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Going Under - Teil 2

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von

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Vorwort

Im 2. Teil von "Going Under" geht es nun hauptsächlich um Jason.

Wohingegen der 1. Teil auf Kate fixiert war.

Kate ist tot.

Wie geht es weiter?

Jason lebt. Er lebt nicht wirklich.

Es ist mehr ein stilles existieren.

Er wohnt bei seiner Schwester Sarah, arbeitet in einem Kiosk.

Der 2. Teil beschreibt sehr stark seine Gefühle nach Kate' s Tod.

Immer wieder wird er damit konfrontiert, sieht sie vor sich, spürt ihre Gegenwart.

Das Band zwischen ihnen scheint selbst den Tod zu überwinden.

Er kann sie nicht vergessen, selbst als er sie vergisst.
 

Liebes Tagebuch,
 

da ist wieder dieses Gefühl.

Ich frage mich, ob er sein Gedächtnis zurück hat.

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass Jason sich nur mit Caitlin trifft, weil sie Kate so ähnlich sieht. Wenn ich ihn frage ob er sich an etwas erinnert, sagt er nur, dass er nichts mehr weiß. Das es nur ein Gefühl bleibt, was passiert ist vor seinem…. Vor dieser Nacht.

Ich würde ihm gerne alles erzählen. Die Ärzte sagten, es sei nötig ihm Anhaltspunkte zu geben, doch wenn er erfährt was passiert ist, wenn er erfährt dass er diese Spritze gesetzt hat um sich…. Um es zu beenden, wenn er erfährt WIESO er das tun wollte, wenn er sich an Kate erinnert, dann ist alles dahin. Er würde wieder zurück in dieses dunkle Loch fallen und vielleicht wieder versuchen sich das Leben zu nehmen. Ich will ihn nicht verlieren. Er ist doch alles, was ich noch habe.

Ich würde mir so sehr wünschen, ihm seine Erinnerung einfach zurück geben zu können, aber wie würde er reagieren? Er würde wissen, dass ich die ganze Zeit wusste, was mit ihm los ist und er würde mich dafür hassen. Ich will ihn nicht verlieren. Oh Gott.. Ich kann gar nicht sagen wie sehr ich ihn nicht verlieren will. Mein geliebter Bruder.

Sie war tot!

Hoot saß neben seiner Schwester, sah sie an und bei dem geringsten, weiteren Gedanken an die schöne Zeit mit ihr, trieb es ihm weitere Tränen in die Augen. Er sah sie vor seinen Augen. Wie sie war, als sie noch ein kleines Mädchen war, wie sie oft zusammen gelacht hatten, wie sie die schlimme Trauerzeit um ihre Eltern gemeinsam überstanden hatten.

„NEEIIN!!!“, er schrie und ließ seine geballte Faust auf dem Boden niederschlagen. Warum gerade sie? Hoot konnte es einfach nicht fassen. Stille regierte die Halle und alle sahen weinend auf die blutüberströmte, wunderschöne, tote Kate. Jason ließ seine Blicke nicht von ihr ab, in der Hoffnung, sie könne auf einmal tief Luft holen und ihre Augen wieder öffnen. Seine Kate. Jason wusste, dass es vergebene Hoffnung auf die Rückkehr ins Leben war, doch er wusste auch, dass er niemals aufhören würde sie zu lieben. Wieder strich er ihr sanft über ihr weißes Gesicht. Es war nur der Hauch eines Satzes, er konnte nicht lauter reden, selbst wenn er es wollte. So flüsterte er ein so leises „Ich liebe dich“ in Kate’ s Richtung, das er es selbst kaum gehört hatte. Erneut liefen ihm Tränen ins Gesicht. Matt hatte alles; jeden Ausdruck und jede Farbe aus seinem Gesicht verloren. Er stand auf, wischte sich noch eine Träne aus dem Gesicht, warf einen Blick auf Kate, auf den engelsgleichen, toten Körper und ging dann langsamen Schrittes auf ihren, am Boden liegenden Mörder zu.

„Fahr zur Hölle!!!“

Dann trat er nach ihm. Er hörte wie der, sich windende Alex vor Schmerz stöhnte.

„Matt!!!“, aus seiner Trance gerissen, drehte Matt sich zu Hoot um.

„Lass’ es!“, auch Hoot war aufgestanden und wischte sich sein Gesicht trocken.

„Er ist es nicht wert!“ Hoot wollte gerade zu Matt hinüber gehen um ihn vor etwaigen Dummheiten zu bewahren, als Captain Steele in die Halle gestürzt kam.

„Was ist hier los?!?!“

Entgeistert und aus den versteinerten Blicken gerissen, drehten sich Matt, Hoot, Jason, Nelson und Grimes zu Captain Steele um. Er wiederholte seine Frage, in einem besorgteren Ton, nachdem er sich eine Übersicht verschafft hatte und die blutüberströmte Kate und den bewusstlosen Alex am Boden liegen sah.

„Was ist hier passiert?!“

„Captain!... Sie ist… Lieutenant Gibson… -“

Grimes hielt inne und schluckte. Er bekam kaum ein Wort hervor.

„Stone… Er hat… Hat sie erschossen!“

Er kämpfte hart mit sich.

„Er hat was?!?!?!“, ungläubig starrte er Grimes mit aufgerissenen Augen an.

„Schaffen Sie die Beiden sofort hier raus! Bringen Sie Stone zum General!“

„Captain,… Sir, bei allem Respekt, -“

„Sofort!!!“

„Ja, Sir!“

Grimes drehte sich zu seinen, noch immer verstörten Kollegen um und nickte ihnen, mit den Tränen kämpfend zu. Jason sah sich sein Leben, seine Kate noch einmal an, legte seine Arme um sie und hob sie sachte hoch. Er konnte sich nicht länger zurückhalten. Wieder liefen ihm Tränen über sein Gesicht, bei dem schrecklichen Gedanken daran, sie das letzte Mal in den Armen zu halten.

„Warum? Warum nur? Warum hast du mich verlassen?“

Jason ging so langsam wie er konnte. Er wollte sie so lange wie möglich in seinen Armen halten und sie ansehen. In der Sanistation angekommen, traf er auf den Arzt 'Schmiddy'. Geschockt von der Geschichte, die Jason ihm erzählte, wies er ihn an, sie auf eines der Betten zu legen. Behutsam und sehr zärtlich legte er Kate auf das Bett, faltete ihre Hände auf ihrem Bauch zusammen und bedeckte ihren ganzen Körper mit einem weißen Laken, das er von dem Arzt bekommen hatte. Er sah sich das Gesicht seiner Liebe noch einmal an und wischte es ganz sanft mit einem feuchten Tuch sauber.

Es färbte sich schwach rot, von dem Blut, das sie zuvor ausgehustet hatte. Jason’ s Hände zitterten und er glitt mit dem Tuch so sanft über Kate’ s Gesicht, das er sie kaum berührte, in der Angst, ihr noch post mortale, kleine Verletzungen zuzufügen. Schmiddy beobachtete Jason’ s Bewegungen und bot ihm an, ihm die Arbeit abzunehmen, doch Jason fauchte ihn nervös an.

„Nein! Ich brauche keine Hilfe! Geh!!! Lass’ mich allein!“

Er signalisierte Jason mit einem kurzen Nicken, das er ihn verstanden hatte und kurz darauf ging er und schloss die Tür hinter sich. Er trat einen Schritt zur Seite, lehnte sich an die Wand an und atmete tief durch. Er konnte kaum fassen, dass das, was Jason ihm gerade mit heiserer, zitternder Stimme erzählt hatte, stimmen sollte. Das es wahr sein sollte, das ausgerechnet diese starke Frau umgebracht worden sein soll.

„Scheiße!“

Leise murmelte er vor sich hin. Gedankenverloren bemerkte Schmiddy, Matt und Hoot nicht, die um eine Ecke gelaufen kamen.

„Schmiddy, wo ist Jason?“

„Matt!, Hoot!... Ihr,… Ihr solltet da jetzt nicht rein gehen. Jason will alleine sein.“

„Okay!“

„Heftige Sache. Das mit Alex mein’ ich!“

„Ja… -“

Hoot stutzte. Er dachte wieder an Kate. An die gemeinsame Zeit hier und die gemeinsame Vergangenheit. Er suchte seine Umgebung hastig nach Punkten ab, die er fixieren konnte um erneute Tränen zu vermeiden. Matt war stumm geworden. Er war zu schwach.

„Wo ist Alex jetzt?“

„Das Schwein bekommt, was es verdient!!!“

„Was? Was habt ihr mit ihm angestellt?“

„Nichts! Leider!... Ich würde ihm jedes Organ einzeln rausreißen! …Er ist beim General! Fliegt höchstwahrscheinlich zurück in die Staaten und kommt vors Militärgericht! Ich hoffe er kriegt Lebenslänglich!“

Stille trat ein und wenige Minuten später, fand Matt für einen Moment seine Stimme wieder.

Er schrie die Beiden regelrecht an.

„Wenn sie ihn nicht einbuchten würden, dann wäre er ein toter Mann!!! Er wäre tot!!!!“

Er schrie Schmiddy ins Gesicht, und richtete seinen Zeigefinger drohend in seine Richtung.

Matt schluckte und schon war seine Stimme wieder verschwunden.

„Das mit Jason hätte ich Kate gar nicht zugetraut. Ich dachte… Ich dachte, sie wäre von dir,… Matt -“

„Was?... Was wäre sie?“

Schmiddy sah kurz zu Grimes rüber, der ihm hastig und kopfschüttelnd bedeutete, besser nicht weiter zureden, doch Schmiddy redete nebenbei und verstand gar nicht, was Grimes von ihm wollte.

„Na ja,… ich dachte; also…, das du… der Vater wärst?!“

„WAS?!?!?!“

Hoot und Matt waren beide sichtlich überrascht und Matt hätte sofort wieder anfangen können zu weinen, zu schreien und um sich zuschlagen. Hoot blieb der Mund offen stehen. Er konnte nichts denken, nichts sagen. Da war nur dieses eine Wort. -"Schwanger."

War seine kleine Kate schwanger gewesen? Von Matt? Von seinem besten Freund? Er befand sich in einem Gefühlschaos.

„Sie… war schwanger?! Mein… Meintest du das ernst? Aber sie… sie hat nichts gesagt -“

Matt war fassungslos; er schluckte und fuhr sich zitternd durch die Haare.

Es tut mir sehr leid, Matt.“

Hoot konnte nichts sagen. Er ließ sich geschockt an die Wand zurückfallen und sank langsam zu Boden. Er verschränkte seine Hände vor dem Gesicht und versuchte, mit wenig Erfolg, weitere Tränen zu verbergen. Er hatte das Gefühl zu zerbrechen. Er hätte sterben können. Seine kleine Schwester; … schwanger, tot; und wie er befürchtete auch schon bald vergessen.
 

