Mein Tischnachbar ist ein Idiot! von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Die genaue Inspektion des Möchtegernbriefs ergab, dass er wahrscheinlich von jemandem persönlich in den Briefkasten gelegt worden war, denn es fehlten Anschrift, Umschlag und Briefmarke. Für umsonst machte die Post schließlich auch nichts. Der Inhalt verwirrte Johannes allerdings. Erstens konnte er nicht alles gut lesen, weil derjenige ziemlich mit seinem Füller geschmiert hatte und zweitens klang es merkwürdig. Denn irgendjemand hatte eine Art Entschuldigung für Tobi geschrieben. Was sollte das werden? Hatte dieser das Schreiben neu gelernt? Oder einfach keinen Bock gehabt es selbst zu schreiben? Interessante Fragen, die Johannes gerne beantwortet hätte, aber wie? Bei Tobi anrufen? Geldverschwendung. Zu Tobi gehen und nachfragen? Zeitverschwendung. Also würde er ihn morgen in der Schule danach fragen, falls seine Mutter ihn gehen ließe, was aber kein Problem werden würde, da er sich relativ wiederhergestellt fühlte. Außer das Rätsel klärte sich innerhalb es Nachmittags, dann hatte Johannes keinen Grund mehr Tobi damit auf die Nerven zu gehen und sich zu wundern. Aus diesem Gedanke wurde nichts, da sich Herr Schlägertyp im Laufe der nächsten Stunden weder blicken oder hören ließ. Auch nicht schlimm. Trotz einiger Restbedenken schickte Johannes’ Mutter ihren Sohn am nächsten Tag in die Schule, erklärte aber zuvor stundenlang, dass er sich bei einem erneuten „Tobiausraster“ wehren musste, egal wie. Mechanisch nickte Johannes – eigentlich hörte er nicht einmal zu – und verabschiedete sich um sich auf den weg zu machen. Seine Mutter sollte wirklich einen Orden im Teenagernerven erhalten und zwar sofort. „Was sollte das gestern sein?“, fragte Johannes, als er sich neben seinen noch halbschlafenden Tischnachbarn hockte und ihm das inzwischen zerknüllte Zettelchen unter die Nase hielt. „Kannst du dich nicht auf normalem Weg mit mir unterhalten?“ „Was ist dein Problem?“, grummelte Tobi und riss ihm das Papier aus der Hand. „Ich hab gar nichts gemacht.“ Für gar nichts sah der verkorkste Brief allerdings höchst real aus, mysteriös. „Das kannst du deiner Oma erzählen und diese komische Entschuldigung erst Recht.“ Wollte Tobi ihn schon am frühen Morgen reinlegen, sozusagen als kleine Rache für den Ärger gestern? Das lief aber nicht besonders glaubwürdig ab. Nach mehrmaligem Lesens des Zettels verfinsterte sich ohne Vorwarnung Tobis Blick und Johannes rutschte rein provisorisch von ihm weg. „Dieses dumme kleine Kind, was denkt die sich eigentlich?“ „Wer denkt sich was?“, fragte der Überbringer der anscheinend sehr aufschlussreichen Nachricht überrascht. „Das hast du doch geschrieben, gibs zu. Auch wenns ziemlich unleserlich aussieht.“ „Nein, hab ich nicht“, fauchte Tobi, sprang plötzlich auf und stapfte mit einer furchteinflössenden Aura aus dem Saal. „Was ist denn mit dem los?“ Wie aus dem Nichts stand Tanja hinter Johannes, der vor Schreck zusammenzuckte. „Hast ihn ihm wieder geärgert, unser kleines sensibles Nervobjekt? Das kannst du doch nicht einfach machen!“ „Eigentlich nicht, ich hab ihm nur eine Nachricht gezeigt“, verteidigte sich Johannes gleich, „ die gestern in unserem Briefkasten lag und eigentlich von ihm sein müsste. Aber sie ist es gar nicht.“ „Naja, wahrscheinlich lässt er seine Aggressionen deshalb jetzt an jemand anderem aus statt an dir“, meinte Tanja grinsend. „Freu dich also.“ Wieso sollte er sich freuen? Nur weil er im Moment verschont wurde, hieß das nicht gleich für immer. Kurz nach Anfang des Unterrichts kehrte Tobi zurück – er sah noch genauso wütend wie vorher aus – und erhielt dafür eine Ermahnung, was ihm sichtlich am Arsch vorbeiging. Aus Selbstschutzgründen fragte Johannes ihn auch nicht nach dem Grund, er vermutete ohnehin etwas. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)