Zum Inhalt der Seite

Das Auge des Ra (J&S)

"Wüstensand"
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Krieger des Ra

Wir sind fast am Ende angelangt und nun geht es, ohne große Vorrede, ins Finale.
 

Begleitmusik: http://www.youtube.com/watch?v=Fqmcal-vEi4 Yugioh Pharaoh vs Bakura – Requiem for a Dream
 

Kapitel 15

Der Krieger des Ra
 

Jono musste mehrmals blinzeln, bis er sich an das helle Sonnenlicht gewöhnt hatte. Nachdem er mehrere Tage in der Dämmerung seines Kerkers verbracht hatte, waren seine Augen etwas lichtempfindlich geworden. Gern hätte er sie mit der Hand abgeschirmt, doch wie jedes Mal, wenn er das Gefängnis verlassen hatte, waren ihm die Hände gebunden worden, heute zur Abwechslung einmal vor dem Körper. Alles war wie immer und doch ließ man ihn spüren, dass seine letzte Stunde mit großen Schritten nahte. Das Frühstück, das ihm durch die Klappe gereicht worden war, war um einiges üppiger ausgefallen als sonst und hatte neben dem Getreidebrei (der heute sogar ganz annehmbar schmeckte) auch etwas Fleisch und Obst beinhaltet. Seine Henkersmahlzeit. Zusätzlich zu dem Krug Wasser hatte er einen kleinen Becher Wein bekommen, aber als er kurz aufgestanden war, war er dagegen gestoßen und der Wein war in den Boden gesickert. Gleich nach dem Frühstück waren zwei Sklaven hereingekommen, die ihn unter Tanefers Aufsicht gewaschen und rasiert hatten. Der Pharao, so hatte der Hauptmann ihm erklärt, würde bei seiner Hinrichtung anwesend sein und er sollte das königliche Auge nicht beschämen.

Tanefer knotete einen langen Strick an seine Handfesseln und bestieg seinen Streitwagen. Mit einer Hand hielt er sich am Geländer fest, mit der anderen Jono, der sich wie ein Maulesel vorkam, als der Hauptmann dem Fahrer ein Zeichen gab und sich der Streitwagen in Bewegung setzte. Ein Trupp Soldaten umringte sie.

Die Straßen waren von Menschen gesäumt, die einen Blick auf den Mann erhaschen wollten, der versucht hatte, ihren Pharao umzubringen. Jono seufzte leise. Bei seiner Ankunft vor einigen Wochen war die Luft von Blumen erfüllt gewesen, was ihm jetzt um die Ohren flog, waren gammliges Obst und Gemüse und kleine Steine. Er wich ein paar Kindern aus, die mit alten Feigen nach ihm warfen.

Dabei war er unschuldig, das Opfer eines hinterhältigen Komplotts! Es gab für ihn keinen Grund, den Rücken zu krümmen und sich vor den Menschen zu verstecken. Er hatte das Amulett vielleicht auf nicht ganz rechtmäßige Weise an sich gebracht, aber er hatte den Pharao wie aufgetragen gerettet, und wenn es die Götter zuließen, tat er es auch ein weiteres Mal, selbst wenn er ihn danach hinrichten ließ. Er hatte Seth versprochen, nicht aufzugeben. Er hatte es in seinem ganzen Leben nicht getan und er hatte nicht vor, jetzt, kurz vor seinem Tod, damit anzufangen. Jono straffte sich und ging gerade aufgerichtet weiter.

Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, das mit jedem Schritt, den er dem Richtplatz näher kam, stärker wurde. Die Gegend kam ihm so bekannt vor, doch er war sich sicher, nie in diesem Teil der Stadt gewesen zu sein. Die Soldaten, die die Leute am Straßenrand hielten, gaben sich keine Mühe, sie davon abzuhalten, Jono als Zielscheibe für ihre Wurfgeschosse zu missbrauchen.

