Hoffnung zu Asche von matvo (Schatten und Licht, Band 2) ================================================================================ Kapitel 38: Exitus ------------------ „Bitte, meine Herren!“, mäßigte Hitomi den jungen Herzog Cid und seinen wuchtigen Onkel Elhad, die sich an einem rechteckigen, soliden Holztisch in Konferenzzimmer in Cids Palast gegenüber saßen . „Wenn sie nicht wenigstens etwas auf einander zu gehen, wird nie eine Einigung zu Stande kommen. Darf ich sie daran erinnern: Sollte die Frage nach dem zukünftigen Herrschers Fraids nicht geklärt werden, wird Astoria eingreifen und Fraid annektieren. Das kann unmöglich in ihren Interesse liegen.“ „Ich habe keinen Grund mich zu bewegen.“, polterte Elhad drauf los. „Der Junge hat keinen Tropfen Blut der großen Herzöge Fraids in seinen Adern. Er muss den Thron räumen! Ohne wenn und aber!“ „Ich werde Vaters Erbe schützen. Notfalls auch vor euch. Ihr werdet es sonst ruinieren.“, beharrte Cid eisern. Tanai, seine persönliche Dienerin und Vertraute, drückte unter der Tischkante ermutigend seine Hand, was Hitomi auf ihrem Platz am Kopfende nicht entging. Abgesehen von ein paar Gesten hatte sie von der schweigsamen Dienerin allerdings nichts mitbekommen. Zudem sah die Frau mittleren Alters genauso müde aussah, wie das Mädchen sich selbst fühlte. Die Verhandlungen dauerten bereits ein paar Tage an und ließen sich dennoch auf exakt diese zwei Punkte zusammenfassen, die die beiden Streithähne sich gerade an den Kopf geworfen hatten. Der dürre Berater Elhads sagte ebenfalls nicht ein Wort. Nur manchmal flüsterte er in das Ohr seines Herrn. Die junge Königin wettete ihre nicht vorhandene Krone darauf, dass auch er nichts konstruktives zu den zähen Gesprächen beisteuerte. Wirklich enttäuscht hingegen war sie von Cid. Statt ihren Vorschlag, der nächste Herzog solle nach Cid einer der Enkel Elhads werden, zu unterstützen, indem er ihr half, die Zweifel Elhads zu zerstreuen, torpedierte er ihren Vorschlag mit der Bedingung, dass der Auserwählte im Palast unter seiner Obhut aufwachsen musste. Natürlich weigerte sich sein Onkel. „Wie oft denn noch, Junge?“, erwiderte dieser. „Du bist nicht...“ „Genug!“, unterbrach Hitomi. Zwar verletzte sie damit eine ihrer eigenen Regeln, aber ihr ging die Geduld aus. Sie hoffte, dass wenigstens Antigonos, ein Mitglied des Drachenvolkes und der Verlobte von Prinzessin Sophia, der Herrscherin Chuzarios, ihr gerade das Leben erleichterte. Ihm hatte sie die Regierungsgeschäfte von Fraid anvertraut. Verzweifelt dachte sie an Van und suchte bei ihm Rat. Sollte sie jetzt schon das Ultimatum vorbringen? Da zuckte ein Stich durch Herz, gefolgt von tiefster Unruhe. Sie konnte die Präsenz ihres Mannes nicht mehr spüren. Dort, wo sich ihr Herzschlag sonst mit seinem verband, klaffte eine beängstigende Leere. „Was?“, fragte Elhad ungehalten, woraufhin sie sich völlig aufgelöst unter den Anwesenden umsah. Für einen Moment hatte sie vergessen, an welchen Ort sie sich aufhielt. „Nichts.“, behauptete sie eilig und wedelte abwehrend mit ihren Händen. „Bitte fahren sie fort.“ Elhad zog zunächst verwirrt eine Braue nach oben, schwafelte dann aber munter weiter über Cids nicht zweifelhafte Abstammung, als wäre nichts gewesen, während der Herzog jedoch über seine wunderte und sich nur langsam wieder dem Monolog seines Onkels widmete. Hitomi hindes hörte und sah gar nichts mehr von dem, was im Raum vor sich ging. Stattdessen fegte ein Sturm an Fragen, Vorstellungen und Ängsten durch ihren Kopf, der sie lähmte. All ihre Gedanken drehten sich um die Abwesenheit Vans und der Möglichkeiten, was alles passiert sein könnte. Merle harrte noch immer in