A lonely cry for help!
Die letzte Schlacht des Krieges war überstanden. Der dunkle Lord war gefallen. In den folgenden Monaten wünschte sich die Zaubererwelt nichts sehnlicher als Ruhe und Frieden. Doch das Ministerium und viele Freiwillige, waren damit beschäftigt auch den letzten Todesser, die Anhänger von Lord Voldemort, aufzuspüren. Jeder gefasste Todesser wurde gnadenlos verurteilt. Selbst wenn die Beweise ein wenig brüchig waren, wurden Hexen und Zauberer auf unbestimmte Zeit in Gewahrsam genommen, denn das Ministerium wollte nicht noch einmal den gleichen Fehler wie 17 Jahre zuvor begehen. Es waren nunmehr sechs Monate vergangen. Der Herbst hatte Einzug gehalten und zeigte der Welt die prächtigen Farben der Natur.
An einem kalten, regnerischen Abend schritt eine Gestalt durch die Dunkelheit. Sie trug einen schwarzen Umhang, dessen Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Die Schritte zögerlich voreinander setzend, schlich die unbekannte Person von einem Schatten in den nächsten. Im Schein der Straßenlaterne konnte man das Straßenschild lesen. Grimmauldplatz. Kurz hielt die Gestalt inne, der Wind peitschte unerbittlich gegen sie und der Regen prasselte auf sie herab. Jeder Zentimeter der freiliegenden Haut schmerzte förmlich vor Kälte. Und der Regen suchte sich einen Weg durch die Kleidung. Die Person blickte suchend umher, sodass ein Teil des Gesichts zum Vorschein kam. Das markante Kinn deutete auf eine männlicher Person hin. Der Unbekannte schlug die Arme um seinen Oberkörper und zog den Umhang enger um seinen Leib. Er blickte zu dem Haus mit der Nummer zwölf, welches unmittelbar vor ihm lag. Es wirkte düster, wenig einladend. Seufzend ließ der Mann seine Arme wieder an seine Seiten sinken. Einige Sekunden verharrte er mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf in dieser Position, bevor er seine Schultern straffte, noch einmal tief Luft holte und auf das Haus zuging. Verhalten schritt der schwarz gekleidete Mann den Weg zur Haustür entlang. Vor einer großen Holztür kam er zum Stehen, legte seine Hand auf den Türklopfer, der den Kopf eines Gargoyles darstellte, und ließ den Ring gegen den Knopf schlagen. Der Mann ging einige Schritte rückwärts, nicht nur aus Höflichkeit, sondern auch vor Angst. Angst vor der Reaktion des Mannes, der dieses Haus bewohnte, auf sein Erscheinen und die damit verbundene Bitte um Hilfe. Gerade als er den Ort wieder verlassen wollte, öffnete sich die Tür einen Spalt und er konnte das Gesicht des jungen Mannes erkennen. Mit seinem rabenschwarzen Haar und den grünen Augen war dieser unverkennbar. Harry Potter.
Der Unbekannte senkte schnell seinen Blick und legte seine Hände gegeneinander. Nervös begann er seine Finger zu kneten.
„Guten Abend Potter, Entschuldige die späte Störung, doch ich bitte um ein Gespräch“, sprach er schnell aus. Als Harry die Tür ein wenig weiter öffnete, fiel ein Lichtstrahl hinaus, und tauchte den Fremden in warmes Licht. Mit gesenktem Kopf sah er zu Harry und bemerkte wie dieser seine Stirn runzelte und ihn misstrauisch musterte. „Wir gingen sechs Jahre zusammen nach Hogwarts, wenn ich dir hätte etwas antun wollen, so hätte ich es gewiss dort getan“, fügte er hinzu.
„Hogwarts?“, hakte Harry nach und öffnete die Tür vollends. Er blickte links und rechts die Staße entlang, als ob er vermuten würde dort noch weitere Menschen zu entdecken, die dem Fremden gefolgt waren. Anschließen sah er wieder zu dem Fremden, nickte ihm zu und trat einen Schritt zur Seite um ihn hineinzulassen.
Die schwarze Gestalt trat an ihm vorbei in den Flur. Er schüttelte sich ob der nassen Kälte die er verlassen hatte und ließ seinen Blick kurz über das Mobiliar schweifen. Man konnte klar erkennen welchen Stand die Blacks, deren Anwesen an Harry Potter vererbt worden war, in der Zaubererwelt hatten. Vor allem aber war es augenscheinlich mit schwarzmagischen Gegenständen bestückt, was die Haltung der Blacks verdeutlichte. Unweigerlich fragte sich der Unbekannte, warum Harry Potter, Held der Zaubererwelt, ein solches Haus bewohnte, auch wenn er es sein eigen nannte. Das zuschnappen der Türschlosses riss ihn aus seinen Gedanken. Harry beobachtete das Regenwasser, das von dem Fremden aus den Boden floss.
