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Step Into My World

von

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Step Forty… Hope

Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion.
 

Voltaire
 

Massanorie Lenjier
 

Schweigend sahen wir uns an, ich kniete vor seinem Bett, strich ihm mit meinem Daumen über den Handrücken und dachte nach.

Er hatte aufgehört zu weinen und betrachtete mich ebenso intensiv, wie ich ihn. Ich hatte ihn erreicht, irgendein Wort von mir hatte ihn erreicht und das stimmte mich glücklich, denn das gab mir Hoffnung.

Ein kleines Lächeln huschte mir über die Lippen.

„Was?“ Mamoru hatte es sofort bemerkt und ich merkte, dass es ihn verunsicherte.

„Ich dachte gerade nur, dass diese Situation, wenn sie nicht so einen traurigen Beigeschmack hätte, sehr romantisch wäre.“ Mamoru musterte mich aufmerksam, ich hob meine andere Hand und ließ meinen Zeigefinger über seinen Nasenrücken gleiten. Und fast meinte ich, dass seine Mundwinkel etwas zuckten, so als würde er auch lächeln müssen.

Noch eine Weile saß ich so bei ihm, bevor ich versuchen wollte ihn zu überreden etwas zu essen.

„Mamoru? Willst du vielleicht etwas Brühe?“ Einen Moment lang sah er mich an und er zögerte. Wieder bildeten sich diese kleinen Krähenfüße um seine Augen und ich verstand langsam, dass das kein Zeichen dafür war, dass er dachte, sondern dass diese kleine Stimme in seinem Kopf ihm sagte wie schlecht alles war. Mein Finger strich erneut über seinen Nasenrücken und sofort verschwanden die Krähenfüße und er sah mich fragend an.

„Meine Stimme, Mamoru. Nur meine.“

Er schwieg, aber dann setzte er sich langsam auf. „Ich habe aber keinen Hunger…“ kam es leise von ihm und ich glaubte ihm das sogar.

„Nach acht Tagen ohne etwas zu essen, würde ich auch nicht mehr merken wann ich Hunger habe und wann nicht.“ Gab ich lächelnd und leise zur Antwort. „Aber wir wollen es doch wenigstens probieren, oder?“ Mamoru fixierte mich wieder mit seinem Blick, bevor ich ein leichtes Nicken erkennen konnte.

„Gut. Ich werde dir nochmal etwas Warm machen, nur ein bisschen.“ Damit verschwand ich mit der Schüssel kalter Brühe, auf welcher sich schon erstarrte Fettaugen bildeten. Kein sehr appetitlicher Anblick. Sparky hielt seinen Mittagsschlaf und sah nur kurz auf, als ich an ihm vorbei in die Küche ging. Die Mikrowelle ließ mir genau 1 Minute 35 Sekunden um mich wieder zu sammeln. Er redete mit mir, zaghaft, aber er redete und er wollte versuchen etwas zu essen. Ich lächelte, lehnte mich ans Küchenfenster und sah hinaus. Der blaue Himmel machte deutlich, dass es zwar kalt, aber dafür schön war. Viele Menschen liefen umher, dass konnte ich trotz der Höhe gut erkennen. Wenn es Mamoru besser gehen würde, wäre etwas frische Luft, verbunden mit einem kleinen Spaziergang genau das richtige. Aber das würde wohl noch etwas dauern, wobei ich ihn vielleicht zu einem Bad überreden konnte um das Schlafzimmer zu lüften. Denn beides, Bad und Lüftung waren dringend notwendig.
 

Das bing der Mikrowelle ließ mich kurz zusammen zucken und ich hoffte, dass Mamoru noch immer bereitwillig etwas essen würde, oder besser trinken? Brühe war nun in meinen Augen keine richtige Mahlzeit, aber es war besser als nichts.

Ich nahm einen Löffel aus der Schublade und probierte sie. Die Temperatur war perfekt und ich hoffte Mamoru würde einige Löffel zu sich nehmen.