Wenigstens kann ich nicht mehr tiefer sinken, tröstete sich Jono. Für die Menschen bin ich schon ganz unten angekommen. Auf die Karriere wäre Vater bestimmt sehr stolz. Vom großen Helden zur meistgehassten Person des Königreiches.

„Wir sind gleich da“, sagte Tanefer und wandte den Kopf zu ihm. „Da vorne, wo der Obelisk ist, kannst du schon den Platz sehen.“

In Sekunden wurde Jono klar, warum ihm die Gegend so bekannt vorkam. Er war nächtelang in seinen Träumen durch diese Straßen gelaufen, auf der Suche nach Seth und dem Pharao. Aber dann war heute der Tag, an dem Anitta ...

Sie ließen die letzten Häuser hinter sich und kamen auf dem Platz an. Das Elektrum an der Spitze des Obelisken glänzte in den goldbraunen Tönen von Bernstein im Sonnenlicht. Auf dem Platz waren zwei Podeste errichtet worden. Auf dem einen stand der Richtklotz, über den Jono seinen Kopf halten sollte. Die zweite Plattform war für den Pharao, die Millenniumswächter und seine hethitischen Gäste mit Hockern und einem Dach aus Stoff, das vor der Hitze schützte, hergerichtet worden.

Die lauter werdende Melodie von Pauken und Flöten kündigte die hohen Herrschaften an. Waren eben noch Buh-Rufe aus den Mündern der Menschen gedrungen, ließ sich nun Jubel vernehmen, als der Pharao, begleitet von seinem Gefolge, durch die Straßen von Men-nefer ritt. Atemu winkte seinem Volk zu und versuchte zu lächeln.

Die Menschen auf dem Platz fielen in eine tiefe Verbeugung, bis er sich mit seinen Begleitern gesetzt und den Leuten ein Zeichen gegeben hatte, dass sie sich wieder erheben durften. Jono stellte erleichtert fest, dass Seth nicht da war. Je weiter er ihn von Anitta entfernt wusste, umso besser.

Shimon zog einen gesiegelten Papyrus hervor und entrollte ihn.

„Jono, Sohn des Händlers Amenhotep aus Zawtj, das hohe Gericht Seiner Göttlichen Majestät hat dich für schuldig in folgenden Anklagepunkten befunden: Diebstahl des Auges des Ra aus dem Allerheiligsten des Amun-Ra-Tempels zu Zawtj, Betrug und Fälschung der Identität und versuchter Mord an Seiner Majestät dem Pharao von Kemet. Aus den genannten Gründen bist du zur Hinrichtung durch das Schwert verurteilt worden. Mögest du nun vor das Gericht der Götter treten und dich ihnen gegenüber für deine Taten verantworten.“
 

Die Tränen waren versiegt, seine Augen brannten hinter den geschlossenen Lidern. Warme Sonnenstrahlen fielen durch die hohen Fenster ins Innere des Tempels und auf den am Boden liegenden Hohepriester.

Warum nur, Amun-Ra, Horus?, dachte Seth. Welches Verbrechen haben wir begangen, dass Ihr uns so grausam dafür straft?

Er wusste, dass es sinnlos war, auf eine Antwort zu warten. Sie würden sie ihm nicht geben. Auf einmal erfüllte ein feines Rauschen, das Flattern von Flügeln den Tempelraum. Helles Licht breitete sich aus, drang durch Seths Lider.

„Das kann man sich ja nicht mehr mit ansehen!“, sagte eine Stimme.

Verwirrt schlug Seth die Augen auf. Direkt vor sich sah er goldene Sandalen. Als sein Blick höher ging, schaffte er es gerade noch, einen Schrei zu unterdrücken und aus seiner liegenden in eine kniende Position zu wechseln.

„Ach, nun steh schon auf“, sagte Horus. „Für Formalitäten haben wir jetzt keine Zeit.“

Leicht schwankend kam Seth auf die Füße.

