What happened 30 years ago von Peacer (The story of a young Turk) ================================================================================ Prolog: Welcome to Gaia ----------------------- Hallo Leutz!^^ Ich hoffe, irgendwer interessiert sich hierfür xD Meine erste Fanfiction! Disclaimer: Final Fantasy VII gehört Square Enix, was leider heißt, dass es mir nicht gehört.^^ Ich bin demnach nicht der Besitzer von dem Konzept, aber der Charakter Aireen gehört mir sehr wohl. Somit würde ich es schätzen, wenn niemand meine Charakters oder Konzepte kopiert. Vielen Dank, und noch einen schönen Tag^^ ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Aireen lief so schnell sie konnte, trotzdem wurde das Geräusch weit ausholender Pfoten immer deutlicher. Sie wagte nicht zurückzublicken, um sich Gewissheit über ihre Verfolger zu verschaffen, sondern konzentrierte sich stattdessen darauf, heil durch den dichten Wald zu kommen, indem beinahe völlige Dunkelheit herrschte. Nur der Vollmond spendete ein wenig Licht, gerade genug, um nicht gegen den nächst besten Baum zu laufen. Unheimliches Heulen war hinter ihr zu hören, doch den Gedanken, auf einem Baum Schutz zu suchen, hatte sie schnell wieder verworfen: Zum einem waren ihre Verfolger keine normalen Wölfe sondern eher eine misslungene Kombination sämtlicher Raubtierarten, denen Aireen durchaus zutraute, auf einen Baum klettern zu können. Zum anderen war es schlicht und einfach unmöglich, an einem dieser Bäume, die ausnahmslos alle aalglatt waren und deren Äste erst außerhalb ihrer Reichweite begannen, hochzuklettern. Der Wald endete abrupt und ging in eine Wiese über. Diese führte auf eine kleine Anhöhe. Aireen stolperte kurz aufgrund des plötzlichen Untergrundwechsels, fing sich aber schnell wieder und raste den kleinen Hügel hinunter, der greifbar nahen Rettung entgegen. Denn nicht weit entfernt lag ein kleines Dörfchen, das aus einer handvoll Häuser bestand. Wütendes Geheul schallte durch die Nacht, als die Monster feststellten, dass ihre sicher geglaubte Beute doch noch zu entkommen drohte. Allerdings hatte der Anblick des Dorfes nicht die von Aireen heimlich erhoffte Wirkung; anstatt von ihr abzulassen legten sie noch mal an Tempo zu. Bald erreichte sie das Dorf und lief hindurch, verzweifelt nach einem Zeichen menschlicher Existenz Ausschau haltend, doch vergebens. Nibelheim, so der Name des Dorfes, wie Aireen plötzlich bewusst wurde, schien verlassen. In Windeseile durchquerte Aireen das Dorf und näherte sich der Shinra-Villa. Das Tor zum Grundstück stand sperrangelweit offen und die Tür der Villa war nur angelehnt, so dass sie sich mit nur geringem Kraftaufwand aufdrücken ließ. Sie schlug blitzschnell die Tür hinter sich zu; keinen Moment zu früh, wie ein dumpfer Aufprall und wütendes Geheul einen Augenblick später bewiesen. Doch die Tür war zum Glück massiver, als sie aussah, und hielt den Stoß mühelos stand. Ein paar Minuten noch stand sie nahe der Tür, tief durchatmend. Als sich ihr Herzschlag langsam beruhigte und ihre übliche Neugierde über ihre Angst siegte, ging sie ein paar Schritte weiter hinein, blieb dann aber nicht all zu weit vom Eingang stehen und sah sich genauer um. Man sah der Villa an, dass schon länger niemand mehr hier lebte. Die Staubschicht, die sämtliche Flächen bedeckte, war zentimeterdick und das Holz teilweise morsch. Einige Fenster in den oberen Stockwerken schienen zerbrochen zu sein. Die leichte Brise, die durch diese eindrang, konnte den leichten Modergeruch nicht verdrängen. Es sah nicht nur unbewohnt aus, es roch auch so. In diesem Moment bemerkteAireen auf, dass die Villa hell erleuchtet war, was ihr erlaubte, dies alles zur Kenntnis zu nehmen. Suchend blickte sich um, konnte aber nirgends die Quelle des mysteriösen Lichts erkennen und wandte sich Schulter zuckend dem Erforschen des Raumes zu. Ein Flügel, der in der Ecke stand, hatte es ihr angetan. Abgesehen von der Staubschicht schien er noch voll funktionstüchtig. Diese eleganten Instrumente faszinierten sie schon, so lange sie denken konnte. Da sie eh nichts besseres zu tun hatte als zu warten, bis die Wölfe endlich die Hoffnung aufgaben, sie doch noch zu erwischen und sich wieder in den Wald verzogen, konnte sie sich hiermit die Zeit vertreiben. Den Gedanken, das riesige Haus zu erkunden, verwarf sie schnell wieder. Sie wollte nicht Gefahr laufen auf noch mehr Monster zu treffen, oder sich zu verirren. Denn das Haus war riesig, wenn man von der Größe der Halle ausging. Von der Einganghalle, in der sie sich befand, zweigten allein schon drei Gänge ab, Richtung Norden, Osten und Westen. Zudem erhoben sich vor ihr zwei Marmortreppen, die in den ersten Stock führten. Die zwei kleineren Räume, die an die Einganshalle grenzten, hatten wohl als Abstellräume gedient, denn überall lagen Möbel, Kartons und andere Dinge herum und sie hatte keine Lust, Bekanntschaft mit den Besitzern der überall anwesenden Spinnennetze zu machen. Beinahe ehrfürchtig näherte sich Aireen dem Flügel. Liebevoll wischte sie den Staub weg, bevor sie vorsichtig die Klappe aufschob und sich vor das Instrument setzte. Der Hocker knackte zwar gefährlich, trug aber ihr Gewicht. Sanft strich sie über die Tasten, wagte aber nicht, einen Ton hervorzubringen, der jemanden auf sie aufmerksam hätte machen können. So saß sie lange Zeit da und wartete darauf, dass das Kratzen und Scharren an der Tür und das gelegentliche wütende Knurren aufhörte. Ganz in Gedanken versunken, merkte sie nicht, wie sich jemand auf leisen Sohlen näherte. Die Person blieb im Schatten verborgen stehen und schien darauf zu warten, dass sie aufsah. Das Gefühl plötzlich nicht mehr allein im Raum zu sein, ließ Aireen sich umblicken. Ihren heimlichen Beobachter bemerkte sie allerdings erst, als er aus dem Schatten trat, um sich ihr zu offenbaren. Erschrocken sprang sie auf und warf dabei den Hocker um. Sie trat einen Schritt zurück, bevor sie den groß gewachsenen Mann als Vincent Valentine erkannte. Er war unverkennbar: Die langen schwarzen Haare wurden von einem roten Stirnband zurückgehalten. Der ebenso rote, zerrissene Umhang wehte in dem leichten Lufthauch, der durch das zerbrochene Fenster in das Haus eindrang. Eine goldene Klaue an seiner linken Hand diente dem Nahkampf, während an seiner Seite Cerberus in einem Halter steckte, seine dreiläufige Pistole. Was ihn aber vor allem verriet, waren seine einzigartigen Augen, die in einem tiefen Rot glühten. Als Aireen gerade aus ihrer Starre erwachte und den Mund öffnete, um etwas zu sagen, unterbrach Vincent sie: „Sephiroth braucht dich. Komm!“ Seine dunkle, eigentlich angenehme Stimme klang befehlend und duldete keinen Widerspruch. Aireen setze sich automatisch in Bewegung, nicht länger über die Worte nachdenkend. Vincent führte sie über die Marmortreppe in den ersten Stock, in ein Schlafzimmer zu ihrer rechten und zu einer, wie es schien, massiven Wand, die aber nachgab sobald Vincent sie berührte und sich so als Geheimtür entpuppte. Dahinter kam eine kleine, hölzerne Treppe zum Vorschein, die in einer Spirale immer tiefer in die Dunkelheit hinab führte und darin verschwand. Unsicher folgte Aireen Vincent die Treppe hinab. Die Geheimtür schloss sich wieder und sie war auf einmal vollkommen blind und konnte die sprichwörtliche Hand vor Augen nicht mehr sehen. Sie blieb stehen. Vincent schien das nicht zu bemerken oder es war ihm egal; er stieg mit traumwandlerischer Sicherheit weiter die Treppe hinab, als könne er alles genau erkennen. Das war wahrscheinlich auch der Fall, schließlich waren seine Augen besser als die von normalen Menschen. Vorsichtig setze Aireen ihren Weg fort, eine Hand an der Wand um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Plötzlich gab eine Stufe unter ihrem Gewicht nach und Aireen verlor den Halt, sie versuchte mit wild rudernden Armen ihr Gleichgewicht wieder zu erlangen aber der Fall war nicht aufzuhalten und sie kippte zur Seite. Nach einem schier endlosen Fall schlug sie auf dem Grund des Treppenschachtes auf. Normalerweise hätte sie sich alle Knochen brechen müssen, aber wundersamerweise schien sie komplett unversehrt. Sie hatte nicht einmal Schmerzen. Sie dachte nicht weiter darüber nach sondern erhob sie sich und schritt den unterirdischen Gang entlang. Dieser war von einem unheimlichen grünen Licht erfüllt, das immerhin hell genug war, um den Boden des Tunnels zu beleuchten.. Am Ende trat sie durch eine Tür – und blinzelte. Nach der Dunkelheit im Gang schien der Raum gleißend hell zu sein, obwohl er nur normal beleuchtet war. Als sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah sich Aireen erst mal um. Der Raum war hoch und lang und entlang der Wände verliefen Regale, auf denen sich Tausende von Bücher stapelten. In einer Ecke stand ein großer Schreibtisch und in der Mitte des Raumes waren ein Mann und eine Frau zu sehen. Sowohl die Substanzen auf dem Tisch als auch die weißen Kittel, die sie trugen, identifizierten sie eindeutig als Wissenschaftler. Der Mann trug sein langes, schwarzes Haar in einem Zopf. Auffällig waren zudem auch seine auf der Nasenspitze sitzende Brille wie auch der griesgrämige Gesichtsausdruck; außerdem stand er leicht vorübergebeugt. Die wunderschöne Frau neben ihm mit langen, hellbraunen Haaren, die zu einem eleganten, aber praktischen Zopf geflochten waren, wiegte liebevoll ein kleines Bündel in ihren Armen, aus dem ein kleiner Kopf mit kurzem, silbernem Haar hervorschaute. Sephiroth. „Was hat dich aufgehalten? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“, meinte Hojo unwillig, bevor er sich umdrehte und das Zimmer durch eine andere Tür verließ. Lucrecia lächelte entschuldigend, bevor sie sich Aireen näherte und ihr das Baby reichte, ihm noch einem letzten Kuss auf die Stirn hauchte und dann Hojo aus dem Raum folgte. Aireen stand ein bisschen verloren mitten im Raum, Sephiroth unsicher haltend. Sie betrachtete das Baby, das sie ebenfalls aus strahlend grünen Augen zu mustern schien. Anscheinend gefiel ihm, was es sah, denn es gab einen zufriedenen Ton von sich bevor es die Augen schloss und nur Sekunden später einschlief. Ein durchdringender Ton zerriss plötzlich die vorherrschende Stille und ließ Aireen erschrocken zusammenfahren, wobei sie mit dem Kopf gegen die Wand knallte. Stöhnend tastete sie nach dem Ursprung des schrillen Alarms, fand schlussendlich was sie suchte und drückte den Aus-Knopf des Weckers. Benommen richtete sie sich auf, kletterte umständlich aus dem Bett und suchte in der Dunkelheit nach dem Lichtschalter. Dabei stieß sie ihre Nachttischlampe um, die scheppernd zu Boden fiel und sich in ihre Bestandteile auflöste. Aireen schnaubte wütend, fand endlich den Lichtschalter und besah sich erst mal den Schaden, den sie schon nach nur wenigen Sekunden des Wachseins angerichtet hatte: Die Überreste der ehemaligen Nachttischlampe lagen über den ganzen Boden verstreut, glatter Totalschaden. Seufzend machte sie sich daran, die Trümmer zu beseitigen. Als sie alle Bruchstücke aufgelesen und entsorgt hatte, erinnerte ihr knurrender Magen sie daran, dass Frühstückszeit war. Schon etwas besser gelaunt (ja, die Aussicht auf Essen heiterte sie meistens auf) betrat sie ihre kleine Einbauküche, öffnete mit Schwung die Kühlschranktür und schnappte sich alles, was man für ein ausgiebiges Frühstück benötigte: Kuchen, Butter und Nutella gehörten eindeutig in diese Kategorie. Etliche Kuchenstücke später lehnte sich Aireen entspannt zurück. Sie sah sich in ihrer kleinen Wohnung um. Die Küche befand sich in einer Ecke des Wohnzimmers und bestand eigentlich nur aus einem Kühlschrank, einem Gasherd, einem Spülbecken und ein paar Schränken, in denen sie das Geschirr aufbewahrte. Dieses stapelte sich allerdings zur Zeit im Spülbecken. Aireen hatte einfach noch nicht Zeit und Lust gehabt, den Abwasch zu tun. Das kleine Wohnzimmer enthielt ein gemütliches Sofa, das vor einen kleinen Fernseher platziert war. Ein paar Bücherregale standen entlang der Wände und waren voll gestopft mit Büchern aller Art. Von Fantasy und Science Fiction über Krimis bis hin zu wissenschaftlichen Büchern war alles vorhanden. Aireen war eine kleine Leseratte und interessierte sich für beinahe alles, was Buchstaben enthielt. Zudem brauchte sie einen großen Teil der Bücher für ihr Studium; sie studierte (jetzt) im dritten Jahr Medizin und musste oft Sachen für ihre Hausarbeiten nachschlagen. Neben dem Fernseher stapelten sich zudem einige DVD's und davor stand ihr ganzer Stolz: ihre Playstation 2. Sie hatte lange mit sich gerungen, ob sie sich eine anschaffen sollte oder nicht, und sich schließlich dafür entschieden. Und obwohl sie fast ein Jahr darauf gespart hatte (ihr Budget als Studentin war ziemlich bescheiden), bereute sie keinen Cent, den sie dafür hatte ausgeben müssen. Sie liebte es, nach einem langen, stressigen Tag mit einem Spiel abzuschalten und die Strapazen zu vergessen. Daneben befand sich der kleiner Stapel mit Spielen, die sie sich mit der Zeit gekauft hatte. Es waren ausnahmslos Spiele aus der Reihe „Final Fantasy“. Nachdem sie total begeistert von dem siebten Teil der Reihe gewesen war, hatte sie sich nach und nach alle Nachfolger besorgt und war mittlerweile ein Experte auf dem Gebiet. Neben dem Wohnzimmer, das den größten Teil der Wohnung ausmachte, gab es nur noch zwei weitere Räume: ein kleines Bad und ihr Schlafzimmer, das gleichzeitig auch als Arbeitszimmer genutzt wurde. Neben dem Bett und einem kleinen Kleiderschrank hatte noch ein Schreibtisch, auf dem sich ihr Laptop befand, Platz gefunden. Dort verbrachte sie wohl die meiste Zeit, mit recherchieren, schreiben und lernen. Nachdem sie ihr schlechtes Gewissen, das ihr zuflüsterte, dass es so langsam Zeit war, einmal aufzuräumen und Staub zu wischen erfolgreich verdrängt hatte, hörte sie sich die Nachrichten im Radio an. Nicht, dass es sie sonderlich interessierte was in der großen, weiten Welt so passierte, sie war einfach nur zu faul, um jetzt aufzustehen und einen anderen Sender zu suchen, der Musik spielte. Das hieß, bis der Sprecher die Uhrzeit verkündete: 8:00. Aireen sprang erschrocken auf: Ihr Bus kam schon in zehn Minuten und sie war noch nicht einmal angezogen! Sie sprintete in ihr Zimmer und machte sich auf die Suche nach passender Kleidung, was sich als gar nicht so einfach herausstellte; nicht nur saubere Sachen schienen der Kategorie „Seltenheit“ anzugehören, sondern auch wetterfeste. Im Herbst war es entweder stürmisch oder regnerisch – manchmal auch beides, und dazu fast immer kühl. Aireen durchwühlte ihren Schrank und fand schließlich eine mehr oder weniger saubere Hose und einen dicken Wollpulli in dem Chaos. Fertig angezogen stürmte sie ins Bad, spritze sich etwas Wasser ins Gesicht, putze anschließend die Zähne und versuchte ihre lange, braune Mähne zu bändigen. Wie jeden Morgen schlug dieser Versuch fehl und sie band ihr Haar einfach zu einem losen Zopf zusammen. Kurz darauf schnappte sich ihre Tasche mit der Rechten und ihre Jacke mit der Linken, sprintete die Treppe in einem mörderischen Tempo hinunter, wobei nur ihr Glück zwischen ihr und einem ziemlich schmerzhaften Sturz stand, verließ die Wohnung und lief Richtung Bushaltestelle, nur um den Bus um eine Ecke verschwinden zu sehen. °Oh Mann, das fängt ja gut an!° dachte Aireen missmutig und konnte sich einen herzhaften Fluch gerade noch verkneifen, °das ist schon das vierte Mal und das Semester fängt gerade erst an.° Aireen seufzte und schlurfte zu ihrer Wohnung zurück. Sie hatte jetzt mehr als genug Zeit, denn der nächste Bus kam erst in einer Stunde; die Vorlesung würde sie eh verpassen und sie konnte sich genauso gut noch mal aufs Ohr hauen. Leider scheiterte ihr Vorhaben schon an der Haustür; sie hatte tatsächlich den Hausschlüssel auf ihrem Schreibtisch liegen lassen. °Das ist definitiv nicht mein Glückstag°, dachte Aireen und ließ sich, zum dritten Mal an diesem Morgen seufzend, auf der Türschwelle nieder. Bei ihrem Glück würde es in spätestens zehn Minuten anfangen zu regnen. Sie irrte. Es dauerte keine fünf Minuten. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Als der Schlüsseldienst nach geschlagenen 2 Stunden endlich auftauchte, war Aireen nicht nur bis auf die Knochen durchnässt, sondern fror auch erbärmlich. Hätte sie gewusst, dass es solange dauern würde, hätte sie wenigstens noch in dem Café zwei Straßen weiter Unterschlupf suchen können; so aber musste sie wohl oder übel auf ihrem Posten ausharren und warten. Manchmal bereute es Aireen, die Notwendigkeit eines Führerscheins nicht eingesehen zu haben. Wenn man als Studentin in einem kleinen, abgelegen Dorf auf dem Land wohnte, war ein Auto einfach Gold wert. Sie fragte sich wie so oft, warum sie überhaupt so weitab jeglicher Zivilisation wohnte und kam wie immer zu dem Schluss, dass die positiven Aspekte überwogen: die Miete war niedrig und die kleine, aber gemütliche Wohnung gut in Stand gehalten und liebevoll eingerichtet (wobei Aireen einen nicht geringen Teil dazu beigetragen hatte). Auf dem Land aufgewachsen, schätzte Aireen außerdem die Ruhe und erkannte den Wert der unbefleckten Natur ringsherum. Die Leute waren nett und hatten sie freundlich in ihre Mitte aufgenommen. Im Großen und Ganzen war Aireen also zufrieden mit sich und ihrem Leben - wäre da nicht dieses miese Wetter und der lahme Schlüsseldienst gewesen. Missmutig stapfte die junge Studentin in ihre Wohnung, holte ihre Spardose und bezahlte den Handwerker. °Sowas kann ich mir nicht noch mal leisten°, dachte Aireen, als sie die fast leere Spardose betrachtete. °Mit meinem Nebenjob als Kellnerin kann ich ja kaum die Kosten für die Miete begleichen, von den Studiengebühren ganz zu schweigen. Und das wenige Geld, das ich vom Staat bekomme, hilft auch nicht weiter...° Kopfschüttelnd räumte sie ihre Spardose zurück, bevor sie sich auf den Weg ins Bad machte. Eine heiße Dusche war genau das, was sie jetzt brauchte. Eine gute halbe Stunde später verließ Aireen das Badezimmer, rot wie ein Krebs aufgrund der Daueraussetzung heißen Wassers, aber zufrieden, ein Tuch um den Kopf geschlungen und in einen flauschigen Bademantel gehüllt. Sie machte es sich auf ihrem Sofa gemütlich und beschloss, noch ein wenig fernzusehen. Später war noch mehr als genug Zeit, sich um ihr Studium und ihre Geldprobleme Sorgen zu machen. Einen Augenblick dachte sie darüber nach, sich ihre Decke aus dem Schlafzimmer zu holen. Sie war nicht sehr kälteempfindlich, hasste aber kalte Füße. Dummerweise hatte sie ihre warmen Tennissocken im Badezimmer vergessen. Aber eigentlich war sie zu faul, um noch mal aufzustehen. Sie zog ihren Bademantel aus und legte ihn über ihre Beine. Keine Minute später tat der Fernseher seine übliche einschläfernde Wirkung: Sie schlief tief und fest. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ein lautes Klingeln riss Aireen unsanft aus ihrem erholsamen Schlaf. Noch benommen versuchte sie, das Geräusch zuzuordnen, als es zum zweiten Mal an der Haustür klingelte. Erschrocken fuhr sie hoch, stolperte über ihren Bademantel, der zu Boden gefallen war und stürzte zur Tür. Ein junger und gut aussehender Briefträger musterte sie von oben bis unten, grinste breit und hielt ihr ein Paket entgegen. Aireen starrte ihn an, sah dann an sich herunter und errötete. Sie wusste plötzlich, warum der Briefträger so unverschämt grinste: neben ihrem Slip mit Smileys hatte sie nur noch ein T-Shirt an. „Haben Sie noch nie eine halbnackte Frau gesehen?“, fauchte sie den verblüfften Briefträger an, riss ihm das Päckchen aus der Hand und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Tief aufatmend lehnte sie sich einen Augenblick gegen die Wand und sah dem Briefträger durchs Fenster nach, wie er kopfschüttelnd zum nächsten Haus ging. „Du hast dich mal wieder unmöglich benommen, Aireen“, sagte sie zu sich selbst und kauerte sich auf das Sofa. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie noch immer das Päckchen in der Hand hielt. Jetzt erst wurde ihr bewusst, was der Bote ihr da gebracht hatte. Aufgeregt machte sie sich voller Eifer daran, das Paket aufzureißen um den lang ersehnten Inhalt freizulegen: das Spiel Dirge of Cerberus. Mit einem kleinem Freudenschrei befreite Aireen das Spiel auch noch von den letzten Überresten der Hülle, um anschließend wild lachend durch das Wohnzimmer zu hüpfen; immer wieder waren Ausrufe wie „Endlich ist es da“ und „Gleich sind wir vereint, Vinnie-Schatzi“ zu vernehmen. Sie strahlte wie ein undichtes Atomkraftwerk während sie ihr neu erworbenes Spiel in ihre Playstation schob. Plötzlich hielt sie in ihrem Tun inne. °Ich kann doch die Feinde Vinnie's nicht in Slip und T-Shirt bekämpfen°. Entschlossen, die passende (und saubere) Kleidung zu finden, stapfte Aireen in ihr Schlafzimmer. Nach zehnminütigen Suchen stand sie schließlich triumphierend inmitten ihres Zimmers, das nach ihrer Suchaktion aussah, als hätten eine, wenn nicht sogar mehrere, Bomben eingeschlagen. Ihr neues Outfit bestand aus einem schwarzen, wind- und wasserfestem Pullover, einem dunkelblauen Paar Jeans und, passend zum Pullover, ebenfalls schwarzen Turnschuhen. Damit sie nicht zu düster in ihren überwiegend schwarzen Klamotten aussah, hatte sie sich einen langen, roten Schal um die Schultern gelegt. °Vinnie's Farben!°, schwärmte Aireen, als sie sich im Spiegel betrachtete. °Mmh, vielleicht noch ein rotes Stirnband? Nee, dann seh' ich zu sehr nach Joggerin aus.° Auch ihre Frisur musste dem praktischen Outfit angepasst werden. Die braunen Haare wurden geflochten und der lange Zopf durch eine rote Schleife zusammengehalten. Ein paar vorwitzige Strähnen umrahmten Aireens hübsches Gesicht und ihre grünen Augen glitzerten kampfbereit. Sie machte es sich auf der Couch vor dem Fernseher gemütlich und startete die PS2. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die Raketen kamen rasend schnell näher. Der richtige Zeitpunkt würde über Leben oder Tod entscheiden. Im allerletzten Moment sprang Vincent in die Höhe und brachte sich somit außer Reichweite der Explosion. Ihm blieb allerdings nur eine kleine Verschnaufpause, bevor er einer Maschinengewehrsalve ausweichen musste, indem er hinter einen Stapel Kisten hechtete. Er nutzte die Deckung, um den langen Lauf auf seine Cerberus zu schrauben und seine eingesetzte Feuermateria zu überprüfen; seine MP neigten sich langsam dem Ende zu. Er heilte sich schnell noch mit einer Potion, bevor er hinter den Kisten hervorsprang und noch im Flug das Feuer auf den Helikopter eröffnete. Die Dragonfly, so der Name der beeindruckenden Kampfmaschine, suchte hinter einer Reihe Häusern Schutz, als ihre HP langsam zu Ende ging. Vincent verlor sie nicht aus den Augen; sein Visier auf den Hubschrauber gerichtet, wartete er auf eine Angriffsmöglichkeit. Dabei entgingen ihm die schnell herankommenden Raketen. Als er sie schließlich bemerkte, war es schon zu spät; sie erwischten ihn mitten im Sprung und er landete unsanft auf dem Boden. Bevor er sich jedoch wieder aufrappeln konnte, trafen ihn etliche Maschinengewehrsalven und trieben damit seine HP in den kritischen Bereich. Vincent benutzte seinen Limit-Aktivator im letzten Moment und heilte sich somit auf einen Schlag vollständig. Gleichzeitig verwandelte er sich in die Galianische Bestie, ein Furcht erregender blauer Dämon mit weißer Mähne, langen Hörnern und scharfen Krallen. Mit seinen Pranken formte er Feuerbälle, die er gegen das Cockpit des Helikopters schleuderte. Ein paar Feuerbälle später war die HP der Dragonfly aufgebraucht und der Bosskampf war beendet. Aireen lehnte sich zurück und entspannte sich bei der redlich verdienten Atempause in Form einer Zwischensequenz, in der Vincent, nun wieder in menschlicher Form, von einem Schornstein aus die Rotoren des Hubschraubers abschoss und ihn somit letztendlich zu Fall brachte. Der Bildschirm mit den Wertungen erschien und Aireen begutachtete ihre Leistung einen Augenblick lang kritisch. Eine B-Wertung war eindeutig noch steigerungsfähig, konnte aber mit der Ausrede, dass sie zum ersten Mal den Shooter spielte, als akzeptabel abgetan werden. Sie nutzte die kleine Pause, um sich mit Cola und Erdnussflocken einzudecken. Als sie ihren Imbiss in Reichweite der Konsole platziert hatte, griff sie zum Controller und startete den nächsten Level. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Aireen drückte den Pause-Knopf; nach etlichen Stunden ununterbrochenem Zocken ließ ihre Konzentration allmählich nach. Obwohl sie sich ziemlich schnell an das neue Kampfsystem gewöhnt hatte, waren Shooter noch nie ihre Stärke gewesen und sie bekam allmählich Probleme mit den Bosskämpfen. Ob sie es überhaupt bis zum Ende des Kapitels schaffte? Allein den neunten Level hatte sie jetzt bisher dreimal wiederholt, und sie hatte es erst beim vierten Mal geschafft, in die Nähe des nächsten Bosses zu kommen. Ihr Magen knurrte, da sie sich seit dem Frühstück nur von Erdnussflocken und Cola ernährt hatte. Im Eifer des Gefechts hatte sie gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit verging. Zudem war es einfach zu spannend, mehr über Vincent's Vergangenheit zu erfahren, um in der Hälfte des Spiels aufzuhören. Seufzend erhob sich Aireen und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Duschen half bei ihr eigentlich immer, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Und sich eine Strategie zu überlegen, wie sie diesen verdammten Nero besiegen konnte! Schnell schlüpfte sie aus ihren Klamotten und stellte sich unter die Brause, bevor sie kaltes Wasser aufdrehte. Obwohl das eisige Wasser sie frieren ließ, zeigte sich die erhoffte Wirkung schon nach nur zwei Minuten. Als ihre Lebensgeister nach und nach wieder erwachten, begann ihr Gehirn an einer Strategie für den bevorstehenden Kampf zu arbeiten. Als ihre Zehen durch die Kälte allmählich taub wurden, drehte Aireen den Wasserhahn zu und schlüpfte aus der Dusche, um sich schnell in ein flauschiges Tuch zu wickeln. Das Ergebnis ihrer Überlegungen ließ zu Wünschen übrig; sie hatte zwar jetzt eine Strategie, allerdings fehlten ihr die Möglichkeiten, sie umzusetzen. Als sie verzweifelt den Pause-Knopf gedrückt hatte, stand es schon ziemlich schlecht um den guten, alten Vincent Valentine. Aireen hatte beide vorhandenen Phönixfedern aufgebraucht und konnte es sich somit nicht mehr leisten, Vincent noch einmal sterben zu lassen. Zudem ging ihr Vorrat an Heilmitteln langsam zur Neige. Ihre HP waren verschwindend gering und sie hatte auch nur noch einen Limit-Aktivator, der das Ruder aber wohl kaum noch zu ihren Gunsten rum reißen konnte. Nichts desto trotz würde sie es versuchen! Aireen konnte schließlich ihren Vinnie-Schatz nicht kampflos aufgeben! Frisch geduscht und wieder komplett angezogen, ging Aireen mit neuem Kampfgeist zurück zu ihrer PS2. Sie holte noch einmal tief Luft und setzte dann den Kampf fort. Der zwei Minuten später dann so gut wie vorbei war. Zu Nero's Gunsten. Frustriert schmiss Aireen ihren Controller in die Ecke, als gleich zwei Dunkelmächte auf sie zurasten. Es war eh zu spät, um noch auszuweichen, und mit seinen übrigen 12 HP würde Vincent das sicherlich nicht überleben. Die Dunkelmächte wuchsen, je näher sie kamen, und füllten schließlich den gesamten Bildschirm aus. Ungeduldig wartete Aireen auf den „Game Over“ Bildschirm. Der allerdings auf sich warten ließ. Stattdessen schien eine Woge durch die Dunkelheit zu gehen, die sich weiter ausbreitete und- Moment mal! weiter ausbreitete? Sie füllte doch schon den gesamten Bildschirm aus! Ungläubig beobachtete Aireen, wie die Dunkelheit begann, aus dem Fernseher hervorzuquellen und in ihr Wohnzimmer einzudringen. Sie war vor Schreck wie gelähmt, und als sie sich endlich zusammenriss und aufsprang, war es schon zu spät. Die Dunkelheit näherte sich von allen Seiten und Aireen hatte keine Möglichkeit mehr, zu entkommen. Sie schloss die Augen und kauerte sich zusammen. Das Letzte, was sie hörte, bevor die Dunkelheit sie umhüllte, war ein grausames Lachen. Dann schwanden ihr die Sinne. Kapitel 1: Begegnungen ---------------------- Ein Kribbeln auf der Nase weckte sie. Aireen blinzelte ein paar Mal, um sich an das grelle Sonnenlicht zu gewöhnen. Sonnenlicht?! Obwohl sich ihre Augen noch nicht ganz, an das neue Lichtverhältnis gewöhnt hatten, öffnete sie sie nun vollends – und entdeckte die Ursache des Kribbelns. Sie hatte acht, lange, haarige Beine und schien sich ganz wohl in ihrer neuen Umgebung zu fühlen – ihrem Gesicht. Kreischend sprang Aireen auf die Beine und wischte die Spinne weg. Das arme Tier wusste gar nicht, wie ihm geschah, bevor es auch schon durch die Luft segelte und trotz des Grases ziemlich unsanft landete. Einem Moment schien es Aireen, als ob die Spinne sie vorwurfsvoll anblickte, bevor sie sich umdrehte und beleidigt weg stolzierte – nein, ging. Aireen schüttelte den Kopf. Spinnen konnten weder vorwurfsvoll schauen, noch beleidigt weg stolzieren. Dann erst fiel ihr auf, dass sie inmitten einer riesigen Wiese stand, die im Süden und Osten von Bergen und im Norden von einem blühendem Wald begrenzt wurde. Richtung Westen schien sie hingegen unendlich weiterzugehen. °Ganz ruhig, Aireen. Das ist alles nur ein Traum°, versuchte sie sich zu beruhigen, während sie langsam Richtung Wald trottete. Ihr schien es einfacher, einen Wald zu durchqueren als Berge. Zudem hatte sie das Gefühl, dass hinter dem Wald ihr Ziel lag, was auch immer das sein mochte. In ihren Gedanken übersah sie wohl einen Unebenheit, denn sie stolperte und viel prompt der Länge nach hin. „Mist, verdammter! Das tut weh!“, fluchte Aireen während sie ihre schmerzende Nase rieb. °Ok, es ist halt ein verdammt realistischer Traum. Oder?° Aufmerksam sah sie sich um. Es schien Frühling zu sein; das Gras war saftig und grün und die Bäume blühten. Zudem schien es erst später Nachmittag zu sein. Und irgendetwas an dem Bild kam ihr bekannt vor. °Was soll's; ich kann auch genauso gut die Umgebung erkunden°, beschloss Aireen schulterzuckend und beschleunigte ihre Schritte etwas. Bis die Sonne unterging, wollte sie auf der anderen Seite des Waldes sein. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Drei Stunden später stand die Sonne schon gefährlich nahe an der Bergkette. Aireen schätzte, dass ihr noch höchstens eine Stunde blieb, bevor sie komplett unterging. Mittlerweile war sie endlich am Waldrand angekommen. Der Marsch hatte länger gedauert, als erwartet. Sie hatte es längst aufgegeben, sich über den allzu realistischen Traum zu wundern und konzentrierte sich auf das nächstliegende Problem: ihre schmerzenden Füße. Obwohl nicht unbedingt unsportlich, war Aireen einfach keine langen Märsche gewohnt – und ihre ausgelatschten Turnschuhe unterstützen die Blasenbildung auch noch. °Wenigstens bin ich nicht in Schlappen und Bademantel hier gelandet°, dachte sie, innerlich grinsend, während sie, gegen einen Baumstand lehnend, ihre Füße massierte. °Jetzt käm' ein Dorf gar nicht mal so schlecht°. Sehnsüchtig stellte sie sich vor, wie sie ihren armen Füßen was Gutes tat und sie in einem heißen Bad entspannte, um sich danach in ein weiches Bett fallen zu lassen und die Strapazen des Marsches mit einem erholsamen Schlaf vergessen zu lassen. Seufzend zog Aireen ihre Schuhe wieder an und betrat den Wald. Ihr war nicht ganz geheuer bei dem Gedanken, einen ihr unbekannten Wald zu betreten, noch dazu in der Abenddämmerung. Sie hoffte nur, dass sie ein Dorf finden würde, bevor die Sonne komplett unterging. Aber ihr blieb wohl eh keine Wahl, als es zu riskieren, wenn sie nicht auf dem hartem Boden schlafen wollte. Entschlossen betrat sie den Wald. So groß konnte der Wald ja schließlich nicht sein, dass sie ihn in einer Stunde nicht durchqueren konnte! Außerdem, sogar wenn es dunkel wurde, was könnte schon groß passieren? Mehr als ein paar aufgeschreckten Eulen oder Fledermäusen würde sie schon nicht begegnen. Wie falsch sie lag. Erstens war der Wald weitaus größer, als sie angenommen hatte. Und zweitens hatte sie sich verschätzt, wieviel Zeit ihr noch blieb, bis die Sonne unterging. Anstatt einer Stunde, brauchte diese nur eine knappe halbe um vollständig hinter den bergen zu verschwinden und den Wald in komplette Dunkelheit zu hüllen. Missmutig stapfte Aireen weiter. Trotz ihrer Überlegungen war ihr nicht ganz geheuer, mitten in der Nacht durch einen ihr fremden Wald zu stapfen. Angespannt sah sie sich immer wieder um und zuckte bei dem kleinsten Geräusch zusammen. Als dann auch noch eine Eule knapp über sie hinwegflog und dabei laut schuhute, konnte sie einen kleinen Angstschrei nur noch knapp unterdrücken Zumindest in etwas schien das Glück aber auf ihrer Seite zu sein; es war eine helle Vollmondnacht, und obwohl der Wald dicht war, spendete der Mond doch genug Licht, um einen Weg finden zu können. Sie bewegte sich also langsam Richtung Norden. Zumindest hoffte sie das, denn sie war sich nicht sicher, ob sie bei der vorherrschenden Finsternis nicht schon längst die Orientierung verloren hatte. Was sie allerdings noch mehr störte, als die Ungewissheit, ob sie auf dem richtigen Weg war, war das nagende Gefühl, das ihr sagte, dass sie wusste, wo sie sich befand, und sogar schon einmal hier war, vor nicht allzu langer Zeit. Plötzlich war ein Heulen zu hören, und Aireen hielt erschrocken inne. Da ertönte es wieder, und diesmal um einiges näher. Ihr lief es eiskalt den Rücken runter, als sie realisierte, wer der Urheber dieses Heulens war: Wölfe. Und gleichzeitig kam auch die Erkenntnis, warum ihr das alles so bekannt vor kam: es war genau, wie in ihrem Traum. Panisch sprintete Aireen los, die Äste, die ihr den Weg versperrten, mit den Armen zur Seite schlagend. Sie kümmerte sich nicht um irgendwelche Schrammen; sie lief wortwörtlich um ihr Leben. Aireen lief so schnell sie konnte; trotzdem wurde das Geräusch weit ausholender Pfoten immer deutlicher. Sie wagte nicht, zurückzublicken um sich Gewissheit über ihre Verfolger zu verschaffen, sondern konzentrierte sich stattdessen darauf, heil durch den dichten Wald zu kommen, indem beinahe völlige Dunkelheit herrschte. °Toll, ein Déjà-vu! Hoffen wir mal, dass mich mein Traum jetzt nicht im Stich lässt und ich es auch wirklich bis ins Dorf schaffe!° dachte Aireen verzweifelt, bevor unheimliches Heulen sie aus ihren Gedanken riss und sie sich wieder vollauf auf ihre Flucht konzentrieren musste. Sie konnte nur knapp einem Baum ausweichen, den sie in der Dunkelheit übersehen hatte und strauchelte einen Moment, bevor sie ihr Gleichgewicht wiederfand und weiter lief. °Das kam in meinem Traum nicht vor. Ich hoffe nur, dass das nicht den Ausgang dieser halsbrecherischen Flucht zum negativen verändert° betete Aireen im Stillen. Als ob ihr Gebet erhört wurde, endete der Wald abrupt und Aireen fand sich auf einer kleinen, nur allzu bekannten Anhöhe wieder, ohne nähere Bekanntschaft mit einem der Wolf-Monster gemacht zu haben. Sie raste den kleinen Hügel hinunter, dem kleinen Dorf Nibelheim und – hoffentlich – ihrer Rettung entgegen. Wütendes Geheul schallte durch die Nacht, als die Monster nochmal an Tempo zulegten um ihre zu entkommen drohende Beute einzufangen. Aireen flitzte indessen durch das Dorf, ihr Ziel vor Augen: die Shinra-Villa. Sie war davon überzeugt, dass sie auch diesmal in Sicherheit sein würde, sobald sie das Gebäude betreten hatte. Sie bemerkte ihren Fehler erst, als sie schon vor dem Tor zum Grundstück stand. Anstatt sperrangelweit offen, wie sie erwartet hatte, war das Tor geschlossen. Ihre auftretende Verwirrung verdrängend, riss sie an dem Tor, um es zu öffnen. Woraufhin sie, zu ihrem Entsetzen, feststellte, dass es abgeschlossen war. Da half auch kein Rütteln; das Schloss gab nicht nach. Panisch drehte sich Aireen um, nur um zu sehen, dass sie umzingelt war. Die Wölfe hatten sie eingeholt. Obwohl anscheinend nur drei des Rudels es gewagt hatten, ihr ins Dorf zu folgen, waren Aireens Chancen, mit dem Leben davon zu kommen, verschwindend gering. Von vornherein war klar, dass sie es nicht einmal mit einem der drei Kolosse von Wölfen aufnehmen konnte, unbewaffnet und in die Ecke gedrängt, wie sie war. °Unbewaffnet? Ich könnte sogar mit Waffe wohl kaum etwas gegen diese Gegner ausrichten°, überlegte Aireen panisch. Verzweifelt nach einem Ausweg suchend, sah sich Aireen nochmal genau um. Erst jetzt bemerkte sie, dass das Dorf nicht verlassen war, wie sie angenommen hatte. Hinter vielen der Fenstern sah man noch Licht und die Häuser sahen gepflegt und manche sogar neu aus. Stirnrunzelnd sah Aireen zurück zu den Wölfen, die jede ihrer Bewegungen verfolgten, jedoch noch nicht angriffen. °Eine falsche Regung und ich bin tot. Um Hilfe rufen wäre demnach eine schlechte Idee,“ grübelte Aireen. °Mmh, irgendeine Schwäche müssen diese Scheusale doch haben. Denk nach, verdammt, denk nach!° In ihrem Eifer, eine Lösung für ihr Schlamassel zu finden, entging es Aireen völlig, dass der Anführer des Rudels anscheinend keine Lust mehr auf Warten hatte und sich sprungbereit machte. °Ich hab's! Im Film verblendet der Held den Wolf doch immer mit Staub; das würde mir zumindest etwas Zeit verschaffen.° In dem Moment, als Aireen ihren Plan gerade in die Tat umsetzen wollte, sprang das Alphatier. Aireen warf sich zur Seite und fing ihren Aufprall mit einer eher weniger gelungenen Rolle ab. °Ich hätte mich wohl doch etwas näher mit Judo beschäftigen sollen°, dachte Aireen, als sie versuchte, sich mit ihrem schmerzenden Rücken wieder aufzurappeln. Dazu kam es allerdings nicht mehr. Drei schnell aufeinander folgende Schüsse ertönten, gefolgt von kurzem Jaulen und dem Aufprallen dreier Körper. Dann war es wieder still. Vorsichtig öffnete Aireen die Augen wieder, die sie bei dem Ertönen der Schüsse zusammengekniffen hatte. Sie war auf alles gefasst. Allerdings nicht auf das Bild, das sich ihr bot. Vor ihr lagen die drei Wölfe, allesamt tot. Ein präziser Schuss in den Kopf hatte ihnen einen schnellen Tod beschert. Das Geräusch sich nähernder Schritte erklang, und Aireen riss sich von dem Anblick der leblos daliegenden Körper los. Sie sah sich nach ihrem Retter um, während sie versuchte, sich aufzurappeln, was aufgrund ihrer noch immer weichen Knie eine kleine Herausforderung darstellte. Der Anblick ihres Lebensretters ließ sie mitten in der Bewegung anhalten und sie starrte ihn ungläubig an. Vor ihr stand niemand anderes als Vincent Valentine. Allerdings sah er nicht viel älter als 26 aus und er trug weder seinen normalerweise unabkömmlichen roten Umhang, noch sein farblich passendes Stirnband. Ebenso suchte Aireen vergeblich nach einer goldenen Klaue. Vielmehr trug er einen eleganten, blauen Anzug mit dazu passender Krawatte und seine halblangen, schwarzen Haare lagen ordentlich gekämmt. Das einzige, was er mit dem Aussehen seines dreißig Jahren älteren Ichs gemeinsam hatte, waren die roten Augen. Die Aireen gerade besorgt musterten. „Alles in Ordnung?“, fragte Vincent und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. Aireen nickte nur, unfähig in ihrem Schockzustand Worte zu formen, ergriff die dargebotene Hand und erhob sich ächzend. Unsicher versuchte sie, auf ihren nach wie vor zitternden Beinen stehen zu bleiben. Vincent, der ihren Kampf mit dem Gleichgewicht einen Moment skeptisch beobachtet hatte, griff nach ihrem Arm, um sie so zu stützen. Kritisch musterte er ihre, von der Flucht durch den Wald zerschrammten Hände. Einige Kratzer waren so tief, dass sie noch immer bluteten. Bisher waren Aireen die Schrammen noch gar nicht aufgefallen. Als sie sich ihrer dann bewusst wurde, kam zugleich auch der Schmerz, der sie bisher verschont hatte. Aireen biss sich auf die Lippe, um nicht laut aufzustöhnen. Die kleinen, aber fiesen Wunden brannten höllisch. Trotz aller Bemühungen schien es Vincent aufgefallen zu sein. Turk eben. „Wir sollten die Wunden verarzten, bevor sie sich noch infizieren.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich um und ging zurück in Richtung Villa, darauf vertrauend, dass Aireen ihm schon folgen würde. Diese schaute ihm verdutzt nach, bevor sie sich zusammenriss und ihm hinterherlief. Alles war besser, als hier draußen zu bleiben. Als sie ihn eingeholt hatte und neben ihm herging, fiel ihr ein, dass sie noch kein Wort gesagt hatte, geschweige denn, sich für ihre Rettung bedankt. „Ähm, entschuldigen Sie...“, stammelte Aireen. Vincent sah sie fragend an, und Aireen sprach zögernd weiter. „Ich wollte mich bei Ihnen bedanken. Ohne Sie wäre ich wohl...“ Sie schluckte, als sie an die nunmehr toten Wölfe dachte. „Keine Ursache“, meinte Vincent nur. Er wolle schon seinen Weg fortsetzten, als ihm noch etwas einfiel und er hinzufügte: „Mein Name ist übrigens Valentine, Vincent Valentine. Sie sind...?“ „Aireen Ceylan. Schön, sie kennenzulernen, Mr. Valentine,“ antwortete Aireen verlegen. Vincent nickte nur, und sie setzten ihren Weg schweigend fort. Die Stille war Aireen nur recht; so konnte sie in Ruhe versuchen, ein bisschen Ordnung in ihre wild herumschwirrenden Gedanken zu bringen. Sie war also in Gaia, der Welt von Final Fantasy 7. Daran, dass alles nur ein Traum war, glaubte sie schon lange nicht mehr. Dazu war es viel zu realistisch. Und dauerte zu lang. Aus ihrer Begegnung mit Vincent schloss sie zudem, dass sie sich in der Zeit befand, bevor sich Cloud & Co. auf die Reise machten, um die Welt vor Sephiroth zu retten. Und zwar gut 30 Jahre davor, da Vincent offensichtlich noch keinen Experimenten unterzogen worden war und noch lebte. Daraus wiederum schloss sie, dass Sephiroth noch nicht geboren war und Lucrecia wahrscheinlich noch lebte. Sie seufzte leise und beschloss dann, sich zunächst um die Gegenwart zu kümmern, bevor sie sich um die Zukunft Sorgen machte. Ganz in Gedanken versunken hatte Aireen nicht auf den Weg geachtet und bemerkte nun überrascht, dass sie schon die Villa betreten hatten. Aufmerksam sah sie sich um. Nirgendwo lagen Trümmer oder standen kaputte Möbel und die Fenster waren noch unversehrt. Obwohl eine dünne Staubschicht über allem zu liegen schien, sah man der Villa an, dass sie bewohnt war. °Die Villa muss ich unbedingt mal bei Tageslicht sehen°, nahm sich Aireen vor, während sie sich umsah. Selbst bei Vollmond sah sie atemberaubend aus! Vincent lächelte leicht, als er Aireen aus den Augenwinkeln beobachtete, wie sie mit vor Staunen offenem Mund das Anwesen betrachtete. Selbst ihm war es nicht anders ergangen, als er die Villa das erste Mal betreten hatte. Auch wenn er schon öfter prunkvolle Bauten gesehen hatte, war die Shinra-Villa doch etwas besonderes. Sie hatte ihren ganz eigenen, anmutenden Stil und faszinierte den Besucher durch pure Eleganz, und nicht durch geschmacklosen Kitsch, wie die meisten Häuser reicher Leute es taten. Vincent führte die neugierige Besucherin in den ersten Stock und ins Badezimmer, wo er seinen Verbandskasten aufbewahrte. Dort gebot er ihr, sich auf den anwesenden Hocker zu setzten, während er in einem Schrank nach Verbänden und Desinfektionsmittel kramte. Als er alles beisammen hatte, wandte er sich wieder seiner Patientin zu, die jede seiner Bewegungen aufmerksam verfolgt hatte. „Das könnte jetzt etwas weh tun, Ms. Ceylan“, warnte Vincent sie, bevor er sie anwies, ihre Hände auszustrecken, was sie nach anfänglichem Zögern auch tat. Nachdem er die Kratzer auf Verunreinigungen untersucht hatte, nahm er die Spraydose und desinfizierte die Wunden, um sie anschließend fachmännisch zu verbinden. Danach räumte er die nicht verwendeten Utensilien wieder zurück, bevor er sich wieder zu ihr umwandte. „Erzählen Sie mir, was passiert ist?“ Als Aireen ihn nur verständnislos anschaute, fügte er noch hinzu: „Niemand verlässt freiwillig den Schutz seines Hauses sobald es dunkel wird, es sei denn, er ist lebensmüde. Was hat Sie also dazu veranlasst?“ Aireen antwortete nicht sofort. Sie war sich nicht sicher, was sie ihm erzählen sollte. Die Wahrheit wohl eher nicht, außer sie wollte riskieren, dass er sie für komplett verrückt hielt. Um etwas Zeit zu gewinnen, sagte sie: „Ich... Das ist eine lange Geschichte...“ Vincent sah sie einen Moment durchdringend an, bevor er nickte und meinte: „Das Badezimmer ist sicher kein geeigneter Ort, um so etwas zu besprechen.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Bad, nachdem er Aireen bedeutet hatte, ihm zu folgen. Sie verließen das Bad und betraten das Zimmer daneben: Vincents Zimmer, wie es schien. Es war recht klein und spartanisch eingerichtet. Ein Bett und ein hoher Kleiderschrank nahmen den größten Teil des Platzes ein. Ferner stand ein kleiner, roter Sessel unter dem Fenster und daneben verlief ein langes Bücherregal. Ein geradezu winziger Schreibtisch stand in einer Ecke und war überladen mit Büchern und Akten. Das Zimmer konnte einem einiges über den Charakter Vincents verraten: er war ordentlich und gab sich mit wenig zufrieden. Zudem vermittelte der Mangel an Dekoration einen Eindruck von Kälte. Vincent gehörte zu den Turks – Emotionen waren da wohl fehl am Platz. „Bitte, nehmen Sie Platz..“ Vincents Stimme riss Aireen abrupt aus ihren Gedanken. Unschlüssig verharrte sie kurz bei der Tür, bevor sie sich schließlich zögerlich auf dem angebotenen Sessel niederließ, während es sich Vincent auf dem Bett gemütlich machte. °Kaum zu glauben, dass ich mich gerade mit meiner Lieblingsfigur in ihrem Zimmer befinde°, dachte Aireen erheitert. „Also? Warum sind Sie hier?“ Aireen fummelte an ihrem Pullover – eine Angewohnheit, der sie immer nach ging, wenn sie nervös war. Sie hatte entschlossen, ihm doch die Wahrheit zu erzählen – egal wie unglaublich die sich anhörte. In so kurzer Zeit konnte sie ohnehin keine glaubwürdige Geschichte erfinden. Außerdem wäre es kein Problem für Vincent, die Echtheit ihrer Geschichte zu überprüfen, da er höchstwahrscheinlich Zugriff auf viele Dateien hatte. Sie hoffte nur, sie würde ihn nicht verärgern. Schließlich gehörte er zu den Turks – der Eliteeinheit Shinras, deren Name nicht umsonst berühmt-berüchtigt war. Sie waren in alle möglichen dunklen Geschäfte verwickelt, seien es Folter, Entführungen oder Morde. Sie konnte es nicht riskieren, in Ungnade zu fallen. Momentan war sie vollkommen auf seine Großzügigkeit angewiesen. Sie war gestrandet und ganz auf sich allein gestellt in einer Welt, die nicht die ihre war. Noch einmal tief Luft holend, begann Aireen, ihre Geschichte zu erzählen, darauf bedacht, alles so genau wie möglich zu schildern. „Nun ja, das hört sich jetzt ziemlich unglaublich an, aber ich, äh, komm aus einer anderen Welt.“ Vincent sah sieh mit hochgezogener Augenbraue an. Bevor er aber seine Skepsis äußern konnte, fuhr Aireen schnell fort. „Naja, also in der Welt da gibt es so Spielkonsolen. Und bevor ich hierher kam, hab ich auf einer dieser Konsolen gespielt.“ Vincent's Augenbraue wanderte immer höher und die Zweifel waren ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. °Den Teil, dass er die Hauptfigur in dem Spiel war, lass' ich lieber weg°, überlegte Aireen und setzte ihre Geschichte fort. „Und auf einmal kommt manifestierte Dunkelheit aus dem Fernseher und umhüllt mich, und verlier ich die Besinnung. Und als ich wieder zu mir komme, bin ich hier. Also, um genau zu sein, auf einer Wiese auf der anderen Seite des Waldes. Und dann wollte ich den Wald durchqueren, hab' aber seine Größe unterschätzt, und es wurde dunkel, bevor ich ihn wieder verlassen konnte. Und dann kamen diese Wölfe, und ich bin hierhin gerannt und, naja, den Rest kennen Sie ja.“ Selbst in Aireen's Ohren hörte sich die Geschichte wenig glaubhaft an, aber daran konnte sie jetzt wohl nichts mehr ändern. Gespannt wartete sie auf die Reaktion von Vincent. Die auf sich warten ließ. Der zweifelnde Gesichtsausdruck war einem nachdenklichen gewichen und Aireen begann schon zu hoffen, dass er ihr glaubte. Diese Hoffnung wurde aber mit seinen nächsten Worten vernichtet. „Kann es sein, dass Sie sich den Kopf auf ihrer Flucht gestoßen haben?“ erkundigte sich Vincent argwöhnisch. Aireen sah ihn verdutzt an, bevor sie sich verlegen am Kopf kratzte und wegschaute. °Dass er mir nicht glaubt war ja irgendwie zu erwarten...