Alabasta no Suna Oasis von Phantom (アラバスタの砂·オアシス) ================================================================================ Kapitel 5: Das Wasser wird knapp -------------------------------- Dieses harmonische Wiegen, höchst angenehme Nebenwirkung der lautlosen, steten Schritte auf dem weichen Sand, ließ sie zufrieden summen. Stück für Stück, so als wäre sie langsam einsickernder Regen, schmiegte sie sich vertraulicher an den Stoff, atmete dabei mit jedem Zug den Strandduft seines Haares ein und fühlte sich irgendwie geborgen. Ihrem ganzen Gewicht wurde gestattet, sich auf seinen Rücken zu laden, sodass sie sich leicht wie ein hohles Stück Treibholz vorkam, ein Stück Treibholz mit zwei frei baumelnden Unterschenkeln, das sich sicher sein durfte, dass es niemals fallen gelassen werden würde. Sunny schlug die Augen auf. „Ich glaub’, mir geht’s schon sehr besser!“ Und das musste natürlich ausgenutzt werden! Erquickt warf sie ihre Arme um den Hals desjenigen, der sie trug. „Herr Cooorsaaaa!“ Auf einmal wurde es weiß. Reflexartig kniff Corsa die Augen zusammen und wandte sie ab von einer Sonne, die er so lange nicht mehr auf ihnen gespürt hatte. Die ungewohnte Freiheit um seinen Nasenrücken, vor allem aber Sunnys Lachen, welches heller war als die blendenden Strahlen, stellten die unmissverständlichen Folgen dar eines gelungenen Diebstahls der gefürchteten Zehn-Finger-Crew von Piratenkapitänin Sunny: Seine Brille war weg! „Der ärgerliche Fremdkörper im Gesicht des Patienten wurde erfolgreich amputiert“, beglückwünschte sie seriös ein imaginäres Ärzteteam. „Meine Kollegen? Wir dürfen uns ausgiebig auf die Schultern klopfen!“ „Lass das“, tadelte er sie, weniger genervt wegen ihr als durch die ihn jetzt mit Kopfschmerzen attackierende Hitze. Das kranke Mädchen überhörte ihn schlichtweg und klappte seine Errungenschaft zu und wieder auf, zu und wieder auf wie die Flügel einer mechanischen Möwe. „Oh“, machte es unvermittelt. „Kaputt.“ „Waaas?!“ „War nur Spaß!“, lachte es ausgelassen und setzte sie sich mit einer schwungvollen Bewegung selbst auf. Na gut. Sollte sie ruhig ein wenig damit spielen, wenn es sie glücklich machte. Ja… Das war ein akzeptabler Kompromiss… Die Zeiten waren hart; die Kinder hatten nicht viel zu lachen. Da war – wenn es dann doch einmal passierte – jedes Lachen wie ein Traum jener Art, von der man sich einen wünscht zu haben, bevor man einschläft. Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet ihm – dem Wegbereiter des Aufstandes, dem Demagogen – so viele schöne Träume zuteil wurden, seit er Sunny kannte. „Guck ma’ schnell, wie ich aussehe!“ Kinder verdienen es, in einer Welt aufzuwachsen, die ebenso schön ist wie ihre Freude. Ohne Gewalt. Ohne Krieg. Ohne einen schlechten König. „Guckst du?“ Kobra. Dieses egoistische Stück Sch…! Just schoben sich zwei kleine Hände vor sein Gesicht, und statt rot sah er nun wieder violett, als die weißen Bügel endlich an ihren Platz zurückkehrten. Violett inklusive wilder Fingerabdrücke. „Woran denkst du?“, hörte er Sunny fragen. „Das würdest du nicht verstehen“, wies er sie knapp ab und stellte fest, wie wenig Lust er empfand, den Mund zu bewegen. Er hatte keine Ahnung, wie weit es noch bis zu ihrem Ziel war. „Dann denkst du bestimmt über Alabasta nach und darüber, wie blöd es allen geht!“, kombinierte sie, stolz auf sich selbst. „Guck nich’ so! Immer, wenn die Großen sagen, wir würden das nich’ verstehen, reden sie darüber!