Junk von Remy (Ich bin doch nur Abfall) ================================================================================ Kapitel 5: Kälte ---------------- Kapitel 5 - Kälte Michael's PoV Mein ganzer Körper schmerzte, als ich aufwachte und die Lider langsam hob. Warmes Sonnenlicht fiel durch das Fenster in den Raum und erhellte ihn vollkommen. Tauchte alles in eine angenehme Wärme, die sich auch in jedem meiner Glieder ausbreitete. Und doch erfühlte mich auch eine Kälte. Ich war allein. Wie immer. Aber die Stelle neben mir hatte noch eine angenehme Temperatur. Wer war da gelegen? Richtig konnte ich mich nicht mehr erinnern. Nur das derjenige mich im Arm hatte. Die ganze Nacht über. Ich fühlte noch immer die zarte Berührung. Die von ... Benjamin? Ich rollte mich zusammen und schlang die Arme um meinen viel zu schmalen Körpern. Das Zittern von letzter Nacht hatte nachgelassen. Scheinbar fühlte ich mich sogar halbwegs wieder gut. Ich hatte das gestern aber auch alles nicht einordnen können. Woher war das nur gekommen? Nachdem ich mir diese Pillen einverleibt hatte, war es zumindest besser geworden. Hätten es vielleicht Entzugserscheinungen sein können? War ich denn so abhängig? Eigentlich hatte ich das nie wirklich gedacht. Mühsam richtete ich mich auf. Blickte mich langsam in dem Zimmer, in dem ich war, um. Es war wirklich nichts besonderes hier, was ich nicht in der Nacht zuvor schon in der Finsternis gesehen hätte. Nur der Zettel auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett. An den konnte ich mich nicht erinnern. Es machte mich vor allem etwas stuzig, da mein Name auf dem zusammengelegten Stück Papier stand. Etwas zaghaft griff ich nach dem Zettel und entfalltete ihn. In einer wirklich schön geschwungenen Handschrift stand darauf: Hey Michael, bin bei der Arbeit und komm so gegen halb eins wieder. Stell also bitte nichts an, bis ich wieder zu Hause bin. Kannst dir eines meiner Shirts anziehen. Deines ist etwas versaut. Und wenn du willst, kannst du auch was kochen. Benjamin Verwirrt zwinkerte ich. Kochen? Auf was kam der denn für Ideen. Zwar musste ich das in den letzten Jahren immer für mich selbst machen. Aber viel kam nie dabei zusammen. Es war ohnehin nicht sehr oft etwas im Haus. Für Essen blieb eben auch nicht sehr häufig Geld. Mir war wirklich mein Stoff wichtiger. Ich raffte mich langsam hoch, doch kaum, dass ich stand, spürte ich, wie schwach meine Beine überhaupt waren. Meine Knie fühlten sich an, als wären sie aus Wackelpudding. Ich sank zurück aufs Bett und atmete erst einmal tief durch. Hier wollte ich nicht zu lange herumsitzen. Und vor allem fror ich. Da würde ich es mir wohl nicht nehmen lassen, wenn ich mir eins seiner Shirts haben durfte. Ein weiteres Mal versuchte ich mich aufzurichten. Wieder wankte ich leicht. Doch dieses Mal konnte ich halbwegs aufrecht stehen bleiben, auch wenn meine Knie noch immer zitterten. Langsam tappste ich in Richtung Komode. Einen Schrank konnte ich nicht entdecken, also würde er wohl da seine Klamotten haben. Ich hatte doch zumindest seine Erlaubnis, dass ich mir etwas nehmen durfte. Doch kaum hatte ich den ersten Schub geöffnet schloss ich ihn auch gleich wieder. Das war eindeutig der falsch. Boxershorts gehörten nicht zu dem, was ich mir von ihm ausleihen durfte. Zweite Schublade: Socken. Auch nichts für mich. Zumindest in welcher die Shirts waren hätte er mir noch mit aufschreiben können. Auf einmal sank ich aber