Mit der Schüssel bewaffnet betrat ich wieder das Schlafzimmer. Mamoru saß noch so da, wie als ich gegangen war, er sah mich sofort an, als ich das Zimmer betrat. Sparky wollte mir folgen. „Nein. Bleib.“ Ich sah zu Mamoru. „Oder ist es ok, wenn er auch mit rein kommt…“ Fragend sah ich Mamoru an, der zuerst mich und dann Sparky ansah. Wieder nickte er nur, ich sah zu Sparky. „Ist ok.“

Vorsichtig lief er zu Mamoru, legte seine Schnauze auf die Matratze und winselte leise. Mamorus Finger fuhren etwas zittrig durch sein Fell.

„Hier, ich hab sie nochmal aufgewärmt.“ Vorsichtig setzte ich mich aufs Bett. Nur die Nachttischlampe und das einfallende Licht aus dem Wohnzimmer brachten etwas Helligkeit in den Raum. „Sollen wir mal schauen ob du etwas runter bekommst?“ Ich tunkte den Löffel in die Brühe und sah Mamoru fragend an. Wieder nur ein nicken. Aber er hatte ja schon mit mir geredet, also war es ok. Ein Fingerschnipsen und eine Liebeserklärung reichten halt nicht aus, um ihn wieder auf die Beine zu bringen.

„Willst du alleine…“ Ich hielt ihm den Löffel hin, welchen er in die Finger nahm und langsam zum Mund führte. Der erste und zweite Löffel klappten gut, aber schon nach dem dritten legte er den Löffel weg und kniff die Augen zusammen. „Alles ok?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hab Magenschmerzen.“ Schnell stellte ich die Schüssel weg, griff nach seiner Hand und drückte sie etwas. „Schon ok. Dein Magen muss sich erst einmal wieder an etwas Warmes gewöhnen. Und drei Löffel sind besser als nichts.“ Nach einigen Minuten war es wieder in Ordnung, Mamoru legte sich wieder hin und beobachtete, wie ich langsam zum Fenster ging. Ich nestelte an den Vorhängen und dachte kurz nach, zuerst wollte ich ihn mit einer Fadenscheinigen Ausrede zum Baden überreden, aber genau wegen solchen Aktionen hatten wir ja erst diese Situation. Langsam ging ich wieder zum Bett, setzte mich auf die Bettkante und seufzte.

„Mamoru – wie wäre ein Bad? Oder eine schöne warme Dusche?“

„Ich will nicht…“ kam es leise von ihm, er schloss die Augen und rollte sich wieder zusammen.

„Aber dann könnte ich das Bett neu beziehen und lüften.“ Kam es leise von mir. „Hier drinnen ist nämlich eine sehr unangenehme abgestanden Luft.“

Er öffnete seine Augen wieder und musterte mich ohne etwas zu sagen. „Außerdem…“ Wie sollte ich das nun ausdrücken. „… außerdem könntest du eine Dusche gebrauchen…“
 

Mamoru Chiba
 

„Ist mir egal.“ Kam es nur von mir, bevor ich die Augen wieder schloss. Es vergingen einige Minuten, doch dann merkte ich wie er aufstand und ging. Ein feiner Lichtstrahl zog sich über den Boden und zeigte mir, dass er die Tür einen Spalt offen gelassen hatte. Mein Magen schmerzte und bei jeder Bewegung zuckte ich schmerzhaft zusammen. Schon das sitzen hatte mich angestrengt. Meine Gedanken schwirrten immer noch umher und die Stimme war auch noch da.

Leise begann ich zu weinen, ich wusste gerade nicht warum, aber vielleicht war das auch egal. Ich schloss die Augen und versuchte zu schlafen.
 

Meine innere Uhr war nutzlos und ich wusste nicht, ob ich wirklich geschlafen hatte oder einfach nur auf einen Fleck in der Dunkelheit gestarrt hatte.