„Wer bist du?“, fragte er schließlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Zögerlich hob der unbekannte Mann seine Hände an die Kapuze und zog sie nach hinten.
„Nott“, sagte Harry, noch bevor sein Gegenüber eine Antwort geben konnte. Zustimmend senkte er seine Lider.
„Ja. Theodore Nott.“ Eine vereinzelte blonde Strähne fiel ihm in die Stirn. Mit zittrigen Fingern strich Theo sie wieder zurück.
„Und was für ein Gespräch sollten wir führen?“, begehrte Harry zu wissen. Dabei kniff er seine Augen zusammen und ließ keinen Zweifel daran, das Theodore nicht willkommen war.
Theodore Nott atmete tief ein. Es hatte ihn schon sehr viel Überwindung gekostet den Weg zum Grimmauldplatz Nr. 12 einzuschlagen, doch es war seine letzte Hoffnung.
„Darf ich?“, fragte er und legte zitternd seine Finger an den obersten Knopf seiner Robe. Aus seinen blauen Augen schaute er bittend zu Harry. Jener ließ seine Arme sinken und nickte ergeben. So streifte Theodore seinen Umhang ab und hängte ihn an die eiserne Garderobe. Die Kleidung unter dem Umhang war durch den Regen schon ganz feucht. Theo spürte die Kälte in seinen Gliedern. Harry deutete mit seiner linken über den Flur und bedeutete dem ungebetenen Gast vorauszugehen. Langsam ging Theo den Flur entlang, spürte die Blicke in seinem Rücken und hielt vor der Tür am Ende des Ganges kurz inne, um sich umzublicken. Ein Nicken sagte ihm das er hindurch schreiten sollte. So öffnete er die Tür und fand sich daraufhin in einem großen, beheiztem Raum wieder. Anscheinend war das Haus auch im Inneren dunkel gehalten. Vor dem angezündetem Kamin lud eine Sitzgruppe ein. Harry hatte seinen Gast nicht aus den Augen gelassen und trat nun an ihm vorbei, auf einen der Sessel zu. Dort angekommen blieb er stehen.
„Setz dich“, forderte Harry mit fester Stimme und ließ sich nieder.
Theodore folgte der Aufforderung und ließ sich ihm gegenüber auf die Couch sinken. Um Harry nicht direkt ansehen zu müssen, ließ er seinen Blick durch den Raum streifen. Wieder legte er seine Hände aneinander, vergrub sie zwischen seinen Knien und knetete nervös seine Finger. Ein Räuspern ließ ihn aufblicken. Harry hatte jede Geste beobachtet, wurde allmählich jedoch ungeduldig.
„Was willst du, Nott?“, fragte er zischend.
Theo atmete tief ein, rief sich selbst in Gedanken zur Ordnung und sah dann seinem Gegenüber direkt in die Augen. Doch dem stechendem Blick aus den grünen Augen konnte er nicht lange standhalten. Seufzend ließ er den Blick wieder sinken.
„Fang endlich an zu reden, bevor ich dich wieder rausschmeiße“, setzte Harry erneut an und schnaubte abfällig ob des sonderbaren Verhaltens des ehemaligen Slytherinschülers.
„Wir standen uns in der Schulzeit nicht besonders nahe...“, begann Theo schließlich fast schüchtern seine Rede.
„Nicht besonders nahe ist gut. Wir kennen uns doch fast gar nicht.“
„Ja, ich weiß. Und als Slytherin habe ich vermutlich nicht den besten Eindruck hinterlassen. Aber auch an mir ist das letzte Schuljahr nicht spurlos vorübergegangen. Du warst nicht da, du weißt nicht wie es auf Hogwarts zuging.“
„Bist du hergekommen um mit mir über die Schulzeit zu sprechen? Komm endlich zum Punkt“, erwiderte Harry auf Theodores Erklärung.
„Okay. Es geht um meine Anhörung vor dem Zaubergamot. Sie denken ich könnte auch ein Todesser sein. Wie du vielleicht weißt, gehörte mein Vater zu den Anhängern des dunklen Lords. Aber ich versichere dir, dass ich nichts mit ihm gemein habe. Also, ich dachte... Ehrlich gesagt...“ Theodore wischte sich die schwitzigen Hände an seiner Hose und ließ seinen Blick unstet über den Boden schweifen.
