verehrter Gebieter unbeschadet zur Welt kam.“

„Wie kannst du nur so ungerührt reden. Ich kann nicht glauben das du einfach so zuschauen konntest, wie deine Eltern langsam verreckten!“ Ephra legte den Kopf schräg und blickte den Jüngling lange an.

„Alles was du hier siehst hat mein Vater geschaffen. Die gesamte Styx Society hat er allein ins unter größter Gefahr ins Leben gerufen um die Welt auf die Ankunft des dunklen Gottes vorzubereiten. Das ausgerechnet er zum Erzeuger des Gebieters wurde, war die größte Ehre, die einem Lebewesen je zu Teil werden konnte. Aber Du, mit deinem kümmerlichen Verstand wirst es ohnehin nie verstehen, was Lucions für uns bedeutet. Wenn es dem Lichtbringer zugutegekommen wäre, hätte ich meinen Vater und meine Stiefmutter mit eigenen Händen nieder gestreckt.“, sagte er und seine Stimme war immer leiser und bedrohlicher geworden. Gabriel umschlang sich mit den Armen und wich erschrocken zurück, denn es war offensichtlich wie ernst Ephra dieses Thema war. Noch immer zitterte er am ganzen Leib, denn nach dieser Informationslast wurde ihm umso klarer wie hoffnungslos seine Lage war. Sein Vorhaben, Lucion zu zeigen wie der Hase lief, bröckelte zusehends. Mit was für einer verdammten Kreatur hatte er es hier zu tun? Lucion war böse! Böse bis ins Mark. Er brachte tot und verderben! Wie hatte er nur einen Moment daran glauben können unversehrt zu bleiben. Zittrig, tat er einen weiteren Schritt zurück, bis er die Wand in seinem Rücken spürte. Langsam fuhr sich mit kalten schweißnassen Händen über die Wangen. Das alles konnte nur auf seinen Tot hinaus laufen! Doch dann schloss Gabriel zusammennehmend die Augen. Nein. So durfte er nicht denken! Seine Lage war dann eben hoffnungslos, das war ihm schon die ganze Zeit klar gewesen. Er hatte keinen Grund so panisch zu reagieren. Wenn er jemals einen Abgang machen würde, dann mit Stil. Das schwor er sich.

Doch trotz seiner Selbstberuhigungsversuche, schaffte er es nicht das sein Körper aufhörte zu zittern.

Eine Hand die ihm über den Kopf strich holte ihn aus seinen Gedanken.

„Ihr Menschen seid die einzigen Kreaturen, die sich derart von Emotionen lenken lassen. Diesen Ausdruck in deinem Gesicht, kenne ich nur zu gut. Ich habe ihn so oft gesehen. Jedes Mal, kurz bevor jemand seinen Verstand verlor. Lucion würde es mir übel nehmen, wenn du nicht mehr bei Sinnen wärst. Vielleicht solltest du dich zu Beruhigung zu den Dachgärten begeben.“ Ephra richtete sich etwas auf und Gabriel folgte ihm mit fahrigem Blick.

„Du kannst den Lift, am Ende meiner Gemächer nehmen. Dann kommst du zum privaten Teil und bist ungestört. Ich habe noch etwas Zeit, also kann ich dich hinführen. Komm folge mir. “ Stumm nickte der Jüngling. Ja, frische Luft würde ihm definitiv gut tun...
 

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Ein tiefer Atemzug füllte Jeromes Lungenflügel und half ihm dabei etwas ruhiger zu werden. Nun stand er hier vor den Türen die zu den Zimmern seines Herrn führten. Früh am Abend, also zu einer Zeit in der sich der Lichtbringer am Liebsten sich selbst widmete und niemanden anders als die zuständige Dienerschaft zu sehen wünschte. Er spürte schon die ganze Zeit die ungeduldigen Blicke der Draugr auf sich, die unschlüssig auf eine Anweisung warteten.

Dann fasste er sich, ballte fest die Fäuste und befahl den Kreaturen ihm die Türen öffnen. Es hatte keinen Zweck hier noch länger herumzulungern. Sein Gebieter würde ihn ohnehin schon bemerkt haben und sich über seine Unentschlossenheit amüsieren. Jerome folgte dem kurzen Korridor, vorbei am Schlafgemach, bis zum Ende. Vor der letzten Tür hielt er inne und holte noch einmal tief Luft. Dann klopfte er vorsichtig, doch noch bevor seine Fingerknöchel ein zweites Mal auf das raue Holz trafen, wurde schon die Tür geöffnet. Also hatte man ihn tatsächlich schon erwartet. Er wünschte sich inständig, dass er sich einen Schlachtplan zurecht gelegt hätte. Einen wichtigen Grund warum er Lucion sehen wollte, aber den hatte er nicht...

Ein junger Mann -ein Gebissener, so wie es aussah- war es der ihm die Tür öffnete und ihn mit respektvoll gesengtem Kopf schweigend eintreten ließ.

Der Salon den Jerome nun betrat, war nicht eines dieser übergroßen Zimmer, wie er es gewohnt war. Es war etwas kleiner, zirka wie ein gutbürgerliche Wohnzimmer, allerdings hieß das nicht, dass es ebenso schlich eingerichtet war. Die Garnitur war in einem warmen rot gehalten und von einem modernen Design. Die Wände waren mit dunklem Holz vertäfelt, was dem Raum sicherlich eine drückende Atmosphäre geben hätte, wären da nicht die drei mannshohen weiten Fenster gewesen, die sperrangelweit offen standen. Eine sanfte Briese trug die Geräuschkulisse der Stadt hinauf. Vor einem dieser Fenster war ein großer Diwan heran gerückt worden, ähnlich wie der, der im Zimmer des Lichtbringers. Und genau auf diesem hatte es sich seitlich liegend, eben jener bequem gemacht.

Um ihn herum standen zwei vampirische Diener, von denen einer ein silbernes Tablett mit allerlei Maniküreuntensielen hielt. Der andere junge Vampir hatte sich mit gesengtem Haupt vor dem Diwan gekniet und lackierte behutsam die Fingernägel seines Herrn in einem glänzenden Schwarz. Der braunhaarige Mann, der Jerome, die Tür geöffnet hatte, blieb stumm wie zuvor und setzte sich auf einen Stuhl, welcher hinter dem Lichtbringer stand. Erst jetzt fiel dem Sang auf, dass dieser die ganze Zeit eine goldene Bürste in der hielt, mit der er begann, das lange silberne Haar seines Gebieters zukämen. Sorgsam abgeteilt in schmalen Strähnen und mit größter Vorsicht, so als hätte er es tatsächlich mit Fäden aus wertvollen Silber zu tun. Jerome verstand ihre fast schon ängstliche Hingabe nur zu gut, denn es war ein gefährlicher Drahtseilakt, wenn es um es um das Äußere des Meisters ging. Schließlich war er bekannt für seine Eitelkeit.

Der Sanguar ging hastig in die Knie, als er bemerkte das er die ganze Zeit nur abwesend seinen Herrn angestarrt hatte. Allerdings schien Lucion dies herzlich wenig zu interessieren, lieber schenkte seinen Fingernägeln mehr Aufmerksamkeit. Mit Argusaugen, beobachtete er jede streichende Bewegung des Pinsels. Eine unwirkliche Stille füllte den Raum, die der Lichtbringer erst löste, als seine rechte Hand fertig lackiert war.

„Ich kann mich nicht entsinnen nach dir verlangt zu haben.“, sagte er so kühl das Jerome zusammen zuckte. Zögernd sah der Sanguar auf und sprach leise:

„Verzeiht, Gebieter. Aber es...“ Er stockte, denn noch immer war ihn kein Grund eingefallen, der wichtig genug war um seinen Herrn zu stören... Die Wahrheit war, dass er es einfach nicht mehr ohne seinen geliebten Meister ausgehalten hatte. Die ganze Woche hatte Lucion ihn nicht zu sich rufen lassen und das war ungewöhnlich. Bevor er als Spion für Ephra gearbeitet hatte, war er ohne Unterlass in der Nähe des Lichtbringers gewesen. Er hatte mehr Zeit in dessen Bett verbracht als in seinem eigenem. Diese eine Woche der Abstinenz war einfach zu viel für ihn und dann musste er sich auch noch um diese verflixte Menschengöre kümmern. Diese Mischung hatte seine Sehnsucht und seinen Hunger nach Berührung verzehnfacht... Was würde er dafür geben das ihn der Gebieter jetzt und hier auf der Stelle nahm...

Er kroch zum Diwan und legte seinen Kopf auf dem Oberschenkel des Silberhaarigen. Dabei war es ihm egal was für einen kläglichen Eindruck er auf die drei Diener machte. Sie waren ohnehin für ihn nur namenlose Würmer.

Schon die erste Berührung mit dem dünnen Stoff der Hose seines Geliebten ließ jede Anspannung von ihm abfallen und allein wieder den angenehmen Duft des Silberhaarigen in sich aufzunehmen wirkte wie eine Droge auf ihn.

„Ihr wisst wie sehr ich leide, wenn ich nicht bei Euch sein kann.“, wisperte Sang verführerisch.

Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf den Lippen, des Lichtbringers ab, während er seine Hand hob und sie prüfend besah. Allerdings schien er die Annäherungsversuche seines Geliebten bewusst zu ignorieren.

„Ich habe dich beobachtet, wie du dich mit meinem kleinen Prinzen abmühst. Äußerst unterhaltsam, aber ich bin zufrieden. Deine Bemühungen scheinen Früchte zu tragen.“, überging er die Worte seines Günstlings einfach. Jerome fasste seinen Mut zusammen und ignorierte ebenfalls das Gesagte. So leicht ließ er sich nicht abwimmeln! Mit süßlichem Lächeln fuhr er über Lucions linken Handrücken.

„Aber...“, begann Lucion plötzlich ohne auf die Berührung zu achten und reichte seinem Bediensteten einfach die Hand, die der Sang gerade umgarnte, damit auch diese berührt werden konnte. „Ich erinnere mich, dir noch einen anderen Auftrag gegeben zu haben. Du solltest Informationen über Ephra sammeln.“ Durch Jerome ging ein leichtes Zucken und er schaute verdattert auf.

„Herr, die Dienstboten... Ihr wollt doch nicht über derlei wichtige Sachen vor dem Gewürm reden!“ Der Lichtbringer hob elegant eine Augenbraue und als er begriff, was sein Geliebter ihn sagen wollte lachte er auf.

„Ich denke, meinen Draugrn wäre frisches lebendiges Fleisch durchaus eine willkommene Abwechslung, meinst du nicht Liebster?“, sagte er laut und bedachte die Diener mit einem vielsagenden Blick. Sie verstanden sofort, das konnte man deutlich an ihren Gesichtern sehen, die schlagartig alles an Farbe verloren. Zufrieden wandte sich der Lichtbringer wieder Jerome zu.

„Also, was hast du mir zu berichten?“

Der Sanguar schaute gequält zur Seite, denn er wollte jetzt wirklich viel lieber was anderes machen, als über den Präsidenten der Styx Society reden. Außerdem hatte er nicht wirklich viele Information. Er verstand ohnehin nicht, wie der Lichtbringer seinem Bruder gegenüber so misstrauisch sein konnte. Meister Ephra war dem Lichtbringer treu bis in den Tod, so glaubte er jedenfalls.

„Verzeiht, Gebieter, aber ich konnte nichts in Erfahrung bringen. Außerhalb der Society gab es zwar einige seltsame Vorkommnisse, aber ich denke nicht, das sie bedeutungsvoll für Euch wären.“ Wider aller Erwartungen blitzten die Augen des Lichtbringers listig auf.

„Äußerst dreist von dir solche Entscheidungen für mich zu treffen, findest du nicht? Seltsame Vorkommnisse hören sich meines Erachtens äußerst interessant an. Los, berichte mir alles. “ Überrascht zog Jerome den Kopf ein und begann von allen möglichen Ereignissen zu erzählen. Er berichtete, von den illegalen Schöpfungen von Welpen, den bevorstehenden (und natürlich manipulierten) Gouverneurswahlen und von einer neueren, allerdings belanglosen Meldung, die sich erst in dieser vergangenen Woche ereignet hatte.

„Im Vergnügungsviertel Old Babylon's Creek ist es zum mysteriösen Verschwinden von jungen Menschen gekommen. Obwohl sich das alles in gut besuchten Clubs ereignet hat, will keiner etwas gesehen haben, was ziemlich unglaubwürdig erscheint. Erst vorgestern sind drei Jugendliche verschwunden. So etwas kann man einfach nicht übersehen, wenn Ihr mich fragt. Soweit ich weiß, wurden auch keine Leichen gefunden. Mr. Norman Hopps war da der gleichen Ansicht und weil sich die Lage langsam zuspitzt hat sich heute Morgen direkt an Meister Ephra gewandt. “ Es war Jerome ein Rätsel, denn ausgerechnet für diesen unwichtigen Fall schien sich der Lichtbringer besonders zu interessieren.

„Sollte mir dieser gewisse ...Norton... bekannt sein?“, fragte der Silberhaarige mit erhobener Augenbraue.

„Ähm... Norman Hopps, Gebieter. Er ist der Polizeipräsident von New Halen und war der Vater des Jünglings Phelias Hopps und ist häufig Gast in den Konferenzen der Styx Society.“, erklärte Jerome zögernd, worauf er einen tadelnden Blick seines Gebieters erntete.

„Als wenn ich mir Namen von belanglosen Kreaturen merken würde, Liebster. Bitte verschone mich mit solch unwichtigen Details.“

„Bitte gestattet mir eine Frage, Herr. Warum interessiert Euch das überhaupt für das Verschwinden von namenlosen Würmern?“, fragte der Sang forschend und blickte dabei neugierig in die verschiedenfarbigen Augen. Daraufhin zeigte der Lichtbringer ein selbstgefälliges Lächeln und wandte seinen Blick wieder seinen Fingernägeln zu.

„Belanglose Neugier, nichts weiter.“, sagte er, doch Jerome beschlich eine graue Ahnung, das sein Gebieter etwas mit dem Verschwinden zu tun hatte.

Wenn dem so wäre, würde Meister Ephra in ernste Schwierigkeiten geraten, da er inoffiziell für die gesamte Gesellschaft der Vampire verantwortlich war. Ein flaues Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, allerdings besann er sich eines Besseren. Was sollte er denn schon tun können, als zuschauen? Er würde sich niemals gegen seinen Gebieter stellen, egal was dieser auch tat. Er würde dem Lichtbringer bis auf den Grund der Hölle folgen. Dennoch konnte er sich eine weitere Frage nicht verkneifen.

„Warum misstraut Ihr Eurem Bruder so sehr?“ Lucions Miene blieb selbstsicher und er lachte leise. Jerome fing schon an seine Neugier zu bereuen und wollte zu einer panischen Tirade aus Entschuldigungen ansetzen, als ihm der Silberhaarige mit der freien Hand durch den blonden Schopf zu streicheln begann. Lucions Blick richtete sich aus dem Fenster, hinaus in die Nacht, deren Dunkelheit von den bunten Neonreklamen durchbrochen wurde.

„Die Gründe liegen weit zurück, Liebster... viel länger als du bei mir bist.“ Für einen kurzen Moment hielt er inne, dann schaute er zu Jerome.

„Du weißt um Ephras Vergangenheit als der berühmte Bluthund, oder?“

„Natürlich, wer denn nicht?“ Es war eine schlichte Tatsache. Das Image des berüchtigtsten Söldners der Vampirwelt passte so überhaupt nicht zu einem überkorrekten Bürohengst wie Ephraim Hunter. Dennoch. In den Erzählungen war er ein emotionsloser und ruhiger Mann, der aber zu einem blutgierigen Monster wurde, wenn sein Meister ihn von der Kette ließ. Daher rührte auch dieser Name. Der Bluthund. Doch vor ungefähr hundert Jahren hatte Ephra seine Waffen gegen einen Schreibtisch getauscht. Ob noch immer dieser furchterregende Krieger in ihm schlummerte?

Die Lippen Lucions verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln.

„Und du weißt wer ich bin und was meine Bestimmung ist?“, erkundete er sich ungerührt ohne die Fragen des Sangs zu beantworten. Unbehaglich biss sich Jerome auf der Unterlippe herum. Was sollte dieses Rätselraten? Wollte sein Meister etwas bestimmtes von ihm hören?