Der feine Lichtstrahl auf dem Boden war noch immer da, also war es wohl noch Tag. Wieder versuchte ich die Augen zu schließen, aber eine innere Unruhe machte mir deutlich, dass ich ins Bad musste. Es war ein komisches Gefühl und mir wurde bewusst, dass ich die letzten Tage nur schemenhaft wahrgenommen hatte, aber heute war es anders. Die Worte von Massanorie waren noch da und ich versuchte seiner Stimme mehr Aufmerksamkeit zu schenken als der, die sich anhörte wie Frau Hiromi. Es war schwer und es gelang mir nicht gut. Langsam richtete ich mich auf, aber mir tat alles weh und ich brauchte Zeit um meine Beine aus dem Bett zu hieven und mich aufzusetzen.

Beim aufstehen spielte mein Kreislauf verrückt und ich musste die Augen schließen, mich wieder hinsetzen und tief durchatmen. Erschrocken zuckte ich zusammen, als etwas Feuchtes meine Hand streifte.

„Sparky…“ wisperte ich nur und spürte schon das weiche Fell an meiner Hand und seine Schnauze. Ich hatte nicht bemerkt, dass er reingekommen war, aber dann fiel mir ein, dass der Lichtstrahl noch immer so schmal war wie zuvor – also musste er schon die ganze Zeit hier gewesen sein. Meine Finger glitten durch das Fell und seine Anwesenheit beruhigte mich etwas. Nach einigen Minuten versuchte ich erneut aufzustehen – mein Kreislauf ließ es zu, aber meine Beine schmerzten bei jedem Schritt. Vorsichtig öffnete ich die Schiebetür und kniff die Augen zusammen, dass Tageslicht blendete mich und ich brauchte einige Sekunden um mich daran zu gewöhnen.
 

„Hey…“ Massanorie stand im Wohnzimmer und sah mich an.

„Hey…“ kam es nur leise von mir, bevor ich an ihm vorbei ging in Richtung Badezimmer. Jeder Schritt war eine Qual. Als ich die Badezimmertür schloss, lehnte ich mich dagegen und starrte in das Licht der Lampe bis schwarze Punkte vor meinen Augen mich zwangen den Blick abzuwenden.

Mein Blick glitt durch den kleinen Vorraum zum Bad und sprachlos starrte ich in den Wandspiegel. Ich erkannte mich selbst nicht mehr und ein kleiner Teil in mir konnte plötzlich verstehen, warum ich ein Bad nehmen sollte. Ich war blass, meine Augen waren von dunklen Rändern umhüllt, meine Haare waren fettig und ein Bartschatten zeichnete sich schwach auf meinem Gesicht ab. Der schwarze Kapuzenpullover und die helle Jogginghose hatten auch schon bessere Tage gesehen.

Die ersten Tränen bannten sich wieder einen Weg über meine Wangen und ich begann einfach nur zu weinen. Wie konnte er mir sagen, dass er mich liebte, wenn ich gerade so aussah. Man konnte doch sowas gar nicht lieben!

<Nicht mal auf dich achten kannst du. Alle müssen dir immer helfen, weil du alleine nicht klar kommst. Sieh dich doch nur an…> <Du bist mein kleiner Streuner, deswegen liebe ich dich!> Massanories Stimme war wieder da und auch wenn ich es nie für möglich erachtet hatte, aber es tat gut sein Stimme in meinem Kopf zu hören. Ich schniefte und versuchte mich zu beruhigen als es auch schon klopfte. „Mamoru? Alles in Ordnung?“

Mit meinem Pulloverärmel wischte ich mir die Tränen weg und stellte fest, dass ich nicht nur mies aussah, sondern auch müffelte. Ich ekelte mich gerade etwas vor mir selber.
 

Massanorie öffnete die Tür und kam herein.

„Hey. Na… kann ich dir helfen?“

Ich nickte nur. „Ich will doch duschen.“ Entgegnete ich nur zaghaft und sah auf meine Hände.

„Schön. Danach fühlst dich bestimmt etwas besser… also, wenn nicht ist das auch ok. Also… ich hol dir einfach mal was Neues zum anziehen, bevor ich weiter Mist rede.“ Damit verschwand er. Irritiert sah ich ihm nach, bevor ich damit begann mich auszuziehen, oder besser es versuchte. Ich schaffte es nicht den Pullover über den Kopf zu ziehen, immer wenn ich die Arme hob, zog es schmerzhaft und ich schaffte es nicht sie so hoch zu bekommen, geschweige denn sie aus dem Ärmel zu ziehen.