° Sie warf ihm einen Blick zu und bemerkte, dass Vincent sie nachdenklich musterte. Sie konnte nur hoffen, dass er sie nicht verrückt erklärte und vor die Tür setzte. Ihr schauderte allein bei dem Gedanken, die Sicherheit des Hauses zu verlassen und womöglich anderen Monstern zu begegnen. Weitere endlos lange Sekunden vergingen, bevor Vincent plötzlich aufsprang, mit zwei schnellen Schritten zu Aireen rüber kam und ihr die Hand auf die Stirn legte. Diese war zuerst zu verblüfft, um auf irgendeine Weise zu reagieren. Als sie schließlich Vincent's Handlung registrierte, war er auch schon wieder zurückgewichen und sah sie prüfend an. „Sie haben Fieber. Das erklärt vielleicht ihre erstaunliche Geschichte.“ Aireen starrte ihn einen Augenblick lang perplex an. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie Fieber hatte. Das ließ sich wohl damit erklären, dass sie zu beschäftigt mit Flüchten, und später mit der Anwesenheit Vincent's war. Dann wurde ihr klar, was seine Worte bedeuteten, und die Anspannung wich augenblicklich großer Erleichterung. Aireen konnte sich ein befreites Lächeln nicht ganz verkneifen, als sie realisierte, dass er es fürs erste auf sich beruhen ließ. Sie hatte jemanden gefunden, der ihr vielleicht helfen konnte, in der neuen Welt zurechtzukommen. Das war auf jeden Fall besser, als sich ganz allein durchzuschlagen. „Ich werde mit Professor Hojo reden, damit Sie zumindest heute hier übernachten können. Kommen Sie.“ Aireen war dankbar, dass sich Vincent umgedreht hatte, um den Raum zu verlassen. So sah er den entsetzten Gesichtsausdruck nicht, der sich bei der Erwähnung von Hojos Namen breit gemacht hatte. Sie wollte auf gar keinen Fall den verrückten Wissenschaftler um Erlaubnis fragen, hier zu übernachten. Vielleicht würde er als Gegenleistung von ihr verlangen, ihr bei seinem neusten Experiment zu helfen – und zwar als Subjekt. °Zutrauen würd' ich's ihm°, dachte Aireen düster. Als Vincent bemerkte, dass Aireen keine Anstalten machte, ihm zu folgen, drehte er sich wieder um und sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Ähm... es ist schon spät und... ich würde den Professor nur ungern stören...“, stammelte Aireen entschuldigend. °Wie wahr, wie wahr°, dachte Aireen freudlos. „Keine Sorge, um die Zeit ist er sicher noch im Labor,“ antwortete Vincent. Gedanklich fügte er noch hinzu: °Wo man ihn genau so wenig stören sollte...° Schließlich raffte sich Aireen auf und folgte Vincent widerwillig aus dem Raum. Dieser führte sie in ein anderes Schlafzimmer, wo er die Wand gegenüber der Tür berührte. Diese gab daraufhin eine Geheimtür preis, die zu einer sich nach unten windenden Treppe führte. °Genau wie in meinem Traum,° dachte Aireen, bevor Vincent einen versteckten Lichtschalter betätigte und die Treppe hell erleuchtete. °Zumindest eine kleine Besserung°. Behutsam nahmen die beiden eine Stufe nach der anderen und gelangten auf diese Weise schließlich am Grund an. Dort ging es durch den von unheimlich grünen Licht erhellten Gang bis zu einer weiteren Tür, die wohl in Hojos Arbeitszimmer führte. Vincent klopfte dreimal und wartete dann einige Sekunden, bevor ein gedämpftes „Herein!“ durch die Tür zu vernehmen war. Daraufhin trat er ein. Aireen folgte, sichtlich zögernd. Das Zimmer sah genauso aus wie sie es aus ihrem Traum kannte. Weißes Licht erhellte den Raum und ließ in steril wirken. Der große Schreibtisch, vollgepackt mit Akten und Skizzen aller Art, war genauso vorhanden wie die großen Bücherregale. Hojo, wie üblich in seinen weißen Laborkittel gehüllt, saß hinter dem riesigen Schreibtisch und schien verschiedene Akten zu studieren. Er saß vornübergebeugt und seine Brille war ihm auf die Nasenspitze gerutscht. Ab und zu wischte er sich einige fettige Strähnen seines schwarzen Haares aus dem Gesicht, die aber immer wieder zurückfielen. Er störte sich nicht an der Anwesenheit der beiden Besucher und las in Ruhe seine Seite zu Ende, bevor er sie letztendlich niederlegte, seine Brille zurecht rückte und aufsah. Aireen schaffte es gerade noch, unter seinem durchdringenden, kalten Blick nicht zusammenzuzucken. Dafür lief ihr aber ein kalter Schauer über den Rücken und sie hätte sich am liebsten zusammengekauert, um so der Aufmerksamkeit des Wissenschaftlers zu entgehen. Dessen Blick wanderte nach einer kurzen Musterung der Besucherin zu Vincent. „Was hat das zu bedeuten Valentine? Ich hoffe für Sie, dass die Erklärung zufriedenstellend ist,“, schnarrte Hojo unwillig. Aireen bewunderte Vincent's Ruhe. Er reagierte in keinster Weise auf Hojo's Unfreundlichkeit, sondern erklärte ihm diszipliniert, was passiert war. „Und jetzt erwarten Sie, dass wir sie aufnehmen? Wir sind keine Auffangstelle für Obdachlose, Valentine!“, schnauzte Hojo, sobald Vincent mit seinem Bericht fertig war. Vincent setzte gerade zu einem Protest an, als ihn eine zaghafte Stimme an seinem Unternehmen hinderte. Er, genauso wie Hojo, wandten sich dem Ursprung der stimme zu. Aireen. Als sie sich der Aufmerksamkeit der beiden sicher war, begann sie ihre Bitte: „Entschuldigen Sie vielmals die Störung, Professor Hojo. Es lag mir fern, Sie von ihrer Arbeit abzuhalten, und es tut mir Leid, Mr. Valentine damit in Schwierigkeiten gebracht zu haben.“ Sie nickte Vincent kurz zu und lächelte entschuldigend. „Es ist mir durchaus bewusst, dass sie ungern Fremde aufnehmen Jedoch würde ich Ihnen als Gegenleistung meine Arbeitskraft anbieten und helfen, wo ich kann.“ Aireen beugte den Kopf unterwürfig und wartete auf seine Antwort. Sie hoffte, ihre Rede hatte ihn überzeugen können, auch wenn sie ein mulmiges Gefühl dabei hatte, in seiner Schuld zu stehen. „Kommen Sie schon, Hojo. Es wird sicher nicht schaden, sie für eine Weile aufzunehmen.“ Bei den Worten hob Aireen den Kopf, um zu sehen, wer da gesprochen hatte. Und sie erblickte niemand anderen als Lucrecia Crescent, die in der Tür, die zum Labor führte, stand und sie freundlich anlächelte. Auch Lucrecia entsprach dem Bild, das sie aus ihrem Traum in Erinnerung hatte. Nur erschien sie in Realität noch viel schöner. Ihr Lächeln schien ihr ganzes Gesicht zu erhellen, und Aireen sah sofort, was Vincent an dieser Frau so liebte. Ihre fast greifbare Lebensfreude. „Doktor Crescent, darf ich Sie daran erinnern, dass wir an einem wichtigen Projekt arbeiten und uns eine Störung jeglicher Art nicht leisten können?“ entgegnete Hojo bissig. „Ich bin mir dessen vollkommen bewusst. Allerdings könnte sie uns im Haushalt unterstützen, so dass wir uns voll und ganz auf unser Projekt konzentrieren könnten. Das wäre ein großer Vorteil, meinen Sie nicht?“ erwiderte Lucrecia liebenswürdig und zwinkerte Aireen unauffällig zu. Diese schenkte ihr ein kurzes, aber strahlendes Lächeln, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Hojo richtete, der die Stirn in Falten gelegt nachzudenken schien. „Na gut. Sie dürfen eine Weile hier bleiben, Ms ...?“ Hojo sah sie fragend an. „Ceylan. Aireen Ceylan. Ich danke Ihnen vielmals für ihre Großzügigkeit, Professor Hojo“, antwortete sie mit einer leichten Verbeugung. Bei Hojo konnte man nie höflich genug sein. „Da nun alles geklärt ist, sollten wir uns schlafen legen. Es ist schon spät und morgen wird wieder ein langer Tag. Vincent, könntest du Ms. Ceylan bitte ihr Zimmer zeigen?“ meinte Lucrecia, bevor sie allen noch eine gute Nacht wünschte und das Arbeitszimmer Richtung Quartiere verließ. „Ich erwarte Sie morgen um Punkt 7 Uhr hier unten, Ms Ceylan. Ich werde Ihnen dann ihre Aufgaben mitteilen“, informierte Hojo Aireen noch, bevor er Lucrecia aus dem Raum folgte. Vincent lächelte flüchtig, bevor er Aireen, wieder einmal, bedeutete ihm zu folgen. „Ihr Schlafzimmer liegt direkt gegenüber meinem. Wenn Sie also etwas benötigen, zögern Sie nicht, mich zu fragen.“ Aireen nickte und schenkte ihm ein dankbares, aber müdes Lächeln. So langsam machte sich die Erschöpfung des langen Marsches und der anschließenden Verfolgungsjagd bemerkbar, genau wie Kraftlosigkeit, die aus ihrem Fieber resultierte.Die Anspannung verschwand mit dem Wissen, in nächster Zeit ein Dach über dem Kopf zu haben, selbst wenn das hieß, es mit Hojo zu teilen. Oftmals stolpernd schleppte sich Aireen die schier endlose Treppe hinauf, betrat das Zimmer, das Vincent ihr zeigte und ließ sich ohne Umschweife auf das große Doppelbett fallen. Sie war sofort eingeschlafen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Ungläubig starrte Vincent die schlafende Gestalt Aireen's an. Ihm war es unverständlich, wie man so schnell in einen offensichtlich tiefen Schlaf fallen konnte, denn ihre Atemzüge waren gleichmäßig und tief. Vorsichtig näherte er sich dem Bett und legte ihr die Hand auf die Stirn: sie war noch immer warm. Seufzend machte er sich daran, die Decke unter ihr hervor zu ziehen ohne sie dabei zu wecken. Dann deckte er sie zu und schloss das Fenster. Obwohl es schon Frühling war, fielen die Temperaturen in der Nacht oft unter zehn Grad. Gerade als er das Zimmer verlassen wollte, regte sich Aireen und drehte sich auf den Bauch, ohne aber dabei aufzuwachen. Dabei murmelte sie irgendetwas unverständliches und verzog ihr Gesicht. Vincent wartete bis sich ihr Schlaf beruhigt hatte und sie mit friedlichem Gesichtsausdruck da lag. Dann kehrte er in sein eigenes Zimmer zurück und legte sich ins Bett. Dort starrte er eine Weile die Decke an, während seine Gedanken um den rätselhaften Gast in dem Zimmer nebenan wanderten. °Wer ist sie? Ich hab das Gefühl, dass ich sie von irgendwo kenne.° Der schwarzhaarige Turk grübelte eine Weile bevor er es schließlich aufgab und die Sache vorerst auf sich beruhen ließ. °Ich werde sie auf jeden Fall im Auge behalten. Luc- Dr. Crescent's Projekt darf nicht gestört werden°, beschloss er noch bevor auch er einschlief. Kapitel 2: Alltag ----------------- @elcah: Vielen Dank für deinen Kommi. Das Kapi widme ich dir ;) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Lautes Klopfen weckte sie und sie setzte sich benommen auf. Schlaftrunken kroch sie aus dem Bett und schlich zur Tür, um dem frühen Besucher zu öffnen. „Guten Morgen“, grüßte sie Vincent. Er trug wieder seinen Anzug und seine Haare schienen auch schon gekämmt. Im Großen und Ganzen sah er aus, als wäre er bereit für einen neuen Tag. Im Gegensatz zu Aireen. Diese stand mit verquollenen Augen und zerzaustem Haar vor ihm, in ihren Klamotten, mit denen sie auch gestern ins Bett gefallen war. „Es ist schon Morgen?“, nuschelte Aireen. Sie hatte das Gefühl, keine drei Stunden geschlafen zu haben. Außerdem war es noch stockfinster draußen, wie sie feststellte, als sie einen Blick aus dem Fenster warf. „Es ist genau 6 Uhr. In einer Stunde sollen Sie unten im Arbeitszimmer sein,“ meinte Vincent ernst. Aireen starrte ihn einen Moment lang mürrisch an, bevor sie sich mit einem gemurmelten „Ich komme gleich“ umdrehte und im anliegenden Bad verschwand, um sich so gut es ging frisch zu machen. Fünf Minuten später begleitete sie Vincent ins Erdgeschoss, wo die Küche lag. Sie hatte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt und war nun wach genug, um ihre Augen mehr als nur einen Spalt breit zu öffnen und somit ihre Umgebung zu erkennen. Aireen war eine überzeugte Langschläferin und hatte schon früher oft Probleme gehabt, aufzustehen um zur Schule zu gehen. Seit sie studierte, war es etwas besser geworden, was wohl auch daran lag, dass ihre Lesungen meist nicht vor zehn Uhr anfingen, wofür sie immer sehr dankbar gewesen war. Aber vor acht Uhr war sie normalerweise nicht aus dem Bett zu kriegen – außer natürlich, Hojo steckte dahinter. Auch wenn sie nicht wusste, wie lange sie hier bleiben würde, war Aireen doch äußerst darauf bedacht, es sich nicht mit dem besessenen Wissenschaftler zu verscherzen. Sie wollte auf gar keinen Fall als eines seiner Subjekte enden. Als die zwei in den Gang einbogen, in der die Küche lag, wehte ihnen schon der verlockende Duft von frischen Pfannkuchen entgegen. Aireen's Laune stieg augenblicklich und sie beschleunigte ihre Schritte etwas, was Vincent ein leichtes Schmunzeln entlockte. Sie betraten die Küche und wurden von einer heiteren Lucrecia empfangen, die ihnen lächelnd entgegen kam. „Guten Morgen ihr beiden! Die Pfannkuchen sind fast fertig, bitte setzt euch“, grüßte sie, bevor sie weiter durch die Küche wuselte und begann, den Tisch zu decken. Beide murmelten ein „Guten Morgen, Dr. Crescent“ und wollten sich setzten, wurden aber von Lucrecia gestoppt. „Einfach Lucrecia, nicht Dr. Crescent. Das solltest du inzwischen wissen, Vincent,“ meinte sie gespielt ärgerlich, bevor sie sich Aireen zuwandte. „Für dich gilt das selbe. Einfach Lucrecia, ja?“ Aireen nickte lächelnd und Lucrecia zwinkerte ihr heiter zu, bevor sie sich wieder dem Geschirr zuwandte, das sie nun auf dem Tisch verteilte. Dabei fiel Aireen auf, dass sie nur für drei deckte. „Hat Prof. Hojo schon gefrühstückt?“, fragte sie, während sie sich gegenüber von Vincent niederließ. Lucrecia schüttelte den Kopf. „Nein. Er meinte, er hätte noch wichtige Berechnungen zu machen und keine Zeit, sich mit „irrelevanten Beschäftigungen“ aufzuhalten, wie er es nannte.“ Sie seufzte, bevor sie hinzufügte: „Er wäre schon längst über seiner Arbeit verhungert, wenn ich ihm nicht manchmal eine Mahlzeit nach unten brächte.“ Danach warteten sie schweigend darauf, dass die Pfannkuchen fertig wurden und ließen sie sich anschließend schmecken. Als alle drei gesättigt waren, stellte Lucrecia das Geschirr ins Spülbecken, wo sich schon ein beachtlicher Berg Teller und Tassen stapelte. „Das räumen wir später auf. Erstmal müssen wir ins Labor, wir wollen schließlich nicht zu spät kommen und Hojo verärgern,“ meinte sie vergnügt und machte sich voller Elan auf den Weg, dicht gefolgt von Vincent und Aireen. °Lucrecia scheint ein echter Morgenmensch zu sein,° dachte Aireen und unterdrückte ein Gähnen, während sie die schmale Treppe hinunter gingen. °Ich frag' mich, welche Gemeinheiten sich Hojo wohl für mich ausgedacht hat°. Sie betraten das Arbeitszimmer und trafen auf einen äußerst schlecht gelaunten Hojo, der tief über seine Papiere gebeugt am Schreibtisch saß und leise fluchte. Er schien gar nicht gemerkt zu haben, dass er nicht mehr allein war, sondern starrte weiterhin stirnrunzelnd die verschiedenen Akten und Skizzen an, die über den ganzen Schreibtisch verstreut lagen. Lucrecia trat leise an den Schreibtisch und räusperte sich. Daraufhin hob Hojo den Kopf und bemerkte erst jetzt, dass er Gesellschaft hatte. „Was?! Sehen Sie nicht, dass ich versuche, zu arbeiten?“, schnauzte er und funkelte Lucrecia böse an. „Das ist mir durchaus bewusst, Professor, allerdings wollte ich Sie daran erinnern, dass Sie Aireen eine Arbeit zuteilen wollten,“ antwortete Lucrecia freundlich. Ihr war wohl, genau wie Vincent, der barsche Umgangston Hojo's vertraut. Aireen hingegen musste sich erst noch daran gewöhnen und hatte vorsichtshalber den Kopf eingezogen. Das lag vielleicht auch daran, dass sie als einzige wusste, wie boshaft Hojo sein konnte. Als sie dann Hojo's Blick auf sich spürte, hob sie langsam den Kopf, um dann von kalten, schwarzen Augen durchdringend gemustert zu werden. Aireen schluckte schwer. „Mmh...eine Arbeit für unseren Gast. Dr. Crescent, kümmern Sie sich um die Zusammenstellung einer Liste, die alle Hausarbeiten umfasst, die noch getan werden müssen!“, befahl er, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte. Aireen stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Obwohl sie Hausarbeiten nicht sonderlich mochte, war es auf jeden besser, als Hojo als Subjekt zu dienen. Möglicherweise konnte sie sogar weitere Zusammentreffen mit dem Wissenschaftler vermeiden, der wohl eher selten seinen Arbeitsplatz verließ. Und da Lucrecia die Liste zusammenstellen würde, konnte sie auf nicht allzu gemeine Aufgaben hoffen. „Und Dr. Crescent, geben Sie mir die fertige Liste, ich werde Sie dann noch ergänzen.“ Soviel dazu. Lucrecia schenkte ihr ein mitleidiges Lächeln als sie Aireen's niedergeschlagenen Gesichtsausdruck sah, bevor sie in ihrem Arbeitszimmer verschwand, dicht gefolgt von Vincent. Nach kurzem Zögern folgte sie den beiden. Hojo schien eh keinen Wert auf ihre Gesellschaft zu legen. Lucrecia's Arbeitszimmer war klein, aber gemütlich. Neben einem Schreibtisch und mehreren Bücherregalen stand auch noch ein Sessel in der Ecke der, wie Aireen vermutete, zur Zeit wohl am meisten von Vincent benutzt wurde. Schließlich musste er die Wissenschaftlerin rund um die Uhr bewachen. Zudem hingen mehrere Landschaftsbilder an den Wänden, die eine beruhigende Wirkung auf den Betrachter zu haben schienen, denn Aireen fühlte sich sofort wohl. Lucrecia saß schon hinter ihrem Schreibtisch und schien an der Liste zu arbeiten, während Vincent noch bei der Tür stand. Wahrscheinlich wollte er sich nicht setzen, solange Aireen noch im Zimmer war und keine weitere Sitzgelegenheit bestand. Beide schauten Dr. Crescent zu, wie sie über der Liste brütete die, zu Aireen's Entsetzten, immer länger wurde und schließlich eine Seite umfasste, bevor Lucrecia zufrieden nickte und ihren Stift niederlegte. „Es tut mir wirklich Leid, Aireen, aber seit wir hier sind, haben wir uns kaum um den Haushalt gekümmert und es ist demnach viel Arbeit liegen geblieben“, meinte sie und lächelte entschuldigend, als sie Aireen die Liste übergab. „Bring sie zu Hojo, ja? Die Haushaltsgeräte findest du im ersten Raum links, von der Eingangstür aus betrachtet.“ Vincent nickte ihr zu, als sie sich umdrehte und das Büro verließ. Sie trat leise an Hojo's Schreibtisch heran, darauf bedacht, ihn nicht zu stören. Dieser ließ sich wie üblich nicht bei seiner Arbeit stören und las seine Seite zu Ende, bevor er auf sah und seine Hand ausstreckte. Aireen überreichte ihm die Liste, die er schnell, aber aufmerksam durchlas. Dann nickte er und gab somit sein Einverständnis, dass er die Arbeiten in Ordnung fand. Erleichtert nahm sie das Papier wieder an sich und war schon auf dem Weg zur Tür, als Hojo sie doch noch ansprach. „Denken Sie daran, dass sich die Aufgaben auf das ganze Haus beziehen. Einen schönen Tag noch“, meinte der Wissenschaftler gehässig, bevor er sich wieder auf seine Arbeit konzentriere. Aireen war bei seinen Worten erstarrt. Das ganze Haus?! Das Anwesen war riesig, und sie nutzten nur einen winzig kleinen Teil davon. Sie seufzte. Es war wohl nichts anderes von Hojo zu erwarten gewesen. Also schlurfte sie lustlos die Treppe hoch und versuchte zu entscheiden, womit sie anfangen sollte. Sie entschied sich für den Abwasch. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Nachdem Aireen den Raum verlassen hatte, trat Vincent an den Schreibtisch Lucrecia's. Diese sah von ihren Papieren auf und warf ihm einen fragenden Blick zu. „Es geht um Ms. Ceylan“, begann er bedächtig. Die Wissenschaftlerin bedeutete ihm, fortzufahren. „Glauben Sie, es ist wirklich so eine gute Idee, sie einfach bei uns aufzunehmen, obwohl wir nicht wissen, wer sie ist? Im schlimmsten Fall ist sie eine Spionin und sucht nach Informationen über Ihr Projekt, Dr. Crescent.“ Lucrecia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und betrachtete nachdenklich das Bild, das an der gegenüberliegenden Wand hing, bevor sie sich stirnrunzelnd wieder dem Turk zuwandte. „Mir ist klar, dass du dir Sorgen machst, Vincent. Und mir ist auch bewusst, dass die Möglichkeit besteht, dass sie uns nur etwas vorspielt“, sagte sie ernst. Vincent nickt. „Allerdings glaube ich das nicht. Wahrscheinlich hältst du mich für naiv, aber ich hab' das Gefühl, dass wir Aireen vertrauen können. Und im Notfall kann ich mich ja auf meinen Leibwächter verlassen, der mich vor jeglicher Gefahr schützt“, meinte sie und zwinkerte Vincent fröhlich zu. Einen Moment fassungslos über die Gutgläubigkeit Lucrecias, fing er sich schnell wieder und nickte nur, bevor er sich in seinen Stammsessel fallen ließ. Er würde Aireen weiter im Auge behalten, egal wie viel Vertrauen Lucrecia ihr schenkte. Das war schließlich seine Aufgabe. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Geschlagene zwei Stunden später sah die Küche blitzblank aus. Aireen hatte nicht nur sämtliches Geschirr gespült und ordentlich eingeräumt, sie hatte auch den vorhandenen Schmutz erfolgreich bekämpft. Nun lag sie erschöpft in einem Stuhl und gönnte ihrem schmerzenden Rücken eine kleine Verschnaufpause. Sie mochte gar nicht an ihre anderen Arbeiten denken. Sie würde Tage benötigen, um das ganze Haus auf Vordermann zu bringen. Und wenn sie irgendwann das letzte Zimmer gesäubert hatte, hatte der Staub die anderen Räume wohl schon wieder zurückerobert... °Na los, Aireen! Trübsal blasen bringt dich nicht weiter. An die Arbeit!° Entschlossen sprang Aireen auf und holte sich aus dem Abstellraum, was sie für den Kampf gegen den Schmutz brauchte. Mit Staubwedel, Staubsauger und Wischmopp bewaffnet, machte sie sich wieder an die Arbeit. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent saß in seinem Sessel und starrte aus dem Fenster. Er musste ausnahmsweise keinen Papierkram erledigen und hatte demnach nichts tun, außer natürlich auf Lucrecia aufzupassen. Aber solange sie die Villa nicht verließ, drohte ihr auch kaum Gefahr. Um es auf den Punkt zu bringen: Mr. Valentine langweilte sich. °Was unsere neue Mitbewohnerin wohl gerade macht? Die Liste, die Luc- Dr. Crescent ihr gab war alles andere als kurz°, überlegte er und konnte ein Gähnen nicht ganz unterdrücken. Welches Lucrecia natürlich sofort bemerkte. „Noch müde, Vincent?“, meinte sie neckisch und musste sich ein Kichern verkneifen, als sie den ertappten Gesichtsausdruck des Turks sah. Dieser setzte auch sofort zu einer Entschuldigung an, die die Wissenschaftlerin aber unterbrach. „Schon in Ordnung. Es ist schon fade genug, den Papierkram zu erledigen. Dabei zu zu sehen sprengt wohl das Maß an Langweile, die ein normaler Mensch aushalten kann.“ Lucrecia grübelte einen Moment über eine Lösung des Problems. Dann erhellte sich ihr Gesichtsausdruck. „Wieso schaust du nicht nach Aireen? Es ist schon ein paar Stunden her, dass ich sie mit der Liste zu Hojo geschickt habe.“ Vincent wollte schon protestieren, als sie ihn schon wieder unterbrach. „Und nein, es ist schon In Ordnung wenn du gehst. Das schlimmste, was mir hier passieren kann ist, dass ein Buch aus dem Regal fällt und mir auf dem Kopf landet. Geh schon“, meinte sie und winkte ihm zum Abschied. Der Turk wusste, dass die Wissenschaftlerin keinen Widerspruch duldete und verließ den Raum. °Sie kennt mich eindeutig zu gut, wenn sie schon weiß, was ich sagen will, bevor ich überhaupt den Mund geöffnet habe“, dachte er düster und machte sich auf die Suche nach ihrer neu ernannten Haushälterin. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent fand Aireen wie sie, Arme und Beine von sich gestreckt, auf dem Boden der Einganghalle lag und die Decke anstarrte. Mit hochgezogener Augenbraue kam er näher, bis er genau über ihr stand. Als Aireen ihn bemerkte, hob sie müde die Hand und winkte schwach, bevor sie ihren Arm wieder fallen ließ und weiter wie tot da lag. Der Turk starrte sie noch einen Augenblick ungläubig an, bevor er seine Umgebung einer genauen Untersuchung unterzog. Um sie herum lagen diverse Putzmittel verstreut, und erst jetzt fiel Vincent auf, dass der Boden stellenweise noch feucht war. Verwirrt sah er sich genauer um – und zog überrascht die Luft ein. Die gesamte Eingangshalle glänzte, als wäre sie frisch poliert. Nichts erinnerte mehr an die dicke Staubschicht, die heute Morgen noch sämtliche Flächen bedeckt hatte. Durch die frisch geputzten Fenster fiel Licht in die Eingangshalle und erleuchtete sie hell. Der hölzerne Boden glänzte wie frisch gewienert, und die weiße Marmortreppe schien geradezu zu leuchten. Aireen hatte ganze Arbeit geleistet. Vincent, der die Erschöpfung der jungen Frau nun nachvollziehen konnte, wandte ihr seine Aufmerksamkeit wieder zu. Sie hatte sich eine kurze Pause verdient, beschloss er, als er sie mühelos hoch hob und mit ihr in Richtung der Schlafzimmer ging. „Was...?“, fragte sie entgeistert, als Vincent sie vom Boden aufsammelte und, ohne ein Wort zu verlieren, los ging. Ihr fehlten einfach die Worte. Sein Benehmen entsprach in keinster Weise dem, was sie von ihrem Lieblingscharakter kannte. „Der Boden ist wohl kaum ein geeigneter Platz, um sich auszuruhen, Ms. Ceylan“, meinte dieser nur ruhig, während er die Treppe hochstieg. „Aber... Also... Ich wollte-“, stotterte Aireen, bevor sie einsah, dass sie eh nicht wusste, was sie sagen wollte, und lieber schwieg. Vincent brachte sie in ihr Zimmer und legte sie dort auf's Bett. Dann verschwand er im Bad, um kurze Zeit später mit einem Fieber-Thermometer wieder aufzutauchen. Als Aireen sein Vorhaben bemerkte, rollte sie genervt die Augen und wollte sich aufsetzten. Dies verhinderte Vincent aber, indem er sie zurück in die Kissen drückte. Als sie dann den Mund öffnete, um zu protestieren, schob er ihr schnell den Thermometer zwischen die Lippen. Aireen starrte ihn nur ungläubig an. „Sie haben den ganzen Morgen gearbeitet, obwohl Sie gestern Abend noch Fieber hatten. Damit sollte man nicht leichtfertig umgehen“, erklärte er bedächtig. Aireen runzelte die Stirn und sah ihn skeptisch an. Das wäre ihr doch aufgefallen, wenn sie wirklich Fieber hatte. Sie fühlte sich großartig, wenn man mal von ihrer Erschöpfung aufgrund des Marathon-Putzens absah. Ein kurzer Blick auf die Uhr und der Turk entnahm ihr den Thermometer auch schon wieder.. Er studierte ihn kritisch, bevor er den Kopf schüttelte und seufzte. Aireen nahm dies als Bestätigung, dass sie völlig gesund war, und startete einen neuen Versuch, sich auf zu rappeln. Der wiederum von Vincent verhindert wurde. „Aber ich -“, begann sie, wurde aber sofort von Vincent unterbrochen. „Sie haben 39 Grad Fieber und bleiben bis auf weiteres im Bett“, erwiderte er herrisch. „Ich werde Luc- Dr. Crescent informieren.“ Aireen sah ihm ungläubig nach wie er, nachdem er ihr einen letzten, strengen Blick zugeworfen hatte, den Raum verließ und die Tür leise hinter sich schloss. Sie zerbrach sich eine Zeit lang den Kopf, wie man krank sein konnte, ohne es zu merken, kam aber zu keiner zufriedenstellenden Antwort. Wahrscheinlich war sie so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie die Schlappheit, die mit dem Fieber kam, schlicht und einfach verdrängt hatte. Jetzt, wo sie wusste, dass sie krank war, spürte sie es auch. Auf einmal fühlte sie sich ausgelaugt, ihr taten Beine und Rücken weh und ihr war etwas schwindlig, wenn sie den Kopf drehte. °Hojo wird es nicht gefallen, dass ich am meinen ersten Arbeitstag sofort krank feiere°, dachte Aireen. °Zumindest hab ich den bewohnten Teil der Villa noch auf Vordermann gebracht, bevor ich zusammen geklappt bin...° Schließlich betrat Lucrecia ihr Zimmer, mit Vincent im Schlepptau, der einen kleinen Erste-Hilfe-Koffer trug. Sie musterte Aireen besorgt, bevor sie sie untersuchte: noch einmal Fieber messen, Lymphknoten kontrollieren, Puls und Blutdruck prüfen... die übliche Prozedur eben. Aireen war überrascht, dass Lucrecia soviel von Untersuchungen verstand. Immerhin war sie Wissenschaftlerin, und keine Ärztin. Nach den üblichen Fragen, ob sie irgendwelche Schmerzen hatte und wie sie sich fühlte, ließ sich Lucrecia seufzend auf einen Stuhl in der Nähe des Bettes fallen. „Es sieht ganz nach einer Virusinfektion aus. Die nächsten paar Tage wirst du das Bett also nicht mehr verlassen.“ „Aber ich muss mich doch um den Haushalt kümmern! Außerdem fühl' ich mich gar nicht so schlecht – mir war bis jetzt nicht mal klar, dass ich krank bin!“, protestierte Aireen „Keine Widerrede! Ich kann es nicht verantworten, dass du uns zusammenklappst, nur weil du zu stur bist, um einzusehen, wie schlecht es dir geht“, meinte Lucrecia entschieden. Aireen öffnete den Mund, um zu widersprechen, besann sich dann aber eines Besseren und beschränkte sich auf einen trotzigen Blick. Lucrecia's Tonfall hatte klar gemacht, dass sie nicht nachgeben würde. „Und sobald du dich besser fühlst, gehen wir ins Dorf und kaufen dir ein paar wärmere Sachen. Deine sind viel zu dünn. Außerdem kannst du schlecht die ganze Zeit die gleichen Kleider tragen. Bis dahin leih' ich dir ein paar von meinen“, beschloss Lucrecia und war schon auf dem Weg zur Tür. „Vincent, könntest du Aireen vielleicht ihr Mittagessen hochbringen? Es steht noch in der Küche. Ich mach mich in der Zwischenzeit auf die Suche nach geeigneten Medikamenten und passenden Kleidern.“ Der Turk nickte nur knapp und folgte der Wissenschaftlerin aus dem Raum. Wieder allein schwang sich Aireen aus dem Bett und schlurfte ins Bad. Dort spritzte sie sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie sah wirklich schrecklich aus. Dunkle Ringe umrahmten ihre Augen und standen im starken Kontrast zu ihrer nun sehr bleichen Haut. Müde Augen starrten ihr entgegen und ein paar nasse Strähnen klebten auf ihrer Stirn. Als sie diese aus dem Gesicht wischte, bemerkte sie, dass ihre sonst so ruhigen Hände nun leicht zitterten. Die Stirn in tiefe Falten gelegt wanderte sie zurück ins Zimmer und ließ sich wieder auf ihrem Bett nieder. Ihr Zustand hatte sich in kurzer Zeit drastisch verschlechtert. Zwar war es auch bei ihrer letzten Krankheit so gewesen, dass sie sich mittags deutlich schlechter fühlte als am Morgen, doch nie war der Unterschied so gravierend gewesen. °Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich in einer anderen Dimension befinde°, dachte sie sarkastisch, und kuschelte sich unter ihre Decke. Ihr war auf einmal sehr kalt. Sie lag zitternd im Bett und wünschte sich nichts sehnlicher als einen erholsamen Schlaf, der sich aufgrund ihrer schmerzenden Glieder allerdings nicht einstellen wollte. Ein leises Klopfen kündigte die Rückkehr ihrer selbst ernannten Pfleger an. Vincent brachte ihr ein Tablett, auf dem ein Teller mit Spaghetti, ein Glas Orangensaft und eine Tasse Tee standen. Aireen bedankte sich und probierte die Nudeln, und obwohl sie alles andere als schlecht schmeckten, musste sie sich dazu zwingen, ein paar davon zu essen. Sie hatte einfach keinen Hunger. °Das beweist endgültig, dass es mir schlecht geht. Ich habe immer Hunger°, dachte Aireen und starrte ihr Essen an. Dann kam Lucrecia zurück, die Arme voll gepackt mir Kleidern, die sie vorerst auf einen Sessel in der Nähe ablegte. Dann zückte sie eine Packung Paracetamol, die sie in ihrer Tasche verstaut hatte, entnahm eine Pille und legte sie Aireen auf ihr Tablett. „Mehr als die Symptome können wir bei einer Virusinfektion leider nicht behandeln. Das sollte“ – „das Fieber senken und die Schmerzen erträglich machen. Nicht mehr als zwei Pillen pro Tag“, ergänzte Aireen. Als sie den erstaunten Blick Lucrecia's bemerkte, fügte sie noch hinzu: „Ich bin nicht das erste Mal krank. Zudem haben wir und das ganze letzte Jahr fast ausschließlich mit Krankheiten, deren Symptomen und möglichen Behandlungen beschäftigt.“ „Sie studieren Medizin?“, fragte Vincent überrascht. Aireen nickte nur. Ihr wurde gerade bewusst, dass sie womöglich nie wieder in ihre Welt zurückkehren konnte, und das stimmte sie traurig. Obwohl sie in letzter Zeit mehr Auseinandersetzungen mit ihrer Familie gehabt hatte, als freundliche Zusammentreffen, würde sie sie doch vermissen. Ihre betrübte Stimmung war ihr wohl anzusehen, denn Lucrecia's nächste Worte waren der eindeutige Versuch, sie irgendwie aufzuheitern. „Ich bin mir sicher, dass du irgendwann dorthin zurückkehren kannst, von wo du kommst“, meinte sie freundlich. Dann wandte sie sich an Vincent. „Kannst du nicht vielleicht ein bisschen recherchieren? Als Turk hast du doch Zugriff auf große Datenbänke. Möglicherweise ist sie auf einer Universität eingeschrieben.“ Dieser überlegte kurz, bevor er nickte. „Einen Versuch ist es wert. Ich werde mich sofort darum kümmern“, meinte er, bevor er das Zimmer verließ. Als sich Lucrecia wieder Aireen zuwandte und sah, dass sie ihre Mahlzeit kaum angerührt hatte, wurde ihr hoffnungsvolles Lächeln durch ein Stirnrunzeln ersetzt. „Versuch wenigstens, noch ein bisschen zu essen. Und vor allem, viel zu trinken“, bemerkte sie, bevor sie sich den mitgebrachtem Kleider zuwandte und begann, sie in den Kleiderschrank zu räumen. „Normalerweise müssten sie dir passen. Wir dürften eigentlich die gleiche Größe haben“, plauderte sie munter, während sie durch das Zimmer wuselte. Aireen musste lächeln. Lucrecia war die wohl netteste Person, die ihr je begegnet war, und sie hatte die junge Wissenschaftlerin sofort ins Herz geschlossen. Obwohl sie sich noch nicht einmal einen Tag kannten, kümmerte sie sich liebevoll um die kranke Aireen und versuchte alles, um ihr in der ihr fremden Umgebung weiter zu helfen. Seufzend konzentrierte sie sich wieder auf ihre Nudeln und würgte, Lucrecia zu liebe, noch ein paar Gabel voll runter, bevor sie es endgültig aufgab und ihren Saft zur Hand nahm. Nach dem ersten Schluck stellte sie fest, dass ihr das Trinken weitaus leichter fiel, und so trank sie das Glas in einem Zug aus. Der Tee folgte sogleich. Jetzt blieb nur noch ihre Arznei. Aireen verzog das Gesicht. Sie mochte keine Medikamente. Da sie ihr Fieber aber noch weniger mochte, blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als die Tablette zu schlucken. Als Lucrecia fertig mit dem Einräumen der Kleider war, nahm sie Aireen das Tablett ab und nickte zufrieden, als sie sah, dass sie doch noch eine Kleinigkeit gegessen hatte. Nachdem die Wissenschaftlerin das Zimmer verlassen hatte, nicht ohne Aireen noch einmal zu sagen, dass sie sich gut ausruhen sollte, schloss diese erschöpft die Augen und war kurze Zeit später auch schon in einen unruhigen Schlaf gefallen. Kapitel 3: Träume, Gleichungen und eine Verschwörung ---------------------------------------------------- So, da bin ich wieder. Ich werd' versuchen jeden Monat mindestens ein Kapi hochzuladen; mehr ist wahrscheinlich nicht drin, jetzt, wo wieder Schule angesagt ist. Vergessen werd' ich's aber garantiert nicht =) Hab' ich beinahe vergessen: da ich neuerdings mit verschiedenen POV's rrumexperiimentiere, hab' ich am Ende von Kapi 2 und im Kapi 3 ein paar Szenen aus Vincent's Sicht eingebaut =) Nochmal vielen Dank an meinen Beta Papi, und meine FFVII-Expertin Hihana, die schaut, ob auch alles logisch und IC ist =) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Aireen lag bewegungsunfähig auf einem Labortisch, ihre Fuß- und Handgelenke waren mit straffen Gürteln festgeschnallt. Wenn sie sich bewegte, schnitten diese schmerzhaft in ihr Fleisch. Deswegen lag sie nur hilflos da und wartete ängstlich auf das weitere Vorgehen der sie umringenden Wissenschaftler. Es waren insgesamt drei an der Zahl, und alle trugen die für Wissenschaftler typisch weiße Kittel. Einer hatte eine große Ähnlichkeit mit Hojo, schien aber etwas älter, da sein pechschwarzes Haar schon mit weißen Strähnen durchzogen war. Obwohl er wie Hojo leicht vorgebeugt stand und ebenfalls seine Brille auf des Nasenspitze trug, unterschieden sich die beiden in einem wesentlichen Punkt: ihrem Gesichtsausdruck. Dieser beschränkte sich bei Hojo auf griesgrämig und wütend, während dieser Wissenschaftler sie beruhigend anlächelte. Die Gestalt links neben ihr war Aireen wiederum gänzlich unbekannt – im Gegensatz zu dem Mann, der am Fußende des Tisches stand. Dieser war nämlich niemand anderes als Grimoire Valentine, Vincent's Vater. Er schien sehr angespannt und warf den beiden Wissenschaftler rechts und links von Aireen abwechselnd ungläubige Blicke zu. Erst jetzt wurde ihr bewusst, was diese mit ihr taten. Und mit dem Bewusstsein kam auch der Schmerz, der durch die vielen Nadeln, die sich in ihre Arme bohrten, ausgelöst wurde. Sie schrie und warf sich gegen ihre Fesseln, erreichte damit aber nur, dass die Riemen tief in ihre Handgelenke schnitten und diese zu bluten anfingen. „Beruhige dich, mein Kind. Es ist gleich vorbei“, versuchte der Hojo-ähnliche Wissenschaftler sie zu beruhigen, während die anderen beiden verzweifelt versuchten, sie still zu halten. Es war nicht gleich vorbei. Es fing gerade erst an. Aireen brüllte, als sich der brennende Schmerz von ihren Armen aus verbreitete und sie das Gefühl hatte, ihr ganzer Körper stünde in Flammen. Die Wissenschaftler konnten sie kaum noch bändigen und mussten sich mit ihrem ganzen Körpergewicht auf sie legen, um sie auch nur annähernd unter Kontrolle zu bringen. Durch den Schleier aus Schmerzen nahm sie eine leise Stimme wahr, die aus weiter Entfernung ihren Namen zu rufen schien. Dann verschwamm alles. Als das Bild wieder deutlicher wurde, erkannte Aireen, dass sie sich wieder in ihrem Zimmer in der Shinra-Villa befand. Die Sonne schien schon vor einiger Zeit hinter dem Horizont verschwunden zu sein, denn draußen war es mittlerweile stockdunkel geworden. Erst jetzt fiel ihr auf, dass jemand das Licht eingeschaltet hatte. Dann wurde sie sich starker Hände bewusst, die ihre Schultern gepackt hatten und sie noch immer leicht schüttelten. Eine eindringliche Stimme wiederholte immer wieder ihren Namen. Müde hob sie den Kopf, nur um in die besorgten Augen von Vincent zu schauen. Dieser ließ sie nun endlich los und trat einen Schritt zurück. „Sie haben geschrieen und als ich hereinkam, lagen Sie zitternd und um sich schlagend da. Ich konnte Sie kaum beruhigen. Alles in Ordnung?“ Aireen nickte nur schwach und kroch wieder unter ihre Decke, die durch ihr wildes Gestrampel wohl verrutscht war. Sie fühlte sich absolut miserabel. Nicht nur schien sie höheres Fieber denn je zu haben, auch hatte sie schon lange keinen Albtraum mehr in diesen Ausmaßen gehabt. Früher waren Träume wie dieser die Regel gewesen, aber mit der Zeit waren es immer weniger und harmlosere geworden, bis sie schließlich gar keine mehr gehabt hatte. Sie konnte nur vermuten, dass wohl ihr Fieber den Albtraum ausgelöst hatte. „Danke, dass Sie mich geweckt haben, Mr. Valentine“, flüsterte Aireen heiser, denn ihr Hals fühlte sich ganz trocken an, wahrscheinlich eine Folge von dem ganzen Geschrei. Vincent bemerkte dies natürlich sofort und schenkte ihr ein Glas Wasser ein, aus einem Krug, der zusammen mit dem Glas auf dem Schreibtisch abgestellt war. Aireen lächelte nur dankbar, als er ihr das Glas reichte; ihrer Stimme traute sie vorerst nicht mehr. Nachdem sie das Glas in einem Zug geleert hatte, fühlte sie sich schon etwas besser. Trotzdem plagte sie noch immer das Gefühl, dass ihr etwas wichtiges entgangen war. Doch je mehr sie versuchte, sich daran zu erinnern, desto weniger schien sie in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, bis sie es schlussendlich aufgab. Nachdem sie noch ein fiebersenkendes Mittel genommen hatte, versuchte Aireen wieder einzuschlafen. Vincent war schon wieder in sein Zimmer zurückgekehrt. Als Bodyguard musste man schließlich topfit sein, und nicht morgens verschlafen seine Arbeit antreten. Bei der Vorstellung eines übernächtigten Vincent's, der mit verquollenen Augen Lucrecia begrüßte, musste Aireen grinsen, bevor sie der Schlaf wiederum übermannte und ihr müde die Augen zufielen. Diesmal blieb ihr Schlaf traumlos. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Dieses Mal wurde sie nicht von Vincent geweckt, sondern von dünnen, aber hellen Sonnenstrahlen, die neckisch Muster auf Aireen's Gesicht malten.. Sie blinzelte aufgrund der plötzlichen Helligkeit und versuchte, sich mit der Hand Schatten zu spenden. Endgültig wach, kroch sie aus dem Bett und stand vorsichtig auf. Obwohl noch immer schwach, fühlte sie sich schon sehr viel besser als in der vorhergegangenen Nacht und traute es sich nun durchaus zu, eine Dusche zu nehmen, die sie dringend nötig hatte. Zuerst inspizierte sie allerdings die Kleider, die Lucrecia ihr gebracht hatte und stellte verwundert fest, dass diese wohl doch manchmal andere Sachen als ihrem Laborkittel trug. Aireen schnappte sich einen weißen Pullover und eine blaue Jeans – nicht, dass sie eine große Auswahl hatte, denn es war eh nichts andersfarbiges vorhanden – und verschwand anschließend im Bad. Dort wartete ein kleiner Stapel weißer, flauschiger Handtücher auf sie. Anscheinend hatte sich die Wissenschaftlerin nicht nur darauf beschränkt, ihrem Gast Kleider zu besorgen. Aireen nahm sich vor, ihr bei der nächstbesten Gelegenheit gebührend für ihre Fürsorge zu danken. Als sie eine gute halbe Stunde später, nach einer ausgiebigen Dusche in weiße Tücher gehüllt das Bad verließ, klopfte es an der Tür. Sie schauderte aufgrund der Kälte, die im Gegensatz zum Badezimmer in ihrem Schlafzimmer herrschte und öffnete die Tür. Davor stand Vincent, der ein Tablett trug, auf dem sich ein köstliches Frühstück befand, sowie eine Kanne die mit, dem Geruch nach zu urteilen, Kaffee gefüllt war. Auch Orangensaft fehlte nicht. Aireen strahlte den Turk an und winkte ihn herein, bevor sie sich dem Tisch näherte und Platz für das Tablett schaffte, in dem sie ihre dort abgelegten Klamotten achtlos auf den Boden schmiss. Als sie sich wieder zu ihm umdrehte, bemerkte sie, dass er noch immer in der Tür stand und keine Anstalten machte, herein zu kommen. Die Stirn in Falten gelegt, musterte Aireen Vincent, um herauszufinden, was mit dem Turk wohl los war. Dann fiel ihr auf, dass dieser angestrengt versuchte, nicht in ihre Richtung zu schauen und ein kaum wahrnehmbarer roter Schimmer seine Wangen bedeckte. Endlich fiel der Groschen. „Oh... tut mir Leid... ich bin gleich zurück“, sagte Aireen bevor sie mit vor Scham hochrotem Gesicht ins Bad flüchtete. °Verdammt, ich muss mir wirklich abgewöhnen, halbnackt an die Tür zu gehen°, dachte Aireen verdrossen, während sie sich in die frischen Kleider zwängte. Lucrecia schien um einiges schlanker zu sein als sie. Als sie wieder, diesmal komplett bekleidet, in ihr Zimmer zurückkehrte, hatte Vincent ihr Frühstück schon auf dem Tisch abgestellt und war bereits auf dem Weg zur Tür und bevor Aireen noch Zeit hatte, sich bei ihm zu bedanken, war er auch schon verschwunden. °Huch, ich scheine ihn ja richtig verschreckt zu haben°, dachte sie und musste bei dem Gedanken schmunzeln, dass sie den stets beherrschten Vincent Valentine in Verlegenheit gebracht hatte. Kurz nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatte, betrat Lucrecia ihr Zimmer und baute sich vor der ahnungslosen Aireen auf. „Was hast du mit dem armen Vincent gemacht, dass er so verstört wirkt?“, fragte sie neugierig und konnte sich ein Lächeln nicht ganz verkneifen. „Ich hab ihn bisher nur einmal so durcheinander gesehen, und das war, als ich ihm nur mit Handtüchern bekleidet die Tür öffnete.“ Aireen begann schallend zu lachen und fiel dabei beinahe von ihrem Stuhl. Als sie sich schließlich genug beruhigt hatte, um Lucrecia den Grund ihrer Heiterkeit mitzuteilen, konnte diese auch nicht an sich halten und ihr anfängliches Kichern entwickelte sich bald zu einem ausgewachsenem Lachanfall, in den Aireen auch bald wieder mit einstimmte. Schließlich beruhigten sie sich und ließen sich erschöpft auf das Bett fallen. „Morgen haben wir garantiert Muskelkater. Mir tut der Bauch ganz schön weh“, japste Aireen, was Lucrecia wiederum mit einem leisen Kichern kommentierte. „Der arme Vincent, er muss sich nicht nur mit diversen Monstern herum plagen, sondern auch noch mit leicht bekleideten Frauen“, witzelte sie noch, bevor sie sich wieder aufrichtete und etwas ernster hinzufügte: „So, jetzt wird gefrühstückt! Und dann kontrollieren wir dein Fieber.“ Missmutig gab Aireen ihr Einverständnis und nachdem sie fertig gegessen hatte, ließ sie die Untersuchung von Lucrecia schweigend über sich ergehen. Als dann das Fieber messen an der Reihe war, starrte die Wissenschaftlerin ungläubig das Messgerät an. „Dein Fieber scheint komplett verschwunden zu sein“, erklärte sie dann verstört. „Das ist doch gut, oder?“, fragte Aireen stirnrunzelnd. „Schon, aber... es ist äußerst ungewöhnlich. Gestern warst du noch so krank, dass du kaum das Bett aus eigener Kraft verlassen konntest, und heute bist du wieder putzmunter...“ Lucrecia musterte sie nachdenklich, bevor sie zu einem Entschluss kam. „Du bleibst heute noch im Bett. Wahrscheinlich ist die Verbesserung nur zeitweilig und du klappst in ein paar Stunden wieder zusammen.“ „Aber ich fühl' mich großartig!“, protestierte Aireen, hüpfte aus dem Bett und machte ein paar Dehnübungen, wie um ihre Worte zu unterstreichen. „Keine Widerrede. Wenn sich dein Zustand bis heute Abend nicht verschlechtert hat, können wir weiter diskutieren. Aber bis dahin bleibst du hier“, meinte Lucrecia gespielt streng und überließ Aireen für den Rest des Tages ihrer Langweile. Diese starrte erst eine Zeit lang aus dem Fenster. Da der Anblick eines überwucherten Gartens, der an einen verwitterten Berg grenzte aber nicht sonderlich interessant war, beschäftigte sie sich mit dem Aufräumen ihres Zimmers. Als nach einer halben Stunde nichts mehr da war, was sie wegräumen konnte, machte sie sich auf den Weg zu Vincent's Quartier. Mit der Absicht, sich ein Buch von dem Turk aus zu leihen, klopfte sie an. Ein gedämpftes „Herein“ war zu hören und sie betrat das Zimmer. Vincent saß an seinem Schreibtisch und arbeitete an seinem Laptop. Als Aireen die Tür hinter sich schloss, sah er auf und musterte sie stirnrunzelnd. „Sollten Sie sich nicht ausruhen?“ „Schon, aber mir ist langweilig und ich wollte fragen, ob Sie mir vielleicht ein Buch ausleihen könnten...?“, fragte Aireen hoffnungsvoll. Vincent nickte, erhob sich und ging zu seinem Bücherregal. „An was hatten Sie gedacht?“, erkundigte er sich, als Aireen neben ihn trat und interessiert die Buchtitel durchlas. „Mmh... ein Buch über die Geschichte Gaia's wär' nicht schlecht.“ Dann fiel ihr ein Buch auf, das den verlockenden Titel „Turk – Handbuch“ trug. Zögernd nahm sie es aus dem Regal und betrachtete es neugierig. Nicht, dass es viel zu betrachten gab. Der Buchumschlag war ein schlichtes schwarz und darauf stand in weißen Buchstaben der Titel. Aireen runzelte die Stirn. Irgendwie hatte sie das Gefühl, das Buch schon einmal gesehen zu haben. „Interessante Wahl“, meinte Vincent und schreckte sie damit aus ihren Gedanken. Er reichte ihr einen dicken Wälzer mit der Aufschrift „Geschichte Gaia's“. „Das dürfte Sie eine Weile beschäftigen“. Aireen bedankte sich herzlich, bevor sie mit ihren zwei neu erworbenen Büchern in ihr Zimmer zurückkehrte und sich den Rest des Tages die Zeit mit Lesen vertrieb. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent wartete schweigend, bis sie ihr Zimmer verlassen hatte und wandte sich dann wieder seinem Laptop zu. Er suchte nun schon den ganzen Tag sämtliche Datenbänke nach Beiträge über Aireen Ceylan ab, konnte bisher allerdings noch nichts finden. Seufzend lehnte er sich in seinem Sessel zurück und dachte nach. °Sie ist in keiner Universität eingetragen. Und ich kann keine Stadt finden, in der sie jemals registrierte Bürgerin war und Arbeiten hatte sie anscheinend auch keine. Entweder ist das nicht ihr richtiger Name, oder sie ist nicht von dieser Welt°. Er schüttelte den Kopf. °Vielleicht steht sie irgendwo unter einem anderen Namen...° Diesmal gab er nur ihren Vornamen an – und beobachtete missmutig, wie die Liste immer länger wurde. Anscheinend gab es nicht gerade wenige „Aireens“ in Gaia. °So wird das nichts°. Schlecht gelaunt klappte er seinen Laptop zu und starrte aus dem Fenster. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Lucrecia fand Aireen, wie sie auf ihrem Bett lag und las. Ganz in ihr Buch vertieft bemerkte diese ihre Besucherin erst, als diese ihr „die Geschichte Gaia's“ abnahm und es auf den kleinen Nachttisch neben ihrem Bett legte. Verdattert sah sie auf und in das lächelnde Gesicht der Wissenschaftlerin. „Du scheinst die Zeit ja ganz gut überbrückt zu haben. Lust auf Abendessen?“ Aireen nickte eifrig und sprang auf. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen hatte. Sie war so von den verschiedenen Kampftechniken aus dem Turk Handbuch fasziniert gewesen, dass sie gar keine Zeit gehabt hatte, sich über das ausgefallene Mittagessen Gedanken zu machen. Als auch Vincent von Lucrecia genötigt wurde, seinen Laptop zu verlassen um etwas zu essen, gingen die drei gemeinsam nach unten. Der Tisch war schon gedeckt und sie nahmen Platz. Während sich Aireen ein Brötchen schmierte, plauderte sie mit Lucrecia und stellte Vincent Fragen zu seinem Buch. Dieser schien anfangs überrascht, dass sie das Thema so sehr interessierte, beantwortete dann aber fachkundig alle Fragen. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich. Dann betrat Hojo die Küche. Schlagartig verstummten die Konversation und es wurde mucksmäuschen still. Während Vincent und Lucrecia den Wissenschaftler nur erstaunt ansahen, da er eher selten in der Küche anzutreffen war, blickte Aireen geradezu entsetzt. Sie hatte nicht erwarte, Hojo so bald wiederzusehen. Und sie dachte mit Schrecken an seine Reaktion aufgrund ihrer Krankheit, die höchstwahrscheinlich sein Projekt aufgehalten hatte, da sich Lucrecia zu ihrer persönlichen Pflegerin ernannt hatte. Die Stimme der Wissenschaftlerin holte sie zurück in die Wirklichkeit. „Hojo, was für eine Überraschung! Es tut uns Leid, dass wir ohne sie angefangen haben; hätten wir gewusst, dass sie mit uns zu Abendessen gedenken, hätten wir selbstverständlich gewartet“, meinte Lucrecia freundlich und sprang auf. „Ich bin nicht wegen dem Abendessen hier, Dr. Crescent“, giftete er sie an. Dann wandte er sich zu Aireen, die schwer schluckte und den Kopf vorsichtshalber schon einzog. „Wie ich sehe, geht es unserem Gast wieder gut“, meinte er und verengte die Augen zu Schlitzen. „Wieso sieht das Anwesen dann noch genauso schmutzig aus wie vor ihrer Ankunft, Ms. Ceylan?“ Aireen erschauerte unter dem kalten Blick, mit dem der Wissenschaftler sie betrachtete und stotterte: „Also... Ich-“ „Sie ist erst seit heute Morgen wieder auf den Beinen, Professor!“ verteidigte Lucrecia sie und funkelte Hojo zornig an. „Zudem hat sie bevor sie krank wurde schon viel erledigt und-“ „Ich habe mit Ms. Ceylan gesprochen, Dr. Crescent!“, unterbrach sie Hojo wütend, ohne die Augen von Aireen abzuwenden. „Anstatt bei der Fertigstellung des Projektes beizutragen behindern Sie es. Nennen Sie mir also einen vernünftigen Grund, Sie nicht sofort vor die Tür zu setzten, Ms. Ceylan!“ Aireen's Gedanken rasten. Was sollte sie bloß antworten? °Irgendwie hat er ja sogar recht, ich bin nur eine Bürde. Es war schon erstaunlich genug, dass er mich ohne weiteres aufgenommen hat. Und nun hat er einen guten Grund gefunden warum er mich wieder loswerden will°, dachte sie niedergeschlagen. Zu ihrem Erstaunen war es diesmal Vincent der sprach. „Ich kann ihre Bedenken verstehen, eine Fremde hier aufzunehmen, wo Sie an einem wichtigen Experiment arbeiten, Professor“, meinte dieser bedächtig, den verletzten Gesichtsausdruck Aireen's und Lucrecia's erstaunten Blick gekonnt ignorierend. Hojo sah ihn nur mit hochgezogener Augenbraue an und wartete ungeduldig darauf, dass der sonst so schweigsame Turk weiterfuhr. „Allerdings bin ich mir sicher, dass sie ihr möglichstes tun wird, um die verlorene Zeit wieder auf zu arbeiten. Somit wäre sie eine gute Hilfe, die uns zudem wenig kosten würde. Wenn nötig könnten wir ShinRa sogar davon überzeugen, für die zusätzlichen Kosten aufzukommen.“ Als Vincent schwieg, warteten sie gespannt auf die Reaktion des Wissenschaftlers. Dessen zorniger Gesichtsausdruck war einem nachdenklichen gewichen und nun musterte er Aireen skeptisch. „Aber wie lange werden Sie sich mit einem Quartier und einigen Mahlzeiten zufrieden geben, Ms. Ceylan? Irgendwann werden sie sicherlich ein Gehalt verlangen.“ „So lange es nötig ist, Professor“, antwortete sie und sah dem Wissenschaftler dabei fest in die Augen, um zu unterstreichen, dass sie es wirklich ernst meinte. „In Nibelheim werde ich kaum Arbeit finden, und eine Reise in die nächstliegende Stadt kann ich mir nicht leisten, da ich absolut gar nichts habe. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als hier zu arbeiten, wenn ich nicht draußen übernachten will.“ Gespannt wartete Aireen auf die Reaktion Hojo's der, die Stirn in Falten gelegt, angestrengt nachzudenken schien. Ihr war alles andere als wohl bei dem Gedanken, der Gnade des verrückten Wissenschaftlers ausgeliefert zu sein. Allerdings war es genau so, wie sie gesagt hatte: sie hatte keine andere Wahl. Zudem wollte sie ihre neu gewonnenen Freunde nicht schon wieder verlieren, denn das waren Lucrecia und Vincent für sie. Vielleicht konnte sie mit dem Wissen über die anstehenden Ereignisse den beiden sogar irgendwie helfen. „Na gut, Sie dürfen bleiben. Aber nur so lange unser Projekt durch Ihre Anwesenheit nicht gefährdet wird“, meinte Hojo schließlich widerwillig, drehte sich um und verließ die Küche. Aireen stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Vorerst musste sie sich keine Sorgen darüber machen, wie sie in der neuen Welt zurecht kommen sollte. Lucrecia strahlte sie an und sogar über Vincent's Gesicht huschte die Andeutung eines Lächelns. „Danke“, murmelte sie leise bevor sie sich wieder dem Abendessen zuwandte. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Nachdem Aireen mit der Hilfe Lucrecia's, die sich partout nicht abwimmeln ließ, noch schnell den Abwasch erledigt hatte, kehrten sie in ihre jeweiligen Quartieren zurück, um sich schlafen zu legen. Zumindest war das Aireen's Absicht, als sie ihr Zimmer betrat, sich schnell umzog und in ihr Bett kuschelte. Kurze Zeit später schlief sie auch schon. Lucrecia hingegen gedachte noch etwas zu arbeiten. Schon den ganzen Tag plagte sie eine gewisse Gleichung, die einfach nicht aufgehen wollte, und die Wissenschaftlerin wollte diese noch lösen, bevor sie sich etwa Schlaf gönnte. Auch Vincent wollte noch arbeiten – allerdings hatte seine Arbeit herzlich wenig mit seinem Beruf zu tun. Viel mehr beabsichtigte er sich noch etwas näher mit Aireen's Fall zu beschäftigen. Auch wenn er mehrere Tage brauchen würde, um die Liste durch zu arbeiten, wollte er sich doch die Zeit dafür nehmen. Immerhin war es als Leibwächter seine Aufgabe, genaustens über alle Mitbewohner der Villa Bescheid zu wissen, so dass er Lucrecia vor jeglichen Gefahren schützen konnte. °Dr. Crescent. Nicht Lucrecia°, rief er sich innerlich zur Ordnung bevor er sich an die Arbeit machte. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Als die Morgendämmerung einbrach saß Aireen schon hellwach in ihrem Bett. Obwohl sie normalerweise ein ausgesprochener Morgenmuffel war und unter normalen Umständen nicht aus dem Bett zu kriegen war, solange es noch dunkel war, konnte sie beim besten Willen nicht mehr einschlafen. Sie stand also auf und machte sich fit für den Tag, bevor sie sich auf den Weg zur Küche machte. Dort erwartete sie allerdings eine Überraschung, denn diese war leer. Ratlos blieb Aireen in der Tür stehen. Sie war der festen Überzeugung gewesen, dass Lucrecia schon längst auf den Beinen war. Dann fasste sie den Entschluss, selbst für das Frühstück zu sorgen. Gesagt getan. Als alles vorbereitet war und noch immer niemand zu sehen war, entschied Aireen die Schlafmützen zu holen. Kurze Zeit später stand sie vor Vincent's Quartier und klopfte leise an. Als sie keine Antwort erhielt, öffnete sie die Tür einen Spalt breit und lugte vorsichtig ins Zimmer. Verwundert stellte sie fest, dass helles Sonnenlicht durch das Fenster herein schien und das Bett unbenutzt war. °Wo ist er denn um die Uhrzeit schon?° überlegte Aireen stirnrunzelnd. Dann legte jemand ihr eine Hand auf die Schulter und sie fuhr mit einem erstickten Schrei herum. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, erkundigte Vincent, sichtlich amüsiert. Sie fasste sich ans Herz und versuchte, sich zu beruhigen. „Müssen Sie mich so erschrecken?“, fragte Aireen vorwurfsvoll. So langsam beruhigte sich ihr Herzklopfen wieder. „Entschuldigen Sie. Haben Sie mich gesucht?“ „Ja, also, eigentlich wollte ich nur Bescheid sagen, dass das Frühstück schon fertig ist.“ Vincent nickte nur und wanderte Richtung Küche, während Aireen zu Lucrecia's Zimmer ging. Während ihrer großen Putzaktion vor zwei Tagen hatte sie einen Großteil der Villa erkundet und so auch herausgefunden, wo die Wissenschaftlerin übernachtete. Wieder klopfte sie leise an und wieder erhielt sie keine Antwort. °Da haben die beiden wohl eine Gemeinsamkeit°, dachte Aireen heiter und betrat auf leisen Sohlen das Zimmer. Im Gegensatz zu Vincent's Quartier waren hier die Rollläden hinuntergelassen und es war demnach noch dunkel. Die einzige Lichtquelle war eine kleine Lampe, die auf dem Schreibtisch stand und die darauf liegende Wissenschaftlerin beleuchtete. Sie war anscheinend über ihrer Arbeit eingeschlafen. Sanft schüttelte Aireen ihre Schulter, woraufhin Lucrecia sofort aufschreckte und sich verdattert umblickte. „Was..?“ „Guten Morgen, Dr. Crescent. Schön, dass Sie auch schon wach sind. Oder sollte ich schon wieder sagen?“ Stirnrunzelnd besah sich Aireen die herumliegenden Papiere, über denen Lucrecia wohl die ganze Nacht gebrütet hatte. „Guten Morgen, Aireen. Ich bin wohl über den Gleichungen eingenickt,“ meinte sie und seufzte. „Und ich hab' den Fehler noch immer nicht gefunden...“ „Kann ich sie mir mal anschauen? Ich bin zwar kein Mathe-Genie, aber...“ Wortlos reichte Lucrecia ihr die Papiere. Aireen nahm auf dem Bett Platz und las sich alles konzentriert durch. Hoffnungslos beobachtete die Wissenschaftlerin, wie die junge Medizin-Studentin ihre Stirn in immer tiefere Falten legte. Zu ihrer Überraschung erhellte sich ihr Gesicht dann und Aireen strahlte sie an. „Ich versteh' zwar kein Wort von dem, was hier steht, aber ich glaube, du hast hier die Zeichen verwechselt“, erkläre sie aufgeregt und deutete auf eine Zeile. Stirnrunzelnd sah sich Lucrecia diese an. Dann fiel sie der erstaunten Aireen lachend um den Hals. Benommen tätschelte diese ihr den Rücken. „Vielen Dank! Ich hätte das ganze noch zwanzig Mal lesen können und den dämlichen Fehler trotzdem übersehen...“ Als Lucrecia sie endlich aus ihrem Würgegriff erlöste, fiel Aireen ein, warum sie eigentlich ursprünglich gekommen war. „Ach ja, ich wollte dich eigentlich zum Frühstück abholen“. Nachdem sie noch schnell etwas Ordnung in die fliegenden Blätter gebracht hatten, gingen sie gemeinsam zur Küche, wo Vincent schon auf sie wartete. Hojo war zur Freude aller nicht anzutreffen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug. Aireen kümmerte sich vornehmlich um den Haushalt und half ab und zu Lucrecia bei ihrer Arbeit. Meistens verstand sie allerdings nicht im geringsten, was die Wissenschaftlerin ihr zu erklären versuchte, und beschränkte sich somit auf das Kontrollieren einfacher mathematischer Aufgaben. Vincent hatte es irgendwann aufgegeben, weiterhin sämtliche in Gaia registrierte „Aireens“ nach Vermisstenanzeigen abzusuchen. Selbst wenn sie ihren Namen gefälscht haben sollte stellte sie keine Gefahr da, solange er sie im Auge behielt. Die meiste Zeit begleitete er sowieso Lucrecia, wo auch immer es hinging und bewachte sie vor jeglichen Gefahren. Ein paar Mal verließen sie sogar die Villa für ein paar Tage um irgendwelche Forschungen anzustellen. Aireen war nicht wohl bei dem Gedanken, alleine mit Hojo zurück zu bleiben, doch sie erfüllte pflichtbewusst ihre Aufgaben und vermied es, den Wissenschaftler zu reizen. Dieser verließ nur sehr selten sein Labor – Aireen vermutete, dass er sogar manchmal dort übernachtete – und wenn er doch einmal außerhalb anzutreffen war, ignorierte er sie einfach. Das war ihr nur recht so. Es war Mitte Oktober, als Lucrecia und Vincent von einem mehrtägigen Ausflug nach Cosmo Canyon zurückkehrten. Aireen war gerade dabei, den Flügel in der Eingangshalle zu entstauben als die beiden die Villa betraten. Ein eisiger Windhauch wehte zur Tür herein und lies die Medizinstudentin erschauern. Hier in Nibelheim schien es die meiste Zeit des Jahres recht kühl zu sein – selbst im Sommer stiegen die Temperaturen selten über 25 ° C. Nun, als man sich schon mit großen Schritten dem Winter näherte, war es während des Tages kalt und während der Nacht eiskalt. Natürlich war die Villa nicht geheizt. Hojo war zu geizig um seine Haushälterin zu bezahlen, da kam es auch nicht in Frage, viel Geld für Heizöl auszugeben. Nur in den Quartieren standen kleine Elektroofen, die im Notfall eingeschaltet werden konnten. Notfall bedeutete, wenn die Temperaturen sich dem Gefrierpunkt näherten. Davor sollte man sich „warm zu decken“, wie der Wissenschaftler meinte. Momentan trug Aireen also drei Pullovers Lucrecia's übereinander. Auch die beiden Neuankömmlinge waren schön eingemummt: beide waren in warme Pelzmäntel gehüllt und ihre Gesichter waren unter den dicken Mützen und den um den Hals geschlungenen Schals kaum zu sehen. „Wir sind wieder da“, rief Lucrecia enthusiastisch und begrüßte Aireen mit einer stürmischen Umarmung. „War Hojo nicht allzu gemein während unserer Abwesenheit?“, fragte sie flüsternd. Aireen schüttelte nur den Kopf, bevor sie Vincent anlächelte, der ihr als Begrüßung nur zunickte. Sie verstand sich mittlerweile bestens mit der Wissenschaftlerin und hatte sie als große Schwester ins Herz geschlossen. Vincent hingegen hielt lieber seine Distanz und obwohl sie sich im Grunde genommen gut verstanden, war ihre Freundschaft, wenn man es als eine bezeichnen konnte, doch recht kühl. Der Turk öffnete sich einfach nur ungern anderen Menschen gegenüber und nur in Lucrecia's Gegenwart taute er manchmal auf. Aireen hatte sich inzwischen daran gewöhnt und seine manchmal etwas kalte Art akzeptiert. Lucrecia löste sich von ihr und musterte sie nun kritisch. „Ist dir nicht kalt?“ Aireen verneinte dies und zeigte ihr die dicke Schicht aus Pullovern, die sie trug. Dann musste sie herzhaft niesen. Sie wollte gerade ein Taschentuch aus den Tiefen ihrer Taschen herauskramen als Vincent ihr auch schon eines hinhielt. Überrascht nahm sie an und bedankte sich. „Vincent hat sich auf unsere Reise auch etwas erkältet...“, erklärte Lucrecia. Wie um ihre Worte zu unterstreichen brach der Turk in einen Hustenanfall aus und die Wissenschaftlerin musterte ihn besorgt. Dann wurde ihr Gesichtsausdruck entschlossen. „Demnächst gehen wir mal einkaufen! Wir brauchen alle wärmere Sachen, vor allem du, Aireen. Du kannst nicht ewig in meinen abgetragenen Pullovern rumlaufen.“ Aireen sah die Wissenschaftlerin nur perplex an. Schließlich meinte sie niedergeschlagen: „Aber ich hab noch nicht mal Geld...“ „Wofür hat man Freunde? Natürlich werde ich bezahlen. Sieh es als Dankeschön für deine gelegentliche Hilfe bei meinen Gleichungen.“ „Aber das kann ich doch nicht annehmen“, meinte die Medizinstudentin nur schwach und wusste schon, dass sie Lucrecia mit keinen Worten mehr von ihrem Entschluss abbringen konnte. Zu ihrer Verwunderung meldete sich nun auch Vincent zu Wort. „Dr. Crescent hat recht. Der Winter hier in Nibelheim ist hart.“ Er zögerte kurz. „Und ich werde auch einen Teil der Kosten übernehmen,“ fügte er noch nobel hinzu, wohl um Lucrecia's Konto zu entlasten. Diese seufzte nur. „Einfach Lucrecia, Vincent,“ tadelte sie. „Jedenfalls ist es sehr edel von dir, Aireen unterstützen zu wollen. Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass ihr euch nicht mögt, wo ihr nach vier Monaten euch noch immer siezt...“ Vincent und Aireen sahen sich betroffen an. Beiden war es klar, dass Lucrecia das nur sagte, um sie dazu zu bringen, sich endlich mit dem Vornamen anzureden. Dem Turk war es unangenehm, weil er einfach nicht anders konnte, als höflich zu sein, und die Medizinstudentin wusste dies, weshalb auch sie es vermied, ihm nicht respektvoll zu begegnen. Zu Lucrecia's Überraschung war es Vincent, der sein Schweigen als erstes überwand. „Ms. Cey- Aireen ist eine nette Person“, sagte er stockend. Es fiel ihm sichtlich schwer, ihren Vornamen auszusprechen. Diese grinste nur und meinte: „Ich mag dich auch, Vincent.“ Mit diesen Worten griff sie sich zwei von Lucrecia's Koffern und verschwand damit Richtung Quartiere. Sie ließ einen äußerst perplexen Turk und eine kichernde Wissenschaftlerin zurück. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Hojo saß in seinem unterirdischen Arbeitszimmer und blätterte durch einen Wälzer. Neben ihm stapelte sich schon ein erstaunlicher Bücherhaufen, Zeuge seiner vielen Recherchen. Denn er arbeitete sich nun schon seit Wochen durch die verschiedenen Werke der riesigen Bibliothek in der Shinra-Villa. Um genau zu sein hatte er zu dem Zeitpunkt angefangen, als Aireen sich endgültig bei ihnen einquartiert hatte. Er war sich beinahe sicher, sie von irgendwo zu kennen, konnte dieses Gefühl aber nicht zuordnen. Und wenn es etwas gab, was der verrückte Wissenschaftler hasste, war es eine Frage auf die er die Antwort nicht kannte: wer war sie? Er hatte dieses Frage eigentlich auf sich beruhen lassen wollen – er hatte besseres zu tun, als sich mit der Vergangenheit seiner neuen Haushälterin zu beschäftigen – doch ließ in der Gedanke nicht los, dass sie von wichtiger Bedeutung war. Nach was genau er suchte, wusste er auch nicht, denn es war höchst unwahrscheinlich, dass sie in irgendeinem der hier vorhanden Büchern vorkam. °Verdammt! Ich sollte mich besser auf das Projekt konzentrieren anstatt irgendwelchen Gespenstern hinterher zu jagen!°, überlegte Hojo und schnaubte wütend. Dann kam ihm eine Idee und ein böses Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. °Ich werde sie einfach zu meinem neusten Subjekt machen. So kann ich die Wirkung Mako's an einem Menschen testen und werde die lästige Ablenkung, die sie darstellt womöglich sogar los.° Der Wissenschaftler machte sich sofort an die Arbeit. Kapitel 4: Ausflug mit Folgen ----------------------------- Da es nun schon einen Monat her ist, dass ich das letzte Mal upgedatet habe, ist dieses Kapitel ungebetat. Wer sich das nicht antun will, mein Beta sollte in den nächsten Tagen fertig sein ;) Viel Spaß! ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Wir sind dann mal weg, Vincent!“, rief Lucrecia fröhlich und war schon, zusammen mit Aireen, auf dem Weg zur Tür. „Das gefällt mir nicht Dokto- Lucrecia“, meinte Vincent unglücklich. Angesprochene blieb überrascht stehen. Der Turk schien es sehr ernst zu meinen wenn er sich sogar überwand, sie mit Vornamen anzusprechen um sich Gehör zu verschaffen. „Was soll schon passieren? Wir gehen nur kurz ein paar Sachen; bisher war das noch immer sicher“, versuchte die Wissenschaftlerin ihn zu beruhigen. Vincent schien jedoch nicht sonderlich überzeugt. Bevor er aber noch etwas erwidern konnte mischte sich Aireen ins Gespräch. „Ich werd schon auf sie aufpassen, Vinc. Mach dir keine Sorgen.“ Der Turk runzelte nur die Stirn. Zum einem hasste er den Spitznamen, den Aireen ihm manchmal gab um ihn aufzuziehen. Zum anderen glaubte er nicht, dass diese in der Lage war sich selbst zu schützen, geschweige denn auch noch andere. „Es wäre besser wenn du dich noch etwas ausruhst, Vincent. Du hattest bis vor kurzem noch Fieber und es ist unnötig deine Gesundheit nun schon wieder aufs Spiel zu setzten“, meinte Lucrecia milde. Etwas besänftigt protestierte der Turk nur noch schwach. „Wieso warten wir dann nicht, bis ich euch begleiten kann?“ Weil heute der letzte Markttag ist! Die Gelegenheit dürfen wir nicht verpassen!“, erklärte Aireen mit leuchtenden Augen. Davon abgesehen, dass sie eine Frau war und von Natur aus gern shoppen ging, war sie auch sehr neugierig wie ein Markt in Gaia aussah. °Sicher bieten die unzähligen exotische Sachen an!° Lucrecia winkte dem beunruhigten Turk noch ein letztes Mal bevor sie sich bei Aireen unterhakte und mit den Worten „Wir bringen dir auch etwas schönes mit“ die Villa verließ. Gemeinsam machten sich die beiden Frauen auf den Weg zu dem Platz, wo der Markt aufgerichtet worden war. Dieser befand sich etwas außerhalb von Nibelheim auf einer größeren Wiese, da das Dorf eindeutig zu klein war, um alle Stände der verschiedenen Kontinente aufzunehmen. Ein kleiner Fußmarsch über eine kleinere Wiese und durch einen dünnen Streifen Wald lag also noch vor ihnen, bevor sie den Platz erreichten. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent seufzte nur und ließ seine Schützlinge widerwillig ziehen. Er hoffte nur, dass Lucrecia recht behielt und ihnen wirklich nichts passierte. Lustlos kehrte er in sein Zimmer zurück und widmete sich seiner Arbeit. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich die Akten, die er in den letzten Tagen aufgrund seiner Krankheit vernachlässigt hatte. Abermals seufzend ließ er sich in seinen Stuhl fallen und machte sich an die Arbeit. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Etliche Stunden später schleifte Lucrecia Aireen zu einem Stand der ausschließlich Schale und Mützen verkaufte. Beide Frauen trugen jeweils zwei Tüten gefüllt mit allerlei exotischen Lebensmittel und anderen Kleinigkeiten, und die Medizinstudentin konnte drei weitere Tüten voller Kleider ihr eigen nennen. Die Wissenschaftlerin deutete auf einen roten Schal, den der Verkäufer ihr sogleich reichte und bewunderte das wunderschöne Muster und die Weichheit des Stoffes. „Der würde Vincent sicher gefallen, oder was meinst du?“, fragte sie Aireen, die darauf nur nickte. Auch wenn es sehr interessant war, sich die verschiedenen Stände anzusehen war sie nach gut fünf Stunden dauershoppen nun doch etwas erschöpft und wollte gerne in die Villa zurückkehren. Lucrecia ließ sich den Schal noch schön einpacken und bezahlte. Dann machten sie sich auf den Heimweg. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ In der Zwischenzeit hatte sich Vincent durch seinen Berg Akten gekämpft und saß nun vor der letzten, die erst heute morgen eingetroffen war. Ihm war unverständlich, warum er noch immer alles per Post zugeschickt bekam, wo es doch viel einfacher und schneller war, eine Email zu schicken. °Wahrscheinlich quält der Konzern seine Angestellte einfach nur gerne°, dachte er missmutig und überflog die Seite gelangweilt bis er bei einer Zeile stockte. Er las sie noch einmal und erbleichte. Dann sprang er auf, schnappe sich seine Cerberus und stürmte aus dem Raum. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Gemächlich schlenderten Lucrecia und Aireen den schmalen Waldweg entlang und tratschen über Gott und die Welt. Plötzlich blieb die Medizinstudentin stehen und gebot Stille. Alarmiert versuchte sie etwas zwischen den Bäumen zu erkennen und spitzte die Ohren, um etwaige Geräusche wahrzunehmen Lucrecia rückte näher an sie heran und fragte flüsternd: „Was ist los?“ Diese schüttelte nur den Kopf. „Ich dachte, ich hätte etwas gehört. Bin wohl einfach nur müde.“ Gerade als die Frauen weitergehen wollten knackte es zu ihrer rechten, als sich schwere Schritte einen Weg durch das Unterholz bahnten. Dann hörten sie Lachen und ein Mann verließ den Schutz der Bäume, trat auf den Weg und hinderte sie somit am Weitergehen. Er hatte die Statur eines Kämpfers: hochgewachsen und breitschultrig. Schwarze, verfilzte Haare rahmten sein kantiges Gesicht ein, das von einem kurzen Bart geziert wurde. Seine zum größten Teil braunen Kleider waren schmutzig und zerrissen. Wenn man vom einem dicken Fellmantel absah war er nur leicht bekleidet. Doch ließ er sich nicht anmerken, ob er fror. Dunkle Augen musterten die beiden Frauen und ein boshaftes Grinsen verzerrte sein Gesicht. „Wen haben wir denn da?“ Seine Stimme war überraschend angenehm und passte so gar nicht zu seinem abstoßendem Aussehen. Langsam näherte er sich den Frauen, die im gleichen Tempo zurückwichen. Bis schwere Schritte sich ihnen von hinten näherten, woraufhin sie erschrocken inne hielten und sich umdrehten. Hinter ihnen stand ein weiterer Mann und versperrte ihnen den Fluchtweg. Er glich seinem Gefährten bis auf das letzte Haar und nur die Tatsache, dass er keinen Bart trug, ließ es zu, die beiden zu unterscheiden. °Eindeutig Zwillinge°, dachte Aireen und sah sich unauffällig nach einem Fluchtweg um. Die beiden hatten ihnen sicherlich nicht aufgelauert um eine nette Unterhaltung zu führen. °Wo ist der verdammte Turk, wenn man ihn mal braucht?!° Lucrecia und Aireen standen inzwischen Rücken an Rücken und ließen die beiden Brüder nicht aus den Augen, die ihre auserwählten Opfer langsam umkreisten. „Was machen zwei hübsche, junge Frauen so ganz alleine im Wald?“, fragte der erste feixend. „Wir haben darauf gehofft, zwei gut aussehenden Männern zu begegnen“, antwortete Aireen sarkastisch. Das Grinsen der Brüder wurde noch größer, bis die Medizinstudentin hinzufügte: „Leider hat sich die Hoffnung noch nicht erfüllt.“ Augenblicklich verschwand das Grinsen und wurde durch einen wütenden Gesichtsausdruck ersetzt. „Zügle deine Zunge, du freche Göre! Für wen hältst du uns?!“ Aireen setzte schon zu einer scharfen Antwort an, aber Lucrecia kniff sie warnend und sie schwieg lieber. „Schon besser. Zeige Respekt vor den gefürchteten Brüdern Raijin und Fujin!“, protzte er und feixte nun wieder selbstgefällig, während er abermals einen Schritt näher kam. Angespannt beobachtete Aireen ihn und bereitete sich innerlich auf einen Angriff vor. °Ich hab Vinc versprochen auf Lucrecia aufzupassen. Selbst wenn es nur ein Scherz sein sollte, werde ich mein Wort sicher nicht brechen“, dachte sie entschlossen. „Fujin, du passt auf die beiden auf während ich mir den Inhalt der Tüten ansehe“, befahl der Bärtige, der demnach Raijin hieß. Fujin nickte nur und griff nach Lucrecias Arm. Offensichtlich hatte er keinen Widerstand erwartet, denn die Wissenschaftlerin riss sich problemlos los und ohrfeigte ihn. Benommen hielt sich dieser die Wange. Der Schlag hatte ihn wohl mehr überrascht als ihm weh getan, denn nach einer Weile starrte er Lucrecia mit zu Schlitzen verengten Augen böse an. Diese bekam das gar nicht mit – überrascht von ihrer Tat betrachtete sie erstaunt ihre Hand. Dann stürzte er sich knurrend auf sie. Er hatte allerdings Aireen vergessen, die sich ihm todesmutig in den Weg stellte und anstatt der Wissenschaftlerin zu Boden gerissen wurde. „Raijin, die andere!“, waren die ersten Worte die Fujin überhaupt sprach. „Lauf, Lucrecia! Ich komm schon klar!“, rief Aireen vom Boden aus, während sie sich verzweifelt gegen den viel kräftigeren Mann zur Wehr setzte. Die Wissenschaftlerin erwachte allerdings zu spät aus ihrer Erstarrung und Raijin fasste sie, bevor sie sich auch nur rühren konnte. „So einfach kommt ihr mir nicht davon!“, knurrte er wütend und lachte boshaft, als Lucrecia vergeblich versuchte, sich loszureißen. Auch Aireen hatte den Kampf verloren und wurde nun unsanft von Fujin auf die Beine gezerrt. Dann beschlossen die Brüder, die beiden Frauen zu fesseln. Nach getaner Arbeit machten sie sich an die Untersuchung der Tüten, während Lucrecia und Aireen nur hilflos zusehen konnten, wie die neuen Kleider achtlos in den Dreck geworfen wurden. Anscheinend fanden die Räuber nicht, was sie suchten, denn sie ließen die Tüten mit deren Inhalt mehr oder weniger unberührt und wandten sich sichtlich frustriert ihren Gefangenen zu. „Wo ist euer Geld?“ Als sie keine Antwort erhielten, was daran lag, dass weder Aireen noch Lucrecia etwas übrig hatten nach ihrer Shoppingtour, platzte Raijin der Kragen. „Verdammt! Weder Geld noch Wertsachen habt ihr dabei..“ Er fluchte noch eine ganze Weile. Dann hielt er abrupt inne und seine Wut verschwand augenblicklich. Aireen mochte den Ausdruck in seinen Augen ganz und gar nicht, als er sich ihnen nun wieder feixend näherte. „Ich glaube, wir nehmen euch mit. Für zwei hübsche Frauen hat man doch immer Verwendung“, meinte er und musterte Lucrecias Körper lüstern. Als Aireen begriff, was er damit meinte, wurde ihr schlagartig eiskalt und sie konnte den auftretenden Brechreiz nur knapp unterdrücken. °Diese perversen Mistkerle. Ich muss mir jetzt schnell was einfallen lassen°, dachte die Medizinstudentin und überlegte fieberhaft, wie sie sich aus ihrer misslichen Lage befreien konnte. Dann fiel ihr das Handbuch der Turks ein, das sie sich von Vincent geliehen hatte. °Da stand doch drin, wie man Knoten lösen und sich gegen stärkere Gegner zu Wehr setzte kann. Zu dumm nur, dass ich nur die Theorie kenne... Was solls, kann ja nur schief gehen.° Während Aireen versuchte, unauffällig die Fesseln zu lösen, kam Raijin immer näher. Bis er von seinem Bruder gestoppt wurde, der ihm die Hand auf die Schulter legte und den Kopf schüttelte. „Wir haben keine Zeit für so was. Hast du vergessen, dass wir auf der Flucht sind?“, meinte Fujin. Daraufhin brach zwischen den Brüdern eine heftige Diskussion aus, bei der sie ihre Opfer zeitweilig vergaßen. Das war Aireen nur recht, die weiter mit ihren Fesseln kämpfte und erstaunlich gut voran kam. Anscheinend hatten die Räuber es nicht für nötig gehalten, festere Knoten zu machen. Bald hatte sie sich befreit und wollte sich schon Lucrecia zuwenden, die bisher ergebnislos an ihren eigenen Binden zerrte, als die Gebrüder sich endlich einigten und auf sie zukamen. Schnell machte Aireen wieder einen losen Knoten, so dass es aussah, als wäre sie noch gefesselt. Sie wollte den richtigen Moment abwarten, um ihren Befreiungsversuch zu starten „Wir haben uns darauf geeinigt, euch nur ein Stück mitzunehmen. Aber keine Sorge, unser Abschiedsgeschenk wird euch sicherlich gefallen“, erklärte Raijin spöttisch und warf sich Lucrecia über die Schulter. Fujin wollte schon das gleiche mit Aireen machen, als diese sich zum Angriff bereit machte. °Jetzt oder nie!“, dachte sie und stürzte sich mit einem Kampfschrei auf den verblüfften Fujin. Dieser war von dem Angriff total überrumpelt und ging zu Boden. Sie wartete nicht lange darauf, dass dieser sich erholte und bevor er sich wieder aufrappeln konnte, startete sie auch schon den nächsten Angriff, diesmal auf Raijin. Dieser war allerdings schneller als sein Bruder und wich problemlos aus. Dann wollte er Aireen packen, hatte aber nicht mit dem Widerstand Lucrecias gerechnet, die sich nun wild umherwarf und nach ihm trat. Er verlor das Gleichgewicht und schlug hart auf dem Boden auf, während die Wissenschaftlerin mehr oder weniger sanft auf ihm landete. Schnell half Aireen ihr wieder auf die Beine und zog sie von den Brüdern weg. „Lauf! Hol Vincent, ich verschaff dir Zeit!“, rief die Medizinstudentin tapfer. Lucrecia starrte sie nur ungläubig an und wollte schon protestieren, als Aireen ihr das Wort abschnitt: „Lauf schon, du kannst helfen, in dem du Hilfe holst!“ Widerwillig nickte die Wissenschaftlerin und lief los, nicht ohne ihr noch einen besorgten Blick zu zu werfen. Aireen schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln, dann nahm sie eine defensive Haltung an. Die Brüder hatten sich derweil wieder aufgerappelt und näherten sich ihr langsam. „Du glaubst doch nicht etwa im Ernst, dass eine einzige, schwache Frau uns aufhalten kann?“, fragte Raijin höhnisch. Aireen schluckte schwer und schwieg. °Warum fällt mir erst jetzt auf, dass die mindestens 2 Köpfe größer sind als ich?°, dachte sie etwas panisch und wich einige Schritte zurück. Dann stürmte Fujin auch schon auf sie los. °Verdammte Scheiße! Warum muss ich auch unbedingt die Heldin spielen?!° Darum bemüht, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen konzentrierte sie sich auf den Angriff. °Mal schauen, was ich aus meiner Zeit im Judo Klub noch kann.° Im letzten Moment wich sie dem eher plumpen Angriff aus, duckte sich unter den zugreifenden Händen hinweg und stellte ihm gleichzeitig ein Bein. Dann gab sie ihm noch einen kräftigen Schubs. Zu spät versuchte er auszuweichen. Er wurde von seinem eigenen Schwung weiter getragen, stolperte und kam ins straucheln. Der zusätzliche Schubs gab ihm letztendlich den Rest , er verlor das Gleichgewicht und machte – wieder einmal – Bekanntschaft mit dem Boden. Bevor sie sich allerdings über ihren kleinen Triumph freuen konnte griff auch schon Raijin an. Dieser war viel flinker als sein Bruder und so blieb Aireen zu wenig Zeit, sich auf die Attacke vorzubereiten. Dem Faustschlag konnte sie gerade noch ausweichen. Den Tritt sah sie allerdings zu spät kommen und wurde mit voller Wucht in den Bauch getroffen. Sie flog knapp zwei Meter durch die Luft, bevor ein Baum sie abrupt bremste und sie an dem Stamm zu Boden rutschte. Verzweifelt kämpfte sie gegen die drohende Ohnmacht, die sie zu übermannen versuchte und umklammerte leise wimmernd ihren Bauch. Sie bekam kaum Luft und die Schmerzen in Kopf und Rücken, wo sie gegen den Baum knallte, waren beinahe unerträglich. °Verdammt.. im Film sieht das viel einfacherer aus.° Nur verschwommen nahm sie wahr wie Raijin an sie herantrat und sich feixend über sie beugte. „Na, nun bist du wohl nicht mehr so mutig, was?“, fragte er höhnisch und zog sie an den Haaren in die Höhe, woraufhin Aireen aufschrie und schwach nach ihrem Peiniger schlug. Unbeeindruckt warf er sie sich über die Schulter und ging los. Verzweifelt strampelte sie, doch Raijins Griff war eisern und schließlich gab Aireen ihre vergeblichen Befreiungsversuche auf. „Braves Mädchen“, meinte Raijin spöttisch und tätschelte ihr Bein. °Was tun?°, grübelte die Medizinstudentin, doch das schmerzhafte Dröhnen ihres Kopfes verhinderte jeglichen klaren Gedanken. Plötzlich blieb Raijin stehen und knurrte wütend. Auch Fujin war sthen geblieben und Aireen versuchte vergeblich den Grund für ihr plötzliches Anhalten zu erspähen. „Raijin und Fujin“, sagte eine dunkle Stimme, die Aireen zu ihrer großen Erleichterung als die von Vincent erkannte. „ Ihr seid verhaftet. Ergebt euch ohne Widerstand oder ich werde Gewalt einsetzten müssen“, meinte er nun kalt. Zu Aireens maßlosem Entsetzten lachte Raijin daraufhin nur höhnisch. „ Du vergisst, dass wir eine Geisel haben“, erklärte er und klopfte ihr spöttisch auf den Hintern Vincent schwieg, allerdings war ein Klicken zu hören, das Aireen sagte, dass er seine Waffe entsichert hatte. „Willst du deine Antwort noch einmal überdenken?“, fragte der Turk kalt ohne auf die Drohung des Räubers einzugehen. Aireen schluckte schwer. °Würde er wirklich ohne Rücksicht auf Verluste schießen?° Dann fiel ihr auf, dass Vincent die perfekte Ablenkung bot und startete einen letzten, verzweifelten Befreiungsversuch. Abrupt zog sie ihre Beine an und richtete ihren Oberkörper so weit wie möglich auf. Durch die plötzliche Verlagerung des Schwerpunktes verlor Raijin das Gleichgewicht und ließ seine Geisel fallen. Aireen schlug hart auf ihrem ohnehin schon malträtierten Rücken auf und keuchte aufgrund der neuerlichen Schmerzen. Dann ertönte ein Schuss, gefolgt von einem Schmerzensschrei und Raijin prallte neben ihr auf, sein Bein umklammernd. Dann erklang ein klares „Stopp“ und als Aireen zu Fujin sah, bemerkte sie, dass dieser einfach nur dastand und keinen Muskel rührte. Sie runzelte die Stirn bei dem komischen Verhalten. °Er schien mir keiner zu sein, der so leicht aufgibt.° Bevor sie sich allerdings weiter wundern konnte, hatte sich Lucrecia auch schon auf sie gestürzt und umarmte sie stürmisch. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Haben sie dir etwas angetan?“, murmelte sie und musterte Aireen besorgt. Schwach tätschelte sie der Wissenschaftlern den Rücken. „Was ist passiert? Ich hab dich nicht so schnell zurück erwartet“, fragte sie schwach. Ihr tat noch immer alles weh. Lucrecia schüttelte daraufhin nur den Kopf. „Das erzähle ich dir später. Zuerst bringen wir dich zurück. Kannst du gehen??“ Aireen nickte nur und versuchte sich aufzurichten, was sich allerdings als gar nicht so einfach erwies. Ihr Kopf pochte, wo sie gegen den Baum geknallt war und auch ihr Rücken protestierte gegen etwaige Bewegungen. Als sie schließlich aufrecht saß, spürte sie einen stechenden Schmerz im Bauch, wo sie Bekanntschaft mit der harten Faust Raijins gemacht hatte. Sie blieb also lieber einen Moment sitzen, von Lucrecia leicht gestützt, und sah sich um. Raijin lag noch immer auf dem Boden und umklammerte wimmernd sein angeschossenes Bein, während Vincent gerade dabei war, seinem Bruder Fujin Handschellen anzulegen. Zu Aireens Verwunderung wehrte dieser sich überhaupt nicht stand einfach nur reglos da, ohne eine Miene zu verziehen. Danach wurde noch Raijin gefesselt bevor der Turk sein Handy zückte und ein kurzes Telefonat führte. Was er genau sagte, konnte Aireen nicht hören, da er sich einige Meter von ihnen entfernt hatte. Sie erkannte allerdings, dass er ziemlich eindringlich auf seinen Gesprächspartner einredetet. Nachdem er aufgelegt hatte, kam er wieder zu ihnen zurück. „Der Helikopter ist schon unterwegs. Er wird Raijin und Fujin unverzüglich zurückbringen“, erklärte er den beiden Frauen. „Zurück?“, fragte Aireen verwirrt. „Ins Gefängnis von Junon. Sie waren ausgebrochen. Ich wurde heute erst benachrichtigt, dass sie möglicherweise in diese Richtung kämen“, meinte Vincent ernst. Lucrecia fügte noch hinzu: „Er kam mir schon entgegen, als ich Hilfe holen wollte.“ Schweigend warteten sie auf den Hubschrauber. Dann unterbrach Aireen die unangenehme Stille mit einer Frage: „Wieso haben sich die Brüder dir eigentlich gar nicht widersetzt, Vincent? Hast du so einen schlechten Ruf?“ Die Andeutung eines Lächelns huschte über das meist ernste Gesicht des Turks, bevor er den Kopf schüttelte und antwortete: „Mein Ruf hat damit eher weniger zu tun. Meine Stopp-Materia ist dabei viel hilfreicher.“ Die Medizinstudentin legte die Stirn in Falten. °Materia... hört sich interessant an.° „Und wie benutzt man die?“, fragte sie schließlich neugierig. Vincent seufzte nur und schüttelte abermals den Kopf. „Das erkläre ich dir später. Die Verstärkung müsste gleich eintreffen.“ Wie um die Worte des Turks zu bestätigen, kündigte kurz darauf lautes Motorengeräusch das Eintreffen des Helikopters an. Vincent brachte die Gebrüder zu einer Lichtung in der Nähe und übergab sie an die dort gelandete Polizei aus Junon. Als diese wieder gestartet waren, kehrte er zu den beiden Frauen zurück. „Kannst du laufen?“, fragte er die noch immer sitzende Aireen. Diese nickte nur und kämpfte sich tapfer – und mit der tatkräftigen Hilfe Lucrecias – auf die Beine. Sie biss die Zähne zusammen und versuchte die Schmerzen zu ignorieren, die mit diesem geringen Kraftaufwand kamen. Ihr Kopf dröhnte und ein heftiges Schwindelgefühl ließ sie leicht schwanken. Von Lucrecia gestützt machte sie einen vorsichtigen Schritt. Prompt kippte sie zur Seite und schloss die Augen, einen harten Aufprall erwartend. Doch bevor sie nähere Bekanntschaft mit dem Boden machen konnte, packten sie zwei kräftige Hände und hielten sie aufrecht. „Wir sollte sie zurück bringen und auf etwaige Verletzungen untersuchen“, meinte Lucrecia besorgt. Daraufhin hoben eben jene Hände, die sie gerade noch aufgefangen hatten, sie problemlos hoch. Dann machte sich ihr Retter auf den Weg Langsam öffnete Aireen die Augen und sah als erstes das grüne Blätterdach des Waldes. Dann drehte sie den Kopf etwas und sah kurz in rote Augen, die sich aber sofort wieder abwandten und stur nach vorne schauten. „Alles in Ordnung, Ms. Ceylan?“ Angesprochene runzelte nur die Stirn. °Warum siezt er mich nun wieder?°, grübelte sie und seufzte. „Abgesehen davon, dass ich mich fühle, als wäre ich von einem Lastwagen überrollt worden, fühl ich mich eigentlich großartig, Mr. Valentine“, antwortete sie spöttisch. Dieser blieb abrupt stehen. „Du hast unüberlegt gehandelt und dich damit unnütz in Gefahr gebracht. Was hast du dir nur dabei gedacht?“, fragte er kalt und würdigte ihr noch immer keines Blickes. Geschockt starrte Aireen ihn an. Auch wenn er er zu verbergen versuchte, erkannte sie doch, dass er nur mühsam seinen Ärger unterdrücken konnte. Nach wochenlangem Beobachten konnte die Medizinstudentin meist sagen, was der Turk hinter seiner emotionslosen Maske verbarg. Doch hatte sie ihn bisher noch nie wütend erlebt. Vielmehr war er stets ruhig und gefasst. „I-ich wollte doch nur...“, stammelte sie. °Ja, was wollte ich eigentlich? Wir hätten problemlos flüchten können...°, dachte sie deprimiert. Da meldete sich Lucrecia zu Wort: „Sie wollte nur helfen, Vincent! Sei doch nicht so hart zu ihr.“ Wortlos setzte der Turk seinen Weg fort und Aireen fühlte sich immer unwohler in seinen Armen. „Vincent!“, rief die Wissenschaftlerin empört. Nach einigen weiteren Sekunden antwortete er schließlich: „Ihr Handeln war unverantwortlich. Hätte ich die Nachricht nur etwas später gelesen, wäre sie womöglich nicht so glimpflich davon gekommen.“ Aireen schwieg, beschämt. °Er hat recht... das hätte leicht ins Auge gehen können.° Niemand sprach mehr bis sie die Villa erreicht hatten und Vincent die Verletzte auf ihr Bett legte. „Ich werde sehen, was ich tun kann“, meinte Lucrecia und verließ das Zimmer, um ihren Erste-Hilfe-Koffer zu holen. Vincent wollte ihr schon hinaus folgen als Aireen ihn noch einmal zurück rief: „Bitte warte.“ Der Turk blieb stehen und drehte sich wieder zu ihr um. „Es tut mir Leid. Ich habe mir keine Gedanken über die möglichen Konsequenzen meines Handelns gemacht.“ Sie zögerte kurz bevor sie fortfuhr: „Ich habe keine Ahnung vom Kämpfen und bin somit ganz auf die Hilfe anderer angewiesen... und ich wollte dich fragen ob du nicht vielleicht – wenn es dir nichts ausmacht natürlich – und wenn du einmal Zeit hast, also-“ „- was willst du mich fragen?“, unterbrach Vincent sie etwas ungeduldig . „Kannst du mich trainieren?“, fragte die Medizinstudentin hoffnungsvoll. Der Turk starrte sie nur ungläubig an. „Wie bitte?“ „Ich habe einfach keine Lust mehr darauf, immer gerettet werden zu müssen. Ich will lernen, mich selbst und andere verteidigen zu können. Bitte Vincent...“ Der Turk schaute zuerst überrascht, dann nachdenklich. „Du meinst das wirklich ernst?“ Aireen nickte nur. Er schwieg einen Augenblick, bevor er schließlich meinte: „Zuerst musst du dich erholen. Dann sehen wir weiter.“ Er nickte ihr noch einmal zu und verließ das Zimmer. Dann kam auch schon Lucrecia zurück und stellte ihren Verbandskoffer neben dem Bett ab. „Um was gings?“ Aireen schaute die Wissenschaftlerin nur verständnislos an. Diese schmunzelte und meinte: „Vincent schien ziemlich nachdenklich, als er das Zimmer verließ.“ „Ich hab ihn gefragt, ob er mir nicht ein paar Sachen beibringen kann. Ich will ihm nicht länger zur Last fallen...“, erklärte sie und senkte betrübt den Kopf. Daraufhin kniete sich Lucrecia neben ihr Bett und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Hey, so hat er das nicht gemeint“, versuchte die Wissenschaftlerin sie auf zu muntern. Aireen sah sie nur fragend an. „Du kennst doch Vincent“, fuhr Lucrecia mit ihrer Erklärung fort. „Er hat keinen blassen Schimmer, wie er sich anderen gegenüber verhalten soll. Sein Zorn über deine angebliche Dummheit spiegelt doch nur die Sorge wieder, die er sich um dich macht.“ Aireen sah sie mit großen Augen an. „Wirklich?“ „Wirklich“, bestätigte die Wissenschaftlerin lächelnd. „Dieses Wissen habe ich mir mühsam durch monatelanges Beobachten und Ausfragen angeeignet.“ Beide Frauen mussten daraufhin herzhaft lachen, wobei Aireen sich aber schnell wieder beruhigte, da sie eh schon Schwierigkeiten mit der Atmung hatte. Lucrecia bemerkte dies natürlich sofort und wurde wieder ernst. „Soo, wo genau hast du denn Schmerzen?“ °Die Frage sollte eher lauten: wo hab ich keine?°, dachte Aireen mürrisch und erklärte ihr dann, was ihr alles weh tat. Seufzend forderte die Wissenschaftlerin sie auf, sich ihrer Kleidung zu entledigen, um sie so besser untersuchen zu können. Dann sog sie scharf die Luft ein. „Ach du...“ Aireens Bauch wies Schwellungen in sämtlichen Farben auf; von grün bis violett war alles vorhanden. Ihr Rücken sah nicht viel besser aus und ihr Hinterkopf wurde von einer ordentlichen Beule gekrönt. Vorsichtig fuhr Lucrecia über die Verletzungen. Aireen musste trotzdem bei jeder ihrer Berührungen zusammen zucken und biss sich auf die Lippen, um nicht auf zu schreien. „Hast du Atemprobleme?“ Die Medizinstudentin nickte daraufhin nur. „Wahrscheinlich sind ein paar Rippen angeknackst...“, meinte Lucrecia seufzend. Dann packte sie eine Salbe und mehrere Verbände aus. „Viel kann ich leider nicht machen. Am besten überanstrengst du dich in den nächsten Tagen einfach nicht.“ Dann begann auch schon die schmerzhafte Prozedur des Eincremens und Einwickelns. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Als Lucrecia das Zimmer kurze Zeit später verließ, stieß sie beinahe mit Vincent zusammen, der vor der Tür gewartet hatte. Er entschuldigte sich sofort, was der Wissenschaftlerin ein sanftes Lächeln entlockte. „Wie geht es ihr?“, erkundigte sich der Turk. „Es sieht wesentlich schlimmer aus, als es ist. Ich habe sie verarztet und ihr ein leichtes Schmerzmittel gegeben. Sie schläft jetzt.“ Vincent seufzte erleichtert. Obwohl er sehr harsch gewesen war, machte er sich doch Sorgen. In den letzten Wochen hatte er sich an ihre Anwesenheit gewöhnt und man konnte sogar von einer Freundschaft reden, die natürlich noch sehr ausbaufähig war. „Und was machen wir jetzt?“, fragte er Lucrecia. Sie überlegte einen Augenblick, bevor sie den Turk anstrahlte, an der Hand nahm und ihn in Richtung Eingangshalle zog. „Wohin gehen wir?“ „Einen kleinen Spaziergang machen. Ich will meinen freien Tag schließlich voll ausnützen“, erklärte die Wissenschaftlerin und verließ zusammen mit Vincent die Villa. Widerstandslos ließ der Turk sich weiter ziehen. Er war wieder einmal total überrumpelt von Lucrecias Spontaneität. °Wenigstens hab ich meine Waffe dabei und kann uns die Monster vom Hals halten°, dachte er. Es war schon später Vormittag und langsam aber sicher verschwand die Sonne hinter den Nibelbergen. Sobald es ganz dunkel war, würden die Monster aus ihren Höhlen kommen um auf die Jagd zu gehen . °Vielleicht sollte ich sie überzeugen, doch zurück zu gehen.° Sie hatten das Dorf schon verlassen und gingen nun den gleichen Weg entlang, den sie auch auf dem Rückweg vom Marktplatz genommen hatten. °Wo will sie bloß hin?° Dann hörte er ein leises Knacken und seine freie Hand schnellte zu dem Griff seiner Cerberus. Die andere Hand hielt noch immer Lucrecia, wie ihm jetzt erst bewusst wurde. Vorsichtig versuchte es sich aus ihrem Griff zu befreien, was allerdings erfolglos blieb. Die Wissenschaftlerin schien seine Anspannung gar nicht zu bemerken und schritt munter summend weiter. °Vielleicht bin ich einfach nur übervorsichtig°, dachte der Turk als er längere Zeit nichts anderes als das leise Summen Lucrecias vernahm und keine Spur von Monstern zu sehen war. Dann verließen sie auch schon den Wald und traten auf die Wiese, wo fleißige Arbeiter noch immer dabei waren, ihre Stände wieder abzurichten. Die Wissenschaftlerin schenkte ihnen allerdings keine Beachtung sondern marschierte zielstrebig weiter, und nun wusste Vincent auch, wohin sie wollte: zum Strand. Dort angekommen blieb sie stehen und betrachtete den Sonnenuntergang, der das Meer schimmern und den Himmel rot glühen ließ. Noch immer hielt sie Vincents Hand, aber dieser beschwerte sich nicht. Auch wenn er etwas verlegen war, genoss er doch die Nähe Lucrecias. °Ich sollte mir keine Hoffnungen machen. Ich bin nur ein einfacher Leibwächter und sie eine wunderschöne und intelligente Wissenschaftlerin...°, dachte er betrübt. Lucrecia hatte ähnliche Gedanken. °Er wird mich wohl nie als mehr als nur eine gute Freundin sehen. Und selbst wenn, den Tod seines Vaters wird er mir nie verzeihen...° So standen sie da, teils glücklich, teils verbittert über die Nähe des jeweils anderen und betrachteten die Sonne, wie sie langsam am Horizont verschwand. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ °Die Vorbereitungen sind endlich abgeschlossen°, dachte Hojo vergnügt und lachte bösartig, während er mit funkelnden Augen eine grün-leuchtende Spritze betrachtete. Er blickte kurz auf einen Monitor und sein böses Grinsen wurde immer breiter. „Es hat sich richtig gelohnt, Lucrecias Kleider zu verwanzen. Und da der Turk ihr überall hin folgt, kann ich sicher sein, dass Ms. Ceylan und ich allein sind.