„Ihr seid der Sohn unserer uralten Göttin Lilithu Lamina, die Euch gesandt hat damit Ihr ihren Platz als göttlicher Herrscher einnehmt und die Menschen für ihre Verbrechen an unserem edlen Geschlecht bestraft.“

„So ist es.“, nickte Lucion in selbstgefälligem Ton und wie zur Belohnung ließ er seine Finger zärtlich über Jeromes Wange wandern, hinab zu dessen Schlüsselbein. Dem Sang durchfuhr ein wohliger Schauder. Dies und sein ohnehin schon angestautes Verlangen bewirkten, dass sich langsam sein Blut in unteren Regionen zu sammeln begann.

„ Allerdings sehen andere noch mehr in mir. Ein persönliches Werkzeug, das bei richtiger Handhabung leicht zu kontrollieren ist.“

Nun war Jerome vollkommen verwirrt. Von was sprach sein Gebieter da und was hatte das mit Ephra und seiner Vergangenheit zu tun?

„Ihr sprecht für mich in Rätseln, Herr. Bitte sagt mir in welcher Beziehung das zum Bluthund steht.“ Lucion blickte unverwandt in die großen braunen Augen seines Günstlings und schmunzelte.

„Du müsstest es am besten wissen, mein kleiner Schoßhund. Du-“

Plötzlich schaute der Silberhaarige abrupt auf und sein Lächeln verschwand.

„Gebieter? Was habt Ihr?“, fragte Jerome als er sah wie sich die Pupillen Lucions zu Stecknadelköpfen verkleinerten und sich mit Furcht und Wut gleichermaßen füllten.

„Nein! Dieser Bengel!“, donnerte Lucion plötzlich so laut, das jeder im Raum erschrocken zurückwich. Mit einem Satz, war der silberhaarige Vampir aufgesprungen und durchquerte Raum mit großen Schritten und hielt auf einen Schatten zu, der von einem großen schräg gestellten Spiegel geworfen wurde. In einer einzigen flüssigen Bewegung verschmolz er mit dem grauen Dunkel des Schattens und war augenblicklich verschwunden.

Genau wie die drei Bediensteten, konnte Jerome nur perplex seinem Herrn hinterher starren.
 

~tbc~

Unruhen

Hi Leute :D

Viel Spaß mit dem neuen Kapitel.
 

Kapitel 14: Unruhen
 

Mit unsicheren Schritten folgte Gabriel dem dunklen Vampir. Dabei fiel sein Blick immer wieder auf Bilder von hoch herrschaftlichen Leuten. Blutsauger allesamt. Ihre starrenden und stechenden Augen spürte er in seinem Nacken, als seien sie ebenso wie er aus lebendigem Fleisch. Dies machte es ihm nicht leichter, seine halbwegs unterdrückte Furcht abzuschütteln. Doch neben dieser Furcht, existierte auch noch etwas anderes. Ein flaues Gefühl, ähnlich einer verschütteten Erinnerung. So klebte es an ihm, seitdem er das Bild- seit dem er Lilia erblickt hatte.
 

Warum bekam er sie nicht mehr aus seinem Kopf? Frustriert legte Gabriel sich die Hände auf die Stirn. Es hatte doch alles keinen Zweck. So angestrengt er auch noch nachdachte, er würde ohnehin zu keiner Lösung kommen.

„Alles in Ordnung?“, fragte Ephra mit erhobener Augenbraue und riss den jungen Mann aus seinen Gedanken. Verwirrt schaute Gabriel auf und bemerkte das sie bereits vor der geöffneten Fahrstuhltür standen.

„Wie, was? Nein es ist alles in Ordnung...“, haspelte er und schlüpfte an dem schwarzhaarigen Lamia vorbei.

„Vielleicht sollte ich dir fairerweise noch sagen, dass der Durchgang oben ebenfalls von einem Draugr bewacht wird. Also sei so gut und achte darauf, dass sich der arme Kerl an dir nicht den Magen verdirbt.“, sagte Ephra lächelnd, als Gabriel den kleinen Knopf für das Dachgeschoss betätigte. Er warf dem Vampir einen funkelnden Blick über die Schulter zu und streckte ihm die Zunge entgegen.
 

♠~♣~♠~♣~♠~♣~♠~♣~♠~♣
 

Mit einer sanften Erschütterung kam der Fahrstuhl zum Stehen und durch einen kleinen Vorraum trat Gabriel ins Freie. Trotz seelischer Vorbereitung zuckte er bei dem Anblick des Draugrs heftig zusammen. Er würde sich definitiv nie an die Viecher gewöhnen, dennoch trotz des kleinen Schrecks behielt er Ephras Worte im Kopf, straffte seine Schultern und tigerte, ohne dem Draugr noch eines Blickes zu würdigen, davon. Doch seine sture Haltung bröckelte genauso schnell wieder und machte der Bewunderung Platz, als er sicher der Gartenanlage bewusst wurde.
 

Vor ihm erhob sich eine große saftige Grünfläche, wie es sie seit der Präsidentenära vor hundert Jahren nicht mehr gab. Das fahle Licht des Mondes reichte zwar kaum hinab und alles wurde mehr oder weniger von dem Schein der Stadt erhellt, doch trug es unmittelbar zu einem märchenhaften Anblick bei. Vor ihm lag ein ausgeblichener Klinkersteinweg, der sich nach ein paar Metern aufteilte und in andere Areale führte. Dieser private Bereich wurde von einer hohen alten Natursteinmauer abgeschirmt und war nur über diverse Fahrstühle erreichbar. Ohne Zweifel lag hinter der Mauer der öffentliche Teil und Gabriel konnte sogar Stimmen herüber schallen hören. Er erinnerte sich an Jeromes Aufklärung über die Vampirgesellschaft. Welpen von hohen, viel beschäftigten Vampiren wurden hier zusammen mit zukünftigen Rekruten der Styx Society mit ihren gewandelten Körpern vertraut gemacht. Hundeschule, dachte Gabriel schmunzelnd und kümmerte sich nicht weiter darum. Ephra hatte mit seiner Vermutung recht behalten. Diese Gartenanlage hatte etwas äußerst Beruhigendes an sich. Vermutlich lag es an der Optik, die an einen alten Schlosspark erinnerte. Gabriel interessierte sich nicht wirklich für Geschichte, aber alte Schlösser hatten es ihm ziemlich angetan.
 

Er ging weiter seines Weges und fand einen Platz, der wie geschaffen für ihn war.

Zwei Trauerweiden standen dort an einem künstlich angelegten Teich. Umsäumt war dieser Ort von einer hohen kunstvoll geschnittenen Hecke, die als Blickschutz diente. Die Hecke endete an einer relativ niedrigen Balustrade, über die man hinüber auf die Dächer anderer Hochhäuser sehen konnte.

Ja, dies war der perfekte Ort für ihn...
 

Lächelnd setzte sich Gabriel ins Gras. Es sah so aus, als könnte er hier endlich seine Ruhe finden. Einfach ungestört sein ohne irgendwelche Vampire oder Zombies. Seufzend ließ er sich auf den Rücken kippen und gab sich behaglich den Geräuschen seiner Umgebung hin. Das leise Murmeln des Windes in den langen Ästen der Weide über ihm. Das Plätschern eines Miniaturspringbrunnens in der Nähe und das gedämpfte Motorengeheul des Verkehrs weit unten in den Straßen der Stadt.

Langsam trieb er in einem leichten Schlaf ab und vergaß alles um sich herum. Der Dachgarten wurde in seinem Traum zu einer weiten grünen Fläche. Die Baluster lösten sich um ihn herum auf, einen nach dem anderen. Er hätte einfach nur aufstehen brauchen und fortlaufen können. Er wäre frei gewesen...
 

Ein schöner Traum, der allerdings schnell wieder zerrissen wurde. Hinter sich hörte Gabriel schwere Schritte, gefolgt von einem Poltern und Fluchen. Der Jüngling fuhr hoch, blickte über seine Schulter und starrte in das verdutzte Gesicht seines Bruders, der zwischen zwei beschnittenen Sträuchern hing.

„Verdammte Scheiße auch!“, fluchte der dunkelblonde Raphael ungehalten und befreite sich mit einem kräftigen Ruck. Dabei stolperte er und fiel vorne über.

Das hatte Gabriel gerade noch gefehlt und er fühlte wie sich sein Magen mit einem knotigen Gefühl zusammenzog.
 

„Raphael! Was zum Teufel machst du hier!?“ Der muskulöse Welpe richtete sich resigniert auf und strich sich durch das Haar.

„Mist... also ich... Ach verdammt! Mit diesem ungeschickten Trottel im Nacken kann man seinen Job auch nicht richtig machen“, murrte er und zog sich mit einer flüssigen Handbewegung eine Zigarette aus der Schachtel in seiner Hosentasche.
 

„Trottel?“, wiederholte Gabriel verwirrt, verstand aber, als er die Hälfte eines schweren Draugrkopfes hinter der Hecke hervorscheinen sah. Der Draugr stand einfach nur mit gestrecktem Hals da. Schnüffelnd hielt er seine Nase in die Luft und der eingebeulte Stoff über der Nasengegend blähte sich.

„Moment-Stopp-halt! Du kriechst zusammen mit dem Draugr durch die Büsche um mich zu stalken? Versteh ich das richtig? Sollte der nicht den Lift bewachen?“ Glucksend zündete Raphael sich die Zigarette an und sog tief den Rauch ein.
 

„Dieser Kerl hier läuft Wache. Aber frag mich nicht, was er hat. Stand plötzlich hinter mir. Was meinst du, was ich mich verjagt habe? Manchmal sind die Biester recht neugierig und rennen einem hinter her, aber was soll's?“ Grunzend ließ Raphael sich ungefragt neben Gabriel nieder. Dabei wedelte er dem Draugr abfällig mit der Hand zu.

„Los! Kusch! Verzieh dich! Du wirst hier nicht gebraucht!“ Der Draugr senkte langsam den Kopf, stierte kurz die Brüder mit glühenden Augen an und trotte dann brummend davon.
 

„Da du mich eh entdeckt hast, kann ich dir auch ein bisschen Gesellschaft leisten. Eine kleine Pause kann eh nicht schaden. Nicht wahr, Bruderherz?“, sagte Raphael grinsend und stieß eine weiße Wolke durch seine Nase aus. Ärgerlich und leicht hustend schob Gabriel sich einige Zentimeter von seinem Bruder weg und die Wut in seinem Magen schwoll vor sich hin.

„Was hast du überhaupt hier zu suchen?“, knurrte er und räusperte sich den kratzenden Hals.

„Du hast vielleicht heute wieder eine Laune, Gabby. Dich stalken, wie du schon sagtest. Meister Ephra wollte, dass ich nach dem Rechten sehe. Ist bei einem Katastrophentier wie dir aber auch kein Wunder. Du ziehst Schwierigkeiten an wie Scheiße die Fliegen.“, plauderte der Welpe lächelnd vor sich hin.

Gabriel gab ein leises Schnauben von sich. Bildete er sich das nur ein oder tat sein Bruder tatsächlich so als wären sie ein Herz und eine Seele? Nach allem, was passiert war? Das konnte doch nicht sein ernst sein!

Trotzig erhob er sich, ging zu der Balustrade und stützte auf ihr seine verschränkten Arme ab. Er richtete seinen Blick in die Tiefe, hinunter auf die Calister Street, welche von hier oben aussah wie eine beleuchtete Armeisenstraße.
 

„Findest du es nicht extrem dreist, mir so einfach wieder unter die Augen zu treten? Du hast echt Mumm. Verschwinde lieber, das ist besser für uns beide.“, begann Gabriel leise und schloss die Augen. In seinem Rücken spürte er den Blick seines schweigenden Bruders. Minuten vergingen, bis Raphael endlich seine Worte fand.

„Ich versteh nicht ganz, was du meinst, Gabby. Ist es wegen dem Zwanziger, den ich dir noch schulde?“ Hastig drehte Gabriel sich um. Das Gesicht Raphaels verriet, das er wirklich keine Ahnung hatte.
 

Langsam hob Gabriel gestikulierend seine Hände und tat sich äußerst schwer seine Wut zu zügeln.

„Hör endlich auf mich Gabby zu nennen! Du und Dad, ihr habt mich verkauft! Schon vergessen?! Einfach so! Ohne mit der Wimper zu zucken. Wegen euch bin ich jetzt die Schlampe von diesem- diesem...“ Die Stimme des Jünglings begann zu beben. Für einen Moment schloss er zusammennehmend die Augen und atmete leise tief ein. Dann sprach er weiter und machte mit jedem Wort einen Schritt auf seinen Bruder zu, bis er dicht vor ihm stand und mit funkelndem Blick auf ihn hinab sah.

„Gegen meinen Willen habt ihr mich zum Spielball von diesem … Vampir gemacht! Denkst du allen Ernstes, das nehme ich einfach so hin!“
 

Das Lächeln auf Raphaels Zügen war verschwunden und er starrte unverwandt seinen Bruder an. Dann lehnte er sich leicht zurück. Aus seinem Mund quollen gelassen einige Rauchkringel, während er kühl in die Luft sah.

„Weißt du, Kleiner, dein ständiges Gezeter kann einem wirklich auf den Schiss gehen. Wie oft sollen wir dir noch sagen, dass wir dich nicht verkauft haben? Dein Leben gehörte von Anfang an der Styx Society, genau wie meins. Bei jedem menschlichen Mitglied der Society ist es so. Die Nachkommen werden immer mit eingebunden.“ Empört schlug Gabriel sich die flache Hand gegen die Brust.

„Aber doch nicht seine beiden einzigen Nachkommen! Dad hat doch immer davon geredet, dass einer seiner Söhne sein Werk weiterführen soll!“ Von Raphael kam nur ein trockenes Lachen.

„Deine Blauäugigkeit ist manchmal echt faszinierend.“, sagte er und schaute zu seinem Bruder auf.

„Unser alter Herr ist nicht ohne Grund Politiker. Er strebte schon seit seiner Jugend danach, an der Spitze von New Halen zu stehen. Und das kann man nur wirklich, wenn einem die anderen hohen Tiere nicht im Weg stehen. Meinst du, da wird er nur uns zwei in die Welt gesetzt haben?“

„W-wie bitte?“ Gabriel verstand nur Bahnhof und schaute verwirrt zum dunkelblonden jungen Mann herab, welcher nur seelenruhig an seinem Glimmstängel sog.
 

„Du weißt schon, was ich meine. Vetternwirtschaft. Es war schon ein Plan unseres werten Grandpa. Allerdings war der Knacker nicht so potent wie unser Alter. Man könnte sagen, er habe seine Ambitionen an Dad weiter vererbt. Verstehst du, worauf ich hinaus will, Gab? Dads Plan ist es in New Halen zum Gouverneur aufzusteigen und alle wichtigen Ämter mit seinen Nachkommen zu besetzen. Ich sage nur Daniel Birmington, Alisha Norman und Keath Lamford. Die Styx Society hat immer dafür gesorgt, dass Dad mit den richtigen Frauen zusammenkam und wir beide sind da keine Ausnahme. Wir wurden als Tribut heranzüchtetet, verstehst du? Nur aus unerfindlichen Gründen versäumte Dad, dich auf dein Schicksal vorzubereiten.“ Ein sarkastisches Grinsen bildete sich auf Raphaels Lippen, als er genüsslich an seiner Zigarette zog. Ein taubes Gefühl breitete sich in Gabriel aus und er taumelte zurück. Fahrig suchte er an der Trauerweide Halt und starrte vor sich hin.
 

Daniel Birmington... Alisha Norman... Keath Lamford... Alle zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt und berühmte Größen in der Politik. Sie alle hätten gute Chancen gehabt trotz ihrer Jugend den Posten des Gouverneurs zu bekleiden, aber sie alle hatten sich zielstrebig für andere Ämter entschieden... und arbeiteten nun äußerst eng mit Senator Rougen zusammen. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Und auch er sollte nur ein Produkt einer kranken Zucht sein? War das der Grund, warum sein Vater nie über seine Mutter geredet hatte? Es war alles so absurd!
 

„Während ich gedrillt wurde, hat Dad dir fröhlich Zucker in den Arsch geblasen. Vielleicht weil deine Mutter eine besonders heiße Schnitte war.“, fuhr Raphael fort. Es war offensichtlich das, Gabriel das Thema zusetzte, aber war das sein Problem?

