Alabasta no Suna Oasis von Phantom (アラバスタの砂·オアシス) ================================================================================ Prolog: Sunny ------------- Sunny. So hatte Kebi es genannt, da sie seinen wahren Namen nicht kannten. Ein kleines Mädchen unter einem braunen Schopf, dessen wiesengrüne Augen überrascht aus dem Schatten eines zerfallenen Hauses lugten. Blass, in einem glaukblauen Pyjama, saß es mutterseelenallein in dieser toten Siedlung, die mittlerweile ebenfalls zum Opfer der großen Dürrekatastrophe geworden war. Die Rebellen waren von ihrem derzeitigen Hauptquartier hergekommen, um sich ein Bild von der Verwüstung zu machen und gegebenenfalls Brauchbares aufzulesen, das die ehemaligen Bewohner in ihrer Hast zurückgelassen hatten. Kebi bemerkte es als Erster. Nach anfänglichem Erstaunen, welches sich in einem langen, starren Erwidern des grünen Blickes aus dem Schatten äußerte, rief er Corsa heran, der sich in der Nähe mit Erik über ein paar Werkzeuge für die Feldbestellung gekniet hatte: „Leader, komm mal her und sieh dir das an! Du wirst es mir sonst nicht glauben!“ Der sandblonde Rebellenanführer, von Gewissen "Leader" genannt, trat mit gemächlichen Schritten näher an den Grund für Kebis Aufregung und warf mit seinem langen Mantel einen Schatten auf die kleine Gestalt, der tiefer und bedrohlicher war als jener der schützenden Ruine. Dort, wo sie seine Augen zu erkennen suchte, machte eine violett gefärbte Brille ihn ihr nur noch unheimlicher. Quer über seinen Rücken ruhte ein beeindruckendes Schwert, wie sie ein solches noch nie gesehen hatte. Ungeachtet des ariden Klimas wurde ihr kalt. „Wo sind deine Eltern?“, sprach er in einem Ton, als hätte seine Stimme Wärme und Zuneigung niemals kennengelernt. Sie war nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. „Ich sag’ mal Okame Bescheid, die soll sich um sie kümmern“, teilte der andere ihm mit. „Tu das, und sucht nach weiteren Überlebenden. Vielleicht sind ihre Eltern in der Nähe.“ „Dann hätten sie sich doch längst gezeigt! Sie konnten nicht wissen, dass wir Rebellen sind.“ „Aber sie könnten unsere Waffen gesehen haben“, hielt ihm der Blonde vor Augen, ohne die finsteren Gläser von ihr abzuwenden. „Nein.“ Nun starrte auch der mit der Fliegerbrille sie wieder an. Und zwar so, als hätte er eine Sandora-Echse "Guten Tag, mein werter Herr" sagen hören. „Sie sind nicht hier?“, fragte Corsa mit einer Spur von Verwunderung nach. „Wo dann?“ „Weg“, antwortete das Mädchen. „Wo ist "weg"?“, hakte Kebi nach. „…Nanohana“, sagte es schlicht. Nanohana, die Hafenstadt im Süden Alabastas. Ihre günstige Lage am Meer verschonte sie bisher von dem Unglück, das fast das gesamte Königreich heimsuchte. Kebi plusterte die Wangen auf. „Das ist wirklich "weg". Weit weg.“ „Wir nehmen sie erst mal mit“, beschloss Corsa. „Dann sehen wir weiter.“ Das Kind fixierte ihn schockiert, öffnete den Mund, schaffte es jedoch nicht, seinen Widerwillen in Worte zu wandeln, denn kaum dass Kebi es umfasste, übermannte es die Erschöpfung und eine sanfte Ohnmacht. Die Nacht spannte ihr tintenblaues Zelt über den Wüstenstaat und verscheuchte allmählich die Hitze des Tages, als Corsa sich von den anderen absetzte, die um ein großes Lagerfeuer hockend versuchten, die unerbittliche Kälte noch eine Weile auf Abstand zu halten. Trübsal und Ratlosigkeit beherrschten die Gedanken derer, die ihm vertrauten, und niemand hier sprach ein einziges Wort. Über einen Haufen Schutt hinweg erreichte er das Innere jener Hütte, in der sie die Kleine untergebracht hatten. Als er im Dämmerlicht einer Lampe Okames skeptischen Blick registrierte, wusste er nicht mehr, ob er wo hatte ankommen wollen oder vor etwas geflüchtet war. „Wie geht es ihr?“ „Unverändert“, berichtete sie ihm ernst. „Sieh sie dir an: Sie hat kaum Farbe und holt schwer Luft. Das warme Wasser, das wir haben, kann sie nicht kühlen. Ich brauch’ kein großes medizinisches Fachwissen, um zu sehen, dass sie dem Tod näher ist als dem Leben. Keine Ahnung, ob sie’s schaffen wird.“ Er nickte. „Geh zu den anderen und wärme dich am Feuer auf. Ich bleibe bei ihr.“ Sie setzte sich in Bewegung, doch neben ihm blieb sie stehen. Ohne einander anzuschauen, legte sie ihm eine Hand auf die Schulter. „Gib dir nicht die Schuld. Dein Entschluss hat die Rebellion nicht begonnen. Er hat sie organisiert und ihr ein gemeinsames Ziel gegeben. Du machst das Beste aus einer Scheißsituation. Wir vertrauen nach wie vor auf dich, aber wir erwarten nichts von dir, was wir selbst nicht können.