“ Dann verließ er sein Labor und stand kurze Zeit später vor Aireens Quartier. Leise öffnete er die Tür und schlich hinein. Als er genau vor ihrem Bett stand und ihr schlafendes Gesicht betrachtete, zuckte kurz der Hauch von Schmerz über sein Gesicht. Dann blickte er wieder kalt wie eh und je, beugte sich über sein nichts ahnendes Subjekt und rammte ihr die Spritze in den Arm. Kapitel 5: Experimente ---------------------- Lächelnd wanderte Aireen durch ihre Heimatstadt, ihr Ziel klar vor Augen: ihr Elternhaus. Ihr kam es vor, als hätte sie ihre Familie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, weshalb sie sich auch sehr auf den Besuch freute. Sie klingelte. Kurz darauf wurde auch schon die Tür geöffnet und ihre Mutter schloss sie in eine warme Umarmung, bevor sie sie hereinbat. Im Wohnzimmer warteten ihr Vater und Bruder auf sie, der sich ebenfalls die Zeit genommen hatte, ihre Eltern zu besuchen. Weitere herzliche Umarmungen folgten bevor sie sich endlich setzen und über dies und jenes sprachen. Die Stimmung war heiter und Aireen fühlte sich ganz und gar wohl und geborgen. Dann durchzuckte ein starker Schmerz ihren rechten Arm und die Szene vor ihr verschwamm. Dunkelheit umhüllte sie und ein verrücktes Lachen war zu hören. Kurz glaubte sie ein Gesicht zu erkennen, doch bevor sie sich sicher sein konnte, verschwamm auch diese Szene und sie fand sich auf einer Wiese wieder. Verwundert sah sie sich um und bemerkte, dass die Wiese sich in beinahe alle Richtungen unendlich weit ausstreckte. Nur im Norden erkannte sie einen dichten Wald und dahinter den Umriss von hohen Bergen. Da Aireen keine Ahnung hatte, wo sie sich befand und ein Wald verlockender war als eine endlos lange Wiese, begab sie sich Richtung Norden. Nach einiger Zeit bemerkte sie kleine Rauchsäulen, die hinter dem Wald aufzusteigen schienen und schlussfolgerte, dass dort wohl ein Dorf lag. Als sie schließlich am Rande des Waldes angekommen war und der Weg bis ins Dorf nicht mehr weit schien kam ihr ein kleiner Junge entgegen gelaufen. „Da bist du ja endlich!“, rief er und umarmte sie stürmisch. Verdutzt ließ Aireen dies geschehen. Dann ließ der Junge auch schon von ihr ab, nahm sie an der Hand und zog sie Richtung Dorf, die ganze Zeit munter sinnloses Zeug plappernd. Plötzlich ließ der Junge ihre Hand los. Oder zumindest glaubte Aireen das als der Druck der kleinen Hand sie verließ. Als sie sich dann umsah entdeckte sie den Junge wie er, dicht gefolgt von einem Mädchen, ungestört weiterlief. Stirnrunzelnd folgte die Medizinstudentin den beiden ins Dorf. Dann wurde ihr bewusst, dass alles nur ein Traum war und ein solcher „Perspektivenwechsel“ nichts ungewöhnliches darstellte. Beruhigt sah sie sich nun in Ruhe um und stellte fest, dass sie sich wieder einmal in Nibelheim befand. Allerdings war das Dorf wohl noch in der Entstehungsphase. Nur eine handvoll Häuser schienen fertig, während an vielen anderen noch immer fleißig gebaut wurde. Und von der Shinra-Villa war weit und breit nichts zu sehen. Nach der Besichtigung des Dorfes wandte sich Aireen wieder dem kleinen Jungen zu, der inzwischen zusammen mit dem Mädchen vor einem fertigen Haus stand und wohl darauf wartete, dass jemand ihm die Tür öffnete. Sie nutzte die Zeit und nahm die beiden genauer unter die Lupe. Der Junge war etwa sieben Jahre alt, hatte kurzes, schwarzes Haar und eben so dunkle Augen, die von einer dicken Brille etwas vergrößert wurden. Eigentlich sah er genau so aus, wie die jüngere Version von... „Hojo“, flüsterte Aireen erstaunt. Keinen Zweifel, er musste es sein. Auf solche pechschwarzen Augen traf man nicht überall. Kurz wunderte sie sich, warum ihr das nicht früher aufgefallen war. Dann wurde ihr klar, dass sie den erwachsenen Hojo bisher nur mürrisch und zornig gesehen hatte, während der Junge hier fröhlich lachte. Nachdenklich wandte sie sich nun dem Mädchen zu, das sie bisher nur von hinten gesehen hatte. Und erstarrte. Gelocktes, braunes Haar rahmte ein lächelndes Gesicht und grüne Augen funkelten amüsiert, als das etwa zehnjährige Mädchen dem kleinem Hojo zuhörte. Nur allzu gut kannte sie dieses Gesicht. Denn es war ihr eigenes. Fassungslos starrte Aireen ihr gut 12 Jahre jüngeres Ich an und war dankbar, dass anscheinend niemand sie sehen konnte. Dann wurde die Tür geöffnet und sie erstarrte erneut. Denn in der Tür stand eine Frau, die wohl als die 20 Jahre ältere Version von Aireen am besten beschrieben war. Nur der etwas kürzere Haarschnitt und einige graue Strähnen sowie etliche Lachfalten unterschieden sie. Aireen löste sich rechtzeitig aus ihrer Starre um durch die Tür zu schlüpfen, die Hojo schon hinter sich zuzog. Hojo und ihre beiden Doppelgänger begaben sich ins Wohnzimmer und Aireen folgte ihnen. Dort nahmen die Kinder Platz während die ältere Frau in der anliegenden Küche verschwand, nur um kurz darauf mit Plätzchen zurückzukehren. Dann plauderten sie und Aireen verlor schnell das Interesse an dem Gespräch. Anstatt weiter zuzuhören sah sich genauer im Wohnzimmer um. Dieses war spärliche, aber behaglich und vor allem liebevoll eingerichtet. Vor allem die vielen Bilder an den Wänden hatten es ihr angetan. Was sie aber wohl am meisten interessierte waren die vielen Fotos, die überall standen. Fasziniert betrachtete sie Fotos von kleinen Hojos und vor allem ihrem jüngeren Ich. Sie hatte noch nie welche von vor ihrem zehnten Lebensjahr gesehen und – Aireen runzelte die Stirn. Wie war es dann möglich, Fotos in ihrem Traum zu sehen, die sie gar nicht kannte? Bevor sie sich allerdings weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte erklang hinter ihr ein spitzer Schrei und sie fuhr herum, um die junge Aireen zusammen gekrümmt und wimmernd auf dem Sofa liegen zu sehen. Besorgt näherte sie sich und legte ihr eine Hand auf die Schulter, wie um sie zu trösten. Dann war sie es plötzlich, die zusammen gekauert da lag und vor Schmerzen wimmern ihren Bauch umklammerte. Der kleine Hojo hockte weinend neben ihr. Ihr älteres Ich hatte den Raum verlassen, kam aber kurze Zeit später schon mit einem schwarzhaarigen Mann im Schlepptau zurück. Trotz ihrer Schmerzen kam Aireen nicht umhin dessen Ähnlichkeit mit Hojo zu bemerken; langes, schwarzes Haar wurde von einem Band zurückgehalten und eine dicke Brille saß auf seiner Nasenspitze. Ein wesentlicher Faktor unterschied ihn allerdings von Hojo: sein besorgter Gesichtsausdruck, mit dem er Aireen nun musterte. Er untersuchte sie kurz, bevor er nach seinem mitgebrachten Koffer griff und eine gefährlich aussehende Spritze hervorholte, die mit einer leuchtend grünen Flüssigkeit gefüllt war. „Tut mir Leid, Kleines“, murmelte er, bevor er die Spritze an ihren Arm setzte. Aireen biss die Zähne zusammen, um sich gegen den Stich zu wappnen. Diesen bemerkte sie allerdings kaum, im Gegensatz zu dem schnell abflauendem Schmerz und der größer werdenden Müdigkeit, die sie einlullte, bis ihr schließlich die Augen zufielen. Schweißgebadet wachte sie auf. In ihrem Zimmer war es noch dunkel und ein Blick auf ihren Wecker verriet Aireen, dass es erst kurz nach 5 Uhr war. Trotzdem vertreib sie jeden Gedanken ans Weiterschlafen sofort wieder und stand stattdessen auf. Ein heftiges Schwindelgefühl erfasste sie daraufhin und zwang sie, sich wieder auf die Bettkante fallen zu lassen. °Mein Kreislauf ist anscheinend noch nicht ganz so wach wie ich°, dachte sie mürrisch und massierte ihre Schläfen, um die langsam auftretenden Kopfschmerzen, die sie verspürte, zu lindern. Dann startete sie einen erneuten Versuch, der auch diesmal gelangen, und begab sich ins Badezimmer. Dort spritze sie sich etwas Wasser ins Gesicht und betrachtete anschließend ihr Spiegelbild. „Du siehst echt Scheiße aus“, meinte sie dann und ihr Spiegelbild runzelte die Stirn. Sie war bleich und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Aireen tastete nach ihrer Beule am Hinterkopf und stellte verwundert fest, dass diese beinahe verschwunden war. Dann fiel ihr noch etwas anderes auf und sie trat näher an den Spiegel ran. Leuchtend grüne Augen starrten ihr entgegen. Ungewöhnlich war dabei allerdings nicht die Farbe, sondern das unnatürliche Leuchten. Je länger sie ihre Augen anstarrte desto stärker wurde ihr Verdacht, was der Grund für dieses Leuchten war: Mako. Sie hatte die gleichen Augen wie Cloud. Wie Sephiroth. Sie wandte sich vom Spiegel ab und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. °Bleib ruhig, Aireen. Es gibt sicher eine gute Erklärung dafür.° Rastlos ging sie in dem kleinen Badezimmer auf und ab. °Solche Augen haben nur Soldiers. Wieso also habe ich welche? Ich war in keinster Weise mit Mako in Berührung. Außer...° Sie erstarrte als sie die Erkenntnis traf. °Außer, Hojo hat mir etwas gespritzt...° Aireen verließ das Badezimmer und ließ sich auf das Bett fallen. Dann ließ sie ihren Ärger an einem Kopfkissen aus, während sie ununterbrochen Flüche murmelte und Hojo wenig schöne Spitznamen gab. Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, analysierte sie die Situation gründlich. °Mmh, was hat sich außer meinen Augen verändert? ... Ich fühle mich etwas schlapp.° Dann untersuchte sie ihre gestern zugefügten Verletzungen und sog überrascht die Luft ein. ° Wow, das Zeug hat mich komplett geheilt. Nun verstehe ich auch, weshalb die Soldiers damit behandelt werden.° Sie hielt einen Moment inne. Dann suchte die Medizinstudentin nach ihren Kleidern und zog sich rasch an. Sie verließ ihr Zimmer und ging in die Küche, in der Absicht sich einen heißen Pfefferminztee zu machen und in Ruhe nachzudenken. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent lag mit offenen Augen im Bett. Das Krachen einer sich schließenden Tür hatte ihn geweckt und er wunderte sich kurz, wer so früh am Morgen schon unterwegs war. °Wahrscheinlich Hojo°, dachte er und versuchte wieder einzuschlafen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eben jener Wissenschaftler saß in seinem Labor und betrachtete böse grinsend seinen Monitor. °Sie scheint die Veränderungen bemerkt zu haben°, während er den Punkt, den Aireen darstellte mit dem Auge folgte. °Ich muss mein kostbares Subjekt unbedingt heute Abend untersuchen.° Mit dem Gedanken schaltete er den Monitor aus und machte sich an die Weiterentwicklung seines aktuellen Projektes. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eine Stunde später grübelte Aireen noch immer über die Vor- und Nachteile von Mako. Sie war zum Schluss gekommen, dass dieses eine Mal, das sie mit Mako behandelt wurde, wohl keine schlimmen Konsequenzen haben würde, es jedoch womöglich gefährlich wurde, wenn die Menge und Konzentration zunehmen würde. Sie durfte auf keine Fall zulassen, dass Hojo sie weiterhin für seine Experimente missbrauchte - sonst lief sie womöglich Gefahr, eine Mako Vergiftung zu erleiden. Mit diesem beunruhigendem Gedanken machte sie sich an die Vorbereitung des Frühstücks. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Um Punkt sieben Uhr betrat Vincent die Küche und fand den Tisch fertig gedeckt vor. Verwundert sah er sich nach Aireen um, konnte sie aber nirgends sehen. Ein benutzter Teller im Spülbecken verriet ihm, dass sie schon gefrühstückt hatte und sich wohl schon um den Haushalt kümmerte. Nachdenklich setzte er sich und nahm sich ein Brötchen. Dann betrat auch schon Lucrecia die Küche und begrüßte ihn mit einem fröhlichen „Guten Morgen“. Sie setzte sich Vincent gegenüber und betrachtet stirnrunzelnd den Küchentisch. „Aireen“, beantwortete der Turk ihre unausgesprochene Frage. Die Wissenschaftlerin nickte und sah sich um. Wieder antwortete Vincent: „Sie scheint schon gefrühstückt zu haben.“ Lucrecia nickte wieder und fing an zu kichern, woraufhin Vincent sie überrascht ansah. „Du lässt mich ja gar nicht zu Wort kommen.“ Schuldbewusst senkte er den Kopf. „So war das nicht gemeint. Ich finde es schön, dass wir uns auch ohne Worte verstehen.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Marmelade?“ Von dem plötzlichen Themawechsel total überrumpelt nickte er nur und nahm die angebotene Marmelade entgegen, wobei er kurz Lucrecia's Hand streifte. Schnell zog er die seine zurück, wobei ihm allerdings die Konfitüre entglitt. Klirrend fiel das Glas auf den Tisch und rollte über die Kante. Bevor es allerdings auf den Boden aufschlagen konnte, fing sich Vincent wieder und griff blitzschnell zu. Verlegen murmelte er eine Entschuldigung und konzentrierte sich auf das Öffnen des Glases um die Wissenschaftlerin nicht ansehen zu müssen. Dabei entging ihm auch das leichte Schmunzeln auf Lucrecia's Gesicht. Dieses verschwand auch schon einen Augenblick später und wurde von einem entsetzten Gesichtsausdruck ersetzt.. Die Wissenschaftlerin sprang auf, wobei ihr Stuhl scheppernd umfiel. Der Turk warf ihr einen fragenden Blick zu. „Aireen! Sie wurde gestern verletzt und ist heute schon wieder auf den Beinen!“ Vincent stand nun ebenfalls auf. „Ich werde nah ihr sehen“, erklärte er und wollte schon die Küche verlassen. „Ich komme mit.“ Vincent schüttelte den Kopf. „Hojo wartet sicher schon. Ich komme so schnell wie möglich nach.“ Widerwillig nickte die Wissenschaftlerin und machte sich auf den weg zu den Laboren während Vincent sich auf die Suche nach ihrer Haushälterin machte. Nach einer Weile fand er sie in einem abgelegenem Winkel im rechten Flügel der Villa, wo sie Staub wischte. Das Zimmer war dunkel; die Sonne war noch nicht aufgegangen und eine kleine Glühbirne erhellte den Raum nur spärlich, so dass Vincent nur die Umrisse der Studentin sehen konnte. Er war erst einmal in dem Raum gewesen, denn dieser stand bis auf ein paar altertümliche Schränke komplett leer und erfüllte keinen wesentlichen Zweck. Daher wunderte er sich auch, weshalb sie gerade dieses Zimmer auf Vordermann bringen wollte. Selbst wenn Hojo sie angewiesen hatte, das ganze Haus in stand zu halten, konzentrierte sie sich doch hauptsächlich auf den bewohnten Teil des Anwesens. Um den ganzen Rest kümmerte sie sich erst, wenn sie das Wichtigste erledigt hatte. „Aireen.“ Die Angesprochene fuhr erschrocken zusammen und ließ ihren Staubwedel fallen. „Musst du dich immer so anschleichen, Vincent?“, meinte sie und bückte sich, um ihren Staubwedel wieder aufzuheben. Er ignorierte ihre Antwort. „Wie geht es dir?“ Sie lachte leise. „Danke, gut. Und dir?“ Vincent runzelte die Stirn und meinte warnend: „Lass den Unsinn. Gestern konntest du dich noch kaum bewegen.“ Aireen richtete sich wieder auf, kehrte ihm allerdings noch immer den Rücken zu. „Lucrecia's Salbe scheint wahre Wunder zu bewirken.“ Vincent's Stirnrunzeln vertiefte sich nur noch. „Eine Salbe kann keine gebrochenen Rippen heilen.“ Sie seufzte. „Es ist wirklich alles in Ordnung. Außerdem habe ich keine Lust, mich wieder mit Hojo anzulegen um mir einen Tag frei zu nehmen.“ Obwohl er noch immer skeptisch war, nickte der Turk. „Gut. Aber heute Abend sehe ich es mir noch einmal an.“ Damit drehte er sich um und verließ das Zimmer. Aireen atmete auf. Für's erste war ihr Geheimnis noch sicher. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent begab sich nach unten zu Lucrecia's Arbeitszimmer, wo die Wissenschaftlerin ihn schon erwartete. „Und? Wie geht es ihr?“, fragte sie, kaum dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Anscheinend gut.“ Lucrecia runzelte die Stirn. „Was genau soll das heißen?“ Vincent sah sie ernst an. „Sie behauptet, keine Schmerzen mehr zu haben.“ „Aber?“, hakte die Wissenschaftlerin nach. Der Turk schüttelte nur den Kopf. „Sie war irgendwie komisch. Anders als sonst.“ Ungeduldig tappte Lucrecia mit dem Fuß auf den Boden und sah ihn weiterhin fragend an. Vincent zögerte kurz, bevor er meinte: „Sie verheimlicht etwas.“ Überrascht sah die Wissenschaftlerin ihn an. „Und worauf begründest du diese Annahme?“ „Ich habe sieh in einem wenig beleuchteten, leerstehendem Zimmer gefunden und sie vermied es, mich anzusehen.“ Lucrecia ließ sich in ihren Arbeitssessel fallen und dachte nach, während Vincent zum Fenster rausstarrte, ebenfalls in Gedanken versunken. „Schon irgendwelche Ideen?“, fragte die Wissenschaftlerin und beendete so das minutenlange Schweigen. Der Turk ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Schließlich meinte er langsam: „Als wir sie gestern das letzte Mal gesehen haben, war noch alles den Umständen entsprechend in Ordnung. Daraus können wir schließen, dass...“ „...etwas während unserer Abwesenheit geschehen sein muss“, beendete Lucrecia den Satz. Vincent wandte sich vom Fenster ab und drehte sich zu ihr um. Er nickte. „Jetzt bleibt nur noch die Frage, was genau passiert ist. Auf diese Frage kannte jedoch keiner der beiden die Antwort. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Der Rest des Tages verging wie im Flug. Aireen kümmerte sich wie üblich um die anstehenden Hausarbeiten. Dabei vermied sie jeglichen menschlichen Kontakt und bevorzugte, sich ihr Essen erst zu machen, wenn Vincent und Lucrecia fertig waren. Die beiden hatten es schließlich aufgegeben, eine Erklärung für Aireen's Verhalten zu finden und beschlossen, sie später einfach danach zu fragen. Lucrecia kümmerte sich also wie üblich um ihre Projekte und Vincent ging seinen Aufgaben als Turk nach. Hojo verschanzte sich wieder einmal in seinem Labor und führte diverse Experimente durch. Später am Abend, als jeder schon wieder in seinem Zimmer war und sich die Zeit auf diverse Art und Weise vertrieb, klopfte es an Aireen's Tür. Diese erschrak, legte dann aber ihr Buch auf den Nachttisch und schaltete die Lampe aus, bevor sie zur Tür ging. °Das wird wohl Vincent sein. Wenn der Gang jetzt nicht gerade hell beleuchtet ist, wird er meine Augen hoffentlich nicht erkennen.° Sie öffnete die Tür – und wich augenblicklich einen Schritt zurück. Vor ihr stand nicht der Turk, sondern niemand anderes als Hojo, der sie ernst musterte. „Mitkommen.“ Damit drehte er sich um und ging wieder. Aireen sah ihm verdutzt nach, aber ihr blieb wohl nichts anderes übrig als ihm zu folgen, weshalb sie ein paar Schritte lief, um wieder zu ihm aufzuschließen. Als sie aber sah, dass sie Richtung Labore ging, verlangsamte sie ihre Schritte und blieb schließlich ganz stehen. °Was hat er vor? Ist ihm ein Experiment nicht genug?° Bei dem Gedanken lief ihr ein Schauer über den Rücken. Gleichzeitig steig Wut in ihr auf. °Wofür hält er mich eigentlich? Ich bin nicht sein gottverdammtes Subjekt!° Hojo's Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Kommen sie bald? Ich habe nicht ewig Zeit!“ Aireen suchte verzweifelt nach einer geeigneten Ausrede. „Professor, äähm, Vincent wollte eigentlich nachher noch vorbei kommen...“ Der Wissenschaftler funkelte sie an. „Und wo ist das Problem?“ Die Studentin trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. „Naja, er wird sich sicher sorgen machen, wenn ich nicht da bin...“ Hojo verharrte einen Augenblick, bevor er mit missmutiger Miene zurück stampfte. „Ich werde ihm Bescheid geben. Warten Sie hier.“ Während Aireen, vollkommen perplex, dass der Wissenschaftler auf ihre Worte eingegangen war, zurückblieb, ging eben dieser zu dem Quartier des Turks. °Absolute Zeitverschwendung... Aber ich kann es mir nicht leisten, dass er mich womöglich auf der Suche nach ihr bei äußerst wichtigen Experimenten stört.° °Er klopfte dreimal laut an und Vincent öffnete Sekunden später auch schon. Perplex über den Besuch des Wissenschaftlers, fing er sich aber sofort wieder und höflich, wie er behilflich sein könnte. „Es geht um die Haushälterin. Da sie gestern verletzt wurde, sehe ich jetzt nach ihren Verletzungen. Sie wird also nicht in ihrem Zimmer anzutreffen sein“, schnarrte Hojo und drehte sich schon um, um zu gehen, als ihm eine Idee kam. Langsam wandte er sich wieder dem Turk zu, der, total überrumpelt, noch immer in der Tür stand. „Mr. Valentine, es wäre wohl eine gute Idee, ihr ein paar Tricks zur Selbstverteidigung beizubringen. Ich habe keine Lust, noch mehr Geld auf ihre medizinische Behandlung zu verschwenden. Kümmern Sie sich bitte umgehend darum.“ Mit diesen Worten ließ er den verdutzten Vincent einfach stehen und kehrte zu Aireen zurück. Ohne sie weiter zu beachten ging er an ihr vorbei und die Studentin setzte sich widerwillig in Bewegung. Eine andere Möglichkeit blieb ihr eh nicht mehr, außer sie wollte riskieren, von dem Wissenschaftler vor die Tür gesetzt zu werden. Da sie in einer ihr komplett fremden Welt gestrandet war, wäre dies womöglich ihr Todesurteil. Schweigend betraten beide die Labore. „Setzen Sie sich“, meinte Hojo ungewöhnlich freundlich und deutete auf einen Stuhl. Dann setzte er sich hinter seinen Schreibtisch, nahm einen Ordner zur Hand und durchblätterte ihn. Aireen nahm währenddessen Platz und betrachtete eingehend ihre Hände, die sie nervös knetete. Nach einer Weile sah der Wissenschaftler von seinen Papieren auf. „Wie fühlen Sie sich?“, fragte er lauernd. Sie nuschelte ein „Gut, danke“, wagte es aber nicht, in anzusehen, sondern fixierte stattdessen ihre Schuhspitzen. „Sehen Sie mich gefälligst an, wenn ich mit ihnen rede!“, fuhr er sie daraufhin an. Eingeschüchtert hob die Studentin den Kopf und blickte in die kalten Augen Hojo's, der sie nun interessiert musterte. „Interessante Augenfarbe“, murmelte er, mehr zu sich als zu seiner Besucherin und kritzelte etwas auf ein Blatt Papier. „Sind Ihnen noch andere Veränderungen aufgefallen?“ Aireen zögerte mit ihrer Antwort und dachte über die Konsequenzen nach. Sie wollte ihn nicht verärgern, was eindeutig für's antworten sprach. Sie wollte ihn allerdings auch nicht in seinen bösen Machenschaften unterstützen... Dann entschied sie sich, doch zu antworten. °Er findet es so oder so raus. Es ist wohl besser, ihm freiwillig alles zu berichten als sich von ihm untersuchen zu lassen.° Ihr schauderte bei dem Gedanken. „Meine Verletzungen von gestern sind so gut wie verheilt und ich fühle mich...stärker?“ Aireen wusste nicht genau, wie sie das Gefühl beschreiben sollte. Heute morgen noch hatte sie Fieber gehabt und sich daher schlapp gefühlt. Aber im Laufe des Tages war ihr Fieber immer mehr gesunken und im gleichen Maße war ihre Kraft gewachsen. Sie fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr: gesund und voll überschüssiger Energie. Das war wohl einer der positiven Effekte von Mako. „Interessant... sehr interessant“, murmelte Hojo und nahm sich weitere Notizen. „Kennen Sie den Grund für diese Veränderungen?“ „Mmh, lassen Sie mich nachdenken. Womöglich hat es etwas mit der Spritze zu tun, die Sie mir gestern gegeben haben?“, meinte sie sarkastisch und funkelte ihn wütend an. „Der Wissenschaftler blickte überrascht. „Sie haben es gemerkt?“ „Natürlich merke ich es, wenn man mir eine Spritze in den Arm rammt!“ „Dann waren die Schlafmittel anscheinend nicht stark genug... Nächstes Mal muss ich sie erhöhen“, murmelte er. „Sie haben mir Schlafmittel verabreicht?!“ Der Wissenschaftler blickte sie ernst an. „Nein, ich habe Dr. Crescent welche mitgegeben. Aireen war fassungslos. Lucrecia hatte ihr...? „Zu ihrer Verteidigung sei allerdings zu sagen, dass sie sich der gesteigerten Konzentration der Mittel nicht bewusst war.“ „Dann ist ja alles in Ordnung“, entgegnete Aireen giftig. Daraufhin schlug Hojo verärgert mit der Hand auf den Tisch.. „Achten sie auf ihren Ton, Ms Ceylan!“ Wenig beeindruckt hielt sie dagegen: „Ich soll ruhig bleiben wenn sie an mir herum experimentieren?!“ Der Wissenschaftler verlor daraufhin beinahe sein ohnehin kaum vorhandene Beherrschung. „Seien Sie dankbar, dass ich Ihnen geholfen habe! Oder sehen sie irgendwelche Nachteile in meiner Behandlung?“ Die Studentin öffnete schon den Mund für eine scharfe Antwort, überlegte es sich aber anders und schloss ihn wieder. °Ich kann ihm schlecht widersprechen. Bisher hat noch niemand Mako weiter erforscht und Hojo kennt somit auch die Risiken einer Makovergiftung nicht. Ich kann mich wohl glücklich schätzen, dass ich die Behandlung heil überstanden habe...° Sie schwieg also. Hojo bemerkte dies mit gewisser Genugtuung und meinte: „Da das nun geklärt wäre, kommen wir zum wesentlichen Teil: der Untersuchung.“ Misstrauisch behielt Aireen ihn im Auge, während er sich daran machte, verschiedene Instrumente aus den Schubladen seines Schreibtisches zusammenzusuchen. Dann nahm er eine gefährlich aussehende Spritze zur Hand, umrundete den Tisch und trat zu Aireen. Diese sprang auf, wobei ihr Stuhl krachend umfiel, und wich langsam zurück, die Spritze mit starrem Blick fixierend. „I-ich habe nie zugestimmt, Ihr Versuchskaninchen zu spielen“, stotterte sie. Hojo kam immer näher und ein sadistisches Funkeln war in seinen Augen erschienen. „Seien Sie doch rationell: es ist eindeutig sicherer, ihren gesundheitlichen Zustand im Auge zu behalten, ansonsten werden negative Auswirkungen womöglich zu spät entdeckt.“ Aireen stand nun mit dem Rücken zur Wand und suchte verzweifelt nach einem Fluchtweg, während Hojo sich weiterhin bedrohlich näherte. „Woher wissen Sie, dass sich noch keine negativen Auswirkungen ergeben haben? Sie haben keine Blutprobe, mit der Sie die veränderte vergleichen können“, versuchte sie zu argumentieren. Hojo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wofür halten sie mich? Bevor ich Ihnen das Mako verabreicht habe, habe ich natürlich eine Blutprobe genommen. Das haben Sie anscheinend nicht mitgekriegt.“ °Mist, mir gehen die Ausreden aus...° Der Wissenschaftler stand nun vor ihr und wedelte ungeduldig mit der Spritze. „Nun stellen Sie sich doch nicht so an – es ist nur eine einfache Blutabnahme. Als Medizinstudentin müssten Sie sich doch damit auskennen.“ Bevor sie noch weiter protestieren konnte, hatte Hojo auch schon ihren Ärmel hochgezogen und die Spritze angesetzt. „Sie sehen etwas blass aus, Ms Ceylan“, meinte er spöttisch. „Keine... Spritzen“, meinte sie noch schwach bevor alles schwarz wurde. Kapitel 6: Training ------------------- So, wieder einmal ein neues Kapi. Wahrscheinlich werde ich die ganze Story noch einmal umschreiben, sobald ich sie fertig gestellt habe. Mir sind nämlich in er Zwischenzeit soviele Sachen eingefallen, die man besser machen könnte xD Aber wie gesagt, zuerst versuch ich sie mehr oder weniger gut fertig zu stellen... Vielen Dank an alle, die das hier lesen xD ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Hojo packte die in sich zusammensackend Aireen reflexartig beim Arm und hielt sie aufrecht gegen die Wand gedrückt, damit er die Blutabnahme in Ruhe beenden konnte. Als er damit fertig war, ließ er sie achtlos fallen, wodurch sie an der Wand hinunterrutschte und schlussendlich auf dem Boden saß. Kopfschüttelnd kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück. „Medizin studieren und selbst keine Spritzen vertragen... lächerlich“, murmelte er während er das Blut umfüllte um es anschließend untersuchen zu können. Er war schon auf dem Weg ins Labor, als ihm etwas entscheidendes einfiel. °Habe ich die Einstichstelle abgebunden? Mein kostbares Subjekt wird wohl gerade am Verbluten sein...° Fluchend eilte er zurück. Seine Befürchtungen blieben allerdings unbegründet, denn nur ein dünnes Rinnsal Blut benetzte Aireens Arm. Skeptisch untersuchte der Wissenschaftler die Einstichstelle und stellte überrascht fest, dass diese schon verheilt war und nicht einmal eine Narbe zurückblieb. °Interessant... das bestätigt, dass Mako die normale Heilungsrate um ein vielfaches beschleunigt.° Dann schlich sich ein böses Grinsen auf sein Gesicht. °Da sie sowieso noch schläft, kann ich ja gleich testen, wie sehr sich die Heilunsrate verändert hat.° Er zückte ein kleines Messer. Bevor er allerdings seine teuflische Idee in die Tat umsetzten konnte, bewegte sich Aireen und ihre Augenlider zuckten. Enttäuscht packte er sein Messer wieder weg; schließlich wollte er nicht riskieren, dass sie mit ihrem Geschrei das ganze Haus auf den Plan rief. Stattdessen entschied er, vorerst nur die Blutanalyse durchzuführen. Später hatte er noch genug Gelegenheit, sich näher mit seinem Subjekt zu befassen. Er verschwand also in seinem Labor und ließ die Studentin auf dem Boden zurück. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ In der Zwischenzeit wachte Aireen vollends auf und blinzelte ein paar Mal. „Was zum...“, murmelte sie, bevor sie sich an die Geschehnisse erinnerte. „Arschloch“, fluchte sie leise, nachdem sie sichergestellt hatte, dass der Wissenschaftler sich nicht in unmittelbarer Nähe befand. Seufzend rappelte sie sich auf und rieb sich ihren Arm. Zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, dass dieser überhaupt nicht schmerzte und, bei genauerer Untersuchung, auch keine Einstichstelle zu sehen war. Dann wurde ihr klar, dass das wohl am Mako lag. °Teuflisches Zeug... wenn auch, wie ich zugeben muss, praktisch°, dachte die Medizinstudentin und wischte das inzwischen getrocknete Blut von ihrem Arm. Dann beschloss sie, in ihr Zimmer zurückzukehren. Für heute hatte sie die Nase gestrichen voll und wollte Hojo wenn möglich nicht mehr über den Weg laufen. Beim Ausgang hielt sie allerdings inne. °Meine Augen leuchten noch immer so unnatürlich... Vielleicht weiß Hojo ja eine Lösung, auch wenn es mir ganz und gar nicht behagt, ihn um Hilfe zu bitten.° Langsam ging sie Richtung Laboratorien und klopfte zögerlich an der geschlossenen Tür. °Ist immerhin seine Schuld.° Ein gedämpftes „Moment“ war zu hören, bevor die Tür Sekunden später auch schon geöffnet wurde und Aireen sich einem ärgerlichen Hojo gegenüber befand. „Was denn? Ich bin beschäftigt!“, fauchte er. Sie verkniff sich einen bissigen Kommentar und fragte höflich: „Haben Sie vielleicht etwas, mit dem man meine Augen nicht mehr sehen kann? Ich kann Dr. Crescent und Mr Valentine schließlich nicht ewig ausweichen.“ Der Wissenschaftler überlegte einen Moment bevor er nickte. „Ich werde Ihnen Kontaktlinsen besorgen. Morgen um halb sechs, hier.“ Damit schlug er ihr die Nase vor der Tür zu. Mit einer Sorge weniger kehrte die Studentin in ihr Zimmer zurück und ließ sich auf ihr Bett fallen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon nach zwei Uhr war. °Toll, in weniger als 4 Stunden schon wieder aufstehen.° Seufzend stellte sie noch ihren Wecker. Kurz darauf schlief sie auch schon ein. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Hojo arbeitete indessen an der Blutanalyse, nachdem er einen Optiker in Rocket Town aus dem Schlaf geklingelt und Aireens Kontaktlinsen bestellt hatte. Er stellte seine Tests fertig und machte sich anschließend eine Tasse Kaffee, während er auf die Auswertung der Analyse wartete. °Mmh, was könnte ich als nächstes ausprobieren?° Er dachte eine Weile nach, bevor ihm eine Idee kam. °Ich werde ihre Leistungssteigerung testen und schauen, ob sich eine Makobehandlung lohnen könnte, um Supersoldaten zu erschaffen.° Er kehrte in sein Labor zurück und untersuchte die Testergebnisse. Entzückt stellte er fest, dass die Makobehandlung die Heilungsrate eines normalen Menschen um ein zehnfaches steigerte und sein Immunsystem gleichzeitig stärkte, indem es die Produktion der weißen Blutkörperchen ankurbelte. °Wunderbar! Heute Abend werde ich weitere Test durchführen. Und ich muss nochmal mit dem Turk reden, damit dieser auch ein hartes Training ausarbeitet... mit einer schwachen Haushälterin kann ich nichts anfangen.° Damit wandte er sich der Weiterentwicklung seines Hauptprojektes zu: JENOVA. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Um halb fünf Uhr morgens riss ein eindringliches Klopfen Vincent aus seinem unruhigen Schlaf. Müde rieb er sich die Augen, stand auf und taumelte, noch nicht ganz wach wie er war, zur Tür um den viel zu frühen Besucher zu öffnen. °Wer zum Teufel ist das?°, dachte er leicht ärgerlich, als er zur Tür trat und diese aufmachte – um in die kalten Augen Hojos zu blicken. Schnell verschwand die Überraschung des Turks hinter einer emotionslosen Maske und er nickte dem Wissenschaftler respektvoll zu. Selbst wenn ihre Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte, konnte er nicht vergessen, dass Hojo sein Vorgesetzter war. Zudem war für Vincent das Wort Unhöflichkeit ein Fremdwort. Er bat den Wissenschaftler also herein und bot ihm seinen einzigen Stuhl an, den dieser allerdings unwirsch ablehnte. Beide Männer standen sich einen Augenblick schweigend gegenüber, bevor Hojo das Wort ergriff: „Wegen Ms Ceylan – sie sollten das Training nicht nur auf Selbstverteidigung beschränken, sondern sie im Großen und Ganzen fitter machen. Dadurch werden sowohl ihr Immunsystem als auch ihre Moral gestärkt. Das Training wird sie von dem monotonen Alltag ablenken, so dass sie nachher ihrer Arbeit motivierter nachgehen kann, was wiederum ihre Leistung steigern sollte. Ihr Fleiß lässt des öfteren zu wünschen übrig.“ Hojo musterte den Turk ernst, der ihn nur perplex ansah. °Seit wann interessiert er sich für das Wohlergehen seiner Haushälterin?°, dachte er misstrauisch. Der Wissenschaftler riss ihn mit seinen nächsten Worten wieder aus den Gedanken. „Das kriegen Sie doch hin, nicht wahr, Mr. Valentine? Als Turk dürfte das doch kein Problem für sie darstellen“, meinte er abfällig und verließ das Zimmer. °Ich habe mehr als genug Zeit mit dem Turk verschwendet. Ich hoffe nur dass seine Kompetenzen für diese Aufgabe reichen°, dachte Hojo mürrisch als er Richtung Laboratorien verschwand. Vincent blieb einige Minuten reglos stehen, zu verdutzt, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. °Hojo... Aireen... Training? Seit wann handelt er aus Sorge um das Wohlbefinden eines Menschen? Da stimmt doch etwas nicht...° Nachdenklich verschwand er im Bad, um sich anzuziehen. Er konnte ohnehin nicht mehr schlafen und beschloss, dass ein Spaziergang genau das richtige war, um einen klaren Kopf zu bekommen. Die Dunkelheit störte ihn dabei nicht im Geringsten; er war mit ihr aufgewachsen und sah sie als Verbündeten, der sie vor unerwünschten Augen verbarg, und nicht als Feind, der auf ihn lauerte. Er schnallte sich seine Cerberus um, kontrollierte, ob alle Materias an ihrem Platz waren und verließ die Villa, auf eine Begegnung mit ein paar Monstern hoffend. Ein bisschen Adrenalin würde ihm sicher gut tun. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Ein lautes Klingeln riss Aireen aus ihrem ohnehin wenig erholsamen Schlaf. Müde tastete sie nach ihrem Wecker, wobei sie aus Versehen ihre Lampe vom Nachttisch fegte. °Na toll, ein Déjà-Vu°, dachte sie mürrisch und kroch aus dem Bett. Sie schaltete den Wecker aus und das Licht ein und besah sich den Schaden. °Komplett in ihre Bestandteile zerfallen... Na, vielleicht kann Vincent sie wieder zusammensetzen.° Rasch zog sie sich an und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Dann verließ sie auch schon ihr Zimmer und eilte runter zu Hojo in die Laboratorien. Um Punkt halb sechs klopfte sie an. „Herein.“ Leise öffnete sie die Tür und wurde auch schon von Hojo empfangen, der ihr die Kontaktlinsen in die Hand drückte. „Hier. Kommen Sie heute Abend um halb zehn zurück.“ Damit schlug er die Tür zu und ließ die verdatterte Studentin einfach stehen. „Danke?“, murmelte sie, bevor sie nach oben zurückkehrte, ihre neuen Kontaktlinsen anlegte und zufrieden feststellte, dass ihre Augen nun wieder mehr oder weniger normal aussahen. Dann ging sie in die Küche und bereitete fröhlich pfeifend das Frühstück vor, ihre Sorgen vorerst vergessen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Zehn vor sechs kehrte Vincent von seinem Ausflug zurück und wollte sich in sein Zimmer schleichen, um zu duschen und sich umzuziehen. Er hatte allerdings nicht mit Aireens Hellhörigkeit gerechnet, denn obwohl er die Eingangstür so leise wie nur menschenmöglich geschlossen hatte, musste sie es doch gehört haben und kam aus der Küche, um ihn zu begrüßen. „Gute Morgen, Vincent!“, trällerte sie fröhlich. Dann stockte sie, als sie seinen Zustand erkannte. „Heiliger Chocobo! Was ist passiert?“ Der Turk sah sie fragend an und als er ihren Blick bemerkte, sah er an sich herunter und hob eine Augenbraue. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er voller Blut der Monster, die er erledigt hatte, war und etliche Kratzer ihn überdeckten, die er sich wohl bei seinem Lauf durch den dunklen Wald eingefangen hatte. „Es ist nichts weiter“, meinte er dann und versuchte die aufgeregte Haushälterin zu beruhigen, die die ganze Zeit von „zum Arzt gehen“, „Krankenwagen rufen“ und dergleichen sprach. Da seine Worte nicht die erhoffte Wirkung zeigten, beschloss er, die Studentin einfach zu ignorieren und machte sich seufzend auf den Weg in sein Zimmer. „Hey, Vincent, wo willst du hin?!“, rief diese und lief ihm hinterher. „Duschen“, antwortete er ruhig wie immer. Als Aireen ihm daraufhin noch immer folgte, blieb er stehen, drehte sich zu hier um und hob eine Augenbraue. „Willst du etwa mitkommen?“, fragte er amüsiert und musste schmunzeln, als er ihren geschockten Gesichtsausdruck wahrnahm, der sich schnell in einen verlegenen verwandelte und sie knallrot anlief. „N-Nein, schon in Ordnung“, stotterte sie und drehte sich von ihm weg. „Ich warte in der Küche“, meinte sie noch bevor sie sich auf den Weg machte. Kopfschüttelnd setzte Vincent den Weg in sein Zimmer fort. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Zehn nach sechs saß Vincent frisch geduscht am Frühstückstisch und amüsierte sich köstlich über Aireens Verlegenheit, die ihm gegenüber saß und peinlichst darauf bedacht war, ihn nicht anzusehen. Lucrecia warf den beiden fragende Blicke zu und wunderte sich über die kleinen Lächeln, die sich ab und zu auf das Gesicht des Turks schlichen, wenn dieser glaubte, dass niemand es bemerkte. °Was ist bloß los mit den beiden?°, grübelte sie eine Zeit lang erfolglos, bevor sie sich dazu entschied, die Frage laut zu stellen. Woraufhin Aireen schlagartig knallrot anlief und weg sah und Vincent ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken konnte. Dann räusperte er sich kurz. „Wir hatten eine kleine... Meinungsverschiedenheit aufgrund meiner Duschgewohnheiten“, meinte er mit einem amüsierten Funkeln in seinen Augen. Lucrecia hob eine Augenbraue. „So ist das also?“ Der Turk nickte und die Studentin vergrub ihr heißes Gesicht in den Händen, um dessen Röte zumindest teilweise zu verbergen. „Um was ging es denn?“, fragte die Wissenschaftlerin neugierig und Vincent öffnete gerade den Mund, um zu antworten, als Aireen ihn mit einem äußerst bedrohlichen „Vincent!“ ermahnte und ihm einen „Sprich und du bist tot“ Blick zuwarf. Obwohl das den Turk nicht sonderlich beeindruckte, entschied er, sie nicht weiter in Verlegenheit zu bringen und schwieg. Die Wissenschaftlerin seufzte enttäuscht. „Dann halt nicht“, meinte sie schmollend, bevor sie sich, nun wieder ernst, an Aireen wandte. „Wie geht es dir? Du hast dich gestern ziemlich sonderbar benommen und wir hatten uns schon Sorgen gemacht.“ Die Studentin wich ihrem Blick aus und konzentrierte sich stattdessen darauf, Butter auf ihr Brötchen zu schmieren, während sie ausweichend antwortete: „Mir geht es gut. Und ich hatte gestern einfach viel zu tun, weshalb ich nicht mit euch zusammen gegessen habe.“ Vincent und Lucrecia warfen sich einen Blick zu, der soviel bedeutete wie „Ich glaube ihr kein Wort“. Sie beschlossen allerdings, die junge Frau nicht weiter zu bedrängen. Wenn sie nicht darüber reden wollte, war das ihre Sache. Als sich die unangenehme Stille weiter in die Länge zog, beschloss Vincent, sie zu durchbrechen. „Ich habe übrigens über deine Bitte nachgedacht, Aireen.“ Diese warf ihm einen fragenden Blick zu. °Welche Bitte?° „Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht schaden kann, dir ein paar Sachen beizubringen, damit du dich verteidigen kannst.“ Als Aireen endlich verstand, was der Turk meinte, erhellte ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht. „Vielen, vielen Dank, Vincent, ich-“ „Ich war noch nicht fertig“, unterbrach er sie und warf ihr einen strengen Blick zu. Die Studentin schluckte schwer und zog den Kopf etwas ein. „Ich erwarte äußerste Disziplin. Wenn du das Training auf die leichte Schulter nimmst, hat es keinen Sinn. Bist du bereit dafür?“ Aireen nickte daraufhin ernst und meinte mit fester Stimme. „Ja.“ Vincent musterte sie noch einen Augenblick, dann nickte auch er. „Gut. Ich erwarte dich um Punkt sieben Uhr in der Eingangshalle. Und zieh dich warm an.“ Damit erhob er sich, stellte seinen Teller in das Spülbecken und verließ, zusammen mit Lucrecia, die ihm hastig folgte, die Küche. Aireen blieb noch einen Moment verdutzt sitzen, bevor die Erkenntnis, dass Vincent Valentine sich gerade dazu bereit erklärt hatte, sie auszubilden, zu ihr durchdrang. Mit einem großes Grinsen auf ihrem Gesicht machte sie sich viel munterer als sonst an den Abwasch. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Lucrecia sobald sie die Küche verlassen hatten und musterte den Turk mit ernstem Blick. Dieser schaute weiter nach vorne. „Nach dem Angriff von Raijin und Fujin hatte sie mich darum gebeten und ich fand, dass es keine schlechte Idee ist.“ „Aber das ist doch nicht alles, oder?“, hakte die Wissenschaftlerin nach, woraufhin Vincent nur seufzte. Er wollte ihr nichts von Hojo erzählen. Sie machte sich ohnehin schon genug Sorgen. Stattdessen meinte er nur: „Ich dachte, es würde ihr vielleicht gut tun, etwas anderes als nur die ganze Hausarbeit zu haben. Und sie schien richtig begeistert von der Idee, als sie mich gefragt hat.“ Widerwillig gab sich Lucrecia mit der Antwort zufrieden, obwohl sie wusste, dass es nicht die ganze Wahrheit war. Dafür kannte sie den Turk zu gut. °Irgendetwas stimmt hier nicht°, dachte sie düster, während sie Vincent die Wendeltreppe in den Keller hinunterfolgte. °Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht...° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Fünf Minuten vor sieben stand Aireen schon bereit in der Eingangshalle. Sie hatte ihren wärmsten Pullover angezogen und sich zudem einen langen, kuscheligen Schal um den Hals gewickelt. Sie trug eine Mütze mit zwei niedlichen Zöpfen und dicke, wollene Handschuhe. Aufgeregt wartete sie darauf, dass Vincent endlich kam. °Ich wollte schon immer Kämpfen lernen! Schon blöd, dass ich durch das Studium aus dem Judo-Klub austreten musste... Am liebsten würde ich mit Schwertkampf anfangen!° So grübelte sie voller Vorfreude, was der Turk ihr wohl als erstes beibringen würde. Dieser kam, als es genau sieben Uhr läutete und er nickte ihr zu. „Zuerst einmal müssen wir herausfinden, wie es um deine Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit etc. bestimmt ist, bevor wir anfangen können“, meinte er ernst und die Studentin nickte eifrig. „Gut. Als erstes gehen wir laufen.“ Das Lächeln gefror ihr auf dem Gesicht. °Laufen? Verdammter Mist, darin war ich schon immer eine absolute Niete.° Vincent fiel ihr Mangel an Begeisterung natürlich sofort auf. „Keine Sorge, mehr als zehn Kilometer werden wir für den Anfang nicht machen“, meinte er spöttisch. Ihr entsetzter Gesichtsausdruck ließ ihn schmunzeln, was er allerdings unter seinem Schal verbarg. °Zehn Kilometer?! Will er mich umbringen?°, dachte Aireen fassungslos. „Los gehts“, meinte der Turk, öffnete die Tür und lief los. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm in die noch immer vorherrschende Dunkelheit zu folgen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eine gute halbe Stunde später klappte Aireen zusammen und blieb keuchend auf dem Boden liegen. Vincent war noch ein paar Meter weitergelaufen, bevor er merkte, dass sie ihm nicht mehr folgte. Daraufhin kehrte er zu ihr zurück und beugte sich über sie. „Ich... kann... nicht... mehr!“, brachte die Studentin nur mühsam heraus und schnappte weiterhin verzweifelt nach Luft. Der Turk nickte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du überhaupt so lange aushältst. Für den Anfang war das gar nicht mal so schlecht“, meinte er anerkennend und entlockte Aireen ein müdes Lächeln. „Dennoch solltest du nicht im Schnee liegen bleiben, außer du willst riskieren, dich zu erkälten.“ Er half ihr hoch und suchte eine mehr oder weniger trockene Stelle, auf die sich die Studentin auch sofort fallen ließ. Dann kramte Vincent in seinem Rucksack, den er mitgebracht hatte, und zog eine Flasche Wasser hervor, die er ihr reichte. „Hier.“ Dankend nahm sie die Flasche an und trank einen großen Schluck, bevor sie sich wieder an den Turk wandte. „Wo sind wir hier?“, fragte sie, während sie sich aufmerksam umsah. Rings um sie herum erstreckte sich eine große, schneebedeckte Wiese. Zu ihrer linken befanden sich in einiger Entfernung die Nibelberge und hinter ihr war der Wald, durch den sie bisher gelaufen waren. „Das hier ist die Nibelwiese. Sie erstreckt sich bis weit in den Süden, wo sie von einem Fluss abgegrenzt wird. Wenn man den Weg weiter folgt, landet man irgendwann in Cosmo Canyon“, erklärte Vincent. „Wenn wir zurück sind, kann ich dir eine Karte zeigen. Es ist sicher von Vorteil, sich mit der Geographie Gaias bekannt zu machen.“ Aireen nickte zustimmend und sah sich weiterhin um. Langsam wurde es hell, als die Sonne sich mit ersten Strahlen ankündigte, aber noch größtenteils von den Bergen im Osten verdeckt wurde. Sie seufzte erleichtert. Es war schon gruselig genug gewesen, im Dunkeln durch den Wald zu laufen, wo sie doch vor nicht allzu langer Zeit genau das gleiche getan hatte, auf der Flucht vor den Kalmwölfen. Ihn noch einmal bei Dunkelheit zu durchqueren hätte sie den letzten Nerv gekostet. „Nun widmen wir uns dem waffenlosen Nahkampf“, meinte Vincent und riss sie erfolgreich aus ihrer Tagträumerei. „Waffenlos?“, fragte Aireen und konnte ihr Enttäuschung nicht ganz verbergen. Der Turk hob eine Augenbraue. „Das ist Basiswissen. Sobald du das beherrschst, können wir zum Kampf mit Waffen übergehen.“ Die Studentin nickte und stand auf. Wenn dem so war, würde sie alles geben! Schließlich wollte sie irgendwann zum Schwertkampf kommen. „Bereit?“ Sie nickte abermals. „Dann verteidige dich!“ Damit griff der Turk an. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eine Stunde später lag Aireen abermals nach Luft schnappend auf dem Boden. Dieses Mal lag es allerdings nicht nur an der Anstrengung, eine Stunde lang mit nur drei kleinen Pausen sich den Angriffen des Turks zu erwehren, sondern auch an dem harten Schlag, mit dem Vincent ihren Bauch getroffen hatte. Ihre ohnehin erst kürzlich geheilten Rippen hatten dabei gefährlich geknackst. „Das reicht für heute“, sagte der Turk und half ihr wieder hoch. Sie stützte sich einen Moment bei ihm ab, bis sie ihren Beinen wieder einigermaßen zutraute, ihr Gewicht zu tragen. Morgen würde sie überall blaue Flecken haben; Vincent war nicht gerade zimperlich mit ihr umgegangen. Als sie ihn darauf angesprochen hatte, hatte er nur gemeint „Dass das ihre Gegner auch nicht seien“ und weiter attackiert. Den größten Teil des Weges zurück schwiegen sie. Als sie schließlich die Villa erreicht hatten, meinte Vincent: „Du hast dich gut geschlagen. Ich nehme mal an, dass dir der Nahkampf nicht gänzlich unbekannt ist?“ Aireen nickte. „Ich habe vier Jahre Judo gemacht, aber das ist schon eine Weile her,“ erklärte sie. „Die Reflexe bleiben. Du musst also nur dein Gedächtnis etwas auffrischen, um dich an den Rest zu erinnern“, meinte der Turk und hielt ihr die Tür auf. Die Studentin lächelte dankbar. „Ich werde jetzt nach Lucrecia sehen.“ Damit wollte er schon verschwinden, als Aireen noch etwas einfiel. „Warte, Vincent!“ Dieser blieb stehen und warf ihr einen fragenden Blick zu. Verlegen kratzte sie sich am Kopf. „Naja, also, heute Morgen beim Aufwachen ist mir ein kleines Missgeschick unterlaufen und-“ „Ja?“, unterbrach sie der Turk und unterdrückte ein Seufzen. Dass sie auch nie zum Punkt kommen wollte! „Ich hab die Lampe zerschmettert. Kannst du vielleicht...?“, fragte sie hoffnungsvoll, woraufhin Vincent nickte. „Ich kümmere mich später darum.“ „Danke, du bist ein wahrer Schatz!“ Der Turk schüttelte daraufhin nur den Kopf und meinte noch: „Morgen, gleiche Zeit, hier.“ Damit verschwand er Richtung Laboratorien. „Ich freu mich drauf“, murmelte sie lustlos und humpelte in ihr Zimmer, um zu duschen, frische Kleider anzulegen und sich ihre blauen Flecken anzusehen. °Vincent hat nicht mal geschwitzt. Wie macht er das bloß?° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent betrat Lucrecias Arbeitszimmer, woraufhin die Wissenschaftlerin von ihren Papieren aufschaute und ihn neugierig ansah. „Und? Wie wars?“ Seufzend ließ der Turk sich in seinen Sessel fallen und beäugte den großen Stapel Papiere, den er durcharbeiten sollte. Dann wandte er sich an Lucrecia: „Gar nicht mal so schlecht. Die mangelnde Kondition ist schnell aufgebaut und ein gewisses Basiswissen, was den Nahkampf anbelangt, hat sie auch schon. Zudem scheint sie ehrgeizig zu sein und Spaß daran zu haben, was das Training ungemein erleichtert.“ Die Wissenschaftlerin lächelte. „Hört sich gut an. Zumindest hat sie nun etwas mehr Abwechslung in ihrem Alltag...