Sense of a Butterfly von MerlinsSake ================================================================================ Kapitel 17: Der Windgeist ------------------------- >>>Vorwort<<< xX24. Oktober 2008Xx Kommentare: @MSAYA: Vielleicht wird es ja eines Tages eine zu bemitleidende Seele wagen...:D @Sevara-Snape: Schön, dass es dir gefallen hat^^ Was mit den Namen ist... irgendwann bekommt ihr auch darauf eine Antwort. @suicide_girl: Wer weiß, das schon, aber schön, dass dir das Konzert gefallen hat. @DarkDragonheart: Schön, dass es auch dir gefallen hat. Ja, ich weiß, heute sind meine Antworten recht knapp, aber ich bin heute nicht sonderlich auf der Höhe. *kiss* MerlinsSake ~oO~0~Oo~ ~*~ Der Windgeist ~*~ Der Raum war dunkel. Die Wände bestanden aus grobem Stein, die nur durch die hohen Fenster vom schwachen Licht des abnehmenden Mondes sanft beleuchtet wurden. Die alten Möbelstücke wirkten düster und warfen groteske Schatten in dem herrschenden Zwielicht. Allein eine Gestalt stand in der Finsternis, auch wenn sie selbst nur ein dunkler Schatten zu sein schien, und blickte konzentriert auf sein Ebenbild ihm gegenüber, dass sich immer mehr zu verzerren schien. Auf dem mannshohen Spiegel erschien ein Bild, das nichts mehr mit dem Raum gemein hatte, den er eigentlich reflektieren sollte und der schwarz gewandete Mann fiel mit gesenktem Haupt auf die Knie. „Mylady.“ „Was ist es, dass ihr mich zu dieser Zeit zu sprechen wünscht?“ „Ein Magieweber ist in Erscheinung getreten.“ „Seid ihr euch sicher?“ „Ich bin Zeuge seiner Kunst geworden, so wie halb Britannien.“ „Konntet ihr ihn ausfindig machen?“ „Nein, leider nicht. Er zeigt äußerstes Geschick, sich nicht zu offenbaren. Selbst nennt er sich Papilio, doch weder er, noch seine Gefährten waren zu erkennen. Ein wirklich meisterlich gewobenes Stück Magie. Man konnte sie alle klar und deutlich sehen, doch sie zu identifizieren ist unmöglich gewesen.“ „Das klingt, als wäre er unterrichtet worden. Wisst ihr wie er gesinnt ist? Ein solch starker Gegner würde eine Menge Umstände aufwerfen.“ „Da kann ich mir nicht sicher sein, doch wäre er ein Gehilfe von Albus Dumbledore, hätten wir das bereits zu spüren bekommen.“ „Erklärt euch.“ „Der Weber scheint das Talent des Feuers zu haben.“ „Wahrlich eine ernstzunehmende Bedrohung. Beobachtet weiter, doch sollte er sich als Gegner offenbaren, müssen wir etwas unternehmen.“ „Wie ihr wünscht Mylady.“ „Seit ihr in euere Angelegenheit weitergekommen?“ „Es läuft zu meiner Zufriedenheit, auch wenn es anstrengend ist und einiges an Nerven kostet, auf den Jungen zu achten.“ „Das freut mich zu hören. Dem Jäger eine dunkle Nacht.“ „Dem Gejagten eine noch dunklere.“ Mit diesen Worten verschwand das Bild. ~*~ Frustriert hatte sich der dunkle Lord auf sein Bett geworfen. Ob es wohl irgendjemanden stören würde, wenn er diesem Fluch seiner Existenz, diesen Spross eines Baldwin* den Gar ausmachen würde? Was dachte sich Blaise Zabini eigentlich dabei? Wie, bei allen Dämonen, hatte er es geschafft, dass Harry so ausgeflippt war? Wieder und wieder ließ er die Begegnung Revue passieren, doch er konnte einfach nicht sagen, was schief gegangen war. Diese anzüglichen Sprüche waren doch nichts neues, warum hatte der Gryffindor nur so allergisch darauf reagiert? Dabei hatte der Abend doch so gut begonnen, als Harry ihn mit zu dem Konzert genommen hatte. Es war einfach atemberaubend gewesen. Die Show war ein Meisterstück der Magie gewesen. Etwas Vergleichbares hatte er noch nie in seinem Leben zu Gesicht bekommen. Und Alea erst. Einen Moment hatte er sich gefragt, ob man einfach die hübschesten Gesichter Britanniens zusammengesucht hatte, doch das verwarf er wieder, als er sah, wie harmonisch, wie perfekt die Gruppe zusammen agierte. Aber auf jeden Fall hatte er gesehen, was er sehen wollte. Diese Lieder waren nicht einfach für die Massen gewesen. Nein, ein jedes war von einer solch intimen Persönlichkeit, dass man glaubte ein Teil des Lebens zu sein, von dem sie dort erzählten. Hört den Anfang unserer Geschichte. Denn sie ist wahr. Das hatten sie gesagt. Die Geschichte eines schweren Lebens. Der Anfang von diesem. Egal über wessen Leben sie sangen, es muss ein Höllentrip gewesen sein. Allein die beiden ersten Lieder berichteten von der Einsamkeit, der Isolation in der die Person gelebt hatte. Das erinnerte ihn so sehr an seine Jungend, seine Zeit im Waisenhaus und den Anfang in Hogwarts. Doch dann, die Verzweiflung, der man nicht mehr standhalten konnte und bereit war den letzten Ausweg, den man noch sah, zu nehmen… Auch wenn seine Zeit damals nicht einfach gewesen war, so weit hatte ihn das nie getrieben. Was war es also, dass diese Person so weit gebracht hatte, dass er es