In der Zwischenzeit war auch Jason einem Nervenzusammenbruch nicht mehr fern. Er hatte sich ein frisches, weißes Tuch genommen und sich mit einem tiefen und schweren Atemzug dazu durchgerungen, Kate von ihrem Blut zu befreien. Er nahm ein Messer aus seiner Tasche, schnitt ihr Blut durchzogenes Hemd auf und zog es unter ihr hervor. Stumpf ließ er es auf den Boden fallen. Kate lag mit geschlossenen Augen vor ihm. Trotz des Blutes, trotz der Tränen, trotz der Todesangst, die ihr stolzes, reines Gesicht widerspiegelte, sah Jason die würdevolle Persönlichkeit, die Kate war.

Es fiel ihm sichtlich schwer sie anzusehen. Da lag sie! Wenn es nicht eine so traurige und verstörende Situation gewesen wäre, hätte Jason ihr lächelnd gegenüber gestanden. Er hatte sie verloren; für immer verloren. Jason bekam kaum Luft. „Warum hast du mich verlassen? Warum hast du das gemacht?“

Er sah die Schussverletzung, die zurückgebliebene, lange Narbe von der Not- Operation, das Blut und leichte Schmauchspuren an ihrem Bauch. Jason dachte an das Geschehene. Er hörte den Schuss und sah wie Kate, für ihn, zusammenbrach. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Langsam und sehr behutsam ließ er das feuchte Tuch über ihren Bauch gleiten. Immer wieder musste er es auswaschen.

So viel Blut. Als Jason fertig war, schmiss er das Tuch auf den Boden und griff nach Kate’ s Hand.

„Ich verspreche dir! ...Ich werde dich nie vergessen! Wir sehen uns wieder! -“

Er wollte ihr noch so gerne sagen, dass er sie liebte, aber es kam nichts. Jason war schwach, er sackte auf dem Boden zusammen und versteckte sein Gesicht hinter seinen Händen. Seine Gedanken kreisten um Kate und um… um den Moment, als sie ihn verließ und wie sie sich seinem besten Freund hingegeben hatte oder wie sie ihres toten Kindes wegen, im Sterben lag. Er war sich sicher geworden.

Kate würde nie zurückkommen. Sie würde ihm nie wieder sagen, dass sie ihn liebte. Sein ganzer Körper zitterte vor Angst, als er sich dazu durchrang, aufzustehen. Er stützte sich am Bettrahmen von Kate’ s Bett ab und berührte dabei versehentlich ihr Bein. Als Jason sie spürte, riss er geschockt seine Augen auf. Er konnte sich nicht mehr halten und sackte erneut auf dem Boden zusammen.

Zitternd fuhr er sich durch die kurzen Haare. Es schnürte ihm den Hals zu und er konnte kaum atmen.

Jason wollte aufstehen, doch seine Beine erlaubten es ihm einfach nicht. Er hatte das Gefühl, Stunden seien vergangen, seit dem er dort saß. Seine Atmung wurde flacher und flacher. Wenn Jason sich nicht aufrecht gehalten hätte, wäre er vermutlich als tot befunden worden. Es war seine Hülle. Nur ein leerer Körper. Jason rührte sich nicht; er konnte nicht, er hatte keinerlei Kraft mehr. Es fehlte ihm an Energie. Jason war vollkommen in sich versunken. Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, versuchte Jason erneut auf die Beine zukommen. Mit Erfolg. Da stand er wieder und blickte auf Kate herab und hätte sofort wieder umfallen können. Doch er tat es nicht. Jason kämpfte hart mit sich und rang sich dazu durch, endlich auf das Bett zuzugehen und das weiße Laken über Kate’ s Körper zu ziehen. Kurz vor ihrem Kopf stockte er. Er sah in ihr lebloses Gesicht. Sah sie nur an und brachte es nicht fertig, etwas zu ihr zu sagen. Dann zog er das Laken weiter. Er sah wie sie verschwand. So würdevoll und bildschön war sie gewesen. Seine Kate, seine Liebe, …sein Leben. Er erinnerte sie an die Zeit mit ihr. Es war nicht viel, aber es war genug um in beiden die Gefühle, die mehr als starken, unscheinbaren Gefühle für einander, zu wecken. Jason fasste sich wieder. Er atmete tief und ging langsam, fast schleichend, auf die Tür zu. Er griff nach der Türklinke und starrte fast zwei Minuten auf seine Hand. Jason wusste nicht, warum er es nicht schaffte die Tür zu öffnen. Er wusste nicht, ob er es einfach nicht wollte, oder ob er nicht die Kraft hatte. Jason drehte sich um und sah auf das Bett und wieder kämpfte er mit den Tränen. Er war sich sicher, das Kate ihm jetzt sagen würde: „Hör’ auf zu heulen!“ Und Jason tat es. Er drehte sich wieder zur Tür und öffnete sie.
 

Jason trat aus dem Raum heraus und blickte in die, noch immer geschockt, depressiv wirkende Runde.

Matt hatte sich neben Hoot gesetzt und als er Jason erblickte, drehte er durch. Er sprang auf und ging auf Jason zu. Matt packte ihn heftig am Kragen und drückte ihn an die Tür. Jason stöhnte leise vor Schmerz und verzerrte sein Gesicht. Matt hatte ihn gegen die Türklinke gedrückt und er hatte das schmerzhafte Gefühl, sie würde sich in seine Rippen bohren.

„Du mieser Arsch! Du wusstest es! Du hast es die ganze Zeit gewusst!!!“

„Matt! Bist du verrückt? Lass’ mich los!“

„Warum? Sag’s mir! Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie schwanger war?! Ich dachte wir wären Freunde!!!“

"Ja?! Das dachte ich auch, bevor du sie gevögelt hast du mieser, hinterhältiger Wixxer! Du wusstest ganz genau wie ich für sie empfinde und hast trotzdem -"

Matt packte ihn fester und erhöhte den Druck auf Jason. Er schrie ihm ins Gesicht und lief vor Wut, rot an. Ohne weiter auf Jason' s Vorwürfe einzugehen, schrie er: „Wie konntest du das für dich behalten?“

„Weil es dich nur verletzt hätte! Sie war nicht mehr schwanger, als sie… als es… passiert ist.“

„Was?“

„Ist doch egal!“

Matt lockerte seinen Griff, geschockt und gedankenverloren stand er da und Jason schlug seine Arme weg ohne Mühe, sich zu befreien.

„Wieso war sie da nicht mehr… -“

Matt sah Jason fragend und verwirrt an. Er hatte seinen Ohren nicht trauen wollen, als Jason ihm die traurige, die mehr als traurige Nachricht, geradezu beiläufig mitteilte. Kate war schwanger und Matt war sich ziemlich sicher, dass das Kind von ihm gewesen wäre. Jason hatte gesagt, dass sie nicht mehr schwanger war, als sie… als sie starb. Das hieß für Matt, das Kate sich in vollem Bewusstsein gegen dieses Kind entschieden hatte. Matt wurde klar im Kopf. Er trat einen weiteren Schritt vor Jason zurück, sah ihn kurz an und wollte ihn fragen, ob er mit seiner Vermutung richtig lag. Er setzte zum reden an, doch er konnte nicht. Kein Wort kam hervor und wieder setzte er sich erschöpft auf den Boden. Hoot hatte hart mit sich gekämpft, denn er wusste nichts von der Schwangerschaft oder dem, wie er glaubte, dummen und höchst unverantwortlichen Abbruch. Er hätte Matt und Jason verprügeln können. Jason, weil er ihm und dem Vater verheimlicht hatte, was wirklich mit Kate los war und Matt, weil er seine Schwester geschwängert hatte. Hoot sah die Beiden abwechselnd an und auch er konnte nichts sagen. Die Stimmung war erdrückend. Schweigende Minuten zogen an den Trauernden vorbei.

Jason war der erste der Captain Steele bemerkte und verstand, dass er etwas zu sagen versuchte.

„Reißen… Sie sich bitte kurz zusammen, meine Herrn! Ich habe Ihnen eine Mitteilung zu machen! -“

Jason fand die Kraft um aufzuspringen und unhöflich fiel er Steele ins Wort.

„Geht es um diesen Wixxer Stone? Wie lange kriegt er? Lebenslänglich? Todesstrafe?“

„Reißen Sie sich zusammen, Johnson! -“ Wider viel Jason ihm ins Wort.

„Ich will, dass er bezahlt!!!!! Er soll dafür bezahlen!!!“, schreiend und in seiner Trauer so voller Wut, riss er die anderen aus deren Trance und Steele hatte sichtliche Mühen, Jason wieder zu beruhigen.

Er wartete kurz bis Jason wieder still war und setzte dann neu an: „Er fliegt zurück in die Staaten. Sicherheitstransport. Dort wird er vors Militärgericht gestellt und wird sich für seine Taten verantworten! Sie vier, Nelson und Grimes fliegen hinterher. Sie werden als Zeugen aussagen. Er wird wegen versuchter Vergewaltigung und Mordes angeklagt. Ihm droht Lebenslänglich; und nicht die Todesstrafe, Johnson!“

Jason verdrehte erschöpft die Augen und wieder hatte er sichtliche Probleme damit, seine Tränen zu unterdrücken. Er kämpfte hart mit sich.

„Wann?“

„Noch nicht.“

Wieder hielt Captain Steele inne und fuhr dann schweren Herzens fort.

„Es… Es wird für Gibson eine Trauerfeier abgehalten. Das heißt… wenn Sie nichts dagegen haben.“ Dabei sah er Hoot eindringlich in die Augen, als er ihn um Erlaubnis bat.

„Sie soll verabschiedet werden! Angemessen und würdevoll! Versprechen sie’s mir.“

„Das ist selbstverständlich, Gibson! Ihre Schwester hat es verdient.“
 

Es kam Jason wie ein ganzes Jahrhundert vor. Er wartete und wartete, doch es waren nur zwei lange Tage voller Trauer vergangen, bis General Garrison die Soldaten zusammen rufen ließ, ihnen offiziell den Tod ihrer Kollegin mitteilte und ihnen, in gewisser Weise, befahl an der, für den Abend angedachten Trauerfeier teilzunehmen. Jeder der Soldaten hatte schon vorher vom Ableben der Kollegin erfahren. Schweigen und Trauer, hatte die Arbeit und den Tagesablauf schwer beeinflusst.

Kaum jemand konnte mit einem klaren Gedanken arbeiten. Die Atmosphäre war sehr gespannt und Jason, Matt und Hoot wurden von allen Seiten, fast peinlich genau verfolgt und beobachtet. Jeder wollte ihnen helfen und sprach ihnen ihr Mitleid aus. Hoot war auf alles und jeden sauer. Nervös und extrem genervt, bekam er nichts auf die Reihe. Sein Bett war nicht gemacht, er bekam kaum einen Liegestütz hin, sein Gewehr hatte er nicht richtig sauber gemacht und bei den Schießübungen traf er nicht einmal die Zielscheibe. Er war so durcheinander, das er selbst Captain Steele und General Garrison genervt so behandelte, als wären sie für seine schlechte Laune verantwortlich. Jason hingegen wurde ruhiger und schien mehr und mehr, in sich gekehrt. Verschlossen mied er jeden Kontakt und jede Unterhaltung. Bei jedem „Es tut mir leid.“ und „Mein Beileid, Jason.“, hätte Jason laut schreien können. Immer wieder stellte er sich die Frage, warum Alex nicht ihn erschossen hatte.

