So what von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Es war früh am morgen. In der ersten Stunde stand Geschichte auf dem Plan. Venecio hatte noch überhaupt keinen Plan, wo sich welche Räume befanden. Und so kam er wieder zu spät. Mr Bela blickte ihn missbilligend an, als er schlitternd vor seinem Lehrer zum stehen kam: „Mr Salvatore, schon wieder zu spät? Ich hoffe es wird nicht zur Gewohnheit. Und wo ist Ihre Uniform?“ „Ich bin schon viel zu träge meine alten Gewohnheiten zu ändern, also werde ich mir wohl kaum neue zu legen. Und eine Uniform besitze ich nicht“, kam es ein wenig schnaufend zurück. „Haben Sie keine von Ihrer alten Schule? Hier in England sind ja alle dunkelblau.“ „Ich war auf einer öffentlichen Schule in Italien. Da trägt man einen solchen Firlefanz nicht.“ „Setzen Sie sich bitte und seien Sie diesmal ruhig.“ Die anderen sahen, dass er noch was erwidern wollte, doch aus irgendeinem Grund ließ er es und ging zu seinem Platz, der komischerweise schon wieder ganz vorne war, obwohl es ein anderer Klassenraum war. „Die Französische Revolution von 1789 bis 1799 gehört zu den folgenreichsten Ereignissen der neuzeitlichen europäischen Geschichte. Die Abschaffung des damaligen feudalabsolutistischen Ständestaats sowie die Propagierung und Umsetzung grundlegender Werte und Ideen der Aufklärung als Ziele der Französischen Revolution – das betrifft insbesondere die Menschenrechte – waren mitursächlich….“, Venecio hörte dem Lehrer nicht mehr zu. Ihn interessierte Geschichte nicht sonderlich und schon gar nicht die französische Revolution. Angestrengt schaute er aus dem. Von hier aus konnte er einen großen Teil des Geländes sehen. Etwas abseits von einem kleinen Park, war ein ovaler See. Aus der Ferne sah er nicht sonderlich groß aus, aber zum baden reichte er bestimmt. „Mr Salvatore?“ Venecio schreckte auf. „Können Sie mir sagen, unter wem die französische Revolution stattfand?“ Er überlegte kurz:„Unter Ludwig dem 15. Ah, nein. Ludwig der 16.!“ „Sie haben ja doch was ihn Ihrem Kopf“, Mr Johnson war zufrieden. „Ich habe nie behauptet, dass ich dumm bin“, entrüstete sich Venecio sogleich. „Sie haben mich vorher noch nicht vom Gegenteil überzeugt und ließen mich in dem Gauben, dass sie von alle dem nichts verstehen.“ Darauf wusste Venecio nichts zu erwidern. Mr Bela hatte ihn auf dem falschen Fuß erwischt. Er murmelte etwa, dass jedoch keiner verstehen konnte. „Was sagten Sie, Mr Salvatore?“ „Ich sagte `merda insegnante`.“ Mr Bela schwieg einen kurzen Moment, bevor er etwas erwiderte: „Mr Salvatore, ob Sie es glauben oder nicht. Ich komme ebenfalls aus Italien und weiß sehr genau, was merda insegnante bedeutet. Aber da wir hier in England sind, werden Sie sich mit dem englischen zufrieden geben müssen. Und ich möchte, dass Sie mir zu morgen einen drei Seitenlangen Aufsatz schreiben, in dem es um den Respekt von Ihren Mitmenschen geht. Haben wir uns verstanden?“ Ein wenig überrascht nickte der Junge nur. „Gut, fahren wir fort. “Am Nachmittag saß Venecio über seiner Strafarbeit. Nachdenklich tippte er mit seinem Kugelschreiber gegen seine Schläfe. Da hatte er sich sehr gut selbst reingelegt. Hatte nicht bemerkt, dass seine Lehrer ein Italiener war. Zu dumm aber auch. Er schrak auf, als ihn jemand von hinten antippte. Es war William. Ein wenig genervt zog er sich einen Ohrstöpsel aus dem Ohr. „Ich dachte es soll niemand wissen, dass wir uns kennen.“ „Ja, danke. Mir geht es auch gut.“ „Kann es sein, das du ein wenig auf Streit aus bist?“, wollte Venecio wissen. „Nein, eigentlich nicht „Was willst du dann?“ „Mit dir reden. Ich soll Mr Haydee Bericht über dich erstatten. Da ich…“ Venecio unterbrach ihn: „Erwähne in meiner Gegenwart nie wieder diesen Namen, wenn dir deine Nase lieb ist.“ „Aber…“ „Ich will nichts, hörst du, absolut nichts mit ihm und diesen ganzen Kram zu tun haben. Das ist nicht meine Welt.“ „Aber er ist dein…“ „Das ist mir scheiß egal. In Wahrheit kenne ich ihn nicht und er kennt mich nicht“, seine Stimme klang gefährlich. „Du bist trotzdem…“ „Wie gesagt, es ist mir egal. Und nun lass mich endlich in Ruhe.