als letzten Ausweg sah, ihn vielleicht sogar versucht hatte zu beschreiten und was war es, das ihn hat dann trotzdem weiterleben lassen? Was war es, das ihn hat wieder aufstehen lassen, um weiter zu kämpfen, seinen Weg weiterzugehen? Eines glaubte Tom aber zu wissen. Es musste ein Leben aus dieser Zeit sein, ein Leben zwischen dem ersten und dem jetzigen Krieg. Von jemanden, der beide Seiten kannte und nun versuchte allen zu zeigen, dass auch sie die Augen öffnen sollten. Abrupt richtete der Mann sich auf. Alea versuchte die Hexen und Zauberer aufzuklären! Wieso hatte er das vorher nicht verstanden? Wie hatte er das nur übersehen können? Diese sechs Jugendlichen waren eine dritte Partei und er hatte es einfach übersehen. Sie waren nicht gegen ihn, vielleicht auch nicht wirklich für ihn. Sie hielten sich zwar bisher aus den Kämpfen raus, doch sie versuchten den Rest zum Nachdenken zu bringen. Ein zufriedener Ausdruck schlich sich auf sein Gesicht. Wenn die Menschen ihnen wirklich zuhörten, war der Plan genial. Ihn interessierte es immer brennender, wer diese Band war, die einfach aus dem Nichts gekommen war und noch mehr brannte er darauf zu erfahren, was Harry mit ihnen verband. Und da war er wieder beim Anfang. Bei Harry. Heute wäre es eine schlechte Idee sich noch mal bei ihm zu bedanken. Wahrscheinlich würde der temperamentvolle Gryffindor ihn rösten. Am besten er wartete damit bis Morgen. Plötzlich klopfte es, was ihn aus seinen Überlegungen riss und für einen irrwitzigen Moment schoss ihm durch den Kopf, dass es Harry sein könnte, doch im nächsten Augenblick erklang Daniels Stimme auf der anderen Seite. ~*~ Sanft strich Draco durch die weißen Haare des schlafenden Jungen neben ihm. Viele wären ob dieser Geste erschrocken, denn die meisten glaubten er wäre zu solch Gefühlen, die diese einfache Geste ausdrückte, nicht fähig. Den Eisprinz von Slytherin nannten sie ihn auf Hogwarts, da er keine Gefühle zu haben schien, sein Gesicht wie eine Maske aus puren Eis zu sein schien. Die wildesten Spekulationen kursierten in den alterwürdigen Mauern der Schule, wie er hatte so werden können, so gefühllos. Die einen behaupteten, er hätte kein Herz und eine Seele aus Eis, die keine Gefühle entwickeln konnte. Völliger Schwachsinn. Andere wiederum waren fest der Meinung, dass er nie gelernt hatte zu fühlen, da seine Eltern keinerlei Gefühle hatten. Hingegen dieser Behauptung waren seine Eltern sogar sehr gefühlvoll. Auch wenn sein Vater oft kühl und distanziert wirkte, nicht nur in der Öffentlichkeit, so spürte man, vor allem Draco, wie wichtig dem Mann seine Kinder und seine Frau waren. Nein, der wahre Grund war viel komplizierter, viel verstrickter, und dennoch so einfach. Draco war nie ein einfacher Junge gewesen, genau so wenig, wie Harry Potter je einer war und sie würden auch nie welche sein. Zwar war er in einer recht normalen Familie groß geworden und hatte eine ruhige Kindheit gehabt, doch in ihm schlummerte etwas, das nach und nach immer mehr zu Tage trat, bis es sich letztendlich voll entfaltet hatte. Eine Gabe, die sein Fluch werden sollte, den lange Zeit niemand zu brechen vermochte. Es begann in dem Sommer, in dem Lyra nach Hogwarts ging. Er spürte Emotionen, die nicht seine eigenen waren, nicht seine eigenen sein konnten. Dort war der Hass auf seine Eltern, der ihm Angst machte, die Furcht vor seinem Vater, die er nicht verstand und die Abneigung sich selbst gegenüber, die ihn mehr wehtat als alles andere. Sie alle waren so klar, so intensiv, doch wusste er nicht woher sie kamen. Zu dieser Zeit verstand er noch nicht was mit ihm geschah, zu was er geworden war. Dort waren nur überall diese Gefühle, die nicht die seinen waren. Doch was waren seine Gefühle? Wie sollte man Gefühle zeigen, wenn man nicht wusste was die eigenen waren? So verschloss er alle tief in sich, sperrte alles aus und sein Lächeln erstarb. Seine Eltern wussten nicht was mit ihm geschah und er spürte ihre Angst. Ihre Angst ihn zu verlieren. Zuerst vermuteten sie, dass es mit dem Fortgehen seiner Schwester zusammenhing, doch als diese im Winter zurückkehrte, wurden ihre Hoffnungen zerschlagen. Die besten Heiler und Therapeuten gingen bei ihnen ein und aus, doch keiner von ihnen vermochte an Draco heran zu kommen. Seine Schwester war jedes Mal, wenn sie wieder zuhause war, fuchsteufelswild und vertrieb einen nach dem anderen aus dem Haus. „Seht ihr nicht, dass diese Bastarde meinen Bruder nur quälen?