„Dass ihr Menschen immer gleich so schnell aufgeben müsst. Und sobald ein paar Probleme auftreten, eilt ihr in den Tempel, um zu beten, statt erst mal selbst euren Kopf anzustrengen. Kein Wunder, dass wir Götter nicht aus der Arbeit herauskommen, wenn wir alles für euch richten sollen! Hast du schon mal daran gedacht, dass wir auch gern mal Urlaub hätten?“

„Also ...“ Seth wusste nicht, was er dazu sagen sollte.

„Kreta soll zu dieser Jahreszeit sehr schön sein“, fuhr Horus fort, die ungläubige Miene des Priesters missachtend. „Apollon hat mir neulich davon vorgeschwärmt.“

„Wes-weshalb seid Ihr ... hier?“, fragte Seth, der versuchte, den Gott nicht die ganze Zeit anzustarren, aber seine Augen kaum woanders hin lenken konnte. Selbst einem Hohepriester erschien nicht jeden Tag ein Gott persönlich.

„Du stellst Fragen, ich will dir mit Jono helfen. Vielleicht habe ich den Jungen mit seinen Aufgaben ein bisschen überfordert.“

„Bei Horus ... äh, ich meine bei Eurem Namen, dann stimmt das, was Jono mir erzählt hat.“

„Jedes einzelne Wort, Seth. Aber nun lass uns nicht länger Zeit vertrödeln, Jono braucht deine Unterstützung. Du musst ihm das hier bringen.“ Er zog das Auge des Ra hervor und reichte es Seth.

„Eines verstehe ich nicht, großer Horus. Wenn er der Hüter des Amulettes ist ... Warum konnte er es dann nicht einsetzen, als der Rat über ihm zu Gericht saß?“

„Das Amulett prüft seine Wächter lange und gründlich, bevor es sie anerkennt. Es akzeptiert nur denjenigen, der auch in größter Not nicht aufgibt. Aber jetzt geh! Du musst dich beeilen, sonst wird er nicht der Einzige sein, der heute den Tod findet.“

„Ich werde ihn nicht sterben lassen.“

Seine Hand ballte sich entschlossen um das Amulett. Er griff nach dem am Boden liegenden Millenniumsstab, verneigte sich ein letztes Mal kurz vor Horus, fuhr dann herum und verließ das Allerheiligste. Im Laufschritt ging es über den Hof des Inneren Heiligtums und weiter durch die Vorhöfe. Wie auf seinem Hinweg sahen ihm die anderen Priester verdutzt hinterher. Seth war wie ausgewechselt, auf dem Hinweg nicht ansprechbar und in Teilnahmslosigkeit versunken und jetzt plötzlich scheinbar voller Tatendrang.

„Hapi, mein Pferd!“, schrie Seth, als er über den Zweiten Hof rannte.

Der Junge, der sich mit einem der Tempelschüler unterhalten hatte, sprang auf, um den Befehl seines Meisters auszuführen. Seth stieß den Stab in seinen Gürtel, verstaute das Amulett in einem kleinen Beutel und schwang sich auf Chons’ Rücken. Bevor Hapi auf seinem eigenen Pferd saß, hatte er den Hengst bereits gewendet und jagte auf das Tor zu.

„Was hat er es denn auf einmal so eilig?“, sagte Hapi und folgte ihm.

Seth jagte in einem Tempo durch die Straßen, als seien alle Wesen des Schattenreiches hinter ihm her. Immer wieder trieb er Chons an, damit dieser schneller lief. Wenn er zu spät kam – das würde er sich nie verzeihen können. Nie im Leben.
 

Shimon rollte den Papyrus wieder zusammen und nahm seinen Platz an der Seite des Pharao ein. Tanefer führte Jono die Stufen des Podestes hinauf. Dem Verurteilten wurde es mulmig, als er sah, dass Reshef hinter ihm hinaufstieg. Hoffentlich schlug er kräftig genug zu, dass nicht mehr als ein Schlag nötig war, um seinen Kopf vom Rumpf zu trennen. Raneb hatte seinem Freund von Fällen berichtet, wo ein ganzes Dutzend Hiebe nicht gereicht hatte und die Person war die ganze Zeit über noch am Leben gewesen.