„Ich wette sie war ein notgeiles Flittchen, das all seine Laster an dich weiter vererbt hat. Das würde erklären, warum du dich so an den Lichtbringer ranschmeißt. Gib's ruhig zu. Du ziehst vor uns allen doch nur eine Show ab. Wie immer, wenn du nicht genug Aufmerksamkeit bekommst. Beim Bankett war es mehr als offensichtlich. Erst so tun, als wenn dir das alles nicht gefällt und dann... Es hat dich doch regelrecht aufgegeilt, wie dich der Gebieter vor allen Gästen berührt hat. Stimmt's, Gabby? Du bist der geborene Schoßhund. Streckst auf Befehl die Beinchen und kannst ebenso perfekt lecken!“ Mit geweiteten Augen sah Gabriel auf und sofort legte sich ein deutlicher Rotschimmer auf seine Wangen. Raphael indes erhob sich lachend und wollte sich an dem jämmerlichen Bild seines kleinen Bruders erfreuen.
 

Er wollte sehen, wie sein Bruder vor Scham im Boden versank. Allerdings kam alles ganz anders. Die Hand Gabriels, die auf der rauen Rinde der Trauerweide ruhte, ballte sich zu einer Faust. Die Haare seines Ponys fielen ihm ins Gesicht, als er den Kopf senkte und er seine Zähne knurrend bleckte. Seine Wut hatte endgültig ihren Siedepunkt erreicht.
 

Eine geladene Stille legte sich über die beiden Brüder, welche noch im selben Augenblick von einem wilden Aufschrei zerrissen wurde. Gabriel preschte mit erhobener Faust vor und stürzte sich brüllend auf Raphael. Der Angriff kam dermaßen unerwartet, dass der Welpe gar nicht erst reagieren konnte. Seine Bauchdecke wölbte sich nach innen, als Gabriel seine Fingerknöchel mit aller Kraft in seine Magengegend grub. Kommentieren tat Raphael das mit einem einzigen erstickten Würgen, dabei spuckte er seinen Glimmstängel aus. Gekrümmt taumelte er zwei Schritte zurück und umschlang seinen Bauch mit den Armen.
 

„Halt deine dreckige Fresse, Sackgesicht!“, schrie Gabriel und hatte keineswegs vor von Raphael abzulassen. Verkniffen schaute dieser auf und sah seinen Bruder auf sich zu stürmen. Der Dunkelblonde hatte von klein auf ein hartes Training absolvieren müssen. So viele Techniken und Angriffe des Faustkampfes hatte man ihm von klein auf eingebläut, das es ihm in Mark und Blut übergegangen war. Kaum das sein unteres Augenlid einmal wütend aufzuckte, schnellte er vor und revanchierte sich, ohne nachzudenken mit einem Faustschlag. Ganz anders als sein älterer Bruder taumelte Gabriel nicht. Er flog regelrecht zurück und landete mit einem dumpfen Laut auf dem Rücken. Stöhnend packte er sich an die lädierte Wange, welche auch schon nach wenigen Minuten zu schwellen begann.

Währenddessen war Raphael an Ort und Stelle erstarrt, denn er wurde sich bewusst, dass er gerade den Geliebten des verehrten Gebieters geschlagen hatte. Benommen stürmte er auf Gabriel zu und ließ sich neben ihm auf die Knie fallen.
 

„Scheiße, Scheiße, Scheiße! Los! Zeig mir dein Gesicht! Ist noch alles dran?!“ Er packte seinen jüngeren Bruder unsanft am Kinn und zwang ihn in seine Augen zu schauen. Doch noch, bevor Raphael den Jüngling näher untersuchen konnte, vernahmen seine feinen Ohren ein beunruhigendes Geräusch. Die schwerfälligen Schritte des Draugrs.
 

Knurrend stieß Gabriel seinen erstarrten Bruder von sich und stand auf. Breitbeinig baute er sich vor Raphael auf und hob provozierend die Arme.

„Komm schon! War das alles?! Ich bin noch lange nicht fertig mit dir!“ Raphael starrte geradewegs zu ihm hoch aber noch, bevor er sagen konnte, beugte sich der Jüngere über ihn um packte ihm am Kragen.

„Na los! Knall mir noch eine! Mir ist es egal! Mir ist alles egal! Du, Dad, die gesamte verdammte Styx Society und ganz besonders diese kranke Schwuchtel von einem Vampir! Wenn hier einer ein Flittchen ist, dann euer Lucion. Dieser gottverdammte Huren-“
 

Gabriel konnte seinen Satz nicht mehr beenden, denn Raphael rammte seine Hände förmlich in dessen Gesicht, um ihn den Mund zu zuhalten.

„Bist du noch zu retten?! Wenn dich der Draugr hört, läuft der Amok!“ Keiner der beiden Brüder ahnte jedoch, das weit über ihnen ein weitaus gefährlicheres Wesen hockte. Ein Wesen, das auf Befehl seines alten Meisters schon seit dem großen Bankett hier ausharrte und die Vorgänge in der Styx Society beobachtete. Genau wie sein Herr fühlte es sich tief mit dem Lichtbringer verbunden und es gefiel ihm gar nicht, wie dieser vorlaute Bengel über den Gebieter sprach.
 

Ein lautes Rascheln in den Ästen der Trauerweide und ein krächzender Schrei ertönten über den beiden jungen Männern. Verwirrt schauten sie auf und noch bevor sie sich bewusst wurden was geschah brüllte Gabriel schmerzverzerrt auf.

Er fuhr sich mit der Hand in den Nacken und fühle das der Stoff seines Stehkragens und der restlichen Weste aufgerissen war!

Eine dünne brennende Wunde zog sich quer im hohen Bogen von einer Schulter zur anderen und als er die Hand wieder zurückzog, war sie mit Blut benetzt.

„Scheiße, was war das?!“ Der Welpe achtete nicht mehr auf seinen Bruder und richtete sich wachsam auf.
 

Lauschend sondierte er die Umgebung, ohne was ausmachen zu können. Dennoch waren alle seine Sinne alarmiert.

„Gabriel! Verschwinde hier! Lauf so schnell du kannst zum Lift!“, raunte er leise. Gabriel jedoch verstand nicht, was hier geschah und machte nur einen irritierten Schritt zurück.
 

Genau in dem Augenblick, in dem er sich bewegte, blitzte in seinem Augenwinkel ein weißes Schema auf und das Etwas stürzte sich erneut auf ihn. Er konnte nur noch erstickt aufkeuchen, als sich eine Kralle dicht unter seinem linken Augen in seine geschwollene Wange grub. Sofort entfachte ein brennender Schmerz, der Gabriel abermals gellend aufschreien ließ. Raphael stellte sich schützend vor seinen kleinen Bruder und versuchte die Kreatur zu packen, allerdings war das mehr als nur ein unmögliches Unterfangen. Was immer dieses Wesen auch war, es war selbst für seine übermenschlichen Augen zu schnell. Der Draugr, welcher inzwischen eingetroffen war, war ihm auch keine große Hilfe. Leider war Schnelligkeit keine Stärke der untoten Giganten und dieses Exemplar war dazu verdammt, hilflos mit den Armen in der Luft herumzurudern.
 

Raphael sah die, durch die Geschwindigkeit verzerrte weiße Silhouette gerade noch rechtzeitig auf seinen Bruder zustürzen. In einer abgehackten Bewegung stieß er Gabriel zur Seite, doch die Kreatur änderte genau so abrupt ihre Flugrichtung und attackierte Gabriel aufs Neue. Schützend hob er die Arme vor sein Gesicht, doch nützte dies wenig. Das Blut ran inzwischen in kleinen Rinnsalen an Gabriel herab und seine Weste war kaum mehr als ein großer schwarzer Lumpen.

Die Angriffe kamen aus allen Richtungen und bald verlor der Jüngling jegliche Orientierung. Hastig stolperte er gebeugt rückwärts, als er plötzlich schwungvoll mit seiner Hüfte gegen die steinerne Balustrade stieß und das Gleichgewicht verlor.

„NEIN GAB! Bleib stehen!“, brüllte Raphael auf. Doch es war zu spät.

Ein letzter Angriff reichte, um den Jüngling komplett aus dem Gleichgewicht zu bringen und hinten überfallen zu lassen.
 

Gabriel riss die Augen auf und die, durch einen blutigen Schleier rot verfärbte Welt, kippte.

Panisch suchten Füße und Hände nach Halt, doch fanden sie nur leere Luft.

Er fiel.

Das Adrenalin pumpte in jeder Ader seines Körpers und der Schmerz seiner Wunden schien zu verstummen. In Gabriels Kopf herrschte nur ein allmächtiger Gedanke. Er würde sterben. Doch plötzlich, wie durch ein Wunder, stoppte sein Fall und ein schmerzhafter Ruck ging durch seinen gesamten Körper.

Er biss die Zähne zusammen, um nicht laut loszubrüllen und schaute mit aufgerissenen Augen hoch. Unbewusst hatte er es geschafft, sich an einer Verzierung festzuhalten. Ungläubig blinzelnd starrte Gabriel vor sich hin, bis ihm klar wurde, dass die Prunksucht der Vampire ihm erstmals das Leben gerettet hatte. Ein gigantisches Relief zog sich mit etlichen Schnörkeln und Windungen meterweise um die oberen Etagen der Styx Society. Er hätte heulen können vor Glück.

Ohne noch weiter darüber nachzudenken, griff Gabriel mit der zweiten Hand zu, suchte mit seinen Füßen halt und wollte sich hochziehen. Doch seine Gliedmaßen versagten ihren Dienst und schienen sich in zitterndes Gummi verwandelt zu haben.

„Scheiße!“, fluchte Gabriel und spürte wie ihm frustriert die Tränen in die Augen stiegen. Aber er biss die Zähne zusammen und blinzelte sie weg. Verdammt, es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt zum Flennen!
 

„Gabriel! Komm schon, du Pfeife! Stell dich nicht so an!“, hörte er die Stimme seines Bruders brüllen.
 

Weit hatte Raphael sich über die Balustrade hinweg gebeugt und einzig der Draugr verhinderte mit festem Griff, dass er ebenfalls in die Tiefe stürzte.

Suggestiv hielt er seinem jüngeren Bruder die Hand entgegen, obwohl diese noch viel zu weit entfernt war, um sie zu ergreifen.

Vergewissernd schaute Gabriel sich nach der Kreatur um, die seit seinem Sturz verschwunden war. Er hoffte innigst, dass sich das Mistvieh nicht wieder blicken ließ. Mit einem missmutigen Grunzen stierte er resolut nach oben.

„Na mach schon, Schwächling! Zeig das du nicht komplett zum Weib mutiert bist!“, rief Raphael provozierend, aber was hätte er anderes auch tun können? Fieberhaft überlegte er, Gabriel durch die Schatten zu ziehen, doch diese Idee verwarf er so gleich wieder. Damit ein Vampir durch die Schatten wandeln konnte, musste er selbst zu einem Schatten werden.

Auf sich selbst bezogen war das gar kein Problem, aber jemand anderes, ein Wesen aus Fleisch und Blut, in einen Schatten zu verwandeln, war sogar für einen noch so mächtigen Vampir unmöglich.
 

Die groben Worte Raphaels verfehlten ihre Wirkung bei Gabriel jedenfalls nicht. In dessen azurblauen Augen funkelte es grimmig und er biss die Zähne zusammen. Bis zum Bersten spannte er seine Muskeln an und packte den ersten Vorsprung. So quälte er sich Stück für Stück hinauf und spürte schon nach wenigen Metern, wie ihm die Puste ausging. In Gedanken ermahnte er sich immer wieder nicht nach unten zu sehen, denn das Letzte was er jetzt gebrauchen konnte war ein Schwindelanfall. Nach einigen Minuten trennte nur noch ein einziger Meter die beiden Brüder und Gabriel war gerade im Begriff über eine größere Einbuchtung hinweg zu klettern, als plötzlich ein prägnantes Krächzen ertönte. Kreidebleich erstarrte Gabriel in all seinen Bewegungen und richtete seinen Blick mechanisch in die große Nische.

Direkt vor seiner Nase saß ein riesiger Vogel, der bis auf das weiße Gefieder und die eisblauen Augen definitiv als Rabe erkennbar war.
 

Der Vogel gab erneut ein Krächzen von sich. Dieses Mal bedrohlich leise und lang gezogen, sodass dessen Kehlfedern nur so vibrierten.

„Fuck!“, stieß Gabriel heiser aus und wollte sich panisch höher hangeln, doch im selben Moment schoss der Rabe hervor und stob über den Jüngling hinweg.

„Gabriel! Nein! Was machst du denn!? Halt dich fest!“, bellte Raphael und musste hilflos mit ansehen, wie Gabriel abrutschte und wieder einige Meter zurückfiel. Energisch verkrallte sich der Jüngling so gut es ging in der Fassade. Einen kurzen Moment riskierte er doch einen Blick in die Tiefe und schluckte schwer. Ein weiteres Mal abzurutschen konnte er sich nicht leisten. Einige Zentimeter unter ihm verlor sich die steinerne Fassade in einem letzten eindrucksvollen Relief. Alles was darunter lag, war eine sterile gläserne Verkleidung, welche tief unten bei einer gefühlten Ameisenstraße endete. Keuchend blickte er auf und sein Blick trübte sich. Langsam, aber sicher gingen seine ohnehin schon geringen Kraftreserven zur Neige.
 

Seine Muskeln bebten vor Anstrengung und der Schweiß ran ihm in Strömen über das blutverschmierte Gesicht. Dennoch wollte er einfach nicht aufgeben und zwang sich nach der nächsten Kante über sich zu greifen, aber der Rabe zog mit einer scharfen Klaue eine tiefe Wunde in die Oberseite von Gabriels Hand.

Gellend schrie er auf und presste seine Wange fest gegen das kalte Gestein, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wütend starrte er zu dem Biest auf, das sich flatternd auf einen Vorsprung niederließ und höhnisch vor sich hin gackerte.

„Scheiß Mistvieh! Verpiss dich endlich!“, fauchte Gabriel.
 

Spottend und mit hoch erhobenem Kopf blickte die Kreatur auf den Menschenjungen herab und sprach plötzlich mit einer klaren verärgerten Männerstimme:

„Verpiss dich doch selbst!“

Gabriels Gesichtsfarbe bleichte sich um etliche Nuancen. Der Vogel gluckste vergnügt und neigte langsam seinen Kopf hinunter, lehnte sich etwas vor und flüsterte leise:

„Ich kenne dich noch vom großen Bankett und schon da hätte ich dir am Liebsten die Augen ausgekratzt. Der verehrte Lichtbringer hätte dich wie alle anderen zu einem stinkenden Draugr machen sollen, aber eventuell könnte ich das Nachholen... Deine unreine Zunge soll Seinen Namen nicht mehr nennen, nein, niemals nicht, nimmermehr!“

Ein kalter Schauer lief Gabriel über den Rücken und er blickte stumm in die starren Augen des Tiers.

Drohend richtete sich der Rabe auf und breitete seine riesigen Schwingen aus, sodass der Jüngling ganz in seinen Schatten verschlungen wurde. Er legte den Kopf zurück, stieß einen entsetzlichen Schrei aus und wollte seinen schwarzen Schnabel niedersausen lassen.
 

Währenddessen biss Raphael seine scharfen Fänge zusammen, denn er hatte erkannt, um was für eine Kreatur es sich hier handelte. Es war ein Kalyht in seiner Rabengestalt. Aber was in drei Teufels Namen tat er hier und warum griff er Gabriel an? Frustriert schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Scheiße, die Situation wurde immer vertrackter und er konnte hier nur nutzlos rum stehen. Alle seine Fähigkeiten waren auf einen direkten Einzelkampf ausgelegt, aber doch nicht auf Rettungsaktionen. Er sah es schon kommen. Meister Ephra würde in zerstückeln. Wimmernd wurde ihm klar, dass er seinen Herrn sofort hätte holen sollen. Aber nun war es zu spät...
 

Plötzlich stieß der Draugr ein scharfes Brüllen aus und zog Raphael von der Balustrade fort.

„Hey! Was soll das, du-“, wollte der dunkelblonde Welpe sich beschweren, doch als sein Blick für einen Moment zur Seite glitt, blieben ihm die Worte im Halse stecken.