“ Oft gab es Streit zwischen Lyra und ihren Eltern, immer wegen ihm. Sie war die Einzige, die verstand, die Einzige der klar war, dass ihm so nicht geholfen werden konnte, dass Wildfremde es nur schlimmer machten. Denn nicht immer gelang es ihm die Fremden Emotionen auszusperren. Das war sein Fluch. Empathie. Er spürte die Gefühle von anderen, die um ihn herum waren, als wären es seine eigenen. Aber so einfach war das nicht. Es gab immer welche, die aus der Reihe fielen. Bis heute war Draco zwei solcher Extrema begegnet und eine jede Begegnung sollte einen Schritt auf seinen Weg mit sich bringen, seinen Fluch zu einer Gabe zu machen. Der erste war Blaise Zabini gewesen. Narcissa war nie eine Frau gewesen, die einfach aufgab, weil etwas aussichtslos schien. Die besten Spezialisten scheiterten ihrem Sohn zu helfen, also ließ sie Marien Zabini rufen. Die Frau hatte keinen angesehenen Ruf, wie die anderen und ihre eher unkonventionellen Methoden waren unter ihren Kollegen verpönt, doch genau diese Kollegen hatten nichts ausrichten können. Sobald seine Mutter der Meinung war, das die Frau genug Zeit nach der Geburt ihrer Zwillinge gehabt hatte, sich zu erholen, hatte sie sie direkt aus dem Mutterschutz geholt. Nach außen hin wirkte die Frau, mit den kurzen, blauen Haaren und der Brille streng. Sie trug nicht dieses geheuchelte Getue, dass die anderen bei ihm, einen Kind, aufsetzten. Ihr Gesicht wirkte wie das einer Schneekönigin, eiskalt und ohne Gefühle, so wie sein eigenes, doch unter dieser Fassade konnte er spüren, dass sie wirkliches Interesse, nicht nur an seinem Fall, sondern auch an ihm selbst hatte. Doch auch sie konnte nicht zu ihm durchdringen und seine Mauer überwinden, die er um sich herum gezogen hatte, um sich selbst zu schützen. Draco spürte ihre Resignation und irgendwie machte es ihn traurig, dass auch sie wie alle anderen wieder ging. Umso überraschter war er gewesen, als sie zwei Tage später wieder zu ihrer Sitzung kam, doch dieses Mal nicht alleine. Er war schon vielen Menschen und den unterschiedlichsten Gefühlen in jeglicher Intensität begegnet, doch nichts, wirklich gar nichts hätte ihn auf Blaise Zabini vorbereiten können. Dessen Gefühle schienen alle anderen um ihn herum einfach in den Schatten zu stellen, so intensiv waren sie, und dennoch so klar zu erkennen, dass er sie ohne Probleme von seinen eigenen hatte unterscheiden können. Alles andere als schüchtern war der weißhaarige Junge vor ihn getreten und hatte ohne Umschweife gefragt, ob sie nicht Freunde werden sollten. Es war das erste Mal seit fast zwei Jahren gewesen, dass Draco Malfoy gelächelt hatte. Die zweite Begegnung… „Worüber denkst du nach?“ Blaise’ Stimme klang verschlafen, als er sich zu Draco drehte und ihn aus müden violetten Augen anblinzelte. Sanft fuhren die blassen Finger nun über die Konturen des fein geschnittenen Gesichts, die geschwungenen Wangenknochen, bis hin zu dem rosigen, leicht geöffneten Mund. „Ich musste daran denken, wie wir uns das erste Mal begegnet sind. Erinnerst du dich noch?“ „Der Tag an dem meine Mutter meinte, dass sie mir mein Negativ zeigt? Einen Jungen der nie lachen würde. Sie hat mich angelogen.“ Beide lachten, bevor sich ihre Lippen zu einem kurzen aber sanften Kuss trafen. ~*~ Harry streifte indes durch das ruhige Manor. Stundenlang hatte er auf dem Dach von einem der Türme gesessen und hatte einfach seine Gedanken schweifen lassen. Er hatte völlig überreagiert, als sie wieder zurück gewesen waren. Doch es war einfach zu viel für ihn gewesen. Mit jedem Lied hatte er alles noch einmal durchleben müssen, jedes Gefühl von Schmerz, Wut, Verzweiflung und Einsamkeit. Er hatte einfach etwas Zeit gebraucht, um sich wieder zu fangen. Doch nun schien es spät zu sein, wahrscheinlich mitten in der Nacht. Alle schienen schon zu schlafen, nur er war noch auf. Aber er wollte auch noch nicht schlafen. Er hasste es zu schlafen. Morgens war er dann meistens völlig fertig und der Rest hatte dann auch nicht anderes zu tun, als ihn zu wecken, wenn er dann doch weg genickt war. Wenn er jedoch so völlig erschöpft einschlief verfolgten ihn keine Träume, keine Bilder, keine Erinnerungen. Es war nicht so, dass er die Bilder versuchte zu verdrängen. Er hatte sich damit abgefunden, aber trotzdem hatte er keine Lust sie jede Nacht erneut durchleben zu müssen, immer wieder schreiend aus dem Schlaf zu fahren. Es war letztendlich egal, wie gut er mit ihnen klar kam, weniger schlimm würde sie dadurch nicht werden. Außerdem war morgen, oder vielleicht sogar schon heute sein 17ter Geburtstag. Endlich würde er volljährig werden. Endlich würde seine Magie sich völlig entwickelt haben und sich wieder beruhigen. Als er einen der Gänge im, er vermutete Südflügel, entlangging riss ihn eine ärgerliche Stimme aus seinen Gedanken. ~Es ist immer das Selbe mit ihm.~ Der Junge erkannte die Stimme. Es gab auch nicht viele hier, die Parsel sprachen und noch weniger waren davon weiblich. ~Hey meine schöne Nagini, worüber regst du dich so auf?