Going Under - Teil 2 von abgemeldet (Flatline) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Langsam und nachdenklich verließ er den Flugplatz. Noch 3 Tage, dachte er. Die Beisetzung. Die Verhandlung. Eine lange Woche. Oder länger? Er konnte nicht warten. Er würde daran kaputt gehen. Sie würden sich bei ihm melden. Aber was sollte er bis dahin tun? Arbeiten? Rumsitzen und warten? Ständig an Kate denken? Er betrat den Parkplatz und suchte einen schwarzen Jeep. Jason spähte umher, -da war sie wieder. "Geh.", flüsterte er seiner Einbildung zu. "Bitte." Kate hielt den Kopf schräg und ein weiteres Lächeln huschte über ihre Wangen. "Bitte." Seine Stimme war nur noch ein leises Hauchen. Sie drehte den Kopf legte ihn zur anderen Seite schräg. Das Lächeln verschwand, als wollte sie ihm sagen, dass sie nicht gehen wollte. Das sie ihn nicht verlassen wollte. Außer Kate konnte er nichts und niemanden sehen. Hier und da ein paar kleine Wagen. Langsam ließ er seine große, khakifarbene Reisetasche, auf der sein Name eingenäht war, zu Boden sinken. Er starrte zu Boden und weinte in sich hinein. Der Traum; was hatte er bloß zu bedeuten? Die quietschenden Reifen, des Jeep' s seiner Schwester Sarah hörte er kaum. Das Fenster der Beifahrertür wurde automatisch gesenkt. "Jason." Jason erwachte und blickte erschrocken zum offenen Fenster. Er sah seine Schwester, wie sie sich zum Fenster hinbeugte und wie ihr langes blondes Haar über ihre Schulter, nach vorn fiel. Ohne ein Wort zu sagen, hob Jason seine Tasche auf, öffnete die hintere Wagentür und schmiss seine Tasche auf die Sitze. Mit einem Knall ließ er die Tür zuschlagen. Er bewegte sich einen Schritt auf die Beifahrertür zu und griff nach dem Griff. Kurz sah er auf seine Hand und blickte dann über seine Schulter noch einmal zum Flugplatz. Endlich war alles vorbei. Keine Einsätze mehr. Kein Bangen ums eigene Leben. Keine Kugeln mehr, die ihn nur knapp verfehlten. Keine Leichen auf den Straßen, an denen er gezwungen war vorbei zulaufen. Jason öffnete die Tür, ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder und schloss die Tür. "Hey, Bruder." "Hi." Er schnallte sich an und kurze Zeit später setzte sich der Wagen in Bewegung. Sarah sah ihn immer wieder kurz an. Wenn sie nicht gezwungen wäre auf den Verkehr zu achten, würde sie ihn niederstarren. "Alles okay? Wie geht es dir?" "Ich komm' klar." Wieder sah sie Jason an. Sie kannte ihren Bruder ganz genau und wusste wann er log. Das war eine glatte Lüge. "Red' doch keinen Mist! Dir geht' s beschissen. Das sehe ich doch -" "Sei ruhig!" Sarah zuckte zusammen. Jason hatte sie noch nie angeschrien. Sie sah ihn verdutzt an und hatte sichtlich Mühe damit, wieder auf den Verkehr zu achten. Jason sah sie kurz an und in ihr verwirrtes Gesicht. Erst da hatte er bemerkt, was er gerade gesagt hatte; und wie. "Tut... tut mir leid." Hastig blickte Jason wieder aus dem Fenster. Kate' s Gesicht erschien in der Scheibe. Lächelnd. "Ich liebe sie! ...Was denkst du, wie es mir dann wohl geht?! Sie ist in meinen Armen gestorben. Ich konnte ihr nicht einmal sagen, wie sehr ich sie liebe. Alles was ich will, ist… Rache und Stone' s Tod! Ich will dass er leidet!" Jeder Ausdruck war aus Jason' s Augen verschwunden und Hass lag in seiner Stimme. Sarah sah in mitleidig an. So hatte sie ihren kleinen Bruder noch nie gesehen. Es was das erste Mal für sie, das ihr Bruder so etwas zu ihr sagte. Das erste Mal, dass er ihr sagte, dass er ein Mädchen aufrichtig liebte. "Soll ich dich vertreten?" "Nein." Jason sah Sarah ruhig an. "Ich will dich da nicht auch noch mit belasten!" Er hielt kurz inne und sah wieder aus dem Fenster. "Es reicht wenn einer von