“ Die Kinder mussten lernen, flugs erwachsen zu werden, um ihren verzweifelt arbeitenden Eltern nicht zur Last zu fallen. Es war eine falsche Annahme, sie würden weniger mitbekommen, wenn man sie aus den Gesprächen hielt. "Indem man nicht drüber redet, löst es sich nicht einfach in Luft auf". Er erinnerte sich. „Außerdem bist du doch der Boss von all denen, die für uns kämpfen, oder? Ihr rebellt gegen den König, stimmt’s? Ihr werdet uns retten!“ "Retten"… Wenn es bloß so simpel wäre. „Woher… weißt du das?“ „Mann, da fragst du aber was!“, erwiderte sie geradezu empört. „Das ganze Land spricht doch von dir! Überall reden sie von dem Rebellenprinz Corsa, der uns den Regen wiederbringen wird und alle retten tut! Und dann siehst du ihre Gesichter hell werden, wie wenn sie über Sir Crocodile reden!“ Er hatte nicht gewusst, dass man sich solche Dinge über ihn erzählte. Wenn auch der Vergleich mit Alabastas mysteriösem "Volkshelden", welcher es seit Beginn der katastrophalen Dürre vorzog, sich tief in seiner davon unbetroffenen Kasinostadt Rainbase zu verschanzen, für Corsa eine eher zweifelhafte Ehre war, so führte er ihm doch anschaulich vor Augen, was für eine Verantwortung ihm oblag. „Findest du den König doof?“ „Ich mag ihn zumindest nicht sehr.“ „Also glaubst du, dass er schuld ist?“ „Wer sollte sonst für all das in Frage kommen?“ „Weiß nich’, aber… ich kann mir nich’ vorstellen, dass er uns so was antut. Dafür hab’ ich ihn einfach viel zu lieb in meiner Erinnerung!“ Der junge Mann seufzte und dachte an seinen Vater, der in Yuba beharrlich die Felder pflügte, während rings um ihn her die Rebellen ihre Waffen wetzten. „Manchmal irrt man sich eben in den Menschen.“ „Du vielleicht, aber ich verirre mich nie! Prinzessin Vivi“ – bei der prompten Erwähnung dieses Namens öffnete Corsa den Mund, als wollte er dem Kind zuvorkommen, stockte jedoch und schloss ihn gleich wieder – „hab’ ich ma’ richtig von Nahem gesehen! Sie hat sich zu mir gehockt – nich’ wie viele Große, so von oben herab – und dann – halt dich fest – hat sie mich angelächelt! Mir war das irgendwie voll peinlich… Aber auf eine schöne Weise! Davon werd’ ich noch meinen Enkeln berichten! Ich vertrau’ ihr!“ Der Prinzessin vertrauen? Ihretwegen, die sie einst so etwas wie seine Sandkastenfreundin gewesen war, zierte die Narbe sein linkes Auge, und er erinnerte sich, ziemlich stolz darauf gewesen zu sein. Selbst heute noch fühlte er sich durch dieses Mal mit der Thronerbin verbunden. Wie ein mystischer Schwur schien es ihn für immer als ihren Beschützer gebrandmarkt zu haben. „Magst du die Prinzessin auch nich’? Gibst du ihr auch Schuld? Hasst du sie etwa?“ Verschwunden war sie – verschwunden während einer Zeit, in der ihr Land sie mehr gebraucht hätte als jemals zuvor. Er hatte sie angeschrien, ihr Vorwürfe und Anklagen gemacht, hatte geheult und sie auf den Knien angefleht, zu bleiben. Sie hätte den Menschen Hoffnung schenken können; auf sie hätten sie gehört. Gemeinsam hätten sie Alabasta retten können. Doch Vivi hatte es vorgezogen, zu gehen. Hasste er sie? Hasste er sie wie seinen Vater und den König? Er war es leid, hassen zu müssen. Er hatte keine Kraft mehr dazu… Sunny ordnete sein Schweigen natürlich vollkommen falsch ein: „Wusst’ ich’s doch!“ Hätte er in ihre übliche Engelsmiene schauen können, so wäre er verblüfft gewesen über das verwegene Grinsen, welches ihn dort erwartet hätte. „HERR CORSA IST VOLL IN DIE PRINZESSIN VERKNAAHAAALLT!!!