“ Venecio steckte sich den Hörer wieder ins Ohr und William konnte hören, wie er die Musik lauter drehte. Er schüttelte mit dem Kopf, als er das Zimmer verließ. Beim Abendessen saßen wieder Georg Shane und seine Freunde am Tisch von Venecio. Er hörte, wie sie sich über den Abend unterhielten. „Heute Abend soll ja eine große Feier im Internat neben an angesagt sein. Es dürfen sogar Jungs kommen.“ „Echt, dann sind wir ja das erste mal legal drüben.“ Einer von ihnen lachte: „Als ob uns das interessieren würde. Die sind ja auch ziemlich bescheuert. Wie kann man nur ein Mädcheninternat neben einem Jungeninternat aufbauen?“ Interessiert verfolgte Venecio das Gespräch. Georg Shane bemerkte das: „Auch Interesse? Einen können wir noch unterbringen.“ „Kommt darauf an. Wann soll´s denn losgehen?“ „Ah, du kannst ja auch noch was anders sagen, als immer nur `Lass mich in Ruhe´ oder `Ist mir doch egal`. Wir wollten so in einer Stunde los.“ „Ich bin dabei.“ „Schön.“ Etwas später begab Venecio sich in die Eingangshalle. Dort wollte er sich mit den anderen treffen. Georg Shane war schon da. „Es gibt da noch eine Kleinigkeit. Komm niemals auf den Gedanken mich dort Georg zu nennen. Ok?“ „Hab mich schon gefragt, wie du mit einen solchen Namen leben kannst.“ Nach und nach kamen auch die andern. Sie nickten Venecio einmal kurz zu. „Hast du deine kleine Freunde auch dabei?“, fragte ihn einer von ihnen. Sein Name war Steve. „Welche Freunde?“ Er zeugte ihm eine Packung Kondome. „Ne, die hab ich jetzt nicht mit.“ „Hier, kriegst welche von mir. Bin heute mal großzügig.“ Venecio steckte sie in seine Hosentasche. „Können wir endlich los, oder warten wir noch auf jemanden?“, wollte Edward ein wenig ungeduldig wissen. „Wir können.“ Da das Mädcheninternat direkt auf der andern Straßenseite war, brauchten die fünf Jungs nicht all zu lange für ihren Fußmarsch. Unten an der Tür warteten bereits ein paar Mädchen. Eine von ihnen viel Steve gleich um den Hals. Die anderen begrüßten die Jungs mit einem Küsschen auf die Wange, wobei sie ein Venecio ein wenig misstrauisch musterten. Sie führten die Neuankömmlinge durch eine Halle, hinter der sich ein weiterer großer Raum befand. Dort sah es fast aus, wie eine Disco. An der Seite des Raumes standen ein paar Tische. Auf einen steuerten sie zu. Leider war ein Stuhl zu wenig. So setzte sich eines der Mädchen kurzerhand auf Venecios Schoß. „Wollt ihr was trinken? Ich hol uns was?“, fragte eines der Mädchen und verschwand dann für kurze Zeit. „Die jetzt was zu trinken holt, ist Hannah“, erklärte ihm Shane, was bei der lauten Musik nicht ganz einfach war, „Und die Schönheit auf deinem Schoß ist Rebecca, oder einfach nur Becci.“ Venecio musterte das Mädchen. Ja, mit ihren langen, braunen Haaren und ihren Rehaugen war sie durchaus schön. Aber nicht ganz sein Geschmack. „Wie heißt du?“, fragte sie und lächelte ihn entwaffnend an. „Venecio.“ „Schöner Name. Du kommst nicht von hier, oder.“ Venecio schüttelte den Kopf: „Aus Italien.“ „Cool, ich war auch schon mal da. Hab dort eine Modenschau in Venedig besucht.“ „Venedig, die Stadt der Liebe.“ „Glaubst du an so was?“ „Wenn du es nicht tust, warst du noch niemals am Abend dort. Der Sonnenuntergang dort ist der schönste auf der ganzen Welt.“ „Ich muss gestehen, ich war am Tag dort.“ „Dann hast du was verpasst.“ „Das glaube ich dir aufs Wort“, sie lachte. Es war ein schönes Lachen. Dabei sprühten ihre Augen vor Freude. Hannah kam mit den Getränken wieder. Venecio roch dran und verzog das Gesicht. „Was ist?“, fragte ihn Becci. „Hab vergessen, dass man hier erst mit 21 Alc bekommt.“ „Bei euch bekommt man den doch auch erst, wenn man 18 ist.“ „Zwei Jahre, was macht das schon? Na egal. Dann halt mal eine Party ohne Alkohol.