“ Der Turk nickte nur und wandte sich seiner Arbeit zu, mit den Gedanken allerdings noch immer bei dem von Hojo angeordneten Training. Was hatte der Wissenschaftler bloß vor? Dass er sich um das Wohlergehen seiner Haushälterin sorgte, hatte Vincent ihm von Anfang an nicht abgekauft. Dafür kannte er dessen boshafte Natur zu gut. Nachdenklich rieb er seine in Falten gelegte Stirn. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Aber was? ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Interessierte Augen betrachteten die verschiedenen Karten Gaias und Aireen prägte sich die Geographie schnell ein. Vincent hatte ihr nach dem Abendessen ein paar Bücher geliehen, ihre Lampe wieder zusammen gesetzt und gemeint, dass das Aneignen von Allgemeinwissen auch zu ihrem Training gehörte. Das war allerdings nicht der ausschlaggebende Grunde, weshalb sie deren Inhalt so fleißig in sich hinein sog. Vielmehr war ihr Interesse dem Umstand zu verdanken, dass sie soviel wie möglich über die Welt, in der sie gelandet war, erfahren wollte. Klar wusste sie auch schon vorher, wie die Weltkarte aussah und hatte Gaia auf ihrer Playstation auch schon mehrfach durchreist. Dennoch war die Realität ganz anders. Die Distanzen waren länger und die Natur etwas anders als im Spiel: es gab mehr Wälder, Flüsse, Berge... Zudem durfte man nicht außer Acht lassen, dass Gaia erst dreißig Jahre später so aussehen würde, wie Aireen es in Erinnerung hatte. Mako wurde noch nicht allzu lange als Energiequelle benutzt und war noch nicht sehr verbreitet. Daher gab es auch noch keine Anzeichen von größerer Umweltverschmutzung. Aireen seufzte. Noch war alles friedlich. Aber wie lange noch? Heftig schüttelte die Studentin den Kopf, um auf diese Art und Weise die unangenehmen Gedanken, die sich in ihrem Kopf auszubreiten versuchten, abzuschütteln. Sie wollte jetzt nicht daran denken. Sie hatte noch genug Zeit, sich eine Lösung für die bevorstehenden Probleme zu überlegen. Apropos Probleme: Es war gleich zehn Uhr. Entsetzt starrte Aireen einen Augenblick auf ihren Wecker, sehnlichst darauf hoffend, sich verlesen zu haben. Als die Uhrzeit daraufhin aber die gleiche blieb, sprang sie hastig auf und sprintete aus ihrem Zimmer. °Mist, Mist, Mist! Wie konnte ich nur vergessen, dass Hojo mich sehen wollte? Er wird mich umbringen!°, dachte sie und hastete die Wendeltreppe hinunter, wobei sie sich beinahe das Genick brach, als sie kurz stolperte und ihr Gleichgewicht erst im letzten Moment wiederfand. °Puuh, das war knapp... Dann lass ich Hojo doch lieber etwas länger warten und komme heil an°, dachte sie, als sie ihr Tempo wesentlich verlangsamte und vorsichtig die Treppe hinunterstieg. Als sie dann vor Hojos Arbeitszimmer stand, hob sie zögernd die Hand und klopfte leise an. „Herein.“ Aireen betrat das Zimmer und näherte sich etwas unsicher dem Professor, der über Papiere gebeugt an seinem Schreibtisch saß. Er ignorierte sie geschlagene fünf Minuten lang, ehe er aufblickte und sie mit einem eiskalten Blick ansah. Sie schrumpfte in sich zusammen und stammelte sogleich eine Entschuldigung: „Tut mir Leid, es ist, also ich war, Vincent hat mir ein Buch gelesen, ähm, geliehen und-“ „Es reicht!“, unterbrach Hojo sie scharf, erhob sich und schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch. „Sie sind eine halbe Stunde zu spät! Keine noch so gute Erklärung kann das entschuldigen!“ Daraufhin schwieg Aireen lieber. Sie hatte eh nicht mit seinem Verständnis gerechnet. „Kommen Sie her! Sie haben meine Zeit schon mehr als genug vergeudet!“ Ergeben ließ sich die Studentin auf der Liege nieder, die Hojo ihr gezeigt hatte. Als dieser sich wieder mit einer Spritze näherte, erbleichte sie und fragte unsicher: „Was machen Sie, Professor?“ „Nur eine weitere Blutanalyse. Ich will verfolgen, wie sich das Training auf das Mako auswirkt.“ Damit setzte er auch schon die Spritze an und ließ Aireen keine Zeit, zu protestieren. Als sie langsam in die Bewusstlosigkeit abdriftete, dachte sie noch schwach: °Ich sollte mich wohl lieber daran gewöhnen...° Dann umhüllte sie Dunkelheit. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Kopfschüttelnd beendete Hojo die Blutabnahme und band ihren Arm ab. Das hatte allerdings eher wenig mit seiner Gutmütigkeit zu tun, sondern lag daran, dass er keine Blutflecken auf seiner Liege haben wollte. Daraufhin verschwand er in seinem Labor und ließ sein Subjekt sich selbst überlassen. Immerhin war er mit dem Schmieden düsterer Pläne beschäftigt... ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Als die Studentin wieder zu sich kam, stand sie zitternd auf und stolperte zurück in ihr Zimmer. Obwohl Hojo ihr nur etwas Blut abgenommen hatte, fühlte sie sich danach immer schwach, was vor allen an ihrer Phobie gegenüber Spritzen lag. Und dabei war sie sich jetzt schon sicher, dass das schlimmste noch vor ihr lag und Hojo sich mit seinen Experimenten gerade erst warm lief... Seufzend ließ sie sich auf ihr Bett fallen und starrte an die Decke. °Warum tue ich mir das eigentlich an? Es ist vielleicht schwer, aber dennoch schaffbar, allein in Gaia zurecht zu kommen. Vor allem, da ich mich nun näher mit der Geschichte des Planeten und dessen Einwohner befasse. Vielleicht könnte ich sogar den Turks beitreten... Den perfekten Ausbilder habe ich schließlich schon.° Bei dem Gedanken schlich sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht, das aber genau so schnell wieder verschwand und von einem resignierten ersetzt wurde. °Ich kann meine Freunde hier nicht einfach im Stich lassen. Nicht, wenn ich die Möglichkeit habe, die bevorstehenden Ereignisse zu verhindern. Dafür nehme ich auch Hojo in Kauf°, beschloss sie und schlief kurz darauf auch schon ein. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Eben jenen Wissenschaftler traf ein Geistesblitz und, selbst erstaunt über die Möglichkeit, sie sich gerade vor ihm auftat, ließ er sich in einen nahe liegenden Stuhl fallen. Nachdenklich rieb er seine in Falten gelegte Stirn. °Wieso ist mir das nicht schon früher eingefallen?° Langsam erhob er sich wieder und nahm eine Blutprobe in die Hand, welche er gedankenverloren anstarrte, als ob er darauf hoffte, so die Antwort auf seine Frage zu finden. Dann fasste er einen Entschluss und ging zu einer seiner unzähligen Geräte, in dem er die Probe verstaute. °Es kann nicht sein, oder...?° Damit startete er den Test. Kapitel 7: Planung einer Feier ------------------------------ Ich glaube, es ist etwas langatmig geworden *g* Trotzdem viel Spaß beim Lesen =) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Das penetrante Piepsen ihres Weckers riss Lucrecia aus ihrem unruhigen Schlaf. Müde schaltete sie ihn aus und kuschelte sich wieder unter ihre Decke. °Viel zu früh um aufzustehen°, dachte sie verschlafen, als sie feststellte, dass es erst fünf Uhr morgens war. Obwohl sie normalerweise ein absoluter Morgenmensch war, war es ihr heute nicht danach, ihr warmes, gemütliches Bett gegen ein nicht geheiztes Labor und endlose Stunden Arbeit einzutauschen. Sie war noch müde, da ihre Albträume sie eines erholsamen Schlafes beraubt hatten. Schaudernd dachte sie über die immer wiederkehrenden Träume nach, in denen Dr. Grimoire Valentine, Vincent's Vater, wieder und wieder in ihren Armen starb und zum Lebensstrom zurückkehrte. Und das alles nur, um sie zu schützen... Energisch schüttelte sie den Kopf, um die Bilder zu vertreiben. Sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Sie krabbelte aus dem Bett und streckte sich erst einmal ausgiebig. Dann betrachtete sie nachdenklich die Leuchtziffern ihres Weckers. °Wieso habe ich ihn früher als sonst gestellt?° Dann fiel ihr Blick auf das Datum und schlagartig erhellte ein Lächeln ihr Gesicht. °Wie konnte ich das nur vergessen? Heute ist der große Tag. Ich darf keine Zeit verlieren!° Munter vor sich hin summend suchte sie sich ihre Kleider zusammen und verließ ihr Zimmer. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Ein sanftes, aber hartnäckiges Schütteln an der Schulter weckte Aireen. Schlaftrunken richtete sie sich auf und blinzelte, als sie sich Lucrecia gegenüber fand, die sie wie ein Honigkuchenpferd angrinste. Die Studentin runzelte die Stirn. Grinsend? Die Wissenschaftlerin war zwar stets gut gelaunt, aber grinsen tat sie normalerweise nie, nur lächeln. Misstrauisch sah Aireen sie an. „Wer bist du und was hast du mit Lucrecia getan?“ Daraufhin wurde ihre Grinsen nur breiter, so dass die Studentin schon befürchtete, dass sie womöglich ihre Ohren verschlucken würde. „Komm' schon, wir müssen noch viel vorbereiten“, antwortete die Wissenschaftlerin nur und entzog Aireen die Bettdecke, in die sich wieder hatte verkriechen wollen. „Was um Himmel's Willen muss man um fünf Uhr morgens vorbereiten?!“, meinte sie mürrisch und versuchte, ihre Decke zurück zu erobern, was Lucrecia aber nicht zuließ und ihr stattdessen ihre Kleider holte. „Du wirst doch wohl nicht wirklich Vincent's Geburtstag vergessen haben, oder?“ Augenblicklich ließ die Studentin ihre Bettdecke los und erstarrte. Nur verschwommen nahm sie war, wie Lucrecia triumphierend mit der gewonnen Decke verschwand und sie außer Reichweite wieder ablegte. °Vincent hat heute Geburtstag? Das heißt...° „Lucrecia, wie alt wird er eigentlich?“, fragte sie, in der Hoffnung, dass ihre Vermutung sich als falsch erweisen würde. „26, natürlich! Sag mir nicht, du hast das nicht gewusst?!“ Den letzten Teil bekam Aireen schon nicht mehr mit. Zu groß war die Erleichterung, dass das Leben noch eine Zeit lang normal weitergehen würde. Immerhin würde das Drama erst ihren Lauf nehmen, wenn Vincent schon 27 war. Bei dem Gedanken daran verdüsterte sich ihr Gesichtsausdruck. In weniger als zwei Jahren würde der gefährlichste Antagonist in der Geschichte Gaia's geboren werden: Sephiroth. Lucrecia's eindringliche Stimme riss sie aus ihren düsteren Gedanken. „Aireen? Alles in Ordnung?“ Benommen nickte diese nur und fuhr sich seufzend mit der Hand durch die Haare. Die Wissenschaftlerin musterte sie allerdings weiterhin skeptisch und die Studentin schenkte ihr ein halbherziges Lächeln und stand auf. „Wollen wir? Schließlich haben wir noch viel zu tun, nicht?“ Es war ein eindeutiger Versuch, das Thema zu wechseln. Und leider sprang Lucrecia nicht darauf an. „Aireen.“ Angesprochene sah verwundert zu der Wissenschaftlerin. Sekunden vorher war ihr deren übermäßige Fröhlichkeit noch komisch vorkommen. Nun aber sprach diese mit einer Ernsthaftigkeit, die ganz und gar unüblich war. Lucrecia schien es also sehr wichtig zu sein, ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. „J-ja?“, antwortete Aireen unsicher und fühlte sich sichtlich unwohl unter dem prüfenden Blick der Wissenschaftlerin. Diese seufzte und ihr Blick wurde sanft. „Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt. Und ich mache mir Sorgen. Du bist nicht die, die ich in den letzten Monaten kennen und schätzen gelernt habe. Irgendetwas bedrückt dich doch.“ Als Aireen daraufhin nur schuldbewusst weg sah und weiterhin schwieg, schüttelte Lucrecia verzweifelt den Kopf. Dann fing sie sich wieder, trat mit zwei entschlossenen Schritten an die verloren wirkende Studentin heran und schloss sie in eine warme Umarmung. Taten sagten manchmal einfach mehr als Worte. Total überrumpelt ließ es Aireen zunächst geschehen, ohne darauf zu reagieren. Dann aber entspannte sie sich und erwiderte die Umarmung umso fester. Sie schloss die Augen und seufzte selig. °Lucrecia ist wohl der netteste Mensch, der mir bisher begegnet ist.° Ihre Miene verhärtete sich. °Ein Grund mehr, hier zu bleiben und das wahnsinnige JENOVA-Projekt aufzuhalten.° Als sich die Wissenschaftlerin schließlich von ihr löste, schenkte die Studentin ihr ein dankbares Lächeln. Prüfend sah Lucrecia sie an. „Ich hoffe du weißt, dass du mir alles erzählen kannst.“ Aireen nickte. „Ich weiß... Danke“ Die Wissenschaftlerin lächelte aufmunternd. °Mehr kann ich im Moment wohl nicht für sie tun. Ich hoffe nur, dass sie meine Hilfe irgendwann akzeptiert...° „Was hältst du davon, wenn wir in die Küche gehen, uns einen heißen Tee kochen und dann in aller Ruhe einen Plan für den Tag aufstellen?“ Aireen erkannte, dass Lucrecia versuchte, die Stimmung etwas aufzulockern und gab lächelnd ihr Einverständnis, froh, dass die Wissenschaftlerin nicht auf dem ihr unangenehmen Thema beharrte. „Ich mach' mich nur noch schnell fertig, dann komme ich sofort, ja?“ Lucrecia nickte und ließ die Studentin allein, so dass diese sich in Ruhe anziehen konnte. Schnell zog sie eine schwarze Joggingshose an und dazu einen warmen, weißen Pulli und schon war ihr Schlabberoutfit fertig. Dann schlurfte sie gähnend ins Bad, um ihre Kontaktlinsen anzulegen. °Gut, dass Lucrecia zu abgelenkt war, um meine Augen zu bemerken. Zumindest scheint das Leuchten etwas abgenommen zu haben...° Sie band sich ihre sich sträubenden Haare zu einem losen Zopf zusammen. Dann warf sie noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, bevor sie das Badezimmer und ihr Quartier Richtung Küche verließ. Dort wurde sie auch schon mit einen dampfenden Tasse Kaffee begrüßt, den Lucrecia angesichts ihrer voraussichtlich längeren Sitzung vorbereitet hatte. Und weil sie wusste, dass Aireen ein absoluter Kaffeejunkie war. Diese stürzte sich auch sogleich mit leuchtenden Augen auf ihre Tasse und nahm einen großen Schluck, bevor sie sich zufrieden seufzend auf ihren Stuhl fallen ließ. „Sooo... hast du schon irgendetwas bestimmtes vor?“, fragte sie dann und beobachtete die Wissenschaftlerin, die sich in dem Stuhl ihr gegenüber niedergelassen hatte und an ihrer eigenen Tasse Kaffee schlürfte. Diese stellte sie zurück auf den Tisch, bevor sie schließlich antwortete: „Nun ja, ich habe mir ein paar Gedanken darüber gemacht, was er mag und was er nicht mag. Allerdings haben meine monatelangen Beobachtungen mich nicht sehr viel weiter gebracht.“ Sie seufzte und Aireen nickte verstehend. Es war alles andere als einfach, etwas über Vincent Valentine herauszufinden. „Nun, wo fangen wir an? Er mag es nicht, von zu vielen Menschen umgeben zu sein. Und er hasst es, den ganzen Tag in seinem kleinen Büro zu verbringen und sich um den Papierkram zu kümmern. Er wird dann unruhig, auch wenn er es zu verbergen sucht. Stattdessen bevorzugt er es, seine Zeit im Freien zu verbringen, hauptsächlich mit Training. Er scheint gerne für sich alleine zu sein.“ Die Studentin nickte zustimmend. Bisher hatte sie nichts wirklich neues erfahren. Die Wissenschaftlerin fuhr mit gerunzelter Stirn fort. „Er mag Sommer nicht, da es ihm dann zu warm ist. Er bevorzugt kühlere Jahreszeiten. Denn dann kann er seine geliebten Anzüge tragen, ohne vor Hitze umzukommen.“ Daraufhin brachen die beiden in einen Kicheranfall aus. Als sie sich wieder so weit beruhigt hatten, fügte Lucrecia grinsend hinzu: „Wusstest du, dass er Kartoffelbrei hasst?“ Die Studentin sah sie mit großen Augen an und schüttelte den Kopf. „Nah, das wusste ich noch nicht. Er hat sich aber noch nie etwas anmerken lassen, obwohl ich das so oft koche!“ Die Wissenschaftlerin nickte schmunzelnd. „Ja, er gibt sich richtig Mühe...“ „Was mag er eigentlich? Heute wäre doch die Gelegenheit, ihm sein Leibgericht zuzubereiten!“ Lucrecia legte die Stirn in Falten und schien angestrengt nachzudenken. „Nun, das ist eine wirklich gute Frage... Ich glaube, er mag Fleisch. Vielleicht Chocobo?“ Aireen starrte sie entsetzt an. „Chocobo?! Diese niedlichen Vögel kann man doch nicht essen!“, meinte sie dann entrüstet. „Nun ja, ich weiß nur, dass er sie nicht gerne als Transportmittel benutzt...“, versuchte Lucrecia sie zu beruhigen. „Auf jeden Fall mag er roten Wein!“ Daraufhin hörte die Atudentin sofort mit ihrer 'Rettet die Chocobo' Rede inne und sah die Wissenschaftlerin verblüfft an. „Echt jetzt?“ Sie nickte. Nachdenklich nippte Aireen an ihrem Kaffee. Als die Tasse leer war, stellte sie diese zurück auf den Tisch und meinte: „Nun gut. Wir können dann wohl festhalten, dass wir am besten einen gemütlichen Abend organisieren, zu dem sonst niemand eingeladen ist. Bei den Temperaturen müssen wir es trotz Vincent's Liebe nach Freiheit nach innen verlegen. Der Salon wäre wohl am besten dazu geeignet.“ Lucrecia nickte zustimmend. „Das war auch mein Plan. Dekorationen haben wir ja auf dem Markt gekauft, genauso wie die Zutaten für einen leckeren Kuchen. Jetzt muss ich Vincent nur noch lange genug entkommen, um ihn auch zu backen...“ „Das dürfte kein Problem sein. Ich glaube kaum, dass ihn sein Geburtstag davon abhält, mich mit einem stundenlangen Training foltern zu wollen. Das dürfte dir genug Zeit verschaffen. Und wenn ich dann zurück bin, kümmer' ich mich um den Salon und das Abendessen, ja?“ Die Wissenschaftlerin nickte und ein glückliches Lächeln erhellte ihr Gesicht. Der Tag würde einfach nur grandios werden! „So, da das nun geklärt wäre... Warum in Gaia's Namen hast du mich eigentlich so früh geweckt? Die Planung hat gerade mal zehn Minuten gedauert!“, fragte Aireen mürrisch und winkte Richtung Uhr, die angab, dass es nun genau Viertel nach Fünf war. Lucrecia warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und kratzte sich verlegen am Kopf. „Noch Kaffee?“ Aireen nickte nur und brummte zufrieden, als sie ihr eine weiter Tasse einschenkte. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Als Vincent um Viertel vor sechs die Küche betrat, staunte er nicht schlecht, als er bemerkte, dass er einmal nicht der erste beim Frühstück, sondern viel mehr der letzte war. Er ließ sich jedoch nichts anmerken und setzte sich zu den zwei Frauen, die ihn beide mit einem fröhlichen „guten Morgen“ begrüßten. Bei Lucrecia war das nichts neues, aber eine Aireen zu dieser Uhrzeit so munter zu sehen, kam ihm dann doch etwas komisch vor. Misstrauisch behielt er die beiden im Auge, während er sein Brötchen aufschnitt – was ihn allerdings beinahe einen Finger kostete. Danach tat er ihr eigenartiges Verhalten als unwichtig ab und schob die Schuld auf den Vollmond, der heute war. „Gehen wir heute wieder laufen, Vincent?“, fragte dann Aireen recht munter. Er musterte sie etwas argwöhnisch. Gestern war sie alles andere von ihrem kleinen Lauf gewesen und heute schien sie sich darauf zu freuen? Das war suspekt. Sehr suspekt. „Ja. Und heute sind es zehn Kilometer, und nicht nur sechs, so wie gestern.“ Daraufhin fror Aireen's Lächeln etwas ein und sie wandte sich missmutig wieder ihrem Brötchen zu, das sie schon mal als Vorbereitung auf das harte Training reichlich mit Nutella beschmierte. Ein kleines Schmunzeln schlich sich bei ihrer Reaktion auf Vincent's Gesicht, das er allerdings schnell hinter seiner Serviette verbarg. Das war schon eher Aireen, wie er sie kannte. Nach dem Frühstück verschwand Lucrecia wie immer in den Laboratorien – man musste schließlich die Tarnung aufrecht erhalten. Vincent begleitete sie noch bis hinunter. Wahrscheinlich wollte er sicher stellen, dass sich über Nacht keine Monster in ihrem Arbeitszimmer eingeniestet hatten Obwohl das eher unwahrscheinlich war, wo Hojo doch da unten sein Quartier aufgeschlagen hatte. Und sich die Monster wohl mehr vor seinen Experimenten fürchteten, als er vor ihren Klauen. Aireen machte noch rasch den Abwasch, bevor sie in ihr Zimmer zurückkehrte, wo sie eine warme Jacke, Schal, Mütze und Handschuhe zusammensuchte. °Das einzige, was jetzt noch fehlt, wäre ein Mp3 Player°. Sehnsüchtig dachte sie an ihre Heimat zurück. Obwohl Gaia alles andere als altmodisch war, schien es doch niemanden zu geben, der sich je mit der Herstellung von Musikgeräten beschäftigt hatte. °Eigentlich seltsam, wo es doch Fernseher und PCs gibt. Vielleicht bin ich einfach noch keinen Mp3 Players begegnet. Ich werde Vincent später danach fragen.° Gut gelaunt kehrte sie in die Küche zurück, wo sie Lucrecia schon die nötigen Utensilien und Zutaten für ihren Kuchen bereit legte. Da sie die Schränke alle ungeordnet hatte, war sie sich nicht sicher, ob die Wissenschaftlerin sich ansonsten zurecht finden würde. Dann öffnete sie den Kühlschrank und besah sich kritisch die vorhandenen Lebensmittel. °Was soll ich bloß kochen? Mmh... Vielleicht kann ich Vincent unauffällig aushorchen und so heraus finden, was er mag°, überlegte sie und nickte, zufrieden über ihre Idee. Um fünf Minuten vor sieben traf Vincent die Studentin in der Eingangshalle. „Ich hol nur noch eine Flasche Wasser“, meinte er und wollte schon Richtung Küche gehen, als Aireen sich ihm in den Weg stellte. „Ich mach das schon! Dann kann ich auch gleich noch zwei Äpfel einpacken. Gestern war ich ziemlich ausgehungert nach dem Training!“ Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln, riss ihm den Rucksack, den er mitgebracht hatte, aus den Händen und verschwand in der Küche, wobei sie Vincent's bohrenden Blick in ihrem Rücken spürte. °Uff, das war knapp. Hätte er die Sachen für den Kuchen gesehen, wäre die ganze Überraschung hin. Ich muss wohl vorsichtiger sein.° Nachdem sie alles in dem Rucksack verstaut hatte, kehrte sie zu Vincent zurück, der auch gleich die Eingangstür öffnete und los lief. Aireen blieb nichts anderes übrig, als ihm wieder einmal hinterher zu rennen. Als sie nach einem beherzten Sprint endlich zu ihm aufgeschlossen hatte, schnappte sie schon nach Luft. Das zusätzliche Gewicht des Rucksacks trug auch nicht zu ihrem Wohlbefinden bei. °Wieso muss ich den eigentlich heute schleppen?°, dachte sie mürrisch und warf dem Turk einen finsteren Blick zu. Den dieser natürlich bemerkte. Er hob eine Augenbraue und sah sie fragend an, woraufhin Aireen schnaubte. „Könnten wir vielleicht etwas langsamer laufen? So schaff' ich die zehn Kilometer nie.“ Zu ihrem Erstaunen verlangsamte Vincent tatsächlich sein Tempo. Ihre Freude war allerdings von kurzer Dauer, als er meinte: „Jetzt musst du die zehn Kilometer schaffen.“ „Und wenn nicht?“ Der strenge Blick, den sie als Antwort erhielt, ließ sie verstummen. Sie würde es wohl besser nicht darauf ankommen lassen... ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Bitte, Professor! Man feiert schließlich nur einmal im Jahr seinen Geburtstag!“, flehte Lucrecia. Doch Hojo verharrte unerbittlich. „Er hat seinen verfügbaren Urlaub schon aufgebraucht, in dem er eine Woche im Bett verbracht hat.“ „Er war krank und hatte hohes Fieber! Das kann man doch nicht als Urlaub zählen!“ Der Wissenschaftler unterzeichnete ein weiteres Dokumente, bevor er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und Lucrecia mürrisch ansah. „Und nun nimmt er sich auch noch jeden Morgen die Zeit, unsere nichtsnutzige Haushälterin zu trainieren. Außerdem geht es hier doch nicht nur um den Turk, sondern um Sie, Doktor. Sie sind es doch, die sich den Tag für die Vorbereitungen einer lächerlichen Feier frei nehmen wollen. Und das, obwohl wir kurz vor dem Durchbruch stehen!“ „Wir glauben schon seit Wochen, kurz vor dem Durchbruch zu sein! Und trotzdem hat sich noch immer nichts getan. Bitte, Professor. Ich werde morgen auch die verlorene Zeit wieder aufarbeiten!“ Hojo musterte sie mit gerunzelter Stirn. °Dagegen spricht, dass sie unsere kostbare Arbeitszeit für den nutzlosen Turk verschwendet. Allerdings spricht wohl dafür, dass ich so in ihrer Achtung aufsteigen könnte... Das wäre meine Chance, ihr näher zu kommen und sie von dem negativen Einfluss des dummen Jungen zu befreien...° Schließlich nickte er. „Also gut, nehmen sie sich den Tag frei. Aber ich erwarte sie morgen um Punkt sieben Uhr im Labor.“ Lucrecia's strahlendes Lächeln schien den Keller zu erhellen, als sie sich ohne länger nachzudenken an den Hals des Wissenschaftlers warf, der daraufhin erstarrte. Sie ließ auch sogleich wieder von ihm ab, als sie bemerkte, was sie gerade getan hatte. Mit gesenktem Kopf, um ihre glühenden Wangen zu verbergen, murmelte sie noch ein leises „Danke“, bevor sie sich umwandte und mit schnellen schritten das Arbeitszimmer verließ. Sie ließen einen verdatterten, aber nichts desto trotz zufrieden grinsenden Hojo zurück. °Das ist doch kein schlechter Anfang. Operation „Zerstöre die Freundschaft zwischen Doktor Crescent und dem Turk“ hat soeben begonnen.° Böse lachend wandte er sich wieder zu seinem Monitor. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Wie... wie weit ist es noch?“, keuchte Aireen. „Noch beinahe genauso weit wie vor einer halben Minuten, als du zuletzt gefragt hast“, meinte Vincent und sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Vielleicht solltest du dir deinen Atem sparen und dich auf's Laufen konzentrieren.“ „ ...Sklaventreiber“, murmelte die Studentin und quälte sich weiter, während der Turk neben ihr nur den Kopf schüttelte und sich wunderte, ob sie die restlichen drei Kilometer wohl noch schaffen würde. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Zur gleichen Zeit sah sich Lucrecia in der Küche um und dankte Aireen in Gedanken, dass sie ihr die Sachen schon alle rausgelegt hatte. °Das erspart mir eine lange Suchaktion.° Sogleich griff sie nach dem Kochbuch und suchte die benötigten Materialien zusammen, um den Teig zuzubereiten. °Das wird der beste Schokoladenkuchen, den ich je gebacken habe!° Dann musste sie kichern. °Vor allem ist es der erste... Aber so schwer kann das ja wohl nicht sein!° Sie blätterte kurz in dem Buch. Dann blieb ihr Blick an einem besonders schmackhaft aussehenden Kuchen hängen. °Okay, los geht's!° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Aireen schnappte nach Luft und ihre zitternden Beine veranlassten sie dazu, sich vorsichtshalber an dem Stamm eines nahegelegenen Baumes abzustützen. Ihr ganz und gar sadistischer „Trainer“ hatte ihr nämlich verboten, sich hinzusetzten, mit der Begründung, dass sie dann wohl nicht mehr aufkommen würde. °Dämlicher Turk...° Als sich ihr Atem wieder einigermaßen normalisiert hat, nahm sie den Rucksack ab und kramte nach den Wasserflaschen. Eine warf sie Vincent zu, der sie geschickt auffing und ihr dankend zunickte, was sie aber geflissentlich ignorierte und ihre Flasche aufzudrehen versuchte. Es blieb allerdings bei dem Versuch, denn der Verschluss weigerte sich verbissen nachzugeben. Die Studentin seufzte und ließ den Kopf hängen. °Wieso scheint die Welt mich zu hassen?° Vincent riss sie aus ihren düsteren Gedanken, in dem er ihr die Flasche abnahm, sie öffnete und ihr sie dann zurückreichte. Dankend nahm sie sie an und trank einen großen Schluck – wobei sie sich prompt verschluckte und in einen heftigen Hustanfall ausbrach. Der Turk seufzte und entfernte sich einige Schritte, um nach dem Stand der Sonne zu schauen, während er darauf wartete, dass sich Aireen erholte. Langsam wurde es hell und die ersten Sonnenstrahlen suchten sich ihren Weg über das hohe Nibelgebirge, in dessen Schatten sie verweilten. Aireen trat neben ihn und sah nun ebenfalls zum Gebirge hoch. „Wow. Wir scheinen ziemlich lange unterwegs gewesen zu sein, oder?“ Vincent nickte. „An deinem Tempo müssen wir wohl noch arbeiten.“ Die Studentin sah ihn stirnrunzelnd an. „Warum bist du heute nur so fies? Ist bald Vollmond oder was?“ Ein kleines Lächeln war die einzige Antwort, die sie darauf erhielt. Missmutig wandte sie sich wieder den Gipfeln zu. Dann fiel ihr etwas ein. „Sag mal, können wir vielleicht irgendwann das Nibelgebirge erkunden?“ Vincent warf ihr einen fragenden Blick zu und sie kratze sich verlegen grinsend den Hinterkopf. „Nun ja, weißt du, Nibelheim ist alles andere als spannend und ich mochte wandern schon immer...“ Hoffnungsvoll sah sie ihn an, doch er betrachtete weiterhin die schneebedeckten Gipfel. „Wenn du etwas mehr Erfahrung im Kampf gewonnen hast vielleicht. Aber momentan sind die Berge noch viel zu gefährlich.“ Er wandte sich zu ihr um. „Je eher wir mit dem Training beginnen, desto früher können wir den kleinen Ausflug wagen.“ Der Turk entfernte sich einige Schritt und nahm Kampfhaltung an. Aireen seufzte schwer und nahm eine defensive Haltung an. Dann griff er auch schon an. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Lucrecia beäugte indessen kritisch ihren Versuch eines Geburtstagskuchens. Sie hatte ihn auf einen Tisch gestellt und umrundete ihn nun, um ihn von allen Seiten betrachten zu können. „Nun ja, von hier gesehen hat er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Kuchen – wenn man viel Fantasie hat“, murmelte sie und seufzte. So oder so, sie hatte jetzt keine Zeit mehr, einen neuen Versuch zu starten. Vielleicht rettete ein bisschen Dekoration ja das Aussehen. Schmecken tat er, davon hatte sie sich längst überzeugt. °Ich werde einfach Aireen fragen, ob sich da noch etwas machen lässt. Nun räum' ich noch ein bisschen auf und verstecke den Kuchen vorsichtshalber. Nicht, dass Vincent ihn noch aus Versehen zu Gesicht bekommt!° Gedacht, getan. Dann ging sie in ihr Quartier und zog einige Kartons unter ihrem Bett hervor, die allesamt bis zum Rand mit Dekorationsgegenständen gefüllt waren. °Mir bleibt noch schätzungsweise eine Stunde, bis die beiden von ihrem Training zurückkehren. Also los!° Damit begann die Mission „Schmücke den Salon“. Gar nicht so einfach, wenn man bedachte, dass es Vincent gefallen sollte... ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Zum fünften Mal in einer Stunde landete Aireen auf dem Boden. Mit zusammengebissenen Zähnen hielt sie sich ihre Seite, der Vincent einen kräftigen Tritt verpasst hatte, so dass sie sich beinahe sicher war, dass einige Rippen mindestens angeknackst waren. Der Turk reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen, und die Studentin nahm diese dankend an. Aber kaum stand sie, knickte sie auch schon wieder mit einem schmerzerfülltem Keuchen ein. Anscheinend waren ihre Rippen nicht der einzige Körperteil, der in Mitleidenschaft gezogen worden war. Vincent kniete sich neben sie, die Stirn in Falten gelegt. „Was ist los?“ Die Studentin schüttelte den Kopf und versuchte ihren rechten Fuß zu bewegen, wurde aber nur mit einem stechendem Schmerz belohnt und verzog das Gesicht. Der Fuß plagte sie nun schon eine Weile, seitdem sie umgeknickt war, doch sie hatte sich wenig darum gekümmert. Anscheinend war das keine so gute Idee zu sein. „Naja, mein Fuß scheint schlapp zu machen“, brummte sie dann und runzelte die Stirn. °So ein Mist aber auch.° Der Turk besah ihn sich kurz. „Sieht nicht gut aus“, meinte er dann seufzend, erhob sich und ging dorthin, wo er seine Waffen und den Rucksack abgelegt hatten. Dann nahm er seine Cerberus und kam zurück, während Aireen ihn misstrauisch beobachtete. °Ich hoffe, er macht nichts dummes...° Aber der Turk entnahm der Waffe nur eine grün leuchtende Kugel und kniete sich dann wieder neben sie. °Materia...?° Gespannt beobachtete die Studentin, wie er einem Augenblick konzentriert die Augen schloss, bis die Materia hell aufleuchtete. Dann berührte er damit ihren Fuß, der kurz in hellgrünes Licht gehüllt wurde. Dann verschwand es... genau wie ihre Schmerzen! Erstaunt versuchte sie wiederum, ihren Fuß zu bewegen, was ihr diesmal auch gelang. Dann sah sie zu Vincent, der ihr kurz zu nickte, aufstand und die Materia wieder in seine Cerberus einfügte. „Für heute reicht es.“ Aireen nickte und wollte aufstehen, als er sie mit einem Kopfschütteln zurückhielt. „Materia lindert die Schmerzen und beschleunigt den Heilprozess, heilt die Verletzung aber nicht komplett. Du solltest deinen Knöchel für eine Weile nicht belasten.“ „Und wie kommen wir dann zurück?“, fragte sie skeptisch. Der Turk ging zu ihren Sachen und brachte den Rucksack zurück. „Jetzt wäre doch der geeignete Zeitpunkt für deinen Proviant, oder?“ Damit warf er ihr einen Apfel zu und biss in seinen eigenen. Lächelnd machte sich die Studentin über ihren eigenen her. °Das Training macht ganz schön hungrig!° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Lucrecia wischte sich die Hände an ihrem Rock ab und sah sich mit einem zufriedenem Grinsen im Gesicht im Salon um. °Sieht gar nicht mal so schlecht aus. Vincent wird staunen...° „Mmh... jetzt muss ich nur noch sein Geschenk einpacken“, murmelte sie und ging zurück auf ihr Zimmer, wo das besagte Geschenk unter ihrem Bett lag, vor neugierigen Augen (und vor denen eines gewissen Turks) sicher. Schnell hatte sie dieses eingewickelt und wieder an seinem Platz verstaut. Dann überlegte sie kurz, was sie jetzt noch tun sollte. °Eigentlich gibt es ansonsten nichts mehr zu tun. Ich sollte mich nun wohl wieder besser an die Arbeit machen. Dann regt' sich Hojo nicht so sehr auf und Vincent wird nicht misstrauisch.° Seufzend machte sie sich auf den Weg zu den Laboratorien, wo sie auch schon ein schlecht gelaunter Hojo begrüßte „Ich dachte, Sie wollten sich heute frei nehmen?“, meinte er übellaunig. Die Wissenschaftlerin runzelte die Stirn. °Man kann es ihm auch nie recht machen.° Dann setzte sie ihr strahlendes Lächeln auf, das sie nur fertig bringen konnte und meinte fröhlich: „Nun, ich kann Sie wohl einfach nicht im Stich lassen!“ °Dafür ist mir die Arbeit zu schade°, fügte sie gedanklich hinzu. Hojo schwieg dazu, schien allerdings besänftigt. Nun, eigentlich war es ihm recht egal. °Wäre wohl zu auffällig, wenn Lucrecia nicht wie üblich arbeiten würde. Dann wäre die ach so wunderbare Überraschung für den werten Herr Turk hin.° Hojo schnaubte verächtlich und Lucrecia warf ihm einen fragenden Blick zu, bevor sie es kopfschüttelnd als eine seiner üblichen Manien abtat und in ihrem Arbeitszimmer verschwand. Der Wissenschaftler ging zu dem Mikroskop und untersuchte eine weiter Probe der JENOVA Zellen. Irgendwas lief noch immer schief; jedes Mal, wenn er die Zellen einer Ratte einpflanzte, starb diese kurze Zeit später auch schon. Von speziellen Kräften keine Spur. °So wird das noch lange dauern, ehe ich sie an meinem neuen Subjekt testen kann...° Die Stirn in tiefe Falten gelegt suchte er vergebens nach dem Grund des Fehlschlags. Dann seufzte er frustriert und ging zurück zu seinem Schreibtisch, wo er sich in den Sessel fallen ließ. °Apropos Aireen... Besser, ich gebe ihr für heute Abend frei. Sonst riskiere ich noch, dass die beiden anderen von unserem kleinen Geheimnis erfahren, wenn sie einfach so verschwindet.° Das gefiel ihm zwar nicht sonderlich, aber was sein muss, muss sein. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Wie lange müssen wir noch warten?“, fragte Aireen ungeduldig, nachdem sie ihren Apfel verspeist hatte. Vincent schüttelte nur den Kopf und schwieg. Das war wohl seine Art „Du nervst“ zu sagen. Grummelig ließ sich die Studentin nach hinten fallen, verschränkte ihre Arme hinter dem Kopf und starrte die vorbeiziehenden Wolken an. °Mmh... eigentlich könnte ich ja die Zeit jetzt nutzen, um mehr über Vinc in Erfahrung zu bringen.° Damit richtete sie sich wieder auf und sah zu dem Turk, der gegen einen Baum gelehnt zu dösen schien. Stirnrunzelnd betrachtete Aireen ihn. °Er scheint sich keine Sorgen über die im Wald lebenden Monster zu machen...° Sie wollte sich gerade erheben um sich ihre Wasserflasche zu holen. „Du solltest deinen Fuß nicht belasten.“ Erschrocken hielt die Studentin inne und starrte den Turk an, der allerdings noch immer die Augen geschlossen hatte. °Mmh, so unaufmerksam, wie ich dachte, ist er wohl doch nicht...° Seufzend streckte Aireen die Beine von sich und stützte sich mit den Armen ab. „Sag' mal, Vinc, wie ist eigentlich die Ausbildung bei den Turks so?“ Angesprochener öffnete ein Auge einen Spalt breit und sah sie an. Dann seufzte er, öffnete beide Augen vollständig und richtete sich auf. „Du lässt mich wohl nicht in Frieden, bis ich dir etwas erzählt habe, oder?“ Sie schüttelte nur grinsend den Kopf und sah ihn erwartungsvoll an. Der Turk seufzte erneut und fuhr sich verdrossen durch die Haare. Dann begann er mit seiner Geschichte: „Nun... die Ausbildung ist vor allem zu Beginn sehr hart und beinahe unmöglich zu schaffen, wenn man sich nicht schon im Vorfeld etwas darauf vorbereitet hat.“ Er schwieg kurz und schien seine Worte genau abzuwiegen. °Wahrscheinlich überlegt er, ob er nicht vielleicht noch das ein oder andere Wort weglassen kann, um die Geschichte etwas abzukürzen°, dachte Aireen und musste schmunzeln. Sie wurde allerdings wider aufmerksam, als er weitererzählte. „Der Tag begann jeden Morgen um halb sechs mit einem Zehn-Kilometer-Lauf.“ Amüsiert sah er zu Aireen, die bei seinen Worten das Gesicht verzogen hatte. „Du siehst also, dass mein Trainingsprogramm nicht von ungefähr kommt.“ Die Studentin nickte düster. °Wenigstens kann ich noch bis 6 Uhr schlafen...° „Den restlichen Tag sind verschiedene Kurse angesagt; Krafttraining und Schwimmen, um die Ausdauer weiter auszubauen; sowohl waffenloser Kampf als auch Training mit Schwertern, Pistolen und diversen anderen Waffen.“ Er hielt kurz inne und dachte nach. Dann fuhr er mit einem leichten Kopfschütteln weiter: „Das ist soweit das körperliche Training. Daneben lernten wir noch, Materia richtig zu verwenden, das richtige Anschleichen an ein Ziel, Informationen sammeln und die Handhabung von so gut wie jeder Maschine und deren Instandsetzung im Falle einer Panne. Der theoretische Teil besteht vor allem aus Jura, Geographie und Geschichte.“ „Wow. Man muss wohl ein richtiges Allroundtalent sein, um ein Mitglied der Turks werden zu können...“, meinte Aireen beeindruckt. Vincent nickte. „Das wichtigste ist allerdings das Durchhaltevermögen. Alles andere lässt sich lernen, wenn man nur die nötige Willensstärke hat, es bis zum Ende durchzuziehen.“ Daraufhin schwiegen beide und Aireen betrachtete ganz in Gedanken versunken die Wolken, die über ihr vorbeizogen. Dann wurde ihr Blick entschlossen und sie sah den Turk ernst an. „Irgendwann einmal werd' ich auch ein Mitglied der Turks.“ ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent sah sie daraufhin überrascht an. Hatte er sich gerade verhört oder hatte sie tatsächlich vor, den Turks beizutreten? Er sah ihren ernsten Gesichtsausdruck und seufzte. Sie schien es wirklich ernst zu meinen. „Ich glaube kaum, dass das eine gute Idee ist“, meinte er dann. Aireen blickte empört und setzte schon zu einer bitterbösen Antwort an, als er weitersprach. „Es ist nicht so, dass ich der Meinung bin, du seist nicht in der Lage, das physische Training zu durchstehen. Viel mehr mache ich mir Sorgen um deine geistliche Verfassung.“ Aireen schwieg und sah ihn aufmerksam an. „Die Ausbildung dient als Abhärtung für die darauf folgende Arbeit. Das Leben eines Turks ist nichts für schwache Nerven.“ Die Studentin schürzte die Lippen, wartete aber geduldig darauf, dass Vincent fortfuhr. „Emotionen sind tabu. Du musst deine Aufträge mit kalter Präzision ausführen, und seien sie noch so unmoralisch. Kannst du jemanden töten?“ Aireen zuckte bei der Frage zusammen und sah zu Boden, was Vincent ein bitteres Lächeln entlockte.°Das dachte ich mir.° Beide schwiegen eine Weile, bevor die Studentin endlich wieder den Kopf hob und den Turk ansah. „Danke.“ Vincent sah sie verdutzt an. °Wofür...?° Als sie seinen fragenden Blick bemerkte, meinte sie leise: „Dafür, dass du mir alles erklärt hast.“ Dann schlich sich ein Grinsen auf ihr Gesicht, was ihn noch mehr verwirrte. „Und dich überwunden hast, mehr als einen Satz zu machen. Die Rede hat sicherlich irgendeinen Rekord gebrochen, oder?“ Das entlockte Vincent ein frustriertes Schnauben. °Verstehe einer die Frauen. Denen scheint es unmöglich zu sein, auch nur eine Weile ernst zu bleiben.° Kopfschüttelnd stand er auf. „Wir sollten jetzt zurück gehen. Was sagt dein Fuß?“ Aireen erhob sich nun ebenfalls und belastete diesen vorsichtig mit ihrem Gewicht. „Er hält.“ Vincent nickte und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück zur Shinra Villa. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Teil 2 kommt dann nächsten Monat... Sonst wäre das Kapi hier viel zu lang geworden xD Übrigens, das Gespräch mit Vincent über die Turks war eigentlich gar nicht so geplant; ursprünglich wollte ich Aireen in die Kunst der Materiaanwendung einweihen <.< Nun ja, die Geschichte entwickelt sich von selbst, ich schreib sie nur auf *g* Kapitel 8: Monster, Fremde und ein Tanz --------------------------------------- So, nach langer Zeit endlich wieder ein Update. Als Wiedergutmachung ist es dafür aber auch extra lang. Viel Spaß! ;-) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Aireen blieb nicht einmal genug Zeit, einen Schritt zurück zu weichen, als der Kalmwolf auch schon tot vor ihren Füßen lag. Vincent hatte ihm mit einem einzigen, wohlgezielten Schuss den Gar ausgemacht. Er steckte seine rauchende Cerberus nun zurück in ihren Halter und setzte seinen Weg fort, ganz so, als ob nichts weiter passiert und Aireen nicht um ein Haar zerfleischt worden wäre. Diese blieb mit schlotternden Beinen stehen und betrachtete den Kadaver vor sich mit weit geöffneten Augen. °Ich hätte nicht gedacht, dass diese Viecher auch bei Tag angreifen.° Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit, als ihr so langsam dämmerte, dass Gaia nicht so friedlich war, wie sie immer angenommen hatte. °Anfangs war ich noch begeistert von der Idee, hier gelandet zu sein. Aber mittlerweile...° Ihr Blick wanderte über den Leichnam und blieb schließlich an der Schusswunde im Kopf des Wolfs hängen. Plötzlich war ihr trotz ihrer dicken Jacke kalt und sie schlang die Arme um ihren Oberkörper. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent hatte den Wolf lange vor Aireen bemerkt und war daher auf dessen Angriff gefasst gewesen. Zielsicher hatte er ihn ausgeschaltet, so, wie er es bei den Turks gelernt hatte. Da es für ihn etwas alltägliches war, sich diverser Monster zu entledigen, hatte er auch keinen weiteren Gedanken daran verschwendet und den Rückweg zur Villa fortgesetzt. Erst einige Meter weiter fiel ihm auf, dass Aireen ihm nicht gefolgt war und sah sich nach ihr um. Er entdeckte sie, wie sie vor dem toten Wolf verharrte und diesen mit glasigen Augen betrachtete, die Arme schützend um sich geschlungen. Daraufhin verlor sein Gesichtsausdruck einiges an seiner üblichen Härte und in seinen Augen war Mitleid zu erkennen, als er bedächtigen Schrittes zurückkam und Aireen eine Hand auf die Schulter legte. Diese zuckte daraufhin erschrocken zusammen; anscheinend war sie so sehr in Gedanken vertieft gewesen, dass sie sein Näherkommen nicht bemerkt hatte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie den Turk kurz an, bevor sie den Blick abwandte und stattdessen zu Boden sah. „Alles in Ordnung?“ Besorgnis schwang in seiner Stimme mit als er die Studentin aufmerksam musterte. Sie nickte nur knapp und ging dann an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen. „Wir sollten langsam mal zurück – Lucrecia wird sich sicher schon Sorgen machen.“ Leicht verärgert runzelte Vincent die Stirn. Er mochte es nicht, ignoriert zu werden. Zudem musste man keine Turkausbildung haben, um zu erkennen, dass irgendetwas nicht stimmte. „Aireen.“ Angesprochene blieb daraufhin stehen, sah aber nicht zu ihm zurück. Sie neigte nur den Kopf, als Zeichen dafür, dass sie zuhörte. „Was ist los?“ Vincent war sich darüber im Klaren, dass er wohl nicht der beste Ansprechpartner war, wenn es um die Probleme anderer ging, vor allem nicht, wenn sein Gesprächspartner eine Frau war. Es fiel ihm schwer, deren Gedankengänge zu begreifen. °Ganz zu schweigen von den Stimmungsschwankungen...° Trotzdem hatte er das Gefühl, mit Aireen sprechen zu müssen. °Sie untersteht schließlich meinem Schutz.° Dann schüttelte er den Kopf, um so etwas Ordnung in seine Gedanken zu bekommen. Aireen hatte ihm noch immer nicht geantwortet. °Sonst ist sie doch auch nicht so schweigsam°, dachte er düster und seufzte. „Ich kann auch eine meiner Verhörtechniken anwenden, um dich zum Reden zu bewegen.“ Die Studentin zuckte daraufhin sichtlich zusammen, was Vincent mit Genugtuung sah. °Zumindest zeigt sie eine Reaktion...° Aireen drehte sich zu ihm um. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, fragte sie mit einem etwas gezwungenen Grinsen. Der Turk hob daraufhin eine Augenbraue. °Sie ist doch wohl nicht der Meinung, mich mit aufgesetzter guter Laune hinters Licht führen zu können?° „Erstens: ein Turk scherzt nie“, erklärte er ernst und beobachtete vergnügt, wie Aireen das Grinsen im Gesicht einfror. Natürlich ließ er sich davon nichts anmerken. „Zweitens: man verheimlicht nichts von seinen Freunden“, fuhr er beflissen fort und musterte sie streng. Die Studentin senkte beschämt den Kopf und starrte ihre Füße an. Vincent wartete geduldig, bis sie sich etwas gefasst hatte, den Kopf wieder hob und ihn mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen ansah, der im Kontrast zu dem verbitterten Ausdruck in ihren Augen stand. „Ich vermisse meine Welt, Vincent. Meine Familie, Freunde und insgesamt einfach mein altes Leben. Selbst nach einigen Monaten erscheint mir noch immer alles wie ein Traum. Dank dir und Lucrecia ein angenehmer Traum“, Vincent neigte den Kopf um seine Verlegenheit zu überspielen, „aber trotz allem wenig... realistisch.“ Sie seufzte und schüttelte hilflos den Kopf. „Trotzdem bringt es nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Vorerst muss ich mich wohl oder übel mit der Situation abfinden. Daher hab ich auch nicht eingesehen, dich oder Lucrecia damit zu belasten. Ändern tut sich eh nichts.“ Vincent musterte die vermeintlich tapfere Studentin nachdenklich. °Heimweh... ich frage mich, ob das der einzige Grund für ihre gedrückte Stimmung ist. Ich werde das Gefühl nicht los, dass auch Hojo damit zu tun hat.° Er schüttelte den Kopf und beschloss, Aireen demnächst im Auge zu behalten. Zum sichtlichen Erstaunen der Braunhaarigen tat er dann etwas ganz und gar untypisches: er trat zu ihr heran und legte ihr die Hand auf den Kopf. „Wir werden schon eine Lösung finden.“ Er zerzauste ihr noch kurz das Haar, bevor er an ihr vorbei trat und sich auf den Rückweg zur Villa machte. Dann fiel ihm noch etwas ein und er drehte sich noch einmal zu der Studentin zurück, die wie erstarrt stehen geblieben war. „Und drittens: lass nie den Kopf hängen.“ Er nickte ihr zu und setzte anschließend seinen Weg fort. Da er ihr den Rücken zugekehrt hatte, sah er auch nicht das nun ehrliche Lächeln auf Aireen's Gesicht. Er hörte nur, wie sie sich schließlich in Bewegung setzte und ein paar Schritte lief, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatte. „Danke“, murmelte sie, ohne ihn anzusehen, den Blick stur nach vorne gerichtet. Der Turk nickte kurz und schweigend kehrten sie zur Villa zurück. Dort trennten sich ihre Wege als Vincent wie immer Richtung Laboratorien verschwand und Aireen die Küche betrat. Seufzend besah sie sich den Berg Geschirr, den Lucrecia mit ihrer Backaktion hinterlassen hatte. Dann machte sie sich ans Abspülen. Als sie schließlich die sauberen Sachen wegräumen wollte, entdeckte sie einen kleinen Zettel, der an der Innentür des Schranks haftete. Neugierig nahm sie ihn ab und las: Der Kuchen ist fertig und schmeckt, sieht nur etwas... unförmig aus. Kannst du dich vielleicht darum kümmern? Salon ist auch schon fertig geschmückt. Ich arbeite wie immer bis acht Uhr, um die Tarnung aufrecht zu erhalten. Der Rest liegt also bei dir! Lu Grinsend schüttelte sie den Kopf und sah sich nach dem Kuchen um, den bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Dann kam ihr der Gedanke, dass Lucrecia ihn wohl vor den neugierigen Augen eines gewissen Turks versteckt halten wollte. °Sie hätte auch erwähnen können, wo das Versteck ist. Jetzt muss ich doch tatsächlich meine Gehirnzellen anstrengen und nachdenken, wo es sein könnte°, dachte sie mürrisch und ließ den Blick durch die Küche wandern. Schnell kam sie zum Schluss, dass es wenige Plätze gab, die groß genug waren, um einen Kuchen zu verstecken und gleichzeitig sicher vor einer Entdeckungen waren. Also öffnete sie den Schrank unter dem Spülbecken – Vincent würde sicher nie auf die Idee kommen, dort etwas zu suchen – und fand dort tatsächlich den besagten Kuchen, der notdürftig hinter einigen Töpfen versteckt stand. °Volltreffer!°, jubelte sie innerlich, zog das Gebäck hervor und stellte es auf den Küchentisch um es skeptisch zu betrachten. °Lucrecia scheint tatsächlich noch nie vorher einen Kuchen gebacken zu haben...° Sie schüttelte den Kopf und seufzte. °Naja, etwas Dekoration dürfte das ganze schon hinbiegen.