So what von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Kapitel 4 Der Raum, in den Venecio seinen Eltern gefolgt war, war zwar klein, doch konnte man erkennen, dass das Mobiliar nicht billig war. Die Couch war aus dunklem Leder, der Sekretär, welcher unter dem Fenster stand, bestand aus Teakholz. Ein dunkler, schwerer Teppich lag auf dem Parkettboden. Auf einem kleinen Beistelltisch, ebenfalls aus Teak, standen drei Gläser und etwas zu trinken. Mehrere Gemälde hingen an den Wänden. Die Künstler waren ihm allesamt unbekannt. "Setz dich doch", sein Vater deutete auf einen kleinen Sessel. Venecio ließ sich in den Sessel plumpsen. "Wie gefällt dir denn deine neue Schule?", fragte sein Vater noch einmal. Und wieder bekam er nicht unbedingt eine Antwort, die ihm gefiel: "Überhaupt nicht." "Sind die Lehrer nicht nett?" "Keine Ahnung." "Und deine Mitschüler?" "Scheiße." Sein Vater zog die Luft ein: "Ich darf doch bitten. Solche Ausdrucksweise wird hier nicht geduldet." "Ich bin halt so und ich werde mich bestimmt nicht ändern. Finden Sie sich damit ab, oder lassen Sie es bleiben! Worüber ich sehr erfreut wäre." "Venecio, du musst uns doch verstehen. Wir konnten nicht anders. Was würden denn die Leute denken, wenn sie das erfahren hätten? Wir waren noch nicht mal verheiratet", versuchte sein Vater ihm zu erklären. "Ja, klar. Und wie es mir dabei geht, dass interessiert Euch doch einen scheiß Dreck! Euch ist euer Ansehen doch viel wichtiger als ich. Ihr habt mich abgeschoben, mir noch nicht mal einen Namen gegeben. Ich bin nicht gewillt den euren zu tragen. Ich gehöre nicht hier her und das habt ihr ganz allein euch zu zuschreiben!" Seine Mutter sah ihn betroffen an. Auch seinen Vater schien er aus der Fassung gebracht zu haben. "Für mich sind Sie nicht meine Eltern, für mich sind Sie nichts weiter als Fremde, die mit aller Kraft versuchen mein Leben zu zerstören. Aber da spiele ich nicht mit. Eher springe ich von einer Brücke", sagte Venecio nun etwas ruhiger. Entsetzt schlug sich seine Mutter die Hand vor den Mund, sprang auf und verließ mit schnellen Schritten den Raum. "Siehst du, was du angerichtet hast? Deine Mutter kann am wenigsten dafür! Ich habe sie dazu gedrängt, dich wegzugeben." "Dann ist sie um keinen Deut besser als Sie es sind", auch Venecio richtete sich auf. Er war ein Stück größer als sein Vater, "Wenn sie freiwillig ihr Kind weggibt!" KLATSCH! Erschrocken sah Venecio seinen Vater an, der stand noch immer mit erhobener Hand vor ihm. Eine rote Hand war deutlich auf Venecios linken Wange zu sehen. Wütend funkelten seine Augen. Dann stürmte er aus dem Raum. "Venecio!" Venecio rannte über den Hof. Erst, als das Haus in weiter ferne war, blieb er erschöpft stehen. Seine Wange brannte. Im Grunde hatte er die Ohrfeige verdient, dass wusste er. Doch sie vervielfachte seinen Hass auf seinen Vater. Er konnte Schläger und solche Leute, denen Mal die Hand ausrutschte nicht leiden. Er tat es ja auch nicht. Auch wenn er manchmal so rüber kam. Aber das war nichts weiter als eine Fassade, ein Schutzwall, damit andere ihn nichts mehr anhaben konnten. Er sah sich genauer um. Er war in der Nähe eines Waldes angelangt. Ob dieses Gelände noch zu dem seines Vaters gehörte. Es war ihm auch egal. Alles was er wollte, war hier so schnell wie möglich wegzukommen. Langsam machte er kehrt. Nun würde er wieder auf seinen Vater treffen. Ob er seine Worte bereute? Nein, das tat er nicht und er war fest entschlossen sie auch in die Tat um zusetzten, falls man ihn nicht endlich verstehen und nach Hause gehen lassen würde. Er sah ein paar Gestalten umher laufen. So wie es aussah, suchte man ihn bereits. Als seine Mutter ihn entdeckte, breitete sie ihre Arme aus. Doch er sah sie nur ausdruckslos an und ging an ihr vorbei. Sein Vater befand sich noch immer in dem kleinen Raum. "Venecio, ich wusste das du zurück kommst." Kein Wort der Entschuldigung, kein Wort darüber, was