“ „Danke“, erwiderte er trocken. Nachdem Okame das Zimmer verlassen hatte, tauchte der Yubaner den Lappen in die Wasserschüssel. Die Feuchtigkeit auf ihrer Stirn ließ die Kleine stöhnen, den Kopf hin- und herbewegen. Ein heiseres „Mama“ glitt über ihre Lippen, und er schämte sich dafür, der Einzige zu sein, der bei ihr war und ihr seine Hand anbieten konnte. Als sich seine behandschuhten Finger zögernd um die ihren geschlossen hatten, öffnete sie die Augen. Der Ausdruck der Enttäuschung in selbigen, da sie ihn erkannte, traf ihn. Er verspürte den Drang, den Blick abzuwenden, was für jemanden, der den alabastanischen König rücksichtslos kritisiert und beschuldigt hatte, ungewöhnlich war. Er wollte die Hand zurückziehen, doch sie hielt sie fest. „Ist schon okay“, beschwichtigte sie ihn, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Wenn du meine Hand trotzdem hältst.“ Er setzte sich neben das Bett auf einen Stuhl und kam seinem Teil dieser Abmachung nach. „Bringst du mich zu meiner Mama?“ Zu spät ertappte er sich dabei, wie er zaghaft nickte. Er wollte sie nicht belügen, ihr keine falsche Hoffnung machen. Aber genauso wenig wollte er diesem kranken Kind den letzten Mut nehmen. Auch ihre zweite Hand fand zu seiner und umklammerte sie. Er blickte zu ihr und in zwei Augen, die nicht mehr nur wegen des Fiebers glänzten. „Jetz’ gleich?“ „Die anderen waren lange unterwegs und brauchen eine Pause. Außerdem bist du krank und solltest dich bis morgen schonen.“ „Und was ist, wenn ich morgen schon tot bin, wenn du aufwachst?“, protestierte sie. „Was, wenn ich, sobald ich die Augen zumach’, sie nie wieder öffnen werde?“ Er verzog keine Miene. Und dann war sie es, die ihre Hände zurückzog. „Du sagst, du würdest mich zu meinen Eltern bringen, aber in deinem Kopf hast du mich doch nur angelogen! Morgen bin ich euch sowieso egal! Morgen bin ich eh tot, also warum…?!“ „Nimm dieses verdammte Wort nicht mehr in den Mund!“, fuhr er sie unvermittelt an. „Indem man nich’ drüber redet, löst es sich nich’ einfach so in die Luft auf!“, konterte sie, doch mit den Tränen eines Kindes in den Augen, das Angst davor hat, die Wut eines Erwachsenen auf sich zu ziehen. Sie waren es, die ihn daran erinnerten, dass er es hier nicht mit König Kobra zu tun hatte. „Es macht gar kein’n Sinn, einen, der sterben wird, noch wo hinzubringen…“ Ihre Finger ballten sich zu kleinen Fäusten. „Denn… denn wenn er stirbt, dann bringt ihm… bringt ihm das ja auch nichts mehr. Aber…“ Sie schluchzte ungehalten. „…aber ist das denn wirklich so böse von mir, nur weil ich nich’ schon wie tot behandelt werden will, bevor ich es wirklich bin?!“ Corsa ließ sie weinen. Ein Pferd wieherte in die alles neutral beobachtende Nacht. Der Wind nahm zu, rauschte durch den Eingang und ließ die Flamme der Lampe tanzen. Die braunen Schatten wackelten an den orange getönten Wänden. Staub und Steine rieselten von der Decke und landeten weich im Sand, den der letzte und vernichtende Sturm bis in die Häuser geschleudert hatte. Unbeeindruckt von der Brise behielt er seine kleinen Dünen bei, als ob nichts jemals in der Lage sein würde, den überschüssigen Sand wieder aus diesem Dorf zu vertreiben. „Also gut“, gab Corsa schließlich nach. Als hielte sie selbst ihre Bitte für vollkommen abwegig, starrte sie ihn an. Während er im bleichen Schein des Mondes sein Pferd sattelte, erwischte ihn Kebi. Den Ernst in seinen Zügen nicht gleich zur Kenntnis nehmend, gähnte sein Freund ausgiebig. „Wo zum Teufel willst du jetzt noch hin, Leader?“ „Nach Nanohana“, antwortete er entschieden, ohne in seinem Tun innezuhalten. Sofort war Kebi hellwach. „Nanohana?! Was willst du dort?“ Corsa brauchte nichts zu sagen, damit er nach wenigen Sekunden eine unangenehme Vorahnung entwickelte: „Doch… doch nicht etwa Sunny zurückbringen?“ „Genau das“, bestätigte er sie hart. „Ich werde nach Nanohana reiten und sie ihren Eltern übergeben. Wartet nicht auf mich. Morgen früh brecht ihr auf und kehrt nach Yuba zurück. Wir treffen uns dort.“ „Aber…! Leader! Du kannst doch nicht allein…!“ Er befestigte die Zügel. „Mit dem Pferd ist der Weg nicht so lang. Während meiner Abwesenheit hast du das Kommando. Enttäusch mich nicht.“ „Hör mir doch mal zu!“ Er langte nach seinem Arm, doch der Rebellenanführer schüttelte ihn mühelos ab. „Tu, was ich dir sage. Ich werde gehen, und niemand wird mich davon abhalten, verstanden? Niemand. Ende der Diskussion.“ Er sprach nicht sehr laut. Corsa musste nicht laut sprechen, um die Menschen zu überzeugen. Er hatte diese spezielle Art an sich, andere im Innersten zu berühren. Deshalb folgten ihm die Aufständischen dieses Landes. Deshalb konnte auch Kebi jetzt nichts weiter unternehmen, als seinem Chef und Freund bestürzt nachzuschauen. Aber er kannte Corsa seit einem Jahrzehnt, und die Erfahrung ließ ihn darauf vertrauen, dass er tatsächlich zurückkehren würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)