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Des Engels Tagebuch

Rrazpharroth
von

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Widerstand

Es ist Sommer geworden. Ich gehöre zu den besten in meiner Stufe. Aber mich kümmert es nicht. Mich kümmert gar nichts. Es ist Mittagspause. Ich sitze auf dem Schuldach – der Bereich ist normalerweise verboten. Im Schulhof sind die Schüler zu hören. Ich will am liebsten meine Illusion fallen lassen. Ich bin zwar allein aber die Gefahr ist doch zu groß. Der Himmel leuchtet wieder in seinem schönsten Blau. Als ob er genauso froh wäre wie die Menschen. Es ist endlich Sommer. Das sagt der Himmel. Weiße Wolken treiben mit dem Wind. Als ob sie Fangen spielen. Ein Flugzeug zieht einen Kondensstreifen über das Blau. Die Menschen müssen jedes Naturbild zerstören. Ich vermisse den Himmel. Die Freiheit.
 

Es klingelt zum Unterrichtsbeginn. Ich gehe in meine Klasse. Samsas Platz ist leer. Ich setze mich auf meinen. Gabriel schaut mich an:

„Wo warst du denn schon wieder, Zero? Du verschwindest immer ins Nirgendwo und tauchst so ganz plötzlich wieder auf.“

„Ich habe meine Pause genossen.“

„Die kannst du auch mit mir genießen.“ Sie ist gekränkt. Ich kann es gar nicht verstehen.

„Deine Freunde sind immer so laut. Ich brauche meine Ruhe.“ Gabriel schaut mich ungläubig an. Gerade will sie etwas sagen, da tritt der Lehrer in die Klasse. Heute schreiben wir einen Test in Mathematik. Ich werfe einen Blick auf die Aufgaben auf dem Papier. Der Test unterfordert mich. Wir haben zwei Schulstunden. Ich bin in einer halben fertig. Das was so lang dauert, ist das Aufschreiben der endlos langen Rechenwege. Ich lege das Blatt um und träume zum Fenster hinaus.
 

In der zweiten Stunde merke ich wie Gabriels Konzentration nachlässt. Auch die der anderen. Einige sind schon fertig. Andere sehen verzweifelt aus.

Keinem ist aufgefallen, dass Samsa fehlt. Der Lehrer hat es auch nicht erwähnt. Niemand hat nachgefragt. Nicht mal Moktas Freunde. Sie stiften in der Schule keine Unruhe mehr an. Sind zwar frech. Halten sich aber zurück. Man könnte schon sagen es ist langweilig geworden. Samsa schreibt mir regelmäßig Briefe. Ich antworte ihnen. Er geht auf eine Schule am anderen Ende der Stadt. Er ist bei einer freundlichen Pflegefamilie untergekommen. In den Briefen wirkt er fröhlich und selbstbewusst. Es freut mich für ihn, dass sein Leben nun endlich angenehm ist. Aber ich hätte ihn lieber hier. Ich habe ihn sehr lieb gewonnen. Dafür dass ich ihn erst eine Woche kannte.
 

Es klingelt. Der Lehrer bittet uns, die Tests nun unverzüglich abzugeben. Jetzt haben wir wieder Sport. Gabriel und ich gehen zur Sporthalle. Gabriel stöhnt genervt:

„Aaah! Ich hasse Mathe! Ich hab den wohl voll verhauen! Dabei habe ich mit einem Supergenie gelernt…“ Sie ist sichtlich enttäuscht von sich.

„Ich bin mich sicher, dass du besser abgeschnitten hast, als du glaubst.“

„Das sagst du so! Du hast es ja auch verstanden…“

„Hast du meine Erklärungen nicht verstanden?“

„Doch! Aber während dem Test habe ich alles wieder vergessen. Ich war mir nicht mehr sicher was ich wann anwenden musste.“ Sie ist leicht aus dem Konzept zu bringen. Es ist eine Schwäche an ihr, die ich besonders mag. Es macht sie sympathisch.