Der Lichtbringer löste sich aus dem Schatten der Trauerweide und hielt zielstrebig auf sie zu. Sofort ließ Raphael sich mit panisch hämmernden Herzen auf die Knie fallen.

Dies war das Schlimmste, was passieren konnte. Er hatte seinen Auftrag versaut und durch die Augen des Draugrs hatte der Gebieter wahrscheinlich alles live miterlebt.
 

Lucions Gesicht gab aber nicht für einen Augenblick seinen derzeitigen Gemütszustand preis. Ohne den Welpen auch nur wirklich eines Blickes zu würdigen, streifte er seine seidene Robe ab und ließ sie einfach auf ihn drauf fallen.

„Ich schätze keine Falten.“ Zu mehr Worten ließ sich der Lichtbringer nicht herab und stieg über die steinerne Brüstung hinweg. Eilig erhob sich Raphael wieder und legte mechanisch die Robe zusammen. Fahrig ließ er seine Finger durch sein Haar wandern und stöhnte auf. Das Chaos war wohl nun komplett. Lucions sollte noch nicht auf die Kalyhten treffen. Nicht bevor es erforderlich war. Raphael reichte es. Meister Ephra musste her.
 

Mit geschlossenen Augen und eingezogenem Kopf drückte Gabriel seinen zitternden Körper an die Wand und wartete das der Rabe mit seinem schwarzen Schnabel zu stieß. Aber es geschah nichts dergleichen. Nur ein heiseres Krächzen und plötzliches wildes Flügelschlagen war zu hören. Einige Federn rieselten noch auf ihn herab, als er sich endlich traute wieder die Augen zu öffnen. Kaum das er zögernd den Blick hob, traf er auch schon auf ein vertrautes verschiedenfarbiges Augenpaar. Smaragdgrün und Bernsteingold. Die langen silbernen Strähnen umsäumten herabfallend die scharf geschnittenen Gesichtszüge. Erschrocken würgte Gabriel einen überschlagenden Schrei heraus und verlor das Gleichgewicht, doch noch im selben Augenblick packte Lucion einen der rudernden Arme und zog ihn zurück.
 

Gabriels Augen weiteten sich und mit ungläubig klimpernden Lidern starrte er zum Lichtbringer hinauf, der kopfüber förmlich an der Fassade zu kleben schien. Beim zweiten Hinsehen wurde Gabriel klar, das sich die Finger des Vampirs in den Putz gruben, wie in sprödes Styropor. Schweigend schaute der Silberhaarige mit nichtssagender Miene zu seinem Geliebten herab, worauf dieser schwer schluckte. Auch wenn Gabriel nichts aus Lucions Blick lesen konnte, bedeutete dieses eingehende Mustern nichts Gutes. Die Situation war geradezu ideal, um daraus eins dieser kranken Spielchen zu machen, welche der Lichtbringer so sehr liebte. Er, Gabriel.... Wie er zitternd, mit tauben Fingerkuppen um jedes bisschen Halt kämpfte, musste ein zu verlockendes Bild abgeben. Endlich schaffte er es, sich von dem intensiven Blick loszureißen. Stur starrte Gabriel finster auf seinen Handrücken und wartete darauf, dass die ersten spottenden Kommentare kamen.
 

Doch stattdessen hob Lucion eine Hand nach der anderen und bewegte sich langsam vorwärts, direkt am Jüngling vorbei. Jedes Mal wenn die schlanken Finger tief in den Putz eindrangen, platzen klein Plättchen ab und hinterließen spinnennetzartige Risse. Ihm war es schon vorher klar gewesen, aber jetzt erstmals wurde Gabriel ernsthaft bewusst, welch rohe Kraft sich hinter der engelsgleichen Gestalt Lucions verbarg. Abermals schluckte er schwer und hoffte, dass das Spielchen nicht allzu lange andauern würde.
 

Als er und der Lichtbringer auf einer Höhe waren, brachte dieser sich in eine aufrechte Position, ließ sich aber nicht auf den schmalen Vorsprung absinken, auf dem auch Gabriel stand. Der Jüngling schloss mit zitternden Lippen die Augen und lächelte schwach. Er kam sich in diesem Augenblick so unglaublich lächerlich vor. Während er bei dem Rabenbiest einfach nur verzweifelt und etwas panisch gewesen war, hatte er jetzt wirklich bestialische Angst. Bei dem Mistvieh war es klar gewesen, auf was das alles hinauslief... Auf seinen direkten Tod. Solch eine Gewissheit konnte im Vergleich zu jetzt, einem richtig wie Urlaub vorkommen. Lucion würde ihn nicht einfach umbringen, jedenfalls nicht jetzt...
 

Gabriel spürte, wie sein Handgelenk wieder umfasst wurde, aber dieses Mal um einiges kräftiger. Kurz darauf folgte ein starker Ruck und er riss keuchend die Augen auf. Mit einer nicht gerade sanften Bewegung wuchtete Lucion ihn herum, zog ihn zu sich und noch bevor Gabriel richtig begriff was geschah, saß er schon mit den Rücken zur Wand gelehnt auf dem angewinkelten Oberschenkel des Silberhaarigen. Erschrocken gab er ein lautes Keuchen von sich, denn jetzt fehlte ihm absolut jede Sicherheit und sein Körper täuschte ihm das Gefühl vor, jeden Moment zu fallen. Seine Höhenangst überkam ihn nun vollends und aus reinem Reflex heraus umklammerte er Lucion, dabei presste er sein Gesicht hyperventilierend gegen dessen Brust.

„Scheiße! Bist du wahnsinnig?!“, entwich es ihm ungehalten, doch erwiderte der Silberhaarige darauf nichts. Grob wurde Gabriel am Kinn gefasst und mit den Rücken wieder fest gegen die Wand gedrückt. Mit geschmälerten Augen ließ Lucion seinen Blick über die Gestalt des Jünglings gleiten, der ängstlich zurück starrte.
 

„Keinen Augenblick kann man dich allein lassen...“, knurrte der Silberhaarige bedrohlich und Gabriel zuckte zusammen, als die Hand, welche neben seinem Kopf in der Fassade krallte, ein bröselndes Geräusch verursachte. Die Finger um sein Kinn erhöhten ihren Druck und er ihm entwich ein schmerzverzerrtes Keuchen.

„I-Ich kann doch nichts dafür! Ah...GAH AH! D-Du tust mir weh, v-verdammt!“, stieß Gabriel gequält zwischen zusammengebissenen Zähnen aus und Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln. Wie aus einer Trance erwacht, stutzte Lucion und blinzelte. Sofort wurde dessen Griff sanfter und noch bevor Gabriel etwas tun konnte, legten sich die Lippen des Lichtbringers zärtlich auf die Seinigen.
 

„Nein... Natürlich nicht...“, hauchte Lucion leise mehr zu sich selbst. Mit geweitetem Auge starrte Gabriel den Vampir an und zog irritiert die Augenbrauen hoch. Der Klang dessen Stimme, der Ausdruck in dessen Gesicht... Alles fern von jeglichem Hohn und Spott. Warmes Mitgefühl und sogar ein bitterer Schmerz waren im Antlitz des Lichtbringers zu sehen. Gefühlsregungen, welche so gar nicht zu diesen sonst so kühlen Gesichtszügen passen wollten. Völlig überrumpelt stierte Gabriel mit etwas geöffneten Mund vor sich hin und konnte den prickelnden Schauer nicht verhindern, als Lucion mit seinem leicht angerauten Daumen über seine Unterlippe glitt. Langsam blickte der Silberhaarige auf, direkt in die blauen Augen seines Geliebten. Es war mehr als nur offensichtlich, das Gabriel mit diesem sanften Verhalten völlig überfordert war, doch Lucion kümmerte das wenig und glitt langsam mit seinen Lippen dessen Wange hinauf.
 

„H-halt! W-was machst du denn?! A-Au!“, fragte Gabriel zischend, als der Lichtbringer einen zarten Kuss auf die Wunde unter dessen Auge drückte.

„Dein hübsches Gesicht... Es ist völlig zerkratzt...“, wisperte Lucion mit belegter Stimme und begann vorsichtig mit seiner Zungenspitze die Wunde nachzuzeichnen. Gabriel wollte sich beschweren, doch brachte er nur ein heiseres Wimmern zustande. Kurz brannte ein feuriger Schmerz in seiner Wange auf, der nach und nach immer mehr verschwand. Sogar das Pochen, welches Raphaels Schlag verursacht hatte, linderte sich zusehens. Fassungslos verzog Gabriel die Augenbrauen, als er sich bewusst wurde, was Lucion hier tat. Vor nicht allzu langer Zeit wurde bei ihm ein Biss einer Draugrlarve auf ähnliche Weise versorgt.

Vampirsaliva, schoss es ihm durch den Kopf.

Der Lichtbringer heilte seine Wunden mit seinem Speichel.

Gabriel runzelte die Stirn, denn solche Fürsorge sah Lucion nun wirklich nicht ähnlich. Ob er vielleicht irgendetwas ausheckte? Egal wie Gabriel es drehte, er kam zu keinem Schluss. Doch seine Überlegungen verloren schnell an Bedeutung. Irgendwie... irgendwie fühlte sich die sanfte Berührung der Zunge immer angenehmer an... Eine dezente Wärme breitete sich in seinem Körper aus und ließen seine überanstrengten Glieder träge werden.
 

Lucion entging dies keineswegs. In einer anderen Situation hätte er es ohne Zweifel mit einem zufriedenen Lächeln kommentiert, aber jetzt schwieg er einfach und glitt weiter über die kleine Wunde, bis sie sich zu schließen begann. Fertig war er jedoch noch lange nicht und er nahm sich auch Gabriels verletzten Handrücken vor.
 

Ein leises Keuchen entwich dem Jüngling und auf dessen Wangen zeichnete sich eine dezente Röte ab.

„E-Es ist schon gut. Du brauchst das nicht machen.“, sagt er mit heiserer Stimme. Erst jetzt bemerkte er die ungewöhnliche Reaktion seines Körpers und gab sich mental eine Ohrfeige...

„Das heilt schon von allein.“, meinte er hastig und wollte seine Hand wegziehen, doch Lucion umfasste sie fester und gab ein kaum vernehmbares Knurren von sich. Er tat noch einen letzten Strich mit seiner Zunge und sah dann auf. Die Nackenhaare Gabriels hoben sich sofort, denn im geschmälerten Augenpaar lag ein unheilvolles Funkeln. Langsam fuhr sich der Lichtbringer mit der Zunge über die Lippen um die Reste des blutigen Geschmacks aufzunehmen.
 

„Wer hat dir das angetan?“, fragte er und beim Klang der Stimme zuckte Gabriel sichtlich zusammen. Also eines war sicher. Lucion war ziemlich sauer...
 

Unbehaglich rutschte Gabriel auf seinem Platz herum und schaute zur Seite, denn was sollte er sagen? Aber er entkam dem glühenden Blick nicht. Lucion schnappte sich wieder dessen Kinn und zwang, den Jüngling in seine Augen zu schauen.

„Na los, sag es mir!“, forderte er herrisch.

„Ich bin mir nicht sicher... Es sah aus wie ein Vogel- Ein Rabe. Aber kein Normaler.. “ Gabriel hatte schon gehört, das man Krähenvögeln einige Worte lehren konnte, aber dieser weiße Rabe hatte eine viel zu menschliche Stimme besessen. Lucion neigte leicht den Kopf und kam dem Gesicht seines Geliebten ganz nah.
 

„Ein Gestaltenwandler...“, wisperte er halb feststellend. Langsam verkleinerten sich die Pupillen des Silberhaarigen kühl und Gabriel fröstelte es.

„Dieser Narr wird den Tag bereuen, an dem er auch nur ein Auge auf dich warf.“, zischelte Lucion und strich sanft mit einem seiner langen Fingernägel über Gabriels Wange. Der Jüngling fühlte bei dieser Berührung ein angenehmes Prickeln. Leicht verwirrt öffnete er die Augen, denn dieses Prickeln fühlte sich tatsächlich echt angenehm an! Es war nicht eines dieser künstlichen Gefühle, die immer dann auftauchten, wenn er sie am wenigsten brauchte. Aber wieso ausgerechnet jetzt?!

„Für jede einzelne Schramme wird dieses degenerierte Etwas bluten...“ Lucions Lippen befanden sich nur weniger Zentimeter neben Gabriels Ohr und wieder geschah es. Und da war er wieder! Dieser angenehme Schauer, er durchfuhr sein Rückgrat, wie ein warmer Wasserstrahl und er presste die Lippen zusammennehmend aufeinander. Das konnte doch nicht sein! Es musste einfach wieder eine dieser verqueren Vampire-machen-mich-aus-unerklärlichen-Gründen-scharf-Gefühle sein. Seine Angst war kaum mehr vorhanden und sie hatte einer gewissen Geborgenheit Platz gemacht. Aber wieso?! Allein die Situation war ungünstig! Er klebte an einer Häuserwand, verdammt nochmal und Lucion war trotz phänomenalen Aussehens immer noch ein Kerl! Ein bösartiger, blutsaugender, geistesgestörter Vampirkerl!

Dennoch... Dieses Kribbeln... Es fühlte sich anders an und es überkam Gabriel ein weiteres Mal, als Lucion wieder in seine Augen schaute. Und da war sie wieder, diese Schönheit, die Gabriel schon einmal beim Bankett erblickte, als er Lucion zur Weißglut gebracht hatte. So wie damals war das Gesicht des Silberhaarigen nun voller offener Gefühle. Wut, Hass und ein kleiner Teil von Besorgnis.
 

Gabriel konnte wirklich nicht sagen, was zu diesem Zeitpunkt in ihn gefahren war. Vielleicht waren wieder pubertäre Hormonschwankungen schult. Sein Blick schloss sich halb und er schaute zu Lucions vollen Lippen, welche sich langsam näherten. Gabriels Herz schlug in kräftigen Wogen und er lehnte sich leicht vor. Dann geschah es. Ein sanfter Kuss, der ein wenig an Druck gewann, legte sich auf seine Lippen. Es war ein Kuss wie er unüblicher für Lucion nicht sein konnte. Nichts Forderndes lag in ihm... Nichts war von der ausgehungerten Gier zu spüren. Es war einfach nur ein Kuss, der schon fast etwas Tröstendes in sich trug.
 

„Bei Lilithu Lamina und all ihren Kindern! Lucion!“, donnerte eine kräftige Stimme überschlagend und Gabriel fuhr erschrocken auf. Der Silberhaarige schien für einen Moment nicht zu reagieren und schaute nur weiterhin unverwandt zu seinem Geliebten.

„Lucion! Ist alles in Ordnung?!“, rief die Stimme abermals vom Dach zu ihnen hinunter. Lucion senkte den Kopf, schloss leicht die Augen und schüttelte dann mit einem kleinen spöttischen Lächeln resigniert den silbernen Haarschopf.
 

„Ephra...“, murmelte er und Gabriel konnte beobachten, wie die Mimik des Silberhaarigen wieder förmlich zu vereisen schien und nichts mehr übrig war, als der typisch selbstgefällige und leicht gelangweilte Ausdruck. Der Lichtbringer sah mit einem Seufzen hinauf und drückte Gabriel abrupt an sich, sodass dieser überrascht auf keuchte.

„Du solltest dich gut festhalten, mein Prinz. Mir ist nicht danach, dich noch einmal retten zu müssen.“, sagte er trocken und setzte sich sogleich in Bewegung. Gabriel klammerte sich mechanisch mit Armen und Beinen um Lucions Taille. Geschickt erklomm der Silberhaarige die Wand und Gabriel hörte das laute Knirschen der Fassade um sich herum. Im Normalfall wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem er sich mit lautem Gekeife seiner Angst Luft gemacht hätte, allerdings wirbelten seine Empfindungen, bedingt durch die vorangegangene Situation, noch immer durcheinander. Er hatte Lucion geküsst... von sich aus... und bedauerte es tatsächlich, das es schon vorbei war...
 

„Schließ die Augen und mach den Mund zu.“, sagte Lucion plötzlich und Gabriel schaute verwirrt auf. Der Lichtbringer hatte angehalten und griff mit der Hand in eine Nische, die von einer großen verschnörkelten Verzierung gebildet wurde.

