Nowhere to hide ~ Nowhere to live von absinthe (Edward und Bella treffen sich durch Zufall und sind sofort voneinander fasziniert. Ein unerwartetes Ereignis lässt sie sich wieder treffen, doch anders als erwartet. Ihre beiden Elternteile wollen heiraten...) ================================================================================ Kapitel 2: life makes jokes ... bad ones in charge -------------------------------------------------- Tadaaaa, ein neues Chap gibt´s hier jetzt auch. Ich weiß, es hat etwas gedauert. Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht allzu übel...=) Und jetzt viel Spass... (wenn ihr denn noch wisst, worum es hier ging ^^°) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Seit dem kleinen, aber sehr aufwühlenden Vorfall in dem Fahrstuhl eines bestimmten Kaufhauses, war eine Woche vergangen. Eine Woche, in der ich verzweifelt versucht hatte, Anthony wieder zu treffen. Zwar war ich sofort zurück gelaufen, als mir klar wurde, dass ich vergessen hatte, mir seine Nummer geben zu lassen, doch war er bereits verschwunden. Kein Anzeichen, keine Spur von ihm. Ich war sogar jeden Tag in dieses Einkaufszentrum gegangen, in der Hoffnung, ihn dort zu finden. Er hatte ja gesagt, dass er dort öfter war, um nachzudenken. Leider konnte ich mich nicht vierundzwanzig Stunden dort aufhalten, und in der Zeit, in der ich da war, hatte ich ihn nicht entdeckt. Jeden Tag war ich zu einem anderen Zeitpunkt da, nur um ihn hoffentlich nicht zu verpassen. Es hatte alles nichts gebracht. Suchte er denn auch nach mir? Wenn ja, waren seine Versuche genauso kläglich gescheitert wie meine. Denn bis jetzt waren wir uns ja noch nicht wieder über den Weg gelaufen. Das Schicksal meinte es wohl nicht gut mit uns. Oder aber es war ihm doch egal und er machte sich jetzt einen Spaß daraus. Vielleicht war ich ja nur ein Zeitvertreib für diese eine Nacht gewesen. Zur Ablenkung… und Wärmespendung. Ha! Wenn dem wirklich so war, dann sollte er sich wünschen, mir nicht wieder über den Weg zu laufen. Doch selbst wenn ich mir jetzt all diese Gedanken machte, brachte es im Endeffekt doch nichts. Er war weg und ich würde ihn nicht wieder finden. Seufzend ließ ich mich auf die Couch fallen. Mittlerweile hatte ich mein Appartement weitestgehend eingeräumt. Allerdings würde ich nicht lange hier bleiben. Der Anbau - die (unsere) Kinderzimmer - waren fast fertig und schon bald müsste ich dort einziehen. Dabei war Unabhängigkeit doch soviel besser. Und diese nicht wirklich kleine Wohnung hatte definitiv seine Reize. Die Glasfront, die bis zum Boden reichte, über Eck ging und einen wunderschönen Blick auf die Stadt bot (ich wohnte doch tatsächlich im sechzigsten Stockwerk), war einer davon. Die beigefarbene Samt-Eckcouch in der Mitte des Raumes bot für mindestens sieben Leute Platz. Ein kleiner eckiger Glastisch stand davor und direkt gegenüber dem Sofa hing ein LCD-Fernseher, der sogar eine Verbindung zum Internet hatte. Darunter gab es ein flaches, schmales Regal mit all dem dazugehörigen technischen Schnickschnack: DVD-Player, Musikanlage, Boxenset… Fächer für CDs und DVDs. Hinter der Couch und mit einem Abstand von drei Metern war eine moderne, orange Küche eingebaut, die durch einen schmalen Tresen vom Rest des Raumes getrennt wurde. Gegenüber der Glaswand (also rechts von der Küche aus gesehen), auf der anderen Seite des Zimmers, befand sich der Eingang und in dem schmalen Flur davor gab es noch drei weitere Türen. Eine führte ins Bad, eine weitere ins