„Hey, Zero. Morgen sind Sommerferien. Ich habe vor mit Felea, Elmar und Jimbo an den Zeanosee zu fahren. Willst du nicht mitkommen. Ich will dass du dabei bist. Bitte komm mit.“ Sie zwingt mich ja schon dazu…

„Wollt ihr schwimmen?“

„Ja!“

„Ich kann aber nicht schwimmen.“

„Egal. Komm mit! Es gibt kein wenn und aber! Dein Vater soll sich nicht so anstellen!“ Mein Vater…

„Mal sehen ob ich ihn überzeugen kann. Wenn es klappen sollte, freue ich mich schon.“

„Klingt nicht sehr überzeugend…“

„Das tue ich nie. Hast du mal gesagt.“
 

Der Sportunterricht findet im Freien statt. Schwimmunterricht. Unter Wasser zu sein muss ähnlich wie in der Luft sein. Nur ohne Gravitation. Der Lehrer drillt seine Schüler mal wieder. Es sieht aus als ringe jeder Einzelne um sein Leben. Grausam. Die Mädchen spielen Volleyball. Aber sehen kann ich sie nicht. Schade. So ganz ohne Gabriel. Es ist langweilig. Ich lehne mich an den Maschendrahtzaun hinter mir. Blicke durch das Blätterdach eines Baumes in den Himmel. Das Licht tanzt im Wind.

Die Ferien nutzt der Professor bestimmt für seine stumpfsinnigen Spielchen mit mir. Warum habe ich mich in all der Zeit noch nicht gewehrt? Ich bin doch viel intelligenter als er. Viel stärker. Warum also tue ich mir das an? Das ist bestimmt der Mensch in mir. Menschen sind schwach.

Der Lehrer beendet den Unterricht. Er schwebt in Gedanken schon im Urlaub. Man kann es ihm förmlich von der Stirn lesen. So durchschaubar.
 

Ich verlasse das Schulgelände und warte auf das Auto. Da ruft jemand meinen Namen. Gabriel rennt mir zu:

„Warum hast du nicht auf mir gewartet, Zero?“

„Tut mir Leid. Ich kann es nicht abwarten Ferien zu haben.“ Ich wünschte es gäbe keine Ferien…

„Das verstehe ich. Aber sag mal. Was ist das eigentlich für ein Bonzenauto was dich jeden Tag abholt?“

„Meine Eltern haben Geld, das ist alles.“

„Da sitzt immer einer auf der Rückbank.“

„Musst du so neugierig sein? Es ist egal wer das Auto fährt und wer in Begleitung hinten drin sitzt.“ Was soll ich ihr denn sagen? Irgendein verkommener Psychopath der sich an mir vergeht? Gabriel fühlt sich verletzt. Es tut mir auch Leid. Aber es hat ja höchste Geheimhaltungsstufe. Schwachsinn. Und da kommt das besagte ‚Bonzenauto’ auch schon.

„Tut mir Leid, Gabriel. Aber einiges ist für deine Ohren nicht bestimmt. Ich werde dich heute Abend anrufen und bescheid sagen wenn es mir gestattet ist zum Strand zu gehen.“ Sie schweigt. Ihr Blick zerreißt mir das Herz. Schnell verschwinde ich hinter den verdunkelten Scheiben. Damit sie nicht die Chance hat in den Wagen zu sehen.
 

Ich würde es am liebsten in die Welt hinaus brüllen. Alles! Ich kann sie nicht belügen. Es ist eine Schande!

„Warum müssen sie immer mit im Auto sitzen, Professor?“ Er schaut mich erschrocken an.

„Das fragst du noch?! Das liegt do…“

„Meine Klassenkameradin wird skeptisch. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Was soll ich ihr denn sagen? Wer soll denn hinten im Wagen sitzen?“

„Du sollst keine engen Freundschaften Schließen! Du sollst Die Menschen studieren!“ Er kocht vor Wut. Ich fühle ähnliches.

„Um sie zu verstehen muss ich mit ihnen nun mal kommunizieren. Und um tiefere Einblicke in die Gefühlswelt zu bekommen muss ich nun mal Freundschaft schließen. Aber davon haben sie nicht die leiseste Ahnung, Professor!“

„Du wagst es meine Kenntnisse in Frage zu stellen?!“ Er weiß genau dass ich Recht habe.