zusammen. Mein Körper verkrampfte und ein Stechen durchzog meinen Bauch. Was war nur jetzt wieder los? Der Geschmack von Galle verteilte sich in meinem Mund. Mir wurde so schrecklich schlecht. Mit etwas Anstrengung kam ich wieder hoch. Zwar hätte ich mich gut und gerne gleich hier übergeben, aber das wäre dennoch nicht nur mir zu wider. Ich schlief mich ins Bad. Hing dann minutenlang über der Kloschüssel. Gegen was sträubte sich nur mein Körper so. Ich war doch auch nicht mit Absicht trocken gelegt. Ich zitterte. Und das nicht nur rein aus Kälte. Irgendwie versuchte ich wieder hochzukommen, denn am liebsten wäre ich jetzt wirklich wieder im Bett. Ich konnte mich sogar erneut aufrichten. Blieb auf meinen wackeligen Beinen stehen. Verdammt. Wie schlimm konnte es schon noch werden? Das ich zurück ins Schlafzimmer kam war für mich schon fast ein Wunder. Mein Blick schweifte auch gleich wieder zur Komode. Mein Glück könnte ich eigentlich gleich noch einmal versuchen. Vielleicht würde ich jetzt etwas zum Überziehen finden. Dritter Schub den ich aufzog. Sweatshirts. Mein Gesichtsausdruck hellte sich schlagartig auf. Doch kaum hatte ich den ersten an, merkte ich, dass mir der doch eindeutig zu groß war. Mindestens ein oder zwei Nummern. Zumindest warm würde es sein. Ich kroch wieder ins Bett. Rollte mich zusammen, wie ein Hund. Die Decke lag komplett über mir. So wurde mir noch zusätzlich etwas wärmer. Nur die Einsamkeit verflog nicht. Ich war allein und würde das doch ohnehin immer bleiben. Egal unter wie vielen Menschen ich sein würde. Allein blieb ich für ewig. Ich kauerte mich weiter zusammen. Hier fühlte ich mich unwohl. Vielleicht wäre es besser, wenn ich einfach gehen würde. Dann könnte ich dem guten Benjamin sicher auch keine Probleme machen. Denn momentan machte ich das nur. Aber gerade wurde mir halbwegs warm. Gerade so, als ob mich wieder jemand im Arm hatte. Vielleicht wurde ich aber auch nur langsam irre. Wäre doch auch nicht gerade ungewöhnlich. Bei dem, was ich alles mit mir machen ließ, musste ich doch wirklich krank im Kopf sein. Alles hab ich immer über mich ergehen lassen. Alles mitgemacht, was diese Kerle von mir wollten. Habe mich regelrecht missbrauchen lassen. Und doch. Habe ich es nicht immer freiwillig gemacht? Wie oft lehnte ich gegen fremde Autos? Wie oft hatte ich mit Freiern über den Preis gestritten, nur um mich dann doch auf den üblichen Mittelwert zu einigen? Und wie oft lag ich danach alleine und verlassen in diesem versifften Bett? So verdammt oft mit Tränen in den Augen. Immer und immer wieder ließ ich es danach über mich ergehen. Es gab nichts anderes, was ich überhaupt tun hätte können. Wie ich an Geld gekommen wäre. Und für was gab ich es aus? Für meinen verfluchten Stoff. Das Einzige, was ich wirklich noch brauchen konnte. Das Einzige, was ich noch für wichtig ansah. Irre war doch gar keine Bezeichnung für mich. Ein Klacken ließ mich zusammen zucken. Klang irgendwie nach einem Türschloss. Aber war es denn schon so spät, dass er heim kommen könnte? Ich richtete mich langsam auf und lauschte. Kein weiteres Geräusch. Hatte ich mich vielleicht verhört? Nein! Ganz bestimmt nicht. Da war ganz sicher etwas aufgeschlossen worden. So verrückt konnte ich gar nicht sein, dass ich mir so etwas einbildete. "Du bist ja schon wach." Erleichtert atmete ich auf, als Benjamin in der Zimmertür stand. So hatte ich mir das zumindest nicht eingebildet. "Schau mich nicht so an, als