<Nichts, aber auch nichts kannst du…> die Stimme fing wieder an.

„Soll ich dir helfen?“ Ich zuckte merklich zusammen und sah auf. Massanorie legte einige Sachen auf dem Waschbecken ab und lächelte mich an. Wie konnte er mich ansehen und trotzdem noch lächeln?

Mit einem nachdenklichen Blick sah ich an mir hinunter und nickte. „Ich bekomm ihn nicht aus…“ „Das kommt vom vielen liegen.“ Wieder lächelte er mich an. „Ich pass auch auf dich nicht anzufassen.“ „Was?“

Verblüfft sah er mich an. „Erinnerst du dich nicht, vor zwei Tagen hast du mir gesagt, ich soll dich nicht mehr anfassen.“ Er zögerte. „Aber ich durfte vorhin ja deine Hand halten, aber wenn du es nicht willst…“ „Ich kann mich nicht erinnern…“ kam es nur zögerlich von mir, bevor ich merkte wie er mir dabei half den Pullover auszuziehen. Mit seiner Hilfe klappte es sehr gut und während ich es schaffte mich allein aus meiner Hose zu schälen, ließ er Wasser in die Wanne ein und stellte die Dusche an. „Ich dachte, eine Dusche vorher und dann ein Bad. Das ist bestimmt angenehm.“

Mit einem Blick in den Spiegel sah ich, dass ich unter der Kleidung auch nicht besser aussah als wie auf dem Kopf und im Gesicht. Meine Finger glitten über meine Rippenbogen, die sich schon unter meiner Haut abzeichneten. Ich war noch dünner als sonst und wieder stiegen mir die Tränen in die Augen.
 

Eine plötzliche Berührung ließ mich zusammen fahren. Massanorie zog sofort die Hände weg und hob sie entschuldigend, doch ich begann nur weiter zu weinen. Dann spürte ich wieder seine Hände, die sich um meine Schulter legten und mir über den Rücken strichen und schon im nächsten Moment hatte er mich in eine Umarmung gezogen. „Shhh. Alles ok. Das wird schon wieder. Ich bin ja da Mamoru.“

Weinend und stockend begann ich meine Zweifel herauszupressen. „Wie kannst du das sagen? Sieh mich an, ich bin hässlich und weine nur noch und ich bin verrückt…“ Seine Umarmung wurde noch fester und mir stieg dieser Geruch nach Sandelholz gemischt mit dem leichten Geruch von Zigarette in die Nase. Sein Geruch!

„Ich finde dich immer noch hübsch und verrückt bist du nicht. Es ist meine Schuld und die von so vielen anderen Leuten, dass es dir schlecht geht. Zusammen bekommen wir das hin. Und heute Abend versuchen wir nochmal so drei Löffel Brühe und dann steigern wir uns Tag für Tag bis du wieder Appetit hast, ok?“

Seine Finger glitten über meinen Rücken und nach einiger Zeit, in denen ich seine Worte versuchte zu erfassen, beruhigte ich mich.

„Na komm. Ich helf dir beim waschen und dann gehst du baden. Und ich mach das Schlafzimmer wieder etwas freundlicher.“
 

Massanorie Lenjier
 

Mamoru saß in der Wanne und mir fiel allein deswegen ein erneuter Stein vom Herzen. Ich konnte spüren, wie mich eine Müdigkeit überfiel. Die letzten Tage zeigten langsam Wirkung und wahrscheinlich würde ich heute wie ein Stein schlafen.

Aber bis dahin musste ich fit und wach bleiben. Ich betrat das muffige und dunkle Schlafzimmer und riss sofort Vorhänge und Fenster auf. Die kalte Luft verteilte sich sofort und ich nahm einen tiefen Atemzug.