der Brig des Luftschiffes über der Mauer Farnelias aus, als sie plötzlich den Kontakt zu ihrem Bruder verlor, dessen Aura sie besorgt verfolgt hatte. Er war ohne Vorwarnung oder eine erkennbare Regung von ihrem geistlichen Radar verschwunden. Aber das war unmöglich, außer... Panisch sprang sie auf und stürzte sich auf die Gitterstäbe. Aus Leibeskräften zerrte sie an dem Eisen, rüttelte, schüttelte, doch sie kam nicht durch. Verzweifelt schrie sie um Hilfe, legte ihre gesamte Stärke in ihren Ruf hinein, doch niemand hörte sie. Wieder, immer wieder hämmerte sie gegen das Metall ihrer Zelle, immer stärker krächzte ihre Stimme vor lauter Anstrengung, doch keiner kam. Van flog, getragen von seinen engelsgleichen Flügeln, über der Herrschervilla Farnellias hinweg, zu der Lichtung im Waldstück dahinter, geradewegs auf das Familiengrab zu. Es bestand aus drei kleinen, eckigen Säulen, die eine vierte flankierten. Neben der letzten Ruhestätte seiner Familie kniete sein Guymelef, eine haushohe, humanoide Kampfmaschine. Seine sandfarbene Rüstungsplatten sahen im trüben Regen ungewöhnlich düster aus. Etwas mehr Optimismus, mahnte Van sich selbst, während er in den Sinkflug ging. Zu seiner Überraschung war bereits jemand beim Grab. Ein Mensch, der Größe der verhüllten Gestalt nach zu urteilen, saß auf der Treppe zur zentralen Säule. Van Magen krampfte sich zusammen, als er die Aura des Unbekannten überprüfte und nichts empfing. Nun, da der Unbekannte sich in seinem braunen Mantel erhob und sein schlichtes Langschwert zog, verließen dem König alle Zweifel, dass er erwartet wurde. So weit hatte Trias also vorausgedacht und er war einem seiner Schergen mitten in die Falle getappt. Allerdings war er sich sicher, mehr als nur eine Herausforderung für einen Gezeichneten zu sein. Noch im Flug zog er sein Schwert und stürzte mit lautem Gebrüll auf den Unbekannten herab. Dieser trat jedoch zur Seite und ließ den mächtigen Schwerthieb des Kriegers ins Leere laufen. Ohne Zögern stach der dann nach der offenen Seite Vans, doch der brachte sich durch einem Satz in die gleiche Richtung des langsamen Streichs in Sicherheit. Beide Kontrahenten wandten sich einander zu und richteten ihre Waffen aufeinander aus. Mit grimmiger Zufriedenheit erkannte Van, dass der Attentäter leichtere Klingen gewohnt war, als das grobe Langschwert, das er führte. Er selbst hatte nur selten mit einer anderen Klinge gekämpft, als die, die er gerade hielt. Jedoch erkannte sein Gegner seinen Fehler schnell und umfasste den Griff seiner Waffe mit beiden Händen. Der junge König wollte ihm nicht noch mehr Zeit zum Lernen geben und griff mit aller Macht frontal an. Sein Gegner riss seine Waffe zur Abwehr leicht diagonal hoch und stoppte so Vans Streich von oben, und stieß noch im selben Atemzug die Spitze seiner Klinge auf dessen Gesicht zu. Der wich zur Seite aus, trat an ihn vorbei und schwang seine Waffe auf den Rücken seines Gegners zu, wo sie auf Schulterhöhe die Parade des Unbekannten traf. Im nächsten Augenblick flammte dessen Hände weiß auf und ein reißender Schmerz durchflutete den Körper des Königs unterhalb der Niere. Plötzlich von allen Kräften verlassen, sackte Van auf seine Knie, während er zu verstehen versuchte was gerade geschehen war. Sein Gegner hatte einen Hieb durch seinen Körper unterhalb der Rippen geführt, ohne dass er ihn auch nur erahnt hatte, und nun blutete seine Seite stark. Der Unbekannte baute sich derweil vor ihm auf. Höhnisch lächelnd zog er die durchnässte Kapuze zurück. Van erkannte den Mann sofort und legte all seinen Hass in seinen Blick. „Trias!