Jadeperlen von Nanuck ================================================================================ Kapitel 6: Fallaleyï -------------------- !!! Vorläufige Non-Beta Version :) Entschuldigt für Rechtschreib und Grammatikfehler (; !!! Ich ging an diesem Abend früh schlafen und wachte erst auf, als die Sonne am Horizont erschien und mich die Sonnenstrahlen sanft wach kitzelten. Da Hikari erst am Nachmittag wieder kommen würde, hatte ich also den ganzen morgen Freizeit. Doch was tun, in einer fremden Welt, in der man kaum jemanden kennt? Ich machte mich erst einmal ganz normal fertig, putzte die Zähne, wusch mich, machte mir die Haare und zog mich an. Dann ging ich voller Vorfreude zum Frühstück. Das hatte zweierlei Gründe, die komischerweise beide auf das gleiche zurückzuführen waren. Der erste war, dass Yori endlich wieder da war, ich deswegen nicht allein frühstücken musste, und er, nachdem er ausgeschlafen war, vielleicht nicht mehr ganz so mürrisch war und etwas gesprächsbereiter. Was mich auch schon zu meinem zweiten Grund führte. Wenn er gesprächsbereit war, konnte ich garantiert etwas mehr über den fließenden Wald herausfinden. Ich hatte gestern Abend noch versucht über ihn etwas in der Bibliothek herauszufinden, aber ich glaube, dass Hikari die einzige ist, die die Chronologie dort versteht. Deswegen war Yori im Moment meine an erster Stelle stehende Informationsquelle. Meine Enttäuschung war groß, als keiner der Ritter oder Knechte am Tisch saß. Selbst Nikko war nicht da, dafür saß jedoch ein anderer Junge in der Nähe meines Platzes, der mir vorher noch nie aufgefallen war. Er war vielleicht zwei Jahre jünger als ich, hatte lockiges, aschblondes Haar und hellbraune Augen. Wie ein Ritterlehrling sah er nicht aus, dafür war er zu schlaksig und zu dünn. Er hatte kaum Muskeln und war ziemlich klein, etwa ein paar Zentimeter größer als ich. Schüchtern lächelte er mich an, als ich mich an meinen Platz setzte, der zwei Stühle von seinem entfernt war. Seine Distanziertheit machte mich neugierig. Wer war dieser Junge? Ich rutschte die zwei leeren Stühle entlang und setzte mich neben ihn. „Guten Morgen“, strahlte ich und schenkte ihm mein schönstes Lächeln, um ihn aus seiner Starre auftauen zu lassen. „Morgen“, nuschelte er schnell. Seine Stimme war rau und kratzig, wie die Stimme eines Teenagers im Stimmbruch. Sein Adamsapfel hüpfte hysterisch, als seine Stimme abbrach. „Ich möchte nicht unhöflich klingen, oder so“, fing ich an „, aber müsste ich dich kennen? Ich dachte eigentlich, ich würde jeden kennen, der im Umkreis von 5 Stühlen neben mir sitzt.“ Ich lächelte freundlich. Der Junge schüttelte den Kopf. Er begann zu reden, doch seine Stimme brach erneut ab. Er räusperte sich und fuhr fort. „Ich bin Yashar“, erklärte er. „Ich bin der Eleve von Meister Nikko. Ich bezweifle stark, dass du mich kennen müsstest. Es kann sein, dass mich Meister Nikko oder Priesterin Hikari in deiner Gegenwart erwähnt hat, aber persönlich wurden wir uns noch nicht vorgestellt.“ „Schön dich kennen zu lernen“, ich lächelte wieder. „Ich bin Akina.“ Er nickte. „Ich weiß, du bist die Hüterin der Jadeperlen.“ Er gab mir die Hand. Mit großen Augen schaute ich ihn an. „Nun ja, jeder kennt dich“, sagte er entschuldigend. „Es sollte mich nicht mehr überraschen, oder?“, fragte ich sarkastisch und wandte mich jetzt dem Frühstück zu. „Nicht wirklich“, bestätigte er und ich hörte das Schmunzeln aus seiner Stimme heraus, das sie viel weicher wirken ließ. Die Anspannungen waren von ihm abgefallen. „Wie kommt es, dass ich dich bis heute noch nicht gesehen hab?