Junk von Remy (Ich bin doch nur Abfall) ================================================================================ Kapitel 3: Ruhe --------------- Kapitel 3 - Ruhe Michael's PoV Ich rollte mich immer wieder von der einen Seite auf die andere. Benjamin war schon eine ganze Weile weg. Er dachte wohl wirklich, dass ich hier schlafen könnte. Aber ganz bestimmt nicht so! Ich zitterte. Und dabei war mir nicht einmal kalt. Mein Körper wollte aber einfach nicht ruhig bleiben. Wollte nicht still halten. Was war denn nur los? So verdammt mies ging es mir noch nie wirklich. Vielleicht war ich krank geworden, auch wenn mir das eigentlich in den letzten Jahren recht selten passiert war. Durch das Ewige auf und ab in der Kälte am Straßenrand war ich regelrecht abgehärtet. Auch wenn meine schmale Statur das gar nicht so scheinen ließ. Minusgrade machten mir schon lange nichts mehr aus. Für seinen Job tat man eben alles, auch wenn man das nicht gerade als 'Job' bezeichnen konnte. Ich verkaufte mich doch nur selbst. Mich und meinen Körper. Nützte alles an mir aus. Jeden Zentimeter Haut. Eigentlich einfach alles, was man gebrauchen konnte an mir. Krampfhaft kniff ich dich Augen zusammen. Nur für einen Moment. Dann öffnete ich sie wieder einen Spalt und drehte mich auf die andere Seite. Durch das Fenster fiel leicht das Mondlicht. Erhellte den Raum etwas. Fiel auf den Schrank aus dunklem Holz. Auf die kleine Kommode, die neben der Tür stand. Legte sich ebenso auf den Teppichboden, der wohl eine bläuliche Farbe hatte. So genau konnte ich das in der Finsternis nicht beurteilen. Ich rollte mich wieder auf die andere Seite. Kauerte mich zusammen. So bekam ich meine Glieder wieder für eine Sekunde unter Kontrolle und wollte mich schon fast entspannen. Da ging es aber schon wieder los. Jeder Muskel vibrierte regelrecht. Ich wollte doch nur auch etwas schlafen. Ruhe wollte ich. Mehr nicht. Vielleicht würde es mir sogar einmal gut tunen einfach so friedlich in süße Träume versinken zu können. Aber so würde ich nie dazu kommen. Nicht mit dieser Nervosität, die mein Körper an den Tag legte. Ich raffte mich langsam hoch. Stützte mich leicht mit den Armen ab. Doch auch meine Finger wollten nicht still halten. Sie vibrierten regelrecht. Und ich konnte sie nicht dazubringen, dass sie aufhören. Mein Körper gehorchte mir wirklich nicht. Leicht schüttelte ich den Kopf. An Schlafen war jetzt wirklich nicht zu denken. Mir brach ohnehin schon der kalte Schweiß aus. Sowie mein Atem wieder schneller wurde. Genauso wie, als Benjamin im Park auf einmal vor mir stand. Nur war es jetzt schlimmer. Viel schlimmer. Zu dem Zittern kam noch, dass mir heiß wurde. Wie wenn ich Fieber hätte. Es fühlte sich an, als ob ich innerlich glühen würde. Oder sogar ein Feuer in mir ausgebrochen wäre. Ich zog die Beine an den Körper und schlang die Arme darum. Legte den Kopf auf die Knie. Kniff wieder die Augen für einige Sekunde zusammen. Versuchte mich auf irgendetwas sinnloses zu erinnern. Nur damit ich mich ablenken konnte. Und mein verfluchter Körper sich beruhigen. Ich krallte die Finger meiner rechten Hand regelrecht in den linken Oberarm. Beim anderen traute ich mich nicht wirklich. So säuberlich war dort der Verband angelegt. Benjamin war richtig fürsorglich gewesen. Wie eine Mutter. ... Wie meine Mutter. Leicht schüttelte ich den Kopf. An sie wollte ich jetzt nicht denken. Wieso auch? Diese verfluchte Person hatte sich doch auch später einen feuchten Dreck um mich gekümmert. Als ich klein war, nannte sie mich noch Engel. Später wurde ich mehr und mehr ihr Teufel. Und das auch noch für Dinge, die ich nicht gemacht hatte. Die Kinder der Nachbarschaft hatten alles auf mich geschoben, wenn