„Knie dich hin“, sagte der Henker.

Tanefer half Jono noch, sich vor dem Richtblock auf die Knie zu begeben, dann zog er sich zurück. Jono legte seinen Kopf seitlich auf das Holz und schloss die Augen. Ich bin unschuldig!, war sein letzter Gedanke, als das Kopesh auf seinen Hals zusauste.

„Halt, sofort aufhören! Haltet ein!“, brüllte Seth.

Die Leute stoben schreiend und kreischend vor dem galoppierenden Pferd auseinander, versuchten aus der Reichweite der Hufe zu kommen. Seth lenkte Chons durch die sich bildende Gasse zum Richtpodest, zügelte ihn abrupt und sprang von seinem Rücken, noch bevor der Hengst richtig zum Stehen gekommen war. Er hastete die Treppen hinauf und nahm dem verwirrten Reshef, der bei seinem Ruf gestutzt hatte, das Schwert aus der Hand, welches dicht über Jonos Hals schwebte.

„Seth, was hat dieser Auftritt zu bedeuten?“, fragte Atemu und stand von seinem Sitz auf.

„Vergebt mir, mein Pharao, aber Ihr seid im Begriff, einen großen Fehler zu begehen. Ich bin, wie Ihr mir befohlen habt, zum Tempel gegangen und dort erschien mir der Gott Horus“, sagte Seth und half Jono auf die Beine. Er durchtrennte seine Seile, warf das Kopesh zu Boden und zog das Amulett hervor. „Er bestätigte mir Jonos Unschuld und gab mir das Auge des Ra, um es seinem Wächter zu bringen.“

Mit diesen Worten legte er Jono das Amulett um den Hals. Für einen Augenblick glühte das Auge aus Karneol in strahlend hellem Rot. Das Ziehen, das Jono seit seiner Auspeitschung durch die Wunden im Rücken gespürt hatte, verschwand, sein Fleisch verheilte.

„Doch wie wollt Ihr die Briefe an den Attentäter erklären?“, sagte Akunadin.

„Das habe ich doch die ganze Zeit zu erklären versucht!“, rief Jono. „Jemand muss sie mir untergeschoben haben, um von sich selbst abzulenken. Hätte ich Euren Tod gewünscht, mein Pharao, so hätte ich den Attentäter nicht aufgehalten, als er in Eure Gemächer eindringen wollte. Aber ich kenne den wahren Auftraggeber. Ihm wäre es nur recht, wenn ich heute sterben würde und sein Geheimnis sicher wäre. Aber ich habe lange genug geschwiegen! Hinter der ganzen Sache steckt kein Geringerer als Fürst Anitta!“

Jono richtete seine Hand auf den Hethiter.

„Das ist üble Verleumdung!“

„Ich habe Euch bei Eurer Verabredung mit dem Mann gesehen, am Ufer des Nil. Ihr gabt ihm einen Beutel voll Gold, die eine Hälfte, wie Ihr sagtet. Die andere sollte er bekommen, sobald sein Auftrag erfüllt sei. Nun, kommen Euch diese Worte bekannt vor?“

Anitta schnappte hörbar nach Luft. Stille legte sich über den Platz, die Aufmerksamkeit wandte sich ihm zu.

„Eine völlig aus der Luft gegriffene Behauptung. Wo sind deine Beweise?“

„Meine Aussage in dieser Sache ist der Beweis.“

„Was gilt schon das Wort eines verurteilten Verbrechers?“

„An Eurer Stelle wäre ich mit diesem Titel etwas weniger verschwenderisch“, mischte sich der Pharao ein. „Das Amulett würde keinen Mörder erwählen. Jono, ich spreche dich hiermit von allen Anschuldigungen frei.“

„Aber, Euer Majestät!“, empörte sich Anitta.