“ „Ich war krank die letzten Tage.“ Er deutete auf seinen Hals. Darum also die kratzige Stimme. Eine Erkältung! In der kurzen Gesprächspause belegte ich mir ein Brot und bediente mich mit Saft. Dann wandte ich mich wieder an den blondhaarigen Yashar. „Du wirst also auch eines Tages ein Priester sein?“ Er nickte. „Wie lange unterrichtet dich Nikko schon?“ „Priester Nikko.“ Korrigierte er mich pikiert und rümpfte beleidigt die Nase. „Ich bin schon seit fünf Jahren an dieser Burg, seit ich 9 bin.“ Ich war also 3 Jahre älter. „Wirklich, schon so lang? Da bist du mir bestimmt weit voraus.“ Ich stöhnte. Dann kam mir eine Idee. „Willst du mir nicht mal deine Künste präsentieren? Was lernt man so alles als Priestereleve?“ Begeistert strahlte ich Yashar an. „Bei Gelegenheit einmal. Aber jetzt muss ich weg, mein Unterricht bei Meister Nikko fängt gleich an.“ Ich verzog das Gesicht, dieses Meister klang für mich doch etwas hochgestochen. Yashar interpretierte meinen Gesichtsausdruck falsch. „Ich vergess’ es nicht, ich zeig dir wirklich, was ich kann. Und gleich sitzt du hier auch nicht mehr allein. Yori müsste gleich wieder da sein.“ Jetzt verwandelte sich mein Gesichtsausdruck von angewidert zu perplex. „Wie?“ „Das Morgentraining ist gleich vorbei, dann ist er wieder hier.“ Dann ging er. Ich fragte erst gar nicht, woher er wusste, dass ich auf Yori gehoffte hatte beziehungsweise, dass ich überhaupt etwas mit Yori zu tun hatte. Vielleicht konnte mir Hikari später etwas dazu sagen, warum selbst diese Tatsache zu meiner Person anscheinend so bekannt war. Ich wandte mich meinem Frühstück zu und tatsächlich öffnete sich wenige Momente nachdem Yashar den Saal verlassen hatte die Tür erneut und die Ritter und Knappen traten ein. Nach wenigen Momenten erkannte ich Yori und Ryota in der Menge, da beide sich von den anderen lösten und zum anderen Ende der Halle gingen, die Ritter jedoch direkt an der Wandseite des Tisches ihren Platz hatten. Nur Ryota und sein Lehrling Yori hatten das besondere Privileg an der Stirnseite des Tisches zu sitzen, dort wo die Priester, der Rat, die Königsfamilie und auch die Ehrengäste ihren Platz fanden. Als die beiden an ihren vertrauten Plätze ankamen, war ich fast mit dem Frühstück fertig. Um Zeit zu schinden, nahm ich immer nur ganz kleine Bissen und ließ mir nach jedem mehr Zeit als Nötig. Ohne ein Wort setzte sich Yori neben mich und griff nach Brot und Marmelade. „Guten Morgen?“, fragte ich giftig ohne ihn anzuschauen und spielte mit dem glänzenden, silbernen Brotmesser. Einen Gruß konnte ich ja wohl noch erwarten, wenn er sich an den Essenstisch setzte! „Guten Morgen“, antwortete er unbeeindruckt und aß an seinem Brot. „Irgendwie“ – mein Blick wanderte in seine Richtung –„habe ich das Gefühl, du hast keine Lust mit mir zu reden!“ Mein Blick fiel auf ihn und ich war verwundert, dass er mich interessiert musterte. „Was?“, fragte ich und nahm an auf irgend eine Weise komisch auszusehen. Doch seine entwaffnende Antwort war stumpf. „Was soll schon sein?