° Daraufhin zückte sie einige Tuben mit Glasur und mehrere Schachteln, vollgepackt mit Marzipan Blumen und diversen anderen Kleinigkeien wie Kerzen, die eine „Happy Birthday“ Melodie spielten. °Ich hoffe, Vincent mag es kitschig.° Mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht machte sie sich an die Arbeit. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent wurde von einem strahlenden Lächeln seitens Lucrecia gegrüßt. „Und, wie war's?“ Er ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen und schüttelte den Kopf. „Etwas besser“, murmelte er und rieb sich die Stirn. Ihm war überhaupt nicht nach Reden zumute. Zum Einen war er für seine Verhältnisse schon äußerst redselig gewesen. Und zum Anderen gab es einfach zuviele Probleme, über die er sich den Kopf zerbrechen musste. Warum benahm sich Aireen so seltsam? Was hatte Hojo mit dem ganzen zu tun? Und Lucrecia, was wusste sie? Aber eben diese Wissenschaftlerin ließ ihm keine Ruhe. „Und was genau heißt das?“, forschte sie nun nach. Doch der Turk war nicht in der Stimmung für lange Erklärungen. „Man sieht Fortschritte, aber nach zwei Tagen Training kann sich noch nicht allzu viel verändert haben.“ Lucrecia neigte den Kopf zur Seite und schürzte die Lippen. „Kann es sein, dass du heute etwas gereizt bist?“ Der Turk schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nur-“ Nein, er konnte Lucrecia unmöglich damit belasten. Sie machte sich auch schon so genug Sorgen. „Nichts weiter.“ Die Wissenschaftlerin musterte ihn misstrauisch. „Es ist nur nichts weiter? Ich habe noch nie eine schlechtere Ausrede gehört, Vincent Valentine!“ Dieser zog den Kopf unmerklich ein. Wenn Lucrecia ihn mit seinem vollen Namen ansprach, war sie meist gereizt. Und mit einer gereizten Frau war nicht zu spaßen. „Nicht?“ Das war eindeutig die falsche Antwort, denn Lucrecia baute sich nun vor ihm auf, die Hände in die Hüften gestemmt und funkelte ihn an. Vincent schluckte schwer. Mit wildgewordenen Monstern konnte er umgehen, aber mit einer sauren Wissenschaftlerin? Das wollte er dann doch lieber nicht riskieren. „Also gut“, gab er sich seufzend geschlagen. „Es geht um Aireen.“ Lucrecia's Blick verlor sogleich jegliche Spur an Ärger und wurde besorgt. „Was ist mit ihr?“ Der Turk schwieg einen Augenblick und überlegte, wie er sein Problem am Besten formulieren sollte, ohne dass Lucrecia gleich an die Decke sprang. Er kannte sie schon zu lange, um nicht zu wissen, dass sie gerne überreagierte. Und er wollte Aireen nicht zumuten, den ganzen Tag lang von einer überfürsorglichen Wissenschaftlerin bedrängt zu werden. „Nun... Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass sie sich etwas... merkwürdig in letzter Zeit benimmt?“ Sie nickte und neigte den Kopf, als Zeichen dafür, dass sie ihm weiter zuhörte. Was dem Turk nicht sonderlich gefiel, da er nicht genau wusste, wie und ob er überhaupt weiterfahren sollte. Daher schwieg er einfach und wartete auf eine weitere Reaktion der Wissenschaftlerin. Diese seufzte und meinte schließlich: „Das war mir auch schon aufgefallen. Noch heute Morgen schien sie über irgendetwas ziemlich besorgt, wollte es mit aber nicht erzählen.“ Wieder schürzte sie die Lippen; es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass Aireen ihr nicht zu trauen schien. „Vielleicht hat sie einfach nur Heimweh“, versuchte es Vincent, obwohl er nicht ganz von der Theorie überzeugt war. Sicherlich war dies auch ein Faktor, aber wohl nicht der einzige Grund für ihr Verhalten. Auch Lucrecia schüttelte den Kopf, wenig überzeugt. „Das ist nicht alles.“ Der Turk antwortete darauf nichts, sondern blickte nachdenklich zur Tür, hinter der, wie er wusste, Hojo am Arbeiten war. Er traute dem Wissenschaftler nicht über den Weg. Von Anfang an hatten sich die beiden nicht leiden können und diese Abneigung steigerte sich langsam aber sicher in unverhohlenen Hass, auch wenn nur Hojo diesen Gefühlen kund tat. Lucrecia wusste dies, und wenn er nun den Wissenschaftler erwähnte, würde sie seine Verdächtigungen als Zeichen für seine Abneigung auslegen und nicht ernst nehmen. Wobei sie nicht mal so falsch lag; er hatte keinerlei Beweise.... „Vincent?“ Beinahe erschrocken sah er zu Lucrecia, die ihn neugierig musterte. Er war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er ihre Worte gar nicht vernommen hatte. „J-ja?“, fragte er, peinlich berührt von seiner eigenen Unaufmerksamkeit. „Ich sagte, wir sollen es vorerst wohl am Besten auf sich beruhen lassen. Solange wir Aireen im Auge behalten und keine... Verschlechterung, wenn man in dem Kontext davon sprechen kann, sehen, lassen wir sie in Ruhe. Ansonsten muss du sie wohl verhören“, meinte sie grinsend. Dann wandte sie sich wieder ihren Experimenten zu und bemerkte so nicht das kurze Lächeln, das bei ihren Worten auf Vincent's Lippen erschien. °Wir scheinen wohl die gleichen Ideen zu haben, wenn es darum geht, schweigsame Haushälterinnen zum Reden zu bringen°, dachte er amüsiert. Dann verschwand sein Lächeln und sein Blick wurde ernst, als er wieder zur Tür blickte, hinter der er Hojo vermutete. °Ich hoffe nur, dass es wirklich nichts ernstes ist...° Eine Weile noch versuchte er sich auf seine Papierarbeit zu konzentrieren. Nachdem er allerdings eine Seite nun schon zum dritten Mal durchlas, ohne dass die Worte mehr Sinn als die Male davor ergaben, ließ er es schließlich sein und stand auf. Lucrecia sah daraufhin von ihrer Arbeit auf und warf ihm einen verwirrten Blick zu. Bevor sie aber ihre Frage aussprechen konnte, antwortete der Turk auch schon mit „Kaffee“. Die Wissenschaftlerin nickte und winkte entlassend. Daraufhin ging er schnellen Schrittes zur Tür, öffnete diese und trat hindurch. Misstrauisch sah er sich nach Hojo um, der es normalerweise nicht lassen konnte, ihm bei jeder ihrer Begegnungen eine abfällige Bemerkung an den Kopf zu werfen. Aber der Wissenschaftler war weit und breit nicht zu sehen und es war auffällig still in den Laboratorien. Vincent durchsuchte sämtliche Räume, und als er noch immer keine Spur von seinem verhassten Konkurrenten entdeckt hatte, blieb er nachdenklich neben dessen Schreibtisch stehen. °Wo in Ifrit's Namen...° Als ihn dann die Erkenntnis traf, dass Hojo seine geliebte Arbeitsstätte nur selten verließ und wenn, dann meist erst spät in der Nacht, verstärkte sich sein Misstrauen noch. Schließlich machte er sich schnellen Schrittes auf den Weg in den bewohnten Bereich der Villa. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Sobald Vincent's Ankunft in den Laboratorien das Ende ihrer Trainingsstunde und somit die Rückkehr Aireen's angekündigt hatte, wartete Hojo nur noch, bis der Turk im Arbeitszimmer Lucrecia's verschwunden war und machte sich dann sofort auf den Weg nach oben um eben jene Haushälterin zu sprechen. Diese fand er auch sogleich in der Küche, wo sie mit einem etwas... missraten Kuchen zu Gange war und anscheinend versuchte, dessen Aussehen mit Unmengen an Zuckerüberguss und sonstigen Dekorationen zu retten. „Ms Ceylan?“ Mit Genugtuung sah er, wie sie bei dem Klang seiner Stimme zusammenzuckte und vor Schreck beinahe die Schachtel mit den Marzipanrosen fallen ließ. °Damit hätte sie dem Turk wohl einen gefallen getan; ich kann mir nicht vorstellen, dass er das mag°, dachte er und rümpfte die Nase. „Professor Hojo?“ ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Sie war eindeutig verwirrt, ihn zu dieser Zeit in der Küche anzutreffen. Wenn sie es sich recht überlegte, war sie erstaunt, ihn überhaupt zu sehen. Normalerweise verließ er sein Labor nur äußerst widerwillig und Aireen bekam ihn nur zu Gesicht, wenn er sie abends zu sich rief. Um sich von ihrer Beklommenheit, die seine Nähe immer auslöste, abzulenken, beschäftigte sie sich damit, den nun fertig dekorierten Kuchen wieder an seinen sicheren Platz zurück zustellen und wartete darauf, dass Hojo ihr den Grund für seinen Besuch erklärte. „Sie können heute Abend mit dem Turk seinen Geburtstag feiern“, meinte er und schnaubte abfällig. Als sich daraufhin aber das Gesicht der Studentin erhellte, fügte er noch böse grinsend hinzu: „Morgen aber pünktlich um zehn Uhr für eine weitere Makoinjektion.“ Mit Genugtuung beobachtete er, wie Aireen's Gesicht augenblicklich alle Farbe verlor. Er entschied, dass er die Zeit nun auch noch nutzen konnte, um ihr ein paar Fragen zu stellen. „Haben sie irgendwelche Veränderungen festgestellt? Mehr Ausdauer oder größere Widerstandsfähigkeit beim Training?“ Bevor die Studentin allerdings antworten konnte, betrat Vincent die Küche. Als er die beiden entdeckte, blieb er wie angewurzelt stehen. Seine Augen verengten sich leicht und er sah misstrauisch von einem zum anderen. Aireen sah ihm etwas hilflos entgegen, während ihre Gedanken rasten, verzweifelt nach einer glaubwürdigen Ausrede suchend. Hojo war allerdings schneller. Mit seinem üblichen griesgrämigen Gesichtsausdruck wandte er such an die Haushälterin. „Ich brauche den Kaffee noch heute, also schlage ich vor, dass Sie sich gleich ins Dorf begeben und ihn besorgen.“ Die Studentin nickte hastig und verließ die Küche, froh darüber, dass der Wissenschaftler die Situation gerettet hatte. Vincent war heute morgen schon misstrauisch genug gewesen. Zudem kam ihr die Ausrede ganz gelegen, denn so konnte sie den beiden Männern recht einfach aus dem Weg gehen. Sie hatte immer ein mulmiges Gefühl, wenn die beiden aufeinander trafen, denn die Abneigung, die beide füreinander empfanden, war fast körperlich zu spüren. Das Wissen, dass Hojo Vincent erschießen würde, trug auch nicht allzu viel zu ihrer Beruhigung bei. Sie lief also hoch in ihr Zimmer und nahm die kleine Geldbörse an sich, die Hojo ihr widerwillig überlassen hatte, um die nötigen Einkäufe tätigen zu können. Dann verließ sie auch schon die Villa und machte sich auf den Weg ins Dorf, durch den kleinen Wald, der zu der Zeit noch beide voneinander trennte. Den Schatten, der auf einem Ast gekauert hatte und nun lautlos abhob, um ihr zu folgen, bemerkte sie nicht. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent sah Aireen mit gerunzelter Stirn kurz nach, als sie aus der Küche eilte. Ihr Verhalten erschien ihr verdächtiger denn je. Wieso zum Teufel traf sie sich hinter seinem Rücken mit Hojo? Die Ausrede mit dem Kaffee hatte er keinen Augenblick lang geglaubt, und das lag nicht nur daran, dass sie von Hojo war. Dieser kümmerte sich nämlich nie persönlich um die Einkäufe. Normalerweise war es Aireen, die den Einkaufszettel selbst zusammenstellte und Lucrecia, die ihn kompletierte. Und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine von ihnen den Kaffee vergessen haben könnte. Bevor er allerdings weiter grübeln konnte, unterbrach Hojo's unangenehme Stimme seine rasenden Gedanken. „Was tun Sie eigentlich hier, Valentine? Es ist eindeutig noch zu früh für die Mittagspause, meinen Sie nicht auch?“ Die Augen des Turks verengten sich zu Schlitzen, als er dem Blick des grinsenden Wissenschaftlers begegnete, seine Hände zu Fäusten geballt. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verließ wortlos die Küche. Als Hojo schließlich allein war, verschwand sein Grinsen spurlos und seine Augen wurden kalt. °Er ist zu vorsichtig. Ich sollte besser aufpassen, dass mein kleines Nebenprojekt geheim bleibt; es wäre zu riskant, es Dr. Crescent wissen zu lassen° Nachdenklich verließ auch er die Küche und kehrte zurück in die Laboratorien. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Aireen schlenderte währenddessen ohne Eile den Weg entlang, der ins Dorf führte, unwissend, dass sie nicht allein war. °Der Weg ist in Wirklichkeit viel länger als im Spiel... Scheint sich wohl eher an Crisis Core zu orientieren.° Das Grinsen gefror ihr im Gesicht, als ein lautes Kreischen hinter ihr ertönte. Erschrocken wirbelte sie herum und sah einen großen, blauen Vogel auf sich zufliegen. Ein Sonic Speed, wie sie sich erinnerte. °Die Monster scheinen mich ja richtig ins Herz geschlossen zu haben°, dachte sie düster und nahm die von Vincent gelernte Verteidigungshaltung an. Verdrossen überlegte sie, dass sie ohne Waffen wohl nicht viel ausrichten konnte. °Schließlich heiße ich nicht Tifa Lockheart...° Der Sonic Speed stieß auf sie herab, doch ihr gelang es, der Attacke auszuweichen. Auch die nächsten beide Male konnte sie sich erfolgreich zu Wehr setzten. Der Vogel schien ihr das allerdings übel zu nehmen, denn er ließ ein weiteres, wütendes Kreischen vernehmen und aus seinem Schnabel schossen mehrere rote Energieblitze auf sie zu. Im letzten Moment warf sie sich zur Seite und entging dem Angriff nur mit knapper Not. Sofort sprang sie wieder auf die Füße und wischte sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, um den Vogel besser im Blick behalten zu können. Bevor das Monster allerdings noch einmal angreifen konnte, flammte aus dem Nichts ein loderndes Feuer auf und verzehrte es, bis nur ein Häufchen Asche übrig war, das vom Wind weggetragen wurde. „W-was zum...“, murmelte die Studentin entsetzt und starrte dahin, wo nur wenige Augenblicke zuvor noch der Vogel seine Kreise über ihr gezogen hatte. Dann hörte sie sich schnell nähernde Schritte und wirbelte auf dem Absatz herum, automatisch ihre Kampfstellung einnehmend. Der Mann blieb einige Schritte von ihr entfernt stehen und hob abwehrend die Arme. „Bleib ruhig, Kleine. Ich will dir nichts Böses“, meinte er gutmütig und lächelte sie beruhigend an. Doch Aireen vernahm seine Worte kaum, so verblüfft war sie von der Erscheinung vor ihr. Der Mann war einen guten Kopf größer als sie und trug sowohl ein schmales Kurzschwert als auch zwei Pistolen an seinem Gürtel, die ihn eindeutig als Kämpfer ausgaben, genau wie seine etwas mitgenommen aussehenden Klamotten. Aber das war es nicht, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Es waren seine Haare: eine lange, blonde Mähne, die in alle Richtungen abstand und jeglichen physikalischen Gesetzen zu trotzten schien. Kurz: Cloud's Haare, lange Version. Grinsend trat er an sie heran und hielt ihr die Hand hin.“Sunry Strife, zu Ihren Diensten, Miss...?“ Sie nahm seine Hand. „Aireen Ceylan. Schön, Sie kennen zu lernen, Mr. Strife...“ Er war also wirklich Cloud's Vater. Sie hätte nie damit gerechnet, ihm jemals zu begegnen, wo er in den Spielen doch nie erwähnt wurde. Aber bei genauerer Betrachtung war die Ähnlichkeit wirklich verblüffend: abgesehen von den Haaren hatten Vater und Sohn auch das gleiche, eher weich geschnittene Gesicht mit einer schmalen Nase und sinnlichen Lippen. Nur waren Sunry's Augen haselnussbraun und nicht blau, wie die von Cloud. „Bitte nennen Sie mich Sunry, ich komme mir sonst so alt vor“, meinte er grinsend und Aireen musste nun ihrerseits lächeln. „Dann aber auch nur Aireen. So alt bin ich schließlich auch nicht.“ „Und was genau machst du hier, Aireen? Abgesehen davon natürlich, dich von Sonic Speeds verfolgen zu lassen?“ Die Studentin schürzte die Lippen, gespielt beleidigt. „Den Vogel hatte ich nicht mit eingeplant. Eigentlich wollte ich nur ein paar Einkäufe im Dorf erledigen.“ Sunry runzelte daraufhin die Stirn und musterte sie nachdenklich. „Du kommst aus der Shinra-Villa?“ Auf ihr Nicken hin verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck merklich. „Arbeitest du für Shinra?“, fragte er misstrauisch und beobachtete sie genaustens. Sunry schien wohl alles andere als gut auf das Unternehmen zu sprechen zu sein... Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin wohl eher eine Art Haushälterin und wohne nur dort.“ Das war nicht einmal gelogen. Im Gegensatz zu ihren Mitbewohnern hatte sie keinerlei Verbindung zu Shinra; sie wurde ja nicht einmal für ihre Arbeit bezahlt und Shinra wusste nichts von ihrer Existenz. Sunry's Blick hatte sich augenblicklich wieder aufgehellt und er klopfte ihr nun freundschaftlich auf die Schulter. „Naja, du siehst auch ehrlich gesagt nicht wie einer von denen aus.“ Aireen hatte zwar keine Ahnung, was er mit „einer von denen“ meinte, ging aber nicht weiter auf das Thema ein. „Du wolltest ins Dorf, richtig? Ich werde dich begleiten.“ Damit setzte er sich pfeifend in Bewegung und Aireen folgte ihm. „Ähm, Sunry?“ Er neigte den Kopf, als Zeichen, dass er zuhörte. „Bist du nicht gerade erst von da gekommen?“ Er nickte und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Mein Gewissen lässt es nicht zu, eine hübsche, junge Frau allein diesen gefährlichen Weg gehen zu lassen“, erklärte er augenzwinkernd. Aireen wandte verlegen den Blick ab, als sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. °Dabei liegt das Dorf schon hinter der nächsten Wegbiegung...° Schweigend setzten sie ihren Weg fort, wobei die Studentin peinlichst darauf bedacht war, nicht zu dem immer noch grinsenden Sunry zu blicken. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Lucrecia sah erstaunt auf, als ein fahrig wirkender Vincent in ihr Arbeitszimmer stürmte, die Tür hinter sich zuschmiss und sich anschließend dagegen lehnte. Seufzend fuhr er sich durch die Haare und versuchte, seine Fassung wieder zu erlangen. „Aus deinem Verhalten schließe ich, dass du Hojo über den Weg gelaufen bist...“, meinte die Wissenschaftlerin ruhig und musterte den Turk neugierig, als dieser ein abfälliges Schnauben ausstieß. „...und dass das Treffen sogar unangenehmer als üblich war.“ Vincent schüttelte den Kopf und stieß sich von der Tür ab, um mit einigen, schnellen Schritten vor den Schreibtisch Lucrecia's zu treten. „Es hat etwas mit Aireen zu tun“, fuhr sie fort und schnitt ihm so erfolgreich das Wort ab. „Du kannst Gedanken lesen?“, fragte Vincent gespielt misstrauisch und beobachtete Lucrecia genau. Obwohl es den Anschein hatte, dass er mit den Worten nur Spaß machen wollte, beunruhigte ihn der Gedanke doch etwas. Die Wissenschaftlerin kannte ihn besser, als ihm lieb war, wenn sie sein Verhalten so mühelos deuten konnte. Oder er verlor allmählich die Fähigkeit, sich seine Emotionen nicht anmerken zu lassen. Beide Möglichkeiten behagten ihm nicht sonderlich. Und beide Male war Lucrecia der Grund seines Problems. Er runzelte die Stirn. Nein, Lucrecia war kein Problem. Das Problem lag ganz allein bei ihm. Er musste... „Vincent?“ Lucrecia's besorgte Stimme riss ihn aus seinen abdriftenden Gedanken und beinahe erschrocken sah er ihn ihre hellbraunen Augen, die ihn aufmerksam musterten. „Wie bitte?“ Lucrecia legte den Kopf zur Seite und sah ihn gespielt beleidigt an. „Du hast mir also nicht zugehört?“ Peinlich berührt sah er zur Seite und spürte, wie er leicht errötete. Wie hatte er nur so abgelenkt sein können? Lucrecia's Kichern ließ ihn dann wieder verwirrt aufblicken. „Ach, Vincent. Es ist unglaublich, wie leicht man dich necken kann“, meinte sie gutmütig. Vincent ließ sich nicht anmerken, dass ihre Worte ihn etwas verstimmt hatten. Sie lag falsch in der Annahme, dass man ihn necken konnte. Nur sie konnte das. Aber das würde er ihr bestimmt nicht unter die Nase reiben. Stattdessen beschränkte er sich darauf, sie böse anzusehen, was sie allerdings wenig beeindruckte. „Und vor lauter Ärger über Hojo hast du dann den Kaffee vergessen?“ Der abrupte Themawechsel warf den Turk etwas aus der Bahn und er sah sie einen Augenblick ratlos an. °Kaffee...?° Dann fiel ihm wieder ein, dass er diese Ausrede benutzt hatte, um nach Aireen sehen zu können. „Nun... es war ohnehin keiner mehr da“, erklärte er beflissen und beobachtete interessiert, wie die Wissenschaftlerin die Stirn in Falten legte. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Aireen war erst vor wenigen Tagen einkaufen und hat sicher genügend mitgebracht. Immerhin bezeichnet sie sich selbst offenkundig als Kaffee-Junkie und erklärt ein Leben ohne das koffeeinhaltige Getränk als unvorstellbar.“ Das bestätigte Vincent's Vermutung, dass Hojo gelogen hatte, wohl in der Hoffnung, irgendetwas geheim zu halten. Etwas, das mit Aireen zu tun hatte. Vor lauter Ratlosigkeit raufte er sich beinahe die Haare. So viele Fragen und keine Antworten. Was zum Teufel war hier los? ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Bitte sehr.“ Die Verkäuferin reichte Aireen den Kaffee, die diesen dankend annahm, bezahlte und eilig das Geschäft verließ. Sie musste sich beeilen, wenn sie noch ihre Pflichten bis heute Abend erledigt haben wollte. Nachlässigkeit konnte sie sich beim besten Willen nicht erlauben, vor allem nicht, wenn ihr „Boss“ Hojo hieß. „Hast du's eilig?“ Die Studentin sah auf und blickte in Sunry's immer lächelndes Gesicht. Sie nickte. „Ja, ich hab' leider noch viel zu tun“, erklärte sie seufzend. „Kopf hoch“, meinte der Blondschopf daraufhin fröhlich und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. Ich begleite dich noch ein Stück. Ursprünglich wollte ich ja die Nibelberge erkunden...“ Gemeinsam machten sie sich also auf den Weg und Sunry gelang es immer wieder Aireen mit seinen Späßen zum Lachen zu bringen, auch wenn ihr eigentlich nicht danach zumute war: sie hatte einfach zu viel, das ihr durch den Kopf ging. Cloud's Vater war eine von diesen Dingen, die sie beschäftigte. Wieso wurde er ihm Spiel nie erwähnt? Sunry unterbrach ihre Grübeleien indem er meinte: „Nun, hier trennen sich unsere Wege.“ Sie waren an einer Abzweigung stehen geblieben und Sunry kramte noch einen Augenblick in seiner Tasche. „Hier, damit du auch sicher zurückkommst.“ Damit warf er ihr eine grün leuchtende Kugel zu, die die Studentin geschickt auffing und etwas unsicher musterte. °Materia?° „Dein Gesichtsausdruck verrät mir, dass das wohl deine erste Materia ist. Lieg' ich richtig?“, fragte er grinsend und Aireen nickte verlegen. „Kein Problem, ich erklär' dir alles.“ Und schon begann er mit seinem Vortrag über die Geschichte, Herstellung, Benutzung und verschiedenen Arten von Materia. Das meiste war der Studentin schon bekannt, da sie sich immer ausgiebig mit dem Kombinieren verschiedener Materias beschäftigt hatte, als Final Fantasy noch ein Spiel und nicht Realität gewesen war. Nur als er zur Benutzung kam, horchte sie auf und hörte aufmerksam seiner Erklärung zu. „Normalerweise fügt man die Kugeln in die entsprechenden Schächte von Waffen und Rüstungen ein. Da du aber weder das eine, noch das andere besitzt, muss du die Materia einfach in die Hand nehmen, um sie zu benutzen. Dann konzentriere dich auf die Kugel.“ Aireen tat, wie ihr geheißen und schloss die Augen in äußerster Konzentration. „Fühle die Wärme, die von ihr ausgeht. Taste mit den Gedanken nach der Quelle dieser Energie.“ Die Materia wurde immer wärmer und begann zu pulsieren. Dann, als sie glaubte, die Magie fassen zu können, öffnete sie die Augen wieder. Die Materia leuchtete nun in einem hellen Grün und Aireen wusste instinktiv, wie sie den Zauber aktivieren konnte. Sie lenkte ihre Konzentration auf einen einsam dastehenden Busch und sagte klar und deutlich: „Feuer!“ Die Luft um sie herum färbte sich schlagartig grün, bevor eine Sekunde später das anvisierte Gebüsch in Flammen aufging. Als nur noch Asche übrig war, verschwand das Feuer wieder spurlos. „Wow...“ Perplex sah sie von der Feuer-Materia in ihrer Hand zu dem Häufchen Asche und wieder zurück. Sunry's Kichern ließ sie aufblicken. „Ich sehe, dass du das Prinzip verstanden hast. Jetzt musst du nur noch ein bisschen üben, um den Zauber schneller hinzubekommen.“ Aireen nickte lächelnd. „Vielen Dank für deine Hilfe, Sunry. Du hast was gut bei mir.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich nehm' dich beim Wort, Kleines! Wir sehen uns!“ Damit winkte er ihr noch einmal zu und machte sich dann auf den Weg zu den Nibelbergen, eine mürrisch blickende Studentin zurücklassend. °So klein bin ich doch gar nicht!° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Der Rest des Tages verlief mehr oder weniger ruhig. Jeder ging seinen jeweiligen Beschäftigungen nach, wobei Aireen nebenbei noch ein Menü für heute Abend zusammenstellte. Da Lucrecia und sie reichlich Zutaten eingekauft hatten, war die Auswahl recht groß. Und weil sich keine Gelegenheit ergeben hatte, den Turk über sein Lieblingsessen auszuhorchen, musste sie es wohl oder übel auf gut Glück versuchen. Zumindest konnte sie sich so sicher sein, dass er keinen Verdacht schöpfen würde. Zehn vor acht war dann alles so weit fertig und Aireen gönnte sich eine kurze Verschnaufpause. Die Frühlingsrollen, die als Vorspeise dienten, standen schon bereit im Salon und auch das Hauptgericht, ein Huhn mit Soyasauce und Nasi Goreng, gebratenem Reis, war schon soweit fertig und musste nur noch einmal kurz aufgewärmt werden. Die Studentin war durchaus zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Kochkünste. Sie hatte sich für die asiatische Küche entschieden, da es erstens etwas ganz neues für Vincent und Lucrecia sein würde, zweitens so gut wie immer blendend ankam und drittens ihre Spezialität war. Auch wenn sie keine große Köchin war, diese Gerichte beherrschte sie perfekt. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es nun Punkt acht Uhr war und damit Zeit, sich in den Salon zu begeben. Lucrecia würde Vincent dorthin führen, sobald beide geduscht und sich umgezogen hatten. Aireen trug schon das von der Wissenschaftlerin geliehene grüne Kleid. Es war eher schlicht, aber das war ihr nur recht, da sie nichts mit vielen Verzierungen anfangen konnte. Dafür schmeichelte es aber ihrer Figur und umspielte sanft ihre Beine, wenn sie sich bewegte. Ihre Haare waren geflochten, da Lucrecia meinte, sie könne ja nicht ständig mit einem Pferdeschwanz umherlaufen. Weil die Studentin es aber nicht mochte, sie offen zu tragen, war der Zopf ein guter Kompromiss. Aireen begab sich also in den Salon und überprüfte noch einmal, ob alles an seinem Platz war. Sie hatten einen Tisch unter dem Fenster aufgestellt, durch welches das Licht das Vollmondes herein fiel und sie eine hübsche Aussicht auf den Garten hatten. Die Mitte des Raumes war frei geblieben. Darauf hatte die Studentin bestanden, da sie plante, diese als Tanzfläche zu benutzen. Und in der Ecke stand ein eleganter, schwarzer Flügel. Dorthin begab sie sich nun und strich liebevoll über die Tasten. In ihrer Welt war sie eine begeisterte Klavierspielerin gewesen, wenn auch nicht allzu talentiert. Aber ihr Ehrgeiz hatte immer gereicht, um ein Stück solange zu üben, bis sie es perfekt beherrschte, selbst wenn sie dafür Stunden und Stunden investieren musste. Auch auf diesem Flügel hatte sie einige Male kurz gespielt, meist wenn sie sich eine Pause gegönnt hatte und ein bisschen abschalten wollte. Sie setzte sich auf den Hocker und spielte einige einfache Melodien, um warm zu werden. Dann drehte sie sich zur Eingangstür und wartete auf ihre Mitbewohner, die nun jeden Augenblick eintreffen sollten. Wenig später öffnete sich dann auch die Tür und eine kichernde Lucrecia führte einen verwirrten Vincent hinein, dem sie die Augen verbunden hatte. „Was soll das?“, fragte er etwas gereizt, doch erhielt keine Antwort. Die Wissenschaftlerin führte ihn zu der Ecke mit dem Klavier und zwinkerte Aireen zu, die daraufhin grinsen musste. „Ich nehme dir jetzt die Binde ab, aber du musst die Augen weiterhin geschlossen halten. Okay?“, meinte sie an Vincent gewandt, der einfach nickte. Gesagt, getan. Die Wissenschaftlerin holte noch rasch ihr Geschenk von einem nahe stehenden Tisch, auf den sie es nach dem Mittagessen gelegt hatte und stellte sich anschließend neben Aireen. „Okay, du kannst die Augen jetzt öffnen.“ Das war das Startsignal. Aireen begann, „Happy Birthday“ zu spielen während beide Frauen sangen. Wobei Lucrecia beinahe in einen Kicheranfall ausbrach, als sie Vincent's verdutzen Blick bemerkte. Als sie geendet hatten, trat die Wissenschaftlerin lächelnd zu dem erstaunten Geburtstagskind, küsste ihn kurz auf die Wange und hielt ihm dann etwas verlegen ihr Geschenk hin. „Alles Gute zum Geburtstag, Vincent.“ Grinsend beobachtete Aireen, wie Vincent bei dem Kuss rot anlief und sein Geschenk zaghaft annahm, ein leises „Danke“ murmelnd. Als Lucrecia ihn auffordernd ansah, machte er sich behutsam ans Auspacken. Als er den seidenen, roten Schal schließlich rauszog, leuchteten seine Augen vor Freude kurz auf und er schenkte der Wissenschaftlerin sogar eins seiner äußerst seltenen, glücklichen Lächeln, während er sich den Schal um den Hals wickelte. „Vielen Dank, Lucrecia. Ich mag ihn sehr.“ Nun war es an Lucrecia, rot anzulaufen. Verlegen lächelte sie, froh darüber, ihm eine Freude gemacht zu haben. Es war Aireen, die die länger werdende Stille unterbrach, in dem sie zu Vincent trat und diesem freundschaftlich auf die Schulter klopfte. „Alles Gute, Vinc, altes Haus“, meinte sie grinsend, woraufhin der Turk amüsiert eine Augenbraue hob. „Bevor du fragst, mein Geschenk steht da hinten auf dem Tisch. Ich schlage also vor, dass wir uns dahin begeben“. Gesagt, getan. Als dann alle saßen, beobachtete die Studentin grinsend, wie ihre beiden Mitbewohner neugierig die Vorspeise musterten. „Frühlingsrollen à la Aireen. Ich wünsche einen guten Appetit!“ Damit ließen sie es sich schmecken. Zur großen Erleichterung Aireen's schien das eher exotische Gericht den beiden anderen zuzusagen und bald waren die Teller leer. Sie deckte schnell den Tisch ab und lief ihn die Küche, um den nächsten Gang vorzubereiten. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent sah der Studentin belustigt hinterher, als diese eilig in der Küche verschwand, nachdem sie ihnen noch schnell erklärt hatte, dass es noch etwa eine Viertelstunde dauern würde, bis das Hauptgericht aufgetischt werden konnte. „Ihr scheint es wieder gut zu gehen“, meinte Lucrecia und der Turk nickte bestätigend. Nachdem er den ganzen Morgen lang eher rastlos gewesen war und sich vergeblich den Kopf über ihre Verbindung mit Hojo zerbrochen hatte, war Aireen beim Mittagessen überaus fröhlich gewesen und hatte mit ihrer Geschichte über einen Sonic Speed, einen gewissen Sunry Strife und der geschenkten Feuer-Materia seine Sorgen vorerst gedämpft. Obwohl er dem Wissenschaftler noch immer misstraute, nahm er sich vor, den Abend einfach zu genießen und die gute Stimmung nicht durch dieses unangenehme Thema zu verderben. Vincent sah zu der Wissenschaftlerin, die zufrieden lächelnd zum Fenster rausschaute und den Vollmond betrachtete, der den Garten in sein weißes Licht hüllte. Er mochte es, wenn sie lächelte. Die Lebensfreude, die sie dann ausstrahlte, war beinahe ansteckend und hatte eine entspannende Wirkung auf ihn. Egal wie groß das Problem war, ein Lächeln und ihm kam es nur noch halb so schlimm vor. °Ich benehme mich wie ein verliebter Teenager°, dachte er kopfschüttelnd. Die Bewegung war Lucrecia nicht entgangen und sie warf ihm einen fragenden Blick zu, doch Vincent lächelte nur und fixierte die Kerze, die in der Mitte der Tisches stand. „Es tut gut, dich lächeln zu sehen, Vincent.“ Erstaunt sah er auf und in das schmunzelnde Gesicht der Wissenschaftlerin. „W-Wirklich?“, fragte er unsicher und hätte sich gleich selbst für sein Stottern hauen können. Es schien ihm einfach unmöglich, seine Gelassenheit in der Nähe Lucrecia's zu wahren. Und noch viel weniger, wenn sie so märchenhaft aussah wie heute. Nicht, dass sie normalerweise nicht auch hinreißend war, aber das elegante, hellblaue Kleid brachte ihre Schönheit viel mehr zur Geltung als ihr üblicher Laborkittel, und ihre offenen Haare bildeten die perfekte Umrandung für ihr feines Gesicht. Sie musste daraufhin lachen.. „Ja, wirklich. Du lächelst einfach viel zu wenig und bist meist zu ernst.“ Er hob daraufhin eine Augenbraue. „Nun, zumindest erkennt man daran, ob mir etwas gefällt oder nicht. Wenn ich die ganze Zeit lächeln würde, wäre es ja nichts besonderes mehr, oder nicht?“, meinte er schmunzelnd und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück, als seine Antwort Lucrecia ein weiteres Glucksen entlockte. „Also gut. Dann sehe ich es ab sofort als meine Pflicht an, dich öfters zum Lächeln zu bewegen“, meinte sie zwinkernd und Vincent beobachtete sie amüsiert. Sie war es doch ohnehin, die ihn dauernd dazu brachte, dies zu tun. Außerdem hatte er heute Abend schon oft genug lächeln müssen, fand er. In dem Augenblick kam Aireen zurück und servierte die Hauptspeise. Während Vincent sich schon um das Zerteilen des Hühnchens kümmerte und Lucrecia ihre Teller mit Reis belud, eilte Aireen noch einmal zurück in die Küche, um eine Flasche Rotwein zu holen. „Tut mir Leid, den hatte ich glatt vergessen“, entschuldigte sie sich und schenkte ihnen ein. Dabei hatte sie ihn extra auf dem Markt ergattert, nachdem sie lange mit dem Verkäufer über den Preis verhandelt hatte. Sie war der Überzeugung gewesen, dass Vincent der richtige Typ für Rotwein war. „Auf Vincent“, meinte sie dann und hob das Glas zum Prost. „Auf eine fröhliche Zukunft“, fügte Lucrecia lächelnd hinzu und hob ebenfalls ihr Glas. Als die beiden Frauen ihn erwartungsvoll ansahen, räusperte sich Vincent kurz. „Auf meine zwei Mitbewohnerinnen, die immer für eine Überraschung gut sind.“ Lachend stießen sie daraufhin an. Das Abendessen verlief dann in heiterer Stimmung, es wurde viel gesprochen und oft gelacht. Sogar Vincent schien sein distanziertes Verhalten an diesem Abend abgelegt zu haben und die beiden Frauen sahen mit Genugtuung, dass seine Geburtstagsparty ihm gut gefiel und ein voller Erfolg war. Nachdem auch die letzten Reste verputzt worden waren, räumten Aireen und Lucrecia den Tisch ab und holten den Kuchen aus der Küche. Die Studentin hatte sich amüsiert, sechsundzwanzig Kerzen auf dem Gebäck zu platzieren, die nun alle angezündet wurden, bevor sie ihn vor Vincent auf den Tisch stellten. „Wenn du es schaffst, alle zusammen auszupusten, darfst du dir etwas wünschen“, meinte Aireen grinsend. Der Turk schien einen Augenblick konzentriert nachzudenken, dann nahm er tief Luft und pustete sämtliche Lichter mit einem Schlag aus. °Dann wollen wir ihm jetzt Mal seinen Wunsch erfüllen°, dachte die Studentin verschmitzt und schlich sich unauffällig zum Flügel, während Lucrecia Vincent Löcher in den Bauch fragte und wissen wollte, was es sich denn gewünscht habe. Als Aireen dann einige Noten auf dem Flügel spielte, verstummten die beiden und drehten sich fragend zu ihr. „Meiner Meinung nach gehört zu einer anständigen Feier noch immer ein Tanz. Ich hoffe doch, dass ihr den Walzer beherrscht?“, fragte sie schelmisch und begann, ohne eine Antwort abzuwarten, die lange geübte Melodie zu spielen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent blickte zu der verlegenen Wissenschaftlerin, die schüchtern zur Seite sah und hob verwundert eine Augenbraue. Sonst war sie es doch immer, die auf ihn zukam und er es, der verlegen die Distanz zu wahren versuchte. °Also gut, heute ist es mal an mir°, entschloss er und trat zu ihr heran. „Darf ich bitten?“, fragte er galant und bot Lucrecia seine Hand an. Sie errötete leicht, nickte dann aber und nahm diese lächelnd an. Zaghaft legte er eine Hand auf ihren Rücken, während sie die ihre auf seine Schulter legte. Zögerlich machte er einen Schritt, darauf bedacht, ihr nicht auf die Füße zu treten. Obwohl sie sich so nahe standen, war es Vincent nicht unangenehm. Und auch die Wissenschaftlerin schien sich langsam zu entspannen und lächelte glücklich. Nach den ersten paar Schritten fand er den Rhythmus und, bestärkt von der Vertrautheit, mit der Lucrecia sich führen ließ, probierte er ein paar komplizierte Schritte, denen die Wissenschaftlerin mühelos folgte. So tanzten sie einige Minuten und vergaßen die Welt um sich herum. Nur die Anwesenheit des jeweiligen anderen zählte noch und beide genossen den Augenblick, wissend, dass er nicht ewig andauern würde. Als das Klavierspiel nach einer halben Ewigkeit und doch viel zu früh endete, lösten sie sich etwas widerwillig voneinander und sahen sich lächelnd an. Dann verbeugte sich Vincent kurz, nahm ihre Hand und küsste diese flüchtig. „Vielen Dank für den Tanz, Lucrecia.“ Damit ließ er die verwirrte Wissenschaftlerin stehen und verließ den Salon, nachdem er der noch immer am Flügel sitzenden Aireen kurz zugenickt hatte. Die Studentin starrte ihm beinahe entsetzt nach. So war das nicht geplant gewesen. In ihrem Kopf hatte sich schon ein romantisches Szenario entwickelt, in dem der Turk Lucrecia nach dem Tanz auf den anliegenden Balkon führte und sie sich nach einem langen, vertrauten Gespräch endlich ihre Liebe gestanden und küssten. °Nein, nein, NEIN! Wieso muss der dämliche Turk so verdammt kompliziert sein? Jeder Blinde erkennt, dass die beiden sich lieben. AARGH!°, regte sich Aireen gedanklich auf, raufte sich die Haare und war kurz davor, ihren Kopf gegen die nächstbeste Wand zu hämmern. Dann fiel ihr Blick auf die verloren wirkende Lucrecia, die noch immer wie fest gewurzelt an der Stelle stand, an der Vincent sie verlassen hatte, und ihre Wut verrauchte augenblicklich und wurde durch Mitleid ersetzt. Langsam stand sie auf und trat vorsichtig an die unglückliche Frau heran. „Lu...“ Tröstend legte sie ihr eine Hand auf die Schulter. Die Wissenschaftlerin sah sie daraufhin hilflos an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber keine Worte kamen. Stattdessen schloss Aireen sie einfach in die Arme und tätschelte ihr den Rücken. „Hey, wir kriegen das schon hin. Du weißt doch, Männer sind halt kompliziert“, versuchte sie Lucrecia aufzuheitern und erntete tatsächlich ein etwas ersticktes Lachen. Ermutigt fuhr sie fort: „Aber es wäre sonst ja auch langweilig. Ich meine, eine Beziehung ohne Hindernisse ist keine richtige Beziehung, oder?“ Daraufhin mussten beide lachen. Lucrecia löste sich von ihr und lächelte sie erleichtert an. „Danke, Aireen. Du bist wirklich eine gute Freundin.“ Die Studentin errötete leicht und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Hey, dafür sind Freunde doch da.“ Die Wissenschaftlerin nickte und meinte dann gähnend: „Wir sollten jetzt besser schlafen gehen. Morgen wird sicher wieder ein anstrengender Tag.“ Aireen nickte und dachte schaudernd an den riesigen Berg Abwasch, den sie noch aufzuräumen hatte. Gemeinsam begaben sie sich dann zu den Quartieren, wünschten sich eine gute Nacht und legten sich schlafen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Nur Vincent lag noch komplett angezogen auf seinem Bett und starrte mit offenen Augen die Decke an. Er dachte über den Abend nach und wie sehr er sich über die Überraschung der beiden Frauen gefreut hatte. Aber der Höhepunkt der Feier war mit Abstand der Tanz mit Lucrecia gewesen. So nahe waren sie sich noch nie gewesen und es hatte sich einfach nur wundervoll angefühlt. Er musste lächeln, als er sich daran erinnerte, wie er sie in den Armen gehalten, sie sich so vertraut an ihn geschmiegt hatte. Dann verschwand sein Lächeln und sein Gesichtsausdruck wurde hart. Nein, so durfte er nicht denken. Er war ein Turk, ein kalter, gefühlloser Mörder und sie eine wunderschöne, intelligente Wissenschaftlerin. Sie hatte etwas besseres als ihn verdient. Er könnte es sich nie verzeihen, sie zu verletzten. Doch genau das würde passieren, wenn sie sich auf ihn einließ. Kopfschüttelnd schloss er die Augen und versuchte, die unangenehmen Gedanken zu verdrängend, etwas Schlaf zu finden. Er ließ noch lange auf sich warten. Kapitel 9: Von Magie und Verletzungen ------------------------------------- Hey^^ Tut mir Leid, dass eine halbe Ewigkeit seinem meinem letzten Update vergangen ist... Aber da jetzt Ferien sind, schreibsel ich von morgens bis abends - ihr könnt also auf mehr Updates hoffen! =) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Wohin gehen wir, Papa?“, fragte ein etwa dreijähriger Hojo und betrachtete neugierig den großen Umzugswagen, der gerade mit Möbeln beladen wurde. „Nach Kalm“, antworte sein Vater abwesend, während er das Umzugschaos im Auge behielt und darauf achtete, dass alles wie geplant eingeladen wurde. „Wieso? Es ist doch schön hier. Ich will bleiben!“, meinte er trotzig und zog einen Schmollmund. Seufzend wandte sich sein Vater dem Sohn vollends zu. Er kniete sich vor ihn und legte ihm sanft eine Hand auf das pechschwarze Haar. „Weil es das Beste für deine Schwester ist. Das Klima hier gefährdet ihre ohnehin schon schwache Gesundheit unnötig und-“ Ein abfälliges Schnauben unterbrach seine Rede und er drehte sich zu seiner neunjährigen Tochter um, die ihn trotzig ansah. „Mir geht es gut. Wenn Hojo hier bleiben will, soll mir das recht sein. Das Klima hat ohnehin keinen großen Einfluss auf meine Anfälle.“ Bevor er etwas erwidern konnte, meldete sich Hojo auch schon zu Wort. „Nee-chan!“ Damit stürmte er auf sie zu und schloss sie in eine feste Umarmung – oder zumindest ihre Beine, denn viel höher reichte er noch nicht. Lächelnd tätschelte sie dem Kleinen den Kopf. Dann zuckte sie zusammen und ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Wimmernd umklammerte sie ihren Bauch und sank langsam zu Boden. „Nee-chan! Nee-chan!“ Die aufgeregte Stimme des kleinen Hojo's war das Letzte, was sie hörte, bevor sie von Dunkelheit umhüllt wurde... Aireen riss die Augen auf und starrte in die sie umgebende Schwärze der noch immer herrschenden Nacht. Ihr ganzer Körper war schweißgebadet und ihr Zittern hatte ausnahmsweise nichts mit der winterlichen Kälte zu tun. °Wieder ein Albtraum... und wieder von Hojo. Nicht mal in meinen Träumen lässt er mich zufrieden°, dachte sie ärgerlich und runzelte die Stirn. °Warum ich immer von ihm als Kind träume, kann ich mir allerdings auch nicht erklären...° Verwirrt strich sie sich einige lose Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann fiel ihr Blick auf den Wecker und ihr Blick verdüsterte sich. °Noch nicht mal fünf Uhr.° Seufzend kuschelte sie sich weiter unter ihre Decke und versuchte so, die Kälte, die ihre Glieder noch immer heimsuchte, zu vertreiben. Sie schloss die Auge und wartete auf dass der Schlaf sie übermanne, aber der schien anderes im Sinn zu haben, denn jegliche Müdigkeit war wie weg geweht. Als sie nach einer guten halben Stunde hin- und herwälzen noch immer nicht eingeschlafen war, gab sie es schließlich auf und stand auf. °Wenn ich in ein paar Stunden vor Müdigkeit von den Beinen kippe, bereue ich die Entscheidung wahrscheinlich... Ach, was solls'.“ Sie schlurfte ins Badezimmer, duschte und zog sich an. Dann blieb sie unschlüssig in der Mitte ihres Zimmers stehen und sah sich nach einer Beschäftigung um. Ihr Blick fiel auf eine grüne Kugel, die einsam und verlassen zwischen dem Chaos auf ihrem Schreibtisch hervorlugte. °Materia... Könnte ich eigentlich noch etwas ausgiebiger testen.° Sie schnappte sich also die Feuer-Materia sowie eine warme Jacke von ihrem Stuhl, verließ ihr Zimmer und schließlich die Villa zur Hintertür, die in den Park führte. Dort sah sie sich misstrauisch um, konnte aber bei der vorherrschenden Dunkelheit reichlich wenig erkennen. °Ich hoffe nur, dass sich hier keine Monster eingenistet haben...° Dann zuckte sie mit den Schultern und grinste. °Sonst mach' ich denen Feuer unterm Hintern – wortwörtlich.° Da sie bei dem spärlichen Licht, das der von Wolken verhangene Vollmond spendete, kaum etwas sehen konnte, beschloss sie, die Gegend eigenhändig etwas aufzuhellen. Sie konzentrierte sich also auf ihre Materia, so, wie Sunry es ihr erklärt hatte und sprach den zauber, als die Kugel zu pulsieren begann. „Feuer!“ Wie beim ersten Mal leuchtete die Luft um sie herum kurz auf, bevor eine große Stichflamme vor ihr in der Luft erschien. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Das Klicken einer leise ins Schloss fallenden Tür weckte Vincent aus seinem wie üblich sehr leichtem Schlaf. Ein Blick auf den Wecker ließ ihn stirnrunzeln. Es war noch nicht einmal halb sechs Uhr morgens. Wer konnte um diese Zeit schon auf den Beinen sein? Sein erster Verdacht fiel augenblicklich auf Hojo, dessen Quartier – sehr zu seinem Verdruss – direkt neben seinem lag. Dann schüttelte er den Kopf. Seit wann legte sich Hojo schlafen? In all der Zeit, in der er nun schon hier arbeitete, war er noch nie wegen den nächtlichen Wanderungen des Wissenschaftlers aufgewacht. Dann vielleicht Lucrecia? Auch diese Möglichkeit gab er sofort wieder auf. Es war gestern später geworden als üblich, und selbst als absoluter Morgenmensch, gab es keinen Grund für sie, jetzt schon auf den Beinen zu sein und durchs Haus zu wuseln. Dann blieb also nur noch Aireen. Seufzend erhob er sich. Von allen bereitete sie ihm zur Zeit am meisten Sorgen. Ständig brachte sie sich in irgendwelche Schwierigkeiten, nicht nur mit ihrer schon beinahe magischen Anziehungskraft, die sie auf sämtliche arten von Monstern auszuüben schien. Auch ihre Beziehung zu Hojo bereitete ihm nach wie vor Kopfzerbrechen, auch wenn sie sich in der Hinsicht absolut nichts anmerken ließ. Während er noch über ihre Beweggründe grübelte, die sie dazu veranlassten, um diese unmenschliche Zeit ihr Bett zu verlassen, obwohl sie dies sonst immer so weit es nur ging hinauszögerte, zog er sich rasch an und verließ sein Zimmer. Sein Blick fiel auf Aireen's Zimmertür und er entschied, dass es sicher nicht schaden konnte, trotzdem einmal nachzusehen, ob er sich nicht doch vielleicht verhört hatte. Aber wie angenommen hatte ihn sein Gehör nicht getäuscht und ein leeres Zimmer erwartete ihn, als er leise die Tür öffnete und das Licht des Flurs hereinfallen ließ. Sein Blick schweifte über das unordentliche Bett, zu den vereinzelten Kleiderstücken, die verstreut über den Boden lagen, bis hin zu dem Chaos, das auf ihrem überfülltem Schreibtisch herrschte. Kopfschüttelnd schloss er die Tür wieder und machte sich auf den Weg hinunter in die Küche, der erste Ort, an dem er sie vermutete. °Und das soll unsere Haushälterin sein? Ihr eigenes Zimmer scheint sie wohl immer auszulassen° Ein kleines Lächeln schlich sich bei dem Gedanken auf sein Gesicht. Dann betrat er auch schon die Küche, die er allerdings ebenso verlassen vorfand wie ihr Zimmer davor. °Wo könnte sie sein?° Das Stirnrunzeln, das sich beim Betreten wieder auf sein Gesicht geschlichen hatte, als er auch diese leer fand, vertiefte sich. °Vielleicht ist sie wieder bei Hojo. Er-° Eine Bewegung hinter dem Küchenfenster lenkte seine Aufmerksamkeit von Hojo und seinen möglichen Experimenten ab. Misstrauisch trat er an die Scheibe heran und lugte heraus. Im ersten Moment konnte er nichts auffälliges erkennen und er glaubte schon, es sich eingebildet zu haben. Dann aber erhellte eine Stichflamme kurzzeitig die Umrisse des Parks, bevor sie wieder genauso spurlos verschwand, wie sie aufgetaucht war. Er blinzelte. °Was zum...?° Ein weiteres Feuer leuchtete auf und diesmal erkannte er eine Gestalt, die in der Mitte des Parks stand. °Aireen.° Schnellen Schrittes verließ er die Küche und betrat kurz darauf auch schon den Park. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Mit glänzenden Augen betrachtete Hojo seine Monitore. „Perfekt. Einfach perfekt.“ Auf dem Bildschirm waren mehrere Bilder von DNA Strukturen, Grafiken und Tabellen zu erkennen, die der Wissenschaftler begeistert miteinander verglich und die auftretenden Unterschiede sogleich notierte. „Die Veränderung, die Mako hervorrufen, beginnen also schon bei der DNA...“ Das böse Grinsen, das sich bei dem Gedanken an seine Supersoldaten auf sein Gesicht geschlichen hatte, verblasste und wurde von einem nachdenklichen ersetzt. °Mmh... etwas ähnliches habe ich schon mal gelesen. Aber wo?° Die Stirn in tiefe Falten gelegt und den Kopf auf seine Hände gestützt dachte er lange Zeit nach. Aber die Erinnerung schien sich mit allem Mitteln dagegen zu wehren, ans Tageslicht gezogen zu werden. Schließlich gab er es mit einem genervten Seufzer auf und schüttelte den Kopf. „Ich werde mich später näher mit dem Problem befassen. Meine Entdeckung hat Vorrang...“, murmelte der Wissenschaftler und bald war er wieder voll und ganz in seine geliebte Arbeit vertieft. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Aireen stand nichtsahnend und mit geschlossenen Augen inmitten des dunklen Parks und ließ ein Feuer nach dem anderen aufflammen. Gerade,als sie ein weiteres Mal „Feuer“ rufen wollte, spürte sie, wie sich eine Hand schwer auf ihre Schulter legte. Instinktiv duckte sie sich, wirbelte herum und wollte ihrem vermeintlichen Angreifer einen ordentlichen Tritt verpassen, der diesem allerdings mühelos auswich und beruhigend die Arme hob. „Gute Reaktion. In diesem Fall allerdings unnötig.