~ Lächelnd beugte sich der Junge hinunter und seine Augen blitzten verschmitzt auf. ~Harry? Du bist noch wach? Ach Tom. Erst verschwindet er den halben Tag, lässt seine Arbeit liegen und jetzt schläft er einfach darauf ein.~ Harry schmunzelte. Auch wenn die Begleiterin des Lords erst etwas überrascht schien ihm zu begegnen, fand sie doch schnell zurück in ihren Ärger. Zu dem amüsierte ihn die Vorstellung, wie der dunkle Lord Voldemort auf seinem Papierkram schlief. Das wollte er nur zu gerne sehen. Ein wehmutiger Seufzer entfleuchte ihm. Das würde ihm wohl verwehrt bleiben. ~Kannst du mich zu ihm bringen? Dann lege ich ihn zumindest auf eine Couch, damit er morgen keine schlechte Laune hat. Du weißt ja wie er drauf ist, wenn er schlecht schläft und ich möchte nicht, dass er mir morgen den Tag vermiest.~ ~Morgen? Du meinst wohl Heute~ Nagini kicherte und Harry fand, dass es ein seltsamer Klang war, wenn eine Schlange kicherte. ~Oder so.~ ~Es wäre aber trotzdem nett von dir. Komm, folg mir einfach.~ So führte sie den Gryffindor in das Arbeitszimmer des Lords. Die Schlange wollte grade dazu ansetzten dem Elben zu erklären, wo er was in dem Raum fand, als sie eine sanfte, fast unmerklich Magiewelle durch den Raum gleiten spürte. Sie sah zu dem Jungen, der nun zielsicher zum großen, den Raum dominierenden Schreibtisch schritt und neben dem schlafenden Lord stehen blieb, wo er in die Hocke ging, das ihre Gesichter auf der selben Höhe waren. Nagini hatte schon viel gesehen, aber dieser Junge… Seit er hier war hatte sie ihn beobachtet, wie er, wenn er einen Raum neu erkundete, in den einfachsten Gesten seine Erforschungen untergehen ließ, wie sicher er bei den nächsten Besuchen war und wie geschickt er sich anstellte. Doch das war unfassbar. Er sah mit Magie, so wie Fledermäuse mit Ultraschall sahen. Das war eben so brillant wie unglaublich. Sie sah noch einmal zu den beiden, bevor sie eine gute Nacht wünschte und sich davon schlängelte. Wenn Harry wirklich gegen Tom gekämpft hätte… nach dem heutigen Tage war sie sich nicht mehr so sicher, wer als Sieger daraus hervorgehen würde. Vorsichtig strichen die Fingerspitzen der feingliedrigen Hände über die makellose, kalte Haut des schlafenden Vampirs. Es war das erste mal, dass Harry sich wirklich fragte, wie der dunkle Lord wohl aussehen mochte. Seine Konturen schienen markant zu sein und ließen ihn wahrscheinlich sehr männlich erscheinen, nicht so fein und zerbrechlich, wie er selbst war. Die Haare waren weich und trotz allem glatt, nicht so wellig wie seine schwarze Mähne. Wie mochte der etwas raue Mund wohl aussehen, wenn er lachte? Würden sich Grübchen bilden, wo er feine Ansätze dafür fühlte? Wie sahen wohl seine Augen aus? Waren sie rot, oder war das auch nur Show gewesen? Feine Stoppeln konnte er an Wangen und Kinn ausmachen. Es war bestimmt ein sehenswerter Anblick, den schlafenden Lord mit Dreitagebart zu sehen, doch er würde ihn nie zu Gesicht bekommen. Kurz schloss er die Augen und seufzte. Manchmal verstand er sich selbst nicht. Er sollte den Lord einfach auf das Sofa legen und verschwinden. Er war siebzehn. Eigentlich sollte ihn nichts mehr hier halten. Vorsichtig richtete er den Vampir in dem bequemen Stuhl auf, strich dabei über einige der Papiere, was ihn inne halten ließ. Frustriert verzog er das Gesicht, aber erstmal sollte er Tom endlich umbetten. Wäre Nagini noch da gewesen, wäre sie wahrscheinlich nicht mehr sonderlich überrascht gewesen, wenn sie gesehen hätte, wie der so zerbrechlich wirkende Junge den Mann einfach auf seine Arme hob und ihn zu dem Sofa trug, wo er ihn ablegte und zudeckte, denn sie hätte die feine Magie gespürt, die kurz aufblitzte. Harry musste schmunzeln, als er sich aufrichtete. Wenn er jemanden erzählte, dass er, Harry Potter, Junge–der-lebt, den bösen Lord Voldemort ins Bett gesteckt hatte, würde man ihn wahrscheinlich in die Innere vom Mungos einliefern. Doch jetzt hieß es wohl seine geweckte Neugierde zu befriedigen. So setzte er sich an den Tisch und ging die Unterlagen dort durch. Mal sehen, was es so neues gab. ~*~ Blinzelnd öffneten sich braune Augen und blickten verwirrt zu der Decke in dem noch immer dunklen Raum. Er konnte also nicht lange geschlafen haben, aber wie war er hier hingekommen? Vorsichtig richtete er sich auf und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, bis er an einem schwarzen Schopf hängen blieb. „Harry? Was tust du da?“ Noch immer klang seine Stimme schlaftrunken, was ein Schmunzeln über das Gesicht des Elbenblutes huschen ließ, doch der sah nicht auf als er mit ernster Stimme antwortete. „Den dunklen Orden ausspionieren. Was glaubst du denn? Immerhin sitze ich an der Quelle und hab dessen Vertrauen.