“ Er aß weiter und beobachtete mich wie ein Ausstellungsgegenstand in einem Museum oder einem Tier im Zoo. Gut, dachte ich, und versuchte krampfhaft meine aufschäumende Wut zu vergessen. Ich konzentrierte mich auf das Essen auf meinem Teller und massakrierte meine Scheibe Brot beim Butter schmieren. Ich schaute erst wieder auf, als sich unerwartet die Hallentür öffnete. Einer der Stallburschen huschte flink herein und schlich schnell um den Tisch herum, geradewegs auf den Hauptmann der Garde zu. Mein Blick, genauso wie Yoris, wanderte in die selbe Richtung. Der Junge gab Ryota eine schmutzige Papierrolle, die der sogleich aufrollte und mit schnellen Augen überflog. Ryota tauschte einen schnellen Blick mit Yori, auf den beide Aufstanden und zur Tür gingen. Ohne darüber nachzudenken stand ich auch auf und folgte ihnen leise. Draußen drehte sich Ryota zu uns um, betrachtete mich mit einem merkwürdigen Blick und wandte sich dann an seinen Schützling. „Der Brief kommt aus Fallaleyï, er ist von Hikari“, erklärte er schnell. Meine Augen wurden groß. War etwas passiert? „Sie sind in Fallaleyï eingedrungen.“ Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Bei ‚sie’ konnte es sich nur um eine Person handeln: Mizuki. Mit Tränen in den Augen schaute ich von Ryota zu Yori. Beide zeigten keinerlei Emotionen. „Von dem, was Hikari berichtet, scheint es so als wäre nicht viel passiert. Sie sind in die Stadt eingedrungen, haben die Bibliotheken verwüstet und sind wieder gegangen. Viel Schaden ist nicht entstanden. Es ist anscheinend noch nicht einmal jemand verletzt worden.“ Ich atmete auf. Ryota wandte sich wiederstrebend in meine Richtung. „Sie lässt dir ausrichten, dass sie euren Unterricht noch etwas verschieben muss“, erklärte er. Dann wandte er sich wieder an Yori. „Und sie bittet um eine Eskorte zurück nach Kentosai.“ Yori nickte schnell und lief zurück in den Speisesaal. Verwirrt schaute ich ihm hinterher. Als er mit fünf weiteren Rittern, allesamt unter zwanzig Jahren, wieder aus dem Saal heraustrat, winkte Ryota ihn noch einmal zu uns herüber. „Glaubst du, ihr schafft es auf zwei junge Damen aufzupassen?“, fragte Ryota schmunzelnd. Mit seinem Blick deutete er zu mir herüber. Meine Augen fingen an zu strahlen. Bittend wanderte mein Blick von Yori zu Ryota. „Warum nicht“, meinte Yori nur und zuckte mit den Schultern. „Danke!“, rief ich aufrichtig dankend und fiel erst Yori und dann Ryota um den Hals. Ryotas Grinsen wurde breiter, ich fragte mich bloß wieso. Ich versuchte mir keine Gedanken darüber zu machen und blieb auch damit erfolgreich, alsbald Yori sein Wort an mich richtete. „Pack das nötigste zusammen, und komm dann zu den Stallungen. Keine Bücher, keine weiten Kleider! Kein unnötiger Ballast, hast du verstanden?“ Ich nickte schnell und rannte so schnell ich konnte die Treppe hoch und dann die Gänge entlang. Endlich würde ich mal wieder etwas anderes sehen als diese endlosen Backsteinmauern voll alter Gemälde. Und ich würde Fallaleyï mit eigenen Augen sehen. Die unbeschreibliche Stadt der Bücher. In meinem Zimmer stopfte ich ein paar Klamotten zum Wechseln in meine Tasche und zog mir schnell etwas anderes als das lange Kleid an, das ich gerade trug. Keine weiten Kleider, ich würde mich an die Vorschriften handeln. Dann ging ich schnell ins Bad und packte die Haarbürste ein. Bei der Zahnbürste stockte ich. Würde ich dazu Gelegenheit haben? Ich packte sie trotzdem ein. Ein Tagesritt hatte Yori gesagt. Das hieße ich wäre zwei Tage unterwegs. Und wo sollte ich schlafen? Hatte ich irgendwo einen Schlafsack. Ich musste lachen. Natürlich nicht, Ironie des Schicksals. Ich ging wieder herunter. Draußen vorm Stall standen die Ritter schon mit den Pferden. Wenn ich es Recht überlegte, waren es wahrscheinlich allesamt Knechte, genauso wie Yori. Ich stellte mich zu ihnen und blickte mich nach dem Braunhaarigen um. Er kam wenige Minuten nachdem ich mich hier hin gestellt hatte aus dem Stall und führte ein weißes Pferd und ein rotbraunes neben sich her, beide fertig bezäumt. „Deine Sachen tust du am Besten in die Tasche!