Es würde wieder bergauf gehen, da war ich mir sicher – ich wollte es glauben und dafür war ich bereit alles zu tun. Über mich selbst den Kopf schüttelnd, sah ich hinaus auf die Winterliche Stadt. Ich hatte einem Mann meine Liebe gestanden, zum ersten Mal. Und obwohl in mir immer noch Schuldgefühle und Sorge herumschwirrten, so war da auch dieses Gefühl von Schmetterlingen und Glück – auch wenn es nur sehr leise war.

Seufzend griff ich in meine Hosentasche, holte das kleine silberne Zigarettenetui heraus und zündete mir am offenen Fenster eine Zigarette an.

„Also an die Arbeit…“ wisperte ich mir selber zu, ging wieder zurück ins Wohnzimmer und schaltete die Playlist meines Rechners an.

Musik war doch etwas tolles, es spiegelte Gefühle wieder und schaffte es, dass man sich besser fühlte – mir ging es jedenfalls immer so.

Die Lieder von Sinatra übersprang ich in der Liste, da diese mir nun wirklich zu sentimental waren, ich brauchte etwas nettes, etwas das mich auf andere Gedanken brachte. Meine Wahl blieb bei Lied 96 meiner Playlist hängen... Michael Jackson mit The don’t care about us.
 

Das Bett war schnell abgezogen und ich schmiss alles in eine Ecke des Raumes, die kalte Winterluft hatte den ganzen Raum eingenommen und obwohl mir nun wirklich kalt war, schloss ich das Fenster nicht. Mehr Luft umso besser – obwohl das wohl auch albern war.

Ich schob die Schranktür auf und suchte mit meinem Blick nach frischem Bettzeug, fand aber auf Anhieb nicht wo Mamoru diese aufbewahrte. Als ich in die Knie ging und weiter unten suchte, fiel mein Blick auf eine Kiste. Sie war weiß und war ca. 50x90 cm groß. Ohne mir etwas dabei zu denken öffnete ich den Deckel und stockte kurz. Mit großen schwarzen Augen sah mich ein Stoffbär fast anklagend an. Er hatte eine kleine blaue Schleife um den Hals, eines seiner Augen hing etwas schief und auch einzelne kleine Nähte an den Armen und Beinen waren aufgegangen. Vorsichtig hob ich ihn heraus und sah ihn genauer an.

„Du musst Teddy sein.“ Lächelnd sah ich den Bären an und seufzte innerlich, als mein Blick dann auf ein noch unausgepacktes Paket Bettwäsche fiel.

Eine Quittung war darauf befestigt, die aber schon vier Jahre alt war, also nichts was man noch umtauschen konnte. Vorsichtig setzte ich Teddy neben den Karton, in welchem sich noch Fotoalben und weitere Kleinigkeiten befanden. Nichts davon schaute ich mir an, ich hatte durch den Vorfall mit May und Yosuke gelernt. Ich mischte mich nicht mehr ein, ich schnüffelte nicht mehr herum <Na gut, in diesem Karton herum zu wühlen ist wohl doch schnüffeln…> „Mist!“

Schnell griff ich nach dem neuen Bettzeug, danach nach Teddy und legte ihn zurück. „Sorry. Aber ich werde mal schauen, ob er dich demnächst mal hervorholt!“

Ich besah mir das Bild auf der Verpackung und musste schmunzeln. Bis jetzt hatte Mamoru immer weißes Bettzeug aufgezogen gehabt, aber das hier war mal etwas ganz anderes. Flanell Wendebettwäsche Fuyu blue mit Reißverschluss stand mit weißen Lettern auf blauen Grund. Auf dem Bild war eine Blaue Bettwäsche abgebildet, mit weißen Schneeflocken und einem einzelnen Zweig wo Schnee drauf lag und zwei Kohlmeisen darauf hockten. Eigentlich war die Bettwäsche schön. Ich selber besaß fast ausschließlich weiße oder cremefarbende Bettwäsche ohne Motive, aber das hier war wirklich nett.