“ Ein Ei in der Pfanne auf einem der Sonne gnadenlos ausgesetzten Stein hier mitten in der Wüste hätte nicht heißer werden können als ihm augenblicklich, und zum ersten und einzigen Mal an diesem Tag war er dankbar dafür, dass sie noch meilenweit von jedem bewohnten Gebiet entfernt waren. „Ähhh…“ Nicht einmal die Sandora-Echsen hatten sein Herz solcher Turbulenz ausgesetzt! „Wir waren gute Freunde. Das ist alles.“ „DU LÜÜHÜÜÜGST! Du bist ganz rot!“ „Wegen der Hitze. Es… es ist ungewöhnlich… heiß…“ „"Ungewöhnlich"? Ha! Du versprichst dich bereits in Widersprüche!“ „I-ich…?“ „Außerdem schwitzt du ja nich’ ma’!“ Seine Beine knickten ein, und er landete auf dem Knie. Sofort änderte sich Sunnys Stimmung: „Ist alles gut?“ Auf dem Rücken ihres Trägers nahm sie jedes geringe Zittern wahr, das durch seinen Körper ging, während er sich wieder in die Höhe rang. „Ja… Geht schon wieder.“ Das Gesicht des Mädchens erstarrte in seiner Sorge. Vier Schritte weiter stockte er vor Schmerz, blieb jedoch oben. „Bin ich zu schwer? Soll ich runter?“ „Nein!“, fuhr er es an, offenbar viel grober als beabsichtigt, denn schon in der nächsten Sekunde besann er sich. „Nein. Ist schon okay.“ Sunny traute sich nicht, offen auf ihrem Zweifel zu bestehen. Tatsächlich passte sich die Regelmäßigkeit seines Ganges bald wieder dem Vertrauten an. Sie bemerkte ihm gegenüber eine innige Dankbarkeit, als ihr bewusst wurde, was er für sie auf sich nahm. Eine Dankbarkeit, die von solcher Ehrlichkeit und Tiefe war, dass Sunny sich gegenwärtig nichts lieber wünschte, als sich angemessen erkenntlich zeigen zu können, wie es Worte allein nicht vermochten. Nur: Wie? Sie besaß nichts, um ihn zu bezahlen; sie konnte ihm nichts schenken. Was sollte sie tun? „Gar nichts“, sagte er schlicht, vor dem Hintergrund einer obskuren Nacht. „Gar nichts?“, wiederholte sie mutlos. Gewickelt in Wolldecke und seinen Mantel kauerte sie dennoch bibbernd vor dem kleinen Lagerfeuer. Ihre eigene Stimme kratzte ihr im Hals. „Jeder Mensch hätte das getan“, erklärte er sich ihr in einem Tonfall, der sie an Langeweile erinnerte. „Stimmt ja gar nich’!“, widersprach sie ihm strikt. „Du tust ja gerade so, als hätt’ ich dich gebeten, mir was vom Kiosk mitzubringen oder so!“ „Hast du keinen Hunger?“ Er nickte dem Brot zu, das vor ihr lag. „Nich’ wirklich.“ Eine Antwort, die seine Sorge bestärkte. Jedes Verneinen, jedes Ablehnen stellte ein bekümmerndes Indiz ihrer zunehmenden Schwäche dar. In den vergangenen Stunden hatte sich ihr Zustand sichtbar verschlechtert. Seine Machtlosigkeit, etwas dagegen unternehmen zu können, ließ ihn sich erbärmlich fühlen. Das Feuer zwischen ihnen züngelte in die Luft, als könnte es davon gar nicht genug bekommen, wackelte im schneidenden Wind und warf ein ruheloses Schattenspiel auf die zerbrochenen Wandstümpfe eines ehemaligen Tempels, an denen die Reisenden sich niedergelassen hatten. In seiner Sprache aus Knisterlauten erzählte es Geschichten über andere Wanderer, die es bisher begleitet hatte, obzwar keiner der beiden Zuhörer sie verstehen konnte. Den dichten, grauen Rauch, welchen es dabei ausstieß, verleibte sich ab einer unbestimmten Höhe der sternenklare Himmel scheinbar ein. Es war nicht still, aber ruhig. Allein Corsas gepresstes Atmen fügte sich nicht in die beschwichtigende Kulisse. Das fiel Sunny nun auf. Beklommen sah sie in das fahle Gesicht ihres Retters. „Herr Corsa?“ „Hm?