„Ich könnte mir vorstellen, dass sich noch weitere Beweise finden lassen, wenn sich des Pharaos Männer Eure Gemächer vornehmen, verehrter Fürst“, sagte Jono. „Wenn Ihr mit dem Attentäter eine schriftliche Korrespondenz unterhalten habt, wie Ihr sie mir in die Sandalen schieben wolltet, dann befinden sich die Briefe des Mannes mit etwas Glück noch in Eurem Besitz. Marik berichtete mir einmal, dass Ihr die Angewohnheit habt, Euch schwer von etwas trennen zu können.“

Der Fürst schluckte.

„Ich habe allmählich den Eindruck, Ihr habt uns etwas zu erklären, Fürst Anitta“, sagte Atemu. „Tanefer, schickt ein paar Männer in den Palast zurück, sie sollen die Gemächer des Fürsten durchsuchen. Und – Aaaah!“

„Mein Pharao, was habt Ihr?“, fragte Shada, um im nächsten Moment selbst einen Schrei auszustoßen.

„Endlich, es wirkt“, sagte Anitta.

Von einer Sekunde zur nächsten füllte sich der Platz mit den Schreien der Menschen. Jono und Seth blickten sich entsetzt um und mussten mitverfolgen, wie die Zuschauer und Wachen, die Millenniumswächter und selbst Lubarna und Zidanta aufschrien und zu Boden stürzten. Viele hatten die Arme um den Leib geschlungen.

„Was habt Ihr getan!“, rief Jono.

„Es ist schon erstaunlich, was so ein bisschen Gift im Wein bewirken kann ...“, meinte Anitta achselzuckend. „Oder im Trinkwasser der Stadt. Nur keine Angst, es tötet nicht, es lähmt nur für ein, zwei Stunden den Körper. Aber warum seid ihr zwei noch nicht zusammengebrochen und gelähmt wie die anderen?“

„Weil ich Euren Wein zum Fenster hinausbefördert habe“, sagte Seth.

„Da hat mir meine Schusseligkeit ja mal das Leben gerettet“, überlegte Jono erstaunt.

„Dir vielleicht, aber deinem Pharao wird sie das sicher nicht!“

Anitta packte den halb auf seinem Stuhl hängenden, halb am Boden liegenden Herrscher, zog ihn zu sich hoch und richtete sein Schwert auf ihn.

„PHARAO!“, kam es gleichzeitig aus Jonos und Seths Mund.

„Keine falsche Bewegung oder ihr habt gleich keinen Pharao mehr. Wenn Kuruna nicht gestört worden wäre, befänden wir uns längst mit der Gewissheit, dass sich Kemet bald im Bürgerkrieg befindet, auf dem Heimweg und könnten uns auf den Krieg vorbereiten. Aber du, Jono, du musstest dich ja unbedingt einmischen!“

„Ganz ruhig“, sagte Seth. „Sagt uns, was Ihr wollt und lasst unseren Herrn frei. Wir können über alles verhandeln.“

„Verhandeln? Dass ich nicht lache! Wir haben schon viel zu viel Zeit mit diesen Verhandlungen vertrödelt. Und was ich will, ist ganz einfach. Gebt Hatti die Herrschaft über Kemet.“

„Dieser Wunsch ist anmaßend und völlig inakzeptabel!“, sagte Seth und griff nach seinem Stab.