„Zeig mir deinen linken Arm.“ Harry zeigte zur Bekräftigung seiner Forderung auf besagten Arm und erhob sich aus der sitzenden Position. Langsam zog Theo den Ärmel zurück, entblößte seine nackte Haut und hob den Arm an. Harry umfasste das Handgelenk und zog den Arm näher zu sich. Er drehte ihn ein wenig, nur um sicher zu gehen. Theodore trug nicht das dunkle Mal des Lords.
„Soweit, so gut. Doch vielleicht befand Voldermort es nicht als notwendig dich zu kennzeichnen. Hast du irgendeinen Beweis der für deine Unschuld spricht?“, fragte Harry unberührt weiter, ging vor der Couch, den Blick an Theo geheftet, auf und ab.
„Nein“, erwiderte er tonlos und ließ enttäuscht seinen Kopf sinken. Er legte die Hände vor sein Gesicht und atmete schwer ein und aus.
„Warum sollte ich dir also helfen?“ Harry Stimme zeigte seinen Gemütszustand deutlich. Abermals verschränkte er die Arme vor der Brust und blickte auf seinen Gast hinunter. Dessen Schultern hoben und senkten sich bei jedem Atemzug. Das blonde Haar, noch feucht vom Regen, fiel in langen Strähnen darauf. Als Theodore schließlich aufsah, konnte Harry deutlich die Verzweiflung darin erkennen.
„Du bist meine letzte Hoffnung. Es gibt niemanden der für mich aussagen könnte. Niemand dem man glauben würde, da meine Freunde, oder wie man sie nennen soll, allesamt entweder Kinder von Todessern sind, oder gar selbst zu ihnen gehören. Ich kann dir weder einen Beweis dafür liefern, dass ich nie Todesser war oder werden wollte, noch kann ich dir eine Person nennen die dies bestätigen würde. Aber ich hatte gehofft, dass du versuchen würdest die Wahrheit selbst zu finden. Das du dich nicht daran orientierst was das Zaubergamot sagt. Das du verstehen würdest in welcher Lage ich mich befinde, und das du akzeptieren kannst, dass nur noch dein Wort mich vor Askaban bewahren kann.“ Theodores Stimme war brüchig. Verzweifelt kämpfte er gegen die Tränen an, die ihm in die Augen traten. Doch eine Träne fand ihren Weg seine Wange hinab. Kurz verweilte sie am Kinn des jungen Mannes, bevor sie in seinen Schoß tropfte. Grüne Augen verfolgten ihre Bahn. Harry Potter hatte lange niemanden mehr so niedergeschlagen erlebt. Seine Arme senkte er und stützte sie auf die Lehnen des Sessels, auf den er sich wieder setzten wollte. Mitten in der Bewegung hielt er inne, ging einige Schritte auf Theodore zu und setzte sich zögerlich neben ihn.
„Du wirst mir nicht beweisen können das du kein Todesser bist, warst, sein wirst oder ihre Meinungen und Ansichten nicht teilst. Dein Vater war einer der schlimmsten. Draco Malfoy war einer der jüngsten und ein enger Freund von dir. Doch werde ich versuchen dir zu glauben. Werde versuchen dir eine Chance zu geben. Gib mir nur die Möglichkeit dich besser kennenzulernen, dich einschätzen zu können. Aber vertraue nicht auf mich. Es gibt nichts was ich dir versprechen könnte. Nicht mein uneingeschränktes Vertrauen, oder einen Freispruch. Wenn das Zaubergamot Beweise gegen dich hat, welche mich mehr überzeugen als dein bloßes Wort, so werde ich das Urteil nicht anzweifeln.“
„Danke.“, flüsterte Theodore. Auch wenn Harry ihm nichts versprach, so gaben seine Worte ihm Hoffnung. Wenn er ihm nur eine Chance einräumen wollte, so würde er sie nutzen. Er würde Harry von seiner Unschuld überzeugen. Er würde vielleicht sogar auf einen Freispruch hoffen können.
Harry hatte sich dazu bereit erklärt seine Geschichte zu hören. Der schwarzhaarige bereitete ihnen einen Tee zu, den sie schweigend tranken. Theo spürte die sich sukzessiv ausbreitende Wärme in seinen Gliedern. Er hielt seine Tasse mit beiden Händen fest umschlossen, um soviel Wärme wie möglich daraus zu ziehen. Harry begann zögerlich einige Fragen zu stellen. Daraus entwickelte sich ein Gespräch und nach einiger Zeit waren sie gemeinsam in Erinnerungen an ihre Schulzeit versunken.
„Es ist erst anderthalb Jahre her, dass ich im sechsten Schuljahr war, doch ist seitdem soviel passiert, das es mir wie eine Ewigkeit vorkommt.“, sagte Harry schließlich und seine Augen fixierten dabei die Flammen im Kamin.