Er war sauer auf Kate. Sauer, weil sie sich einfach vor die Kugel gestellt hatte. In den freien Minuten saß er auf seinem Feldbett, die Hände vorm Gesicht verschränkt. Er wollte nichts sehen, nichts hören und am besten auch nichts mehr fühlen. Er saß einfach da. Mitleidige Blicke verfolgten ihn. Von einem Moment zum anderen, sprang er auf und ging schnellen Schrittes zu Kate’ s Raum. Vor der Tür blieb Jason stehen und rang mit sich, die Tür zu öffnen. Er wusste zwar was ihn erwartete, doch er hatte Angst. Aber vor was? Vor dem Gedanken in einen leeren Raum zu kommen und von Erinnerungen überrollt zu werden. Vor der Erkenntnis, Kate dort nicht vorzufinden. Sie dort nie wieder anzutreffen, egal wie oft er den Raum noch betritt oder wie lange er wartet. Jason überkam ein Angstschwall und schnell trat er einen Schritt von der Tür zurück. Er atmete tief durch und fuhr sich mit zitternden Händen durch die Haare. Jason dachte, dass es gut wäre. Er fasste sich ein Herz und trat wieder vor die Tür. Mit einem Ruck war die Tür auf und Jason stand in dem kleinen Raum. Vor sich sah er ein aufgeräumtes Zimmer. Das Bett war gemacht, der kleine Tisch war leer. Nur ein einzelner Ordner stand darauf und Jason hatte eine ungefähre Ahnung, was sich darin befand. Es waren vermutlich alle bisher geschriebenen Berichte von Kate darin. Er trat einen weiteren Schritt in den Raum und sein Blick fiel auf das Feldbett. Bei dem Gedanken daran, was er vor nicht allzu langer Zeit gesehen hatte; bei genau diesem Szenario wurde ihm fast schwarz vor Augen. Er schwindelte und so fand er seinen Platz in der Mitte des Raumes, auf dem Boden. Er saß da und hätte wieder laut schreien können. Wieder und wieder stellte er sich die Fragen, warum er nicht schon eher bemerkt hatte, dass er Kate liebte oder warum er ihr das nicht schon eher gesagt hatte. Es hätte alles verändert. Sie wäre nicht von Matt schwanger geworden, hätte deswegen nicht im Sterben gelegen, Alex hätte vielleicht nie versucht, sie zu vergewaltigen und es wäre niemals zu diesem tragischen Ende gekommen. Jason gab sich die Schuld. Er war schuld an ihrem Tod. Schuld an dem Tod der Frau, die er doch so abgöttisch geliebt hatte. Jason hätte alles darum gegeben die Zeit zurückdrehen zu können. Durch die Hölle wäre er gegangen und bis ans Ende der Welt um sie wiederzuholen. Er wollte Alex leiden sehen. Alex sollte so leiden, wie Jason auch litt. Er sollte seinen Schmerz spüren und zur Hölle fahren. Unglaubliche Wut stieg in Jason hoch und auf einmal stand er wieder. Jason sah sich noch einmal um, sah auf den Tisch, auf das Bett und den kleinen Spind. Dann verließ er den Raum und schloss leise die Tür.

Er wollte sich gerade umdrehen, als Matt auf einmal hinter ihm auftauchte.

„Matt!“

„Können wir kurz reden?“

Jason schwieg.

„Das, was da vorgestern passiert ist… also… ich wusste nicht, dass du es wusstest. Es tut mir leid! Ich hätte dir das sagen müssen… Das mit Kate… mein’ ich. Also -“

„Is doch jetzt egal. Ich hätte dir auch sagen müssen das sie -“

„Ja!... Vergiss es einfach.“

Schweigend nahm Jason das kurze Gespräch hin und ging. Matt drehte sich zu ihm um und wollte ihm eigentlich noch sagen, dass er sich für ihn gefreut hätte, wenn es nicht so zu Ende gegangen wäre, aber er wollte ihn nicht noch mehr verletzten und ließ es.
 

Kurz vorm Abendessen erwachte Jason wieder aus seiner Trance. Grimes hatte ihm auf die Schulter geklopft und sprach mit ihm, bevor Jason ihm überhaupt aufmerksam zugehört hatte.

„Hey Jason! Du solltest mitkommen!“

„Wohin?“

„Zum Essen. Du musst was essen.“

„Ich… Ich hab’ keinen Hunger.“

„Du musst. Kannst nicht ewig hungern.“

Jason verdrehte, leicht müde, die Augen und dachte daran, dass es nicht mehr ganz zwei Stunden waren, die er auf die Trauerfeier warten musste. Langsam ging er mit Grimes zur Kantine und ihm graute davor, wieder vor einem Salat zu sitzen. Jason hatte keinen Appetit und nicht die Absicht, sich etwas zu Essen hineinzuwürgen.

„Man, Grimsey! Ich will nicht!“

Grimes verdrehte genervt die Augen und er wusste, dass er Jason sowieso nicht dazu bewegen konnte doch etwas zu essen. Sie ließen sich mit ihren Tabletts an einem leeren Tisch nieder und das erste was Jason tat, als er da saß war, sein Tablett angeekelt zur Seite zu schieben. Er starrte auf das Tablett und ein paar Augenblicke später sah er, wie sein Tablett leicht vibrierte. Jason entwich seinen Gedanken und sah auf einmal in Matt’ s leere Augen. Er hatte sich, am Tisch ruckelnd, ihm gegenüber niedergelassen. Wut überkam Jason als er daran dachte, was Matt ihm unwissentlich angetan hatte.

„Hey.“

Matt sah Jason und Grimes ruhig an und Schweigen trat ein. Jason starrte verbohrt auf Matt und stocherte mit der Gabel in seinem Salat rum. Er wollte Matt sagen, wie sehr er ihn anekelte doch er konnte nicht. Jason saß da und schluckte seine Wut mit einem bisschen Salat runter. Er schmiss seine Gabel auf den Teller und stand auf.

„Ich geh’ lieber! Sonst kotz’ ich gleich noch übern Tisch!“

Jason starrte Matt wütend an und Matt erwiderte seinen Blick. Dann ging Jason. Grimes entschuldigte sich bei Matt und bedeutete ihm mit den Händen, dass er für Jason’ s Verhalten keinerlei Verständnis hatte. Kurze Zeit später brachte Matt leise einen abgehackten Text raus.

„Sie… Ich kann… Ich kann Jason verstehen. Sie… Sie fehlt ihm. Und mir auch!“

Matt stockte. Er schluckte und kämpfte mit den Tränen.

„Jason ist labil! Lass’… Lass’ ihn jetzt nicht alleine! Sonst tut er sich noch was!“

Grimes nickte und schon war er aufgesprungen. Er verließ die Kantine und ging auf die Trainingshalle zu. Er wusste, dass sich Jason genau dahin flüchten würde, wo Kate die meiste Zeit verbracht hatte.

Jason kauerte in der Mitte des Raumes auf einer großen quadratischen Matte. Er saß im Schneidersitz und regte sich nicht. Grimes ging langsam auf ihn zu. Neben Jason angekommen blieb er stehen.

Er wollte anfangen zu reden, doch Jason fing einfach an.

„Ich vermisse sie. Egal wo ich hingehe, egal was ich mache! Kate ist überall. Ich kriege das nicht aus dem Kopf!“ Er hielt inne und eine Träne lief ihm übers Gesicht.

„Weißt du, manchmal weiß ich nicht… wie ich die nächste Stunde überstehen soll. Es ist als fehlt etwas. Ein Stück vom Puzzle.“

Grimes stand da und sah auf Jason hinunter. Einen Moment später ließ er sich neben ihm auf dem Boden nieder. Kaum hatte Grimes sich niedergelassen, sprang Jason auf. Regungslos stand Jason einfach da und starrte ins leere.

„Vergrab’ dich nicht in deiner Trauer, man!“

Er wartete auf eine Reaktion, doch Jason rührte sich nicht.

„Lenk’ dich ab, Alter!“

Ohne auf Grimes einzugehen oder verlauten zu lassen, das er verstanden hatte was Grimes ihm geraten hatte, wurde Jason ganz bestimmt und wirkte wieder total gefasst.

„Ich hör’ auf!“

Grimes starrte ihn entgeistert an.

„Was??!!“

„Ich quittiere meinen Dienst!“

Grimes schien verwirrt und sarkastisch lachte er. Er konnte nicht glauben was Jason gerade gesagt hatte.

„Du quittierst… Das ist doch… Äh. Jason, willst du mich verarschen?!“

„Nein. Ich kann so nicht weiter machen! Nicht so.“

„Alter! Das kannst du nicht bringen!“

„Doch!“

„Du weißt nicht was du tust. -“

„Doch, Grimes! Zum ersten Mal seit langem, bin ich mir ganz sicher bei dem was ich mache!“

„Du bist verrückt!!!... Und was ist mit Kate?“

Jason riss die Augen auf und drehte sich mit Zorn im Gesicht, Grimes zu.

„Was meinst du?!“

„Sie hätte nicht gewollt, dass du wegen ihr deinen Traum aufgibst!“

Jason kämpfte hart mit sich und Panik lag jetzt in seiner Stimme. Am liebsten hätte er Grimes an die Kehle gepackt und zugedrückt. Er wollte ihn würgen und ihm sagen, er solle nie wieder von ihr sprechen. Aber er war auch ihr Freund gewesen. Ebenso wie auch Jason 'nur' ein Freund gewesen war. Woran er selbst schuld war, wie er nur zu gut wusste. Er fasste sich.

„Was für ein Traum?!.. Ich habe keinen Traum mehr.“

Er sah einen Moment lang zu Boden und fuhr dann fort.

„Sie… Sie hätte mich gehen lassen.“

„Hätte sie nicht.“ Grimes hielt inne, wurde wieder leiser und versuchte völlig ruhig und normal zu sein. „Und das weißt du.“

Jason hatte sich wieder halbwegs beruhigt, doch er schien sich von Grimes nicht beeinflussen zu lassen.

„Ich… Ich hab keine andere Wahl, Grimes!“

„Es gibt immer eine Wahl. Du musst -“

Jason wurde laut und war fast sauer auf Grimes.

"Was muss ich, eh?"

Wieso Grimes ihn aufhalten wollte, wusste Jason nicht. Jason konnte es sich nicht erklären. Er würde gehen. Und er würde sich nicht davon abhalten lassen.

„Es geht einfach nicht!“

Er hielt kurz inne und brauchte einige Augenblicke um sich wieder zu beruhigen.

„Ich flieg’ zurück in die Staaten. Ihr kommt nach zur Beisetzung und dann zur Verhandlung, wir machen unsere Aussagen; und ihr fliegt ohne mich wieder zurück! -“

Grimes setzte zum Gegenargument an, doch schaffte nicht mal den Anfang.

„So! Und nicht anders, wird es laufen!“

Jason ließ den verwirrten Grimes stehen. Er machte sich mit Zorn und Angst gleichzeitig in den Augen auf den Weg zu General Garrison. Dort angekommen, machte er vor der verschlossenen Tür halt. Er klopfte und trat ein.