“ Skeptisch musterte Tom den Bengel, da er grad nicht wusste, wie der Junge es nun meinte, aber auf die Schippe nahm er ihn auf jeden Fall. „Ich wusste gar nicht, dass wir ein eigenes Museum haben.“ Schalk tanzte in den grünen Augen, als Harry aufsah. Kopfschüttelnd schlug Tom die Decke weg und ging hinüber zu seinem Schreibtisch, um zu sehen, was das Balg nun schon wieder ausheckte. ~*~ Einige Stunden später fuhr Harry schweißgebadet auf. Er hatte wieder einen Albtraum gehabt. Wütend warf er eines seiner Kissen einfach in den Raum, ohne wirkliches Ziel und ließ sich frustriert zurück in die Kissen fallen. Das Leben war doch echt Scheiße. Nicht einmal heute konnte er ausschlafen. /Alles wird gut. Tief durchatmen und einfach ignorieren. Dann seh ich heut halt wieder beschissen aus. War die letzten 15 Jahr auch nicht anders./ Immer noch müde robbte er aus dem Bett und fuhr sich durch die wilden Haare. Bad war wohl die beste Idee. Schlafen konnte er jetzt so oder so nicht mehr. Immer noch etwas durch den Wind kam er lediglich in Shorts und mit einem Handtuch aus dem Bad, mit dem er sich noch die Haare trocken rubbelte, als er es spürte, etwas, dass er noch nie gefühlt hatte, was er nicht fühlen dürfte, doch es war da. Ein Strahlen erhellte seine Züge, als er das Handtuch achtlos fallen ließ und dem blonden Mann mitten im Raum freudig in die geöffneten Arme fiel. „Alles gute zum Geburtstag kleines Engelsblut.“ Melodisch strich die Stimme über Harry hinweg und er sah auf zu dem Mann. Leicht zog dieser die Augenbraue hoch, als er mit dem Finger über die makellose Haut neben dem rechten Auge fuhr. Nichts war von den kleinen Symbolen zu sehen, doch er spürte noch ihre Magie und eine andere, wie ein Hauch, die darüber lag. Anscheinend war er nicht der Einzige von seinem Blut, der ein Auge auf den Jungen hatte. „Ich war so frei und hab dir ein paar Sachen aus deinem Schrank gesucht. Immerhin ist heute ein besonderer Tag.“ Mit sanftem Druck schob er den dunkelhaarigen Jungen zu dem Bett und reichte ihm einen Stapel Kleidung. „Und dafür bist du extra hergekommen?“ Skeptisch befühlte Harry die Kleidung, zog sie aber trotz allem an. Eine leichte schwarze Hose und ein grünes hochgeschlossenes Shirt ohne Ärmel, mit silbernen Efeuranken darauf. „Nein, nicht nur. Ich wollte dir mein Geschenk persönlich überreichen. Setzt dich hin und Füße hoch.“ Neugierig setzte sich der Knabe und streckte seine Füße, so dass der Mann, der sich vor ihn hockte, sie leicht auf seine Knie legen konnte. Der feine helle Klang von Metall drang an ihre Ohren und etwas Kühles schlang sich erst um Harrys rechten und dann um seinen linken Fuß. Doch bevor er fragen konnte, begann der Engel wieder zu sprechen. „Es sind kleine, silberne Fußkettchen. Und hier“ eine kleine Schachtel aus Holz mit feinen Schnitzereien drückte der Blonde Harry in die Hände, bevor er fortfuhr, „ sind noch ein paar andere Schmuckstücke. Ich dachte mir, dass sie dir bestimmt gefallen werden.“ „Danke Raziel.“ Der Engel strich dem Jungen noch einmal über das noch immer feuchte Haar, bevor er wieder verschwand. Der Tag fing doch besser an, als er gedacht hatte. ~*~ Unten beim Frühstück schien die Hektik ausgebrochen zu sein. Einige eilten an ihm vorbei durch die Tür aus dem Speisesaal und verschwanden. Nur wenige schienen noch da zu sein, welche sich aufgeregt unterhielten. Anscheinend hatte man ihn noch nicht entdeckt, so machte er mit einem Guten Morgen auf sich aufmerksam. Tom und Lucius, die letzten am Tisch, sahen auf und musterten Harry etwas ungläubig nach einem Blick auf die Uhr. „Aus dem Bett gefallen? Du lässt dich doch auch sonst nicht um diese Zeit hier unten blicken.“ Harry zuckte jedoch als Antwort nur mit den Schultern und setzte sich an den Tisch. Ihm war etwas mulmig, als er sich setzte und zielsicher nach der Kanne mit dem Schwarzen Tee griff. Irgendwie hatte er bei der Sache überhaupt kein gutes Gefühl. Einige Zeit sahen die Männer zu, wie Harry an seinem Tee nippt, während er gedankenverloren vor sich hinzuträumen schien. Nebenher nahmen sie ihr Gespräch wieder auf, doch Harry hörte nicht zu. Erst der letzte Satz von Lucius Malfoy ließ ihn aufhorchen. „Wenn alles gut geht, ist heute Abend alles über die Bühne.