passiert war. Nichts. "Ich will zurück." "Ins Internat? Ich dachte, du würdest noch mit uns zu Abendessen." "Nicht ins Internat. Ich will nach Hause. Dorthin, wo meine Familie ist. Falls Sie wissen, was eine richtige Familie ist." Sein Vater versuchte den provokanten Ton zu ignorieren. "Es ist schwer für dich, dass kann ich verstehen. Sehr gut sogar. Aber du kannst lernen damit umzugehen." "Um dann genauso zu werden wie Sie?" "Um irgendwann in meine Fußstapfen zu treten, ja. Aber nun rede mich nicht ständig mit Sie an, ok", die Stimme seines Vaters klang sanft. So sanft wie das Schnurren einer Katze, die nur darauf wartete ihr Opfer anzufallen. "Sehen Sie! Nicht mal freundlich reden können Sie. Sie suchen ja nur Ihren Nachfolger. Aber wie ich vorhin schon deutlich gemacht habe, werde ich in Ihrem achso perfekten Plan nicht auftauchen." "Das habe ich inzwischen verstanden." Überrascht sah Venecio seinen Vater an. Hatte er sich gerade verhört? Warum sagte sein Vater das auf einmal? "Wir würden uns sehr freuen, wenn du zum Essen bleiben würdest." Venecio überlegte. War das jetzt nur eine Strategie? Wollte sein Vater ihn manipulieren? "Meinetwegen." Ein Lächeln zierte nun das Gesicht des Mannes. Aber so ganz konnte Venecio ihm trotzdem nicht trauen. "Du kannst dich ja erstmal ein wenig frisch machen. In ungefähr einer halben Stunde wird man dich zu Tisch rufen", mit diesen Worten ließ er seinen Sohn alleine in dem dunklen Flur zurück. Auch er Essensaal war luxuriös eingerichtet. Auf einem großen Tisch standen mehrere Kerzen, die zusammen mit einem Kronleuchter den Raum erhellten. Es war für vier Personen gedeckt. Vier? "Bekommt ihr heute noch Besuch?", fragte Venecio. "Ja, ein Geschäftspartner kommt heute noch vorbei. Er würde dich gerne kennen lernen." Sofort verfinsterte sich Venecio Miene. War also doch alles nur geschauspielert: "Ich hab´s doch gewusst!" Sein Vater sah ihn ausdruckslos an: "Denkst du, ich lasse dich so einfach wieder gehen? Du wirst mein Nachfolger werden und dabeibleibt es." Er wollte gerade etwas erwidern, als er ein helles Leuten vernahm. "Jetzt setz dich hin und beherrsche dich!" "Ich lass mir von Ihnen doch nichts vorschreiben!“, konnte er gerade noch sagen. Dann betrat der Geschäftsführer den Saal. "Ah, John! Wir haben uns ja lange schon nicht mehr gesehen. Und das ist also dein Sohn? Haydee junior?" "Mein Name ist Salvatore!" "Natürlich. Es freut mich Sie kennen zu lernen, Mr Salvatore." "Die Freude ist nicht meinerseits." Venecio brachte Mr Kirchner, den Geschäftspartner seines Vater, aus dem Konzept: "Eh, ja. Nun..." "Wie ich sehe hast du deine bezaubernde Tochter mitgebracht", verhalf John seinem Freund und Partner aus der Klemme. Dabei einen todbringenden Blick in Richtung Venecio werfend. Erst jetzt sah Venecio das junge Mädchen hinter Mr Kirchner. Sie sah so zierlich und zerbrechlich aus. Ihr schmales Gesicht wurde von ihrem blonden Haar umrahmt. Blau grüne Augen blitzen ihm entgegen. Der Ausdruck wollte nicht zu ihrer Erscheinung passen. "Das ist Charlie. Ich dachte, sie könnte sich ein wenig mit deinem Sohn unterhalten." "Ich bin nicht Mr Haydees Sohn." Verwirrt sah Mr Kirchner Venecio an. "Lasst uns endlich essen. Ich werde noch ein Gedeck für deine Tochter bringen lassen." "Nicht nötig! Ich werde nicht mit euch essen." "Venecio", Johns Stimme klang bedrohlich. Aber das beeindruckte Venecio wenig. "Lass den Jungen doch. Wenn er keinen Appetit hat", erwiderte Mr Kirchner. Und schon hatte Venecio den Raum verlassen. Es war schon dunkel. Venecio saß draußen auf einer Bank und starrte in den Nachthimmel. Er konnte teilweise die Sterne erkennen. Ein paar Wolken versperrten ihm jedoch größtenteils die Sicht. "Es wird bald Regen geben", sagte plötzlich eine Stimme neben ihm. Er erschrak. "Ich habe dich nicht kommen hören." "Dabei bin ich ganz normal gegangen", sie lachte leise, "Du warst anscheinend in Gedanken versunken." Venecio