sie etwas angestellt hatten. Nur weil ich der einzige war, der sich nicht dagegen gewert hatte. Ich hatte nie etwas dagegen gesagt. Wieso war ich nur damals so dumm. Genauso dumm, wie jetzt. Langsam stand ich schließlich auf. Tapste zur Tür, die ich langsam öffnete. Es war alles ruhig. Wahrscheinlich schlief Benjamin schon längst. Der konnte das jetzt. Im Gegensatz zu mir. Ich war hellwach. Momentan war für mich schlafen wirklich nicht angesagt. Unmöglich traf es am besten. Etwas zaghaft ging ich den Gang in der Finsternis entlang. Schwankte dabei leicht. Diese kurze Strecke war gerade zu anstrengend für mich. Und meine Beine fühlten sich an, wie Wackelpudding. Das ich wohl nicht einfach zusammen sackte, war gerade zu ein Wunder. Links neben der Wohnungstür war das Bad. Das hatte er mir gesagt. Der perfekte Ort für mich. Im Grunde. Ein paar Tabletten würde der Gute schon im Haus haben. So eine kleine Hausapotheke gab es doch in jedem Haushalt. Irgendwann könnte doch jeder etwas brauche. Wer wurde denn nie krank? Ich legte die Hand auf die Türklinge zum Badezimmer. Blickte mich erst noch einmal nach links und rechts um, ob wohl in eine Richtung ohnehin nur noch die Wohnungstür wäre. Vielleicht wäre es sogar besser, wenn ich einfach abhauen würde. Aber wohl sollte ich schon hin. Nach Hause? Da könnte ich mir doch gleich die Kugel geben. Das wäre viel zu gefährlich. Patrick würde ich dort auf alle Fälle wieder suchen. Dann wäre ich dran. Leicht biss ich auf meine Unterlippe. Blickte langsam wieder zur Wohnungstür. Vielleicht wäre es doch besser. Ich würde ihm nur zur Last fallen. Da durchzuckte ein kurzer Schmerz meinen Arm. Ich sah darauf herunter. Benjamin hatte den Verband wirklich gut angelegt. Möglicherweise würde ich ihm doch nicht so viele Scherereien machen. Auch wenn seine Medikamente meinen Aufenthalt nicht so lange überstehen würden. Bekommen würde ich wohl von ihm auch nichts. Seine Wohnung war recht schlicht eingerichtet, also hatte er wohl nicht so viel Geld immer übrig. Für Drogen - und dann auch noch für meine - wäre da nichts übrig. Langsam drückte ich schließlich die Klinke der Badezimmertür hinunter. Das Knarren, als ich die Tür öffnete ließ mich zusammen zucken. Wenn ich jetzt Benjamin geweckt hätte, dann könnte ich einpacken und keine paar Tabletten einsacken. Aber ich brauchte was zur Beruhigung. Sonst würde ich das nervlich nicht durchhalten. Vorsichtig stieß ich die Tür weiter auf. Ein weiteres Knarren erfühlte die Stille. Vielleicht das letzte. Aber das würde ich erst wissen, wen die Badezimmertür wieder zuwäre. Und das machte ich genauso achtsam, wie ich sie geöffnet hatte. Zu meinem Glück ohne Geräusch. In der Dunkelheit suchte ich den Lichtschalter, den ich schon bald fand. Im ersten Moment blendete mich das Licht. Aber meine Augen gewöhnten sich schnell daran. Schneeweiße Fließen strahlten mich regelrecht an. Und der tiefschwarze Teppich war dagegen ein richtig schöner Kontrast. Etwas Rot würde hier wohl auch noch gut aussehen. Blutrot. Nicht das ich jetzt auf wirklich dumme Gedanken kommen würde. Ich war noch nie so weit in meinem Leben gewesen. Meinen Stoff benutze ich nur in Massen. Auch wenn es oft verdammt schwer war, dass einzuhalten. Es war wohl doch oft genug vorgekommen, dass ich mir etwas mehr, als ich eigentlich wollte, gespritzt hatte. Nur um das angenehme Wohlbefinden vielleicht einen Moment länger aufrecht halten zu können. Aber über das wollte ich jetzt auch gar nicht weiter nachdenken. Bewegte mich aufs Waschbecken zu. Darüber hing so ein kleines Badezimmerschränkchen. Doch da fand ich nichts. Nicht einmal im Ansatz irgendwelche Medikamente. Die würde er doch nicht irgendwo anders