uns einen Nervenzusammenbruch erleidet." "Was redest du da?! Ich bin deine Schwester -" "Eben deswegen!" "Lass' mich dir bitte helfen!" "Bitte Sarah. Du tust genug für mich, indem du mich wieder bei dir aufnimmst. Das kann ich nicht auch noch von dir verlangen!" "Du verlangst es nicht; ich biete es dir an!" Jason schloss einen Moment die Augen und atmete tief. "Können... können wir das später besprechen? Ich bin ziemlich fertig und würde' jetzt gerne eine Runde schlafen. Die Fahrt ist noch lang genug." Der Wagen hielt. Leicht ungeduldig starrte Sarah auf die rote Ampel zu ihrer rechten. "Okay." „Ich brauch’ was!“ „Ach ne. ’N kleiner Kaugummischubser.“ „Quatsch’ nicht.“ Jason hielt inne und blickte um sich. Um ihn herum war es dunkel. Und diese Gestalt vor ihm, war ebenso dunkel. Es war dunkel, kalt und nass. Es regnete. Jason spähte zu allen Seiten, in der Angst, jemand könnte ihn sehen. „Also… Hast du was, oder nicht?“ Ein Grinsen machte sich unter der dunklen Kapuze breit. „Na klar. Was willst du?“ „Dope!“ „Heroin. Alles klar. Wie viel?“ „Ich hab’ 50.“ „Alles klar, Meister! …Und? Willst du da noch ne Spritze bei haben? Das ideale 'Starter-Pack', für dich heute all inclusive.“ Wieder grinste er. Und dieses Mal gewährte er Jason einen Blick in sein Gesicht. Bei näherem betrachten, bemerkte Jason, dass diese dunkle Gestalt vor ihm, nur ein Auge unter der Kapuze verbarg. Schnell nahm er die Tüte mit dem weißen Pulver und die Spritze und ging ohne ein weiteres Wort. Er hörte noch wie der dunkle Einäugige ihm in die Ferne nachrief: „Ich hoffe wir können mal wieder Geschäfte machen.“ Jason dachte kurz nach. Kaugummischubser? Sehr originell. 'Es ist ja nicht für immer.', dachte er sich. 'Nur ein Nebenjob im Kiosk.' Er verwarf den Gedanken. Was ging es einen alten, behinderten Dealer schon an wo er arbeitete. Er arbeitete wenigstens legal und ehrlich für sein Geld. Mit einem traurigen Gesichtsausdruck schwebte Kate neben Jason her. Sie war immer noch da. Drei Monate waren vergangen. Er war auf ihrer Beisetzung. Nur zu ungern erinnerte er sich an diesen verschneiten Tag. Kate liebte Schnee. Er hielt es für ein Zeichen, das es ausgerechnet Ende April so heftig schneien musste. Immer wieder hatte er in den weißen Himmel geblickt und sich gefragt wie es Kate ginge. Ob sie ihm zusah. Ob sie bei ihm war. Er wollte noch immer nicht glauben, dass seine Einbildung und Illusion von Kate die Wirklichkeit war. Es war einfach nicht möglich, einen Geist neben sich herumschweben zuhaben. Jason hörte nur sporadisch die Worte des Paters und machte keine Anstalten, dem geheuchelten und unwirklichen Gerede eines fremden Paters, nähere Beachtung zu schenken. Es war doch immer das Gleiche, was diese alten, senilen Menschen da von sich gaben. 'Die Verstorbene war angesehen und genoss bei uns allen höchsten Respekt. Wir können uns glücklich schätzen, einen so vollkommenen Menschen zu kennen. Sie wird immer in unser aller Herzen sein, wir werden sie nie vergessen…. Bla, bla, bla,…', gefolgt von seinem persönlichen Favoriten unter dem meist geredeten Mist eines Paters; und zu seinem Unglück auch bei dieser Beisetzung vertretenen: "Gottes Wege sind unergründlich." 