„Sir.“

„Ah, Johnson! Kommen Sie rein, machen Sie’s sich bequem.“

Er wies Jason mit der Hand an, sich auf einen der 3 leeren Stühle zu setzen, doch Jason bewegte sich nicht.

„Ich mach’s ganz kurz, Sir.“

Jason schluckte und holte tief Luft.

„Ich quittiere hiermit meinen Dienst. Ich weiß nicht, ob Ihnen eine mündliche Form reicht, wenn nicht kann ich -“

„Nun mal ganz langsam!“

Er sah Jason eindringlich in die Augen.

„Ich weiß, warum Sie das wollen, Lieutenant! Aber ich kann den Verlust eines so tauglichen Soldaten nicht gutheißen.“

„Vielleicht nicht gutheißen; aber akzeptieren. Und vielleicht auch verstehen. Sir, ich… Mein Entschluss steht fest!“

„Ich kann Sie verstehen. Es… ist ein wohlbehütetes Geheimnis, wie Sie zu Lieutenant Gibson standen. Folglich, weiß es die ganze Einheit. Es ist allerdings meine Pflicht, als leitender Offizier, Sie aufzufordern, hier zu bleiben. … Gehen Sie nicht!“

„Aber Sir, bei allem Respekt!!! -“

Mit einer schnellen Handbewegung bedeutete Garrison ihm still zu sein. Jason schien sichtlich Mühe zu haben, seine Anweisung zu befolgen.

„Ich kann nur erahnen, wie Sie sich fühlen. Lieutenant Gibson war eine…-“

„Ich weiß was sie war!“

„Tut mir leid! Ich wollte Ihnen auf keinen Fall zu nahe treten.“

„Ich weiß. Es ist nur…“

Jason musste sich stark zusammenreißen um nicht wieder zu weinen. Es zerriss ihm das Herz, als er darüber nachdachte, den Rest seines Lebens ohne Kate zu sein. Sie nicht einmal mehr zu sehen. Er stand starr und kerzengerade da und richtete seine glasigen Augen geradeaus. Er stand da; ein vorbildlicher Soldat auf den ersten und ein gebrochener Mann auf den zweiten Blick. Mit Tränen in den Augen.

„Die Verhandlung ist nächsten Monat, aber Stone fliegt morgen! Sie können mit.“

Jason nickte mit Zorn im Blick.

„Aber, Johnson! Reißen Sie sich zusammen! Sie fliegen als Soldat! An der Überführung des Gefangenen sind Sie nicht beteiligt!“

Jason’ s Blick fiel zu Boden. Er wusste, was der General ihm damit sagen wollte.

„Und die Anderen?“

„Die fliegen kur vor der Beerdigung.“

Er sah Jason an.

„Ich darf Sie eigentlich nicht in einem Sicherheitstransport mitfliegen lassen. …Ich wiederhole mich nicht gerne! Also tun Sie, was ich Ihnen sage! Reißen Sie sich zusammen, Johnson! Selbstjustiz bringt sie Ihnen auch nicht zurück!“

Jason lieferte sich in diesem Augenblick einen erbitterten Kampf mit seinem Unterbewusstsein, das ihm sagte, er sollte besser auf Garrison hören. Es gewann. Jason schloss einen Moment die Augen.

„Verstanden!“

Garrison nickte ihm zu, Jason salutierte und ging. Leise schloss er die Tür hinter sich. Noch bevor er sich umdrehen konnte, wurde er von Grimes umgedreht, am Kragen gepackt und an die Wand gedrückt.

„Das hast du jetzt nicht wirklich gemacht du Arsch, oder?!“

Nachdem Jason die Frage erfasst und verarbeitet hatte, bekam sein Blick einen merkwürdig zornigen Ausdruck. Er hatte keine Lust, sich wieder vor Grimes rechtfertigen zu müssen. Er schlug seine Arme weg, stieß ihn zurück und ging an ihm vorbei.

"Johnson!" doch Jason ignorierte Grimes.

Sein Entschluss war endgültig und so gut wie offiziell. Grimes würde das nicht ändern!
 

Jason lag schon wieder auf seinem Bett. Die Hände überm Bauch gefaltet und die Augen geschlossen.

„Du hörst auf.“

Jason schreckte hoch und Hoot stand vor ihm.

„Fang’ du jetzt nicht auch noch an!“

„Ich bin nicht hier um dich umzustimmen!“

Jason setzte sich auf. Ein sarkastisches Lächeln fuhr ihm über die Lippen. Obwohl ihm weiß Gott nicht zum spaßen zu mute war.

„Sondern?“, er hielt inne.

„Willst du mich loswerden?“

Hoot schüttelte genervt den Kopf.

„Weißt du Johnson… es ist mir scheißegal; ob du hier bist… oder bleibst! Von mir aus kannst du verrecken!“

Hoot hielt inne und achtete auf Jason’ s Reaktion. Jason starrte ihn ungläubig an.

„Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre das nicht passiert! Wenn du nicht gewesen wärst, wäre Kate jetzt noch am leben!“

Jason starrte Hoot an. Wie konnte er so ruhig sein und ihm trotzdem so etwas sagen?

Aber konnte er Recht haben? War es vielleicht wirklich so, dass Jason schuld war?

Schuld am Tod der Frau, die er am meisten liebte!

„Ich bin schuld.“ Es war nur ein flüstern. Beinahe nicht zu hören.

"Ja, Jason! DU bist schuld!"

Hoot war ganz ruhig, sah Jason eindringlich an, starrte ihn fast nieder mit einer solchen Wut in den Augen und war fest davon überzeugt, das es stimmte.

Ein Echo hallte in Jason’ s Kopf wieder.

„...Von mir aus kannst du verrecken! …Wenn du nicht gewesen wärst! ...“

Es zerdrückte ihm das Trommelfell. Hoot sah Jason an. Ganz ruhig und verzog keine Miene. Dann ging er und ließ Jason geschockt sitzen. Jason sah ihm nach. Er begriff langsam, das Hoot Recht hatte und ihn jetzt hasste. Er saß da und starrte ins leere. Die Zeit schien still zu stehen. Jason bemerkte kaum, wie die Minuten verstrichen. 10 Minuten, 20 Minuten. Jason hatte bloß einen Gedanken. Er war Schuld!

„Hier bist du!“

Unsanft wurde er vom leicht nervösen Matt aus seiner Starre gerissen. Er stand in makellos gebügelter Uniform, auf der einige Abzeichen glänzten, vor Jason und starrte ihn, seinen Hut in den Händen haltend, an.

„Warum bist du noch nicht umgezogen?“

„Was?“

Matt starrte ihn wieder ungläubig und die Augenbrauen hochziehend an.

„Uniformpflicht?!... Garrison hat’s angeordnet!“

Matt hielt inne und wunderte sich, wieso ausgerechnet Jason sich so wenig um die Perfektion von Kate’ s Verabschiedung scherte.

„Wozu soll ich ne Uniform anziehen?!“

„Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?“

„Doch Matt!“

„Hallo?! Du kannst dich nicht So von Kate verabschieden!“

„Ich verabschiede mich nicht.“

„Was… Das meinst du doch jetzt nicht Ernst.“

„Ich hab’ es nicht verdient, dabei zu sein. Ich bin schließlich schuld an ihrem Tod.“

„Wer sagt das?!“

„Hoot. Und er hat Recht! Wenn ich nicht gewesen wäre würde sie jetzt noch leben!“

„Jetzt hör’ mir mal zu du Wixxer! Hoot gibt nicht nur dir die Schuld! Ich bin auch schuld! Grimes auch. Und er selbst sowieso!... Du kennst ihn doch… Kate war sein Leben!“

Matt sah Jason an. Jason verinnerlichte, was Matt gesagt hatte. Aber Kate war nicht nur Hoot’ s Leben. Sie liebte ihn doch auch und nicht nur ihren Bruder. Sie war auch sein Leben.

„Jeder beschuldigt jeden! Aber wirklich schuld ist nur Alex!... Er hat Kate… er hat sie…!“

„Nein, Matt! Wenn ich nicht gewesen wäre -“

„Hätte Alex sie vergewaltigt!!!“

Jason fuhr sich mit zitternden Händen durch die kurzen Haare.

„Und wäre das vielleicht besser gewesen?“

„Matt! Sie ist tot!!! Alex wollte MICH erschießen! Nicht sie!“

„Zieh dich um! Du hast 10 Minuten.“

„Ich komme nicht mit!“

„10 Minuten!“, dann drehte Matt sich um und ging nach draußen.

Vor der Halle sah er Hoot vor einem Black Hawk sitzen und an einer Zigarette ziehen.

„Seit wann rauchst du?“

„Seit gerade eben.“

Er stieß einen Rauchschwall aus.

„Was geht’s dich an?!“

Matt ließ sich neben ihm auf dem Boden nieder.

„Du weißt, dass Jason nicht schuld ist!“

Er drehte sich zu Hoot, sah ihn kurz an und blickte dann wieder geradeaus.

„Lass’ mich mal überlegen! Jason hat sich mit Stone geprügelt, der wollte IHN erschießen und nicht Kate! Kate hat sich bloß wegen ihrer Liebe zu ihm vor die Kugel geschmissen! Oder warte! Dir kann ich auch die Schuld geben! Du mieser Arsch hast sie geschwängert! Das ist Grund genug, dir den Arsch aufzureißen!“

Matt schüttelte den Kopf.

„Ich wusste es nicht mal.“

„Ein Grund mehr dich zu erschlagen!... Du kümmerst dich nicht mal um sie!“

„Hey!!! Es reicht, Man!... Sie hat nicht mit mir geredet! Ich wollte wissen wie es ihr geht!“

Er stand auf.

„Und du gibst Jason nur die Schuld daran, weil du es nicht ertragen kannst, das Kate gelernt hat, jemand anderen mehr zu lieben als dich!!!“

Hoot’ s Auge zuckte kurz vor Wut.

„Fick dich!!!“

Wieder schüttelte Matt leicht den Kopf und konnte sich das sarkastische Grinsen

dabei nicht verkneifen.

„Du hast nichts verstanden!“

Er drehte seinen Kopf zurück zu Hoot und fuhr fort.

„Es geht nur um Kate!“

Dann wandte Matt sich von Hoot ab und ging wieder in die große Halle. Als er zu den Betten kam, stand Jason vor ihm und setze sich gerade sein Barett passend zur „ausgeh- Uniform“, auf der auch einige Abzeichen zu sehen waren, auf. Er hatte Matt zuerst nicht bemerkt, doch dann sah er ihn an.

„Danke.“ Jason nickte Matt zu.

„Ich mache das für Kate!“

„Ich weiß.“

„Matt… Ich… -“

Er hielt kurz inne und rieb sich die Stirn.

„Ich hör’ auf!“

„Ich weiß.“

Jason sah ihn fragend an und erhielt prompt eine Antwort.

„Grimes.“

Jason stöhnte leise und dachte sich ‚Das war so klar.’

„Er war ziemlich verzweifelt.“

„Das ist mir im Moment scheißegal!“

Er wurde laut und ungehalten.