erwiderte nichts. "Du bist interessant", sprach das Mädchen weiter. "Und du bist nervig", erwiderte Venecio." Wieder lachte sie: "Ich weiß." "Dann ist ja gut." "Du hast meine Vater vorhin ganz schön aus dem Konzept gebracht." "Hab ich das?", kam es unfreundlich zurück. "Ja, das schafft eigentlich keiner. Nicht mal ich. Und ich habe darin schon einige Übung." "Wie alt bist du eigentlich?", fragte Venecio. "16, wieso?" Verblüfft sah er sie an: "Weil, naja, du siehst so ..." "Klein, zerbrechlich und zierlich aus?" Er nickte. "Viele denken deswegen, dass ich noch ziemlich jung bin und dass ich arrogant bin. Und egal was du jetzt von mir denkst, es stimmt und interessiert mich nicht." "Auch nicht, wenn ich dir sagen, dass du hübsch bist?" Mit geöffnetem Mund sah sie ihn an. "Geht doch, jetzt bist du endlich mal ruhig." "Du bist gemein!", sie knuffte ihm in die Seite und lächelte ihn dabei mit ihren strahlenden Augen an. "Ich weiß", erwiderte er und lächelte nun ebenfalls. Ihm war nicht bewusst, wie sie es angestellt hatte, aber sie war eine der wenigen, die es geschafft hatte, normal mit ihm zu reden. Er hatte sich seit jenem Zeitpunkt verschlossen. Hatte mit niemanden über seine Gefühle geredet. Nicht einmal mit seiner Familie, oder mit seinem Bruder, vor dem er eigentlich nie Geheimnisse gehabt hatte. "Woran denkst du gerade?" "Daran, wie glücklich ich eigentlich mal war." "War?" "Du bist nicht nur nervig, sondern auch noch neugierig!", er wollte sie ebenfalls anstoßen, hielt sich aber noch im letzten Moment zurück. "Keine Angst, ich zerbreche nicht gleich wie Porzellan. Übrigens, ich spiele leidenschaftlich gerne Fußball." "Respekt, das hätte ich dir gar nicht zugetraut." "Ich werde immer wieder falsch eingeschätzt. Irgendwie ist das nervig." "Verständlich." Eine Zeitlang sahen sie schweigend in den Himmel. Inzwischen hatten die Wolken sich ein wenig verzogen und der Mond warf sein Licht auf die Erde. Charlie sah dadurch noch blasser aus, als sie sowieso schon war. "Du frierst", bemerkte Venecio nach einiger Zeit. Er zog seine Jacke aus und legte sie um ihre Schultern. "Darf ich dich was fragen?" "Meinetwegen." "Warum bist du so? Warum hasst du deinen Vater so?" Sein Gesicht verdunkelte sich ein wenig. Es dauerte eine Weile, bevor er mir rauer Stimme antwortete: "Als ich geboren worden bin, bin ich gleich zur Adoption freigegeben worden. Sie waren sich sogar zu fein dazu mir einen Namen zu geben. Ich bin in einer guten Familie aufgewachsen. In meiner Familie. Auch wenn sie mir all die Jahre verschwiegen haben, wer ich wirklich bin, kann ich sie verstehen. Sie hatten Angst mich zu verlieren. Und ich habe dieselbe Angst. Eines Tages stand plötzlich Mr Haydee vor der Tür und hat mich einfach mitgenommen. Ohne irgendwelche Erklärungen oder sonstiges. Für mich ist er nicht mein Vater. Er hat mein Leben ruiniert. Ich will ihm nicht folgen. Für all das hasse ich ihn. Für all das soll er leiden." Erschüttert musterte Charlie ihn: "Heftige Sache. Hast du jemals mit jemanden darüber gesprochen?" "Nein, noch nie. Und soll ich dir noch was sagen? Soll ich dir einen weiteren Grund nenne, warum ich dieses ganze Theater nicht haben will?" Sie nickte. Daraufhin beugte er sich zu ihr rüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Mit großen Augen starrte sie ihn an: "Das ist nicht dein Ernst, oder?" "Doch, voll und ganz. Hast du etwa ein Problem damit?" "Nein, natürlich nicht! Ich hätte nur nicht damit gerechnet." "Ich werde immer wieder falsch eingeschätzt. Irgendwie ist das nervig." "Hey! Klau mir nicht meine Wörter!" Er lächelte sie an: "Ich möchte, dass du alles, was ich dir heute erzählt habe, für dich behältst. Ok?" "Kein Problem. Bei mir ist das gut aufgehoben." "Danke." "Ich denke, wir sollten langsam zurück gehen. Mein Vater sucht bestimmt schon nach mir." "Dann los. Ich will hier auch nur noch weg." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)