„Ich war im siebtem auch dabei, als Snape die Schule geleitet hat und die Carrow Geschwister ihr Unwesen trieben.“ Theos Hände umspielten seine Tasse, auch wenn die Teekanne bereits geleert war und der letzte Schluck des heißen Getränks schon mehr als eine halbe Stunde zurücklag, gab er sie nicht aus der Hand. Es war als ob er sich an dieser kleinen Tasse festhalten musste, als würde er ohne sie nicht weitersprechen können.
„Ehrlich gesagt hätte ich nicht erwartet das es dich so mitgenommen hat.“, erwiderte Harry nachdenklich. Er legte die Hand an sein Kinn und betrachtete seinen Gast.
„Es ist spät. Du solltest jetzt gehen. Am besten wir reden morgen weiter. Ich würde dir zu der Gelegenheit meine Freunde vorstellen.“, sagte er schließlich.
„Deine Freunde vorstellen?“, hakte Theodore verwirrt nach.
„Ja, du hast richtig gehört. Du kennst sie vielleicht von Hogwarts, von Malfoys spöttischen Reden, oder weil ich immer mit ihnen zusammen war, aber du kennst nicht ihr Wesen, ihren Charakter und ihre Ansichten. Ihre Meinung ist mir wichtig und es bedeutet mir viel sie dabei haben zu können.“ Harry sprach mit inbrunst über seine Freunde und ein auf seinen Lippen lag ein Lächeln.
„Ich weiß wer sie sind. Und ich weiß auch alles was Malfoy über sie sagte. Du hast vollkommen recht. Um ehrlich zu sein, sollten wir auch nicht all zulange damit warten uns wiederzusehen. Bis zur Anhörung sind es nur noch drei Tage. Nicht viel Zeit, um jemanden besser kennenzulernen.“, gab Theodore letztendlich zu. Er hatte es bisher vermieden den Termin der Anhörung preiszugeben.
„In drei Tagen also.“, murmelte Harry vor sich hin. Er sprach dabei mehr zu sich selbst und zog nachdenklich seine Augenbrauen zusammen.
„Harry?“ Theodore sprach ihn vorsichtig an, um seine Aufmerksamkeit zurückzuerlangen. „Was ist mit morgen? Soll ich dann wieder hierher kommen?“
„Ja ja. Tu das. Sagen wir gegen 16 Uhr? Vorher habe ich noch einige Dinge zu erledigen. Und außerdem weiß ich nicht wann Ron und Hermine hier sein können.“, erklärte der junge Zauberer und stand auf. Er begleitete seinen Gast zur Tür.
„Danke Harry. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du versuchen möchtest mir zu helfen. Gute Nacht.“, verabschiedete sich Theodore und verschwand in der Dunkelheit.
Theodore erschien die Nacht jetzt weniger furchteinflößend als noch einige Stunden zuvor. Der Regen war versiegt und die Sterne erleuchteten am klaren Himmeszelt seinen Weg. Doch viel wichtiger war die Last, die auf ihm gelegen hatte und durch Harry an Gewicht verloren hatte. Theo fühlte eine neue Hoffnung in sich. Eine Hoffnung darauf, dass die Fehler seiner Vergangenheit, die Fehler seines Vaters, vergessen werden können. Das seine Zukunft nicht in Askaban liegt. Das sein Leben nicht verloren war. Er kehrte zurück in sein Elternhaus. Schon lange nannte er es nicht mehr sein zu Hause. Sein Vater war bereits vor zwei Jahren nach Askaban geschickt worden, nach dem er im Ministerium um die Prophezeiung gekämpft hatte, und bevor Voldemort das Schloß Hogwarts an gegriffen hat. Seitdem lebte er allein mit dem Hauselfen der Familie. Theodore schüttelte die düsteren Gedanken von sich. Er entledigte sich seiner, durch den Regen noch immer klammen, Kleidung. Die Elfe Tipsy hatte ihrem Herren ein Bad eingelassen, in dem er sich wärmen und entspannen konnte. Genüßlich schloß er seine Augen und dachte an den nächsten Tag. An Harry Potter, Hermine Granger und Ronald Weasley. Er fragte sich was ihn bei der Konfrontation mit zwei weiteren ehemaligen Gryffindorschülern erwarten würde. Wie sie reagieren würden und zu welchem Entschluss Harry kommen würde. Müde rieb er sich die Augen, als er sich wieder aufrichtete um aus der Badewanne zu steigen. Tipsy brachte ihrem Herren frische Kleidung und hatte eine Wärmflasche in sein Bett gelegt. Theodore bedankte sich bei ihr und legte sich zur Ruh.