“ Aireen ließ erleichtert die arme wieder sinken, die sie zum Schutz vor ihr Gesicht gehoben hatte. „Vincent! Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“ Er hob eine Augenbraue. „Das gleiche könnte ich behaupten. Gibt es eine Erklärung, warum du morgens um halb fünf schon auf den Beinen bist?“ Aireen grinste verlegen und zuckte mit den Schultern. „Ich wollte meine Materia etwas ausgiebiger testen?“, meinte sie unschuldig und wedelte mit besagter Kugel. Vincent seufzte. Es war ihm deutlich anzusehen, wie viel er von ihrer Idee hielt. Unter dem strengen Blick des Turks schien die Studentin um einige Zentimeter zu schrumpfen und ihr Grinsen verlor einiges an seiner Sicherheit. „Keine gute Idee?“, fragte sie schließlich kleinlaut, als er noch immer nichts gesagt und sie nur weiterhin mit seinem strengen Blick bedacht hatte. Er war wirklich ein Meister darin, seinem Ärger allein durch Blicke Ausdruck zu verleihen. Er schüttelte den Kopf. „Nein, sogar eine äußerst schlechte. Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass nachts die meisten Monster ihre Unterschlüpfe verlassen, um auf Beutejagd zu gehen?“ Sie legte die Stirn in Falten. Daran gedacht hatte sie schon... Flüchtig... Nun gut, es hatte sie nicht sonderlich beunruhigt. Auf dem Grundstück war sie schließlich sicher... richtig? „Und sie auch nicht von bewohnten Gegenden Halt machen?“ Das hingegen jagte ihr schon einen etwas größeren Schrecken ein. Sie erblasste und sah sich misstrauisch um, so als ob jeden Augenblick ein hungriges Monster hinter einem Busch hervorspringen und sie anfallen könnte. Ein Brummen Vincent's ließ sie wieder zu ihm blicken. Fragend legte sie den Kopf zur Seite, doch er schüttelte den Kopf. „Deine Naivität kennt keine Grenzen, oder?“ Sein Tonfall ließ erahnen, dass er dies rein rhetorisch gemeint hatte. Trotzdem ließ Aireen's Antwort nicht lange auf sich warten. „Immerhin hatte ich meine Materia dabei!“, erwiderte sie trotzig und wedelte mit besagter Kugel, wie, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. Vincent's Lippen kräuselten sich beinahe unmerklich. „Wie viele Zauber hast du heute schon geübt?“ Verwirrt blickte sie von dem Turk zu ihrer Materia und wieder zurück. Sie verstand nicht ganz, was genau die Frage mit ihrer derzeitigen Diskussion zu tun hatte. „Mmh... vielleicht zehn?“ Er nickte. „Gut. Versuch noch ein paar hinzubekommen.“ Aireen legte die Stirn in tiefe Falten. Worauf wollte er nur hinaus? Mittlerweile ging ihr der Zauber schon viel einfacher von der Hand. Wenn er dachte, sie wäre dazu nicht in der Lage, würde sie ihm das Gegenteil beweisen! Entschlossen verstärkte sie den Griff um die Kugel und konzentrierte sich kurz. „Feuer!“ Ein weiterer Busch ging in Flammen auf und sie sah triumphierend zu Vincent, der zu ihrer Enttäuschung allerdings alles andere als beeindruckt aussah. Stattdessen bedeutete er ihr, weiterzumachen. °Das kann er gerne haben!° Trotzig sprach sie drei weitere Zauber, die ihr jedes Mal mühelos gelangen., doch Vincent schien noch immer nicht zufrieden. Aufgebracht konzentrierte sie sich ein weiteres Mal... aber das Feuer blieb aus. Überrascht starrte sie ihre Materia an, dann versuchte sie es noch einmal. Aber die Magie blieb aus. Sie fühlte sich, als ob jemand ihr das Wissen um den Zauber immer genau dann entzog, wenn sie danach fassen wollte. „Genug.“ Verwirrt drehte sie sich zu Vincent, der sie nachdenklich musterte. „Das waren jetzt um die fünfzehn Zauber, sagtest du?“ Aireen nickte, die Stirn in Falten gelegt. Worauf wollte er hinaus? Er sah ihren fragenden Ausdruck. „Deine Magiepunkte neigen sich dem Ende zu. Ohne die kann dein Bewusstsein keine Verbindung zu der Magie der Materia herstellen.“ °Magiepunkte... Wie in MP?° Jetzt verstand Aireen, worauf der Turk gewartet hatte und nickte. Er wollte sehen, wie gut und vor allem wie lange sie Materia benutzten konnte. °Die Welt ist dem Spiel ähnlicher, als ich anfangs dachte...° „Es ist erstaunlich, wie viele MP du jetzt schon hast, ohne jegliches Training. Du scheinst eine Veranlagung für Magie zu haben.“ „Das ist doch gut, oder?“ „Mmh... du musst wissen, dass deine psychische und physische Stärke ein unumstößliches Gleichgewicht bilden. Wenn deine psychischen Fähigkeiten also derart ausgebaut sind...“ „...sind meine physischen wohl recht mickrig?“, ergänzte Aireen und Vincent nickte. Sie ließ enttäuscht den Kopf hängen. °Soviel also zu meinem Traum, eine gute Schwertkämpferin zu werden...° Seine nächsten Worten ließen erahnen, dass er ihre Gedanken wohl erraten hatte. „Das wird allerdings nichts an unserm Training ändern. Schließlich musst du dich auch verteidigen können, wenn du nicht mehr dazu in der Lage bist, deine Magie zu verwenden.“ Sie seufzte erleichtert, woraufhin er eine Augenbraue hob und sie fragend ansah. „Nun ja... Ich wollte immer schon Schwertkampf lernen.“ „Schwertkampf benötigt viel Kraft. Ich hatte eher an Pistolen gedacht.“ Wieder ließ sie den Kopf hängen und er seufzte. „Natürlich kann es nicht schaden, dir die Grundlagen etwas näher zu bringen...“ Sie strahlte. „Danke, Vincent! Du bist ein wahrer Freund!“ Er seufzte. „Wir sollten wieder rein gehen.“ „Okay!“ Voll Übermut hakte sich Aireen bei Vincent ein und zog ihn zurück in die Küche, ohne auf seine Proteste zu achten. „Kaffee?“ Er nickte und sie machte sich an die Zubereitung ihres geliebten Getränks. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent beobachtete amüsiert, wie Aireen glücklich summend durch die Küche hastete. Ihre gute Stimmung war nahezu ansteckend,aber im ging einfach zuviel durch den Kopf, als dass er sich gehen lassen konnte. Hojo, Aireen... und Lucrecia. Jeder bereitete ihm ein gewisses Maß an Kopfzerbrechen. Bei Hojo war es offensichtlich, warum dem so war. Er konnte und würde dem verrückten Wissenschaftler nie so recht trauen, und die Experimente, die er durchführte, waren ihm nicht ganz geheuer. Er zögerte nicht, Opfer zu bringen, wenn ihn das in seiner Arbeit weiterbringen würde... Dann die Verbindung zwischen ihm und Aireen, die ihm ebenfalls faul vorkam. Die Haushälterin hatte nie einen Hehl daraus gemacht, wie wenig sie von Hojo hielt und dass es ihr sogar Angst einjagte. Warum also trafen sich die beiden im Geheimen? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass das mit ihrem Einverständnis geschah. Zudem blieb weiterhin das Problem ihres plötzlichen und unerklärlichen Auftauchens bestehen. Woher kam sie? Wer genau war sie? Gab es einen weg zurück? Auf keine dieser Fragen hatten sie bisher eine deutliche Antwort gefunden Dann blieb noch Lucrecia... Bei der Wissenschaftlerin musste er sich weniger über ihr Verhalten Sorgen machen, sondern viel mehr über sein eigenes ihr gegenüber. Er war Turk; er konnte es sich beim besten Willen nicht erlauben, dass seine Gefühle ihn bei seiner Arbeit behinderten. Aber genau darauf lief ihre Beziehung hinaus. Er konnte sie nicht ordentlich beschützen, wenn er krank vor Sorge um ihr Wohlergehen war und keinen klaren Gedanken in ihrer Gegenwart fassen konnte. Zudem könnte man sie leicht als Druckmittel gegen ihn verwenden. Er konnte sich eine solche Schwäche nicht leisten. Er seufzte. „Vincent? Alles in Ordnung?“ Die besorgte Stimme Aireen's riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf und in die prüfenden Augen der Haushälterin, die soeben zwei Tassen Kaffee auf den Tisch stellte. Er nickte nur und trank einen Schluck des heißen Gebräus, während sie sich ihm gegenüber nieder ließ. Eine Zeit lang herrschte Schweigen, bis Aireen das Wort ergriff. „Über was genau hast du gerade nachgedacht?“ Ihr bemüht neutraler Ton täuschte nicht ganz über ihre Neugier hinweg, die so lebhaft wie eh und je in ihren grünen Augen funkelte. °Daran muss sie wohl noch arbeiten°, sann er, während er seinen Kaffee fixierte und gleichzeitig überlegte, was er der allzu wissbegierigen Studentin erzählen sollte. „Probier' es erst gar nicht.“ Überrascht sah er auf und sie sah ihn streng an. Er wollte gerade nachfragen, was sie damit meinte, als sie auch schon fortfuhr. „Jetzt tu' nicht so scheinheilig. Ich weiß ganz genau, dass du dir gerade überlegt hast, wie du meiner Frage ausweichen willst.“ Seine Betroffenheit schien man ihm wohl anzumerken, denn ein triumphierendes Lächeln machte sie sich auf ihrem Gesicht breit. °Woher weiß sie...?° Und wieder antwortete sie, ohne dass er die Frage laut hätte stellen müssen. „Ich bin jetzt etwa ein halbes Jahr hier, Vincent. Auch wenn du es mir sehr schwer gemacht hast, kenne ich dich mittlerweile trotzdem gut genug, um zu wissen, dass du ein Meister darin bist, den Fragen anderer auszuweichen. Beispielsweise schaust du einen nie direkt an, wenn du dir gerade eine Ausrede überlegst.“ Vincent war bei ihren Worten erstarrt und blickte nun betont ruhig wieder seine Tasse an, während in seinem Innern das reinste Chaos herrschte. War er so durchschaubar geworden? Nicht nur Lucrecia schien ihn nun schon viel zu gut zu kennen, sondern auch Aireen. Er biss die Zähne zusammen, wütend über sich und seine Unfähigkeit, die nötige Distanz zu wahren. „Vincent?“ Er stand abrupt auf und Aireen zuckte zusammen. „Frische Luft“, meinte er erklärend und verließ so schnell es nur ging ohne zu rennen die Küche und schließlich die Villa. Er brauchte Zeit zum Nachdenken, wollte allein sein. Die Nibelberge waren wohl der beste Ort, um von Störungen menschlicher Art sicher zu sein, also machte er sich auf den Weg. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Verdutzt sah Aireen ihm nach, wie er regelrecht aus der Küche flüchtete. Dann dämmerte ihr langsam welchen Fehler sie begangen hatte und stöhnte gequält. Am liebsten wäre sie jetzt aufgestanden und hätte ihren Kopf mehrmals kräftig gegen die Wand gehauen. Aber egal wie verlockend die Idee ihr in dem Augenblick schien, das hätte ihr Problem wohl auch nicht gelöst... °Wie konnte ich nur so blöd sein, und ihm auf die Nase binden, dass ich ihn mittlerweile recht gut kenne?! Ich sollte doch am allerbesten wissen, dass das seinen Stolz als Turk kränkt... Ich doofe Nuss...° Als sie nach einer Weile der Meinung war, sich vorerst ausreichend beschimpft zu habe, machte sie sich seufzend an das Wegräumen der Tassen und bereitete das Frühstück vor. Kurz vor sechs war dann alles angerichtet und sie sah sich ratlos um, nach einer weiteren Beschäftigung Ausschau haltend. Ihr Suche blieb allerdings erfolglos und so ließ sie sich seufzend auf ihren Stuhl fallen und vergrub den Kopf in ihren Händen. °Okay, Tagesplan aufstellen... Frühstück, Training - sollte Vincent es sich nicht anders überlegen, dann die üblichen Hausarbeiten. Wenn ich mich beeile, kann ich mir den Mittag frei nehmen. Um was zu tun?° Sie grübelte eine Weile über ihre doch sehr begrenzten Möglichkeiten nach, dann gab sie es auf und entschied, später spontan zu entscheiden, auf was sie gerade Lust hatte. „Guten Morgen.“ Aireen sah auf, als Lucrecia die Küche betrat und schenkte ihr ein Lächeln. „Gut geschlafen?“ „Auf jeden Fall zu gut, um jetzt schon wieder auf den Beinen zu sein“, meinte die Wissenschaftlerin gähnend und Aireen musterte sie belustigt, was ihr natürlich nicht entging. „Was?“ „Es ist das erste Mal, dass du dich darüber beschwerst, morgens aufstehen zu müssen. Sonst bist du doch immer die, die versucht, mich morgens wach zu bekommen.“ „So ein Rollentausch kann ganz lustig sein“, meinte Lucrecia fröhlich. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Das Frühstück verlief friedlich. Auf ihre Frage hin, wo Vincent sei, erklärte Aireen der Wissenschaftlerin, dass er wohl auf Monsterjagd war. Es war nicht mal ganz gelogen; immerhin konnte sie nicht sicher sein, wo genau er war, und dass er seinen Ärger an Monstern ausließ, schien ihr ebenfalls nicht unwahrscheinlich. Als Lucrecia Richtung Labore verschwunden und der Abwasch erledigt war, blieb Aireen noch eine gute halbe Stunde bevor ihr morgendliches Training – normalerweise – begann. Sie beschloss, die Zeit zu nutzen, um das Kapitel über Magie noch einmal in ihrem 'Handbuch der Turks' nachzuschlagen, das sie Vincent noch immer nicht zurückgegeben hatte, obwohl sie eigentlich schon längst damit fertig war. Sie war so sehr in das Buch vertieft, dass sie die Zeit vergaß. Als sie schließlich alles wissenswertes über Materias verinnerlicht hatte und einen Blick auf ihre Uhr warf, erschrak sie: es war schon kurz vor acht Uhr! Schnell sprang sie von ihrem Bett auf, wobei ihr leicht schwindelig wurde, und torkelte zur Tür. °Wie konnte ich nur die Zeit so vergessen?° Dann fiel ihr etwas viel seltsameres auf. °Warum zum Teufel hat mich Vincent nicht einfach geholt?° Als sie die Eingangshalle erreichte, war diese verlassen. Stirnrunzelnd begab sie sich in die Küche, doch auch dort war der Turk nicht anzutreffen. °Ist er noch immer wütend auf mich und lässt das Training ausfallen?° Nachdenklich kehrte sie zurück in die Eingangshalle, die nach wie vor leer war. Dann machte sie sich entschlossen auf den Weg zu den Laboratorien. °Er hätte es zumindest absagen können! Dämlicher Turk...° Ihre Wut war zum größtenteils schon verraucht, als sie vor der Tür stand, die zu Hojo's Arbeitszimmer führte. Stattdessen plagte sie nun Zweifel, ob es eine gute Idee war, hierher zu kommen. Hojo... Sie schüttete den Kopf. °Nein. Ich werd' mich nicht einschüchtern lassen.° Entschlossen klopfte sie an und wartete. Als sie keine Antwort erhielt, öffnete sie leise die Tür und lugte hinein. Von dem Wissenschaftler war weit und breit keine Spur zu sehen. Sie betrat also das Labor und hielt zielstrebig auf die Tür zu Lucrecia's Arbeitszimmer zu. °Schon blöd, dass man immer durch Hojo's Gebiet muss, um Lu zu erreichen. Er ist ein echter Kontrollfreak...° Wieder klopfte sie an und bekam sogleich von der Wissenschaftlerin geöffnet, die die Tür förmlich aufriss. „Vinc-“ Sie hielt inne, als sie ihre Besucherin erkannte. „Aireen. Was ist los?“ „Ist Vincent nicht hier?“, fragte die Studentin verwirrt und legte den Kopf schief. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Nein. Ich dachte, er wäre bei dir?“ Lucrecia wirke besorgt, als Aireen daraufhin den Kopf schüttelte. „Glaubst du, ihm ist etwas passiert?“ „Nein“, antwortete Aireen sofort und hörte sich überzeugter an, als sie sich eigentlich fühlte. Normalerweise konnte man sich immer auf Vincent verlassen. Dass er verschwand, ohne jemanden Bescheid zu geben, war doch schon etwas beunruhigend. Lucrecia schien ähnliche Sorgen zu haben und Aireen beeilte sich, sie zu beruhigen. „Mach dir keinen Kopf, ihm wird schon nichts passiert sein.“ Die Wissenschaftlerin wirkte nicht überzeugt und Aireen fügte noch schnell hinzu: „Wenn ich in einer halben Stunde noch nichts von ihm gehört habe, mach' ich mich auf die Suche.“ „Hälst du das für eine gute Idee? Es ist nicht ungefährlich...“ Aireen lächelte aufmunternd. „Keine Sorge, sobald es hell wird, verziehen sich die meisten Monster. Und die übrig gebliebenen mach' ich eigenhändig platt.“ Sie hörte sich sicherer an, als sie sich eigentlich fühlte. Zu frisch waren noch ihre letzten Begegnungen mit Monstern in ihrem Gedächtnis. Bevor Lucrecia allerdings ihre offensichtlichen Bedenken äußern konnte, drehte sich Aireen auch schon zum Gehen. „Warte!“ Sie wandte sich wieder um und sah die Wissenschaftlerin fragend an, die kurz in ihrem Zimmer verschwand und dann mit einem kleinen Beutel zurückkehrte, den sie der Studentin reichte. „Er enthält drei Tränke. Nur für den Fall...“ Aireen nahm den Beutel dankend an und verließ die Laboratorien, um in der Küche darauf zu warten, dass es hell genug wurde, um aufzubrechen. Vor Sorge war sie ganz hibbelig und konnte kaum still sitzen, weshalb sie alle paar Sekunden aufsprang, um zum Fenster rauszuschauen. °Ich hoffe nur, es geht ihm gut...° Das schlechte Gewissen nagte an ihr, da sie sich verantwortlich für sein unbedachtes Aufbrechen fühlte. Das Geräusch der sich öffnenden Eingangstür schreckte sie aus ihren Gedanken. Sofort sprang sie von ihrem Stuhl, der daraufhin scheppernd umfiel, und hastete zur Tür. Was sie in der Eingangshalle erblickte, ließ sie kurzzeitig erstarren. Nicht, dass sie nicht damit gerechnet hatte, dass Vincent endlich zurückgekehrt war. Ihre Überraschung war zwei anderen Umständen zu verdanken: erstens dem erbärmlichen Zustand, in dem sich der Turk befand. Sein Anzug hatte mehrere lange Risse und er blutete aus vielen Verletzungen, auch wenn die meisten nicht allzu gefährlich aussahen. Und zweitens seinem Begleiter, auf den er sich schwer stützte, einen Arm um seinen Schultern geschlungen. „Sunry?!“ Endlich war sie aus ihrer Erstarrung erwacht und lief auf die beiden Männer zu. „Was ist passiert?“ Der Blondschopf antwortete erst, nachdem er den verletzten Turk zu einem Sessel geführt und in da abgesetzt hatte. „Ich hab' ihn im Nibelgebirge gefunden, umzingelt von einer ganzen Horde Monstern.“ Sein Tonfall war ernst und sie musterte Vincent besorgt, der die Augen geschlossen hielt und beunruhigend flach atmete. Dann erinnerte sie sich an die Tränke, die Lucrecia ihr mitgegeben hatte und beeilte sich, einen aus ihrem Beutel zu fischen. Aber Sunry schüttelte nur den Kopf. „Ich hab' ihm schon einen gegeben. Er bräuchte einen stärkeren, oder eine Master Restore Materia... Aber uns sind die MP ausgegangen.“ Verzweifelt raufte sich Aireen die Haare und dachte gleichzeitig fieberhaft über eine Lösung nach. „Wieviel MP braucht der Zauber?“ Vielleicht hatte sie inzwischen genug regeneriert, um ihn benutzen zu können... „Zuviel.“ Es war Vincent, der mit schwacher Stimme antwortete. „Deine werden nicht ausreichen...“ Ihr Blick wurde trotzig. „Lass das mal schön meine Sorge sein.“ Fordernd streckte sie die Hand nach der Materia aus, die Sunry ihr nach kurzem Zögern schließlich übergab. Sogleich schloss sie die Augen, um sich besser auf den Zauber konzentrieren zu können, der um einiges mächtiger war, als den Feuer-Zauber, den sie bisher gewohnt war. Aber sie wusste, was zu tun war und öffnete die Augen. „Vitaga!“ Ein grelles, grünes Licht umhüllte zuerst sie, dann Vincent und sie schloss geblendet die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war das Licht verschwunden, und mit ihm die Wunden. Nur die Risse in seinem Anzug und das daran klebende Blut waren noch Zeuge seiner Verletzungen. „Wow.“ Sie war nicht minder überrascht als die beiden Männer, dass es tatsächlich geklappt hatte. „Nicht schlecht, Herr Specht.“ Sunry warf ihr einen anerkennenden Blick zu und lächelte, woraufhin Aireen augenblicklich rot anlief und den Blick abwandte. Stattdessen sah sie zu Vincent, der die Augen nun geöffnet hatte und versuchte, sich aus seiner halb liegenden Position aufzurichten. „Bleib liegen!“, knurrte der Blondschopf und drückte den Turk recht unsanft zurück, was Aireen erstaunt zur Kenntnis nahm. °Er scheint Vinc alles andere als zu mögen...° „Die Materia heilt Wunden, aber keinen Blutverlust. Ein Turk sollte das wissen.“ „Ich komm' schon klar“, antwortete Vincent giftig und funkelte Sunry böse an. Aireen ging dazwischen, bevor noch ein Unheil geschah und besah beide mit einem strengen Blick. „Vincent, du legst dich vorerst ins Bett. Sunry, du hilfst ihm hoch in sein Zimmer.“ Ihr scharfer Tonfall duldete keine Widerrede und beide Männer fügten sich ohne zu protestieren. Der Blondschopf schlang sich Vincent's Arm um die Schultern und stützte ihn, während sie langsam zu den Quartieren wanderten. Aireen hielt die Tür zu Vincent's Zimmer auf und Sunry setzte diesen auf seinem Bett ab. „Ruh' dich aus, ja?“, meinte sie besorgt und der Turk nickte widerwillig bevor er sich hinlegte und die Augen schloss. Die Wunden schienen ihm schwerer zugesetzt zu haben, als Aireen anfangs angenommen hatte, wenn er nicht einmal Widerstand leistete. Sie seufzte und verließ das Zimmer, gefolgt von Sunry, der die Tür hinter sich schloss. Sie wandte sich zu ihm um. „Danke.“ Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Nicht der Rede wert.“ „Doch. Du hast ihm das eben gerettet!“, protestierte sie und hob eine Augenbraue. Er zuckte nur mit den Schultern. „Ich konnte ihn ja schlecht einfach zurück lassen. Nicht einmal ein Turk hat sowas verdient.“ Bei dem Wort Turk schnitt er eine Grimasse und Aireen erinnerte sich, wie feindlich er allem, was mit Shinra zu tun hatte, gesinnt war. Fragend blickte sie ihn an. „Wieso bist du eigentlich gegen Shinra?“, fragte sie neugierig. So lange konnte es das Unternehmen doch noch nicht geben, als dass sie sich mit ihren Taten schon Feinde gemacht hatten? Er schnaubte und blickte sie ungläubig an. „Ist das nicht offensichtlich? Sie bauen langsam aber sicher eine Diktatur auf! Und niemand scheint es zu bemerken. Nein, die meisten heißen es sogar noch gut!“ Aireen schwieg und wartete auf eine weitere Erklärung. „Wieso sollte ein Unternehmen, das Energie liefert, sonst eine Armee benötigen? Oder die Turks, die ohne nachzudenken jeden noch so abscheulichen Befehl ausführen?“ Wieder schnaubt er und schüttelte den Kopf. „Ich hab' mal für Shinra gearbeitet, weißt du?“ Das überraschte Aireen dann doch und sie sah ihn erstaunt an. Er lachte freudlos. „Ich war jung und naiv und hab' den Versprechungen geglaubt, mit denen sie ihre Angestellten locken. Wir wurden einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen. Dann aber öffneten ihre grausamen Entscheidungen mir die Augen und ich flüchtete.“ Sein Tonfall war stetig bitterer geworden und er lächelte gequält. „Aber warum erzähl' ich dir das eigentlich? Du scheinst ganz gut klar mit ihnen zu kommen.“ Aireen schnaubte. °Wenn er wüsste, was ich weiß...° Dann schüttelte sie den Kopf. „Du hast recht wenn du meinst, dass ich mich gut mit Vincent verstehe. Aber das liegt daran, dass ich ihn als Menschen und nicht als Angestellten Shinra's sehe. Wenn man von seinem Job absieht, ist er eigentlich ein ganz netter Kerl.“ Sunry hob erstaunt eine Augenbraue. „Ein netter Mörder? Kann ich mir nicht so recht vorstellen.“ Sie seufzte. „Es hat keinen Sinn, mit dir darüber zu diskutieren. Dein Standpunkt stand von vornherein schon fest.“ Sie lächelte besänftigend, als er protestieren wollte. „Bitte, ich will nicht streiten. Ich bin dir dankbar, dass du ihn zurück gebracht hast, und daran wird deine oder meine Einstellung gegenüber Shinra auch nichts ändern. Frieden?“ Sie streckte ihm die Hand entgegen, die er nach kurzem Zögern annahm. „Frieden.“ Plötzlich begann er zu lachen und Aireen konnte nicht anders, als zu lächeln. Seine gute Laune, vorher auch immer sie auf einmal kam, war ansteckend. „Du bist wohl die interessanteste Frau, die mir seit langem begegnet ist“, meinte er und grinste schelmisch. Sie lief augenblicklich knallrot an und wandte den Blick ab. °Verdammter Schmeichler... Er trifft mich noch immer so unerwartet.° Er grinste und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während sie langsam zum Ausgang wanderten. „Und? Was hast du heute so vor?“ Aireen überlegte kurz, zuckte dann mit den Schultern. „Nichts besonderes. Ich bin soweit fertig mit der Arbeit...“ Gedanklich fügte sie noch hinzu: °Wo das Training ausfällt, hab' ich noch mehr Freizeit...° „Lust, dich heute Mittag mit mir zu treffen?“ Er hob kokett eine Augenbraue. Sie standen jetzt vor der Tür. „Um was zu tun?“, fragte sie und beäugte ihn misstrauisch, woraufhin er wieder lachte. „Plaudern. Vielleicht spazieren gehen?“ Er klang hoffnungsvoll und Aireen konnte nicht anders, als zu nicken. „Okay.“ Er strahlte sie glücklich an. „Ich hol' dich dann um 3 ab. Ist das okay?“ Wieder nickte sie. Er grinste und öffnete die Tür. „Bis später dann!“ „Bis später!“ Die Tür fiel ins Schloss und Aireen war wieder allein in der Eingangshalle. Seufzend schlenderte sie zurück zu den Quartieren, um nach Vincent zu sehen. Noch immer plagten sie Gewissensbisse, die aufgrund seiner Verletzungen nur noch stärker geworden waren. Leise öffnete sie die Tür und lugte hinein. Sie musste lächeln, als sie die friedlich schlafende Gestalt des Turks erblickte und schloss die Tür vorsichtig wieder. Ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich wieder, als sie an ihre nächste Aufgabe dachte. °Wie soll ich das bloß Lucrecia erklären?° Widerwillig machte sie sich auf den Weg zu den Laboratorien... Kapitel 10: Date? ----------------- So schnell hatte ich noch kein Kapi fertig... Das nächste kommt allerdings in frühstens 2-3 Wochen wegen Ferienjob... Viel Spaß beim Lesen!^^ ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Wieder stand sie vor der Tür, die zu Hojo's (und Lucrecia's) Arbeitszimmer führte und wieder zögerte sie kurz, bevor sie sich zusammenriss und anklopfte. Zu ihrer natürlichen Angst vor Hojo war nun auch der Widerwille gekommen, Lucrecia Vincent's Abwesenheit zu erklären. „Ja?“, hörte man Hojo's gedämpfte Antwort und sie seufzte. Insgeheim hatte sie gehofft, dass er noch immer abwesend war. Aber allein der Gedanke schien unsinnig, wo er doch nur selten sein Büro verließ. Leise öffnete sie die Tür und trat ein. Der Wissenschaftler blätterte ungestört weiter in einem dicken Wälzer und schenkte ihr keine Beachtung, also schlich sie zu Lucrecia's Büro. Die Wissenschaftlerin öffnete ihr noch bevor sie geklopft hatte und bedeutete ihr, einzutreten. Aireen leistete dem Folge und ließ sich seufzend auf dem Sessel unter dem Fenster nieder, während Lucrecia die Tür schloss und zu ihr hinüber schlenderte, wo sie sich ihr gegenüber niederließ Die Studentin blickte sie neugierig an. „Woher wusstest du, dass ich es war?“ „Ich habe Hojo gehört. Du bist die einzige, die hier anklopft“, antwortete sie und lächelte, als sie Aireen's bestürzten Gesichtsausdruck sah. „Da will man höflich sein...“ „Das ist Hojo. Anklopfen stört ihn mehr als Hereinplatzen.“ Lucrecia zuckte mit den Schultern, schon an die Eigenart Hojo's gewöhnt. „Aber du bist sicher nicht hier, um mit mir die Pros und Kontras von Anklopfen zu diskutieren“, meinte sie nun wieder ernst und blickte sie besorgt an. „Ist es wegen Vincent?“ Aireen nickte. „Ja.“ Sie zögerte, unsicher, wie sie die Sache erklären konnte, ohne dass Lucrecia gleich die Decke hoch ging und sich zu viele Sorgen machte. „Er hat sich ein paar Verletzungen während der Monsterjagd zugezogen. Nichts ernstes, keine Sorge“, fügte sie schnell hinzu, als Lucrecia betroffen aufsprang. „Es geht ihm gut, er ruht sich nur aus.“ Aireen musterte die Wissenschaftlerin ernst, die etwas beruhigt schien und grinste. „Soll ich dir etwas Gesellschaft leisten, bis er wieder fit ist? Ich lass' dich ungern allein mit Hojo...“ Und das nicht nur, weil er einen absolut miesen Charakter hatte... Lucrecia schien die Idee zu behagen und sie nickte begeistert. „Gern. Du kannst mir ja mit den Gleichungen helfen. Ist lange genug her, dass du das zuletzt getan hast“, meinte sie gespielt ärgerlich, zwinkerte ihr aber fröhlich zu. Aireen's Grinsen wurde noch breiter. „Dir ist schon klar, dass es nur knapp vier Tage her ist, oder?“ Lucrecia lächelte unschuldig. „Da siehst du erst, wie sehr ich von dir abhängig bin“, meinte sie schelmisch und Aireen grinste. „Dann mal an die Arbeit, Lu.“ Lachend widmete sich jeder seiner Aufgabe. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Hojo blickte kurz von seinem Wälzer auf, den er noch immer las, als er die beiden Frauen lachen hörte und runzelte die Stirn. Hatten sie denn nichts besseres zu tun? Zumindest Dr. Crescent sollte sich besser um das Projekt kümmern. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. Und sollte Ms. Ceylan um diese Zeit nicht beim Training mit dem Turk sein? Er schüttelte den Kopf. °Dr. Crescent wird ihre Arbeit schon nicht vernachlässigen. Was Ms. Ceylan betrifft... ich werde heute Abend mit ihr reden. Unter anderem.° Der Gedanke an eine weitere Makoinjektion ließ ihn vor Vorfreude böse grinsen. Aber er sollte sich besser auf seine derzeitige Arbeit konzentrieren.. Seufzend wandte er sich wieder seinem Buch zu. Bisher waren seine Recherchen erfolglos verlaufen. Das lag wohl hauptsächlich daran, dass er nicht genau wusste, wonach er eigentlich suchte. Er wusste nur, dass er schon einmal etwas über das Alternieren der DNA Strukturen gelesen hatte. Und irgendetwas sagte ihm, dass es von äußerster Bedeutung war. Er schnaubte und schlug sein Buch frustriert zu. Planloses Stöbern in den beinahe endlosen Büchern dieser Bibliothek würde ihm nicht weiterhelfen. Er sollte sich stattdessen auf sein Projekt konzentrieren. Er stand auf und näherte sich seiner neusten Reihe an Experimenten. Aber als er an den Tisch trat, fand er zu seiner Verdrossenheit sämtliche Ratten tot vor, genau wie in den Experimenten davor. °Immer wieder stoßen sie die Jenova Zellen ab... Was mache ich falsch?° Lange grübelte er über die Frage nach, kam aber zu keiner Antwort. Schließlich machte er sich an die Vorbereitung seines anderes Projektes, welches heute Abend weitergeführt werden würde... ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Mit Lucrecia verging die Zeit wie im Flug und als Aireen das nächste Mal auf ihre Uhr schaute, war es schon kurz nach zwölf. Sie blickte zu der Wissenschaftlerin, die gerade voll beschäftigt mit ihren Experimenten war und diese nicht aus den Augen ließ. Ihr Hilfe wurde momentan nicht benötigt, und so beschloss sie, das hinausgezögerte Gespräch mit einem gewissen Turk endlich hinter sich zu bringen „Ich werd' mal nach Vincent sehen. Du kommst hier zurecht?“ Sie nickte kurz, ohne die Augen von ihrem Testrohr abzuwenden. „Sag ihm, er soll sich gut erholen. Und dass mir hier unten keine Gefahr droht.“ Sie wusste genau, wie ungern Vincent sie alleine ließ und wie sie argumentieren musste, damit er es doch manchmal tat, um sich eine wohlverdiente Rast zu gönnen. „Okay! Bis später!“ Damit verließ sie das Zimmer und trat in das Büro Hojo's, der zu ihrer Erleichterung zu beschäftigt mit seinen eigenen Experimenten war, um ihr groß Beachtung zu schenken. Sie eilte schnell die Treppe hoch und zu den Quartieren, wo sie vor Vincent's Tür stehen blieb und leise anklopfte, für den Fall, dass er noch immer schlief. „Herein.“ Überrascht öffnete sie die Tür und trat ein. Sie hatte fest damit gerechnet, dass er noch nicht wieder wach war; er blieb nur ungern im Bett, wenn er eigentlich arbeiten sollte. Vincent setzte sich gerade auf, als sie das Zimmer betrat und schaute kurz zu ihr hinüber, ehe er den Blick wieder abwandte und stattdessen zum Fenster raus schaute. Sie seufzte. Er schien es ihr noch immer übel zu nehmen, dass sie ihn - seiner Meinung nach - zu gut kannte. „Du bist schon wach?“, fragte sie betont sorglos, behielt ihn jedoch genau im Auge. Er zuckte mit den Schultern. „Gerade eben.“ Sie hatte ihn also geweckt. Ihr schlechtes Gewissen verdoppelte sich augenblicklich. „Tut mir Leid“, murmelte sie und schaute zu Boden. „Mmh. Schon in Ordnung.“ Die Stimmung wurde von Sekunde zu Sekunde unangenehmer. „... Lucrecia meinte, du solltest dich erholen. Und dir keine Sorgen um ihr Wohlergehen machen, das Labor sei sicher.“ Er nickte, schwieg aber weiterhin. Schließlich hielt Aireen es nicht mehr aus. Das schlechte Gewissen und die Sorgen hatten sich seit dem Morgen immer mehr aufgebaut und nun platzte alles aus ihr heraus. „Bitte Vincent, es tut mir Leid!“ Tränen sammelten sich in ihren Augen, aber sie wischte sie unwirsch weg und fuhr fort. „Ich wollte dich nicht verärgern. Ich weiß, dass es meine Schuld ist, dass du verletzt wurdest-“ Vincent brachte sie zum Schweigen, indem er von seinem Bett aufsprang und mit zwei großen Schritten an sie herantrat, um ihr ernst in die Augen zu schauen. „Du redest Unsinn. Mein unbesonnenes Handeln ist allein meine Schuld.“ Er seufzte und schüttelte den Kopf. Als sie widersprechen wollte, hob er die Hand und sie schloss den Mund wieder. Er wich ihrem Blick aus, als er weiter sprach. „Ich muss mich entschuldigen. Meine Reaktion war übertrieben.“ Aireen starrte ihn mit offenem Mund an. Vincent Valentine entschuldigte sich bei ihr für sein Verhalten?! Das musste ein Traum sein, eine andere Erklärung gab es nicht. Aber ihr Traumbild war noch nicht fertig. Bei den nächsten Worten sah er sie fest an. „Ich bin froh, dass wir befreundet sind. Es ist nur etwas...ungewohnt.“ Die Rede hatte ihn sichtlich Überwindung gekostet. Aireen starrte ihn noch einen Moment lang geschockt an, dann erhellte ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht. Ihr ganzer Kummer war augenblicklich vergessen und sie schloss den Turk ohne nachzudenken in eine stürmische Umarmung. Überrumpelt verharrte er einen Atemzug lang stocksteif, bevor er sich langsam entspannte und Aireen unbeholfen den Rücken tätschelte. Nach einer Weile löste sie sich von ihm und trat einen Schritt zurück. Verlegen kratzte sie sich am Hinterkopf, grinste aber heiter und auch über Vincent's Gesicht huschte die Andeutung eines Lächelns. „Du nimmst meine Entschuldigung also an?“ Aireen nickte strahlend. „Hatte ich daran irgendwelche Zweifel gelassen? Vielleicht muss ich dich fester knuddeln?“, fragte sie spielerisch und grinste, als Vincent beinahe entsetzt einen Schritt zurücktrat. Wahrscheinlich war es keine gute Idee, seine Geduld allzu sehr zu strapazieren. Immerhin hatten sie gerade erst heute den Durchbruch in Sachen intermenschliche Beziehungen erzielt. „Mmh... wie fühlst du dich eigentlich?“, fragte sie und musterte ihn etwas besorgt. Vor kurzem hatte er noch nicht allzu gesund ausgesehen. Allerdings schienen ihre Bedenken unbegründet zu sein, denn er sah schon wieder wesentlich besser aus, und nicht mehr ganz so blass. „Besser.“ Er pausierte kurz. „Dank dir.“ Aireen winkte verlegen ab. „Keine Ursache.“ Er musterte sie nachdenklich. „Deine magischen Fähigkeiten sind wirklich erstaunlich...“ Sie schwieg. Inzwischen hatte sie eine Vermutung, woran das wohl liegen konnte: an Hojo's Makoinjektion. Schließlich war Materia nichts anderes als kondensiertes Mako. Da war es nicht verwunderlich, dass das ihre Magie verstärken würde. Aber sie würde sich davor hüten, Vincent ihre Theorie zu erklären. „Ich bin froh, dass es dir gut geht. Du hast mir einen Heidenschreck eingejagt.“ Dann fiel ihr etwas ein. „Vielleicht solltest du Lucrecia einen Besuch abstatten. Sie hat sich schreckliche Sorgen gemacht.“ Er nickte, nun wieder ernst und verließ schnellen Schrittes sein Zimmer, gefolgt von Aireen. Während er hinunter zu den Laboratorien stieg, machte sie sich lustlos an ihre Hausarbeit. Immerhin musste sie fertig werden, bevor Sunry sie um drei abholte. Der Gedanke an den Blondschopf zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht und ihre Motivation stieg augenblicklich. Leise summend machte sie sich an die Arbeit. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Vincent stieg langsamer als sonst die Wendeltreppe zu dem unterirdischen Labor hinunter. Er scheuchte sich vor dem bevorstehenden Gespräch mit Lucrecia, vor allem, nach dem er sie gestern Abend einfach stehen gelassen hatte. Zudem fiel es ihm noch immer schwer, sich zu seiner Entscheidung, seine Freunde nicht mehr auf Distanz zu halten, zu bekennen. Er war sich nicht sicher, ob sein Entschluss der richtige gewesen war. Aber er hatte nicht vor, es sich jetzt anders zu überlegen. Er würde seinen Plan durchziehen, selbst wenn das bedeutete, dass er seine Verpflichtungen als Turk vernachlässigen würde. °Lucrecia...° Allein der Gedanken an die Wissenschaftlerin vertrieb jegliche Bedenken, die er noch in sich trug. Es konnte kein Fehler sein, alles für sie aufzugeben, oder? Dennoch... was, wenn sie seine Gefühle nicht erwiderte? Er konnte die Vorstellung einer Abweisung kaum ertragen. Er seufzte und schüttelte den Kopf. Seine Entscheidung stand fest. Punkt. Egal, was noch kommen mochte. Und selbst wenn er bereit war, seinen Job als Turk aufzugeben, würde er das Training sicherlich nicht vergessen. Er war bereit für jegliche Probleme, die sich ihm noch stellen würden. Selbst eine Ablehnung seitens Lucrecia würde ihn nicht daran hindern, weiter um sie zu kämpfen. Denn eins hatte ihn sein beinahe tödlicher Ausflug in die Nibelberge gelehrt: es gab wichtigeres im Leben als einen Job. Und man sollte seine Chance ergreifen, solange man noch Gelegenheit dazu hatte, denn sie waren nicht von ewiger Dauer. Das war ihm klar geworden, als er, von einer Horde Monstern umzingelt und verletzt seinen Tod als unausweichlich akzeptiert hatte. Seine Augen verdunkelten sich bei der Erinnerung... Vor Wut brodelnd hatte er die Villa verlassen und sich auf direktem Weg zu den Nibelbergen begeben. Seine Cerberus hing wie immer an seiner Seite und er wartete voll Vorfreude darauf, diese endlich benutzen zu können. Monster erledigen war die wohl effektivste Form von Stressabbau. Sie ließen nicht lange auf sich warten. Kaum hatte er den Fuß der Berge erreicht, wo der Pfad hinauf begann, kam ihm auch schon ein Sonic Speed entgegen geflogen. Keine große Herausforderung. Ein Schuss und der Weg war wieder frei. Grimmig folgte er dem Pfad weiter hinauf. Je höher er kam, desto häufiger wurden die Attacken, aber das störte ihn reichlich wenig. Die Ablenkung war ihm mehr als willkommen. Schließlich erreichte er ein Gebiet, das von stärkeren Monstern bewohnt war, die sein Können zumindest etwas forderten. Neben seiner Cerberus musste er nun ab und zu auf seine Materia zurückgreifen, um die Zahl der Angreifer in Grenzen zu halten. Als sich seine MP langsam dem Ende zuneigten, trat er zum Rückzug an. Seine Wut war inzwischen verraucht und somit hatte er sein Ziel erreicht; nichts hielt ihn mehr in den Bergen. Die Monster schienen dies jedoch anders zu sehen, denn sie ließen nicht von im ab und griffen weiterhin heftig an. Irgendwann war er umzingelt und auch seine restlichen MP verbraucht. Er kämpfte weiterhin verbissen, aber seine Situation schien aussichtslos: für jedes Monster, das er erledigte, erschienen zwei weitere. Irgendwann gab er die Hoffnung auf und akzeptierte sein unweigerliches Schicksal. In dem Augenblick wurde ihm bewusst, was er alles verpasst hatte. Obwohl er immer zufrieden mit seinem Job gewesen war, merkte er nun, wie wenig Privatleben dieser ihm gelassen hatte. Mit dieser Erkenntnis kam die Reue, seine Freunde auf Distanz gehalten zu haben. Und Lucrecia... er würde nie erfahren, ob sie seine Gefühle erwiderte. Der Gedanke an die Wissenschaftlerin ließ ihn verbissen weiter kämpfen, egal ob der Ausgang schon von vorneherein feststand, und zwar nicht zu seinen Gunsten. Er erschoss zwei weitere Sonic Speed und wich einem drittem im allerletzten Moment aus. Der vierte aber traf und verpasste ihm eine hässliche Wunde quer über die Brust, die ihn taumeln ließ. Er fasste sich gerade wieder, als das Monster eine weitere Attacke startete, die er zu spät bemerkte. Ihm blieb keine Zeit mehr, auszuweichen und er wappnete sich schon für den kommenden Schmerz. In dem Moment zuckten mehrere Blitze vom Himmel und trafen den Angreifer sowie eine Mehrzahl der umstehenden Monstern. Sie waren augenblicklich tot und verschwanden, eine kleine Menge Gil und ein paar Items zurücklassend. Überrascht sah sich Vincent um und erblickte die Ursache des kleinen Gewittersturms: Sunry Strife war gerade eingetroffen. Obwohl er den Mann nie vorher getroffen hatte, erkannte er ihn aus Aireen's Erzählungen augenblicklich. Was bei der Haarpracht auch nicht sonderlich verwunderte. Aber das war nicht der geeignete Zeitpunkt, über das Aussehen des Blonden nachzudenken. Er hatte noch eine Rechnung mit ein paar Monstern zu begleichen. Selbst zu zweit konnten sich die beiden Männer dem Ansturm an Monstern kaum erwehren, der nur sehr langsam abnahm. Sunry verbrauchte sämtliche MP, indem er einen Zauber nach dem anderen beschwor, während Vincent seiner Cerberus keine Sekunde Ruhe gönnte. Beide trugen noch einige Verletzungen davon, wovon die meisten allerdings problemlos von einem Trank geheilt werden konnten. Nur Vincent hatte es etwas schlimmer erwischt. Als die Monster endlich abzogen, sanken die zwei erschöpft zu Boden, um sich eine wohlverdiente Pause zu gönnen. „Das war wirklich krass. So haben sie sich bisher noch nie benommen“, meinte Sunry und sah sich nachdenklich um, als ob er so eine Antwort auf das eigenartige Verhalten der Monster finden konnte. Vincent schwieg und konzentrierte sich stattdessen auf seine Atmung, die ihm schwerer fiel, als ihm lieb war. Die Verletzung setzte ihm mehr zu, als er sich selbst eingestehen wollte. Das schien auch Sunry aufzufallen, denn er musterte den Turk skeptisch und sein Blick blieb an der Wunde an seiner Brust hängen. „Sieht nicht gut aus. Ein Trank hilft nicht?“ Vincent schüttelte nur stumm den Kopf. „Scheiße. Was anderes hab' ich nicht dabei und meine MP sind auch alle.“ Er dachte einen Augenblick nach, dann erhob er sich ätzend. „Wir sollten zurück und uns die Wunde genauer ansehen. Kannst du gehen?“ Der Turk nickte und quälte sich auf die Beine. Er ging einige schwankende Schritte bis Sunry seufzte und ihn stützte. Vincent war zu erschöpft, um zu protestieren und ließ sich widerwillig helfen. So folgten sie eine Zeit lang schweigend dem Pfad, bis Vincent zögernd das Wort ergriff. „Ich muss dir danken. Ohne dein Eingreifen hätte ich wenig Erfolg gegen die Monster gehabt.“ Er hasste es, eine Schwäche einzugestehen, noch dazu gegenüber einem Fremden. Aber die Dankbarkeit überwog in dem Fall seinen Stolz. Sunry schwieg kurz. „Du gehörst zu den Turks, oder?“, fragte er schließlich. Vincent hob eine Augenbraue. Er konnte sich nicht vorstellen, was sein Job damit zu tun haben könnte. Schließlich nickte er. „Ja.“ Sunry's Blick wurde um einige Grad kühler und er atmete tief ein und aus, um seine Anspannung zu verbergen, die die Antwort Vincent's ausgelöst hatte. Dieser bemerkte sofort, dass das wohl die falsche Antwort gewesen war und beide schwiegen, bis sie endlich den Fuß des Gebirges erreicht hatten. Sunry wollte Richtung Dorf gehen, aber Vincent schüttelte den Kopf. „Die Villa ist näher.“ Der lange Marsch hatte ihn sichtlich erschöpft und er war sich nicht sicher, ob er noch lange durchhalten würde. Sunry sah ihn überrascht an. „Du lebst in der Villa?“ Vincent nickte knapp. „Dann bist du mit Aireen befreundet?“ Die Frage wiederum überraschte Vincent. Was tat das zur Sache? Trotzdem nickte er und schleppte sich weiter. Zum Glück war es nicht mehr allzu weit. „Mmh...“ Dann betraten sie die Villa, Aireen zauberte Vitaga auf ihn und Sunry brachte ihn in sein Zimmer. Nach seinem erholsamen Schlaf hatte er dann endlich Zeit, über seine im Angesicht des Todes erlangten Erkenntnisse nachzudenken und den Entschluss zu fassen, von nun an, seine Freundschaften besser zu pflegen. Er seufzte. Zeit, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Damit trat er ein. „Aah, Valentine. Sie beehren uns also doch noch mit ihrer Anwesenheit?“ Hojo. Vincent verkniff sich eine bissige Antwort und nickte stattdessen nur. Es war in seinem Interesse, den Wissenschaftler nicht unnötig zu reizen. Zudem hatte er heute anderes im Sinn, als sich mit ihm anzulegen. Hojo schnaubte, ließ ihn dann aber ohne weiteren Kommentar passieren. Er trat ohne zu klopfen in Lucrecia's Arbeitszimmer. Die Wissenschaftlerin stand mit dem Rücken zu ihm und studierte ihre Experimente. „Und? Wie geht es Vincent?“, fragte sie, ohne sich zu ihm umzudrehen. Offensichtlich hielt sie ihn für Aireen. „Gut, danke. Und dir?“ Er musste schmunzeln, als Lucrecia bei seinen Worten zusammenzuckte und zu ihm herumwirbelte, um ihn erstaunt zu mustern. „Vincent!“ Damit stürmte sie auf ihn zu und schloss den überrumpelten Turk in eine feste Umarmung. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht“, nuschelte sie, das Gesicht in seinem Hals vergraben. Er entspannte sich und erwiderte Lucrecia's Umarmung zögerlich. „Mmh. Ich dachte, Aireen hätte dir erklärt, dass es mit gut geht?“ Sie kicherte leise, was ihn ein wenig kitzelte. „Ich dachte, sie wollte mich nur beruhigen.“ Er schwieg. Noch immer hielt sie in fest und auch er machte keine Anstalten, die Umarmung zu lösen. Lucrecia war es, die nach einer Weile seufzend einen Schritt zurücktrat, um ihn ansehen zu können. „Was ist passiert?“ Er verzog das Gesicht. Lucrecia würde alles andere als glücklich über seine tollkühne Eskapade sein. Sich innerlich schon auf ihre Schimpftirade einstellend, begann er mit seiner Erzählung. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Aireen stellte den letzten Teller zurück in den Schrank und lächelte zufrieden. Ihre Arbeit für heute war erledigt. Wie angenommen, war es nicht viel gewesen. So blieben ihr noch drei Stunden, bis Sunry sie abholen würde. Ein leichter, roter Schimmer bedeckte ihre Wangen bei dem Gedanken an den kecken Blondschopf. Er würde sie sicher wieder mit seinen Sprüchen in Verlegenheit bringen. Trotzdem freute sie sich auf den Ausflug. Sie mochte es, Zeit mit ihm zu verbringen. Seine nie endende gute Laune war einfach ansteckend. Fröhlich summend machte sie sich an die Zubereitung des Mittagessens. Kochen war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen,daher sah sie es auch nicht als Arbeit an. Zu ihrem Leidwesen war sie keine sonderlich talentierte Köchin, aber monatelanges Üben und die stahlharten Nerven von Vincent und Lucrecia hatten zu einer deutlichen Verbesserung der Mahlzeiten geführt. Als nach einer guten halben Stunde das Essen friedlich vor sich hin kochte, hatte Aireen auch schon nichts mehr weiter zu tun als auf ihre Mitbewohner zu warten, die ungewöhnlich spät dran waren. Beide waren normalerweise überaus pünktlich, aber heute schienen sie die Zeit vergessen zu haben. °Was die wohl treiben...° Dann schlich sich ein Grinsen auf ihr Gesicht. °Vielleicht will ich es gar nicht so genau wissen...° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Lucrecia sah ihn mit geweiteten Augen an. Vincent hatte ihr gerade seinen Ausflug in die Nibelberge geschildert und die Wissenschaftlerin schien zu geschockt, um im ersten Augenblick auch nur ein Wort hervorzubringen. Zu seinem Verdruss hielt dieser Zustand allerdings nicht lange an. „Vincent Valentine! Das war wohl das dümmste, was du je getan hast!“, zeterte sie auch schon drauf los und er zog den Kopf ein. Mit einer wütenden Wissenschaftlerin war nicht zu spaßen, da war es sicherer, ihre Standpauke wortlos zu ertragen. Doch Lucrecia schien nicht in der Stimmung, ihm eine lange Strafpredigt zu halten, denn ihre nächsten Worten waren schon wieder erstaunlich ruhig. „Ich bin nur froh, dass es dir gut geht“, meinte sie leise und seufzte. Dann sah sie in streng an. „Versprich mir, dass du mir nie wieder so einen Schrecken einjagst!“ Es war klar, dass der beherrschte Gesichtsausdruck Lucrecia's nur eine Fassade war, die ihre Angst um ihn verbergen sollte. Zudem war Vincent das leichte Zittern ihrer gespielt strengen Stimme nicht entgangen. Und obwohl es ihm nicht behagte, der Wissenschaftlerin ein solches Versprechen zu geben, wollte er sie doch irgendwie beruhigen und nickte. Sie lächelte erleichtert. „Danke, Vincent.“ Ein Lächeln umspielte auch seine Lippen. Er konnte es einfach nicht verantworten, der Grund für ihren Kummer zu sein. Er wollte derjenige sein, der sie zum Lachen brachte. Und er würde um sie kämpfen. „Wir sollten jetzt hoch gehen. Aireen wird schon mit dem Mittagessen auf uns warten. Und du wirst sicher hungrig sein.“ Wieder nickte er und hielt Lucrecia die Tür auf, die lächelnd hindurch trat und auf ihn wartete. Zu seiner freudigen Überraschung hakte sie sich dann bei ihm ein und gemeinsam gingen sie zur Tür. Bevor sie das Arbeitszimmer verließen, erhaschte Vincent noch einen flüchtigen Blick auf Hojo, der ihnen rasend vor Wut nachsah. Er schmunzelte. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Das Mittagessen war ungewöhnlich ausgelassen, wenn man die Ereignisse des Morgens und vor allem die Spannung des gestrigen Abends bedachte. Lucrecia war einfach froh, dass noch einmal alles gut ausgegangen war und Vincent weniger abweisend als sonst zu sein schien. Vincent's Nahtod-Erfahrung führte dazu, dass er wesentlich lockerer als sonst war und die Gesellschaft seiner Freunde genoss und Aireen freute sich auf ihren freien Mittag, den sie mit Sunry verbringen würde. Natürlich entging Lucrecia das nicht. „Hat deine gute Laune einen bestimmten Grund, Aireen?