„Ihr könnt mich nicht umstimmen! ...Und du schon gar nicht.“

„Das will ich auch nicht.“

„Ich sollte dich hassen! Das weißt du, oder?“

„Vermutlich. Und ich dich!“

„Könnte sein.“

Die beiden sahen sich tief an. Plötzlich streckte Jason die Hand aus. Matt sah ihn verdutzt an und griff danach. Ein starker Händedruck gefolgt von einer Umarmung. Es kostete beide viel Überwindung.

Den Tränen nah, drückte Jason Matt wieder weg.

„Komm’ jetzt!“

„Warte.“

Jason ging an Matt vorbei nach draußen und zu Hoot. Er war gerade aufgestanden und hatte eine weitere Zigarettenkippe weggeschnipst, als Jason auch ihm die Hand hinhielt. Hoot starrte kurz auf die ausgestreckte Versöhnungsgeste.

"Ich weiß, dass ich schuld bin."

Stumm ergriff Hoot kurze Zeit später auch Jason’ s Hand. Wieder eine kurze Umarmung. Hoot räusperte sich und schlug Jason auf die Schulter. Er nickte und beide kehrten zu Matt zurück.
 

Alle Feldbetten waren zu Seite geschoben oder zusammen geklappt worden. Ein Podest war aufgebaut und gerade wurde von einem uniformierten Soldaten ein Mikrofon befestigt. Die Halle füllte sich mit Soldaten und Jason, Matt, Hoot und Grimes reihten sich vorne in die erste Reihe und jeder andere gewährte ihnen diese Plätze. Jason fühlte sich in diesem Moment am unwohlsten denn schon wieder hatte er das Gefühl von mitleidigen Blicken verfolgt zu werden. Er beobachtete einen seiner Kameraden wie er eine große Leinwand rechts vom Podest aufstellte und ein großes bedrucktes Bild befestigte. Kate.

Er stockte und fing an zu zittern als er es sah. So stark und ausdrucksvoll sah sie im Großformat aus.

Diese starken wunderschönen Augen. So klar. Sie hatte denselben respektvollen, starken und ungebrochenen Blick wie an ihrem ersten Tag. Jason atmete tief und musste sich arg zusammenreißen.

Matt hatte seinen Blick verfolgt und hing nun auch an dem großen Bild fest. Bevor er etwas zu Jason sagen konnte, wurde er von Hoot unterbrochen. Auch er hatte das Bild in Augenschein genommen.

Doch Angst, Verzweiflung, Trauer oder Wut waren in seinem Blick nicht zu sehen. Nur Stolz.

„Es gibt bloß ein Bild auf dem sie aufrichtig lacht!“

Grimes, Jason und Matt sahen ihn entgeistert an.

„Sie war 16 und wir waren am Lake Tahoe.“

„Hast du das Bild hier?“

Jason hätte Kate nur zu gerne wirklich aufrichtig lachen gesehen. Hoot antwortete nicht. Stattdessen öffnete er den Knopf an seiner Brusttasche und zog ein leicht verknittertes stück Papier hervor.

„Ich hab’s immer mit.“

Er faltete es behutsam auseinander und drehte es auf die interessante Seite.

Kate war darauf zusehen. Sie saß auf einem, am Boden liegenden Baumstamm und drehte sich nur ein Stück zur Kamera. Jason blickte sofort in das wunderschöne Gesicht.

Sie lachte. Seine Kate. Er hatte sie niemals lachen sehen. Nie so aufrichtig und strahlend.

So wunderschön sah sie auf diesem Bild aus, auch wenn es fünf lange Jahre her war. Er griff nach dem Bild und betrachtete es noch einmal genau. Es war kein dezentes Lächeln. Es war ein wirklich glückliches Lachen. Es schien, als würde sie ihn ansehen. Jason’ s Blick fuhr über das ganze Bild.

Vom sonnig blauen Himmel, über den Wald im Hintergrund und zum klaren Wasser, vor dem dieses wunderschöne 16 jährige Mädchen, auf einem Baumstamm saß. Der Anblick brachte ihm ein leichtes Lächeln ins Gesicht. Doch dem Lächeln folgte eine Träne. Er schob das Bild zurück in Hoot’ s Richtung und wischte sich das Gesicht trocken. Jason wandte das Gesicht von den anderen ab, in der Hoffnung, sie hätten seine Tränen nicht gesehen. Er erspähte den leicht verwirrt wirkenden General Garrison, der sich gerade mit zitternden Händen die Krawatte zu Recht zupfte. Er bewegte sich auf Jason zu, klopfte ihm nickend auf die Schulter und ging zum Podest. Schluckend und weiter an der Krawatte zupfend, begann Garrison nervös das Mikrofon hin und her zuschieben. Er räusperte sich und ergriff das Mikro. Er schloss einen Moment die Augen, holte tief Luft und öffnete sie wieder.

Die Soldaten hatten sich in einem großen Quadrat aufgestellt und sahen ihn gebannt an. Zögernd begann er.

„... Vor ein paar Tagen... Ist etwas... ganz furchtbares passiert. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber es ist so. ...Lieutenant Kate Gibson... ist verstorben. Für manche bedeutet ihr viel zu frühes Ableben, einen eigenen Teil von sich zu verlieren. Für andere, geht eine Kameradin und Freundin.“

Er hielt inne und blickte quer durch die Halle.

„Sie war eine der wenigen Frauen, die sich durchgesetzt haben... und die einzige, die den Weg ins Ziel geschafft hat. Hier her. ...Lieutenant Gibson hatte enorme Kräfte und Energien in sich. Sie hat die U.S. Rangers verändert. …Sie hat die Army verändert.“

Jason hörte ihm gebannt zu und dachte wieder an Kate. Er stand fest am Boden, die Hände nach unten an den Körper gedrückt. Unter seinem Barett fiel es nicht weiter auf, dass er in seinem starken und noch immer ungebrochenen Blick weitere Tränen verlor. Er vermied es zu blinzeln, in der Angst, Kate komplett aus seinen Gedanken zu verlieren. Es vergingen einige Minuten und Hoot war wie versteinert. Er hörte nichts, sah nichts und fühlte nichts. Da war nur dieser erdrückende Schmerz. Er reagierte aus wie Reflex, als Captain Steele, der links von General Garrison stand, die Soldaten aufforderte zu salutieren. Hoot salutierte, Matt, Grimes und Jason taten es ihm gleich. Alle anderen um sie herum taten es auch, doch sie bemerkten es nicht. Noch immer hielten sie die Hände nah an die Schläfen und erst als sich General Garrison für den Moment verabschiedete, nahmen sie sie wieder runter. Eine Träne lief Matt übers Gesicht. Er drehte sich zu Jason und klopfte ihm kurz auf die Schulter. Dann nickte er und ging ohne ein Wort. In seinen Gedanken tat sich eine Menge. Er dachte an Kate. An den Schuss und an den dumpfen Aufschlag von Kates Körper auf den Boden. Dann schweiften seine Gedanken zu seiner Dienstwaffe, die sich unter seiner Uniform befand. Er könnte sie nehmen und sich an die Schläfe halten. Er konnte abdrücken. Matt dachte darüber nach, wie es am schnellsten ginge. An der Schläfe, am Hals, an die Kehle oder sollte er sich seine Waffe vielleicht doch in den Mund stecken und dann abdrücken. Er sah Kate vor sich. Sah ihren Blick, ihren Körper und sah sich wie er sie küsste. War Selbstmord wirklich die richtige Lösung? Er wollte bei ihr sein. Egal was es kostete. Matt dachte an Jason. Kate hatte sich von ihm verabschiedet. Ihm den Abschiedskuss gegeben, und sie hatte ihm gesagt, das sie ihn liebte. Matt überlegte kurz. Vielleicht wäre es besser wenn er Jason erschoss. Was Alex nicht geschafft hatte, würde Matt doch auf alle Fälle schaffen. Andererseits würde er Jason vielleicht einen Gefallen tun. Denn dann wäre Jason bei Kate und nicht er selbst. Matt verwarf die Gedanken, blieb kurz stehen und schüttelte verwirrt den Kopf.

Dann machte er kehrt und blieb nach ein paar Metern wieder stehen. Wenn ihn jemand so gesehen hätte… Matt sah sich um. So verwirrt war er ewig nicht gewesen. Er erblickte ein leeres Feldbett und ließ sich darauf nieder. Seufzend fuhr er sich durch die Haare. Matt schloss die Augen und schon hätte er wieder weinen können. „Kate.“ Leise seufzend versuchte er, sich wieder zu fangen. Er starrte mit aufgerissenen Augen zu Boden und eine Träne lief über sein Gesicht. Matt war gefangen. Gefangen am Leben. Ein Leben ohne Kate, war seine Strafe, die er tragen musste. Er gab sich die Schuld. Es war sicher seine Schuld; seine Schuld das Kate fast gestorben wäre; seine Schuld das sie mit Alex alleine gelassen wurde; das sie fast vergewaltigt wurde; das sie starb.

„Oh Gott!!!“ Matt atmete tief.
 

„Ey.“ Matt schreckte hoch, nachdem er den leichten Tritt gegen seine Stiefel registriert hatte und sah einen Augenblick später in Jason’ s entschlossene Augen. Jason stand vor ihm, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Er setzte sich neben Matt auf das Bett und spähte in die Luft.

Jason seufzte, senkte den Kopf und versuchte eine Erklärung für seine Entschlossenheit zu finden.

„Morgen bin ich weg.“ Matt überlegte kurz was das für einen Sinn hatte, dass Jason ihm das sagte.

Stirn runzelnd sah er ihn an. Jason sah Matt auch an.

„Was?!“

„Was sollte mir das jetzt sagen?“

„Ich dachte, dass wir vielleicht noch mal reden sollten!“

Er hielt inne. „Matt. Wenn… wenn Kate… beerdigt ist; dann sehen wir uns, hoffe ich, nicht wieder! Und ich will, dass du dich bei mir entschuldigst! Dafür das du -“

„Ich soll mich entschuldigen?! Sag mal hast du zu viel Salat gefressen du kleiner Mistkäfer?“

„Matt!!!“

„Was willst du eigentlich? Ich soll mich entschuldigen? Wofür verfluchte Scheiße?!“

Matt sah Jason vorwurfsvoll an. Er konnte nach seinen Schuldgefühlen selbst nicht so ganz glauben, dass er auf einmal keinerlei Schuld mehr tragen sollte.

„Dafür, dass ich mich in Kate verliebt hab? Dafür das ich sie geküsst hab? Das ich mit ihr geschlafen hab? Für die Schwangerschaft von der ich nichts wusste?!“

Zwischenzeitlich war Matt aufgestanden und er hoffte auf Verständnis in Jason’ s Blick.

Auch Jason war aufgestanden. Statt des erhofften Verständnisses, bekam er einen Faustschlag ins Gesicht. Die Wucht des Aufpralls, ließ ihn zwei Schritte zurück weichen. Sein Gesicht fiel zur Seite weg und seine Nase begann zu bluten. „Ja, Matt! Du sollst dich entschuldigen!“

Er ging einen Schritt auf Matt zu und schlug ihn erneut. Matt war unsicher. Er wich einen weiteren Schritt zurück und kam erst gar nicht dazu, zu reagieren.

