Spectaculum Insaniae von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Lied 4. Natürliche Hindernisse (Tsukiko) --------------------------------------------------- Lied 4. Natürliche Hindernisse (Tsukiko) Irgendwann im Laufe des Nachmittages hatte es angefangen zu schneien. Das war nicht weiter auffällig. Allerdings schien es nicht damit aufhören zu wollen. Die Schneedecke draußen war mittlerweile nämlich sicher schon anderthalb Meter oder höher, denn das war schon kein Schneefall mehr, sondern ein ausgewachsener Schneesturm. Folglich saßen alle – auch die Day Class, weil sie vorzeitig aus dem Unterricht entlassen wurden – in ihren jeweiligen Wohnhäusern fest. Davon unbeeindruckt hatte sich Tsukiko in eine Decke gewickelt mit einer Tasse beinah noch kochendem Tee in der Hand und nebenher noch ab und an an einer Tafel Schokolade knabbernd. Ihr eigenes Zimmer war ein Einzelzimmer, allerdings funktionierte die Heizung noch nicht richtig und wenn sie selbst versucht hätte, das Zimmer aufzuwärmen, hätte sie wahrscheinlich eher alles abgebrannt. Daher verbrachte sie diese Nacht bei den einzigen anderen Vampiren, bei denen sie zumindest in Erwägung ziehen konnte, etwas zu sagen. Genauer gesagt, ihrem Bruder und ihrem Cousin, dessen Bett sie grade als Sitzgelegenheit misshandelte. Während letzterer nicht einmal besonders überrascht von ihrer Anwesenheit zu sein gewesen schien, war die Szene des ersteren in der Tat recht belustigend gewesen. Schockiert, überrascht, vielleicht auch etwas sauer und eifersüchtig – bei ihm wusste man das nie – allerdings auch recht kurz. Der Enthusiasmus Aidos’ wurde dadurch gestoppt, dass er sich eine Ohrfeige des Reinblüters einfing mit der Bemerkung, er könnte seine Schwester ruhig freundlicher begrüßen. „Ich frage mich ja immer noch, was diese Werwölfin hier will“, murmelte Kain auf einmal in die Stille hinein, als er aus dem Badezimmer herüber kam. „Mir egal. Hauptsache, sie bleibt nicht an der Schule. Sonst mach ich nicht mehr mit. Lasst mich schlafen.“ „Aido, nur weil keiner raus kann, kannst du ruhig aufstehen.“ Schweigend betrachtete das Mädchen diesen kurzen Wortwechsel der beiden anderen. Für ihren Bruder war das typisch. Natürlich stellte er seine eigene Bequemlichkeit wieder über alles andere. Allerdings ist es auch wirklich überraschend, wie schnell er hellwach werden konnte, wenn das Kissen, auf dem er lag, anfing zu brennen. Mit einem Ruck saß er aufrecht. „Was soll das schon wieder, Kain?“ Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Unschuldig.“ Woraufhin die Blonde ein boshaft-schadenfrohes Lächeln nicht unterdrücken konnte. Mit einem unverständlichen Gemurmel, wahrscheinlich Flüchen, überzog Aido die Flammen mit einer Eisschicht, die prompt schmolz und dabei das Feuer löschte. „Ich dachte, du hättest gesagt, du beherrscht das Feuer noch nicht so gut?“ „Ich sagte, ich würde mich nicht darauf verlassen, dass es jedes Mal funktioniert. Aber das Risiko, deine Haare in Brand zu setzen, bin ich grad ganz gern eingegangen.“ „So viele zusammenhängende Worte am Stück von dir. Bist du krank?“ Als sie den Kopf schüttelte und ihm einen bösen Blick schenkte, breitete sich ein flüchtiges Lächeln auf dem Gesicht des Jungen aus. „Ah, da ist ja meine Schwester wieder!“ „Lass den Blödsinn, Hanabusa“, bemerkte Kain trocken. Von diesem Moment an klinkte sich Tsukiko wieder aus dem Gespräch aus und sah stattdessen durch das Fenster nach draußen. Durch den ganzen Schnee weiter unten war es unnatürlich hell für diese Tageszeit; im Erdgeschoß hätte sie wahrscheinlich nur Schnee gesehen. Wenn sie lange da hinaus schaute, würde sie noch blind werden. Zumindest kurzfristig. Daher war sie sich auch nicht sicher, ob sie sich den fast unsichtbaren, weil weißen Wolf mit den goldenen Augen nur einbildete. Oder dass er ihr genau in die Augen zu sehen schien. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)