„Hatten wir eine solche Diskussion nicht schon einmal?“

„Kann mich nicht entsinnen. Beantworte meine FRAGE, du Missgeburt!“

„Nein.“ Meine Gefühle überschlagen sich. Ich muss mich zügeln. Sonst verliere ich die Kontrolle über mein Handeln.

Was ‚nein’?! Hör auf mich zu verarschen! Verstanden?!“ Dieser Einfallspinsel liebt es sich zu streiten. Oh, pass bloß auf.
 

Wir kommen am Labor an. Ich steige aus dem Wagen. Es ist eine Abgelegene Stelle in der Stadt. Sehr unscheinbar. Da fällt sofort das Auto auf, das etwas weiter entfernt parkt. Wir betreten das Gebäude. Ich lasse meine Illusion fallen. Der Professor schubst mich:

„Lauf schneller! Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!“ Ich hasse es bedrängt zu werden. Im Labor bearbeiten die Wissenschaftler Daten. Myke ist auch dabei. Sie musste in letzter Zeit viel einstecken.

„Löscht seine Gefühle.“ Der Professor weißt die Wissenschaftler an, mich wieder auf den Stuhl des Vergessens zu setzen. Aber er hat die Rechnung ohne mich gemacht. Denn ich bin sauer.

„Nein.“ Ich stelle mich hinter den Untersuchungstisch. Ich protestiere.

„Was meinst du mit ‚nein’?! Du machst das was ich sage!“

„Nein. Ich lasse mich von euch nicht mehr manipulieren.“ Das erzürnt den Professor. Die Wissenschaftler sind verunsichert. Angst erfüllt sie. Sie nehmen Abstand von Hemmington.

„Was glotzt ihr so? bindet ihn an dem Stuhl fest!“

„Ja, Professor!“

„Ich setze mich nicht auf den Stuhl!“ Die Wissenschaftler wollen mich greifen. Doch ich weiche ihnen aus.

„Der Stuhl bringt ohnehin nichts mehr! Innerhalb von kurzer Zeit habe ich all die Gefühle wieder, die ihr krampfhaft versucht zu löschen.“

„Na jetzt weißt du, warum ich dich jeden Tag daran festbinde, du verkommenes Biest!“ Ich habe seine Beleidigungen satt.

„Unter keinen Umständen setze ich mich auf dieses Ding!“ Der Professor legt persönlich Hand an. Versucht mich zu fassen. Aber ich laufe aus dem Raum.
 

Die Wissenschaftler verfolgen mich. Mit Betäubungspfeilen schießen sie auf mich. Sie haben immer noch nicht verstanden, dass alles an meiner Barriere abprallt. Lange halte ich das Tempo nicht durch. Mein Körper ist für solche Belastungen nicht vorgesehen. Ich sacke zusammen. Gerade wollen sich die Wissenschaftler auf mich stürzen. Da entfaltet sich ein heller Lichtimpuls. Dieser blendet alle um mich herum. Das ist meine Chance. Ich stehe auf, aber Myke versperrt mir den Weg. Sie muss wohl zu diesem Moment die Augen zu gehabt haben. Denn Sie ist nicht erblindet:

„Tu das nicht, Zero. Wenn du dich deiner Gefühle nicht bereinigen lässt, wirst du vermutlich den Verstand verlieren.“ Zugegeben. Das wäre ein Grund.

„Lieber verliere ich den Verstand durch Gefühle, als durch Gefangenschaft in einem dunklen Loch.“ Sie ist besorgt. Sie hat Angst mich zu verlieren?

Die Wissenschaftler sehen immer noch nichts. Sie ertasten sich einen Weg. Auch der Professor:

„Na warte, du dreckiges Aas! Worauf warten sie noch Mrs. Wilson!“

„Zero muss sich ausruhen, Professor. Sobald er die Gefühle verloren hat, bitte ich darum ihn mit nach Hause zu nehmen.“

„Mach doch was sie wollen, sie Taugenichts! Aber schaffen sie mir diese Missgeburt aus den Augen!“ Welch Ironie. Wäre es eine Komödie, hätten die Zuschauer jetzt gelacht. Myke nimmt mich bei der Hand und zieht mich zurück. Ich wehre mich. Doch sie lässt nicht locker. In dem Raum, in dem der Stuhl des Vergessens steht macht sie die Tür hinter sich zu. Ich halte von der Gruselmaschine Abstand. Myke wirft mir einen besorgten Blick zu. Ich will nicht auf den Stuhl. Ich dachte sie versteht mich.