„Du wusstest die ganze Zeit was sie mir bedeutet! Du bist mir in den Rücken gefallen!“

Durch den zweiten Schlag in die Magengegend, rang Matt nach Luft. Er versuchte, sich wieder zu fangen. „Beruhig dich…“

Jason kam erneut auf ihn zu. Seinen nächsten Schlag konnte Matt abfangen. Er hielt Jasons Faust fest in beiden Händen und ließ sie ruckartig und sich mit einem Schlag wehrend los.

Er traf Jason in die Seite und auch er wich jetzt einen Schritt zurück.

„Kriegst du dich jetzt endlich wieder ein?!“ Matt holte tief Luft und sah Jason dabei zu, wie er sich an die Rippen fasste und sich an einem Feldbett abstützte. Jason ließ sich schwer atmend auf dem Bett nieder. „Nicht nur du hast jemanden verloren! Mir fehlt Kate auch! Und hast du mal eine Sekunde an Hoot gedacht?“ Jason sah Matt an. Matt spürte den Hass und den Vorwurf auf seinem Gesicht brennen. Kopfschüttelnd ging er. Jason sah ihm kurz nach. Seufzend und sich noch immer an die Seite fassend ließ er erneut den Kopf hängen.

Er schloss die Augen und biss die Zähne zusammen.

Jason konnte nicht umhin, schon wieder an Kate zu denken. Er sah sie wieder vor sich.

Er öffnete die Augen, doch Kate wollte nicht gehen.

Sie blieb.

Jason wollte sie dafür hassen, dass sie ihn zwang sie zu lieben. Wie konnte Kate einfach von ihm gehen und ihn allein, lebend und trauend zurücklassen. „Wieso tust du mir das an?“ Er sah von seinem Platz aus auf seine wunderschöne Einbildung hoch. Wie sie in ihrer vollen Schönheit vor ihm stand und ihn verständnisvoll anlächelte. Jason seufzte erneut und versuchte krampfhaft, nicht mehr an Kate zu denken. Aber er liebte sie doch. Wieso, wenn er sie doch so sehr liebte und er wusste, dass Kate ihn auch liebte und genau wusste, er würde sie immer lieben; wieso also, sollte er sie vergessen.

Es ergab keinen Sinn. Aber genau so wenig ergab es einen Sinn, dass Jason anderen die Schuld für den Tod von Kate gab. Alex Stone. Er allein war schuld. „Du hättest mich töten sollen!“

In Jason’ s ausdruckslosen, leeren Augen sammelten sich erneut Tränen, die ihm kurze Zeit später das Gesicht hinunter liefen. Er hätte wahnsinnig werden können. Sich genau wie Hoot auf den Mörder schmeißen und ihn mit bloßen Händen erschlagen. Jetzt würde er sich am liebsten selbst erschlagen.

Wie konnte er zulassen, dass Kate ihm das Leben rettete. Es hätte doch anders rum sein müssen.

Vielleicht war es Schicksal, dass Kate für ihn starb und dass sein Leben durch sie gerettet wurde.

Aber wer hatte dieses Schicksal für Kate und ihn bestimmt. War es ihnen nicht bestimmt gewesen zueinander zu finden? Er sah auf die Uhr. Es war schon weit nach einundzwanzig Uhr.

Nur noch ein paar Stunden musste er hier ausharren. „Sie können es wohl kaum erwarten hier weg zu kommen, Lieutenant.“ Er schaute nach oben und sah, wie General Garrison durch Kate hindurch ging.

Sie verschwand. Einen Moment trauerte er seiner Illusion hinterher. Es war grotesk.

„Umstimmen kann ich Sie nicht mehr?“

Jason sammelte sich und schüttelte still den Kopf. Seine Augen waren noch immer glasig und er spürte, wie die Tränen auf seiner Wange zu trocknen begannen. „Wissen Sie, was sie machen werden, wenn Sie nach Hause zurückkehren?“ Er schüttelte wieder den Kopf. „Ich werde zu meiner Schwester ziehen.“ Jason richtete seinen leeren, ausdruckslosen Blick nach vorn.

„Das ist alles. Ich weiß nicht was ich machen soll. Ich weiß nicht wie ich weiter machen soll. Es ist mir egal.“ Garrison sah ihn ruhig von oben an. Sein Blick wanderte zu Jasons ineinander gefalteten Händen. Er sah wie sie hoch und wieder runter schaukelten… Jason stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab. Er sah aus als würde er beten. Doch selbst wenn Jason beten wollte. Für ihn gab es nichts mehr. Was sollte das für ein Gott sein zu dem er beten würde? Was für ein Gott könnte existieren, der ihm sein Leben nahm und ihm beim leiden zusah. Jason hatte jede Art von Glauben verloren.

Sein Glaube an etwas übernatürliches, an eine bessere Welt, sein Glaube an die gute Sache, für die er zu kämpfen versuchte. Es war alles dahin. Alles zerstört, in einem einzigen, kurzen und doch so langen Moment. Zerstört mit dem letzten Atemzug seiner großen Liebe.

Eine weitere Träne lief sein Gesicht hinunter. „Reißen… Reißen Sie sich zusammen, Lieutenant.“

Er räusperte sich und zog seinen Hemdkragen zu Recht.

Garrison klopfte Jason auf die Schulter. „Nicht unterkriegen lassen, mein Sohn.“

Dann ging er. Jason saß da und starrte weiterhin nach vorne.

Da war sie wieder -Kate. Lächelnd stand sie vor ihm. Er wünschte sich so sehr, sie würde einfach aufhören ihn anzulächeln und gehen. Jason wollte nicht, dass sie ging. Sie sollte immer bei ihm bleiben. Doch nicht in einer unwirklichen Illusion. Sie sollte leben. Sie sollte wirklich und wahrhaftig neben ihm stehen, ihn ansehen, lachen, sagen dass alles gut wird und ihn küssen.
 

Jason hatte sich schon längst unterkriegen lassen. Wenn er so darüber nachdachte, dann war er tiefer am Boden zerstört als es je hätte gehen können. Was machte es dann für einen Sinn, wenn er sich einen neuen Job suchen würde. Es war alles sinnlos.

Er hatte aufgehört zu leben. Aufgehört, als er Kate in seinen Armen hat sterben lassen.

Wieder gab Jason sich die Schuld am Tod der einzigen Frau, die er je wirklich geliebt hatte.

Wie konnte sie? Ihn einfach zu verlassen.

Er würde sterben. Er wollte sterben. „Das hat alles keinen Sinn.“, flüsterte er, wischte sich die Tränen weg, stand auf und ging.
 

Still und sich auf der Lippe kauend, stand Jason am nächsten Morgen vor dem Hubschrauber, der ihn wieder zurück in ein „normales“ Leben bringen würde. Die ganze Nacht hatte er nicht ruhig schlafen können. Immer wieder wachte er auf und neben ihm lag, ihn wieder anlächelnd, Kate. Bei jedem Atemzug war sie da. Wenn er die Augen schloss und krampfhaft hoffte, sie möge gehen, war sie da. Sie wich nicht von seiner Seite. Diese wunderbare Einbildung. Er war nervös.

Gleich würde er den Mörder seines Lebens sehen. Er würde an Jason vorbei geführt werden.

Lange hatte er über den Moment nachgedacht. Wie würde er reagieren, wenn Alex ihn ansah?

Würde Kate ihn immer noch lächelnd ansehen? Von hinten schlug ihm jemand auf die Schulter und Jason erschrak. Ruckartig drehte er sich um. Vor ihm stand Hoot.

„Du willst abhauen ohne dich von allen zu verabschieden?!“

„Ihr wisst… dass ich heute fliege!“

Ohne darauf einzugehen, bekam Hoot einen festen und zornerfüllten Blick.

„Tu’ mir einen gefallen, Johnson.-“

Er hielt kurz inne und sah in Richtung der großen Halle, als ob er befürchtete, Luzifer selbst würde gleich durch die Tore geführt.

„Bring ihn um!“

Er wandte seinen Blick ruckartig wieder zurück zu Jason und sah ihn mit seinen wutentbrannten Augen an.

„Mach ihn fertig! Mach ihm das Leben zur Hölle. Und dann töte ihn!“

Hoot blieb noch einen Moment vor dem verdutzten Jason stehen und biss verkrampft die Zähne zusammen. Dann löste er seinen Blick und ging schnellen Schrittes zurück in die Halle, aus Angst den Mörder seiner Schwester gleich sehen zu müssen. Jason sah ihm nach.

Kurze Zeit später, verstarrte er in seinem Blick. Durch den Eingang in die große Halle traten zwei bewaffnete Soldaten, die einen dritten, in Handschellen gelegten, in ihrer Mitte führten.

Es war Alex. Jason starrte wie gebannt in seine Richtung. Er hielt die Luft an und regte sich keinen Millimeter mehr. Ohne dass Jason es gewollt hätte, liefen ihm erneut Tränen das Gesicht hinunter.

Langsam kamen sie auf ihn zu. Es kam ihm vor wie in Zeitlupe. Als Alex an ihm vorbeigeführt wurde, wagte Jason einen Blick. Er sah in Alex’ rücksichtsloses, kaltes Gesicht. Jason fixierte ihn und den Bruchteil einer Sekunde später erwiderte Alex seinen Blick. Jason nahm sein Grinsen wahr.

Er musste doch Schuldgefühle haben. Hatte er sich dieses hämische Grinsen nur eingebildet?

Wie konnte er so schmutzig über den Tod der Frau grinsen, die er vorgegeben hatte zu lieben?

Es war Jason unbegreiflich. Er wollte die Kontrolle verlieren. Er wollte sich auf Alex stürzen und ihm das Leben aus dem Leibe prügeln. Doch es ging nicht. Er fasste sich und sah noch mal genau hin.

Kein Grinsen. Jason war starr vor Schreck. Wieder sah er dieses fiese Grinsen vor sich.

Langsam holte er tief Luft. 'Nur Einbildung.", dachte er.

„Lieutenant Johnson. Abflug in 2.“

Er hörte den Piloten und folgte seiner stillen Aufforderung, in den Hubschrauber zu steigen.

Als er den Hubschrauber betrat, wurde Alex gerade von den beiden Soldaten am Sitz fixiert.

Er schluckte und setzte sich drei Sitze vor ihn. Jason hatte sichtlich Mühe damit, sich darauf zu konzentrieren, Alex nicht im Entferntesten anzusehen. Er dachte an Kate und ballte seine Hände zu Fäusten. Jason schloss die Augen und atmete tief. Seine Fäuste lösten sich und sein Atem beruhigte sich. Noch immer hielt er die Augen geschlossen. Um nichts in der Welt wollte er jegliche Art von Erinnerung an Kate jemals wieder vergessen und als er die Augen öffnete, sah er sie neben sich. Er sah ihr zu, wie sie ihre Hand auf seine legte. Minuten lang starrte er auf seine Hand. Als Jason sich wieder sammelte dachte er an etwas. Er zog das Bild, das er von Hoot bekommen hatte aus seiner Brusttasche. Das Bild. Das einzige, auf dem Kate so unendlich, ehrlich und aufrichtig lachte.

