Schattenräuber von Cadaverosa (Philipp & Tim) ================================================================================ Kapitel 4: Tag 3 ---------------- Der Anfang des 3. Tages unterschied sich nicht wie der davor mit der einzigen Außnahme, dass meine Mum jetzt nicht da war. Tim und ich sprachen wenig. Unser Vorhaben lag schwarz und schwer über uns. Wir verabschiedeten uns, nachdem wir routiniert die Walkie-Talkies überprüft hatten und fuhren in verschiedene Richtungen davon – er diesmal in den Wald, ich in die Stadt. Die Sonne wanderte immer höher und es geschah nichts. Wirklich rein gar nichts. Die Straßen waren bis auf ein paar gewöhnliche Leute wie ausgestorben. Es wurde immer wärmer und ich begann mich zu fragen, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn wir für heute Schluss machen würden, da sah ich langsam und etwas gelangweilt in eine Seitenstraße. Und erstarrte. Er stand da, in der schwarz behandschuten Hand locker eine Zigarette. Hastig zog ich mich hinter einem Haus zurück und späte um die Ecke. Was ich sah, erschreckte und faszinierte mich gleichermaßen. Er führte seine Zigarette unter seine Kapuze, dahin, wo ich den Mund vermutete. Er nahm einen tiefen Zug und ... der Schatten des Hauses vor ihm schien von der Zigarette eingesogen zu werden. „Hey, du!“ Ich fuhr herum. Da stand die Clique von gestern. Zu meiner Befriedigung stellte ich fest, das der blondhaarige ein wenig hinkte. Schnell verwandelte sich die Befriedigung jedoch in Entsetzen, als sie immer näher kamen. Ich wante mich rasch um im Begriff, in die Straße einzubiegen, wo er bis gerade eben noch gestanden hatte. Doch dann stutzte ich: Er war nicht mehr da! In der Nähe wo er gestanden hatte wiegte sich eine Blume im Wind. Sie war in dem schmalen Spalt zwischen Straße und Bürgersteig aus dem Boden gewachsen. Der Asphalt um sie herum schien rissig und trocken zu sein. „Willst du nicht weglaufen?“, hörte ich eine hönische Stimme hinter mir. Konnten die mich nicht einfach in Ruhe lassen?! Ich gab mir einen Ruck, warf das Board auf die Straße und gab Gas. Ich war geübt darin, schnell und um scharfe Kurven zu fahren. Als ich einen Blick hinter mich riskierte sah ich, dass der schwarzhaarige wieder sein Messer gezückt hatte. Auch das Mädl lief mit wild flatternden D&G-Tasche hinterher. Die Szene beunruhigte mich nicht im geringsten so, wie sie es vermutlich hätte tun sollen. Ich war viel schneller als sie, bald würde ich sie abgehängt haben. Plötzlich ries mich ein schrilles Quitschen aus meinen Gedanken. Vor lauter hinter mich gucken hatte ich ganz vergessen auf das zu achten, was vor mir lag. Irgendwie war ich auf die linke Straßenseite abgedrifftet und raste nun auf ein Auto zu, dessen Fahrer versuchte abzubremsen, um mich nicht zu erfassen. Er musste viel zu schnell gefahren sein, eigentlich war dies hier eine Art Spielstraße. Aus reinem Reflex sprang ich von meinem Board und rollte mich zur Seite ab. Irgendwo hinter mir hörrte ich Triumphgeheul. Das Auto raste haarscharf an mir vorbei. Mein Skateboard war glatt unter ihm durchgefahren und fuhr nun immer noch vom Schwung getragen bis zum Ende der Straße. Benommen vom Schock und vom Sturz rappelte ich mich auf und machte ein paar schwankende Schritte auf meine Rettung zu. Wenn ich es jetzt nicht erreichte, wäre ich verloren. Das Getrappel hinter mir wurde lauter. Eine gierig ausgestreckte Hand streifte mich, als ich mir einen Ruck gab und auf das Board zusprinntete. Etwas hartes traf mich im Rücken und lies mich kurz innehalten. Als ich hinter mir auf den Boden guckte, sah ich einen kleinen Handspiegel. Diese Zicke hatte doch tatsächlich ihren Handspiegel für mich geopfert! Ein Schlag holte mich in die Realität zurück. Wie gestern war es der Fake-Iro Typ gewesen, der mich geschlagen hatte. Wie gestern hatte er meine Schulter getroffen. Schmerz pulsierte durch meine Arm. Ich schrie auf, dann rannte ich schneller denn je weiter. Es waren nur noch zwei Meter. „Bleib stehen! Wir tun dir doch nichts!