Lo specchio della regina von KittenUpATree (der Spiegel der Königin) ================================================================================ Kapitel 7: Falsche Freunde -------------------------- Vanessa kuschelte sich ganz nah an ihren Freund. Die beiden hatten schon so lange nicht mehr einfach nebeneinander gelegen und Händchen gehalten. Umso mehr genoss das Mädchen jede Sekunde davon. Dennoch hielt sie ein Ohr offen, falls irgendetwas Verdächtiges zu hören sein würde. Sie hatte beschlossen, in dieser Nacht nicht zu schlafen. Kai durfte unter keinen Umständen etwas zustoßen. Das Fenster war offen, deshalb konnte Vanessa in der Ferne die Kirchturmglocke läuten hören. Einmal… Zweimal… Dreimal… Es was also drei Uhr morgens und noch immer war nichts passiert. Kai war längst eingeschlafen und auch Vanessa war, allen guten Vorsätzen zum Trotz, todmüde. Vielleicht hatte sie sich ja doch geirrt! Vielleicht war Ailayn tatsächlich nicht mehr, als ein armes, krankes Mädchen, das eine Freundin und kein misstrauisches Biest brauchte. So war es wahrscheinlich. Wie hatte Vanessa nur glauben können, dass ihre dummen Tagträume auch nur im Entferntesten etwas mit der Realität zu tun hatten. Das Bild von Livia und Alexandria, wie sie in ihr Gespräch vertieft waren, tauchte wieder in Vanessas Kopf auf. Hatte Livia nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit Talas Schwester Laila? Nein! Schluss damit! Niemand hatte irgendetwas mit den Figuren aus längst vergangener Zeit zu tun! Vielleicht irgendwelche Forscher, die sich mit dem Thema befassten, aber nicht Vanessas Freunde! Sie sollte aufhören, sich solch dumme Gedanken zu machen und versuchen, noch ein wenig Schlaf abzubekommen, bevor es Zeit zum Aufstehen war. Vanessa hatte gerade die Augen geschlossen, als sie ein Geräusch hörte. Jemand kletterte durch das Fenster. Vanessa konnte deutlich Schritte hören. Als sie eins ihrer Augenlider ein Stück weit öffnete, konnte sie im Mondlicht etwas blitzen sehen. Eine Klinge! „Kai! Wach auf!“, schrie das Mädchen laut und schubste ihren Freund aus dem Bett. Gerade noch rechtzeitig. Unzählige Federn flogen durch die Luft, als das Messer das Kissen zerfetzte, auf dem Kai eben noch gelegen hatte. Kai kauerte jetzt hellwach auf dem Boden. „Was… was hat das zu bedeuten?“ Aber Tala war nicht hier, um Fragen zu beantworten. Er hatte einen Auftrag. Der rothaarige Junge zog ein langes Schwert unter seinem Umhang hervor und hielt es Kai an die Kehle. „NEIN!“, schrie Vanessa, stieß die Klinge zur Seite, wobei sie sich an der Hand verletzte und warf sich vor Kai. Mit Tränen in den Augen sah sie Tala flehend an. „Bitte tu es nicht! Wir sind doch Freunde! Bitte, Tala!“ Es war, als würde Tala aus einem schlimmen Alptraum erwachen. Entsetzt starrte er seine beiden Freunde an. Dann fiel sein Blick auf das Schwert in seiner Hand. Er wurde leichenblass. Mit einem lauten Scheppern ließ er das Schwert zu Boden fallen und flüchtete durch das Fenster. „Sag mir, dass das nicht wahr ist! Das kann einfach nicht wahr sein!“, murmelte Kai. Doch Vanessa konnte ihm nicht sagen, dass es nicht wahr war. Denn das, was sie am meisten befürchtet hatte, war eben passiert. Und es war keine Vision und erst recht kein Traum gewesen. „Warum fahren wir noch zu dem Kerl? Und auch noch ohne Polizeischutz? Dieser Verrückte gehört eingesperrt!“ Kai ließ kein gutes Haar an Tala, als er und seine Freundin am nächsten Tag zum Haus von Talas Eltern fuhren. Genauer gesagt ließen sie sich von Jerry in der Limousine mitnehmen, weil es wesentlich schneller ging, als mit dem Fahrrad und das Wetter schon wieder so unbeständig war. „Kai, ich habs dir doch gesagt! Ich glaube einfach nicht, dass Tala das wirklich aus freiem Willen getan hat! Ich bin mir sicher, dass da etwas faul ist! Er ist doch unser Freund! Warum sollte er so etwas also tun?