Wie kam es, das er sie nun immer lächelnd vor sich sah, wo sie doch nie wirklich so herzlich gelächelt hatte. Er verlor sich in dem Bild. In dem Bild, in ihr, in einem Lächeln. Doch durch die Realität, durch den, seiner Meinung nach, abstosendsten Menschen auf diesem Planeten, wurde er aus seinem Traum gerissen. Wie konnte Alex es wagen, seine Worte an ihn zu richten?

„Na? Vermisst du sie?“

Jason zuckte zusammen. Er wollte ihn überhören. Jason versuchte seinen Kopf so wenig wie möglich zu bewegen, verdrehte die Augen um Alex in sein Blickfeld zu bekommen. Sein Blick strahlte so viel Hass und Verachtung aus. Doch der größte Teil seiner Augen wurde von Schmerz und Trauer beherrscht. Sein Blick schweifte zurück auf das Bild in seinen Händen. Seine Finger strichen darüber.

Leise hauchte er etwas in die Richtung des Bildes, was niemand um ihn rum zu hören vermochte.

„Ich liebe dich.“

Jason schluckte erneut. Die Kate neben ihm hatte gehört was er geflüstert hatte, lächelte ihn an und schenkte ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Sofort hätte er wieder weinen können.

Aber er wollte ihrem Mörder nicht diese Genugtuung verschaffen. Jason wollte aufstehen. Er wollte Alex packen und mit bloßen Händen erschlagen. Wenn da bloß nicht die Kameraden wären, dachte er.

Langsam wandte er sich wieder der lächelnden, kleinen Kate auf dem Bild zu. Sie würde immer in seinem Herzen sein. Jasons Blicke wanderten immer wieder über das ganze Bild. Er versuchte möglichst wenig auf die Illusion neben sich zu achten, in der Hoffnung, sie würde gehen. Und jedes Mal stockte sein Atem wenn er in Kates wunderschöne Augen sah. 2 Stunden lang, bis er einschlief.
 

Er fing an zu träumen. Kate tauchte vor Jason’ s Augen auf. Sie lachte. Sie strahlte ihn an. Leise rief Jason ihren Namen. Er wollte auf sie zu gehen und ihr sagen wie sehr er sie liebte, doch es ging nicht.

Steif stand Jason einfach nur da. Er bewegte seine Lippen, doch es kam nichts. Das Bild vor seinen Augen verdunkelte sich. Kate’ s Strahlen verschwand. Ihre Augen verloren die Liebe. Ein Schuss.

Wieder wollte Jason Kate’ s Namen rufen. Sein Herz fing an schneller zu schlagen.

Da war wieder die Angst. Die Angst sie zu verlieren. Nichts geschah. Kate stand da. Langsam wurde sie kleiner und kleiner. Jason’ s Angst weitete sich immer mehr aus. Er wollte sie nicht vergessen. Niemals und um keinen Preis der Welt. Doch es geschah. Kate verschwand mit den Worten: „Du bist Schuld! Ich hasse dich!“

„Kate! Kate!... Verlass mich nicht!“

Doch es war zu spät. Jason sah nur noch Dunkelheit. Kate war verschwunden und nur das Echo blieb ihm. Immer wieder hörte er ihre Worte.

Bis er durch das Aufsetzen des Hubschraubers, auf den Boden, geweckt wurde.
 

Er öffnete verdutzt die Augen und blickte um sich. …Kate.

Jason sah wie Alex von den beiden Soldaten vom Sitz befreit und weggeführt wurde. Er fasste sich wieder und realisierte, dass alles nur ein Traum war und dass er endlich wieder amerikanischen Boden unter seinen Füßen spüren würde. Kate hasste ihn nicht. Oder?

Er vertrieb den Gedanken aus seinem Kopf, sprach einen Soldaten an, der an ihm vorbei ging, und fragte ihn wo Alex hingebracht würde. Er zuckte im vorbeigehen mit den Schultern und sah Jason kopfschüttelnd an. Jason blieb kurz stehen und überlegte.

Er wollte nicht näher nachfragen. So wichtig war der Mörder seiner fast Freundin ihm nicht, dass er alles hinterfragen musste. Einen Augenblick lang dachte Jason über Hoot' s letzte Worte an ihn nach.

Er sollte Alex das Leben zur Hölle machen und ihn umbringen. Zu spät. Alex war weg. Würde er ihn noch mal wieder sehen? Er dachte an die Verhandlung. Und Jason wusste, dass er aussagen musste.

Alles würde sich wiederholen. Er müsste alles noch mal und noch mal erzählen. Ein Preis, den er bereit war, für seine Rache an Kate' s Tod zu bezahlen.

Langsam und nachdenklich verließ er den Flugplatz.

Noch 3 Tage, dachte er. Die Beisetzung. Die Verhandlung. Eine lange Woche. Oder länger? Er konnte nicht warten. Er würde daran kaputt gehen. Sie würden sich bei ihm melden. Aber was sollte er bis dahin tun? Arbeiten? Rumsitzen und warten? Ständig an Kate denken?

Er betrat den Parkplatz und suchte einen schwarzen Jeep. Jason spähte umher, -da war sie wieder.

"Geh.", flüsterte er seiner Einbildung zu. "Bitte." Kate hielt den Kopf schräg und ein weiteres Lächeln huschte über ihre Wangen. "Bitte." Seine Stimme war nur noch ein leises Hauchen.

Sie drehte den Kopf legte ihn zur anderen Seite schräg. Das Lächeln verschwand, als wollte sie ihm sagen, dass sie nicht gehen wollte. Das sie ihn nicht verlassen wollte.
 

Außer Kate konnte er nichts und niemanden sehen. Hier und da ein paar kleine Wagen.

Langsam ließ er seine große, khakifarbene Reisetasche, auf der sein Name eingenäht war, zu Boden sinken. Er starrte zu Boden und weinte in sich hinein. Der Traum; was hatte er bloß zu bedeuten?

Die quietschenden Reifen, des Jeep' s seiner Schwester Sarah hörte er kaum. Das Fenster der Beifahrertür wurde automatisch gesenkt. "Jason." Jason erwachte und blickte erschrocken zum offenen Fenster. Er sah seine Schwester, wie sie sich zum Fenster hinbeugte und wie ihr langes blondes Haar über ihre Schulter, nach vorn fiel. Ohne ein Wort zu sagen, hob Jason seine Tasche auf, öffnete die hintere Wagentür und schmiss seine Tasche auf die Sitze. Mit einem Knall ließ er die Tür zuschlagen.

Er bewegte sich einen Schritt auf die Beifahrertür zu und griff nach dem Griff. Kurz sah er auf seine Hand und blickte dann über seine Schulter noch einmal zum Flugplatz. Endlich war alles vorbei.

Keine Einsätze mehr. Kein Bangen ums eigene Leben. Keine Kugeln mehr, die ihn nur knapp verfehlten. Keine Leichen auf den Straßen, an denen er gezwungen war vorbei zulaufen. Jason öffnete die Tür, ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder und schloss die Tür.

"Hey, Bruder."

"Hi."

Er schnallte sich an und kurze Zeit später setzte sich der Wagen in Bewegung.

Sarah sah ihn immer wieder kurz an. Wenn sie nicht gezwungen wäre auf den Verkehr zu achten, würde sie ihn niederstarren.

"Alles okay? Wie geht es dir?"

"Ich komm' klar."

Wieder sah sie Jason an. Sie kannte ihren Bruder ganz genau und wusste wann er log. Das war eine glatte Lüge.

"Red' doch keinen Mist! Dir geht' s beschissen. Das sehe ich doch -"

"Sei ruhig!"

Sarah zuckte zusammen. Jason hatte sie noch nie angeschrien. Sie sah ihn verdutzt an und hatte sichtlich Mühe damit, wieder auf den Verkehr zu achten. Jason sah sie kurz an und in ihr verwirrtes Gesicht. Erst da hatte er bemerkt, was er gerade gesagt hatte; und wie.

"Tut... tut mir leid."

Hastig blickte Jason wieder aus dem Fenster. Kate' s Gesicht erschien in der Scheibe. Lächelnd.

"Ich liebe sie! ...Was denkst du, wie es mir dann wohl geht?! Sie ist in meinen Armen gestorben. Ich konnte ihr nicht einmal sagen, wie sehr ich sie liebe. Alles was ich will, ist… Rache und Stone' s Tod! Ich will dass er leidet!"

Jeder Ausdruck war aus Jason' s Augen verschwunden und Hass lag in seiner Stimme.

Sarah sah in mitleidig an. So hatte sie ihren kleinen Bruder noch nie gesehen.

Es was das erste Mal für sie, das ihr Bruder so etwas zu ihr sagte. Das erste Mal, dass er ihr sagte, dass er ein Mädchen aufrichtig liebte.

"Soll ich dich vertreten?"

"Nein."

Jason sah Sarah ruhig an.

"Ich will dich da nicht auch noch mit belasten!"

Er hielt kurz inne und sah wieder aus dem Fenster.

"Es reicht wenn einer von uns einen Nervenzusammenbruch erleidet."

"Was redest du da?! Ich bin deine Schwester -"

"Eben deswegen!"

"Lass' mich dir bitte helfen!"

"Bitte Sarah. Du tust genug für mich, indem du mich wieder bei dir aufnimmst. Das kann ich nicht auch noch von dir verlangen!"

"Du verlangst es nicht; ich biete es dir an!"

Jason schloss einen Moment die Augen und atmete tief.

"Können... können wir das später besprechen? Ich bin ziemlich fertig und würde' jetzt gerne eine Runde schlafen. Die Fahrt ist noch lang genug."

Der Wagen hielt. Leicht ungeduldig starrte Sarah auf die rote Ampel zu ihrer rechten.

"Okay."
 

„Ich brauch’ was!“

„Ach ne. ’N kleiner Kaugummischubser.“

„Quatsch’ nicht.“

Jason hielt inne und blickte um sich. Um ihn herum war es dunkel. Und diese Gestalt vor ihm, war ebenso dunkel. Es war dunkel, kalt und nass. Es regnete. Jason spähte zu allen Seiten, in der Angst, jemand könnte ihn sehen.

„Also… Hast du was, oder nicht?“

Ein Grinsen machte sich unter der dunklen Kapuze breit.

„Na klar. Was willst du?“

„Dope!“

„Heroin. Alles klar. Wie viel?“

„Ich hab’ 50.“

„Alles klar, Meister! …Und? Willst du da noch ne Spritze bei haben? Das ideale 'Starter-Pack', für dich heute all inclusive.“

Wieder grinste er. Und dieses Mal gewährte er Jason einen Blick in sein Gesicht. Bei näherem betrachten, bemerkte Jason, dass diese dunkle Gestalt vor ihm, nur ein Auge unter der Kapuze verbarg. Schnell nahm er die Tüte mit dem weißen Pulver und die Spritze und ging ohne ein weiteres Wort. Er hörte noch wie der dunkle Einäugige ihm in die Ferne nachrief: „Ich hoffe wir können mal wieder Geschäfte machen.“

Jason dachte kurz nach. Kaugummischubser? Sehr originell.