„Bitte Myke. Tu mir das nicht an. Ich will meine Gefühle nicht verlieren.“

„Das habe ich auch nicht vor. Es wäre zwar besser würdest du es machen, aber ich persönlich will dich zu nichts zwingen. Wir warten jetzt kurz ab. Und dann gehen wir nach Hause. Okay? Ich sorge dafür, dass du morgen nicht ins Labor musst.“ Das überrascht mich.

„Aber wie hast du das vor?“

„ich regle das.“ Sie ist voller Zuversicht. Sie gibt mir das gewohnte, vertraute Gefühl.
 

Myke und ich verlassen den Raum. In einem Büro nimmt sie ihre Sachen. Zusammen gehen wir in den Eingangsbereich. Dort höre ich das Gespräch zwischen zwei Wachmännern:

„Vorhin war hier eine Schülerin und ihre Mutter. Das Mädchen wollte hier unbedingt rein. Sagte, ein Vater eines Klassenkameraden arbeite hier.“

„Echt? Aber es dürfen doch nur ledige und familienlose Wissenschaftler hier Arbeiten.“

„Das Mädchen weiß doch nichts vom Labor. Wir Decken uns doch als Papierfabrik.“ Ein Schulmädchen? Es ist zwar als eine Papierfabrik gemeldet. Doch stehen die Hallen leer.

„Aber irgendwas muss die Kleine doch wissen.“

„Vielleicht meint die ja diesen Zero. Der wird ja seit einem halben Jahr in die Schule geschickt.“ Sie schauen mich an. Verstummen. Gabriel. Ist sie mir etwa gefolgt? Hoffentlich hat sie mich nicht in meiner wahren Gestalt gesehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  YumithelovelessAngel
2010-04-12T13:47:38+00:00 12.04.2010 15:47
ok dieses kapitel war echt gut ^^
ich finde du schreibst es richtig toll wie zero nach und nach die gefühlswelt nicht mehr verlieren will ^^
ich habe mich schon lange gefragt wann sie zero endlich mal wehrt weil wenn er wollte könnte er eigentlich einfach weg gehn oder naja er würde locker gewinnen können. ^^
also ich bin echt gespannt ob gabriel raus findet was er ist und ob das vlt raus kommt wenn er evtl. mit an den see darf
echt spannend *.*
coole sache
weiter so

hab dich lieb
Von: abgemeldet
2009-11-22T19:17:38+00:00 22.11.2009 20:17
Du musst weiterschreiben!! >.<
Dieses Kapitel war umwerfend! Und das Ende war so richtig gemein... ich will wissen, ob Gabriel ihn in seiner wirklichen Gestalt gesehen hat und wenn ja, wie sie drauf reagiert! Und genau da brichst du ab. Gut gemacht. xP

Ja, wie gesagt, ein absolut tolles Kapitel. Ich hab schon länger darauf gewartet, dass Zero sich endlich wehrt, schließlich ist er viel stärker als die Menschen. Und dass Myke sich so nett um ihn kümmert und so zu ihm hält (was noch besser zur Geltung kommt, weil du vorher einen kurzen Moment lang Zeros Zweifel an Mykes Fürsorglichkeit zu ihm beschreibst) muntert die Geschichten, die im Labor passieren, ein wenig auf. :)
Ich hoffe, Zero darf mit Gabriel an diesen See fahren, den du am Anfang des Kapitels erwähnt hast. Das klingt nämlich so vielversprechend und lässt dir unglaublich viel Freiraum. :D Vielleicht nehmen sie auch Samsa mit, dem würde das nicht schaden und außerdem mag ich ihn!^^

Also, nochmal ein großes Lob für dieses Kapitel und weiter so!


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