'Einen Scheiß gebe ich auf Gott und seine Wege.', dachte er sich und fragte sich wieso die Kirche für jede logisch gestellte Frage, wie in diesem Fall nach der Sinnhaftigkeit des Todes, einer nahezu unfehlbaren Frau, eine so unnütze und unlogische Erklärung abgab. Es war in seinen Augen nicht einmal eine Erklärung. Sondern eher ein drum herum reden. Welcher Gott? Das fragte er sich immer wieder. Besonders an diesem traurigen Tag. Weinend stand er vor ihrem Grab. Neben ihm Hoot in der Mitte, und daneben Matt. Grimes und Nelson standen im Hintergrund. Kate stand wie immer neben ihm. Als er eine wunderschöne, weiße Rose auf ihren Sarg fallen ließ, als er sich eine Träne von der Wange wischte und ihr in Gedanken sagte, wie sehr er sie liebte, als er eine Schaufel voll Graberde in ihr Grab schüttete. Sie war da. Doch es war nicht wie immer. Sie lächelte nicht. Sah ihn nur mitleidig an. Mitleidig und doch verständnisvoll. Es regnete noch immer, als Jason die nur spärlich beleuchtete Straße passierte, in der er und seine Schwester wohnten. Wieder sah Jason sich nervös um, ob ihn irgendjemand sehen konnte. Er erspähte das Doppelhaus mit den Hausnummern 412a und 412b. Schleichend näherte er sich der b-Hälfte und ging die drei Stufen zur Haustür hinauf. Leise steckte Jason den Schlüssel ins Schlüsselloch. Er hielt inne. Ein paar Mal holte er tief Luft und starrte auf seine linke Hand. Jason öffnete sie langsam und das weiße Tütchen kam zum Vorschein. Er atmete tief aus. Dann verschwand das Heroin wieder in seiner Hosentasche. Er drehte leise den Schlüssel um und öffnete die Tür einen Spalt breit. Einen Moment blieb er stehen. Er dachte an Kate und sah zur Seite. Kopfschüttelnd stand sie da und hatte einen erschreckend tadelnden Gesichtsausdruck. Jason wollte nur den Schmerz vergessen. "Tut mir leid.", flüsterte er ins Dunkel. Langsam schob er die Tür auf, schritt in die dunkle Wohnung und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Leise entledigte er sich seiner nassen Sweatshirt-Jacke und ließ sie zu Boden fallen. Er zog sich die Schuhe aus und schob sie mit den Füßen in eine Ecke des Flures. Still stand Jason da. Kaum in der Lage sich auf den Beinen zu halten. Er schlich in sein Zimmer und drückte leise die Tür zu. 'Es ist so weit.', dachte er und griff nach dem Heroin und der Spritze in seiner Tasche. Er schmiss sie auf sein Bett und ging im Raum herum. Immer wieder entfuhr im ein leises Seufzen. Kate stand an die Tür gelehnt und hielt den Kopf schräg. Es sah fast so aus als wollte sie weinen. Sie hatte einen verängstigten Ausdruck auf dem Gesicht. Nichts Tadelndes, nichts Wütendes. Sie musste doch wollen, dass er zu ihr kam. Liebte sie ihn denn nicht auch so sehr? Es gab nur diese eine Möglichkeit sich mit ihr zu vereinen. "Keine Angst, kleine Katie.", flüsterte Jason und lächelte sie an. Verängstigt schüttelte sie den Kopf als wollte sie ihm sagen, er solle das lassen und leben. Das hätte sie vermutlich auch gesagt, denn es war schwachsinnig von ihm, zu denken er könne durch einen Freitod den Schmerz vergessen. Er hatte nicht die Garantie, nicht die Gewissheit, nach dem Tod bei ihr zu sein. Was wenn er in die Hölle kam? Gab es eine Hölle? Gab es einen Himmel? Konnte man an den Himmel; an die Hölle, glauben wenn man nicht an Gott glaubte? Jason hatte Gott gehasst. Wenn es ihn gab, und er ihm seine Geliebte aus den Armen gerissen hatte, wollte Jason ihn nur hassen. Aber was war, wenn es eine Hölle für diejenigen gab, die den Freitod gewählt hatten, so wie seine Großmutter ihm das immer gesagt hatte als er klein war. "Passe immer gut auf dich auf, Jason. Lebe nicht in Sünde, sondern im Schoße Gottes und der Kirche und tu nichts Unrechtes. Und das allerwichtigste: Egal was passiert, stürze dich nicht freiwillig in den Tod. Selbstmörder sind Sünder." Das hatte sie immer zu ihm gesagt. "Sie kommen in eine eigene Hölle." Das hatte Jason nicht verstanden und nachdem er gefragt hatte, hatte er sich fest vorgenommen, niemals Selbstmord zu begehen. "Ihre Hölle ist es, auf die Erde zurückzukehren und frommen, guten Menschen die dem Tode nah sind, das Leben zu nehmen." Wenn das stimmte… Jason stellte