ob ich ein Gespenst wäre." Mit etwas Mühe konnte er sich wohl ein leichtes Lächeln abquälen. Eigentlich etwas, was mir so selten jemand überhaupt schenkte. Obwohl das wirklich gerade so gezwungen ausgesehen hatte. "Scheinbar hast du nichts gekocht." Konnte er mir denn bei der Aussage nicht einmal ins Gesicht sehen. Ich kniff die Augen zusammen. "Bin doch auch nicht deine Köchin", fauchte ich. Die Gereiztheit kam wohl von meinem fehlenden Stoff. Aber dann würde ich doch an Entzugserscheinungen leiden. Abwehrend hob Benjamin die Hände. "Ich dachte nur, dass dir langweilig werden könnte. Deswegen hättest du vielleicht was kochen könnten. Aber wenn du nicht wolltest, ist das auch nicht schlimm." Ich verschrenkte nur trotzig die Arme vor der Brust. Das brachte aber Benjamin nur zum Auflachen. Böse blickte ich ihn an. Oder eigentlich versuchte ich es, denn irgendwann kam auch mir das Lachen aus. Benjamin ließ sich schließlich neben mir nieder und atmete einmal tief durch. "Jetzt mal Spaß beiseite. ... Was sollte das letzte Nacht werden? Wolltest du dich mit den Tabletten umbringen?" Er blickte mich so ernst an, so konnte ich gar nicht anders, als einfach wegzusehen. Vorwürfen waren überhaupt nicht mein Ding. Und gerade nicht solche. "Und wieso hast du dich zu mir gelegt?", versuchte ich das Thema zu wechseln. Doch das half nichts. "Beantworte erst meine Frage, dann tu' ich es bei deiner auch", zischte er. Was mich nur zusammen zucken ließ. Trotzdem wagte ich es nicht den Blick wieder zu ihm zu wenden. Schluckte bloß leise und begann nervös auf meiner Unterlippe zu beißen. "Könnte ich jetzt vielleicht eine Antwort bekommen?" Ich spürte Benjamins Blick auf mir lasten und er fühlte sich scheuslig an. So verflucht scheuslig. "Mir ging es einfach ... einfach so verdammt ... scheiße", flüsterte ich. Leiser ging es doch schon fast nicht. Da spürte ich aber schon Benjamins Arm um meine Schultern, wie er mich leicht zu sich zog. Eine Standpauke hätte ich schon eher erwartet, aber nicht so etwas. "Fass ja nichts mehr bei mir an." Er wollte nicht so klingen, aber die Wut hörte ich dennoch aus seiner Stimme. "Sonst?", fragte ich. Irgendetwas musste er doch dann tun, wenn ich doch machen würde. Aber es kam nichts. Hatte er sich das nicht überlegt oder wollte er keine Konziquenzen daraus ziehen. Zumindest keine, die nötig wären. "Eigentlich kann ich dich ja gar nicht davon abhalten. Ist ja dein Leben." Er schluckte überdeutlich. Unbewusst drückte ich mich an ihn. Nähe. Das brauchte ich. Seit all den Jahren. Leicht schmiegte ich mich enger an Benjamin. Hob dann aber trotzdem wieder langsam den Kopf von seiner Schulter weg. "Wieso hast du dich jetzt zu mir gelegen?", fragte ich. Immer noch wollte ich ihm nicht ihn die Augen sehen. Er schluckte. Vielleicht fiel ihm keine gut genuge Ausrede ein. "Bin wohl einfach eingeschlafen", nuschelte er da schließlich. Ganz kaufte ich ihm das jetzt zwar nicht ab, lehnte mich aber trotzdem einfach an ihn. So hätte ich wohl stundenlang einfach nur so daliegen können. "Ich mach uns was zum Essen", meinte da aber auf einmal der Blonde und schob mich etwas von sich weg. Mit den Armen hinter dem Kopf verschränkt wollte er das Zimmer verlassen. "Mach dir wegen mir keine Umstände", rief ich ihn da einfach hinterher. Er blieb abrupt stehen und drehte sich wieder zu mir. "Ehrlich gesagt, macht mir das überhaupt nichts aus." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)