“ Was? Die wollten doch nicht etwa ins Museum? Gut, er und Tom hatten in der Nacht zwar noch lange an der Strategie gesessen, aber er konnte ihn doch nicht grade heute umsetzten wollen. Harry wusste nicht, wie er sich grade fühlte. Er war sauer, enttäuscht, verletzt und vor allem wütend auf sich selbst. Wie hatte er auch nur annehmen können, dass irgendjemand hier an seinen verdammten Geburtstag dachte? Es war ja nicht so, dass er grade wegen diesem diese beschissene Narbe auf der Stirn trug. Nur weil eine Prophezeiung ein Kind für Ende Juli angekündigt hat. Da konnte man schon mal vergessen, dass das, was einen doch zu dem gemacht hat was man ist, genau heute war. Am besten wäre er heute erst gar nicht aufgestanden, hätte die Decke über den Kopf gezogen und einfach abgewartet, dass auch dieser Tag vorbeiging. „Iss doch was. Schon die ganze Zeit wo du hier bist isst du kaum. Immer nur Kleinigkeiten, oder du trinkst nur Tee.“ Jetzt reichte es Harry endgültig. Wer war er, dass er sich von einem Vampir Vorhaltungen über seine Essgewohnheiten anhören musste? „Ich habe keinen Hunger. Es ist noch zu früh“ grummelte der Elb nur in seinen Tee, für manche ein deutliches Zeichen ihn in Ruhe zu lassen, doch nicht für den dunklen Lord. „Das kannst du mir nicht erzählen. Auch mittags und abends isst du nur wenig.“ „Wer bist du? Meine Mutter?“ Harry blickte jetzt auf und blitzte den Mann mit zusammen gezogenen Augenbrauen an. „Nein, aber ich mache mir trotzdem Sorgen.“ Das war zu viel gewesen, das sah der blonde Berater sofort und machte sich auf das schlimmste gefasst. Das konnte heiter werden. „Das sind ja ganz neue Töne. Vor einem Monat wolltest du mir noch, ich zitiere: die Haut vom Leib ziehen, die Augen auskratzen, mir meine Gedärme vorsetzten und mich mitsamt meiner Freunde in die Hölle schicken!“ Harry war aufgesprungen. Seine Tasse war dabei umgestürzt und ein brauner Fleck zog sich langsam in den Stoff der weißen Tischdecke. „Glaubst du nicht, dass sich seit dem einiges geändert hat? Du hast doch mit dem Frieden angefangen. Du hast mich nicht ausgeschaltet, als du die beste Chance dazu hattest. Ich versteh dich nicht. Gestern warst du noch nett und heute giftest du mich wieder an, weil ich mir Sorgen um dich mache? Was ist eigentlich los mit dir?“ Auch Tom hatte die Stimme erhoben und funkelte den Gryffindor bedrohlich an. „Gar nichts, ich hasse es nur, wenn jemand meint mich bevormunden zu müssen, dem ich am Arsch vorbei gehe. Ich glaube ich bin alt genug, um selbst bestimmen zu können, wann ich was essen will. Mein ganzes Leben hat sich keiner darum geschert, da brauchst grade du, der mich bis vor kurzem Tod sehen wollte, nicht damit anfangen.“ Wütend stapfte Harry aus der Tür, direkt an einem Mann vorbei, doch das war ihm egal. Er wollte nur noch hier raus. So reagierte er auch nicht auf die Rufe des Neuankömmlings und verschwand einfach in dem nächsten Gang. „Was hat er auf einmal. Ich versteh ihn einfach nicht. Wie kommt er darauf, dass er mir, wie sagte er so schön, am Arsch vorbei geht?“ Genervt vergrub der Lord sein Gesicht in seinen Händen. Dieser Junge würde ihn noch den letzten Nerv rauben. Irgendwas war schon wieder gehörig schief gelaufen und er wusste einfach nicht was. „Wahrscheinlich weiß er nicht, wie er mit der Situation umgehen soll. Zudem bist du nicht sonderlich feinfühlig.“ Tom sah zu dem Werwolf, der grade den Raum betreten hatte. „Und du weißt natürlich was mit ihm ist Lupin? Dann klär mich auf!“ fauchte der Vampir aufgebracht „Fangen wir damit an, was Harry dir direkt an den Kopf geworfen hat. Bisher war er alleine auf der Welt und musste sich immer irgendwie durchschlagen. Nur wenn er nicht mehr weiter wusste hat er sich an andere gewandt. Du hast doch selbst bemerkt, dass er bis an seine Grenzen geht, und erst dann um Hilfe bittet. Er ist ohne Eltern aufgewachsen. Er kennt es wahrscheinlich nicht, dass man sich Sorgen um ihn macht. Du hast doch gesehen wie die Menschen ihn behandelt haben, bei denen er aufgewachsen ist. Glaubst du, dass sie ihm so etwas wie Zuneigung entgegengebracht haben? Er musste immer der Starke sein, doch er war und ist einsam, fühlt sich allein gelassen. Er ist ein herzensguter Junge, der alles für seine Freunde tun würde und keinerlei Gegenleistung dafür verlangt, aber er kennt es nicht, dass jemand dasselbe für ihn tun würde.“ „Und das andere?“ Worauf hatte der Mann noch angespielt? Was war da noch, dass ihm entgangen war? „Das solltest du am besten selbst wissen, aber deswegen bin ich nicht hier. Du hast mir wegen etwas anderem Severus auf den Hals gehetzt. Also?