Schlafzimmer und die dritte war die Besenkammer. Das Appartement an sich war so groß, dass mindestens fünfzig Leute alleine in das Hauptzimmer passten. Die Mitte, in der sich die Sitzgelegenheiten befanden, war um eine Stufe nach unten versetzt, sodass man manchmal aufpassen musste, nicht zu stolpern. Der gesamte Fußboden bestand aus hellem Parkettboden, auf dem hier und dort kleine Läufer lagen. Die Wände hatten das Muster von rotbraunen Backsteinen und verliehen dem Raum sehr viel Wärme. Noch dazu war es bereits Abend und die Sonne, die sich langsam dem Horizont näherte, schien jetzt rötlich-orange und tauchte hier drin alles in ein schummriges Dämmerlicht. Ich war mir fast sicher, dass meine Mom alles eingerichtet hatte. Sie würde mich niemals in einer Wohnung leben lassen, in der ich mich eventuell unwohl fühlen könnte. Trotzdem konnte ich mich gerade überhaupt nicht entspannen. Nicht nur, weil ich diesen unglaublichen Jungen womöglich nie wieder sehen würde, sondern auch, weil heute Abend ein Essen mit meinem zukünftigen Stiefvater stattfinden würde. Ich würde dann nicht nur ihn, sondern auch seinen Sohn kennen lernen. Diese eine Woche, in der ich jetzt schon hier war, hatte ich ihre Gesellschaft zu gut es ging, vermieden. Nur ab und zu kam Esme vorbei und besuchte mich. Immer wieder wollte sie mich überreden, doch mal bei ihr vorbeizuschauen, um vielleicht schon einen kleinen Eindruck von den anderen zu bekommen. Bisher konnte ich mich immer damit herausreden, noch soviel erledigen zu müssen, um bestmöglich gewappnet zu sein für die neue Schule. Eine Privatschule. Da wir ja bald in Geld schwimmen würden, war es anscheinend nicht mehr nötig, eine öffentliche High School zu besuchen. Es war nicht so, dass wir arm waren. Wir hatten Geld und konnten uns nicht beklagen. Trotzdem hielten wir unsere Finanzen zusammen und gaben nur das aus, was wir zum Leben brauchten. Schließlich wusste keiner, was die Zukunft brachte. Ich wäre so gerne auf eine normale High School gegangen. Allein der Gedanke, mit jeder Menge reichen, verwöhnten Schnöseln ein Klassenzimmer zu teilen, war schon grausig. Und mein neuer Bruder war bestimmt genauso. Eingebildet und arrogant. Das waren doch alle, die viel zu viel Geld zur Verfügung hatten, oder? Ich würde mich mit Sicherheit nicht dort einleben können. Vielleicht würde meine Mom mich ja auf eine normale Schule schicken, wenn sie sah, wie schlecht es mir in dieser privaten Einrichtung ging. Ich seufzte laut auf. Wenn dieser Abend doch nur schon vorbei wäre. Wenn es doch nur dieser eine Abend wäre, den ich mit diesen Leuten verbringen musste. Nicht mehr lange, und unsere Zimmer waren fertig. Dann würde ich in die Höhle des Löwen gehen und dort den Rest meines vormundbedürftigen Teils des Lebens verbringen. Ich hatte wirklich nichts gegen das Glück meiner Mom, nur musste sie mich da mit hineinziehen? Okay, Bella. So schlimm wird der Abend nicht. Du wirst freundlich sein, dich ein bisschen unterhalten und gute Miene bewahren. Vielleicht sind diese beiden Personen ja wirklich nett. So wie deine Mutter es gesagt hatte… Schwerfällig erhob ich mich und ging ins Schlafzimmer, um mir ein einigermaßen ordentliches Outfit herauszusuchen. Einen guten Eindruck wollte man dann doch trotzdem machen. Ich war nicht der Typ, der sich stundenlang vor den Spiegel stellte, an jedem Bisschen etwas auszusetzen hatte und sich einfach nicht entscheiden konnte, welches Teil am Besten die Problemzonen verdeckte. Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis ich etwas annehmbares gefunden hatte. Eine weiße Hose, unten leicht ausgestellt, dazu ein dünner, schwarzer Rollkragenpullover ohne besondere Eigenheiten. Schlicht und einfach. Noch schnell ins Bad, um die Haare zu bändigen. Ein einfacher Pferdeschwanz war zu langweilig und offen wollte ich sie auch nicht tragen. Am Ende steckte ich sie mit zwei weißen Stäbchen, deren obere Enden ein silbernes Floralmuster zierten, hoch. Im Nacken und an den Seiten ließ ich ein paar dünne Strähnen heraushängen, sodass ich nicht zu streng aussah. Noch ein kurzer Blick in den Spiegel. Du schaffst das schon. Ich atmete noch einmal tief durch und strich meine Kleidung glatt. Die Baduhr verriet mir, dass es nicht mehr lange dauern würde. Dann nämlich kam mein kostenloses ‘Taxi’. Mein neuer Stiefvater in spe hatte nämlich die glorreiche Idee, seinen Sohn vorzuschicken, um mich abzuholen. So müsste ich kein Geld für öffentliche Verkehrsmittel ausgeben, würde mich nicht verlaufen und ich könnte mich mit meinem neuen Bruder gleich etwas beschnuppern. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Allein schon der Name verursachte ein paar Falten auf meiner Stirn. Edward. Wer hieß heutzutage denn bitteschön noch so? Aber die Familie schien generell seltsam altmodische Namen zu besitzen. Sein Vater wurde Carlisle genannt. Carlisle Cullen. Und ich sollte den Namen auch bald annehmen. Auf Wunsch meiner Mom. So gern ich es abgelehnt hätte, ich konnte meiner Mutter diesen Wunsch nicht abschlagen. Ihr bedeutete es soviel, wieder eine komplette Familie zu sein. Seit ich mich erinnern konnte, lebten wir allein. Mein Vater war abgehauen, als ich drei war. Kam mit der Situation nicht klar. Ich fand es erstaunlich, dass er überhaupt solange durchgehalten hatte. Esme war zu dem Zeitpunkt gerade erst zwanzig. Und demnach siebzehn, als sie mich bekommen hatte. So alt wie ich nun. Wenn ich daran dachte, jetzt schon schwanger zu sein… Gruselig. Jedenfalls konnte ich ihre Bitte nicht verneinen. Dafür war sie ihr einfach zu wichtig. Und mir war meine Mom wichtig. Ein Klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Gleich würde es soweit sein. Dann würde ich die erste Hälfte meiner neuen Familie treffen. Ruhig Blut, Bella. Einfach freundlich bleiben und ihm eine Chance lassen. Du kennst ihn doch gar nicht. Vielleicht ist er überhaupt nicht so schlimm. Ich konnte noch nicht einmal über meinen eigenen Sarkasmus lachen. Ein erneutes, etwas längeres Klingeln. Mein Gott, war dieser Junge ungeduldig. Seufzend ging ich aus dem Bad und auf die Haustür zu. Die Hand auf die Türklinke gelegt und noch einmal tief durchgeatmet. Dann öffnete ich. Und was ich da sah, war alles andere, als atmungsfördernd. Die Verblüffung, die Überraschung… Was machte er hier? Wie hatte er mich gefunden? Hatte er genauso nach mir gesucht wie ich nach ihm? Sein Gesicht sah nicht minder verwirrt aus wie meines. Wir standen bestimmt fast eine Minute starr voreinander, ehe er als erster die Stille durchbrach. “Marie…?” “Hi…” stammelte ich. Er senkte seinen Blick auf einen kleinen Zettel in seiner Hand, dann schloss er die Tür halb und sah sich die Außenseite an, ehe er sie wieder ganz aufmachte. “Wie… Wie hast du…?” fing ich an und wurde von seinem leisen Kichern unterbrochen. “Das Schicksal meint es wohl gut mit mir.” Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und starrte weiterhin auf sein Stück Papier. Dann sah er auf und lächelte mich an. “Ich habe wirklich gedacht, dieser Tag wird die reinste Katastrophe, aber da hab ich mich wohl geirrt.” Ich hob eine meiner Augenbrauen und legte meinen Kopf schief. So ganz verstand ich nicht, was er da sagte. Er lachte kurz auf, als er meinen Gesichtsausdruck sah und nahm mich ganz plötzlich in den Arm, um mich fest zu drücken. Im ersten Moment war ich so überrascht, dass sich mein Körper völlig versteifte, was ihm natürlich nicht verborgen blieb. Sofort löste er sich von mir. “Tut mir Leid… Ich wollte nicht so aufdringlich sein. Ich-” “Nein, schon okay. Ich freu mich, dich zu sehen.” Freuen war wohl die Untertreibung schlechthin. Das, was ich momentan empfand, konnte man nicht in Worte fassen. Es war einfach unbeschreiblich. Wie gebannt starrte ich ihn an, so wie ich es beim ersten Treffen getan hatte. Man konnte sich nicht gegen seinen Anblick wehren. Seine Augen hielten mich gefangen und ich hatte keinen einzigen Grund, mich dem entgegen zu setzen. Ganz im Gegenteil. Viel mehr wollte ich wieder zurück in seine Arme, die mich so fest drückten, dass ich das Gefühl bekam, an der sichersten Stelle der Welt zu sein. Als hätte er meine Gedanken gelesen, zog er mich langsam wieder an sich. Ich entspannte mich und erwiderte seine Geste. “Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen”, flüsterte er in mein Ohr. “Ich hatte keinen Anhaltspunkt, wo ich dich finden könnte. Ich bin jeden Tag ins Kaufhaus gegangen und hatte gehofft, dich dort vielleicht wieder zu treffen. Leider vergebens. Aber jetzt…” Verblüfft drückte ich ihn ein Stück von mir. “Du hast nach mir gesucht?” Er nickte mit einem Lächeln auf den Lippen. Mein Herz fing an zu rasen. Er hatte nach mir gesucht… Er zog mich wieder dicht an sich, legte sein Kinn an meine Schläfe und strich ganz sanft über meinen Rücken. Ich hörte, wie er die Luft tief einsog. “Ich habe deinen Duft die ganze Woche in Erinnerung gehabt. Ich bin beinahe verrückt geworden, so sehr wollte ich dich wieder sehen…” Er hatte mich nicht vergessen… ich war nicht nur ein Zeitvertreib im Fahrstuhl… und er hatte mich genauso vermisst wie ich ihn. Trotzdem verstand ich nicht, wie er es geschafft hatte, mich aufzuspüren, obwohl er doch noch nicht einmal meinen richtigen Namen kannte. “Anthony?” “Hm?” murmelte er, vollkommen in unserer Haltung versunken. “Woher wusstest du… wo ich wohne?” Als schien ihm plötzlich klar zu werden, wo wir uns befanden, hielt er auf einmal kurz inne, bevor er sich von mir lehnte, seine Hände an meine Schultern legte und mich verlegen anschaute. “Erinnerst du dich noch daran, was ich dir in Bezug auf meinen Vater erzählt habe?” Ich nickte. Sein alter Herr wollte heiraten, genauso wie es meine Mom vorhatte und er war von diesen Plänen genauso wenig begeistert, wie ich. “Na ja, ich sollte heute die Tochter von seiner Zukünftigen zu unserem gemeinsamen ersten Abendessen abholen. Wer hätte gedacht, dass er mir die falsche Adresse gibt und ich stattdessen dich finde”, grinste er. Für ein paar Sekunden war ich wie versteinert. Ich dachte doch tatsächlich, dass er der Sohn meines neuen Stiefvaters sei. Nicht zuletzt weil er anscheinend auch zu einem Abendessen musste. Aber das war natürlich total absurd. Schließlich hieß er ‘Anthony’ und der Andere ‘Edward‘. Er musste wirklich die falsche Adresse bekommen haben und darüber war ich ebenso glücklich wie er. “Du solltest deinem Vater danken”, kicherte ich, wurde aber gleich darauf wieder todernst. Denn jetzt fiel mir auch wieder ein, wer jeden Augenblick hier auftauchen