“, rief er zu mir herüber. Ich kam auf ihn zu, unschlüssig welche Tasche er meinte, wo meine Sachen doch schon in einer drin waren. Dann sah ich die Tasche hinten am Sattel befestigt, die auf der linken Seite des Pferdes herunterhing. Auf der anderen hing ein Päckchen aus weichem Stoff. Ein Schlafsack! Er reichte mir die Zügel des weißen Pferdes. „Das ist Savann“, stellte er mir die Stute vor. „Gut, danke“, sagte ich mit einem sanften Lächeln und streichelte dem Pferd über die Nüstern. Ich packte meine Tasche in die Tasche und stellte mich schüchtern neben das große Tier. Ihr Rücken war nur weniger Zentimeter tiefer, als mein eigener Kopf. Du bist naiv, schoss es mir durch den Kopf. Wie hattest du auch nicht daran denken können, dass man hier auf einem Pferd reiste! Mir war mulmig bei dem Gedanken allein auf dem wackeligen Rücken des Tiers zu sitzen. Da musste ich jetzt wohl durch. Yori, der anscheinend Anführer dieser Gruppe war, gab den Befehl zum Aufsitzen. Als er mich dabei sah, wie ich verzweifelt versuchte den hohen Rücken zu besteigen, half er mir augenverdrehend hoch. „Sag doch Bescheid, wenn du Hilfe brauchst!“, verlangte er mit einer für ihn untypisch gefühlvollen, fast lieben Stimme. Ich nickte nur stumm und merkte wie sich meine Wangen eine Nuance röter färbten. Schnell wandte ich mich ab. „Brechen wir auf“, forderte Yori seine Kameraden auf. Er gab seinem Pferd die Sporen, welches natürlich sofort loslief: im Gegensatz zu meinem. Kurzerhand griff Yori in meine Zügel und zog Savann hinter sich her. „Ich bleib wohl besser in deiner Nähe“, lachte Yori. Ich wollte etwas bissiges erwidern, doch stattdessen färbten sich meine Wangen nur noch röter. „Ich sehe schon, es wird unabdingbar sein dir das Reiten beizubringen.“ Er lächelte aufmunternd. Wie zur Antwort, formten meine Lippen stumme Zustimmung als sanftes Lächeln. „Ich nehme dich beim Wort!“ Unser stummer Ritt, führte uns einen langen Weg entlang. Auch wenn ich wusste, dass dies nur ein Teil dieser großen, für mich unbekannten Welt war, fühlte sich dieser kleine Teil schon an wie eine Welt für sich. Unser Weg führte uns aus dem nördlichen Stadttor hinaus und dann immer Richtung Nordosten. Zuerst ritten wir das hügelige Tal entlang durch das Meer aus kniehohen Grashalmen, immer geradewegs auf die weit entfernten Berge zu. Als die Sonne schon bedrohlich nah über den Bergen hing, sah ich den Anfang des Waldes. Die Bäume waren noch nicht hoch gewachsen, die meisten maßen nur knapp zwei Meter, die höchsten allenfalls vier. Der schmale Streifen, auf den wir zu ritten, führte in einer Bogenform weit bis in die ferne, wo wohl das eigentliche Waldstück anfing. Dort irgendwo, in östlicher Richtung, lag vermutlich auch Fallaleyï. Zu dem Zeitpunkt wies uns Yori an, wir sollten wohl bald unser Lager aufschlagen. Wir ritten noch bis zum Anfang des Waldstreifens und stiegen dort von den Pferden. „Wenn es nicht so weit ist, warum reiten wir dann nicht noch bis Fallaleyï?