“, hörte ich jemanden hinter mir rufen. Wers glaubt ..., dachte ich bei mir. Ein Meter ... die Schritte wurden lauter. Wieder spürte ich Hände, die meinen Rücken streiften. Ein halber Meter ... Die Hände kriegten einen Zipfel meines T-Shirts zu fassen. Mit aller Kraft riss ich mich los und sprang ab. Die Flugphase war kurz. Abenteuerlich landete ich auf meinem Brett. Schneller als ich es für möglich gehalten hatte schoss ich davon. Die Angst beflügelte mich. Ich riskierte einen kurzen Blick über die Schulter und sah die Gestallten, die immer noch liefen, mich immer noch verfolgten, immer kleiner und kleiner werden. Schließlich bog ich um eine Ecke, dann um noch eine. Ich hörte nichts mehr von ihnen, trotzdem fuhr ich immer weiter. Schließlich fand ich mich in einem Teil der Stadt wieder, den ich vorher noch nie betreten hatte. Besser: Ich hatte ihn nicht betreten dürfen, da sich hier nur die schlimmsten Gestallten rumtrieben. Ich dachte gerade daran, umzukehren, da sah ich ihn wieder. Mit einem geschmeigdigen, katzenhaften Gang ging er die Straße entlang. Ich zögerte kurz, dann schulterte ich mein Gefährt und schlich so leise wie möglich hinterher. Das Herz schlug mir bei diesem Alleingang bis zum Hals. Vielleicht hätte ich Tim rufen sollen, aber ich hatte Angst, dann endeckt zu werden. So drückte ich mich in den Schatten und Hauseingängen herum, während mein Zielobjeckt nichtsahnend weiterging. Wir kamen in immer vereinsammtere Gegenden. Ich sah Bettler, die auf eine milde Gabe hofften und Kinder, die sich um ein Stück Brot stritten. Mitleid stieg in mir auf. Vor lauter gucken hätte ich dann beinahe vergessen, mich versteckt zu halten. So ging es weiter, bis wir ganz am Rand der Stadt angekommen waren. Es war ruhig und schattig. Ich registrierte mit leichtem Erstaunen, dass es von hier aus nicht mehr weit bis zum Wald war. Schließlich blieb er stehen, ich verdrückte mich hinter einen Hauswand. Eine zweite in einen Mantel gehüllte Gestallt erschien auf der Bildfläche. Dann gab es also zwei von denen. Beunruhigend. Ein Schauer lief über meinen Rücken, als ich auch in der Hand der zweiten Kaputzengetallt eine Zigarette erblickte. Auch sie schien auf merkwürdige Art und Weiße zu brodeln. Es sah ganz so aus, als wäre darin etwas gefangen, das herauswollte. Im nächsten Moment hätte ich fast über mich selbst gelacht. Das konnte doch gar nicht sein. Da ging die Fantasie mit mir durch. Allerdings ... Was war an denen schon normal?! Da begann der, dem ich gefolgt war, zu reden. „Hast dus?“ „Ja.“ Vor Verwunderung hätte ich fast aufgekeucht. Das war eine Frau, die da gerade geantwortete hatte! Kein Zweifel! „Also heute? Ich muss es abliefern, ich habe keinen Platz mehr.“ Die Stimme des Mannes klang tief und rau. Unangenehm. „Ja, heute. Wir treffen uns mit Timor.“ Die Stimme der Frau klang irgendwie melodisch. Fast wie ein Gesang. Sie war das komplette Gegenteil von der Stimme des Mannes. Der Mann nickte. „Gut. An der Silbermiene? Da wären wir ungestörrt, denke ich.“ Die Frau zögerte kurz. Dann meinte sie: „Also gut, ich denke du hast recht. Zwar haben wir da ja mal Spuren gefunden, die davon sprechen, dass sich dort mal ein paar Menschen rumgetrieben haben, aber ich denke, dass sich dort jetzt keiner mehr rumtreiben wird. Und wenn, ist das doch auch nicht schlimm.