konnte. Edward. Was sollte ich bloß machen? Ich wollte nicht gleich wieder von Anthony getrennt werden und gleichzeitig wollte ich meine Mom nicht enttäuschen. “Stimmt was nicht?” fragte er mich und sah mich besorgt an. “Könnte man so sagen. Wir haben uns gerade erst wieder gesehen und jetzt muss ich auch gleich wieder weg. Ich bin nämlich ebenfalls verabredet…” seufzte ich. “Mit meiner Mom”, fügte ich noch hinzu, als ich seinen erschrockenen Gesichtsausdruck sah. “Ach so.” Ich konnte die Erleichterung deutlich aus seiner Stimme hören und gleichzeitig die Traurigkeit. “Ich sollte mich auch langsam wieder auf den Weg machen, sonst schickt mein Dad mir noch die Kavallerie auf den Hals.” Ich lächelte halbherzig. So gerne wollte ich ihn einfach nicht wieder gehen lassen. Ob mir meine Mutter wohl abkaufte, krank zu sein? Dann müsste sich nur noch Anthony eine Ausrede einfallen lassen und wir könnten den Abend gemeinsam verbringen. Aber eigentlich hatte ich gar kein Recht, ihn so für mich zu beanspruchen. Er hatte schließlich Verpflichtungen, die er einhalten musste. Und außerdem kannten wir uns genau genommen erst eine Fahrstuhlnacht und die paar Minuten, die wir jetzt hier voreinander standen. “Am besten, wir tauschen unsere Nummern aus, damit wir uns nicht wieder verlieren”, schlug er vor und klang schon wieder etwas fröhlicher. “Okay”, stimmte ich dankend zu und kramte in meiner Tasche, die auf einer kleinen Kommode an der Wand neben mir stand, nach meinem Handy. Noch während meine Hand darin verschwunden war, verharrte ich plötzlich in meiner Bewegung. Schuldgefühle kamen auf einmal zum Vorschein. Er kannte mich immer noch unter meinem Zweitnamen und genau jetzt war die letzte Möglichkeit, ihm die Wahrheit zu sagen, ohne größere Schäden in der näheren Zukunft anzurichten. Langsam holte ich mein Mobiltelefon heraus und drehte mich wieder ihm zu. Er hatte jetzt zwei Zettel und einen Stift in den Händen. Während er mir eines der beiden zusammengefalteten Stück Papiere gab und ich dieses mehr unbewusst entgegennahm, hielt er den Schreiber jetzt über das andere und wartete darauf, dass ich ihm meine Nummer diktierte. Auf eine merkwürdige Weise sah er gerade genauso zögerlich aus, wie ich mich fühlte. Nur dass ich mir bei ihm keinen Grund dafür vorstellen konnte. “Anthony…” fing ich langsam an und versuchte meine Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen. “Ich… muss dir da was sagen.” Irritiert runzelte er seine Stirn. “Weißt du, als ich gesagt hab, ich würde ‘Marie’ heißen, war das nur die halbe Wahrheit…” Ich stoppte kurz, um zu sehen, ob ihn das bereits wütend machen würde, doch sein Gesicht war völlig emotionslos. Er sagte kein Wort, hörte mir still zu, ohne auch nur das geringste Zucken in seinen Zügen. “Eigentlich ist das nur mein Zweitname… Als wir uns in dem Fahrstuhl getroffen hatten, da war ich mir einfach nicht sicher, ob ich dir meinen richtigen Namen sagen sollte. Schließlich kannten wir uns überhaupt nicht… Was wir jetzt auch noch nicht richtig tun… na ja, jedenfalls finde ich, solltest du das lieber wissen.” Ein Schmunzeln ließ mich abermals inne halten. Er kaute auf seiner Unterlippe herum und sah mich irgendwie… entschuldigend an. Dann positionierte er seine Hand mit dem Stift wieder über den Zettel. “Also… “ meinte er mit einem schiefen Grinsen. “Dein richtiger Name lautet dann wie?” Die leichte Anspannung, die ich eben noch empfunden hatte, fiel von mir ab, als mir klar wurde, dass er mir meine kleine Lüge keinesfalls