Ich beschloss das Risiko einzugehen und sie einfach zu beziehen, denn etwas anderes fand ich gerade nicht. Und Mamoru würde mir in seinem jetzigen Zustand sicherlich sofort mitteilen, wenn ich etwas falsch gemacht hatte.

Einige Schneeflocken fielen durch das geöffnete Fenster und ich konnte sehen wie sie sich sofort auflösten. Im Hintergrund konnte ich hören wie der Rechner ein neues Lied abspielte und nun hatte er doch ein sehr sentimentales ausgesucht. Ich mochte diesen Song, niemals würde ich das zugeben, aber ich mochte ihn. Ich schnippte den Zigarettenstummel aus dem Fenster, schloss die Augen und spürte den kalten Wind im Rücken.
 

Last year same time in December,

I had your love and I remember,

your gentle kiss and your gentle touch,

but now I seem to miss you much.

Last year, same time in December,

the nights had not been so cold.

You were holding me and I was (I was) holding you,

you made me feel the way I did and I miss you.

Ohoho oh oho ohoh yeah, and I miss you.
 

It's December and I'll be missing you.

Christmas time, come and make my dreams come true.

I remember all the happy times with you,

make my wish, and hope this year my gift is you.

It's December and I'll be missing you,

Christmas time, come and make my dreams come true.

I remember all the happy times with you,

make my wish, and this year I will be with you, I'll be with you.
 

Ohoho oh oho ohoh yeah, and I miss you.

Now I'm sitting here, waiting my dear,

watching the snow falling down like last year.

And last year rolls down from my eye,

I got to make a wish for you baby:

I wish that I could be your shining star,

flying high in the sky so I can see where you are,

spending light in the night, bright as could be,

this time for you, shine for you, help you, bring you back to me.

Ohoho oh oho ohoh yeah, bring you back to me.
 

Ich konnte den Text mitsingen und bemerkte gar nicht, dass ich das auch leise tat. Meine Gedanken verloren sich in den guten Momenten mit Mamoru. In jenen, in denen er – in denen wir glücklich gewesen waren. Wo er mir zeigte wer er war.

Die letzte Strophe des Liedes begann, ich öffnete die Augen und sah Mamoru an, welcher in der offenen Schlafzimmertür stand und mich ansah und dieses Mal war da wirklich ein winziges Lächeln. So klein, aber es war ehrlich und deswegen war es so kostbar.

Ich konnte spüren, wie ich leicht errötete und räusperte mich.

„Ähm… ich hoffe es ist ok, ich hab kein anderes Bettzeug gefunden.“

Schnell schloss ich das Fenster, da Mamoru seine Haare nicht geföhnt hatte und ich nicht wollte das er sich etwas weg holte. Mit einem unsicheren Blick besah er das frisch bezogene Bett. „Du findest es albern.“

Etwas irritiert sah ich ihn an. „Warum sollte ich?“

„Weil es nicht seriös ist.“ Kam es leise von ihm.

„Es ist Bettzeug. Das muss nicht seriös sein.“ Kam es belustigt von mir. „Hast du es gekauft?“

Er nickte und setzte sich auf die Bettkante. „Warum hast du es denn gekauft?“ Neugierig sah ich ihn an und schlug die Bettdecke nach hinten.

Ein Schulterzucken. „Ich glaube es hat mir gefallen…“ wisperte er nur und sah fast schuldbewusst auf die Decke.

„Dann ist es doch gut. Du musst es doch mögen, nicht andere. Ich hol mal einen Fön.“

Damit verschwand ich und kam kurz darauf mit einem Fön zurück. „Darf ich?“

Er nickte nur und schloss die Augen als ich ihm die Haare föhnte. „Ich will, dass die Leute sehen, dass ich ernst zu nehmen bin.“ Kam es in dem Moment, wo ich den Fön ausstellte. Nachdenklich sah ich ihn an und mein Blick schweifte aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer und mir kam eine Vermutung.