“, versuchte Vanessa ihren Freund zu beruhigen. Sie war es gar nicht gewohnt, dass er so über jemanden redete. Und dann auch noch ausgerechnet über Tala. Was war nur los mit ihm? „Was weiß ich, warum der plötzlich so abgeht! Auf jeden Fall finde ich es nicht gerade lustig, wenn mitten in der Nacht plötzlich jemand in meinem Schlafzimmer steht und versucht mich umzubringen! Und weil er offensichtlich zu blöd für so einen simplen Job ist, verletzt er dabei auch noch meine Freundin!“ Vanessa starrte auf den Verband an ihrer Hand. Der Schnitt war glücklicherweise nicht allzu tief gewesen. Trotzdem hatte es stark geblutet und Hillary wäre fast umgekippt, als ihr Sohn sie fragte, wo der Verbandskasten war. Endlich waren sie am Ziel. Kai wollte gerade klingeln, aber Vanessa schob sich geschickt vor ihn. Es war wohl besser, wenn sie zwischen Tala und Kais Faust stand, falls er es war, der die Tür öffnete. Eine unbegründete Sorge. Laila machte keinen Hehl daraus, dass das Paar ungebetene Gäste waren. „Tala ist nicht da! Ich weiß nicht wo er ist, wann er wieder kommt oder ob er überhaupt wieder kommt! Ich werde ihm nichts ausrichten oder geben! Ich könnt also genauso gut sofort wieder verschwinden.“ „Ts!“, machte Kai. „Du hast dich wirklich kein Stück verändert, Laila! Kratzbürstig wie eh und je!“ „Und du bist immer noch ein Vollidiot!“, fauchte Laila zurück, bevor sie den beiden einfach die Tür vor der Nase zuschlug. „Na damit wäre die Sache wohl erledigt! Er ist nicht da! Lass uns gehen!“ Kai wandte sich wieder zum Auto, aber Vanessa war noch nicht bereit aufzugeben. Geduckt schlich sie ums Haus, um das Fenster auszumachen, dass zu Talas Zimmer führen musste. „Vanessa! Was soll das denn jetzt werden? Du hast es doch gehört! Er ist nicht da!“ Das blonde Mädchen sah ihren mosernden Freund an und legte den Zeigefinger auf die Lippen, um ihm zu bedeuten, dass er sich ruhig verhalten sollte. Wenn Laila sie entdeckte, dann würden sie nie… ja, was würden sie dann eigentlich nie? Vanessa wusste selbst nicht so genau, was sie sich von dieser Aktion eigentlich erwartete. Sie wusste nicht warum, aber sie hatte nicht erwartet, Tala hier anzutreffen. Aber ihr Gefühl hatte ihr gesagt, dass sie bei ihrem letzten Besuch etwas übersehen hatte. Etwas Wichtiges. Endlich hatte Vanessa das Fenster gefunden, das sie für das richtige hielt. Sie war sich sogar ziemlich sicher, denn es war das einzige Fenster im obersten Stockwerk und wenn sie sich nicht ganz irrte, dann war das Zimmer direkt unter dem Dach gewesen. Aber wie sollte sie dort hoch kommen? Es gab kein Vordach oder etwas ähnliches, auf das sie hätte klettern können. Vanessa überlegte. Es gab einen großen Baum in dem Garten und von einem der Äste könnte sie es vielleicht schaffen, an das Fenster heranzukommen. Wie sie dann reinkommen würde, konnte sie sich immer noch überlegen, wenn es soweit war. Allerdings waren selbst die untersten Äste dieses Baums noch zu weit oben, als dass Vanessa sie hätte erreichen können. „Kai, kannst du mir mal helfen? Ich muss auf den Baum da!