übel nahm. “Isabella. Isabella Marie Evenson. Aber nenn mich bitte Bella. Ich mag es nicht, wenn man mich bei meinem vollständigen Namen nennt”, lächelte ich zurück. Er nickte kurz und fing an, zu schreiben, als er auf einmal von einer Sekunde auf die andere zu Stein erstarrte. Sein Gesicht ein einziger Ausdruck des Schocks. Ganz langsam sah er von seinem Zettel auf und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Wie in Zeitlupe beobachtete ich, wie der Stift seinem Griff entglitt und dem Boden immer dichter kam, ebenso der Zettel, nur dass dieser weitaus langsamer nach unten schwebte und von der Luft hin und her geschaukelt wurde. Das Geräusch, als der Schreiber auf den Boden fiel, hallte in meinen Ohren zehnmal lauter wieder, als es in Wirklichkeit der Fall war. Es waren nur ein paar Sekunden, doch es schien eine Ewigkeit, in der wir uns einfach nur anschwiegen. Anthonys Blick machte mich leicht nervös und das Blut, das mir in die Wangen schoss, erhitzte mein Gesicht unangenehm stark. Seine Miene verhärtete sich und mit der Hand, die er zu einer Faust geballt hatte, schlug er gegen den Türrahmen, ehe er sich von mir abwandte und in den Flur lief. In der Mitte blieb er stehen, stemmte eine Hand in die Hüfte und legte mit der Anderen Daumen und Zeigefinger auf seinen Nasenrücken, während seine Augen geschlossen waren. Er atmete tief ein und aus. Vorsichtig folgte ich ihm, bis ich schließlich dicht vor ihm stand. Er murmelte immer wieder “Oh mein Gott… Oh mein Gott… Oh mein Gott…” “Alles in Ordnung? …Anthony?” Abrupt riss er die Augen auf und nahm seine Hand herunter. Er schnaubte leise auf und wandte sich mit einem Kopfschütteln von mir ab. “Könntest du mir freundlicherweise mal erklären, was los ist?” fragte ich leicht gereizt. Ich hasste es, im Dunkeln zu tappen. “Was los ist?” wiederholte er mich bitter. “Ich hatte mich vorhin wirklich geirrt. Dieser Tag würde nicht nur eine Katastrophe werden, sondern jeder darauf folgende Tag, jede weitere Woche, jedes Jahr!” Verwirrt schoben sich meine Augenbrauen zusammen. “Kannst du mich mal aufklären?” “B e l l a…” sagte er und zog meinen Namen extra lang. “Ich hab dich ebenfalls angeschwindelt. Anthony ist auch nur mein Zweitname. Wir hatten wohl damals den gleichen Gedanken. Mein vollständiger Name lautet Edward Anthony Cullen. Mein Vater hat mir nicht die falsche Adresse gegeben.” Für einen Moment hörte ich zwar seine Worte, wie sie seinen Mund verließen, doch der Sinn blieb mir verwährt. Je mehr mir bewusst wurde, was er da gesagt hatte, desto schwerer fiel mir das Atmen und meine Augen hafteten sich langsam aber sicher an den Fußboden. Edward… Ja, so hieß der Sohn von dem Verlobten meiner Mutter. Carlisle Cullen. ”Mein… Vater hat beschlossen, wieder zu heiraten. Und das, ohne mir vorher Bescheid zu sagen. Nicht, dass mich das stören würde, nur hat er mich darum gebeten, wieder bei ihm und seiner zukünftigen Frau einzuziehen. Die hat zu allem Überfluss auch noch ein Kind mitgebracht. Ich habe keinen von beiden jemals gesehen, soll aber versuchen, sie zu akzeptieren…” Wer konnte auch ahnen, ausgerechnet in einem Fahrstuhl seinen Stiefbruder zu treffen? Von allen Menschen, die hier in New York lebten, musste es unbedingt er sein? Warum? Warum hatte das Leben so schlechte Scherze auf Lager? “Und jetzt?” fragte ich und musste gleich darauf schlucken. “Wir müssen zu einem Abendessen. Schon vergessen?” Die plötzliche Kälte in seiner Stimme ließ mich aufsehen. Seine Augen waren schmal, ebenso