sich die Hölle in etwa so vor. Die Dinge tun zu müssen, die man am Leben am meisten verabscheute. Und nun hallten ihre Worte in seinem Kopf wieder. "Selbstmörder sind Sünder!!!" Aber konnte er einer Großmutter Glauben schenken? Sie war schon damals alt und senil gewesen. Ausserdem war sie strenggläubige Katholikin. Jason war von alldem nichts. Er dachte zu rational. Zu realistisch. Er dachte einen Schritt weiter. Wenn Selbstmörder Sünder sind, sind Mörder dann keine Sünder? Besser man nimmt sich auf eigenen Wunsch selbst das Leben, als ermordet zu werden, ohne das man den Wunsch zu sterben hat. So wie Alex das getan hatte. Kate wollte nicht sterben. Oder? Das Leben hätte für die beiden gerade erst angefangen. Sie könnten jetzt glücklich und zusammen sein. "Du wolltest doch nicht sterben. Das wolltest du nicht.", flüsterte er Kate zu und sah sie dabei an, als verlange er eine Antwort. "Oder?" Sie sah ihn an. "Rede doch mit mir. Bitte rede mit mir." Kein Wort verließ ihre imaginären Lippen. Sie sprach nie. 'Eine Illusion. Noch immer nur eine Illusion. Wäre sie ein Geist würde sie mit mir reden.', sagte er sich in Gedanken. Es war alles Alex' Schuld. Das letzte Mal hatte er Alex bei der Verhandlung gesehen. "Die Geschworenen haben nach Eid und Gewissen, die an sie gestellten Fragen beantwortet wie folgt: Ist der Angeklagte Lieutenant Alexander James Stone schuldig, Kate Gibson vergewaltigen zu wollen und sie dann durch Abgabe eines Schusses aus einer 'Repeat -Air 1008' von Crosman fahrlässig getötet zu haben? Acht Stimmen, also Einstimmig: Ja. Die Beantwortung der Eventualfragen entfällt." Die Worte des Geschworenen gingen fast Spurlos an ihm vorbei. "Erheben Sie sich zur Urteilsverkündung." Automatisch stand er auf. Fieberhaft starrte er den Richter an, der gleich das Urteil fällen würde. Der Richter erhob sich zur Urteilsverkündung. "Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte Alexander James Stone wird wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten, verurteilt. Gegen dieses Urteil können Sie, binnen einer Woche, Rechtsmittel oder Revision einlegen." Er hielt inne und sah abwechselnd von der Akte in seiner Hand zu Alex herüber, der in der Mitte des Gerichtssaales saß. Die Hände in Handschellen hatte er gefaltet auf den Tisch gelegt. Die ganze Zeit war er sehr still gewesen, hatte die Aussage verweigert und nicht einmal mit der Wimper gezuckt als er von allen Seiten, von Hoot, von Jason, Matt und Grimes beschuldigt wurde. Hoot hatte beinahe apathisch herumgeschrien. Immer wieder hatte er die Faust auf den Tisch geschlagen und wurde des Öfteren zur Ruhe ermahnt. Einem Ordnungsgeld konnte er sich dann nicht mehr entziehen. Der Richter fuhr fort: "Zum Urteil. Mr. Stone. Die Geschworenen und das Gericht haben Sie vollkommen zu Recht für schuldig befunden. Während des gesamten Prozesses haben Sie keinerlei Anstalten gemacht sich, gegen die an Sie gerichteten Anschuldigungen, zu verteidigen. Ihre Schuld am Tod von Ms. Gibson ist unumstößlich bewiesen. Sie werden für Ihr Handeln einstehen und ihre Strafe im St. Quentin Staatsgefängnis in Marin County, Kalifornien, absitzen. Die Haftstrafe ist sofort nach Beendigung der Verhandlung anzutreten." Er nickte einem uniformierten Polizeibeamten zu und fuhr fort: "Die Verhandlung ist hiermit geschlossen." Mit leerem Blick folgte Jason den Polizeibeamten, die Alex abführten. '8 Jahre. Was sind schon 8 Jahre. Bei guter Führung sind es bloß 5.', dachte er. 'Das soll alles gewesen sein?' Alle Genugtuung die er hätte haben wollen. Nichts tat sich in ihm. Keine Erfüllung, keine Genugtuung. Der Hass blieb in ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)