„Wie? Was?“, fragte Gabriel nur abgehackt und schaute tumb in die Nische. Seine Augen weiteten sich, als ihm bewusst wurde, dass Lucions Hand mit dem Schatten verschmolzen war. Der Lichtbringer wartete nicht länger, sondern lehnte sich vor. Gabriel spürte, wie ein eisiges Gefühl seinen Rücken erfasste und sich stechend ausbreitete. Keuchend japste er auf, als sein Körper allmählich jegliches Gefühl verlor und sich langsam aufzulösen schien.

„H-Hey! Was soll der Scheiß!?“, fuhr Gabriel den Vampir erschrocken an, doch dieser quittierte es nur mit einem spöttischen Lächeln und drängte ihn weiter in den Schatten.
 

„H-Herr! Seht ihr das!?“, keuchte Raphael ungläubig, als die letzten silbernen Haarspitzen im Dunkeln verschwanden.

„E-Er hat Gabriel durch die Schatten gezogen! Aber wie ist das möglich!?“ Ephra stand ebenfalls so ratlos da, wie sein Welpe, aber dann kam ihm die Erkenntnis. Lucions Macht musste sich weiter gefestigt haben. Der schwarzhaarige Lamia runzelte die Stirn und starrte auf den Punkt, wo sein kleiner Bruder verschwunden war. Seine Hand, die auf der Balustrade lag ballte sich zu einer leichten Faust. Dieser Umstand war ohne Zweifel ein Grund zur Freude. Es hieße das Lucion einen weiteren Schritt näher an seiner Vollkommenheit war, doch gleichzeitig beunruhigte Ephra die Tatsache. Diese Entwicklung war viel zu plötzlich gekommen und Lucion konnte noch nicht derartige Energiereserven besitzen...
 

„Meister Ephraim? Ihr seht so missgestimmt aus.“, meinte Raphael vorsichtig, nachdem er seinem Schöpfer eine kurze Weile beobachtet hatte. Die Augenbrauen des Lamias zogen sich unmerklich zusammen.

„Du sagtest, ein Kalyht wäre es gewesen?“, fragte er langsam, worauf Raphael nur nickte.

„Hat sich Lord Taris in irgendeiner Weise angekündigt?“

„N-nicht das ich wüsste, Meister. Meint Ihr etwa... Er habe den Angriff auf Gabriel befohlen?“, stieß der blonde Welpe überrascht aus, erntete jedoch nur ein belustigtes Schmunzeln.

„Was denkst du nur für einen Unsinn.“ Ephra war sich bewusst, das Taris nie einen Angriff auf den Geliebten seines Enkels befehlen würde, schließlich war Lucion das wertvollste Mitglied seiner Familie. Er würde den Lichtbringer niemals verärgern. Zudem würde er einem kümmerlichen Menschenjungen nie mit solcher Aufmerksamkeit bedenken. Auch wäre solch ein Angriff einfach zu plump und sinnlos für den gerissenen Meister der Kalyhten. Ephra war sich sicher, dass dies niemals geplant war.
 

„Lord Taris sagte zwar, man würde noch am Ende der Woche nach dem Bankett rechnen, aber das scheint er versäumt zu haben. Ich denke, es ist an der Zeit, dass die Styx Society ihn kontaktieren sollte.“ Eine Option, die durch aus nötig war. Zum einen, um Taris wegen diesem Vorfall zur Rede zu stellen und zum anderen, um über Lucions Entwicklungsverlauf zu reden. Gefallen tat Ephra dieser Plan nicht wirklich. Er hätte es vorgezogen das Treffen mit Taris so weit wie möglich hinaus zu zögernd, denn trauen tat er ihm nach wie vor nicht. Obwohl... Er konnte dies, wohlmöglich noch hinauszögern. Am wichtigsten war es jetzt aber den Vorfall so schnell wie möglich zu klären, denn er hatte gespürt wie die Wut in Lucion kochte. Sein Bruder würde ohne Zweifel nach einem Verantwortlichen verlangen und wenn Ephra diesen nicht zeitig genug präsentierte, musste ein anderer seinen Kopf herhalten. Der Lamia verzog in Gedanken seine Lippen zu einem gequälten Lächeln, denn er ahnte nur zu gut wem diese Ehre zu teil werden würde...
 

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Mit kräftigen Flügelschlägen glitt der weiße Rabe über den nächtlichen Himmel von New Halen. Trotz seiner ungewöhnlichen Größe blieb er von den Menschen unbemerkt und jene, die es taten, beachteten ihn nicht weiter. Schließlich war es für sie nur ein Vogel. Das Herz in der Brust des Raben schlug schnell und es würde sich gewiss nicht in nächster Zeit beruhigen. Denn er war sich seiner Tat bewusst geworden und was er folglich damit herauf beschworen hatte. Meister Taris tadelte ihn oft für sein überschäumendes Temperament und prophezeite, das es ihn eines Tages zum Verhängnis werden würde. Anscheinend war dieser Tag gekommen.

Er hatte seinen Auftrag, die Styx Society zu überwachen vermasselt. Meister Taris würde alles andere als erfreut sein und der Rabe hoffte, dass dieser in einer guten Stimmung war. Obwohl... Meister Taris konnte ebenso in bester Laune äußerst gefährlich werden. Er mochte gar nicht daran denken. Für einen Moment schloss er die Augen und besann sich. Die Furcht durfte seinen Geist nicht vernebeln und er konzentrierte sich auf ein Gefühl, das noch neben der Angst existierte. Eine tiefe Genugtuung. Es hatte gut getan, diesem dreckigen Bengel das vorlaute Maul zu stopfen, auch wenn er in seinem Eifer fast, zu weit gegangen war. Aber das geschah dem Gör Recht.
 

Plötzlich krächzte der Rabe leise auf und richtete sein Blick verwirrt in die Tiefe. Da war eine Energie, die ihm äußerst vertraut war, allerdings sollte sie nicht in diesem Bezirk sein. Suchend ließ er seinen Blick über die hell erleuchteten Gebäude und Straßen schweifen. Die Präsenz wurde immer stärker und bald drehte er abrupt ab.

Die vertraute Kraft pulsierte aufgeregt und wirkte gehetzt. Über einer engen unbeleuchteten Gasse zwischen zwei Hochhäusern ließ er sich flatternd niedersinken und machte sogleich zwei Gestalten aus. Erstere war eine schlanke hochgewachsene Frau, welche sich keuchend hinter einem großen Müllcontainer niedergelassen hatte. Ihr Blick war aufgerissen und sie lugte immer wieder nervös um den großen Eisenbehälter, dabei sprangen ihre kurzen platinblonden Locken immer wieder in ihr Gesicht. Neben ihr, bewusstlos an die Wand gelehnt, befand sich die zweite Gestalt. Ein Mann, von dem man allerdings nicht wirklich viel erkennen konnte. Über seinen Kopf war eine schwarze Damenlederjacke gewickelt und mit den Ärmeln fest verknotet. Soweit der Rabe es erkennen konnte, waren die Hände des Mannes auf den Rücken gebunden. Mental grinste die geflügelte Kreatur in sich hinein. Anscheinend war er nicht der Einzige, der heute Nacht einen Fehler begangen hatte. Oh ja, Meister Taris würde wirklich bester Laune sein, dachte er sarkastisch.
 

Als der Rabe beabsichtigt laut auf dem Müllcontainer landete, wich die Frau heftig zurück und gab einen spitzen Schrei von sich, der sich jedoch sogleich in ein wütendes Fauchen verwandelte.

„Himmel auch, Oisin! Irgendwann dreh ich dir den Hals um! Mistkerl!“, fuhr sie den weißen Vogel an, der in krächzendes Gelächter ausbrach. Kurz nach den harschen Worten legte sich die Frau abrupt die Hand auf den Mund und schaute sich nochmals unsicher um, doch dann seufzte sie resigniert. Langsam erhob sie sich und strich mit dem Fingern durch die kurzen krausen Locken, um wenig später Oisin aus königsblauen Augen anzufunkeln.

„Was hast du hier verloren? Du solltest dich doch bei der Styx Society befinden oder hat Vater dich schon zurückgerufen?“

„Wieder bist du so kalt zu mir, Schwesterherz. Freust du dich denn nicht mich zu sehen?“, witzelte der Rabe spöttisch, doch sogleich legte er seinen Kopf betrübt zur Seite und der Spott verschwand.
 

„Ich... Wie soll ich sagen... Ich wurde entdeckt, weil ich mich mal wieder nicht unter Kontrolle hatte...“, begann er langsam, sein Blick lag entschuldigend auf der Frau, die er Schwester nannte.

Sie schaute ihn noch immer kühl an, doch dann schritt sie mit verschränkten Armen auf ihn zu und ihr Blick wurde weicher. Behutsam strich sie Oisin über den Kopf, welcher sich seufzend der Berührung entgegen lehnte.

„Ferralis...“, murmelte er leise und sie lächelte sanft.

„Das Geschehene war nicht vorhersehbar, Oisin. Also mach dir keinen Kopf deswegen.“ Sie wandte sich mit verschmitztem Lächeln ihrem Blick zum bewusstlosen Mann.

„Auch ich habe dieses Mal versagt, aber ich denke ich habe mit meiner Tat nur etwas beschleunigt, was ohnehin bald eingetreten wäre.“ Verwirrt blinzelte der weiße Rabe, denn die Worte seiner Schwester konnten auch gut auf ihn zutreffen.

„Was hast du ausgefressen, Lizzy?“, fragte er lauernd und Ferralis lächelte verlegen, als sie den Klang ihres Kosenamen hörte.
 

„Du erinnerst dich, oder? Vater bat mich in seinem Namen, die Beratung des Rings der Zeitalter zu übernehmen. Meine Bemühungen, die Styx Society vor dem Ring zu schützen war auch für geraume Zeit ein Erfolg...“

„Schützen?“, unterbrach er die junge Kalyhtea, worauf sie leicht mit der Hand wedelte.

„Du weißt schon, wegen dem Zusammenschluss. Der Ring der Zeitalter glaubt noch immer, dass wir mit ihnen gegen die Society agieren, dabei ist es Vaters einziger Wille, das der Ring uns nicht dazwischen funkt. Nun... Der Vorsitzende des Rings war plötzlich auf den Trichter gekommen, die Society mit Hilfe von Gerüchten in die Knie zu zwingen. Du weißt, was das hieße! Einen Propagandakrieg können wir uns nicht erlauben und es hätte unsere Pläne noch weiter aufgeschoben. Jedenfalls habe ich versucht das Oberhaupt davon abzubringen, allerdings war der alte Sack ziemlich uneinsichtig. Nun ja, da habe ich mich im Eifer des Gefechts etwas verplappert und naja.... Oisin, ich hatte einfach keine andere Wahl...“, stammelte Ferralis peinlich berührt und deutete mit den Fingern auf den gefesselten Mann. Oisin entwich ein heiseres Krächzen und sein Federkragen bauschte sich auf.
 

„L-Lizzy-nein-bitte.... Lizzy, du willst mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass das da Lord Argrain ist!?“ Das Lächeln von Ferralis nahm gequälte Formen an und sie gab ein übertriebenes Brummen von sich. Fahrig rieb sie sich die Schläfen.

„Doch. Er und kein anderer. Ich weiß, ich weiß. Aber der Kerl hat sich plötzlich alles selbst zusammenreimen können und was hätte ich tun sollen? Selbst jemand wie ich gerät ab und an in Panik und-“

„Bei den sieben Toren der Hölle, Ferralis! Panik?! Panik ist hier mehr als nur angebracht!! Wenn nicht schon Todesängste! Wegen mir haben wir wahrscheinlich bald auch noch die Styx Society am Hals und- ARG! Wir sind so was von tot, Lizzy! Meister Taris wird uns dritteln! Nein vierteln! Ach was, er flambiert uns lebendig am Stück! Ich will nicht sterben, Lizzy, ich-“
 

Mit rollenden Augen umschloss Ferralis den Schnabel ihres Bruders und drückte ihn mit einem leisen Klappen zu. Ein dumpfes Ächzen war alles, was er noch hervorbringen konnte, dann war er still. Ferralis schaute stirnrunzelnd und schmunzelnd tief in die Augen des Raben. Einige Augenblicke vergingen.

„Besser?“, fragte sie dann mit erhobener Augenbraue und Oisin nickte schwach. Als Ferralis den Schnabel losließ klapperte er leicht damit und atmete dann tief durch.

„Danke Lizzy...“

„Schon in Ordnung, ich kenne ja dich und deine lustigen fünf Minuten. Also kommen wir zurück zum Thema. Ich will gar nicht wissen, was du bei der Styx Society angestellt hast, aber wir sollten jetzt alles andere als in Panik geraten.“

„Und was sollen wir jetzt deiner Meinung nach tun?“, fragte Oisin und bedachte seine Schwester mit einem nachdenklichen Blick. Ferralis legte sich grübelnd den Finger auf das Kinn, dabei blickte sie zu Boden und lehnte sich locker gegen die Backsteinwand.
 

„Es ist klar das wir zurück ins Hotel müssen, um Vater von dem ganzen Chaos zu berichten... Ich denke, dass ich meine Verfolger schon im Asiaten Viertel abgehängt habe und-“

„Verfolger!?“, krächzte Oisin mit erneut aufkommender Aufregung, doch Ferralis bedachte ihn nur mit einem entspannten Lächeln.

„Ich kann dir den Schnabel auch ganz zusammenbinden, Bruderherz. Es ist leider so, dass ich nicht ganz unbemerkt davon gekommen bin. Aber darum sollten wir uns lieber später Gedanken machen.“ Oisin gab ein genervtes Krächzen von sich.

„Ist ja schon gut. Rede weiter.“

„Also... Die Frage ist, wie kommen wir dort hin? Für dich wäre es kein Problem in deiner momentanen Gestalt...“ Abrupt hob Oisin den Kopf und fixierte seine Schwester mit seinem Blick.

„Nimm ihm die Jacke vom Kopf und hänge sie dir über den Arm!“ Verwirrt starrte Ferralis zum Raben, der jedoch sprang vom Müllcontainer und kaum das seine Krallen den schmutzigen Boden berührten, verformte sich dessen Gestalt. Nach wenigen Sekunden stand vor der Frau ein junger hochgewachsener Mann, dessen helles blondes Haar zu einem extremen Seitenscheitel frisiert war, welcher fast die komplette rechte Gesichtshälfte verbarg. Statt des Federkleides zierten ihn nun eine lockere Jeans und ein lässig zugeknöpftes, dunkelrotes Designerhemd.
 

„Für die Menschen sehen wir nicht anders aus, als eine Gruppe junger Erwachsener, Lizzy. Und was tun solche Leute samstagnachts? Sie gehen einen trinken und dabei ist mindestens immer einer, der völlig dicht ist, verstehst du?“ Erst jetzt zeichnete sich die Erkenntnis in ihrem Gesicht ab und lächelnd tat sie das, was ihr Bruder ihr geraten hatte.

„Du bist genial, Oisin. Argrain wird so schnell auch nicht wieder aufwachen, denke ich und zum Hotel ist es auch nicht mehr weit.“
 

Schnell legte sie sich ihre Lederjacke über den Arm, klopfte sich sorgfältig den Staub von ihrem lila Tank Top und der dunklen eng anliegenden Jeans, dann packte sie den schlaffen Körper des Oberhaupts. Eifrig half Oisin ihr, und als die Geschwister fertig waren, stützten sie den bewusstlosen Lamia. Ferralis' bedeckter Arm lag nun über den gefesselten Händen, so dass man die Schnüre nicht mehr erblicken konnte.

„Ok, Lizzy. Dann los. Lass uns aber unterwegs überlegen, was wir Meister Taris sagen... Urg.. Wenn ich nur daran denke, wird mir ganz anders.“, jammerte der junge Kalyht. Ferralis verlagert noch ein wenig das Gewicht ihres Opfers und lächelte dann ihrem Bruder aufmunternd zu.

„Mach dir keine Sorgen. Erinnere dich daran, als ich eines unserer höchsten Gesetze gebrochen habe. Vater hat mich nur mit siebenjährigem Bluthunger gestraft.“

Oh ja, Oisin erinnerte sich noch gut daran und ein mattes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Als er seine Schwester nach den sieben Jahren wiedergesehen hatte, war sie nur noch ein abgemagerter Schatten ihrer selbst und es dauerte äußerst lange, bis sie wieder im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte war.
 

