Zum Inhalt der Seite

Green Eyes

Eine One Shot-Sammlung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Abgründe

Ein schummriges Licht erhellte die düstere Kerkerwand, an der, gefesselt mit schweren Eisenketten, ein menschliches Wesen hing. Es bewegte sich kaum, doch das laute, ungleichmäßige Atmen verriet Regulus, dass es nicht tot war. Der Geruch von Angst lag in der Luft. Nicht das Regulus wirklich wusste, wie Angst roch, aber den Erzählungen seines Vaters nach, war es eben dieser Gestank nach Exkrementen und Schweiß. Am liebsten wäre er sofort umgedreht, doch er ahnte, dass er das nicht machen konnte.

Stolz hatte ihn seine Cousine hier her geführt, hatte ihm etwas Wundervolles versprochen, doch der Junge wusste nicht, ob er es wirklich noch sehen wollte. Ängstlich blickte er sich zu Bellatrix um, in deren dunklen Augen, eine Energie zu sprühen schien, die er noch nie bei ihr gesehen hatte.

"Wollen wir beginnen?" hauchte sie glücklich, während sie den Muggel von oben bis unten betrachtete.

Ihre Stimme triefte vor Hohn, als sie sich an ihr Opfer wendete: "Na, wie ist es in seiner eigenen Scheiße zu stehen? Komm näher Regulus. Sieh dir an wie dieses Schwein sich eingesaut hat. Erbärmlich."

Nur zögernd trat der Junge näher an das unglückliche Geschöpf heran. Irgendwo in seinem Hinterkopf stellte er sich die Frage, was der Muggel, der sicher bereits seit Tagen hier hing und ohne Licht und Nahrung vor sich hin vegetierte, sonst hätte tun sollen, doch er wagte nicht die Frage auszusprechen.

"Es stinkt", murmelte er stattdessen angewidert und entlockte Bellatrix ein wahnsinniges Lachen.

"Ja, das tut es, aber so ist das, wenn man sie sich aufhebt. Frisch sind sie besser. Unverbrauchter. Das wirst du noch lernen."

Regulus nickte. Wollte er das wirklich lernen? Wollte er Menschen derart erniedrigen?

"Das Wichtigste beim Foltern ist", begann seine Cousine gerade, "dem Opfer die Geräte vorher zu zeigen. Die Angst vor dem was kommen wird, wird so unerträglich. Bei jedem Schmerzensschrei wird er ahnen, dass es nur noch besser werden kann!"

Sprühend vor Energie begann sie irgendwelche Dinge zusammen zu suchen. Regulus entsetztes Gesicht hatte sie übersehen. Eigentlich hatte sie ihren Schüler schon ganz vergessen. Foltern war Bellatrix Leidenschaft. Sie konnte Stunden in den düsteren Kerkern verbringen und nahm an, dass es jedem in ihrer Familie genauso gehen müsste, doch Regulus, der stets behütet und umsorgt wurde, war deutlich empfindsamer als seine Cousine. Bereits beim Betreten des Kerkers hatte er eine flaue Übelkeit im Magen gespürt und nun, als er vor dem Opfer stand, seine Angst riechen konnte und das erste Mal in seinem Leben einem Muggel in die Augen sah, begann er sich ernsthaft zu fragen, ob er das Richtige tat.
 

Sirius hatte ihn gefragt mit welchem Recht er über Lebewesen urteile. Hatte ihn so komisch angesehen und langsam fragte sich der Junge ob sein Bruder - der Blutsverräter, der von nichts eine Ahnung hatte - vielleicht sogar Recht gehabt hatte. Vielleicht hätte er doch einen Moment länger zuhören sollen. Hätte ihn den Satz beenden lassen sollen, anstatt an ihm vorbei zu stolzieren und ihm über die Schulter zu zu rufen, dass er ihn nicht in irgendwelchen Gassen abfangen solle. Plötzlich tat es Regulus Leid nicht hingehört zu haben. Doch er wusste, dass es zu spät war. Er würde Sirius nicht finden, selbst wenn er sich, sobald er aus diesem Kerker heraus kam auf die Suche machen würde. Und selbst wenn er ihn ganz wieder erwartend irgendwo in London ausmachen würde - Wieso sollte er ihm zuhören, wo Regulus ihm nicht einmal eine Minute gegeben hatte. Sirius war keine Option mehr. Er wollte und er konnte sich nicht hinter dem Bruder verstecken, den er innerlich so tief verachtete. Während diese Erkenntnis zu ihm durch sickerte, traf ihn bereits die Nächste wie ein Schlag: Er konnte aber auch nicht so werden wie seine Cousine.
 

Zwar hatte er Bellatrix stets geschätzt, doch gerade jetzt, als sie mit einem großen Allzweckmesser vor der Nase des Muggels herum wedelte, war ihm der Glanz in ihren Augen eine Spur zu dunkel. Bellatrix hatte sich verändert und zwar nicht zum Guten. Regulus ahnte, dass es ihr Spaß machte diesen Muggel zu quälen und das sie sich an seinen Schreien erfreute, weil sie ihn leiden lassen wollte - vielleicht für das was die Welt ihr angetan hatte. Was auch immer das auch war, vielleicht auch nur, weil sie völlig verrückt war, aber Regulus wusste, dass er nicht so enden wollte.

Er wollte nicht in irgendwelchen Kerkern stehen und sich über die vergossenen Körperflüssigkeiten eines Menschen freuen, nur um diesen dadurch zu demütigen. Er empfand keinen Spaß dabei, als Bellatrix den wehrlosen Mann mit dem Messer bedrohte, drohend seine Halsschlagader entlang strich und die Spitze vorsichtig über seiner Brust kreisen ließ. Die Angst in den Augen des Mannes brachte ihn höchstens dazu sich seiner Cousine wegen zu schämen, die ihn offensichtlich völlig vergessen hatte. Das hatte er nicht erwartet, als er das dunkle Mal empfangen hatte. Nie hätte er gedacht sich wegen seinen Cousinen schämen zu müssen, die ihn stets so gut behandelt hatten. Kurz erinnerte er sich daran zurück mit ihr und Narcissa Tee getrunken zu haben, als er jünger war. Er erinnerte sich an das Piano, an Feiertage und er spürte, wie ihm wieder übel wurde. Bellatrix hatte Abgründe der menschlichen Seele erreicht, war völlig verrückt geworden. Konnte es wirklich sein, dass ihre Schwester das nicht wusste? Wieso war sie ihr nicht zu Hilfe geeilt, wo es doch offensichtlich war, dass sie einen längeren Aufenthalt auf St. Mungos geschlossener Station benötigte. Hatte sie ihr nicht helfen können? Nein, sie war eine Malfoy. Hätte Narcissa Interesse daran, hätte sie ihrer Schwester St. Mungos kaufen können.
 

Die Schreie des Muggels rissen Regulus aus seinen Gedanken. Bellatrix hatte damit begonnen die Fingernägel ihres Opfers mit einer Zange auszureißen. Beinahe unmenschlich wirkte das Flehen in seinen Ohren, ließ ihn schaudern und der Geruch nach Urin wurde wieder stärker. Regulus spürte, wie sich alles um ihn zu drehen begann.

Er musste hier raus. Sofort!

Ohne ein Wort und ohne einen Blick zurück rannte er zur Treppe. Er fühlte sich verwirrt und ihm war schlecht, schließlich ahnte er bereits, dass diese letzte Erkenntnis nicht nur dem Kerker gegolten hatte.
 

Ende



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)


Noch keine Kommentare



Zurück