'Es ist ja nicht für immer.', dachte er sich. 'Nur ein Nebenjob im Kiosk.'

Er verwarf den Gedanken. Was ging es einen alten, behinderten Dealer schon an wo er arbeitete.

Er arbeitete wenigstens legal und ehrlich für sein Geld. Mit einem traurigen Gesichtsausdruck schwebte Kate neben Jason her. Sie war immer noch da. Drei Monate waren vergangen.
 

Er war auf ihrer Beisetzung. Nur zu ungern erinnerte er sich an diesen verschneiten Tag.

Kate liebte Schnee. Er hielt es für ein Zeichen, das es ausgerechnet Ende April so heftig schneien musste. Immer wieder hatte er in den weißen Himmel geblickt und sich gefragt wie es Kate ginge.

Ob sie ihm zusah. Ob sie bei ihm war. Er wollte noch immer nicht glauben, dass seine Einbildung und Illusion von Kate die Wirklichkeit war. Es war einfach nicht möglich, einen Geist neben sich herumschweben zuhaben. Jason hörte nur sporadisch die Worte des Paters und machte keine Anstalten, dem geheuchelten und unwirklichen Gerede eines fremden Paters, nähere Beachtung zu schenken. Es war doch immer das Gleiche, was diese alten, senilen Menschen da von sich gaben.

'Die Verstorbene war angesehen und genoss bei uns allen höchsten Respekt. Wir können uns glücklich schätzen, einen so vollkommenen Menschen zu kennen. Sie wird immer in unser aller Herzen sein, wir werden sie nie vergessen…. Bla, bla, bla,…', gefolgt von seinem persönlichen Favoriten unter dem meist geredeten Mist eines Paters; und zu seinem Unglück auch bei dieser Beisetzung vertretenen: "Gottes Wege sind unergründlich."

'Einen Scheiß gebe ich auf Gott und seine Wege.', dachte er sich und fragte sich wieso die Kirche für jede logisch gestellte Frage, wie in diesem Fall nach der Sinnhaftigkeit des Todes, einer nahezu unfehlbaren Frau, eine so unnütze und unlogische Erklärung abgab. Es war in seinen Augen nicht einmal eine Erklärung. Sondern eher ein drum herum reden.

Welcher Gott? Das fragte er sich immer wieder.

Besonders an diesem traurigen Tag. Weinend stand er vor ihrem Grab. Neben ihm Hoot in der Mitte, und daneben Matt. Grimes und Nelson standen im Hintergrund. Kate stand wie immer neben ihm. Als er eine wunderschöne, weiße Rose auf ihren Sarg fallen ließ, als er sich eine Träne von der Wange wischte und ihr in Gedanken sagte, wie sehr er sie liebte, als er eine Schaufel voll Graberde in ihr Grab schüttete. Sie war da. Doch es war nicht wie immer. Sie lächelte nicht. Sah ihn nur mitleidig an. Mitleidig und doch verständnisvoll.
 

Es regnete noch immer, als Jason die nur spärlich beleuchtete Straße passierte, in der er und seine Schwester wohnten. Wieder sah Jason sich nervös um, ob ihn irgendjemand sehen konnte.

Er erspähte das Doppelhaus mit den Hausnummern 412a und 412b. Schleichend näherte er sich der b-Hälfte und ging die drei Stufen zur Haustür hinauf. Leise steckte Jason den Schlüssel ins Schlüsselloch. Er hielt inne. Ein paar Mal holte er tief Luft und starrte auf seine linke Hand. Jason öffnete sie langsam und das weiße Tütchen kam zum Vorschein. Er atmete tief aus. Dann verschwand das Heroin wieder in seiner Hosentasche. Er drehte leise den Schlüssel um und öffnete die Tür einen Spalt breit. Einen Moment blieb er stehen. Er dachte an Kate und sah zur Seite. Kopfschüttelnd stand sie da und hatte einen erschreckend tadelnden Gesichtsausdruck. Jason wollte nur den Schmerz vergessen. "Tut mir leid.", flüsterte er ins Dunkel. Langsam schob er die Tür auf, schritt in die dunkle Wohnung und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Leise entledigte er sich seiner nassen Sweatshirt-Jacke und ließ sie zu Boden fallen. Er zog sich die Schuhe aus und schob sie mit den Füßen in eine Ecke des Flures. Still stand Jason da. Kaum in der Lage sich auf den Beinen zu halten. Er schlich in sein Zimmer und drückte leise die Tür zu. 'Es ist so weit.', dachte er und griff nach dem Heroin und der Spritze in seiner Tasche. Er schmiss sie auf sein Bett und ging im Raum herum.

Immer wieder entfuhr im ein leises Seufzen. Kate stand an die Tür gelehnt und hielt den Kopf schräg. Es sah fast so aus als wollte sie weinen. Sie hatte einen verängstigten Ausdruck auf dem Gesicht. Nichts Tadelndes, nichts Wütendes. Sie musste doch wollen, dass er zu ihr kam. Liebte sie ihn denn nicht auch so sehr? Es gab nur diese eine Möglichkeit sich mit ihr zu vereinen. "Keine Angst, kleine Katie.", flüsterte Jason und lächelte sie an. Verängstigt schüttelte sie den Kopf als wollte sie ihm sagen, er solle das lassen und leben. Das hätte sie vermutlich auch gesagt, denn es war schwachsinnig von ihm, zu denken er könne durch einen Freitod den Schmerz vergessen. Er hatte nicht die Garantie, nicht die Gewissheit, nach dem Tod bei ihr zu sein. Was wenn er in die Hölle kam? Gab es eine Hölle?

Gab es einen Himmel? Konnte man an den Himmel; an die Hölle, glauben wenn man nicht an Gott glaubte? Jason hatte Gott gehasst. Wenn es ihn gab, und er ihm seine Geliebte aus den Armen gerissen hatte, wollte Jason ihn nur hassen. Aber was war, wenn es eine Hölle für diejenigen gab, die den Freitod gewählt hatten, so wie seine Großmutter ihm das immer gesagt hatte als er klein war. "Passe immer gut auf dich auf, Jason. Lebe nicht in Sünde, sondern im Schoße Gottes und der Kirche und tu nichts Unrechtes. Und das allerwichtigste: Egal was passiert, stürze dich nicht freiwillig in den Tod. Selbstmörder sind Sünder." Das hatte sie immer zu ihm gesagt. "Sie kommen in eine eigene Hölle." Das hatte Jason nicht verstanden und nachdem er gefragt hatte, hatte er sich fest vorgenommen, niemals Selbstmord zu begehen. "Ihre Hölle ist es, auf die Erde zurückzukehren und frommen, guten Menschen die dem Tode nah sind, das Leben zu nehmen." Wenn das stimmte… Jason stellte sich die Hölle in etwa so vor. Die Dinge tun zu müssen, die man am Leben am meisten verabscheute.

Und nun hallten ihre Worte in seinem Kopf wieder. "Selbstmörder sind Sünder!!!" Aber konnte er einer Großmutter Glauben schenken? Sie war schon damals alt und senil gewesen. Ausserdem war sie strenggläubige Katholikin. Jason war von alldem nichts. Er dachte zu rational. Zu realistisch. Er dachte einen Schritt weiter. Wenn Selbstmörder Sünder sind, sind Mörder dann keine Sünder? Besser man nimmt sich auf eigenen Wunsch selbst das Leben, als ermordet zu werden, ohne das man den Wunsch zu sterben hat. So wie Alex das getan hatte. Kate wollte nicht sterben. Oder? Das Leben hätte für die beiden gerade erst angefangen. Sie könnten jetzt glücklich und zusammen sein. "Du wolltest doch nicht sterben. Das wolltest du nicht.", flüsterte er Kate zu und sah sie dabei an, als verlange er eine Antwort. "Oder?" Sie sah ihn an. "Rede doch mit mir. Bitte rede mit mir." Kein Wort verließ ihre imaginären Lippen. Sie sprach nie. 'Eine Illusion. Noch immer nur eine Illusion. Wäre sie ein Geist würde sie mit mir reden.', sagte er sich in Gedanken.

Es war alles Alex' Schuld.
 

Das letzte Mal hatte er Alex bei der Verhandlung gesehen.

"Die Geschworenen haben nach Eid und Gewissen, die an sie gestellten Fragen beantwortet wie folgt: Ist der Angeklagte Lieutenant Alexander James Stone schuldig, Kate Gibson vergewaltigen zu wollen und sie dann durch Abgabe eines Schusses aus einer 'Repeat -Air 1008' von Crosman fahrlässig getötet zu haben? Acht Stimmen, also Einstimmig: Ja. Die Beantwortung der Eventualfragen entfällt."

Die Worte des Geschworenen gingen fast Spurlos an ihm vorbei. "Erheben Sie sich zur Urteilsverkündung." Automatisch stand er auf. Fieberhaft starrte er den Richter an, der gleich das Urteil fällen würde. Der Richter erhob sich zur Urteilsverkündung. "Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte Alexander James Stone wird wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten, verurteilt. Gegen dieses Urteil können Sie, binnen einer Woche, Rechtsmittel oder Revision einlegen." Er hielt inne und sah abwechselnd von der Akte in seiner Hand zu Alex herüber, der in der Mitte des Gerichtssaales saß. Die Hände in Handschellen hatte er gefaltet auf den Tisch gelegt. Die ganze Zeit war er sehr still gewesen, hatte die Aussage verweigert und nicht einmal mit der Wimper gezuckt als er von allen Seiten, von Hoot, von Jason, Matt und Grimes beschuldigt wurde. Hoot hatte beinahe apathisch herumgeschrien. Immer wieder hatte er die Faust auf den Tisch geschlagen und wurde des Öfteren zur Ruhe ermahnt. Einem Ordnungsgeld konnte er sich dann nicht mehr entziehen.

Der Richter fuhr fort: "Zum Urteil. Mr. Stone. Die Geschworenen und das Gericht haben Sie vollkommen zu Recht für schuldig befunden. Während des gesamten Prozesses haben Sie keinerlei Anstalten gemacht sich, gegen die an Sie gerichteten Anschuldigungen, zu verteidigen. Ihre Schuld am Tod von Ms. Gibson ist unumstößlich bewiesen. Sie werden für Ihr Handeln einstehen und ihre Strafe im St. Quentin Staatsgefängnis in Marin County, Kalifornien, absitzen. Die Haftstrafe ist sofort nach Beendigung der Verhandlung anzutreten." Er nickte einem uniformierten Polizeibeamten zu und fuhr fort: "Die Verhandlung ist hiermit geschlossen." Mit leerem Blick folgte Jason den Polizeibeamten, die Alex abführten. '8 Jahre. Was sind schon 8 Jahre. Bei guter Führung sind es bloß 5.', dachte er. 'Das soll alles gewesen sein?' Alle Genugtuung die er hätte haben wollen. Nichts tat sich in ihm. Keine Erfüllung, keine Genugtuung. Der Hass blieb in ihm.



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