Mein Tischnachbar ist ein Idiot! von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Die folgenden drei Monate trafen sich die beiden jeden Samstag zum Lernen und mit Tobis unfreiwilliger Hilfe erhielt Johannes endlich eine drei in Englisch im Halbjahreszeugnis. Sogar sein Lehrer wunderte sich darüber, da Johannes es bisher nur auf eine vier mit einem netten Plus gebracht hatte, aber das sah man leider nicht. Außerdem hatte Tobi einen neuen Rekord gebrochen: Er hatte weder einen neuen Typen angeschleppt – ging bei dauerhaftem Hausarrest auch schlecht – noch Johannes misshandelt. Für seine kleineren oder größeren Aggressionsanfälle musste nun seine Zimmereinrichtung hinhalten oder manchmal etwas ältere Teller und Tassen. Allerdings nur, wenn sich seine Eltern nicht im Haus aufhielten. „Müssen wir noch weiterlernen? Ich glaub, ich habs jetzt verstanden.“ Johannes legte den Bleistift zur Seite und streckte sich ausgiebig. Das nächste Mal sollte er nicht erst um halb vier ins Bett gehen, selbst wenn der Film noch so spannend war. Na gut, eigentlich hatte er ihn wegen der Hauptdarstellerin angesehen. „Wenn du meinst, dass du es kannst. Dann kannst du mir jetzt beim Zimmer aufräumen helfen.“ Auffordernd piekte Tobi ihn mit einem Geodreieck in die Seite. In den letzten Wochen hatten sie es geschafft, einigermaßen normal miteinander umzugehen. Zwar stritten sie sich öfters und würden eher in den Sommerferien in die Schule gehen als sich als Freunde zu bezeichnen, doch im Großen und Ganzen hielten sie es zusammen aus. „Nein, lass mal, darauf hab ich keine Lust.“ War er Tobis persönliche Putzfrau? Wenn der Junge keine Ordnung halten wollte, brauchte er nicht zu erwarten, dass andere Leute hinter ihm her putzen. „Blödmann, wir haben sowieso nichts Besseres zu tun. Außer ich penn noch eine Runde oder futter den Kühlschrank leer.“ Johannes traute es Tobi auch zu, dass dieser einschlief und ihn hier sich langweilen lassen würde, aber Schlafen klang echt gut. „Okay, dann schlafen wir halt.“ Bevor er allerdings das Bett belagern konnte, wurde er festgehalten und zurückgezogen. „Mit den Klamotten legst du dich höchstens auf den Boden, aber nicht in mein Bett.“ „Soll ich mich ausziehen, damit deine Schwester den Schock ihres Lebens bekommt und wieder denkt, wir hätten was miteinander?“ Das konnte nicht Tobis Ernst sein. „Ich kann dir auch was leihen, aber Straßenklamotten gehören nicht in mein Bett“, bestimmte der Eigentümer des Betts, kramte aus seinem Schrank ein paar Anziehsachen heraus und hielt sie Johannes hin. „Wenn sie dir nicht passen, hast du Pech gehabt, hier gibt’s nichts in XXL.“ „Danke, aber L reicht völlig.“ Freundlich wie immer, dabei regte sich Tobi immer tierisch auf, wenn man ihn auf seine Größe ansprach, aber anderen Leuten einreden, sie seien dick. Komplexekind. Fünf Minuten später hatte Johannes sich umgezogen und musterte mit leichtem Entsetzen das seltsam lilafarbene Oberteil. Musste Tobi ihm solche geschmacklose Sachen andrehen? Bestimmt gab es sonst kein T-Shirt in seinem Schrank, das so bescheuert aussah. „Hast du ein Problem damit?“, fragte Tobi mit einem gefährlichen Unterton. „Du kannst Sarah bitten, dir was anderes von ihr zu geben.“ „Nein, das wird mir noch weniger passen, aber eine schlimmere Farbe hat es sicher nicht.“ Johannes legte seine Brille auf den Schreibtisch und verkroch sich in Tobis Bett; sofort wurde er müde und schloss die Augen. „He, mach dich nicht so fett, ich muss auch noch hin“, nörgelte Tobi, schob ihn unsanft zur Seite und machte sich dafür umso breiter. Fast bekam Johannes einen Arm ins Gesicht geschlagen und der Anteil der Decke verringerte sich plötzlich auf ein Viertel. Na toll. „Tobi, du bist nicht allein auf dieser Welt.“ Schlimm wärs. „Aber es ist mein Bett.