„Mamoru? Hast du deine Wohnung auch nach diesem Schema eingerichtet? Dass die Leute nur das sehen, was sie sehen wollen?“ Ich setzte mich neben ihn. Er zog die Beine etwas an und ich konnte ein leichtes Nicken erkennen, als er die Arme um seine Knie legte und sein Kinn darauf. „Deswegen findet man auch nichts Persönliches von dir. Keine Fotos, oder andere Dinge.“ Er nickte nicht, wiedersprach jedoch auch nicht.

„Soll ich dir was sagen. Ich mag das Bettzeug, ich trau mich nie Bettwäsche mit Motiven zu kaufen, weil ich immer denke, es muss alles zusammen passen. Schwarz und weiß und andere Farben gibt es im Schlafzimmer nicht. Aber eigentlich wirkt es dadurch kalt und ungemütlich. Außerdem wirkt diese Bettwäsche super flauschig und sie strahlt Freude aus, das ist doch toll. Weißt du was – wenn es dir besser geht, dann gehen wir auch mal los und kaufen für mich neue Bettwäsche.“ Ich zwinkerte ihm zu. Etwas ungläubig sah er mich an.

Eine Weile sahen wir uns schweigend an. „Willst du vielleicht im Wohnzimmer auf die Couch mit dem Bettzeug? Dann kannst du etwas fernsehen. Oder lieber hier bleiben und schlafen?“ „Ich weiß nicht…“ Kam es leise von ihm, „…vielleicht schlafen?“

„Ok!“ lächelnd sah ich ihn an und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. „Dann schlaf etwas.“
 

Am Abend hatte er wirklich noch einmal ein paar Löffel Suppe gegessen. Es waren sogar fünf, das hatte mich sehr glücklich gemacht. Nun war es kurz vor zehn. Mamoru hatte sich wieder hingelegt und ich arbeitete an einer Präsentation für die nächste Woche. Mein Urlaub würde nur noch drei Tage dauern und ich musste dann definitiv wieder arbeiten. Aber was ich dann mit Mamoru machen sollte, wusste ich noch nicht.

Seufzend streckte ich mich kurz, bevor ich mich wieder an die Ausarbeitung machte.

Ich nahm das Diktiergerät und sprach schon mal einige Vorgaben für den Jahresabschlussbericht darauf.

„04. Januar. Memo für den Jahresbericht des Vorjahres. Einzubeziehen sind die Monats-, Quartals- und Jahresabschlüsse, die Profit-Center-Rechnung, die Produktions- und Vertriebs-Controlling, sowie die Investitions- und Liquiditätsrechnung…“ ich ließ die Aufnahme-Taste los und besah meine Unterlagen durch. Dann drückte ich erneut auf Aufnahme „Als Anlagen zum Bericht sind beizufügen die Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember, die Bilanz und der Anlagespiegel des Vorjahres…“

„Darf ich mich zu dir setzen?“ Erschrocken zuckte ich zusammen und sah auf. Mamoru stand in seine Decke eingehüllt im Wohnzimmer. Die Frage überraschte mich sehr und ich brauchte einen Moment um sie zu verarbeiten.

Ein leichtes Lächeln spiegelte sich auf meinen Lippen. „Das ist deine Wohnung. Du kannst dich hinsetzen, wohin du willst.“ Langsam stand ich auf und räumte das Sofa von meinen Unterlagen frei. „Entschuldige das Chaos, ich hab mich etwas breit gemacht.“

Doch Mamoru schüttelte nur den Kopf. „Ich störe dich beim arbeiten…“

„Ach quatsch. Ich mach nur gerade einige Sachen für die Jahresabschlussrechnung und den Bericht und so. Nichts was nicht warten kann.“ Eine Lüge, aber ich wollte nicht, dass er ein schlechtes Gewissen bekam.

„Klingt aber wichtig.“ Er ließ sich auf das Sofa nieder, legte sich hin und sah mir über die Schulter, während ich meinen letzten Gedankengang sortierte und ihn zu Ende diktierte. „Zudem müssen die Jahressonderzahlungen aufgelistet werden, sowie die Gewinnausschüttungen um etwaige Bonuszahlungen zu veranlassen.“ Mein Blick glitt über den Stapel Papiere, bevor ich mich Mamoru zuwandte.