“ Ihre Stimme klang amüsiert. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie eckelhaft lächelte. Mir fröstelte. Tim würde bestimmt dahin wollen. Wenn wir dann erwischt würden, wären wir dran. „Also gut“, meinte er, „bis heute Abend dann. Wenn der Mond am höchsten steht.“ Sie nickte kurz, dann wante sie sich ab und eilte Richtung Wald davon. Er drehte sich um und kam mir entgegen. Mit aufwallender Panik zog ich mich tiefer in die Schatten zurück. Der Mann ging schnurstracks an mir vorbei und verschwand um eine Biegung. Ich brach in Schweiß aus. Der Schock machte sich bemerkbar. Meine Hände waren sehr kalt und schweißnass. Ich tastete mit glitschigen Finger nach dem Walkie-Talkie. „Tim?“ „Ja?“, meldete er sich sofort „Ich habe interessante Neuigkeiten.“ Als ich nicht weitersprach, wurde er ungeduldig. „Und? Was sind das für Neuigkeiten? Spuck´s aus!“ Ich zögerte noch einen Moment, dann schilderte ich in allen Einzellheiten was passiert war, nachdem die Bande aufgetaucht war und ich abhauen musste. Nachdem ich geendet hatte, schwieg er eine Zeitlang. „Wir gehen hin, ist doch ganz klar“, entschied er dann grimmig. Jetzt zögerte ich. „Bist du dir sicher? Wenn die das spitzkriegen sind wir dran! Die bringen uns doch um!“ Ein leises Lachen ertönte. „Dann sorgen wir halt dafür, dass sie nichts spitzkriegen!“ „Gut“, grummelte ich. „Bis gleich, wir treffen uns bei mir.“ „Roger“, meinte er ironisch. Da wir ungefähr den gleichen Heimweg hatten, trafen wir zur gleichen Zeit bei mir ein. Wieder gestalltete sich das in-mein-Zimmer-gehen schweigsamm. Langsam aber sich ging mir das auf den Geist. Ich sehnte mich nach der ausgelassenen Stimmung, die ich immer so genossen hatte, wenn Tim da gewesen war. Vielleicht sollten wir das ganze vergessen. Es schien uns nicht gut zu tun. Schließlich waren wir in meinem Zimmer und setzten uns auf unsere Lieblingsplätze: Ich mich auf mein Bett, er sich auf den Teppich. Wir schwiegen noch immer. Es war ein eisiges Schweigen. Irgendwie war ich sauer, dass er so über meinen Kopf hinweg entschieden hatte. Wir hatten gar nichts abgesprochen, da war es für ihn schon entschlossene Sache. Zu meiner Überraschung stand er plötzlich auf und setzte sich neben mich. Diese Überraschung vertiefte sich, als er sich zu mir rüberbeugte und ich sanft umarmte. „Tut mir leid, dass ich so über deinen Kopf hinweg entschieden habe. Ich steigere mich da viel zu sehr rein. Wieder Freunde?“, flüsterte er in mein Ohr. Etwas zögerlich erwiederte ich seine Umarmung. „OK. Diesmal verzeih‘ ich dir noch. Das nächste mal achtest du mehr auf meine Meinung, abgemacht?“ Er drückte mich kurz, dann lies er mich wieder los. Seine Berührung hinterlies ein angehnemes Prickeln auf meiner Haut. Hastig verdrängte ich das ungewohnte Gefühl. Und löste mich meinerseits von ihm. „Abgemacht!“, meinte er, sichtlich erleichtert. Ich grinste. „Irgendwie ist es gut, das Mum es uns verobten hat zu den alten Silbermienen zu gehen. Wäre peinlich geworden, wenn die da aufgekreutzt wären, während wir da sind.“ Er lachte kurz auf. „Stimmt! Also gehen wir dann morgen dahin? Ist das OK für dich?“ Ich nickte. „Jop, ist OK. Und wann?“ Er dachte kurz nach. „Na, die haben doch gesagt, dass sie sich dann treffen, wenn der Mond am höchsten steht. Und das ist ...“ Er überlegt kurz, „Mitternacht!“ „Stimmt ... Also dann, Mitternacht. Wir sollten morgen ein Mittagschläfchen halten, damit wir Abends ausgeruht genug sind.“ Ich zwinkerte ihm zu. Er lächelte. „Da hast du wohl recht.“ So ging es weiter und wir überlegten, was wir morgen brauchen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)