“, fragte ich verwirrt, als ich die Schimmelstute von ihrem Sattel befreite und Yori neben mir auftauchte. „Im Dunkeln nur am Wald entlang zu reiten, kommt einem Selbstmord gleich“, erklärte er ohne Bedacht. Ich zuckte zusammen. „Wir werden ein Feuer machen, das hält die wilden Tiere von unserem Lager fern“, versuchte er mich zu beruhigen, minder erfolgreich. „Komm schon, wenn es gefährlich wäre, hätte Ryota dir nicht erlaubt hier zu sein. Also vertrau mir einfach, dir passiert nichts!“ Sein verzweifelter, einen Hauch Wut enthaltender Tonfall bewegte etwas in mir. Es war genau der gleiche, den ich etliche Male bei Kei gehört hatte, immer dann, wenn er wiedereinmal die Geduld mit mir verloren hatte, wenn ich einen meiner Minderwertigkeitskomplexe offen ansprach. Und er brachte mich dazu ihm so zu glauben, genauso wie ich Kei früher auch immer geglaubt hatte. Die vier anderen suchten im Wald nach Feuerholz, während Yori und Taro eine Grube für das Feuer aushoben. Taro war ein Junge mit schwarzen, kurzen Locken und einer langen, hageren Statur. Ich schätzte ihn ein Jahr jünger als Yori. Ich saß währenddessen im Schneidersitz im Gras und versuchte meine Übungen aus der letzten Zaubereistunde zu wiederholen. Ich gab bald auf und beobachtete die beiden Jungen dabei, wie sie bei ihrer Arbeit herumalberten und Taro Yori letztendlich mit der Erde bewarf, die sie aus dem Loch geschaufelt hatten. Beide lachten. Taro ausgelassen, Yori auf irgendeine Weise distanziert. Ich kannte Yori zwar noch nicht lange, aber ich bemerkte, dass es selten wahre Emotionen waren, die er zeigte. Genau wie jetzt war sein Lachen falsch, der Glanz des Lächelns drang nicht in seine Augen. Ich fragte mich, was für einen Grund es hatte, dass Yori so war. Die anderen Jungen kamen zurück und machten mit großer Freude ihr Lagerfeuer. Als sie dann auch noch Gemüse in die Glut neben das Feuer legten, konnte ich mir mein Lächeln nicht mehr verkneifen und setzte mich zu ihnen ans Feuer. Bei ihnen hatte diese Mission den Charme eines Campingausflugs gemischt mit Lagerfeuerromantik. Eine Tatsache die mir ein dauerhaftes Lächeln auf die Lippen zauberte. Die Jungs waren alle unglaublich freundlich. Taro, Souta, Jess, Zen und Jun, allesamt die vielversprechendsten Knechte der Kentosaier Ritterschaft. Begeistert hörte ich zu, wie die fünf von ihren bisherigen Abenteuern prahlten. „Yori passieren immer noch die spannendsten Dinge“, bedauerte Souta, ein Junge im gleichen Alter wie Taro mit glatten, kurzen, braunen Haaren, aber etwas kleiner und muskulöser. „Erzähl doch mal was... für Akina“, fügte er hinzu, und dachte damit einen Trumpf ausgespielt zu haben, denn anscheinend versuchte hier jeder mich zu beeindrucken, wenn ich das richtig verstand. Nur Yori nicht. „Heute nicht“, erwiderte er nur knapp und fischte die erste Kartoffel aus der Glut. „Warum nicht?“, fragte Jun empört und hatte kurz danach die heiße Kartoffel auf seinem Schoß liegen. Blitzartig schoss er hoch und die Kartoffel landete auf der Erde „Deshalb“, sagte Yori und zog sich die nächste aus dem Feuer. Ich hatte inzwischen auch bemerkt, dass Yori anscheinend nur mir gegenüber diese eine Fassade aufrecht erhielt. Ich war die einzige, der er nichts von sich erzählte. Gedankenverloren schob ich ebenfalls eine Kartoffel aus den Flammen und ließ sie im Gras ein wenig abkühlen. Die Stimmung war nach der kurzen Auseinandersetzung nicht verloren gegangen, nur neben Yori blieb ich jetzt ebenfalls mit meinen Gedanken allein. So viele Fragen türmten sich in meinem Innern auf. Fragen zu Yori, zu dem Vorfall in Fallaleyï, zum Grund, weshalb ich hier war und noch zu so vielem mehr. Die Gedanken fesselten mich. Ich hatte nicht bemerkt, dass die fünf Jungs inzwischen aufgestanden waren, weiter herumalberten und die Pferde für die Nacht bereit machten. Nur noch ich und Yori saßen am Feuer, was ich erst bemerkte, als er mich sanft anstupste. „Du bist im Moment oft in Gedanken“, stellte er fest. Er deutete auf meine Kartoffel. „Dein Essen wird schon wieder kalt.