„Das“, Anitta zog Atemu noch näher zu sich und hielt ihm das Schwert an die Kehle, „würde ich bleiben lassen, Seth. Euer dümmliches Zauberstäbchen kann mir ohnehin nichts anhaben. Ich bin immun gegen die Macht der Millenniumsgegenstände.“

„Wie das?“

„Als Euer Meister Akunadin die Gegenstände mit einigen Magiern erschuf, überlebten außer ihm nur zwei die Zeremonie. Einen von ihnen griffen meine Männer vor ein paar Jahren im Grenzgebiet auf und nahmen ihn gefangen.“

„Meister Djer ... Er gilt seit langem als verschwunden –“

„– und dabei befand er sich die ganze Zeit in meinem Gewahrsam. In meinem Auftrag erforschte er die Millenniumsgegenstände weiter und ich zwang ihn, einen Zauber zu finden, der ihren bricht. Damit war ich bei unserem Aufbruch in Hattusa einer Sorge ledig und konnte mich um anderes kümmern. Da der König unbedingt Frieden wollte, überredete ich ihn, mich in die diplomatische Delegation aufzunehmen, um so nach Kemet zu kommen und das Übel bei der Wurzel auszureißen und Muwatalli dem Zweiten zu zeigen, dass Kemet nicht das starke Reich ist, für das er es hält. Dummerweise stellten sich mir Fürst Zidanta und Prinz Kail immer wieder in den Weg und wollten sich nicht überzeugen lassen, den Friedensvertrag platzen zu lassen. Also sorgte ich dafür, dass sich die Spur Seiner Hoheit im heißen Wüstensand verlor.“

„Das wart Ihr also auch!“, sagte Jono.

„Die Tollkirsche ist ein wundervolles Gewächs, meint Ihr nicht auch?“, fuhr Anitta fort. „Heilt so manche Krankheit und trägt doch zugleich den Wahnsinn in sich, wenn man sie zu hoch dosiert, den Tod. Nur ein paar Tropfen in Kails abendlichen Wein und schon war er im Lager nicht mehr zu halten.“

Ein dunkles Lachen stieg aus der Kehle des Hethiters auf. Jonos Augenbrauen zogen sich zusammen, er knurrte wütend. Anitta hatte alle von Anfang an nur ausgenutzt, hatte die aus dem Weg geräumt, die sich ihm entgegengestellt hatten, selbst vor dem Sohn seines eigenen Königs nicht halt gemacht. Unbändige Wut stieg in Jono auf.

„Lasst den Pharao los! Wenn Ihr unser Reich wollt, dann weiß ich einen anderen Weg, wie wir eine Entscheidung herbeiführen können. Nicht mit Euren Listen und Betrügereien, nicht mit Morden, auch nicht mit Krieg. Lasst uns dem alten Weg folgen. Ein Zweikampf, nur Ihr und ich.“

„Warum sollte ich mich darauf einlassen?“

„Dann werdet Ihr so heimkehren, als der Fürst, der gegen den Willen seines Königs handelte? Der mit Heimtücke ein Reich an sich brachte, das er in einem ehrlichen Kampf hätte gewinnen können?“

Der Hethiter blickte zwischen den beiden Ägyptern und dem Pharao eine Weile hin und her.

„Jono, bist du dir sicher, dass du weißt, was du da tust?“, flüsterte Seth.

„Ja, das bin ich.“

„Ich habe mir dein Angebot überlegt, Jono, und ich bin einverstanden. Unser Kampf soll über das Schicksal von Kemet entscheiden.“

Er ließ Atemu los, der in seinem bewegungsunfähigen Zustand hilflos auf den Boden sackte. Anitta stieg, das Schwert erhoben, von dem Podest. Seth hob das Kopesh auf, das er Reshef abgenommen hatte, und reichte es Jono. Der jedoch schüttelte den Kopf.

„Das brauche ich nicht, Seth.“

„Aber –“

Er schüttelte lächelnd den Kopf und sprang vom Richtpodest.

„Wie denn, du willst dich mir ohne Waffen stellen? Na, das nenne ich

mal mutig – aber auch sehr dumm! Wie leicht willst du es mir noch machen, dich zu töten?“, sagte Anitta.

„Wer hat gesagt, ich würde ohne Waffe kämpfen?“

Jono verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen.

Erhöre mich, Herr der Sonne.

Anitta schritt lachend auf ihn zu.