~tbc~

Momente der Irritation

Hi Leute :D
 

Ich hoffe ihr hattet eine tollte Weihnacht und habt demnächst ein guten Rutsch ins neue Jahr X3
 

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Kapitel 15: Momente der Irritation
 

Es existierten etliche Berichte von Menschen über Nahtod-Erfahrungen. Verheißungsvolle Worte von wertvollen oder gar erleuchtenden Momenten, die das Leben in eine ungeahnte positive Richtung schlagen konnten. Alles Nahrung für die Mülltonne, wie Gabriel so eben befunden hatte, denn wenn einer wusste wie sich der Nahtod anfühlte, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, dann war er es. Vielleicht übertrieb er auch, aber in diesem Augenblick fühlte sich Gabriel dem Tod näher als je zuvor. Sein Körper war fern von jeglicher Konsistenz, hatte sich schmerzhaft aufgelöst und war eins mit den Schatten geworden. Den Schmerz konnte man mit nichts vergleichen, also war es auch dementsprechend schwer ihn in Worte zu fassen. Er war zwar erträglich aber unangenehm. Aber welche Form von Schmerz war schon angenehm? Vielleicht der beim Piercen, aber man sollte nicht vergessen, dass Gabriel derzeitig andere Probleme hatte als auch nur einen Gedanken an die Beschreibung seiner Leiden zu verschwenden. Jener undefinierbare Schmerz löste sich allerdings schon nach kurzer Zeit in einem tauben feuchten Gefühl auf und Gabriel kam sich tatsächlich so vor, mehre hundert Meter unter Wasser gezogen worden zu sein. Die Angst nagte in ihm und ein dumpfes Pochen, von dem er nicht sagen konnte ob es von seinem Herzen rührte,war das einzige was er hörte. Dies und die dichte absolute Schwärze die ihm umgab raubten ihm fast den Verstand und er flehte, dass das Alles so bald wie möglich ein Ende finden würde.
 

Just nach wenigen Sekunden, die ihm allerdings wie eine düstere Ewigkeit vorkamen, ging sein Wunsch in Erfüllung und von einen Augenblick auf den anderen verflüchtigte sich der körperlose Zustand. Das Pulsieren und Schmerzen seiner überstrapazierten Muskeln kehrte jedoch leidlicherweise zurück. Das erste was er hörte war Jeromes hektisches Gezeter. Etwas worauf Gabriel gern verzichtet hätte, denn zu seinem bestialischen Muskelkater gesellten sich nun auch noch drückende Kopfschmerzen.
 

„Um Himmels Willen! Was ist geschehen!?“ Kaum das der Lichtbringer vollends aus dem Schatten geglitten war, wurde er auch schon von seinem Geliebten bestürmt. Lucion schüttelte sich mit einer leichten Kopfbewegung einige Strähnen aus dem Gesicht und ließ seinen Blick prüfend über Gabriel gleiten. Erst dann beglückte er Jerome mit seiner Aufmerksamkeit, allerdings nur um ihm Gabriel anzuvertrauen.

„Hilf ihm sich zu säubern und kleide ihn neu ein“, sagte er knapp und zupfte zur Verdeutlichung an einen Fetzen von Gabriels Kleidung.

Kühl wie ein Fisch, dachte sich Gabriel und fragte sich, ob er sich diese Zärtlichkeit nur eingebildet hatte. Doch dann besann er sich. Nein, es war keine Einbildung gewesen. Noch zu sehr prickelte die Erinnerung an den warmen weichen Kuss auf seinen Lippen und unbewusst presste er den Mund zusammen. Langsam ließ Lucion ihn auf die Füße gleiten, worauf Gabriel leicht wankte, doch Jerome war sofort zur Stelle um ihn zu stützen. Das Jerome angepisst war, war kaum zu übersehen und Gabriel konnte sich denken, was sich in diesem Raum ereignet hätte, wenn er nicht von einem Monstervogel angegriffen worden wäre. Somit hatte er sich wohl wieder unbeabsichtigt eine Woche voller Überstunden auf seinem Lehrplan eingehandelt. Gabriels Blick haftete sich auf Lucions Rücken, der achtlos an einigen kauernden Diener vorbei schritt und sich seitlich auf einem Diwan niedersinken ließ.
 

Ein behagliches Seufzen entwich Lucion, als er es sich bequem machte und sein Blick blieb nichtssagend auf seinen Günstlingen liegen.

„Ich hoffe dir ist bewusst, dass dein Dank an mich entsprechend ausfallen wird“, sagte er in einem Ton der sofort klarstellte, dass dies alles andere als eine Frage war und Gabriel sah nach einem kurzem Moment des Nachdenkens stur zur Seite. Wispernd wählt er sorgsam seine Worte.

„Ich wüsste nicht was ich mehr tun könnte als Danke zu sagen oder was ich dir geben könnte... I-immerhin... gehöre Ich dir schon, Lichtbringer.“ Die letzten Worte fühlten sich wie Säure an, aber er musste es sich endlich eingestehen. Er gehörte Lucion. Allerdings schon für die Tatsache, dass der Lucion wie selbstverständlich mehr als ein „Dankeschön“ erwartete, hätte Gabriel ihn erwürgen können. Aber das war zu erahnen gewesen. In den Augen des Vampirs funkelte es belustigt, als dieser zu seinem Jüngling aufschaute und sich zwei Finger vor die verhalten lächelnden Lippen hielt.

„Ich denke, ich zeige mich heute von meiner bescheidenen Seite und begnüge mich mit deiner Erkenntnis. Aber das war absehbar, dass dein kleines Menschenhirn es irgendwann begreifen wird. Nun müssen wir nur noch etwas an deinen Umgangsformen mir gegenüber arbeiten, dann bist du das perfekte Püppchen.“
 

Gabriel biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste, soweit es seine müden Muskeln zuließen. Was erwartete dieser arrogante Sack denn noch? Er war so höflich gewesen, wie in seinem ganzen Leben noch nicht und er konnte sich sogar verkneifen Lucion beim Namen zu nennen. Wobei er immer noch nicht ganz verstanden hatte, warum es ihm und einen ganzen Haufen anderer Leute verboten war diesen Namen auszusprechen. Einen entsprechenden Kommentar konnte Gabriel nicht mehr absondern, denn Jerome zog ihn energisch Richtung Tür, was wohl zum Großteil daran lag dass “Seine Vampirische hochwohlgeboren“ sich wichtigeren Dingen widmen wollte... Seinem abgeplatzten Nagellack, der im Gegensatz zu seinen übernatürlichen Fingernägeln nicht dazu ausgelegt worden war, um in Häuserfassaden gerammt zu werden.
 

Nur noch imstande kurz die Augen zu verdrehen, wurde Gabriel von Jerome aus dem Salon bugsiert. Natürlich entging dem Lichtbringer diese Geste nicht und für einen kurzen Moment verbreitete sich sein Lächeln.
 

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Ephras Schritte verhallten dumpf auf dem Gang. Schnell und gradlinig steuerte er auf die Gemächer seines jüngeren Bruders zu. Den Kopf voller umher wirbelnder Gedanken. So bemerkte er Enola nicht, die mit nicht weniger Tempo um die Ecke bog. Nur knapp konnte die vollbusige Vampirin ihrem Bruder ausweichen.

„Ah na endlich! Weißt du wie lange ich dich schon suche? Du wirst immer schwerer zu finden, mein Lieber!“, gab sie schnippisch mit verschränkten Armen von sich.

„Warte in meinem Büro.“, antwortete er knapp, denn das Letzte was er momentan wollte, war sich mit irgendwelchen Diagrammen herumzuschlagen. Vor wenigen Minuten hatte er Raphael mit der Suche nach Taris beauftragt und nun lag es an ihm Lucion zu beschwichtigen und auch noch mit ihm über diese ungewöhnliche Form des Schattenwandelns zu sprechen.
 

Enola blickte säuerlich auf den schweren schwarzen Mantel, der über Ephras Arm hing. Dunkle Ranken verzierten ihn und der weite Kragen, sowie die Ärmel waren mit dichtem schwarzen Fellbesatz umsäumt. Dieses teure und extravagante Stück konnte nur einem gehören und Enola kommentierte ihre Erkenntnis mit einem frustrierten Zischen.

„Du solltest mir zuhören, Ephra. Weil das was ich dir mitteilen will, eventuell etwas mit unserem liebenswerten Brüderchen zu tun hat.“
 

Ephra, der sich schon abgewandt hatte, hielt abrupt inne und musterte seine Schwester mit einem forschenden Blick. Dann schloss er die Augen und seufzte.

„Nun gut. Was gibt es, Enny?“ Die rothaarige Lamia machte keine Anstalten etwas zu sagen, sondern ging einfach an ihrem Bruder vorbei und bedeutete mit einem kurzen wackeln des Zeigefingers ihr zu folgen. Sie führte ihn zu einem kleinen Aufenthaltsraum.

„Wir müssen das nicht auf dem Flur besprechen, wo jeder Draugr uns belauschen könnte. Komm setze dich.“ Ungeduldig, wie er war, konnte der Präsident der Styx Society sich ein genervtes, aber leises Stöhnen nicht verkneifen. Kaum das er sich setzte, schlug er die Beine übereinander und legte seine Wange auf seiner Hand auf.
 

„Beeile dich bitte Enny. Weil wir haben gerade – entschuldige den Ausdruck – sprichwörtlich die Kacke am Dampfen.“ Aber Enola ließ sich keineswegs zur Eile drängen und sie setzte sich gemächlich auf die Tischkante vor ihrem Bruder.

„Vor etwa einer Stunde hatte sich Polizeipräsident Hopps telefonisch bei uns gemeldet. Es ging nochmals um diesen verzwickten Fall mit den verschwundenen Jugendlichen in Old Babylon's Creek. “

„Was soll das mit Lucion zu tun haben?“, fragte er unwirsch und hob eine Augenbraue.

„Ich habe dir doch schon heute Morgen gesagt das deine Verdächtigungen -“

„Es gibt einen Zeugen Ephra...“, unterbrach sie ihn eindringlich. Ephra standen so viele Fragen auf der Zunge und seine vorherigen Probleme rückten für einen kurzen Augenblick in den Hintergrund.

„Gab es schon ein Verhör?“

„Natürlich. Nun, bei dem Zeugen handelt es sich um einen illegalen Welpen, der sich öfters im Nachtclub Stargazer aufhält.“
 

Von Ephras Eile merkte man nichts mehr. Schweigend saß er einfach nur da und lauschte den Worten seiner Schwester mit ausdrucksloser Miene.

„In der gestrigen Nacht war er zusammen mit den drei Jugendlichen ein Gespiele des Täters gewesen. Nun, wie wir vermuteten, handelt es sich um einen äußerst mächtigen Vampir... einen uns bekannten mächtigen Vampir... Du kannst dir denken worauf ich hinaus will?“

Wie vom Blitz getroffen wurde Enola von Ephra angestarrt. Er beugte sich leicht vor und seine Augen schmälerten sich zu Schlitzen.

„Du wagst es ernsthaft, Lucion zu verdächtigen? Bist du des Wahnsinns? Der Lichtbringer verabscheut die Gesellschaft von Menschen und noch mehr die von Welpen!“ Trotz des bedrohlichen Tons lachte Enola belustigt auf und strich sich mit spöttischem Grinsen einige rote Haarsträhnen hinters Ohr.
 

„Ach ja? Wie kannst du dir da so sicher sein?“

„Ich kenne Lucion wie kein anderer! Ich habe ihn immerhin erzogen!“ Über Enolas Lippen glitt ein feiner Seufzer und sie zuckte gleichgültig mit den Schultern.

„Du redest dir das noch immer zu gern ein, oder mein Lieber? Erziehung besteht nicht nur aus zwei täglichen Besuch und einem kurzen Gespräch. Vielleicht kann ich ihn ja mittlerweile besser einschätzen als du. Und ich schätze, dass unser Brüderchen mittlerweile ein gefährliches Interesse an der Außenwelt hegt.“ Von Ephra kam nur eine wegwerfende Geste.

„Ausgeschlossen! Er weiß, das es außerhalb der Styx Society gefährlich für ihn ist. Von klein auf habe ich ihm das eingetrichtert!“

„Und daran erinnere ich mich noch zu gut. Es war das einzige Verbot, das du ihm je auferlegt hast. Aber wie du mir einst sagtest, du hast ihn so erzogen, das er nur das tut, was ihm im Sinn steht. Ich kann dir gratulieren! Er ist genau so geworden wie du es wolltest. Egoistisch, Selbstherrlich und Ignorant. Vielleicht hättest du ihm damals auch erzählen sollen, welche Gefahren dort draußen lauern.“
 

Ephra schnappte hörbar nach Luft, denn Enola brachte seine Selbstbeherrschung stark zum Wanken.

„Enny! Willst du mir etwa unterstellen, dass meine Erziehung -“

„- falsch war? Nein, Bruderherz.“ Enola erhob sich von der Tischkante und zog sich mit ihren knallroten Fingernägel eine Zigarette aus der Brusttasche ihres knapp sitzenden Blazeroberteils.

„Es gab überhaupt keine Erziehung. Deine Liebe zu diesem Balg hat dich blind gemacht, dabei sah es zunächst so aus, als wäre der Kleine dir völlig egal. Zumal sah er damals nicht gerade glücklich aus, als du ihn gezwungen hast -“

„Halt den Mund!“, herrschte der Schwarzhaarige Lamia sie an und auf seinen Schläfen pulsierten dicke Zornesadern. Enola konnte gar nicht so schnell gucken, wie ihr Bruder bei ihr stand und seinen Zeigefinger drohend gegen ihre Schulter drückte.
 

„Ich habe dir schon hunderte Male gesagt, dass du nicht so respektlos reden sollst. Also schweig lieber. Denn du bewegst dich nämlich auf verdammt dünnem Eis.“ Ungerührt blies Enola den Zigarettenqualm in Ephras Gesicht und lächelte beschwichtigend.

„Ich weiß wirklich nicht, was du an dem Kleinen findest. Gottheit hin oder her. Ich versteh nicht, wie ausgerechnet du ihm derart in den Hintern kriechst. Wir sind jahrelang ohne eine Göttin oder einen Gott ausgekommen. Ich seh in ihm keinerlei Verwendungszweck, außer das er uns an die Spitze unserer überreligösen Gesellschaft gebracht hat. Die Welt gehört ohnehin so gut wie uns, also ist er nutzlos geworden... Aber du erkennst es einfach nicht. Er ist wie eine Zecke! Er und seine zwei kleinen verwöhnten Schlampen für die wir uns den Arsch aufreißen.“ Ein roter Schleier der Wut legte sich über Ephra, der ihm fast völlig den Verstand vernebelte. Er konnte einfach nicht mehr an sich halten, wollte es auch nicht. Ein lauter Knall erfüllte den Raum, als der Präsident der Styx Society seiner Schwester eine saftige Ohrfeige gab. Mit einem dumpfen Laut kam sie auf den Boden auf, soviel Kraft steckte in dem Schlag. Ihre Zigarette kam nur wenige Zentimeter neben ihr zum Liegen und versenkte die Fasern, des sündhaft teuren Teppichs.
 

Für einem Moment schien die Zeit still zu stehen in dem sich die beiden Geschwister nur anstarren konnten. Ephra war in seiner Position verharrt und atmete zitternd.

„Ephraim...“, hauchte sie leise, nahm ihre Zigarette und raffte sich wieder auf. Er schüttelte den Kopf und schien sich nur mühsam wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Nur jemand der so dumm ist, vermag so zu reden. Unser Vater und auch unsere selige Stiefmutter würden sich im Grab umdrehen, wenn sie deine Worte hören könnten. Lucion wird nicht umsonst der Lichtbringer genannt. Unser aller Leben ist an diese eine Seele geknüpft, die er in sich trägt. Die Anzeichen für unseren Niedergang sind nur schleichend erkennbar, aber sie sind da! Die zunehmende Lichtempfindlichkeit, die verlorene Fähigkeiten uns in Tiere zu verwandeln und das vermehrte auftreten der Strigoi sind nur der Anfang. Wir Lamia werden diese Veränderung als Letztes spüren, aber sieh dir unsere Welpen an... Ihre Lichtempfindlichkeit wird von Jahr zu Jahr höher! Das Alles sind Folgen, weil unser Herr so lange nicht auf dieser Welt wandelte und diese unangenehmen Entwicklungen werden sich bald beschleunigen. Und so lange die göttliche Seele schläft wird sich daran nichts ändern.“, sagte Ephra mit bebender Stimme und in Enolas weit geöffneten Augen stand die Entgeisterung geschrieben.
 