haben. Sonst tat doch so gut wie jeder seine Arzneimittel hier rein. Zumindest einen Teil. Ich sank auf den Toilettendeckel. Ließ die Füße über den Klo-Vorleger, der die gleiche schwarze Farbe hatte, wie der Teppich hatte, gleiten. Irgendwie war in diesem Raum alles dunkel. Bis auf die Fließen. Wie konnte man nur so ein Bad einrichten? Da musste man ja nur so auf Schwarz und Weiß stehen. Ich blickte mich langsam um. Entdeckte dabei einen zweiten, kleinen Schrank gegenüber der Badewanne. Da hellte sich mein anfänglich etwas bedrückter Gesichtsausdruck auf. Für einen Moment spürte ich nicht einmal mehr das Zittern meines Körpers. Schon eine Minute später wurde meine Freude sogar noch größer. Leichte und mittelstarke Beruhigungsmittel, Schlafmittel und was wusste ich schon noch. Mir war es ohnehin egal, was es war. Ich brauchte nur irgendetwas. Es hätte ja nicht einmal viel sein müssen. Genau geordnet verteilte ich die Sachen vor mir auf dem Boden. Leckte mir im ersten Moment nur über die Lippen. Sollte Benjamin mich doch rauswerfen, wenn er bemerken würde, dass ich seinen Medikamentenschrank ausgeräumt hatte. Auf der Straße hatte ich vor ein paar Jahren ohnehin schon gewohnt. Da war es manchmal auch recht gemütlich. Vielleicht würde ich ja auch einmal ein paar Wochen bei einem Freier unterkommen. Könnte ja auch nicht schlecht sein. Jeder arbeitet doch gerne da wo er wohnt. Ich angelte mir gleich eines der ersten Päckchen. 'Dormicum' stand darauf. Schon ein paar Sekunden später lagen ein paar der blauen Tabletten im meiner Hand. Es dauerte keinen Augenblick mehr, da warf ich sie mir schon einfach ein. War doch egal, wie die wirkten. Solange ich für einen Moment einfach meine Ruhe haben würde. Langsam ließ ich den Kopf in den Nacken sinken. Starrte nur noch an die Deckenbeleuchtung. Mit der Zeit kam es mir so vor, als ob die Lichter immer wieder hin und her springen würden. Erst ganz langsam und dann schneller. Sicher nur Einbildung. So sicher, wie lange ich hier überhaupt da herum saß, war ich mir nicht mehr. Mein Zeitgefühl war wie ausgeschaltet. Sekunden wirkten wie Minuten. Und Minuten wie Stunden. Stunden wie eine Ewigkeit. Jeder meiner Muskel entspannte sich regelrecht. Und das Zittern ließ langsam nach. Löste sich ihn ein angenehmes Wohlbefinden auf. So gab es doch fast nichts Schöneres mehr. Da war mir es mir sogar egal, dass ich das Zimmer nur noch etwas verschwommen erkannte. So bemerkte ich auch gar nicht, wie mich jemand behutsam hochhob. Erst als ich den Klang eines viel zu schnell schlagendem Herzen hörte, nahm ich es war. Lauschte einen scheinbare endlose Zeit dem immer wiederkehrendem Geräusch. Langsam blickte ich auf. Erkannte aber wieder alles nur verschwommen. "Du Idiot!" Es war, als ob ich Watte in den Ohren hätte. Es wirkte so gedämpft. Konnte so nicht einmal einschätzen, wie laut er war. Nur das es Benjamin. So weit kam ich noch. Mein Kopf sank zurück. Blieb schlaff hängen. Selbst meine Lider wurden schwer. Ich konnte sie kaum noch offen halten. Die Müdigkeit überkam mich schon längst. Ich wollte nur noch schlafen. Am liebsten auf ewig. Nie wieder wach werden. In alle Zeiten Ruhe haben. Nie endende. Mit einem leichten Ruck landete mein Kopf wieder bei diesen rasenden Herzschlag. Das entspannte mich sogar etwas. Spürbar. Es fühlte sich fast so an, als ob ich schwerer werden würde. Und sich dennoch meine Muskeln lockerten. Jeder kleinste. "Benjamin", murmelte ich, bevor alles vor mir endgültig verschwamm. Sich in ein eintöniges Schwarz auflöste. Für einen winzigen Augenblick spürte ich noch eine leichte Wärme, die mich ganz umgab. Mich in einen ruhigen Schlaf wiegen wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)