“ Er lächelte. Sein Lächeln kam mir echt vor. „Danke“, lachte ich zwanglos und hob die Kartoffel auf. „Worüber denkst du immer so lange nach?“, fragte er und riss mich erneut aus meinen Gedanken. Ich versuchte die richtigen Worte zu finden. „Größtenteils... versuche ich immer noch all das hier zu verstehen.“ „Es muss spannend sein, eine neue Welt zu entdecken.“ „Ich glaube aber nicht halb so spannend, wie du es dir vorstellst. Vieles ist gar nicht mal so verschieden. Nur das Magische ist für mich immer noch verwirrend. Obwohl...“ „Ja?“ „Bei uns gäbe es für dich bestimmt auch einiges Unverständliches.“ Ich musste grinsen. „Vermutlich“, bestätigte er. Dann starrten wir beide nur noch ins Feuer, schauten der knisternden Glut beim lodern zu. So gefiel mir Yori viel besser. Seine echte Seite, sein wahres Ich, zumindest glaubte ich das, war fiel unbefangener, offener, freundlicher. Gespräche mit ihm waren zwanglos, wenn er so war. Und man hatte auch nicht direkt das Gefühl etwas sagen zu müssen, wenn er neben mir saß. Ich konnte ihm vertrauen, und wieder erinnerte er mich an Kei. Und obwohl ich so viel an meine Welt dachte, hatte ich keine Angst, kein Heimweh. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass all das Neue und Unverständliche dieses dumpfe Gefühl der Einsamkeit und des Verlorenseins überschattete. Ich versuchte mir die Gedanken daran zu verbieten, was hier noch alles passieren könnte, was auf mich zu kam, und ob ich jemals die Gelegenheit haben würde zurückzukehren. Ich wollte nicht dran denken, weil all das den Moment zerstören würde. Den kleinen Moment in dem ich einfach nur mein vertrautes Gefühl zu Yori spürte und gemeinsam mit ihm dem Tanz der Flammen lauschte. Irgendwann kam dann einer der Jungs, ich bekam noch nicht einmal mit welcher, zu uns und berichtete Yori, dass das Lager fertig abgesichert war. „Schlafenszeit“, sagte Yori leise, als der andere schon wieder weg war. Lächelnd hielt er mir die Hand hin und zog mich hoch. Wir holten die Schlafsäcke und irgendwer legte noch neues Holz in die Flammen. Dann legten wir uns alle so nah ans Feuer wie es ging und kuschelten uns in die Schlafsäcke. Erst als ich eine weitere Ewigkeit vor mich hin in den merkwürdigsten Gedanken bewegt hatte, sprang mir ein Bild besonders in die Augen. Ich wusste noch, wie wir letzten Winter ein Familienfoto zu Weihnachten gemacht hatten, dass wir allen Verwandten geschickt hatten, die nicht mit uns feiern konnten. Ich sah das Bild genau vor meinem inneren Augen. Ich stand zwischen meinen Eltern und hatte meine Arme von hinten um Sayuri geschlungen. Die perfekte Familienidylle. „Yori?“, fragte ich leise in die Stille herein. Ich spürte, wie er sich ein Stück weit aufrichtete und drehte sich in meine Richtung. Ich konnte sein Gesicht nur knapp erahnen. „Hm?“ „Wo sind eigentlich deine Eltern?“ „Sie leben woanders“, antwortete er zögerlich. „Warum fragst du?“ „Nur so“, gähnte ich. „Hab ich mich nur gefragt...