Sie griff hinter sich und zog sich fahrig auf einen Sessel.

„W-Was sagst du da?“

„Lucion ist unser Herr. Ob es dir gefällt oder nicht. Wie kannst du ihm da solche Sachen anhängen wollen?“ Enola nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette und drückte sie dann im Aschenbecher auf dem kleinen Tisch aus. Ihr Gesicht war so bleich wie Marmor.

„Weil der Welpe ihn beschrieben hat... Der Täter war ein charismatischer Vampir mit langen silbernen Haaren, der seit kurzer Zeit im Club Stargazer ein und ausgeht. Und wie es aussieht sind die verschwundenen Jugendlichen tot... Genaueres wollte er jedoch nicht sagen... Es war Zufall das er Mr. Hopps in die Hände gefallen ist... Und er konnte ihn nur unter größtem Druck zum Reden bringen. Der Welpe hat eine Heidenangst, weißt du...“

Ephra setze sich ebenfalls wieder und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht.

„Es könnte ein Kalyht gewesen sein oder irgendein anderer Vampir, der sich die Haare gebleicht hat...“

„Kalyhten verabscheuen menschliches Blut. Du kennst ihre Philosophie am Besten... Sie ernähren sich eher von älteren Gebissenen. Lucion jedoch ist unberechenbar und in seinen Launen manchmal recht wankelmütig... Denke nur daran, dass sein momentaner Favorit ein vorlautes und ungehorsames Menschengör ist.“
 

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Jetzt hatte er den Salat. Jetzt war sein Kopf noch voller als vorher und das sollte schon was heißen. Kopfschüttelnd trat Ephra vor die Tür des Salons in dem sich laut eines Dieners, sein Bruder befinden sollte. Nein, er würde Enolas Geschichte auf keinen Fall ansprechen. Nicht so lange sie noch unbestätigt war.
 

Mit einem entschlossenem Klopfen machte er auf sich aufmerksam und als ihm von einem Bediensteten geöffnet wurde, betrat er ohne Verzug den abgedunkelten Salon. Seine Augen glitten durch den kleinen Raum, zu dem großen weit geöffnetem Fenster vor dem der Diwan stand, auf dem Lucion von ihm abgewandt lag. Schlief er? Eine kurzes Gefühl der Angst machte sich in Ephra breit. Was war, wenn das Schattenwandeln mit Gabriel doch zu viel für ihn gewesen war? Seine Sorgen wurden jedoch schon im nächsten Moment zerstreut, als Lucions Stimme erklang.
 

„Du hast mich warten lassen... Ich dachte du würdest mich früher aufsuchen.“, sagte er, ohne sich umzuwenden. Ephra zuckte leicht zusammen und tat eine respektvolle Verbeugung. Noch einmal sortierte er seine Gedanken im Schnellablauf.

„Der heutige Vorfall hätte niemals geschehen dürfen... Ich habe bereits alles in die Wege geleitet um die Kreatur zu finden.“ Eine unangenehme Stille trat ein und Ephra hoffte, das dies reichte um seinen jüngeren Bruder zu beschwichtigen. In ihm erblühte der Wunsch, das Gesicht Lucions zu sehen. Er wollte sehen was er dachte. Doch schon im nächsten Moment verwarf er diesen Gedanken, denn im Gesicht des Lichtbringers war ohnehin nur selten eine Emotion zu lesen.
 

„Was war das für ein Wesen?“ Es war eine tonlose Frage gewesen und Ephra schluckte leicht. Was sollte er darauf antworten ohne das er zu viel über die Kalyhten verriet?

„Eine besondere Art von Vampir... mit besonderen Fähigkeiten.“, antwortete der hochgewachsene Lamia nach einigen Minuten und fügte noch schnell hinzu:

„Wenn er in unserer Gewalt ist, wird er ganz dir gehören und du kannst ihm all seine Geheimnisse entlocken.“ Von Lucion kam nur eine kleine Regung und er war plötzlich verschwunden. Ephra schloss nur die Augen, denn er wusste schon jetzt, das der Lichtbringer hinter ihm stand.
 

Er spürte, wie die schlanken blassen Finger mit seinem langen Haarschopf zu spielen begannen und ein kleines Auflachen ertönte.

„Das Zittern in deiner Stimme verrät deine Angst, Ephraim. Du sollst wissen...“ Plötzlich verhärtete sich der Griff in seinem Pferdeschwanz derart, dass sein Kopf schmerzhaft nach hinten klappte und Lucion sprach mit ruhiger kalter Stimme weiter:

„... sie ist nicht unbegründet... Bis dieser wertlose Wurm nicht gefunden ist, trägst du die Verantwortung.“ Er hatte es geahnt, dennoch sagte Ephra nichts.
 

„Du weißt, dass ich dich nur ungern bestrafe, aber in letzter Zeit häuft es sich, dass du mich enttäuscht... Zu oft für meinen Geschmack.“ Lucions Stimme war immer leiser und zärtlicher geworden und seine Lippen waren dem Ohr seines Bruder gefährlich nah.

„Welch Strafe du auch wählst, ich werde sie tragen. Wenn es dich gelüstet, nimm mein Blut. Es wird die Wirkung der Seelen der Jünglinge verlängern.“, wisperte er schwer atmend und drückte dabei Lucions schwarzen Mantel, den er noch immer bei sich trug, fest an sich. Abrupt ließ der Lichtbringer von ihm ab und lachte auf.
 

„Ach mein lieber Ephra. Du glaubst mich damit besänftigen zu können? Der Geschmack deines Blutest ist mir über, aber ich brauche es ohnehin nicht mehr.“, sagte der Silberhaarige belustigt, während er an seinem Bruder vorbei schritt und ihn dann über die Schulter hinweg spöttisch ansah.

„Ich habe etwas besseres gefunden. Etwas das stärker ist als dein Blut und nahrhafter als das Blut jedes Zuchtjüngers. Etwas... das mir sogar die Qualen meines unersättlichen Hungers nimmt.“ Verwirrt schaute der Lamia auf. Die Worte seines jungen Bruders waren mehr als beunruhigend.

„Was willst du damit sagen?“ Eine Antwort auf seine Frage erhielt Ephra auch nach langem warten nicht. Lucion lächelte einfach nur geheimnisvoll und ließ seinen Blick dann aus dem weit geöffnetem Fenster gleiten.
 

„Du hast es auch gesehen oder? Die Schatten... Sie beginnen sich meinem Willen zu beugen...“, wisperte der Silberhaarige und schritt dem fahlem Licht, welches durch das Fenster fiel, entgegen.

„Erst die Schatten, dann das Licht und zuletzt das Leben selbst... So wie es in den alten Schriften geschrieben steht...“ In seiner Stimme lag ein Klang, der Ephra eine Gänsehaut verursachte. Ein Räuspern entfuhr dem Lamia und er versuchte sich wieder zu beruhigen. Enola hatte ihm einfach zu viele Hirngespinste mit ihrem Geschwafel eingesetzt. Seine Erziehung war richtig gewesen. Basta.

Langsam schritt er zu Lucion heran und legte den schweren schwarzen Mantel um die Schultern seines Besitzer. Behutsam zog er die langen silbernen Strähnen seine Bruders aus dem Kragen und lächelte leicht.
 

„Es erfreut mich mitanzusehen, wie du langsam heranreifst. Allerdings stimmt mich eine Sache bedenklich...“ Langsam strich er wie in Trance Lucions Haar sanft zur Seite und fuhr mit den Fingerkuppen über dessen Nacken. Eine Zärtlichkeit, die er seinem Bruder zu lange nicht mehr geschenkt hatte. Warum er es ausgerechnet jetzt tat, konnte er sich nicht erklären. Erstaunt bemerkte er, dass Lucion sich der Berührung sogar leicht entgegen lehnte. Dies gab ihm ein vages Gefühl des Mutes und er räusperte sich knapp um dann mit fester Stimme weiter zu sprechen.

„Du gehst mit deinen Fähigkeiten nicht gerade mäßig um, Lucion... Ich weiß, dass dies nicht wirklich ungewöhnlich für dich ist aber... In letzter Zeit bist du geradezu verschwenderisch mit der Kraft der Seelen geworden.“ Der Lichtbringer neigte den Kopf unter genießerischen Summen zur Seite, während sein Bruder weiterhin über den Nacken strich.
 

„Täglich wird dir der Name Bluthund immer ungerechter. Kopflose Glucke trifft es wohl am weitgehendsten. Erfülle lieber deinen einzigen Zweck wozu du geschaffen wurdest und belästige mich nicht weiter mit deinen gedanklichen Unrat...“ Während er den Worten Lucions lauschte, bemerkte er nicht, wie sich eine schwache Kälte in ihm ausbreitete. Erst, als ihm die Bewegungen immer schwerer fielen und er mit einem Keuchen inne halten musste, wurde er sich ihr bewusst.
 

„Was zum-!“

„Deine Sorgen sind völlig unbegründet, mein Lieber... “ Der Silberhaarige wandte sich Ephra zu und legte sich dabei spöttisch glucksend den Zeigefinger auf sein Kinn.

„Ich habe sehr viel Zeit, weißt du. Zeit, in der ich lerne mit meinen Kräften umzugehen... Wenn du mich öfter besucht hättest, wäre es dir aufgefallen...“
 

Lucion Antlitz war unter dem kühlem Blick kaum zu lesen, allerdings glaubte Ephra aus dessen Worten einen Vorwurf zu hören. Ihm kam der Gedanke mehr als unsinnig vor, aber konnte es sein, dass Lucion sich vernachlässigt fühlte? Eine Antwort auf diese Frage würde er wohl nie bekommen.
 

„Genug für heute!“, erhob der Lichtbringer plötzlich seine Stimme.

„Diese Nacht war einfach nur grauenhaft und deine Anwesenheit macht es nur noch schlimmer, Ephraim! Du solltest mir weder heute, noch Morgen unter die Augen treten!“ Mit einer schwungvollen Bewegung, sodass sich der Saum seines Mantels leicht bauschte, drehte sich Lucion dem Diener an der Tür zu.

„Du da! Geh zu meinen Günstlingen. Ich wünsche sie alle beide noch heute Nacht zu sehen... Ich brauche etwas Ablenkung...“ Kaum das seine Worte verklungen waren glitt er in den Schatten und verschwand. Die Kälte, die schwer wie eine feuchte Decke auf Ephra lag, löste sich so abrupt, dass er aufkeuchte und leicht ins wanken geriet. Langsam ließ sich Ephra auf den Diwan sinken und presste sich die Hand auf sein Gesicht. Warum war es nur so schwierig Lucion klar zu machen, wie ernst diese Verschwendung war. Diese Kälte, die er gespürt hatte, das wusste Ephra nur zu gut, waren die erwähnten Schatten gewesen... Er hatte es genau gespürt, wie sie die Energie aus Lucions Körper verschlungen hatten. Wenn sich nicht bald etwas änderte, würde der Lichtbringer zu einer Gefahr für sich selbst werden... Er musste etwas tun!
 

Er seufzte schwer, denn leidlicherweise war des nicht das Einzige was ihm graue Haare bereitete. Lucion hatte davon gesprochen das er etwas nahrhafteres gefunden hatte, als dass Blut der Zuchtjünger. Hoffentlich... Oh Hoffentlich, so bat er, hatte er nicht sein katalytisches Erbe entdeckt. Es wäre eine Katastrophe wenn der Lichtbringer die Lamia zu seiner Hauptnahrung erklärte. Ephra wurde von einer Gänsehaut überzogen und er presste fest die Lippen zusammen...
 

Nur ein jähes Aufklingeln seines Handys verhinderte, dass er sich noch weitere horrorhafte Albträume zusammen fantasieren konnte. Strapaziert schaute er auf den Display und schnaufte erleichtert als er die Nummer erkannte.

„Raphael... Ich hoffe du willst mit mitteilen, dass du Taris gefunden hast und das er sich gleich Morgen Abend mit mir treffen will...“

Am anderen Ende der Leitung ertönte nur ein lautes Luftschnappen. Danach folgte ein verzweifeltes Jammern, welches man unmöglich verstehen konnte.

„Raphael?“

„E-es tut mir leid, Meister. A-aber... Ich rufe aus einem anderem Grund an. Es geht um... den Vorsitzenden des Ring der Zeitalter, Lord Argrain... E-er wurde entführt. Vermutlich von einer Kalyhtea.“
 

Für einen Moment machte Ephras uraltes Herz einen Aussetzer, bevor er ein lautes „WIE BITTE?“ in den Hörer brüllte.

„J-ja, ich wurde ebengerade von einem unserer dortigen Spionen kontaktiert. Anscheinend haben sich die verbliebenen Mitglieder des Rings zu einer Krisensitzung eingefunden. Sie debattieren wohl darüber, sich mit der Society gegen die Kalyhten zu verbinden und-“

„Finde Taris.“, schnitt Ephra kühl seinem Welpen das Wort ab.
 

„A-aber der Ring der Zeitalter...“, stotterte Raphael und ein Schauer lief ihm über den Rücken, als sein Meister ihm antwortete.

„Der Ring war mir schon lange ein Dorn im Auge... Falls dies ein geplanter Angriff war, machen die Kalyhten nur die Drecksarbeit für mich. Also kümmere dich nicht weiter darum und führe meine Befehle aus, wie es sich für einen braven Sklaven gehört...“ Einzig ein heiseres „Jawohl...“ war zu hören, bevor Raphael auflegte.
 

Ephra zitterte leicht und er ließ sein Handy achtlos aus der Hand rutschen, welches mit einem plumpen Geräusch auf dem Polster aufschlug. Die Hand wanderte zum Gesicht des Schwarzhaarigen und verdeckte es gänzlich. Etliche Sekunden verstrichen, als Ephra leise Töne entwichen. Sie wurden immer lauter und schwollen zu einem hellen Gelächter an.
 

Das durfte doch alles nicht wahr sein, dachte Ephra sich, noch immer zitternd und lachend vor Fassungslosigkeit. Was war nur los mit dieser verdammten Nacht!? Es reichte ihm endgültig. Unter finsterem Blick zog er sich den Knoten seiner Krawatte auf und erhob sich. Nicht nur Ungeduld und unsägliche Anspannung war es was in ihm schwoll, sondern auch ein gieriger Bluthunger, den er zu lange unterdrückt hatte. Viel zu lange. Er gab sich mit voller Absicht der Gier hin. Heute Nacht würde er sich ein Opfer suchen an dem er sich abreagieren würden und dann... dann würde er andere Seiten aufziehen. Enolas Fall und haltlosen Verdächtigungen waren unwichtig. Taris musste gefunden werden. Das stand nun ganz oben auf seiner Liste und würde Raphael versagen, dann... würde er die Sache selbst in die Hand nehmen...
 

Ein grimmiges Lächeln zeichnete sich auf Ephras Lippen ab, denn die Idee endlich wieder aktiver zu zu werden gefiel ihm zunehmend. Lucion hatte Recht... Er war mehr eine kopflose Glucke, als... Es wurde Zeit das der Bluthund wieder von der Kette gelassen wurde.
 

♠~♣~♠~♣~♠~♣~♠~♣~♠~♣
 

Jerome schwieg sich beharrlich aus. Genau so, wie er es schon auf den Weg in das Bad getan hatte. Gabriel selbst, hielt es ebenfalls für besser nichts zu sagen, da alles was er zu sagen hatte, die Situation wahrscheinlich nur verschlimmern würde. Mitleid war es, was er für Jerome empfand, allerdings würde er, als ungewollter Rivale, ihn nicht trösten können.
 

So unauffällig wie möglich stand Gabriel neben dem großen Ficus, in dem schweren weißen Topf am Eingang und beobachtete geduldig, wie der Sanguar das Wasser in das im Boden liegende Becken einließ. Nach kurzer Zeit wurde das gesamte große Badezimmer vom Duft kostbarer Öle erfüllt und Gabriel war mit einem grimmigen Brummen seitens Jerome in das Becken beordert worden. Nun saß er dort im warmen Nass und schaute träge auf sein verschwommenes Spiegelbild. Jerome war mit seiner schlechten Laune für kurze Zeit aus dem Raum verschwunden um seinem Schützling neue Anziehsachen zu holen. Diesen Augenblick nutzte Gabriel und gab sich der Wärme des Wasser hin. Natürlich gaben seine gequälten Muskeln noch immer keine Ruhe, doch der Schmerz verwandelte sich bald in einen matten pulsierenden Druck, welcher weit aus angenehmer war.
 