“ ~*~ Harry hatte indes die großen Portale in den Garten beinahe aus den Angeln gerissen, als er mit feuchten Augen auf das Gelände gestürmt war. Er hatte mit seiner Magie wohl etwas übertrieben, doch das war ihm egal. Jetzt wollte er nur alleine sein. Fort von Leuten, die einem nur wehtaten, ohne es selbst zu wissen. Die Wiese war im Schatten des Hauses noch feucht unter seinen nackten Fußsohlen, als er einfach der Nase nach in den Garten ging. Verflucht, er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass der Lord noch heute aufbrechen würde. Er und seine ganzen Leute. Irgendwie hatte er gehofft, dass sie an seinen Geburtstag dachten, ihm gratulierten, und das Minky vielleicht einen kleinen Kuchen… Er hasste sich dafür, dass er wirklich darauf gehofft hatte. Energisch fuhr er mit seinen Händen über seine Augen, um die Tränen weg zu streichen. Nein, er wollte jetzt nicht anfangen zu heulen. Sollten diese Idioten doch bleiben wo der Pfeffer wuchs. Die letzten 15 Geburtstage hatte er auch alleine gefeiert, mehr oder weniger, da machte dieses eine Jahr auch keinen Unterschied mehr, oder? Einer hatte immerhin an ihn gedacht und vielleicht warteten oben schon die Eulen von seinen Freunden, mit ihren Glückwünschen. Ja, das war ein guter Gedanke. Grade wollte er sich wieder umdrehen, um den Weg zurück zu suchen, als das Wiehern eines Pferdes die sommerlichen Geräusche durchriss. Bisher hatte er noch nichts bemerkt gehabt, was auf die Anwesenheit von Pferden hingewiesen hatte, wenn Draco und Blaise wieder einmal mit ihm draußen waren, damit er sich von dem jungen Malfoy vorführen lassen konnte. Mit frisch erwachter Neugierde und blühenden Enthusiasmus wandte er sich den Geräuschen zu und ging vorsichtig, auf jeden seiner Schritte achtend, um nicht über einen Felsen, oder andere Hindernisse zu stürzen, auf sie zu. Bald konnte er das schlagen von Hufen und die Stimme einer Frau hören, die wütend in einer Sprache vor sich hin fluchte, die Harry nicht verstehen konnte. Er blieb stehen. Irgendwas stimmte nicht. Die gesamte Geräuschkulisse passte nicht. Es klang viel mehr, als würde das Pferd sich wehren, sich aufbäumen, während die Frau alles daran setzte, damit es nicht entkam. Plötzlich schrie sie auf und der donnernde Klang von den Hufen kam immer näher. Das Pferd hatte sich losgerissen und stürmte direkt auf ihn zu. „Vorsichtig Junge! Geh da weg, er kommt genau auf dich zu“, durchschnitt die Stimme der Frau das Donnern wie ein Blitz, doch Harry machte nicht die geringsten Anstalten auszuweichen, blieb einfach stehen. Er spürte die ungezähmte, ungezügelte Magie des Wesens und die Fesseln in denen sie lag. Das war kein Pferd. Das war etwas viel Wilderes, Freieres. Leicht breitete er seine Arme aus und das Pferdewesen stoppte direkt vor ihm, wo es sich wiehernd aufbäumte, doch der Junge rührte sich nicht. Erst als es wieder auf allen vier Beinen stand und ungeduldig mit den Hufen über das Gras schabte, trat er näher heran und streckt langsam eine seiner Hände nach ihm aus, um es zu berühren. Sanft strichen seine feingliedrigen Hände über die Nüstern, während die wilden Augen eine jede Bewegung, eine jede Regung von ihm genauestens beobachten. Behutsam wanderten die Finger weiter, während sich sonst nichts zu regen schien. Die violetten Augen des Wesens, sowie die roten Augen der Frau ließen Harry nicht los, fesselten ihn grade zu mit ihren Blicken, während seine grünen nur von ewiger Dunkelheit kündeten. Kurz zuckte seine Hand zurück, als er das lederne Zaumzeug berührte und die fesselnde Magie in ihm spürte. Es tat ihm beinahe in der Seele weh, ein so freies Geschöpf in Fesseln zu sehen, wie er einst gefesselt wurde. Wie konnte man einen Windgeist nur in einen Körper bannen und ihm somit sein ganzes Wesen nehmen? Es war grausam und abscheulich. „Ganz ruhig meine Schöne. Ich weiß, dass du frei sein möchtest. Halte still und ich befrei dich. Ein so edler Geist wie du gehört nicht in einen Stall.“ Doch es zu befreien würde einem das Leben kosten. Wenn er die Fesseln lösen würde, würde die entfesselte Magie ihn wahrscheinlich töten, wenn der Geist sie nicht bändigte. Ein hohes Risiko. Seine Finger strichen über eine der Schnallen und begannen sie zu lösen. Er zögerte keinen Moment, obwohl im klar war, welchen Preis das haben konnte. Dann starb er eben an seinem siebzehnten Geburtstag, wen interessierte es denn? Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er nicht einmal seinen sechzehnten erlebt. „Nichts und niemand hat es verdient eingesperrt zu sein. Auch wenn du mich dann tötest, kann ich nicht mit ansehen wie ein Leben, dass nur in der Freiheit erblühen kann, hier vergeht.“ Er konnte die Frau schreien hören, dass er seine Finger von den Schnallen lassen sollte, doch er hörte nicht auf sie. Wenn er dabei starb ein so altes Geschöpf zu befreien, dann war es eben so. Was war er schon gegen solch ein Wesen? Die letzte Schnalle löste sich und das Leder fiel mit einem dumpfen Geräusch in die Wiese. Im nächsten Augenblick spürte Harry schon den Druck der befreiten Magie und er schloss, das Unabwendbare erwartend, leicht lächelnd die Augen. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer unter dem Druck, doch langsam ebbte das Gefühl wieder ab und zurück blieb nur die leichte Sommerbrise, die über das Gelände strich. Etwas verwirrt blinzelte er, als ihm klar wurde, dass es vorbei war und er noch immer lebte. Einen Moment fragte er sich, ob er nun enttäuscht sein sollte, oder sich darüber freuen, doch es blieb nur die Verwirrung. °Du bist ein interessantes Geschöpf. Ich werde dir dein Leben lassen.° Es war keine Stimme in seinen Gedanken in dem Sinne, wie man sich das meist vorstellte. Es war viel mehr das Wissen, was einem mitgeteilt wurde. Erstaunt wandte er sich zu dem Geist, der immer noch in der Gestalt eines Pferdes vor ihm stand. ° Ich verstehe dich nicht. Du handelst ohne einen Preis zu verlangen.° Ein Lächeln schlich wieder auf die blassen Züge des Elbenblutes, als dieser vorsichtig über die Nüstern strich. „Ist das Wissen, was man getan hat, was man bereit war zu geben, nicht Entlohnung genug?“ Etwas in den violetten Augen vor ihm blitzte auf, doch er konnte es nicht sehen. °Ich werde dir trotz allem ein Geschenk geben. Meinen Namen°, nahm Harry die machtvollen Worte in seinem Geist wahr und wich einen Schritt zurück. „Das kann ich nicht annehmen. Das würde dich an mich binden.“ Energisch schüttelte er den Kopf. Er hatte ihn befreien wollen und nicht erneut fesseln. Den Namen eines Windgeistes zu kennen, bedeutete über ihn zu stehen, ihn zu beherrschen. Egal was er verlangte, der Geist würde sich beugen müssen. Nein, das konnte er nicht annehmen. °Du bist eine reine Seele. Deine Ablehnung bestätigt mich nur. Mein Name lautet Seba.° Harry konnte nichts dagegen tun, konnte sich nicht davor verschließen, so schloss er resigniert die Augen. Konnte einmal nicht etwas so laufen, wie es laufen sollte? Warum musste alle um ihn herum nur so kompliziert werden? Aber wie es schien, musste er das, was er begonnen hatte nun zu Ende bringen. Mit einer ausladenden, jedoch kompliziert wirkenden Geste verbeugte sich nun der Schwarzhaarige. „Es ist mir eine Ehre. In dieser Welt gebe ich dir den Namen Ferocia, wilder Mut, der dich von nun an, an meiner Seite begleiten wird.“ Ein Wiehern erklang und Harry konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass es ein Ausruf der Freude war. °Erstaunlich. Du kennst die alten Riten. Ich bin immer mehr der Überzeugung, dass ich eine gute Wahl getroffen habe.° Auch die Stute senkte ihr Haupt, bevor sie weiter sprach. °Von nun an wirst du an meiner Seite Nedjem Kamen, der sanfte Blinde, gerufen. Komm. Begleite mich ein Stück.° Erstaunt blickten seine grünen Augen zu ihr auf. „Bin ich so leicht zu durchschauen?“ fragte er etwas resigniert. °Noch immer spiegeln deine Augen deine Seele wieder, doch ich spüre den Engelsbann und obwohl du dich nicht fürchtest siehst du mir nicht in die Augen.° Etwas abwesend ging er ein paar Schritte, als etwas an seinem Shirt zupfte. °Warum läufst du? Komm, ich werde dich tragen. Nicht dass du noch über irgendwas stolperst.° Harry sah verwirrt zu Seba. Tragen? Er sollte auf ihr reiten? „Das kann ich nicht annehmen. Ich komme auch so ganz gut zurecht.“ Er hörte wie sich die Stute hinlegte, um ihn das aufsteigen zu erleichtern. °Habt dich nicht so. Nun komm schon. Es wird dir bestimmt gefallen.° Noch einmal seufzte Harry, tat dann aber was sie von ihm verlangte. Sich zu wehren schien keinen Sinn zu haben. Vorsichtig verhakten sich seine Finger in der langen, weichen Mähne, bevor sie sich kurz wiehernd aufbäumte und mit ihm zusammen davon preschte. Noch immer sah die Frau fassungslos auf die Stelle, wo eben noch der schwarze Windgeist mit der weißen Mähne und der Junge gestanden hatten. Silberne, kurze, glatte Haare umspielten sanft ihr Gesicht in der leichten Brise und ihre Augen glitzerten in einem gefährlichen blutrot. Ihre Beine hatten unter ihr nachgegeben und sie konnte immer noch nicht glauben, was grade vor ihren Augen geschehen war. Wer war dieser Junge, der so dumm war einen Windgeist zu befreien? Fast einen halben Mondzyklus hatte es sie gekostet, um das Wesen von den Bastarden zu befreien, die es gefangen hatten und dann kam ein lebensmüder Bengel des Weges, den sie in ihrem Haus noch nie gesehen hatte, dem es gelang auch die letzten Fesseln zu lösen, ohne dabei das Zeitliche zu segnen Wer war dieser Junge, der von einem Windgeist getragen wurde? ~oO~0~Oo~ * Baldwin: Dämonen, die der Sage nach einst von dem Teufel ausgesandt wurden, Zwietracht und Streit unter den Menschen zu sähen. Die Legenden um diese Gestallten ziehen ihre Wurzeln tief in die frühe Zeit der Magie, doch ihre Existenz beschränkte sich auf die Bücher, in denen sie als Kinderschrecken erschienen. Im modernen Sprachgebrauch wird jemand als Baldwin beschimpft, der Unfrieden stiftet, oder Leute gegeneinander ausspielt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)