“ Ich gähnte noch einmal. „Schlaf jetzt“, flüsterte er sanft. „Gute Nacht“, wisperte ich genauso leise zurück. Müde kuschelte ich mich in den Schlafsack. Das Knistern des Feuers trug mich bald darauf ins Traumland. Der nächste Morgen begrüßte mich mit hellen Sonnenstrahlen und dem Duft von Tau und Wald. Es wunderte mich, dass ich nicht in der Nacht gefroren hatte, doch als ich aufschaute bemerkte ich auch den Grund warum: Jemand hatte eine zusätzliche Decke über mich gelegt. Als ich mich umschaute, war ich die einzige, die noch gemütlich im Schlafsack lag. Der Rest war schon aufgestanden und fing an die Pferde zu Satteln und zu versorgen. Unbemerkt stand ich auf und schlich zu meiner Satteltasche. Ich kämmte mir schnell die Haare durch, die vermutlich zuvor wirr in alle Himmelsrichtungen abgestanden hatten, und band sie mit einem Band zu einem hohen Pferdeschwanz. Ich zog mir einen zweiten Pullover über, weil der morgen doch noch etwas frisch war. Dann rollte ich den Schlafsack zusammen und verstaute ihn an der Haltevorrichtung am Sattel. Inzwischen versammelten sich die Anderen wieder um das jetzt erloschene Lagerfeuer, um gemeinsam etwas zu frühstücken. Ich gesellte mich zu ihnen und bekam gleich von fünf verschiedenen paar Händen etwas vom Essen herübergereicht. Ich nahm etwas vom Brot und vom Käse und bedankte mich bei den aufmerksamen Jungs. Beim Essen versuchte ich unauffällig einen Blick auf Yori zu erhaschen, der neben mir saß. Ich wanderte einfach die Gesichter von links nach rechts einmal entlang und blieb letztendlich bei Yori hängen. Der alte Gesichtsausdruck war wieder gekehrt, die Maske, die nur unechte Gefühle durchscheinen ließ. Kurz nach dem Frühstück saßen wir auf und ritten immer entlang des Waldrandes. Yori führte mich immer noch am Zügel immer direkt neben sich her. Da fiel mir wieder ein, dass ich ihn ja immer noch etwas fragen wollte. „Du Yori?“, fing ich an. Er lächelte unerwartet. „Ja?“ „Ich wollte dich immer noch etwas fragen“, erklärte ich. „Zu Kalderan.“ „Frag ruhig.“ „Der fließende Wald, was ist das?“ Er lachte lautstark los. „Das hast du mir geglaubt? Der Wald ist nur eine Legende, ein Mythos! Keiner hat je bewiesen, dass es ihn wirklich gibt.“ Er lächelte immer noch schadenfroh. „Dann gibt es ihn gar nicht?“ Ich klang hörbar enttäuscht. „Alles wissen deine Bücher dann ja wohl doch nicht.“ Er grinste. „Deswegen wollte ich ja auch dich fragen“, flüsterte ich mehr zu mir selbst als zu ihm. Dann dachte ich an eine Seite in einem alten, namenlosen Buch mit zerrissenen Seiten in der Bibliothek Kentosais. „Ich habe ein Bild in einem Buch gesehen! Der Titel lautete ‚Der fließende Wald’. Wer zeichnet etwas, was es nicht gibt?“ Ich fand meine Frage berechtigt. Er schmunzelte immer noch selbstsicher. „Schon mal daran gedacht, das es sich bei dem Buch auch um Märchen handeln könnte? Aber von mir aus, wenn du an so etwas glauben willst, sei dir frei überlassen.“ Ja, die Maske war wieder da. Er war heute morgen wieder unausstehlich. Ich presste die Lippen zusammen. Nicht aufregen, schoss es mir durch den Kopf. Ich wusste nicht genau, warum ich mich ermahnte. Vielleicht war es einfach die Hoffnung darauf, dass die Maske unerwartet verschwand. Ich glaubte, dass ich dies durch einen meiner bissigen Kommentare nicht fördern würde. Also blieb ich still. Die Konversation wollte ich deswegen aber lange noch nicht abbrechen. „Themawechsel“, sagte ich und lächelte zurück. „Erzähl mir etwas von dir!“ Seine Miene verfinsterte sich augenblicklich. „Von mir?“, fragte er ausweichend. „Ja von dir!