Eine plötzliche Berührung in seinem Nacken, die einen brennenden Schmerz auslöste ließ ihn aufschrecken. Hastig drehte er sich um und blickte genau in das Gesicht von Jerome der gebeugt am Beckenrand hockte.
 

„Auch wenn sie nicht tief ist, sieht die Wunde ziemlich mies aus. Was hast du da draußen nur getrieben?“, fragte der Sang mit noch immer missgelauntem Blick.

Verdutzt fasste sich Gabriel in den Nacken und erfühlte die nun raue gebogene Wunde, die quer von einer Schulter zur anderen verlief.

„Ah! Der Lichtbringer wird wohl vergessen haben sie zu heilen.“ Kaum das er diese Worte ausgesprochen hatte, verfärbten sich seine Wangen rot. Vielleicht war es ganz gut, dass Lucion nicht weiter an ihm rumgeleckt hatte. Von Jerome kam nur ein Seufzen.

„Na wenigstens hat einer von uns seinen Spaß gehabt.“ Gabriel staunte nicht schlecht, als der Sanguar ihm schon fasst liebevoll durch das Haar strich. War Jerome am Ende gar nicht wegen ihm so schlecht gelaunt gewesen?
 

„Auch wenn du ein ziemlich unsympathischer Gnom bist, muss ich sagen das du eine recht hübsche Visage hast. Schade drum. Die Verletzung wird eine hässliche Narbe werden. Leider ist Vampirspeichel nicht mehr wirksam, wenn Blut einmal geronnen ist.“ Nichtverstehend zog Gabriel die Augenbrauen zusammen.

„Hab ich was verpasst?“, fragte er stutzig und erntete von Jerome nur ein bitteres Lächeln.

„Eben als ich deine Wunde gesehen habe, wurde wieder einmal mehr bewusst, wie viel du durchmachen musstest. Du gehörst einfach nicht hier her.“

Ach, endlich fiel das mal jemanden auf, dachte sich Gabriel sarkastisch, doch sogleich verdüsterten sich seine Gedanken wieder, als er sich an die Worte seines Bruders erinnerte. Langsam ließ er sich zurück in das Becken gleiten und blickte entrückt in die Augen seines eigenen Spiegelbildes.
 

„Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich weiß selber nicht mehr wer ich bin und wo ich hingehöre. Geschweige davon, was Wahrheit und was Lüge ist.“ Schon beinahe zärtlich strich der Jüngling über die Wasseroberfläche um sein Spiegelbild zu verwischen.

„Alles verschwimmt vor mir. Seit ich hier bin hat sich vieles verändert... Ich habe mich verändert. Halte mich nicht für Wankelmütig oder so, aber...“ Er schloss für einen kurzen Moment seine Augen und blickte dann zu Jerome auf.
 

„Ich glaube langsam, dass ich doch hier her gehöre. Mir kommt es selber total krank vor, aber mein Körper spielt seit dem ich hier bin völlig verrückt... Diese sexuelle Affinität zu Vampiren, die ich angeblich besitze, scheint auch nicht das zu sein, was wir zuerst glaubten. Mein Körper hat nie auf andere Vampire reagiert. Ebenso haben andere Vampire nie irgendwelches Interesse an mir gehegt... Es scheint als bestünde dieses Band der Anziehung nur zwischen mir und dem Lichtbringer...“ Eingehend schauten sich die beiden jungen Männer in die Augen, bis Jerome seinem Gegenüber die Hand auf die Schulter legte.
 

„Das ist in der Tat äußerst mysteriös. Aber glaub mir, egal welches Geheimnis dich umgibt. Früher oder später wird es sich lüften. Vielleicht war es Schicksal, dass alles so gekommen ist.“ Bei diesen Worten musste Gabriel schmunzeln.

„Du siehst nicht gerade wie jemand aus, der an das Schicksal glaubt.“ Jerome antwortete nur mit einem Lächeln und erhob sich. Gabriel sah ihm nach, wie er zur Kommode ging und einen Schwamm zu ihm ins Wasser warf.
 

„Auch wenn du noch so ein verwöhntes Prinzchen bist. Dich selbst zu waschen wirst du wohl noch hin bekommen.“ Unter einem halbherzigen Knurren schnappte sich Gabriel den Schwamm und begann sich einzuseifen. Die Bahnen die Gabriel mit den Schwamm nahm wurden jedoch nach wenigen Malen sanfter, als er sich dem Geruch des Badewassers bewusst wurde. Leicht süßlich, aber nicht schwer und aufdringlich. Er kannte diesen Duft... aber woher nur? Er kam einfach nicht drauf, aber eines war eindeutig. Der Duft war ihm nicht unvertraut und erfüllte ihn mit einer tiefen Wärme. Seine Atemzüge wurden immer langsamer, als wollte er diesen Duft und das damit verbundene Gefühl in sich aufnehmen. Schon fasst hingebungsvoll ging Gabriel mit dem Schwamm um und verteilte sorgfältig das Aroma auf seinem ganzen Körper. Sogar ein wohliges Seufzen perlte von seinen Lippen. Der Jüngling vergaß alles um ihn herum, auch das er nicht alleine war. Minutenlang beobachtete Jerome seinen Schützling und zog die Stirn kraus. Doch dann kam ihn eine leise Erkenntnis und lächelte ins sich hinein
 

„Dein Bad beinhaltet die favorisierte Ölmischung des Gebieters.“, sagte er und beobachtete vergnügt, wie Gabriel derart heftig zusammen zuckte, das er den Schwamm so stark zusammen quetschte, dass ein Schwall Wasser in sein Gesicht spritze.

„W-Was?“, fragte Gabriel verdutzt und sah dabei im wahrsten Sinne des Wortes aus wie ein begossener Pudel. Jerome packte sich den Stapel Handtücher und legte ihn auf die niedrige Ablage nahe des Beckenrandes.

„Der Parfümeur, welcher diese Mischung erstellte, war wirklich ein Meister seines Fachs. Er hat es dem Gebieter zum Geschenk gemacht und der Gebieter hatte so sehr Gefallen daran gefunden, dass er den Parfümeur noch am selbigen Tag tötete, damit dieser Wohlgeruch für immer einzigartig bliebe. Selbstverständlich nachdem man ihm das Rezept entlockte.“, meinte Jerome so fröhlich, als würde er von einem Kindergeburtstag erzählen...
 

Bezahl nie den Fährmann, bevor du sicher am anderen Ufer bist, dachte Gabriel beiläufig... Wichtiger war ihm die Antwort auf sein seltsames Verhalten. Vielleicht war die heutige Nacht endgültig zu viel für ihn gewesen, oder aber der Kuss hatte ihn nun komplett verdreht. Lucion konnte verdammt gut küssen, was aber auch nicht verwunderlich war. Immerhin lebte er schon eine halbe Ewigkeit und hatte genug Übung. Gabriel lachte spöttisch in sich hinein. Er musste unzählige Geliebte gehabt haben, aber wer würde jemanden mit solch einem Gesicht schon verschmähen. Es ärgerte ihn das zugeben zu müssen, aber wenn er genau nachdachte war Lucion die fleischgeworde Sünde auf Erden. Dem Verhalten nach zu urteilen, war sich der Lichtbringer dem leider nur zu gut bewusst.
 

Er kam einfach nicht umhin an jede Einzelheit des schönen Gesichts zu denken...Diese durchdringenden kühlen Augen, die hohen Wangenknochen... und diese verführerisch vollen Lippen, die Nächte voller Lust und Leidenschaft versprechen konnten und die gefährlichen weißen Zähne, die unter ihnen verborgen lagen. Eine leichte Gänsehaut bildete sich trotz des heißen Wassers bei Gabriel, als er an das spöttische Lächeln dachte und es lief ihm heißkalt, den Rücken runter. Ja, definitiv “heißkalt“. Anders konnte man es nicht beschreiben.
 

Gabriels geistiger Blick rief sich jedes winzigste Detail des perfekten Körpers in den Sinn und er gab unbewusst ein leises Summen von sich, als er an den drahtigen hochgewachsenen Körper dachte. Breite Schulter... leichte Muskeln, die sich geschmeidig bei den raubkatzenartigen Bewegungen unter der glatten Haut abzeichneten.
 

In einem tiefen Atemzug nahm Gabriel den Duft des Bades auf. Lucions einzigartigen Duft, der überall zu sein schien und ihm das Blut in den Kopf trieb. Dies wurde ihm langsam zu viel, aber der Jüngling konnte einfach nicht aufhören an ihm zu denken. Er sah diese großen schlanken Hände mit den langen Fingernägeln und spürte förmlich, wie sie über seinen Rücken kratzten, bis hinten über seinen Steiß. Die imaginären Hände legten sich auf seinen Hintern, wie es schon einmal passiert war und Gabriel stöhnte auf.
 

Die Augen Jeromes wurden immer größer, als er sich bewusst wurde, dass sein Schützling schon wieder total entrückt war. Was er als nächstes beobachtete, ließ ihn fasst vom Hocker fallen. Die Hände Gabriels wanderten am Körper hinab. Immer tiefer. Dann griffen sie zu und Gabriel sog vor Lust scharf die Luft ein. Jerome wollte etwas sagen, den Jungen in die Wirklichkeit zurück rufen, doch dann hielt er inne. Irgendwie... gefiel ihm dieses Bild. Ein einzigartiger Anblick, der so grenzwertig bei diesem jungen Mann wirkte. Nach einigen Minuten musste sich Jerome etwas auf die Unterlippe beißen und fuhr sich dabei durch das blonde Haar. Gabriels Anblick ließ ihn nicht kalt. Wie er sich dort lustvoll rekelte und immer wieder kleine laszive Laute von sich gab.
 

„Man sieht es dir auf den ersten Blick wirklich nicht an, aber du bist verdammt scharf, Kleiner. Weißt du das...“ , wisperte Jerome mit rauer Stimme und atmete dabei schwer. Abrupt hielt Gabriel inne und schaute verstört an sich herab... auf seine Hand, welche sich fest um sein Gemächt geschlossen hatte.
 

„I-ich-ich-“, stammelte der Jüngling verwirrt und wandte sich zu Jerome um, der mittlerweile aufgestanden war.

„Du hast an Ihn gedacht... nicht wahr?“, fragte Jerome mit einem selbstgefälligem Lächeln. Noch bevor Gabriel etwas erwidern konnte, viel der Sanguar ihm ins Wort.

„Verdammt~ Jetzt bin ich schon wieder spitz...“, seufzte er gekünstelt.

„Das ist deine Schuld. Hmmm~ Was machen wir da nur?“ Gabriel verlor alles an Farbe im Gesicht und war kaum noch in der Lage zu antworten. Jeromes Grinsen wurde immer breiter und er schaute mit halb geschlossenen Augen auf seinen Schützling herab.
 

„Wenn ich es mir so Recht überlege... Du hast in deinem Unterricht noch nicht sehr viel praktische Erfahrung gesammelt...“
 

tbc ~ <3



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Kommentare zu dieser Fanfic (44)
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Von:  _Lilith_
2013-09-05T17:10:15+00:00 05.09.2013 19:10
Ich liebe deine FF, wirklich. Sie ist großartig. Unser geliebter Silberhaarige Egoist, ist einfach Göttlich.
Und ganz ehrlich...ich würde so gerne wissen wie es weiter geht. Jedoch...Q.Q Seit 2011 gibt es keine einzige Regung von dir in der FF. Daher...meine Frage, wann geht es weiter, geht es überhaupt noch weiter?

Ich will wissen wie es zwischen den beiden weiter geht, ich mag wissen wie sich ihre Beziehung entwickelt. Entwickelt unser Opferlamm vielleicht noch Gefühle? Was passiert, wenn Lucion Kräfte erwacht sind?
Wird er sich verändern, Charakterlich? Vielleicht auch äußerlich, wenn er diese göttliche Seele in sich hat. So viele Fragen und nur du alleine bist in der Lage sie zu beantworten und meine Neugier zu stillen. Kann man dich irgendwie bestechen?

LG
Von:  Dariana
2012-08-30T21:38:26+00:00 30.08.2012 23:38
Hab mir deine Ff gerade das zweite mal durchgelesen und finde sie immer nocht spitze.
Ich mag deinen Schreibstill und natürlich die Charaktere. Ganz besonders Gabriel. Finde es auch toll, das du es schafftst das sein Charakter identisch bleibt und nicht plötzlich eine änderung um 180 Grad macht.
Bin schon gespannt wie es weiter geht. Ich hoffe doch das es nocht weiter geht oder??
lg
Von:  Dariana
2011-12-24T18:55:49+00:00 24.12.2011 19:55
Ich muss gestehen das ich von deiner Ff begeistert bin. Ich habe schon viele Vampirgeschichten gelesen und meistens recht schnell mein Interesse verloren aber von deiner bin ich begeistert.

Deine Idee ist etwas was ich bis jetzt noch nicht gelesen habe und auch deine Charaktere kommen sehr gut rüber.
Bin gespannt wie es weiter geht und ob ich weiterhin so begeistert bin.
Hoffe ja das es schnell weiter geht.
lg
Von:  Reyel
2011-07-29T17:06:09+00:00 29.07.2011 19:06
weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter weiter, weiter,weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter weiter, weiter,weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter weiter, weiter,....>*lufthol*<........weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter weiter, weiter,weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter weiter, weiter,weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter weiter, weiter,weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter, weiter weiter, weiter,........
*puste ist weg*

ist doch klar was ich sagen will oder?

><
Von:  yukihima
2011-07-24T19:41:54+00:00 24.07.2011 21:41
also ich habe grade deine story gelesen und bin begeistert sie ist spannend lustig und mit viel gefühl ich hoffe du schreibst bald weiter würde mich freuen sie weiter zu lesen mus doch wiessen wie es mit gab und dem lichtbrienger weiter geht XD:)

kaffee und keks dar las zu aufmunterrung
liebe grüße yuki
Von:  HarukaEva
2011-07-23T17:37:59+00:00 23.07.2011 19:37
Wieder ein spannendes Kapitel, dass noch einige Kämpfe, Komplikationen und vor allem Gefühlschaos erahnen lässt. Ich bin gespannt in wie weit sich Lucion noch entwickeln wird. ^^
Von:  Kaya
2011-07-21T09:01:06+00:00 21.07.2011 11:01
Huhu,

na da war ja mal eine lange Wartepause. Ich hab die komplette FF noch mal gelesen und bin nun gespannt wie es weiter geht und ob Lucion sich doch noch irgendwie von seinen Gefühlen beeinflussen lässt.

Gruß
Von:  Kaya
2011-07-21T08:40:24+00:00 21.07.2011 10:40
Huhu,

na da war ja mal eine lange Wartepause. Ich hab die komplette FF noch mal gelesen und bin nun gespannt wie es weiter geht und ob Lucion sich doch noch irgendwie von seinen Gefühlen beeinflussen lässt.

Gruß
Von:  Toastviech
2011-06-15T15:32:15+00:00 15.06.2011 17:32
Uhhhhh wie gemein.
Schreib schnell weiter! Ich bin so gespannt was der "bengel" auch Gabriel genannt wieder angestellt hat.
Gabriel wollte doch nur auf die Dachterrasse.....und dank seiner Höhenangst, wird er kaum runter springen.
Aber vielleicht regt Lucion rein die Möglichkeit so auf.

lg
Von:  Tesla
2011-06-15T09:38:42+00:00 15.06.2011 11:38
Ich schließ mich da mal an. Das Kapi war wirklich spannend und sehr informativ. Die arme Mama fällt mir dazu ein. Aber ich musste so lachen das Gabriel das Kunstverständnis einer Lakritzschnecke hat. *lol* ich kenn da auch so einen. wobei der hat eher das verständins eines gummibärchens. Kopf ist schon vorhanden nur einsetzten geht irgendwie nicht^.^
So allerdings finde ich so Cliffhanger wie du sie hier baust echt fies. Mach bitte schnell weiter. *neugierig bin* ich will wissen was Gabriel nun schon wieder anstellt.


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