„Kannst du nicht schlafen?“

„Ich – ich will nur gerade nicht allein sein.“ Noch immer zeichneten sich dunkle Ringe unter seinen Augen ab. Seine blauen Augen wirkten blass und sahen mich müde und erschöpft an.

„Kann ich hier etwas schlafen, während du arbeitest?“ „Klar. Aber ich muss noch einige Sachen auf das Diktiergerät…“ „Es beruhigt mich deine Stimme zu hören.“

Lächelnd sah ich ihn an, strich ihm leicht über den Nasenrücken und wandte mich wieder meiner Arbeit zu.
 

So vergingen drei Stunden in denen ich Mamorus Anwesenheit nicht bemerkte, er lag still auf der Couch und ich wusste nicht einmal ob er schlief oder mich beobachtete. So tief war ich in meine Arbeit versunken.

Im Hintergrund lief leise Musik, welche mein Laptop aus meiner Playlist aussuchte.

„Das ist unser Lied.“ Kam es plötzlich leise vom Sofa. Etwas verwundert drehte ich mich um und hörte auf den Song. Es war das Mashup, welches wir im Club gehört hatten als wir uns das erste Mal geküsst hatten – naja so richtig romantisch war das nicht, besonders weil ich damals nur gespielt hatte – aber Mamoru schien diesen Song als unseren Gebrandmarkt zu haben.

Das war süß!
 

„Ich wusste nicht, dass das unser Song ist. Ich dachte immer das sollte etwas romantisches sein, etwas wo man zu tanzen kann.“

Lächelnd lehnte ich mich aufs Sofa und strich ihm sanft durch die Haare.

Er schloss seine Augen und atmete tief ein und aus.

„Alles gut?“

„Kopfweh.“ Nuschelte er nur und lehnte sich etwas in meine Berührung.

<Ob ich wohl vorschlagen kann, dass er hier schläft, bei mir? Ich würde gerne mal wieder seine Nähe neben mir spüren. Aber das ist wohl egoistisch, oder?>

Aber ich verwarf die Idee wieder und schüttelte über mich selber den Kopf. „Willst du hier schlafen? Oder lieber wieder in dein Bett. Wegen Hell und Laut?“

Ich sah ihn an und stellte belustigt fest, dass er eingeschlafen war, ich strich ihm noch eine Weile durch die Haare, küsste ihn sanft auf die Stirn und flüsterte ein „Ich liebe dich!“

Bevor ich mich wieder an die Arbeit machte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MangaMaus85
2015-03-23T07:13:50+00:00 23.03.2015 08:13
Hey :)

Sehr schönes Kapitel!

Die Schlafzimmerszenen sind alle sehr schön formuliert. Also sowohl das lustige, wie Massanorie fast verzweifelt versucht Mamo zu sagen, dass er mal duschen sollte (lach), als auch die Szene mit der Bettwäsche :)

So eine *fast* Selbstaufgabe hätte man am Anfang bei Massanorie gar nicht vermutet. Ich hoffe, Mamoru weiß das auch irgendwann einmal zu schätzen, wenn er soweit wieder auf dem Damm ist :)
Von:  niki28
2015-03-18T06:25:24+00:00 18.03.2015 07:25
Huhu

Super, einfach toll geschrieben und am ende sind mir sogar die tränen gekommen!
Finde es einfach klasse wie du das mit dem fürsorglichen Massanorie rüberbringst das er bereit ist um jemand zu kümmern und alles versucht damit es Mamuro besser geht und versucht nicht mit dem tür ist haus zu fallen, meine keine streit wieso mamuro veggelaufen ist sonder nur diese freundlichkeit won massanorie ist gut!
Aber Mamuro wersucht auch echt aus sein letargie zu kommen weil er doch auf Massanorie hört und er ihm ja auch vermisst, aber dennoch glaubt er net das er gut genug für Massanorie sein kann!
Bin richtig gespannt wie es weitergeht!

Gruß


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