Chouchou von Wolkenfee ((französisch für "Schatz/Liebling")) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Und du willst das echt machen?“, fragte meine beste Freundin Lea skeptisch. Wir saßen auf meinem Bett und ich hatte ihr gerade eröffnet, dass ich nach dem Abi für ein Jahr nach Kanada gehen würde. Ich nickte. „Ja, klar, so eine Chance krieg ich doch nie wieder! Ich meine, ich darf da mit den besten Eisläufern Kanadas trainieren, mit einem superberühmten Trainer!“ Schon allein bei dem Gedanken daran war ich ganz aufgeregt. „Ja, das versteh ich ja“, meinte Lea und steckte sich noch ein Stück Schokolade in den Mund. „Aber ins Ausland?“ Das brachte mich um Lachen. „Ach, wer von uns will denn vier Jahre im Ausland studieren, obwohl er im Moment nicht mal die Sprache kann?“, zog ich sie auf. „Hey, die lern ich aber noch!“, protestierte sie. „Außerdem ist Holland viel näher!“ „Schon. Aber da kann ich nicht Eislaufen. Außerdem bleibt dir mein Zwillingbruder ja erhalten“, versuchte ich sie zu beruhigen und strich mir eine honigblonge Haarsträhne aus den Augen. In letzter Zeit waren meine Haare etwas länger geworden, aber irgendwie mochte ich das so. „Ja, aber der ist nicht mein schwuler bester Freund!“ Ich grinste. „Das stimmt natürlich. Dafür kann er kochen!“ „Stimmt, Vorteil“, lachte sie. „Krieg ich noch einen Fruchtzwerg?“ Ich seufzte und nickte. Ich war zwar selbst nicht der Allergrößte, trotzdem verstand ich nicht wie man so verrückt nach den Dingern sein konnte. So sah es nun also aus. Ich würde ein Jahr nach Kanada gehen, um meine Eiskunstlauffähigkeiten zu verbessern. Ich war wahnsinnig aufgeregt und superglücklich, dass ich diese Möglichkeit hatte. Trotzdem war das natürlich ein großer Schritt. Was, wenn ich dort keine Freunde fand? Was, wenn meine Gastfamilie schrecklich war? Und außerdem: War mein französisch überhaupt gut genug? Solche und ähnliche Gedanken gingen mir bis zu meiner Abreise immer wieder durch den Kopf. Und dann war es schließlich soweit und ich stand am Flughafen, um mich zu verabschieden. Meine Eltern hatten nicht mitkommen können, also hatte ich mich von ihnen schon zu Hause verabschiedet. So stand ich dort also mit Lea und meinem Bruder Roman. Zuerst umarmte ich ihn lange. „Und wehe, wenn ich zurückkomme, bist du kein Spitzenkoch!“, neckte ich ihn. Er lachte. „Wehe, du bist kein Spitzeneisläufer!“ Ich grinste. „Klar doch!“ Dann wurde ich wieder ernst. „Pass auch dich auf, Brüderchen!“ „Du auch!“ Er lächelte und umarmte mich nochmal. Dann umarmte ich auch Lea, die zu weinen begonnen hatte. „Hey, Süße, mach dir keine Sorgen. Alles wird gut! Glaub mir, dein Leben wird super und meins sowieso!“, versuchte ich sie zu trösten. „Ja, aber… trotzdem…“, schluchzte sie. „Und überhaupt!“ Ich lächelte. „ Genau, überhaupt wird alles super! Also, ich muss los! Macht’s gut!“ Ich umarmte beide nochmal und machte mich dann auf den Weg zu meinem Flugzeug und somit zu meinem neuen Leben. Etliche Flugstunden später, die ich eingequetscht zwischen einer dicken älteren Dame und einem übel riechenden Spanier, der die ganze Zeit versucht hatte, sich mit mir zu unterhalten und dabei nicht verstanden hatte, dass ich kein spanisch konnte, verbracht hatte, landeten wir endlich. Weitere Ewigkeiten später hatte ich dann auch meine Koffer und machte mich auf den Weg zum Ausgang, wo mich – hoffentlich – meine Gastfamilie erwartete. Aus e-mails und einigen Telefonaten wusste ich, dass meine Gastmutter Emilie hieß und mein Gastvater Gustave und sie eine sechzehnjährige Tochter hatten, die Angeline hieß. Am Ausgang angekommen entdeckte ich fast sofort eine rundliche, braunhaarige Frau, die ein Schild mit der Aufschrift „Bienvenu, Jamie!