“ Ich verdrehte demonstrativ die Augen. „Ich weiß überhaupt nichts von dir!“ Erst zögerte er. Nach einem Seufzer kam dann seine Frage: „Was willst du wissen?“ „Was machst du auf Kentosai, wenn deine Eltern doch woanders leben? Wo leben sie? Hast du Geschwister? Und ist Ryota vielleicht dein Onkel? Ihr kommt mir so vertraut vor. Und –“ Ich unterbrach mich selbst. „Willst du mir vielleicht auch mal antworten? Tut mir Leid, wenn ich einmal drin bin, rede ich an einem Stück durch.“ Ich lächelte entschuldigend. Er sagte nichts. „Yori?“ Er seufzte erneut. „Ich bin der Kendo vom Hauptmann, also von Ryota. Meine Eltern“ – es kam mir vor als würde dieses Wort ihn Überwindung kosten –„leben an der Küste im Süden des Reiches. Geschwister habe ich keine und Ryota ist ein Freund der Familie, aber nicht mein Onkel.“ „Also hast du mir doch zugehört!“, lächelte ich. „Und die Fragen alle in der gleichen Reihenfolge belassen, ich bin beeindruckt.“ Er bemerkte meinen Spott. „Noch irgendwelche anderen Fragen zu meiner Person?“ „Ein Kendo, was ist das?“ „Es ist sozusagen eine höhere Form des Knechtseins. Wenn irgendetwas passieren sollte, bin ich der nächste Stellvertreter des Hauptmanns.“ „Und deswegen bist du hier? Ohne deine Familie?“ Er schluckte. „Es ist schwer so weit von ihnen entfernt zu sein.“ Es kam mir vor, als wollte er noch etwas anderes sagen, entschied sich dann jedoch anders. „Nächste Frage?“ Er nickte und das Lächeln war wieder da. „Was ist dein Lieblingsbuch?“ Und schon war es wieder weg. „Wie kommst du immer wieder auf den Gedanken, dass ich Lese?“ „Intuition.“ Ich grinste breiter. „Also ist es doch war!“ Er antwortete nicht. „Sag schon, was ist dein Lieblingsbuch! Du hast dich eh schon verraten. Du hättest mal deinen Blick sehen sollen, als du von Fallaleyï gesprochen hast. Da war schon alles klar. Ich musste dich nur noch... überzeugen, mir dein Geheimnis anzuvertrauen.“ „Du bist ganz schön gerissen, für ein Mädchen.“ „Und du zu schlau für einen gewöhnlichen Knecht.“ „Kendo“, verbesserte er mich. Auffordernd blickte ich ihn an. „Ich geb es ja zu! Ich lese Bücher... aber nicht so oft, wie du jetzt wahrscheinlich glaubst.“ Böse funkelte er mich an. „Warum nicht gleich so“, lachte ich. „Was liest du am Liebsten?“ „Wenn ich Zeit habe“, betonte er zu genau, „lese ich ab und an historische Bücher. Zumeist über solche Legenden, wie den fließenden Wald, oder aber Architektur.“ Ich schmunzelte. „Lesen Ritter nicht?“ Wieder sah er mich böse an. „Wie kommst du denn auf diese merkwürdige Theorie?“ „Ich dachte nur, weil es dir ja anscheinend peinlich ist, wenn man weiß, dass du Bücher liest“, stichelte ich weiter. Er schaute demonstrativ weg. „Denk doch was du willst.“ „Mach ich sowieso“, neckte ich weiter und piekste ihm von hinten in die Seite. Er ignorierte die Geste und schaute gebannt nach vorn. Ich folgte seinem Blick und sah in der Ferne eine Stadt. „Fallaleyï!“, rief ich freudig aus. Wie zur Bestätigung gab Yori Jarik die Sporen. Savann wurde gleich mit schneller. „Endspurt Jungs!“, rief er noch nach hinten, bevor wir beide an den anderen vorbeipreschten. Ich klammerte mich an Zügeln und Mähne fest. Alles ruckelte und ich versuchte krampfhaft nicht aus dem Sattel zu rutschen. Die anderen lagen schon weit zurück. Mir wurde übel. Und dann stoppten wir vor den Mauern der Stadt. Beeindruckt blickte ich den Stein empor. Wir waren da. Fallaleyï, die Stadt der Bücher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)