“ Endlich regten sich die Pupillen hinter den dunklen Gläsern, fanden langsam zu den ihren. In diesem Moment fasste sie nach der Wasserflasche neben sich, hob und schüttelte sie vor seinen verstehenden Augen. Beide lauschten dem munter glucksenden Schwall, der inzwischen viel Raum in dem Zinnbehälter zum Wippen hatte. Es war höchste Zeit, Nanohana zu erreichen. „Ein Schluck ist noch drin“, murmelte Sunny. „Nimm ihn zu dir, wenn du durstig bist“, gestattete er ihr, obschon dem nächsten Mal mit Unbehagen entgegensehend, sobald sie fragen, aber er ihr nichts mehr würde anbieten können. „Und du?“, wollte sie da wissen. „Du hast doch die ganze Zeit nichts getrunken; ich hab’s genau gesehen!“ Mit schimmernden Augen senkte sie den Kopf. „Oder eben… nich’ gesehen…“ Sie hatte Recht: Er hatte es tatsächlich nicht getan. Er hatte sich so entschieden, um ihr zu helfen. In ihrem dicken Kokon aus Stoff robbte sie um die Feuerstelle zu ihm her. Um ihr zu helfen… Doch da er jetzt darüber nachdachte… Kleine Hände tasteten nach seinem ausgestreckten Bein, dessen Muskeln vor Flüssigkeitsmangel bereits steif waren, zogen ihre Besitzerin näher an ihn, bis ihre weichen Fingerkuppen die trockene Haut seiner Wange berühren konnten. Wie hilfreich wäre es für sie, wenn er nicht mehr weiter könnte? Wenn er bewusstlos werden… und vielleicht nicht wieder aufwachen würde? An seiner Seite machte sie sich klein, vergrub die runden Fäuste und ihr Gesicht in sein Hemd. „Tut mir Leid!“, schluchzte sie unerwartet. „Es tut mir so Leid! Ich wusste ja, dass es egoistisch von mir ist! Ich hab’ nur an mich gedacht, aber…“ Ihr Griff festigte sich. „…ich wollte doch nich’, dass du deswegen stirbst! Oder dein Pferd…! Nein, das hab’ ich alles niemals beabsichtigt! Bitte, Herr Corsa: Du musst mir das glauben!“ Die Schluchzer durchzuckten ihren wehrlosen Leib. „Bitte bleib bei mir!“ Eine Hand an ihrem nassen Antlitz ließ sie innehalten. Erschrocken sah sie auf, als sie die beinahe sanfte Berührung eines Mannes spürte, der getötet hatte. Sie sah in die Augen eines Mörders und erkannte Lebensermüdung und Resignation. Die Flasche wurde an ihre vor Erstaunen geöffneten Lippen geführt. „Du bist müde“, sprach er ruhig, aber restriktiv. „Trink und ruhe dich aus.“ Der Autorität seiner dunklen Stimme hatte sie nichts entgegenzusetzen. Regelrecht willenlos schluckte sie das Wasser, ohne den Blick von ihm zu wenden. Und dann, als sie schätzte, ungefähr die Hälfte getrunken zu haben, hob sie ihren Zeigefinger und drückte mit diesem die Flasche von sich fort. „Und jetz’ du.“ Er zögerte. Doch Sunny duldete keine Ausflucht: Sie streckte sich, umklammerte jene Hand, die die Flasche hielt, und schob sie zu seinem Mund. „Lass uns teilen“, schlug sie mit halb erstickter Stimme vor – lächelnd, während die Tränen noch in ihren hellgrünen Augen glänzten. Sie sah verzweifelt aus, glitt jedoch in sichtliche Zufriedenheit, als er endlich nachgab. Corsa seufzte auf, warf die nun leere Flasche zur Seite, ehe er den Kopf gegen die Wand hinter sich fallen ließ und allmählich an ihr niederrutschte. Das kontinuierliche Ziehen an seinem Schal verhinderte, dass er sofort wegdriftete. „Kann ich heute bei dir schlafen?“, flüsterte jemand. „Darüber will ich jetz’ nich’ mehr diskutier’n…“, erwiderte er undeutlich, ohne seine Lider noch einmal nach oben zu bemühen, legte einen Arm um ihren Rücken und zog sie an sich. „Danke… Ich hab’ dich lieb…“ Er hörte es bereits nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)