“ Die Stimmung war nicht gerade die Beste. Venecio konnte nicht so ganz verstehen, wie man ohne Alkohol Spaß haben konnte. Nach einiger Zeit verzog sich Steve mit seiner Freundin und klopfte sich auf die Jackentasche. Die andern wussten sofort, was er damit meinte. Etwas später forderte Becci ihn zum Tanzen auf. Dem kam er gerne nach. Sonst würde er sich noch zu Tode langweile. Auf der Tanzfläche schmiegte sie sich eng an ihn. Ausgerechnet jetzt musste auch noch ein langsames Lied gespielt werden. Ein bisschen widerwillig legte er seine Arme um sie. Becci schien es zu gefallen. Er spürte ihren warmen Atem an seinem Hals. Ihre Hände krauelten seinen Kopf, was ihn ein wenig störte. „Ich mag dich“, flüsterte sie. „Sag so was nicht, wenn du mich nicht kennst.“ „Dann will ich dich kennen lernen.“ „Versuchen kannst du es ja, aber bis jetzt hat es noch keiner richtig geschafft.“ „Wenn du gleich so abweisend reagierst.“ „Vielleicht liegt es daran, dass ich es nicht will.“ Sie nickte: „Ok, ich verstehe das. Ich verstehe das sogar sehr gut. Bei mir war es ähnlich.“ Sie lächelte ihn an. Das Lied war vorbei und sie versuchten sich durch das Gewühl zu schlängeln, was sich ein bisschen als schwer erwies. Es schien, als würden alle jetzt aufstehen, aus welchem Grund auch immer. Shane tauchte neben ihm auf. „Hey, wir müssen los. Um eins machen die einen Kontrollgang!“ Etwas erstaunt sah Venecio ihn an. Erstens hatte er nicht bemerkt, dass die Zeit so schnell verflogen war und zweitens, dass es im Grunde doch noch so früh war. „Sehen wir uns wieder?“, wollte Becci von ihm wissen. „Vielleicht.“ Sie küsste ihn, einfach so, sah ihm danach noch kurz in die Augen, dann verschwand sie in der Menge. „Gefallt sie dir?“, Shane war neugierig. „Sie ist ganz ok. Nicht unbedingt mein Typ.“ „Lass das bloß nicht die anderen hören. Die sind mächtig eifersüchtig auf dich. Viele von ihnen sind schon lange hinter ihr her. Dann kommst plötzlich du und schon hat sie nur noch Augen für dich.“ Venecio lächelte ein wenig. „Du machst langsam fortschritte“, meinte Shane nach einiger Zeit. „Wie meinst du das?“ „Na, ich kann gerade ganz vernünftig mit dir reden. Du sagst nicht gleich, dass ich dich in Ruhe lassen soll.“ „Es ist schön spät. Liegt vielleicht daran.“ „Wenn du meinst.“ Nachdenklich lag Venecio in seinem Bett. Hatte er seinen Widerstand schon aufgegeben? Nein, er war gerade erst angefangen. Aufgeben würde er niemals. Und doch fühlte er sich verraten. Wie konnten sie es einfach verschweigen? Nicht mal sein Bruder hat was davon gewusst. Er vermisste seinen Bruder. Er vermisste seine Freunde und die Vertraute Umgebung. Aber war sie ihm noch vertraut, nach alle dem, was passiert war? Er wusste es nicht. Wusste gar nichts mehr. Ja, William hatte recht. Er hat sich verändert. Sehr sogar. Doch das bedeutete doch nichts. Es war unwichtig. Viel wichtiger war eigentlich die Frage, wie er sich bei der ganzen Sache fühlt. Oder etwa nicht? Wieder musste er an den unheilvollen Abend denken. Der Abend, der alles verändert hat. Sein Leben auf den Kopf gestellt hat. Aber dem Mann war es egal gewesen. Er hatte dabei nur an sich gedacht. An sich und seinen Ruf. Venecio hasste ihn dafür von ganzem Herzen. Er schaltete seinen MP3-Player an. Ich bin seit Jahren auf der Jagd * Jeden verdammten Tag such ich was, das ich nicht hab Ich bin ein Licht, mitten im Nichts Gefangen im Alltag auf der Suche nach Glück, doch wenn jemand fragt, "Was würdest du tun?!" Gibt es keine Konsequenzen, Muss ich daran denken, wie mein Leben mal war "Was würdest du tun?!" Würde Gott dieses Leben morgen beenden, würde ich all das machen, was ich nie tat Er machte die Musik lauter Was würdest du tun, wenn morgen Ende ist, Wenn dein Leben dich vergisst? Was würdest du tun, wenn morgen Ende ist, Und dich niemand vermisst? Was würdest du tun, wenn morgen Sense ist, Wenn dein Leben dich vergisst? Was würdest du tun, wenn morgen Ende ist, Und dich niemand vermisst? Ja, was würde er tun, wen das Leben ihn vergessen würde? Wenn morgen alles vorbei wäre? Er einfach aufwacht und merkt, dass alles nur ein schlimmer Traum war? Morgen alles wieder beim alten wäre? Vermissen würde ihn bestimmt jemand. Aber nur wegen der materiellen Angelegenheiten. Er war unwichtig. Für niemanden zu gebrauchen. Alleine ist er besser dran. Mit diesen Gedanken schläft er schließlich ein. * Panik-Was würdest du tun Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)