seine zusammengepressten Lippen. Er strahlte eine herablassende Art und Weise aus, die mir eine Gänsehaut verpasste. Die Verwirrung stand mir deutlich ins Gesicht geschrieben, doch er verzog keine Miene. Stattdessen ging er zu den Fahrstühlen und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand. “Beeil dich und hol deine Sachen, sonst kommen wir noch zu spät.” Wie in Trance stolperte ich zurück in die Wohnung, um meine Tasche von der Kommode zu nehmen, und versuchte vergebens meine Gedanken zu ordnen. Während ich mich zu ihm in den Aufzug gesellte - und er pingelig darauf bedacht war, Abstand von mir zu halten -, herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns. Ich konnte einfach nicht fassen, dass er wegen dieser Sache auf einmal so abweisend war. Ich gab zu, dass es auf eine gewisse Weise ein ungutes Gefühl bescherte. Daran zu denken, dass ich meinen Stiefbruder geküsst hatte und die ganze Woche jede Minute an ihn denken musste… Mir fielen fast die Augen raus, als wir nach draußen kamen und ich am Straßenrand eine schwarze Limousine parken sah, in dessen Lack sich das Licht der Straßenlaternen - die Sonne war jetzt bereits untergegangen - spiegelte. Als Edward meinen Blick sah, schnaubte er verächtlich, während er schnurstracks auf das Auto zuging. Der Chauffeur stand bereits an der Seite und hielt die hintere Tür für uns auf. Langsam wurde ich wütend über sein merkwürdiges, abwehrendes Verhalten mir gegenüber. Wenn er glaubte, ich würde mit ihm in einem Auto sitzen, dann hatte er sich gewaltig geschnitten. Ich würde mich nicht erst so von ihm behandeln lassen, nur um im nächsten Augenblick von ihm kutschiert zu werden. Mit verschränkten Armen ging ich an den beiden vorbei den Bürgersteig entlang, ohne auch nur darauf zu achten, wie seine Reaktion darauf war. “Wo willst du hin?” hörte ich ihn rufen und seine Schritte verrieten mir, dass er mir folgte. “Ich laufe zum Restaurant”, erklärte ich knapp, ohne anzuhalten. Da spürte ich seine Finger an meinem Oberarm, wie sie sich um ihn legten und mich ein wenig unsanft um 180 Grad drehten. “Red keinen Blödsinn. Erstens weißt du überhaupt nicht, wo wir hinfahren und zweitens werde ich dich bestimmt nicht alleine in einer fremden Stadt im Dunkeln umherirren lassen”, sagte er in einem scharfen Ton und zog mich zurück zur Limousine. Ich protestierte, doch er ließ einfach nicht von mir ab. Die einzige Sache, die mich nicht wie am Spieß schreien ließ, war dass meine Mom auf mich wartete - und dass Edward Recht hatte. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hin musste. Der Fahrer schenkte uns noch einen verwirrten Blick, ehe er die Tür, nachdem wir eingestiegen waren, schloss und sich selbst ans Steuer setzte, um loszufahren. Ich setzte mich so weit wie möglich von Edward weg und starrte stur aus dem Fenster, während ich meine Arme wieder ineinander hakte. Edward schien genauso wenig Interesse daran zu haben, sich mit mir zu unterhalten. Ich war so wütend über ihn und gleichzeitig so verwirrt, so ängstlich. Hoffentlich hatte ich nicht schon zu starke Gefühle für ihn entwickelt. Aber das war eigentlich so gut wie unmöglich. Nach einer Nacht und einem Kuss konnte man das doch gar nicht. Es war manchmal die Rede von Liebe auf den ersten Blick, doch daran glaubte ich nicht. Und schon gar nicht in diesem Fall. Das wäre wirklich ein schlechter Scherz gewesen. Und trotzdem liefen mir ein paar Tränen die Wangen hinunter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)