“ hochhielt. Ich lächelte. Das war doch nett! Langsam ging ich auf sie zu. „Ähm, hallo! Sind Sie Emilie?“ Sie lächelte, umarmte mich und küsste mich auf beide Wangen. Achja, das machte man ja hier so. „Du bist also Jamie!“, meinte sie dann fröhlich. „Schön, dass du da bist! Komm mit!“ Im Auto fragte sie mich über mich, meine Heimat, meine Entscheidung nach Kanada zu gehen und alles Mögliche weitere aus und ich war überrascht, aber glücklich, dass ich verstand, was sie sagte und auch noch halbwegs richtige und verständliche Antworten geben konnte. Schließlich hielten wir vor einem hübschen, weißen Reihenhaus mit sorgfältig gepflegtem Vorgarten, dem man genau ansah, dass er Emilies ganzer Stolz war. „Komm rein, komm rein!“, forderte sie mich eifrig auf. „Du bist sicher hungrig! Gustave hat gekocht. Ich hoffe, du magst Fisch!“ Ich nickte und folge Emilie ins Haus. „Liebling, wir sind da!“, rief sie und ein hochbewachsener glatzköpfiger Mann mit einem Schnäuzer erschien in der Tür neben mir, von der ich somit vermutete, dass sie in die Küche führte. Auch er begrüßte mich herzlich mit der „Küsschen links, Küsschen rechts“- Prozedur und meinte dann: „Das Essen dauert noch etwas. Liebling, du kannst Jamie ja in der Zeit sein Zimmer zeigen!“ „Gute Idee!“, stimmte seine Frau zu und klatschte in die Hände. „Folg mir!“ Ich lächelte über den Tatandrang, den sie an den Tag legte und ging hinter ihr die Treppe hinauf. Emilie zeigte auf eine Tür an der linken Seite. „Also, hier ist das Bad, das teilst du dir mit Angeline. Gustave und ich haben unten noch eins. Hier“ – eine weitere Tür rechts- „schlafen Gustave und ich, hier Angeline und hier“ – sie öffnete eine Tür am Ende des Flures – „ist ab jetzt dein Reich!“ Ich trat ein und sah mich erstmal um. Das Zimmer war in einem hellen Grünton gestrichen und außer einem Schreibtisch und einem Schrank gab es noch eine kleine Kommode und ein Himmelbett. Oh wow, sowas wollte ich schon immer haben! „Gefällt es dir?“, fragte Emilie. „Du kannst natürlich Poster und Fotos und so aufhängen. Ich meine, du musst hier schließlich ein Jahr bleiben und du sollst es ja gemütlich haben!“ Glücklich, aber etwas überwältigt lächelte ich sie an. „Danke, es ist großartig!“ „Das freut mich! Ich ruf dich dann, wenn das Essen fertig ist!“, erwiderte sie strahlend und verschwand aus dem Zimmer. Noch leicht verwirrt ließ ich mich aufs Bett fallen. Ich hatte nicht erwartet, dass alles so großartig sein würde. Der erste Eindruck von meiner neuen Familie war super und dieses Zimmer hier war wundervoll! Konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Beim Essen lernte ich dann auch Angeline kennen, die sich allerdings als ziemlich schüchtern und somit als genaues Gegenteil ihrer Mutter erwies. Mehr als „Hallo“ hatte sie noch nicht zu mir gesagt, aber Emilie versicherte mir, dass das normal war und sie noch auftauen würde. Ich hoffte einfach mal, dass das stimmte. Nach dem Essen meinte Emilie zu mir: „Du bist doch sicher müde von dem langen Flug!“, womit sie absolut Recht hatte. Ich wünschte also allen eine gute Nacht, wobei Emilie mit noch den Rat gab, mit zu merken, was ich in der ersten Nacht im neuen Bett träumte, da es ja schließlich in Erfüllung gehen würde. Mit dem Gedanken, dass ich sicher etwas total Bescheuertes träumen würde, fiel ich totmüde in mein neues Bett und war sofort eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)