“, ächzte Van der Bewusstlosigkeit nahe. Der blonde Aristokrat, der aus dem Drachenvolk stammte und Urheber der Gezeichnetenseuche war, legte die Spitze seiner Waffe auf Vans Schulter. „Es ist schön euch so zu sehen, Van de Fanel.“, spottete Trias. „Ein passendes Ende für jemanden, der meine Pläne schon so lange durchkreuzt.“ „Merle, Isaaks Irrglaube über die Glücksmaschine, Hitomis Entführung, das wart alles ihr!“ „So ist es. Wenn ihr doch einfach nur gestorben wäret, als ihr klein wart. Dann müsste eure Frau jetzt auch nicht mit ansehen, wie ihr sterbt.“ „Warum ist Hitomi...“ „Ja, ich habe euch einen Gefallen getan und die Gedankenübertragung an diesem Ort für kurze Zeit blockiert, damit sie sich nicht unnötig Sorgen macht und euch zu Hilfe kommt. Den Trick habe ich von einen meiner Untergebenen gelernt. Einer von denen, die eure Schwester auf dem Gewissen hat. Ich spürte ihren Tod. Jeden einzelnen. Das gleiche Geschenk gebe ich nun eurer Gattin dafür, dass sich weigert mein Werkzeug zu sein.“ Der Aristokrat kratzte genüsslich mit der Kante seiner Klingen gegen Vans Hals. „Sie windet sich gerade vor Schmerz, nicht wahr? Was wird wohl passieren, wenn ihr sterbt?“ Dann holte Trias aus und das letzte, was Van verschwommen sah, war das Schwert, das unnachgiebig auf seinen Kopf zuraste. Merle schrie erbittert auf. Das Schiff wurde von einem Wort der ultimativen Ablehnung erschüttert, mit dem sie vehement bestritt, was Van soeben widerfahren war. Über das seidige Fell ihrer Wangen liefen unentwegt Tränen. Die Beine unter ihr gaben nach. Ihre Stimme brachte nach dem letzten Ausbruch nur noch stumme Klagen über die Lippen. Hilflos lehnte sich das Katzenmädchen gegen die Gitterstäbe, unfähig zu akzeptieren, was gerade geschehen war. Von ohnmächtiger Wut getrieben, riss sie an ihrem Kleid, bis es nicht mehr war als lose Fetzen. Der scheinbar ewige Streit zwischen Cid und seinem Onkel war kein Thema mehr, seitdem Hitomi von ihrem Stuhl gefallen war und sich wimmernd die Seite hielt. Sofort stürzte Cid auf sie zu und fragte äußerst besorgt nach ihrem Befinden. Dass er keine Antwort bekam, beunruhigte ihn nur noch mehr. Nun kam auch Elhad von der anderen Seite, getrieben von seiner Neugierde. Der Junge zerrte an ihrer Schulter und drehte sie auf ihren Rücken, doch Hitomi hielt ihre Augen geschlossen und wiederholte stetig den Namen ihres Gatten. „Was ist los, Hitomi? So antworte doch!“, verlangte das Kind bang, während es ihren Kopf in seinen Armen hielt und die Hände seiner Dienerin Tanai fürsorglich seine Schulter packten. Da erschlaffte der Körper der Königin und ihr Wimmern fand ein jähes Ende. Cid, der sie schon einmal so gesehen hatte, folgte seiner Erinnerung. Erst hielt er eine Hand vor ihrem Mund, dann horchte er an ihrer Brust. „Ihr Herz schlägt nicht mehr! Sie atmet nicht!“, verkündete er ungläubig. „Aus dem Weg!“, fuhr ihn die Stimme eines jungen Mannes an. Verwundert blickte Cid auf und sah Antigonos, der ihn brutal von der Leiche wegriss und seinen Platz einnahm. Verärgert rappelte sich der Herzog auf. „Ich weiß, was zu tun ist.“, beklagte er sich. „Wir müssen ihren Oberkörper frei machen und ihr Herz massieren.“ „Das wird ihr nicht helfen.“, klärte Antigonos ihn auf und legte eine Hand auf ihren Kopf und die andere auf ihren Unterleib. Im nächsten Augenblick fingen sie an grün zu glühen. „Was tut ihr?“, fragte Cid. „Ich rette Leben!“ „Ich kann helfen.“ „Du kannst still sein!“, mahnte der junge Mann vom Drachenvolk genervt. Cid wollte gerade erst loslegen, da hielt ihm Tanai eine Hand vor dem Mund und drückte ihn sanft an sich. Daraufhin zeigte der junge Herrscher Verständnis und betete still für das Leben seiner Vertrauten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)