“, flüsterte Vanessa. Kai schien nicht sonderlich begeistert von dieser Idee zu sein, dennoch half er seiner Freundin, wie sie es von ihm verlangte. Es war schwieriger, als Vanessa es sich vorgestellt hatte, an den, teilweise doch recht dünnen, Ästen empor zu klettern. Sie hatte mehrmals das Gefühl, gleich zu stürzen, aber es gelang ihr immer, sich im letzten Moment doch noch irgendwo festzuhalten. Endlich hatte Vanessa es geschafft und wie sie es vermutet hatte, konnte sie von ihrer Position aus das Fensterbrett leicht erreichen. Aber wie sollte sie das Fenster jetzt aufbekommen. Aber Moment! Konnte das wirklich sein? Wenn es so war, dann musste sie tatsächlich mehr Glück als Verstand haben. Das Mädchen streckte sich ein Stück, um an die Scheibe fassen zu können. Sie drückte gegen das Glas und das Fenster schwang nach innen auf. Es war also kein Irrtum gewesen. Das Fenster war nur angelehnt. Hieß das, dass Tala vielleicht doch da war? Vanessa zog sich am Fensterbrett hoch und kletterte in das Zimmer. Beinahe wäre sie auf ein paar CDs getreten, als sie ihre Füße auf den Boden setzen wollte. Es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Nicht nur CDs, sondern auch Bücher, Papiere und zahllose andere Dinge lagen auf dem Boden verstreut. Die Schubladen waren aufgerissen und ihr Inhalt unsanft durchwühlt worden. Irgendjemand musste nach etwas gesucht haben. Aber wonach? Machte es überhaupt noch einen Sinn, sich umzusehen? Vanessa wusste zwar nicht, wonach sie eigentlich suchte, aber anscheinend war ihr jemand zuvor gekommen und dadurch war es eher unwahrscheinlich, dass sie… was auch immer noch finden würde. Trotzdem machte Vanessa einige vorsichtige Schritte in den Raum hinein, immer noch darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen. Ob Tala wohl geahnt hat, dass in seiner Abwesenheit sein Zimmer durchsucht werden würde? Wenn ja, dann hatte er vielleicht… naja… das Ding gut genug versteckt, dass es die Eindringlinge gar nicht gefunden haben. Das würde zumindest erklären, warum das gesamte Zimmer verwüstet war. Sie müssen sehr lange gesucht haben. Aber selbst wenn dieses Etwas noch hier war, wie sollte Vanessa es dann finden können? Sie überlegte angestrengt. Hatte Tala ihr vielleicht irgendwann einmal etwas gesagt oder gezeigt, was ihr helfen könnte? Kaum jemand kannte den rothaarigen Jungen besser als Vanessa. Er war für sie immer wie ein großer Bruder gewesen, aber dennoch wollte ihr nichts einfallen, was sie ihrem Ziel näher gebracht hätte. Gedankenverloren setzte sich das Mädchen auf das Bett und starrte im Zimmer umher. Ihre Vorgänger hatten viel zu gute Arbeit geleistet, als dass man hier noch irgendetwas hätte finden können. Sogar sämtliche Bücher waren offensichtlich brutal ausgeschüttelt worden, denn manche waren so zerfleddert, dass man erst mal wieder die einzelnen Seiten zusammensuchen müsste, bevor man sie wieder lesen könnte. Vanessas Blick fiel auf einen kleinen, zerbrochenen Bilderrahmen, der inmitten dieser Unordnung lag. Er fasste ein Bild, auf dem zwei Jungen abgebildet waren. Der eine hatte rotes, der andere graues und dunkelblaues Haar. Die beiden saßen zusammen auf den Wurzeln eines Baumes, die ins Wasser ragten. Vanessa stockte der Atem. Das war die Trauerweide bei dem See. Kai hatte ihr ja erzählt, dass er und Tala früher öfter zusammen gespielt haben. Und das musste einer der Orte gewesen sein, wo sie sich besonders oft aufgehalten haben. In dem Moment erinnerte sich Vanessa daran, was sie bei diesem Baum gesehen hatte. Dieses Glitzern… vielleicht war das, was diese Eindringlinge gesucht hatten ja gar nicht hier, sondern dort, zwischen den Wurzeln der Trauerweide, versteckt! Aufgeregt sprang Vanessa auf. Ja! So musste es sein! Sie wollte gerade wieder aus dem Fenster steigen, als sie bemerkte, dass ein Unwetter aufgezogen war. Inzwischen war der Wind so stark geworden, dass der Ast, über den Vanessa ins Zimmer klettern konnte, gefährlich hin und her schaukelte. Diesen Weg konnte sie also nicht mehr nehmen. Aber ansonsten gab es nur eine einzige Möglichkeit. Sie musste durch die Haustür verschwinden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)