„Was soll das werden, übst du schon für deine Zeit als Mumie?“

Er begann zu rennen, holte mit dem Schwert aus. Rötliches Leuchten umgab das Amulett. Jono öffnete die Augen, sah die Klinge auf sich zukommen. In seiner rechten Hand fühlte er kühles Metall, umwickelt von roten Lederbändern. Er riss das Schwert hoch und stoppte so den Angriff seines Gegners. Funken stoben, als die Bronzeklinge des Hethiters auf die von Flammen umgebene in Jonos Hand traf.

„Was ist das?“

„Es war keine Lüge, es war keine Einbildung, Anitta. Das Amulett hat mich gerufen. Ich bin der Krieger des Ra!“

„Das ist unmöglich!“ Anitta entfernte sich ein paar Schritte von ihm. „Du dürftest überhaupt keine Kraft haben. Mein Amulett sollte das doch verhindern!“

Er griff in den Ausschnitt seines Gewandes und zog ein aus Silber gearbeitetes Amulett hervor, ein Doppelkreis mit einer verbindenden vertikalen Verbindungsstange.

„Ihr habt Djer nur beauftragt, etwas zu finden, das gegen unsere Millenniumsgegenstände wirkt“, sagte Seth, „aber das Auge des Ra gehört nicht dazu, weil es viel älter ist.“

„So ist es. Und nun kämpft!“, sagte Jono und griff ihn an.

Auch wenn die Soldaten vor der Ankunft von Jono und dem Pharao den Platz direkt um das Richtpodest möglichst weiträumig abgesperrt hatten, blieb den beiden Kämpfenden nicht allzu viel Platz. Immer wieder mussten sie aufpassen, dass sie nicht über die gelähmten Men-schen stolperten, die überall lagen. Jonos Flammenschwert schlug erbarmungslos auf Anitta ein und brachte die Luft zum Flimmern. Nach wenigen Hieben rann beiden der Schweiß über den Leib, die Mittagssonne wie auch die feurige Waffe, die das Auge Jono gegeben hatte, forderten ihren Tribut.

„Du hättest dir das mit dem Kampf vorher überlegen sollen, Kleiner“, lachte Anitta und griff ihn mit einer Reihe von ineinander übergehenden Hieben an. „Zidanta konntest du schon nicht schlagen, wie willst du mich dann besiegen?“

„Wir werden ja sehen.“

Wie zwei Raubtiere umkreisten sie einander in leicht gebeugter Haltung, ohne den Blick vom anderen abzuwenden, zuckten einige Male kurz, als wollten sie angreifen, warteten auf eine Lücke in der Deckung, einen Moment der Unachtsamkeit. Das Schwert von links unten nach oben rechts führend, griff Anitta ihn mit all der Wucht an, die er in den Jahren auf dem Schlachtfeld erworben hatte. Die Klinge quer zum Körper gelegt, blockierte Jono ihn, knapp vor seinem Gesicht. Seine freie Hand legte sich an die Spitze der Klinge, um mehr Druck auszuüben. Die Flammen, die sie umkreisten, waren warm, doch verletzten sie ihn nicht.

Beeil dich, Jono, hörte er Horus’ Stimme aus dem Amulett. Das Auge des Ra zieht einen Teil seiner Kraft aus seinem Träger. Du darfst die heilige Macht nicht zu lange einsetzen.

Er fühlte, wie er schwächer wurde. Jono wusste nicht, wie lange ihr Kampf bereits ging, nur dass er das Flammenschwert nicht mehr sehr lange halten konnte. Seine ganze Kraft zusammennehmend, stemmte er sich gegen Anitta und zwang ihn zu einem Rückzug. Der Atem der beiden ging schwer.