“ „Das du im Moment mit mir teilst, also lass mir auch ein bisschen Platz.“ Der Junge verhielt sich wie ein klischeehaftes Einzelkind, dabei hatte er eine jüngere Schwester. Unter leisem Protest ließ Tobi es zu, sodass Johannes schon nach kurzer Zeit einschlief und nicht bemerkte, wie ihm jemand die Decke klaute. „Johannes, ich hab... oh!“ Eigentlich hatte Sarah den beiden einen Teller mit Schokoladenplätzchen vorbeibringen wollen, aber als sie die Situation bewusst wahrnahm, fiel ihr vor Überraschung das Essen aus den Händen und verteilte sich auf dem Fußboden. Wollten die beiden sie reinlegen? Statt wie sonst am Schreibtisch zu sitzen und zu lernen oder sich zu ärgern schlummerten sie munter vor sich hin und ihr Bruder hatte Johannes ganz dreist als Kopfkissen benutzt, weil dieses auf dem Boden gelandet war. Verpennt richtete Johannes sich ein Stück auf. „Hm, was ist denn... äh, hi Sarah.“ Warum kamen Geschwister immer dann ins Zimmer, wenn es gerade am Unpraktischsten war? Dummes Naturgesetz. „Ich geh mal wieder.“ So schnell wie sie gekommen war verschwand sie auch. „Klasse Timing“, grummelte Johannes noch müde und bemerkte etwas Schweres auf seinem Oberkörper, das keine Anstalten machte, von ihm herunterzugehen. „Tobi, was auch immer das werden soll, lass es sein.“ „Klappe, ich will schlafen, bleib liegen.“ Besitzergreifend krallte sich Tobi in Johannes‘ Oberteil und hinderte ihn dadurch an weiteren Bewegungen. „Man, Pfoten weg!“ Seitdem Tobi ihn nicht mehr offiziell schlagen durfte, entwickelte er neue Techniken, um ihn zu terrorisieren: Er rückte ihm regelmäßig so sehr auf die Pelle, dass Johannes sich ziemlich belagert fühlte. So wie im Moment. „Gelitten, du bist jetzt mein Kissenersatz“, bestimmte Tobi. „Ich muss aber gleich nach Hause und außerdem bist du nicht so leicht wie du aussiehst. Also lass mich bitte los.“ Sonst gabs Ärger. „Ja ja, nerv doch.“ Trotzdem rollte er sich von Johannes herunter und machte ihm Platz, sodass dieser aus dem Bett klettern und sich anziehen konnte. Als Johannes zuhause ankam, wartete schon Tanja auf ihn, die aus Langweile sich zum dauerfernsehenden Kevin auf die Couch gepflanzt hatte und sich fragte, wie man freiwillig längere Zeit schon einen Schrott ansehen wollte. „Hi Johannes, wie wars bei deinem 'Fan'?“ „Ging so.“ Was erwartete sie denn? „Habt ihr schön Englisch gelernt?“ Sie grinste ihn an. „Nicht wirklich.“ Höchstens eine halbe Stunde, dann hatten sie ihre Schlafstunde eingelegt. „Und was habt ihr unwirklich gemacht?“ „Willst du nicht wissen.“ Tanja bekäme sicher einen kleineSchreianfall. „Jetzt erst recht, aber wenn du es nicht sagen willst...“, sie legte eine dramatische Pause ein, „...frag ich dich nur, ob du mit mir nächsten Freitag auf eine Party gehen willst.“ „Wieso sollte ich?“ Partys gehörten zu den Dingen auf der Welt, die ihn gar nicht interessierten. Was sollte toll daran sein, saufende Leute um sich herum zu beobachten und dumme Musik zu hören? Da blieb er lieber zu hause und lernte Mathe. „Weil du unbedingt mal unter Lete gehen sollst. Du hängst fast ständig in deinem Zimmer herum. Außerdem glaubt deine Schwester, dass du dort endlich die Frau fürs Leben finden könntest.“ „Auf was für blöde Ideen kommt Vera eigentlich noch?“, beschwerte sich Johannes. „Sie kann mich doch nicht mit irgendjemandem zwangsverkuppeln.“ „Mann, komm mit, allein hab ich keinen Bock da hinzugehen. Und Kevin nehmen wir auch gleich mit.“ „Vergesst es, ich hab Besseres in meiner Freizeit zu tun“, lehnte Johannes‘ Bruder ab und konzentrierte sich dann wieder auf den Bildschirm. „Ich kenne da eh keinen.“ „Doch, Johannes und mich. Und bestimmt wirst du noch ein paar Leute kennen lernen.“ „Trotzdem, kein Interesse.“ „Das werden wir ja sehen.“ Tanjas Gesichtsausdruck verriet nichts Gutes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)