„Ich kann mir nicht vorstellen, warum sich das Amulett ausgerechnet dich ausgesucht haben soll“, sagte Anitta. „Eure Götter müssen verrückt sein. Du bist kein Krieger, nur ein kleiner Junge, der grundsätzlich den Mund zu voll nimmt.“

„Wenn Ihr Euch da nur nicht täuscht“, sagte Jono lächelnd. „Ich bin der Krieger des Ra. Und Euer Untergang!“

Mit einem Schwertstreich brachte er Anitta zu Fall. Als die Waffe auf den Hethiter hernieder fuhr, rollte er sich zur Seite und richtete sich etwas von ihm entfernt auf.

„Das Zielen hättest du etwas sorgfältiger üben sollen.“

„Wer sagt denn, dass Euer Körper mein Ziel war?“, sagte Jono mit verwundert klingender Stimme und hielt seine freie, zur Faust geballte Hand hoch. Er öffnete sie und etwas silbern Glänzendes, das an einem Lederband hing, fiel heraus.

„Mein Amulett! Gib das wieder her!“

Jono grinste ihn siegesgewiss an, warf das Amulett auf den Boden, holte aus und durchhieb es mit dem Schwert. Unter den heißen Flammen schmolz das Silber, bis es nur noch eine unförmige Masse war.

„NEIN!“, schrie Anitta, stolperte über das Bein eines Mannes und fiel auf den Rücken.

Seth hatte das Gefühl, ihm würde ein großer Stein von der Brust genommen, den er bisher kaum wahrgenommen hatte. Der Bann, der die Millenniumsartefakte blockiert hatte, war aufgelöst. Jono stieß Anittas Schwert mit dem Fuß weg und richtete seine Waffe auf den Hethiter.

„Warte, Jono“, sagte Seth und verließ das Podest. „Er gilt leider immer noch als Diplomat, bis er unser Reich verlässt. Diesen Status kann ihm nur sein König aberkennen. Wir müssen ihn am Leben lassen und ihn nach Hattusa zurückschicken. Soll sich der Großkönig der Hethiter mit ihm befassen und seine Strafe festlegen.“

„Hmm ... Wie du meinst.“

Seth fesselte Anitta Hände und Füße und beschwor dann, zu Jonos großem Erstaunen, seine Ka-Wesen Minotauros und Zentauros, die er losschickte, um in der Stadt nach Soldaten zu suchen, die nicht von dem verseuchten Wasser getrunken hatten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ryuichi-Sakuma-
2008-11-10T11:23:28+00:00 10.11.2008 12:23
Mal wider ein echt Geiles Kapi von dir*smilie*
Juhu Jono wurde doch noch gerettet *freu* nah Gott sei Dank hatt sich Horus doch noch blicken gelassen und Seth das Amulet gegeben um damit Jono zu helfen und er hat gekämpft und gesiegt *freu freu*
Bin ja mal echt gespannt wie das nun weiter gehen wird *smilie*
Kann es garnicht abwarten weiter zu lesen *lächel*
Deswegen kannst du mir immer wenn es weiter geht eine En schicken?? *lieb frag* ich will ja nichts von deiner Geilen FF verpassen *zwinker*

Gruß: Ryuichi-Sakuma-
(^-~)/
Von:  Sathi
2008-11-06T13:13:32+00:00 06.11.2008 14:13
*schwärm*
einfach der wahnsinn
vor allem wird es immer spannender!!
*vor spannung gar nicht mehr ruhig sitzen kann*
*auf und ab hüpf*
Von:  Judari
2008-11-04T18:20:07+00:00 04.11.2008 19:20
AAAAAAAAAAAAAAAAA GEIL^^!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Von:  saspi
2008-11-04T15:50:42+00:00 04.11.2008 16:50
Hey!!!
geniales kappi!!!
Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon gespannt wie 's weiter gehen soll!!!
glück gehabt. in mehrern sachen.
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye

Von:  Rani
2008-11-04T14:32:12+00:00 04.11.2008 15:32
Was passiert denn nun weiter an der spanensten stelle am machst du wieder halt das ist gemein ich bin gespannt wie es weiter geht schreib bitte schnell weiter ich freue mich schon auf eine neue Nachricht


lg Rani


Zurück