“, fragte sie neugierig und auch Vincent blickte zu ihr. Sie hatte ganz vergessen, den beiden von ihrer Verabredung zu erzählen. „Nun ja... ich mache heute Mittag einen kleinen Ausflug.“ Als sie Vincent's skeptischen Blick bemerkte, beeilte sie sich hinzuzufügen: „Ich bin nicht allein, keine Sorge.“ Der Turk hob fragend eine Augenbraue. Lucrecia hingegen verstand sofort und grinste schelmisch. „Du triffst dich mit diesem Sunry?“ Aireen nickte verlegen und Lucrecia's Grinsen wurde nur noch breiter. „Ein Date. Wie reizend!“ Die Studentin lief augenblicklich puterrot an und schüttelte schnell den Kopf. „Nein nein, nur ein Treffen unter Freunden. Mehr nicht!“ Lucrecia ließ sich von ihren Protesten nicht beirren und grinste sie weiterhin wissend an. Sogar Vincent konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Für dich vielleicht. Aber denkt Sunry das Gleiche?“, meinte er unschuldig und Aireen sah ihn entsetzt an. „Nicht du auch, Vincent!“ Er lächelte nur verschmitzt und sie ließ den Kopf hängen. „Zwei gegen einen ist nicht fair!“ Lucrecia lächelte entschuldigend. „Wir freuen uns einfach für dich. Ein bisschen Abwechslung tut dir sicher gut. Es kann einfach nicht gesund sein, den ganzen Tag isoliert in dieser Villa zu hocken.“ Da konnte Aireen ihr nur zustimmen. Allzu interessant war es wirklich nicht, vor allem, da sie nicht viel Gesellschaft hatte, wo Vincent und Lucrecia doch den größten Teil des Tages im Keller verbrachten. „Viel Spaß! Und amüsier' dich!“, meinte Lucrecia noch, bevor sie gefolgt von Vincent die Küche verließ. Munter machte sie sich an den Abwasch, zuversichtlich, dass der Mittag mit Sunry unterhaltsam werden würde. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Nervös ging Aireen auf und ab und warf alle paar Sekunden einen Blick auf ihre Uhr. In fünf Minuten würde er sie abholen. Wenn er pünktlich war. Aber was, wenn etwas dazwischen kam? Vielleicht griff ein Monster ihn an und – entschieden schüttelte sie den Kopf. Nein, es war alles in Ordnung. Sunry konnte sich sehr gut selbst verteidigen, sie musste sich gar keine Sorgen machen. Sie schlenderte hinüber zu dem großen Wandspiegel, der gleich neben dem Eingang zu ihrer Putzkammer stand und musterte ihr Spiegelbild kritisch. Sie hatte den ganzen Nachmittag damit verbracht, verschiedene Outfits anzuprobieren, um sie dann wieder frustriert wegzulegen. Zu schick, zu schlampig, zu rot, zu farblos... So hatte sie sich eine Zeit lang gequält, bis sie sich kurz entschlossen einfach die erstbeste Jeans und einen dicken, schwarzen Pulli gegriffen und angezogen hatte. °Für einen Spaziergang wird’s reichen. Es ist schließlich kein Date oder so°, hatte sie sich eingeredet. Nun aber zweifelte sie, ob sie nicht vielleicht doch etwas anderes hätte anziehen sollen... „Aireen?“ Erschrocken wirbelte sie herum und erblickte Sunry, der grinsend in der Tür stand und ihr zuwinkte. Lachend winkte sie zurück und eilte zu ihm. „Bereit?“ Aireen nickte und gemeinsam verließen sie die Villa und schlenderten den Weg entlang. Eine Weile schwiegen sie, bis Aireen das Wort ergriff. „Uhm, Sunry?“ Er neigte den Kopf, als Zeichen, dass er zuhörte. „Wohin genau gehen wir eigentlich?“ Er grinste. „Lass dich überraschen!“ Sie verzog das Gesicht, was Sunry natürlich sofort auffiel. „Es wird dir garantiert gefallen, keine Sorge!“ Die Studentin nickte nur und grübelte, was er wohl geplant hatte. „Wie geht es eigentlich dem Turk?“ „Vincent ist schon wieder putzmunter.“ Dann musterte sie ihn ernst. „Wie geht es eigentlich dir?“, fragte sie besorgt und musterte ihn gründlich. „Gut, danke. Ich bin etwas glimpflicher davon gekommen als dein Freund. Nichts, was ein Trank nicht wieder in Ordnung bringen konnte.“ Sie nickte, beruhigt. In der ganzen Aufregung hatte sie Sunry's Verfassung kaum Beachtung geschenkt, was ihr im Nachhinein ein schlechtes Gewissen bereitet hatte. „Dein Auftritt mit dem Vitaga Spruch war im Übrigen äußerst beeindruckend. Da hab' ich wohl der richtigen eine Materia gegeben, was?“, meinte er lachend und Aireen nickte verlegen. Den Rest des Weges legten sie munter über belanglose Dinge plaudernd zurück. Sunry führte sie zum Dorf, durch den danebenliegenden Wald (wobei Aireen ganz froh über seine Anwesenheit war – Raijin und Fujin waren noch zu frisch in ihre Erinnerung eingebrannt) und schließlich zu der dahinter liegenden Wiese, wo sie auch sogleich seine Überraschung entdeckte: eine Decke und ein gut gefüllter Picknick Korb. „Ich hoffe, du hast noch Hunger?“ Aireen strahlte ihn an und nickte begeistert. Sie liebte Picknicks! Und nicht einmal das etwas kalte Wetter konnte ihr da die Stimmung vermiesen. Eine Weile aßen sie schweigend während Aireen von allem kostete. Falls Sunry alles selbst zubereitet hatte, war er ein begnadeter Koch, denn es war köstlich. Da störte sie es gar nicht, dass sie erst vor knapp zwei Stunden zu Mittag gegessen hatte... „Mir scheint die Überraschung gelungen zu sein“, meinte Sunry schmunzelnd, als beide fertig gespeist hatten und sich Aireen mit einem zufriedenen Seufzer ihre Gabel zurückgelegt hatte. Sie nickte enthusiastisch und grinste breit. „Ich liebe Picknicks! Und das Essen war einfach nur köstlich. Hast du das alles allein zubereitet?“ Er nickte stolz und grinste. „Jup, das war ich. Freut mich, dass es dir geschmeckt hat.“ Wieder schwiegen beide kurz, dann ergriff Aireen das Wort. „Ich hab' mich gefragt...“ Sie zögerte, nicht sicher, wie sie die Frage formulieren sollte. Sunry nickte ihr auffordernd zu. „Wie hast du Vincent eigentlich gefunden? Das Nibelgebirge ist nicht unbedingt für seine schönen Spazierwege bekannt.“ Lachend schüttelte er den Kopf. „Nein, das ist es bestimmt nicht. Du willst also wissen, was ich dort getrieben habe?“ Sie nickte. Er verschränkte die Arme hinterm Kopf und holte tief Luft. „Nun, erst einmal musst du wissen, wie ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene. Ich bin Materiahunter.“ Aireen runzelte die Stirn. Materiahunter? Davon hatte sie noch nie gehört. „Im Prinzip töte ich Monster um meine Materias auf Master zu bringen und sie dann für viel Geld zu verscherbeln“, erklärte er und sie nickte. Das klang logisch. „Und da die Materias im Nibelgebirge am schnellsten leveln, verbringe ich dort entsprechend viel Zeit. Ich bin dem Turk während der Jagd über den Weg gelaufen.“ Dann grinste er sie an. „Deine Feuer-Materia ist übrigens frisch reproduziert; ich hab' sie am selben Tag gemastert, an dem ich dich getroffen habe.“ Aireen dachte darüber nach. °Dann dauert es noch eine halbe Ewigkeit, bis ich sie endlich auflevele...° Dann fiel ihr noch etwas anderes ein. „Aber wenn du mir die frische Materia gegeben und die gemasterte verkauft hast, fehlt dir doch jetzt eine Feuer Materia, oder nicht?“ Er schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, ich hab' noch eine. Meine selteneren Materias würd' ich dir nicht so leichtfertig überlassen“, meinte er zwinkernd. Dann musterte er sie. „Darf ich dich jetzt ein paar Sachen fragen?“ Aireen nickte. „Du bist noch nicht lange hier in Nibelheim, oder? Ich hab' dich vorher nie hier gesehen.“ „Erst seit einem halben Jahr. Aber du scheinst selbst erst seit kurzem hier zu sein...?“ Er nickte. „Ich war lange auf Reisen. Jetzt mach' ich erst mal 'ne Pause und bleib etwas hier. Urlaub, sozusagen“, erklärte er. Aireen legte die Stirn in Falten. Sie konnte sich eine ganze Reihe schönerer Urlaubsorte vorstellen als Nibelheim. Costa del Sol zum Beispiel. Da war es zumindest wärmer. „Wieso Nibelheim? Es gibt sicher bessere Plätze, um seinen Urlaub zu verbringen“, tat sie ihrer Meinung kund. Sunry lächelte. „Mmh... vielleicht. Aber Nibelheim hatte schon immer einen unerklärlichen Reiz auf mich. Ich mag das Dörfchen einfach.“ „Wie lange wirst du hier bleiben?“ Er blickte sie an und lächelte spöttisch. „Angst, ich würde einfach verschwinden?“ Sie errötete und schüttelte schnell den Kopf, aber er lachte nur. „Keine Sorge, so schnell wirst du mich nicht wieder los. Frühstens im März nächsten Jahres, wenn es wieder etwas wärmer wird. Eher später, wenn die Gesellschaft schon so angenehm ist“, meinte er keck und Aireen rollte die Augen. °Er ist und bleibt ein unverbesserlicher Aufreißer...° Die Zeit verging wie im Flug. Sie plauderten, scherzten und lachten um die Wette. Sunry erzählte ihr von seinen vielen Abenteuern (von denen sie allerdings nicht mal die Hälfte glaubte) und Aireen wiederum gab zögerlich Auskunft über ihr Leben in der Shinra-Villa, wobei sie darauf bedacht war, das Thema ihrer Ankunft in Gaia zu vermeiden. Schließlich blickte Sunry auf und hob erstaunt eine Augenbraue. „Huch, schon so spät. Wir sollten uns besser auf den Rückweg machen, bevor die Nacht komplett hereinbricht.“ Aireen schauderte bei dem Gedanken, den Wald in der Dunkelheit zu durchqueren. Einmal hatte ihr vollkommen gereicht. So schnell würde sie ihre Begegnung mit den Kalm Wölfen nicht mehr vergessen. Sunry deutete ihr Schaudern falsch. „Ist dir kalt?“, fragte er besorgt und legte ihr einen Arm um die Schultern. Sie schüttelte den Kopf und lächelte. Sie fühlte sich sicher in seiner Gegenwart, als ob kein Monster der Welt ihr etwas anhaben könnte. Er ließ sie los, um die Reste ihres Picknicks einzupacken, und sie war etwas enttäuscht, ließ sich aber nichts anmerken und half ihm stattdessen beim einpacken. Es wurde langsam aber sicher dunkel, als sie sich schließlich auf den Rückweg machten. In der Dämmerung des Waldes fiel es Aireen schwer, dem unebenen Weg zu folgen und sie stolperte. Natürlich bemerkte Sunry dies und griff kurz entschlossen nach ihrer Hand um sie zu führen. Sie kam nicht umhin zu bemerken, wie rau sich seine Hand anfühlte, was sicher vom vielen Kämpfen herrührte. Trotzdem war sie angenehm warm und sein Griff sanft, beruhigend. Sie errötete und schüttelte den Kopf, was Sunry einen fragenden Blick entlockte. Sie lächelte nur und versuchte sich, auf den Weg zu konzentrieren. Mit dem Einbruch der Nacht erreichten sie die Shinra Villa. Sunry hatte auch nach dem Verlassen des Waldes weiterhin ihre Hand gehalten und Aireen hatte nicht protestiert. Nun löste er den Griff widerwillig. Er räusperte sich. „Uhm... es war ein toller Nachmittag.“ Sein Ringen nach Worten überraschte sie. Normalerweise sprach er ohne nachzudenken, und meist auch ohne Unterbrechung. „Ja, es hat richtig Spaß gemacht“, stimmte sie ihm zu, verlegen grinsend und er strahlte sie an, alle Unsicherheit vergessen. „Wann willst du mich wieder sehen?“, fragte er kokett und zwinkerte ihr zu. Sie rollte die Augen und seufzte. °Selbstbewusster Idiot.° Trotzdem war sie dem Gedanken, ihn wiederzusehen, alles andere als abgeneigt. „Ich weiß leider noch nicht, wann ich wieder Zeit habe“, meinte sie mürrisch. Die Hausarbeit konnte sie soweit planen, aber die endlosen Extra-Wünsche Hojo's waren unberechenbar. „Mmh... Was hältst du davon, wenn ich am Sonntag einfach vorbeikomme? Liegt eh auf dem Weg zu den Nibelbergen.“ Sie lächelte, froh, dass eine Lösung gefunden war. „Wieder um drei?“ Er nickte. „Was auch immer du willst, Kleines. Wir sehen uns!“ Grinsend winkte er noch einmal, drehte sich um und verschwand schnellen Schrittes in der Dunkelheit. Sie blickte ihm finster hinterher. °Ich geb' ihm gleich ein Kleines.° Seufzend betrat sie die Villa und schloss die Tür hinter sich. „Und? Wie war's? Wo wart ihr und was habt ihr gemacht?!“, rief auch schon eine aufgeregte Lucrecia und kam auf sie zugelaufen. Aireen musterte sie argwöhnisch. „Hast du auf eine Ankunft gelauert?“ Sie blickte ertappt zu Boden und Vincent, der neben sie getreten war, lachte leise. „Lass sie doch reinkommen bevor du sie mit Fragen bedrängst.“ Aireen warf ihm einen dankbaren Blick zu und wandte sich an die schmollende Wissenschaftlerin. „Es war toll, wir waren auf der Wiese vor Nibelheim, picknicken.“ Lucrecia gluckste. „Wann seht ihr euch wieder?“ „Wer sagt, dass wir uns wiedersehen?“, fragte sie unschuldig und Lucrecia verzog das Gesicht. „Ich bitte dich, Aireen, sei keine Närrin. Deine Vorfreude auf ein Wiedersehen ist fast körperlich zu spüren!“ Wieder einmal errötete sie bis unter die Haarspitzen und sah weg. „Sonntag, um drei“, nuschelte sie und Lucrecia seufzte enttäuscht. „Das sind noch vier Tage!“ Aireen runzelte die Stirn. Wieso war sie erpicht auf ihr nächstes Treffen? Hilfe suchend sah blickte sie zu Vincent, der die Augen rollte. „Du wirst ihn schon noch früh genug kennen lernen, Lucrecia“, meinte er beschwichtigend und Aireen gluckste, als sie verstand. Die Wissenschaftlerin war die einzige, die Sunry noch nicht getroffen hatte, und sie war hoffnungslos neugierig. Sie legte ihr aufmunternd einen Arm um die Schultern. „Ich werd' ihn dir am Sonntag vorstellen, ja?“ Ihr strahlendes Lächeln war Antwort genug und Aireen grinste zufrieden. „Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigt, würde ich mich gerne duschen und umziehen gehen...“ Damit lief sie hoch zu ihrem Zimmer. Bevor sie im Bad verschwand, warf sie noch einen Blick auf ihren Wecker. ° Kurz nach sieben. Also noch drei Stunden, bevor ich Hojo einen Besuch abstatten muss.° Seufzend stellte sie die Temperatur ihrer Dusche auf kalt. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Unentschlossen lag Aireen's Hand auf der Türklinke zu Hojo's Arbeitszimmer. Es war zehn Uhr und sie wusste, dass der Wissenschaftler es hasste, wenn sie zu spät kam. Und trotzdem zögerte sie. Gab es wirklich keine andere Möglichkeit, als die Experimente über sich ergehen zu lassen? Wenn sie genauer darüber nachdachte, würde Sunry ihr sicher etwas Geld leihen, damit sie aus Nibelheim verschwinden konnte. Möglicherweise würde er sie sogar begleiten. Sie trat einen halben Schritt zurück. Es wäre soviel einfacherer zu flüchten.... Sie schüttelte den Kopf. °Nein. Ich kann Vinc und Lu nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Sie sind meine Freunde!° Entschlossen öffnete sie die Tür und trat hinein. Sie würde tun, was sie konnte, um sie zu schützen. Was waren schon ein paar Experimente? „Aah, Ms. Ceylan. Bereit für eine weitere Makoinjektion?“ Sie erschauerte, als sie die Spritze mit dem giftig grünen Inhalt erblickte und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ob ihre Angst vor Spritzen oder vor Mako überwog, konnte sie in dem Moment nicht sagen. Hojo schüttelte den Kopf und trat mit einem Lächeln, das er wohl für beruhigend hielt, auf sie zu. „Es wird nur kurz weh tun, keine Sorge...“ Das beruhigte sie nicht im Geringsten. Ihr Atem kam in schnellen Stößen und ihr Herz raste, während sie verzweifelt versuchte gegen ihre Panik zu kämpfen, die sie zu übermannen drohte. Hojo hielt inne und musterte sie nachdenklich. „Vielleicht sollten Sie sich besser hinlegen, Ms. Ceylan. Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“ Seine Worte lenkten sie erfolgreich von ihrer Angst ab. Geschockt blickte sie an. Seit wann kümmerte Hojo sich um ihr Wohlbefinden? Ein aalglattes Lächeln umspielte seine Lippen, als er die Spritze in seinem Umhang verschwinden ließ und sich an die Vorbereitung einen Kaffees machte, während sich Aireen auf der bereitstehenden Liege niederließ und ihn misstrauisch beobachtete. °Wahrscheinlich wartete er nur darauf, dass meine Wachsamkeit abnimmt...° „So, Ms. Ceylan, wie fühlen Sie sich?“, fragte er und reichte ihr den Kaffee, den sie vorsichtig schlürfte, als ob er vergiftet sein könnte. Wer wusste das schon bei Hojo? „Eigentlich gut.“ Er hob eine Augenbraue und wartete darauf, dass sie fort fuhr. Ihr war klar, was er mit seiner Frage eigentlich gemeint hatte. „Meine gesteigerte Kondition scheint beständig zu bleiben und ich bin weniger müde.“ Hojo nickte und notierte sich das Gesagte. Sie zögerte kurz, bevor sie fortfuhr. „Mir fällt der Umgang mit Materia sehr leicht und ich regeneriere überdurchschnittlich schnell MP.“ Der Wissenschaftler blickte überrascht auf. Das war ihm anscheinend neu. Er musterte sie eine Weile ernst, dann nickte er. „Mako scheint also nicht nur die DNA zu verändern, sonder auch die mentale Verbindung von Körper und Materia. Höchst interessant...“, murmelte er, so dass Aireen seine Wort kaum verstand. Wahrscheinlich waren sie auch nicht an sie gerichtet gewesen. Trotzdem war sie neugierig und wollte gerade eine Frage stellte, als Hojo seine Mako Spritze zückte. Das ließ sie sofort verstummen. „Halten Sie still“, befahl er, als er die Spritze ansetzte. Aireen kniff die Augen zusammen und hielt die Luft an. Aber der stechende Schmerz, den sie erwartete, blieb aus. Sie spürte den Stich kaum, und das Mako gab eine angenehme Wärme ab, als es sich langsam in ihrem Körper verteilte. Nichts im Vergleich zu der Höllenqual, die sie beim ersten Mal empfunden hatte. Sie öffnete die Augen wieder, als sie sicher war, dass sich Hojo samt Spritze entfernt hatte. Ihr Blick fiel sofort auf die Einstichstelle, die schon am Verheilen war. Verwundert beobachtete sie, wie sich die Wunde innerhalb von ein paar Sekunden schloss und nicht einmal eine Narbe zurück ließ. „Irgendwelche Veränderungen?“ Sie horchte einen Augenblick in sich hinein bevor sie antwortete. „Die gleichen wie beim letzten Mal, nur schwächer.“ Er nickte und entließ sie mit einer Handbewegung zur Tür. °Ich fühl' mich, als ob ich ein paar Energy Drinks zu viel getrunken hätte... Der Schlaf wird heute wohl nicht leicht kommen°, dachte sie mürrisch und stieg die Treppe zu den Quartieren hoch. Seufzend ließ sie sich auf ihr Bett fallen und starrte die Decke an. °Was für ein Tag...° Kapitel 11: Makoreaktore und Mittagessen ---------------------------------------- Da meine Fanfiction heute genau ein Jahr alt wird, lade ich zur Feier des Tages ein neues Kapi hoch. Leider etwas kürzer als gewohnt, aber ich wollte es unbedingt heute noch fertig bekommen. Viel Spaß beim Lesen! =) ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Als Vincent am nächsten Morgen die Küche betrat, stellte er überrascht fest, dass diese verlassen war. Ein kurzer Blick auf seine Uhr ließ ihn stirnrunzeln: es war schon kurz nach sechs. Normalerweise war Aireen um diese Zeit längst auf den Beinen und hatte das Frühstück fertig vorbereitet. Nach kurzer Überlegung entschied er, der Studentin einen Besuch abzustatten und begab sich Richtung Quartiere, wo er leise an deren Tür anklopfte. Als er jedoch keine Antwort erhielt, öffnete er vorsichtig und lugte hinein. Das Zimmer recht dunkel, weshalb er einige Sekunden brauchte, bis sich seine Augen an das veränderte Lichtverhältnis gewöhnt hatten und er etwas erkennen konnte. Dann erspähte er Aireen, die noch immer friedlich schlafend im Bett lag, fest in ihre Decke eingewickelt. °Da ist wohl jemand müde...° Er klopfte nun etwas lauter an die offen stehende Tür, um sie so aufzuwecken, aber sein Tun blieb erfolglos, denn Aireen zeigte keinerlei Regung. Schließlich trat er seufzend an das Bett heran und schüttelte sie an der Schulter. Benommen öffnete sie die Augen einen Spalt breit, noch nicht ganz wach und sah ihn verwirrt an. „Vincent?“, nuschelte sie und gähnte herzhaft. „Was macht du denn hier?“ Er hob eine Augenbraue. „Dasselbe könnte ich dich fragen. Solltest du um die Zeit nicht längst in der Küche sein?“ Sie blickte ihn einen Augenblick unergründlich an. Dann dämmerte es und sie warf einen erschrockenen Blick auf ihre Uhr. „Verdammt!“ Damit sprang sie aus dem Bett, wobei sie sich in ihrer Bettdecke verhedderte und beinahe der Länge nach hinfiel, was nur durch ein beherztes Eingreifen Vincent's verhindert werden konnte, der sie an den Schultern packte und festhielt. „Danke, Vincent. Du bist ein echter Lebensretter.“ Er lächelte nur leicht und ließ sie los. Was sich als Fehler herausstellte, da die Studentin schwankte und sich stöhnend an den Kopf fasste. Schnell griff er erneut nach ihren Schultern und führte sie zu ihrem Bett, auf dem sie Platz nahm. Er musterte sie besorgt, wie sie sich mit geschlossenen Augen und einem gequälten Gesichtsausdruck die Schläfen massierte. „Was ist los?“ „Kopfschmerzen.“ Darauf hätte er auch von selbst kommen können. „Soll ich dir was holen?“ „Nein danke, es ist schon besser. Ich bin wohl einfach zu schnell aufgestanden.“ Und davon bekam man gleich Kopfschmerzen? Vincent war alles andere als überzeugt. Aireen sah insgesamt nicht besonders gesund aus, so blass wie sie war. Und die dunklen Ringe um ihre Augen trugen auch nicht dazu bei, das Gesamtbild zu verbessern. „Du siehst... müde aus.“ Wie zur Bestätigung gähnte sie erneut. „Bin ich auch. Aber daran kann man nichts ändern.“ Sie stand vorsichtig auf, und als sie sicher war, dass ihre Beine sie trugen, schenkte sie ihm ein beruhigendes Lächeln. „Ich mach' mich nur schnell fertig, dann komm' ich sofort.“ Er musterte sie noch einmal skeptisch bevor er nickte und das Zimmer verließ. „Ich warte“, meinte er noch, bevor er die Tür schloss. So ungesund wie sie aussah, traute er ihr durchaus zu, die Treppen hinunter zu fallen. Das wollte er lieber nicht riskieren. Er lehnte sich an die gegenüberliegende Wand und wartete, die Arme über der Brust verschränkt. Fünf Minuten später verließ Aireen auch schon das Zimmer und winkte ihm lächelnd zu, was er mit einem kurzen Nicken quittierte. Auf dem Weg zur Küche beobachtete er sie unauffällig und stellte fest, dass sie viel öfter als gewöhnlich stolperte und ihre Bewegungen insgesamt etwas unkoordiniert waren. Sie schien müder zu sein, als sie zugeben wollte. Als sie zum dritten Mal in Folge gähnte, fragte er: „Schlecht geschlafen?“ Sie nickte, dann betraten sie die Küche. Während er das Geschirr herausholte um den Tisch zu decken und sie den Kaffee kochte, hakte er nach. „Albträume?“ Vor ein paar Monaten, als sie noch nicht allzu lange bei ihnen eingezogen war, waren Albträume die Regel gewesen. Des öfteren war er durch ihr Schlafgerede aufgewacht, wo ihr Zimmer doch genau gegenüber dem Seinen lag. Er war der Meinung gewesen, dass es in letzter Zeit viel besser geworden war. Hatte er sich getäuscht? Aber sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich war einfach zu... aufgedreht, um einschlafen zu können.“ „Das sind die Glückshormone. Sunry scheint dir wohl sehr zu gefallen, wie?“ Lucrecia hatte gerade die Küche betreten und konnte nicht anders, als ihren Senf dazu zu geben. Aireen warf ihr einen finsteren Blick zu, ignorierte aber ansonsten ihre Bemerkung. Vincent schmunzelte. Es war manchmal fast zu leicht, die Studentin zu necken. Als der Tisch schließlich fertig gedeckt war, setzten sie sich und frühstückten. Als sie fertig waren, machte sich Aireen sogleich an den Abwasch. Lucrecia verließ die Küche Richtung Labore, aber Vincent blieb noch einen Augenblick. „Vielleicht wäre es besser, das heutige Training abzusagen. Du siehst aus, als könntest du ein paar zusätzliche Stunden Schlaf gut gebrauchen“, meinte er, aber sie schüttelte den Kopf. „Schon okay. Ich hatte gestern schon frei, sonst verliere ich noch meine nicht existente Form komplett.“ Vincent's Gesichtsausdruck verhärtete sich. Das Training war wegen seinem dummen, missglückten Ausflug ausgefallen... Daran schien auch Aireen sich nun zu erinnern und sie musterte ihn besorgt. „Bist du eigentlich wieder ganz fit? Die Verletzungen gestern sahen zum Teil echt übel aus.“ Er verzog das Gesicht. Typisch Aireen, sich um andere zu sorgen während sie es war, die aussah, als würde sie beinahe von den Beinen kippen. „Mir geht es gut. Du unterschätzt die Heilkräfte von Materias.“ Dann blickte er sie streng an. „Ich meine es ernst. Leg' dich hin und ruhe dich aus. In deiner Verfassung kann man nicht ordentlich trainieren.“ Sie zog eine Schnute, protestierte aber nicht. Wahrscheinlich sah sie ein, dass er Recht hatte. Er nickte ihr noch einmal zu und verließ anschließend die Küche. Er seufzte. °Was für ein Start in den Tag...° ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Aireen beschloss, Vincent's Rat zu befolgen und sich noch einmal aufs Ohr zu hauen. Obwohl sie bis vor wenigen Stunden noch zu aufgedreht gewesen war, um auch nur ans Schlafen zu denken, überkam sie nun doch Müdigkeit. Das verwunderte sie eher wenig: gestern hatte sie nur knapp vier Stunden und heute nicht einmal drei geschlafen. Da war es normal, dass ihr Körper irgendwann protestieren würde. Gähnend kuschelte sie sich unter ihre Bettdecke und schloss die Augen. Sie schlief augenblicklich ein. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Das ist es“, murmelte Hojo freudig und strich sanft über das kleine, mitgenommen aussehende Buch, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Nach langem Suchen war er endlich fündig geworden. °Ich wusste, dass ich irgendwo schon von DNA Veränderungen gelesen habe. Aber wer hätte gedacht, dass ausgerechnet mein Vater dieses Phänomen erforscht hat?°, sinnierte er und strich sich eine Strähne seinen fettigen Haares hinters Ohr. Aufmerksam las er den alten Bericht durch. Als er ans Ende angelangt war, klappte er ihn enttäuscht zu. °Nur Allgemeinheiten.. Wo zum Teufel bewahrt er seine Berichte über Experimente auf?° Nach langem Grübeln fiel ihm dann die einzig mögliche Lösung ein. °Wahrscheinlich in Midgar... Immerhin hat er genau wie ich für ShinRa gearbeitet. Ich werde der Forschungsabteilung sofort eine Nachricht senden, dass sie mir die nötigen Dateien zusenden.° Damit klappte er den Bildschirm seinen Laptops auf und begann zu tippen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Nachdem Aireen wieder komplett ausgeruht war, lief sie zur Hochform auf und überraschte Vincent bei den folgenden Trainingseinheiten mit einer gesteigerten Ausdauer und Kraft. Zudem waren sie dazu übergegangen, jeden Tag mit Materia zu üben, was ihr wiederum zu Gute kam, da sie ja dank ihrer Makoinjektionen eine Veranlagung zu Magie hatte. Im Großen und Ganzen war Vincent sehr zufrieden, was er ihr am dritten Tag dann auch während einer ihrer Pausen sagte. „Sehr gut. Du machst große Fortschritte.“ Aireen verschluckte sich beinahe an ihrem Wasser und sah ihn mit geweiteten Augen an. Vincent lobte sie? Das glich einem Wunder, wo er sie sonst immer nur kritisierte und ihr ständig ihre Fehler unter die Nase rieb. Aber er schien es ernst zu meinen. Trotzdem fragte sie lieber nach. „Wirklich?“ Er nickte und die Studentin strahlte ihn an, sobald sie ihre anfängliche Überraschung überwunden hatte. Dann schlich sich ein listiges Grinsen auf ihr Gesicht. „Das heißt, wir können bald Monster jagen?“, fragte sie lieblich und setzte ihren besten, flehenden Blick auf. Er runzelte die Stirn. „Warum bist du so erpicht auf eine Monsterjagd? Du warst bis jetzt alles andere als begeistert, wenn dich mal eines angegriffen hat.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist besser der Jäger als die Gejagte zu sein, denke ich. Außerdem kann ich mich mittlerweile viel besser verteidigen!“ Er blickte sie skeptisch an. „Und du bist sicher, dass das der einzige Grund ist?“ „Ja, wieso?“, fragte sie unschuldig und nahm noch einen Schluck Wasser. Er verengte die Augen zu Schlitzen. „Weil ich glaube, dass es dir nur darum geht, deine Materia aufzuleveln.“ Diesmal verschluckte sie sich wirklich und brach in einen Hustenanfall auf. Wieso zum Teufel wusste der dämliche Turk bloß immer, worauf sie hinaus wollte. „Wie kommst du bloß darauf?“, entgegnete sie kläglich, wissend, dass er ihr ihr Schauspiel nicht mehr abkaufen würde. „Lass mich überlegen,“ meinte er gespielt nachdenklich und blickte sie scharf an. „Vielleicht, weil du in den letzten Tagen beinahe ständig über deine schwache Materia beklagt hast?“ Ertappt kratzte sich Aireen am Hinterkopf und grinste verlegen. „Hehe, hab' ich das?“ Vincent verdrehte die Augen. Dann schmunzelte er. „Manchmal bist du einfach unmöglich.“ Sie fasste sich ans Herz und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Aah, Vincent, du verletzt mich“, meinte sie grinsend und zwinkerte ihm zu, was ihm ein leises Glucksen entlockte. °Yes, ich schaffe es, Vincent Valentine zum Lachen zu bringe!°, freute sie sich innerlich. Dann erlosch ihr Grinsen und sie wirkte nachdenklich. °Indem ich albern bin? Na toll, was für eine Leistung...° Sie schüttelte den Kopf. Manchmal benahm sie sich sogar für ihre Verhältnisse zu kindisch. „Wie sieht's jetzt eigentlich mit unserer Monsterjagd aus, Vincent?“, fragte sie, als beide wieder halbwegs ernst waren und er seufzte. „Ich fürchte, das müssen wir verschieben.“ Sie wollte schon protestieren, als er weiter sprach. „Es wird bald Winter. Die meisten Monster, vor allem die schwächeren, suchen in der Zeit Unterschlupf. Es wird schwer, noch welche zu finden, nach denen man jagen könnte.“ Aireen zog einen Schmollmund, enttäuscht. Aber daran konnte man wohl nichts ändern. Dann runzelte sie die Stirn, als ihr ein Fehler in der Überlegung Vincent's auffiel. „Aber wenn sich die Monster alle verziehen, warum wurdest du und Sunry dann von so vielen gleichzeitig angegriffen?“ Vincent schenkte ihr ein kleines, anerkennendes Lächeln. „Gut beobachtet. Nun, genau das hatte mich auch verwundert, weshalb ich etwas recherchiert habe. Was könnte die Monster dazu bewegen, ihre natürlichen Angewohnheiten zu ändern?“ Sein abwartender Blick verriet, dass er eine Antwort von ihr erwartete. Nachdenklich legte sie die Stirn in noch tiefere Falten. °Okay, Aireen, denk nach. Monster sind in vielerlei Hinsicht wie Tiere. Sie handeln instinktiv, um sich vor Gefahren zu schützen. Mmh, aber was für einen Gefahr könnte in den Nibelbergen lauern, die die Monster aus ihren Unterschlüpfen treibt?° Nach reiflicher Überlegung fiel es ihr dann wie Schuppen von den Augen. „Menschen!“ Er nickte und sie neigte den Kopf fragend zur Seite. „Aber was machen Menschen in den Nibelbergen?“ Vincent's Blick verdüsterte sich. „Das, was sie am besten können: Bauwerke aufrichten. In diesem Fall ist Shinra Schuld. Sie errichten einen sogenannten Makoreaktor.“ „Makoreaktor“, wiederholte Aireen murmelnd. Wieso war sie nicht gleich darauf gekommen? Hojo würde diesen für seine Experimente benutzen, um Supermenschen für SOLDAT zu erschaffen. So wie Sephiroth. Und es würde nicht mehr lange dauern bis- „Aireen? Alles in Ordnung?“ Vincent's Stimme riss sie aus den Gedanken und sie blickte verwirrt auf. „Jaa... Ich hab' mich nur gefragt, was das genau sein soll.“ Es war wohl besser, die Unwissende zu spielen. Wahrscheinlich wussten nicht sonderlich viele von den Reaktoren und ihrem Zweck. Und sie war sicher keine von denen, die in den dahinter steckenden Plan eingeweiht waren. „Das weiß ich leider selbst nicht allzu genau“, meinte er und klang etwas frustriert. Es ging ihm sichtlich gegen den strich, im Dunklen zu tappen. „Shinra ist anscheinend der Meinung, dieses Mako als Energiequelle gewinnen zu können...“ Sie nickte. Nur wusste bisher noch niemand, welchen Schaden die Extraktion des Lebensstroms dem Planeten anrichten würde. Sie seufzte und richtete sich auf. „Trainieren wir weiter? Schließlich muss ich in Form sein, sobald sich eine Gelegenheit zum Kampf ergibt.“ Er lächelte nur und ging in Verteidigungsposition. Dann stürmte sie auf ihn zu. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ „Wann kommt er endlich?“, fragte Lucrecia zum ungefähr zehnten Mal in der letzten halben Stunde und sowohl Aireen als auch Vincent verdrehten die Augen. „Bald“, antwortete die Studentin, wie auch schon zuvor. Wenn es um Sunry ging, benahm sich die Wissenschaftlerin eindeutig nicht ihrem Altern entsprechend. Viel mehr erinnerte ihre Ungeduld, den Blondschopf endlich zu treffen an die eines verliebten Teenagers in der Pubertät. „Aber das hast du auch schon vorher gesagt“, klagte sie nun und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Platte des Beistelltisches, der vor dem Sofa stand, in dem alle drei auf Aireen's „Liebling“, wie Lucrecia Sunry so schön nannte, warteten. Aireen seufzte und wollte gerade zu einer ohnehin nutzlosen Erwiderung ansetzten, als die Eingangstür geöffnet wurde und der sehnlichst erwartete Mann eintrat. Aireen sprang mit einem Lächeln auf und ging auf den Blondschopf zu, um ihn zu begrüßen. „Sunry! Schön, dich zu sehen.“ Er kam ihr mit seinem üblichen Grinsen entgegen. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Süße“, antwortete er keck und schaffte es wieder einmal, sie zum Erröten zu bringen. Als er sie zur Begrüßung dann auch noch auf die Wange küsste, hätte Aireen schwören können, dass man sich an ihrer glühenden Haut verbrannte. Lucrecia's entzückter Ausruf und ihr gemurmeltes „Ich hab's doch gewusst“ trugen auch nicht unbedingt zur Minderung ihrer Verlegenheit bei. Sie räusperte sich, um eben diese zu überspielen und drehte sich zu der Wissenschaftlerin um, der sie einen Todesblick zuwarf. Dann wandte sie sich an Sunry. „Ähm, Sunry, das ist Lucrecia. Sie... arbeitet auch hier.“ Sie verkniff es sich besser zu erwähnen, dass sie eine Wissenschaftlerin im Dienste Shinra's war. Das würde ihm garantiert nicht gefallen. Er trat zu Lucrecia, die inzwischen genauso wie Vincent aufgestanden war und lächelte sie charmant an. „Sehr erfreut“, meinte er und gab ihr einen Handkuss. Aireen seufzte vernehmlich und widerstand nur knapp der Versuchung, sich mit der Hand gegen die Stirn zu schlagen. Er war und blieb ein unverbesserlicher Charmeur. Zu ihrer Belustigung stelle sie fest, dass Vincent das nicht sonderlich zu gefallen schien, denn nun schnitt er alles andere als diskret dazwischen, in dem er sich laut räusperte, was ihm einen finsteren Blick Sunry's einbrachte. „Wir wollten dich zum Essen einladen, wenn du magst“, meinte Vincent steif und man konnte ihm deutlich anhören, wie wenig ihm die Idee behagte. Aireen entschied deshalb, ihm zur Hilfe zu eilen. „Ja, als Dankeschön für die Rettung und so.“ „Und weil wir den Freund Aireen's besser kennen lernen möchten“, fügte Lucrecia strahlend hinzu. Die Studentin wäre am Liebsten im Erdboden versunken. °Kann sie vielleicht noch ein bisschen taktloser sein?° Sie konnte, wie sich bald herausstellte. „Immerhin wollen wir den Grund für ihre schlaflosen Nächte erfahren.“ Sunry grinste breit, als er sich mit gehobener Augenbraue zu Aireen umwandte, die gerade versuchte, Lucrecia mit ihren Blicken zu erdolchen. Als das nicht klappte, entschied sie sich zur Flucht. „Ich schau mal nach dem Essen!“ Damit verschwand sie in der Küche. Vincent sah ihr seufzend nach, während Sunry gluckste und Lucrecia unschuldig lächelte. „Wollen wir?“, fragte er schließlich, als er der Meinung war, Aireen genug Zeit gegeben zu haben, um sich etwas zu beruhigen. Sie nickten und gemeinsam begaben sie sich in die Küche, wo die Studentin gerade damit beschäftigt war, die Vorspeisen auf den Tisch zu stellen. „Gutes Timing! Ich wollte euch gerade holen“, meinte sie fröhlich und bedeutet ihnen, Platz zu nehmen. „Ich hoffe, ich bereite keine Unannehmlichkeiten?“, fragte Sunry besorgt und Vincent konnte nur mühsam ein Schnauben unterdrücken. Zuerst keck, und nun einen auf Gentleman machen? Er mochte den Blondschopf nicht. Was sicher auf Gegenseitigkeit beruhte, dem Benehmen Sunry's ihm gegenüber zu urteilen. °Damit kann ich leben°, dachte Vincent und versuchte einfach, den anderen Mann zu ignorieren und sich stattdessen auf Lucrecia zu konzentrieren, die ihm gegenüber saß. Ihre Gesellschaft gefiel ihm da schon um einiges besser. „Nein, mach' dir darüber keine Sorgen. Wir essen Sonntags immer etwas... ausgiebiger“, erklärte Aireen und Lucrecia nickte. „Unser einziger freier Nachmittag muss schließlich gebührend gefeiert werden“, fügte sie grinsend hinzu und Sunry schmunzelte. „Nun, lasst es euch schmecken“, meinte Aireen, woraufhin alle nach ihrem Besteck griffen und zu essen begannen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Das Mittagessen war dank Sunry's Anwesenheit noch fröhlicher als sonst. Mit seinen Scherzen brachte er alle zum Lachen und selbst Vincent entspannte sich nach einer Weile, was aber eher an der ausgelassenen Stimmung Lucrecia's lag, die er genoss. Er liebte es, sie lachen zu sehen. Und sie schien sich bestens mit dem Blondschopf zu verstehen, denn sie alberten beide gerne herum und machten sich einen Spaß daraus, die arme Aireen mit ihren Sprüchen immer wieder in Verlegenheit zu bringen. Trotzdem schien sich auch die Studentin köstlich zu amüsieren und Vincent kam nicht umhin, zu bemerken, wie sie Sunry mit funkelnden Augen ansah. Sie schien es sich nicht eingestehen zu wollen, aber es war sogar ihm klar, dass sie ihn mochte. Er schien das Gleiche für sie zu empfinden, denn hinter seinen Sticheleien verbarg sich eindeutig Zuneigung. Innerlich seufzte er. Das konnte noch schön werden. „Nun, vielen Dank für die Einladung. Das Essen war einfach nur köstlich“, meinte Sunry, als sie schließlich alle bei der Tür standen, um ihn zu verabschieden, und zwinkerte Aireen zu, die sich daraufhin spöttisch verbeugte und grinste. Er lachte und wandte sich an Lucrecia. „Schön, dich kennen zu lernen, Lu. Es macht wirklich Spaß, mit dir zu reden.“ Die Wissenschaftlerin nickte grinsend. „Ich denke, das beruht auf Gegenseitigkeit.“ Sie küssten sich zum Abschied auf die Wange. „Auf ein baldiges Wiedersehen“, fügte sie noch hinzu und er nickte lächelnd, ehe er sich an Vincent wandte. Sie schwiegen kurz, dann streckte Sunry die Hand aus. „Ich weiß, dass unsere erste Begegnung alles andere als... gelungen war. Trotzdem hoffe ich, dass wir unsere Differenzen irgendwann beiseite legen können.“ Vincent lächelte kurz und nahm die Hand an. „Das hoffe ich auch.“ Sie nickten sich noch einmal zu, dann wandte Sunry sich wieder an Aireen, die aus den Augenwinkeln beobachtete, wie Lucrecia Vincent aus dem Raum zog, wahrscheinlich um ihnen etwas Privatsphäre zu gönnen. „Lucrecia ist wirklich reizend. Und auch Vincent scheint ganz okay zu sein. Was ich sagen will, mir hat der Mittag wirklich gut gefallen.“ Die Studentin lächelte. „Das freut mich. Ich hatte schon befürchtet, dass es eine schlechte Idee sei, aber Lucrecia hat mich dauernd bedrängt, sie würde dich so gerne kennen lernen...“, erklärte sie Augen rollend und Sunry gluckste. „Sie kann ganz schön nervig sein, was?“ Sie seufzte und nickte. „Das kannst du laut sagen.“ Sie schwiegen kurz und er musterte sie nachdenklich, was ihr natürlich nicht entging. „Was?“ Er grinste. „Ich weiß, wie wir es ihr heimzahlen können.“ Sie sah ihn skeptisch an. „Und was genau ist dein Plan, wenn ich fragen darf?“ Sein Grinsen wurde nur noch breiter als er näher an sie herantrat und ihr Gesicht sanft in seine warmen Hände nahm. Lächelnd beugte er sich vor, bis nur noch wenige Zentimeter ihre Lippen trennten und sie seinen heißen Atem spüren konnte. Aireen erstarrte und sah ihn mit rasendem Herzen an. Er wollte doch nicht etwa..? Dann küsste er sie und ihr Kopf war wie leer gefegt. Sie wusste nur, dass das Gefühl seiner weichen Lippen auf ihren alles war, was in dem Moment zählte. Zu schnell war es wieder vorüber. Er löste sich von ihr und trat mit belustigt funkelnden Augen einen Schritt zurück, während Aireen, hochrot, nach Atem rang. Grinsend wartete er, bis sie ihre Stimme wieder gefunden hatte. „Ich... Du...“, stotterte sie, brach ab und blickte ihn finster an. Immerhin war es seine Schuld, dass sie nun keine Worte mehr fand. Sunry schien der Blick allerdings nicht einzuschüchtern. Er lehnte sich locker gegen die Eingangstür, seine Hände in die Jackentasche vergraben. „Bin ich so ein guter Küsser?“, fragte er keck und beobachtete amüsiert, wie sie augenblicklich wieder rot anlief. Sie musste sich erst einmal sammeln. „Nun... ja, eigentlich schon“, meinte Aireen schließlich und grinste, was er mit einem Lachen quittierte. Sie schwiegen kurz. „Ähm, Sunry?“, fragte sie schließlich und er neigte den Kopf als Zeichen dafür, dass er zuhörte. „Inwiefern haben wir es Lucrecia jetzt eigentlich heimgezahlt?“ Er grinste. „Ganz einfach. Jetzt haben wir ihr etwas voraus, das sie auch gerne hätte. Vincent scheint in der Hinsicht ja nicht sonderlich offen zu sein.“ Sie schüttelte den Kopf. Was für eine verdrehte Denkweise. „Dafür wird sie jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr aufhören, mich zu necken“, meinte sie beinahe verzweifelt und Sunry schüttelte den Kopf. „Und das war der Kuss dir nicht wert?“, fragte er gespielt verletzt und Aireen lachte. „Ich denke, ich kann mit Lu leben. Solange du mich nicht zu lange warten lässt.“ Er schüttelte den Kopf. „Das würde mir im Traum nicht einfallen. Ist dir Mittwoch um neun recht? Ich lade dich zum Abendessen ein.“ Sie nickte. „Gerne. Bis Mittwoch also.“ Er nahm ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf die Fingerspitzen. „Bis dann, Prinzessin.“ Damit verließ er die Villa und ließ eine vor Glück strahlende Aireen zurück. °Unverbesserlicher Charmeur. Aber genau das gefällt mir wohl° Lächelnd machte sie sich auf den Weg Richtung Küche, wo sie wusste, dass Lucrecia und Vincent auf sie warteten. Wenn die Wissenschaftlerin bis wusste, was sie gerade verpasst hatte... Grinsend betrat sie die Küche. Kapitel 12: Ein (klärendes) Gespräch ------------------------------------ Es tut mir Leid, dass ich seit einem halben Jahr nicht mehr upgedatet habe, aber das Abitur lässt mir wenig bis gar keine Zeit und wenn doch, ist es mir einfacher gefallen, kleine Oneshots zu schreiben, als mir den Kopf über die Weiterentwicklung dieser langen Story hier zu zerbrechen. Das nächste Update wird voraussichtlich erst in gut 2 Monaten kommen. Aber ich garantiere, dass ich die Fic irgendwann abschließen werde, egal, wie lange ich dazu brauche. Viel Spaß =) --------------------------------------------------------------------------------- Im letzten Moment riss Aireen ihr Schwert hoch und parierte so den Angriff Vincent's. Ihre Arme schmerzten höllisch, als sie die volle Wucht des Hiebes zu spüren bekam und sie hätte das Schwert am liebsten fallen gelassen. Aber der Turk war unnachgiebig und gönnte ihr keine Pause, sondern griff mit unverminderter Schnelligkeit und Kraft weiter an. Sie biss also die Zähne zusammen und gab sich redlich Mühe, seinen Angriffen auszuweichen oder sie, wenn ihr nichts anderes mehr übrig blieb, zu blocken. Es dauerte allerdings nicht lange, bis er ihr das Schwert mit solcher Kraft aus der Hand schlug, dass sie nach hinten taumelte und unsanft auf dem Hosenboden landete. Als sie aufblickte, hatte ihr Vincent schon die Schwertspitze an den Hals gesetzt. Kapitulierend hob Aireen die Hände und meinte mürrisch: „Schon gut, ich geb' auf.“ Vincent ließ sein Schwert daraufhin sinken und hielt ihr seine Hand hin, die sie dankbar ergriff. Mühelos zog er sie auf die Beine und sie klopfte sich notdürftig den Dreck von den Hose und wischte sich ein paar schweißnasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. Während sie zu ihrem Rucksack schlenderte, um ihre Wasserflasche zu holen, sammelte Vincent ihr fallen gelassenes Übungsschwert auf und gesellte sich dann zu ihr. Als sie ihren Durst gestillt hatte, reichte sie Vincent die Flasche, die er dankbar annahm. Während er trank, massierte Aireen abwesend ihre strapazierten Handgelenke und schaute zu den Nibelbergen, deren Spitzen unter den niedrigen Wolken nicht mehr zu erkennen waren. Ein eindeutiges Zeichen, dass sich der Winter mit großen Schritten näherte. Manchmal hatte Aireen das Gefühl, dass die Zeit hier in Gaia schneller verging als bei ihr zu Hause. Wobei das sicher nur daran lag, dass sie hier, im Gegensatz zu ihrem früheren Leben so unglaublich viel zu tun hatte, so dass sie sich eigentlich nie über Langweile beklagen konnte. Abgesehen von ihrer üblichen Arbeit hielten auch alle ihre Freunde sie auf Trab, so dass sie beinahe keinen freien Moment mehr hatte. Was sie allerdings auch nicht sonderlich störte. Das Training mit Vincent machte immer mehr Spaß je mehr sie dazu lernte, und nach ein paar Wochen war der Turk sogar so zufrieden mit ihren Fortschritten, dass er sich von ihr dazu überreden ließ, das mit dem Schwerttraining doch noch auszuprobieren, obwohl er eigentlich wenig von der Idee hielt und ihr lieber den Umgang mit Pistolen beigebracht hätte. Aber ihren großen, flehenden Augen hatte noch niemand widerstehen können, und so hatte er schließlich aufgegeben und gemeint, sie könnten es ja mal versuchen. Zudem hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, Vincent nach dem Training noch hinunter in die Labore zu begleiten, wo sie mehr oder weniger erfolgreich Lucrecia bei ihrer Arbeit unterstützte. Ihr angefangenes Medizinstudium half ihr zwar in den wenigsten Fällen, da die Experimente der Wissenschaftlerin doch meist viel komplizierter waren, aber kleinere Aufgaben konnte sie ohne Probleme übernehmen, wofür ihr Lucrecia äußerst dankbar war. Vor allem aber half Aireen, indem sie ihr, zusammen mit Vincent, immer wieder neuen Mut zu sprach, falls eines ihrer Experimente fehlschlug oder partout nicht so wollte, wie sie es eigentlich geplant hatte. Ihre restliche Freizeit verbrachte sie in der Regel mit Sunry, der es sich zur Angewohnheit gemacht hatte, so gut wie jeden Nachmittag vorbeizukommen und, wenn sie denn Zeit hatte, etwas mit ihr zu unternehmen. Die Zeit mit ihm genoss sie am allermeisten. Es war schon länger her, dass sie einen festen Freund gehabt hatte, und Sunry war ihrer Meinung nach wirklich ein gelungener Fang. Stets schaffte er es, sie zum Lachen zu bringen, egal wie gedrückt ihre Laune auch sein mochte, und ließ sie ihre zahlreichen Sorgen vergessen. Und dann waren da noch ihre regelmäßige Treffen mit Hojo, der es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, sie jeden Abend zu untersuchen und ihr zweimal die Woche eine Makoinjektion zu verpassen. Natürlich war dieser Teil ihres Aufenthaltes bei weitem der unangenehmste, aber sie ließ die Behandlungen protestlos über sich ergehen. Die positiven Aspekte ihres derzeitigen Lebens überwogen einfach, da konnte sie den Wissenschaftler auch noch in Kauf nehmen. Vor allem, da er bisher mit seinen Experimenten noch nie über die Strenge geschlagen hatte. Natürlich hatten die Behandlungen auch ihre Nachteile; so fühlte sie sich beispielsweise nach einer Makoinjektion immer recht schlapp und kränklich, bevor sich ihr Körper an die neuen Verhältnisse gewöhnte. Dafür aber steigerte sich ihre Kraft und Kondition, sowohl als auch ihre magischen Fähigkeiten, und das war sicher ein Aspekt, den sie gut gebrauchen konnte. In den seltensten Fällen blieb ihr noch ein bisschen Zeit für sich allein, die sie sich dann wiederum meist mit Büchern vertrieb, die Vincent ihr geliehen hatte. Sie war schon immer eine richtige Leseratte gewesen, und es war einfach zu interessant, mehr über die Welt zu erfahren, in der sie gelandet war, vor allem, da sie sich in vielerlei Hinsicht von der Welt unterschied, die sie aus den Spielen der Reihe kannte. Dreißig Jahre konnten den Planeten sehr verändern. Wobei es nicht nur an ihrer Leidenschaft für Bücher und neues Wissen lag, dass sie ihre Freizeit damit verbrachte. Obwohl Aireen es sich nicht eingestehen wollte, versuchte sie auf diese Weise ihre Sorgen zu verdrängen. Es war soviel einfacher, den Augenblick zu genießen, anstatt über die düstere Zukunft zu grübeln. Zuviele Probleme bereiteten ihr Kopfzerbrechen: Das Jenova Projekt, das damit verbundene Schicksal von Vincent und Lucrecia, die Ungewissheit, was mit Sunry passieren würde... Sie war noch immer in Zweifel, was sie tun sollte. Denn jede Veränderung der bevorstehenden Ereignisse konnte zu noch schlimmeren Folgen führen. Es war alles andere als eine leichte Entscheidung. Sie seufzte. „Alles in Ordnung?“ Sie blickte zu Vincent, der neben sie getreten war und sie nun aufmerksam musterte. Sie nickte. „Klar.“ Er hob eine Augenbraue und blickte skeptisch. Sie seufzte erneut. So langsam müsste sie eigentlich wissen, dass fadenscheinige Ausflüchte bei dem Turk nichts bewirkten. „Die letzten Wochen sind richtig schnell vergangen, findest du nicht?“ Ihre Antwort war ausweichend, aber Vincent gab sich anscheinend zufrieden damit. Vorerst. „Mmh.“ Sie lächelte. Der Turk war gesprächig wie eh und je. Sie schwiegen eine Weile, bevor Aireen sich ausgiebig streckte und dann meinte: „Trainieren wir weiter?“ Vincent hob eine Augenbraue und musterte sie skeptisch. „Noch nicht genug?“ Grinsend schüttelte sie den Kopf. „Ich kann noch ein paar blaue Flecken vertragen.“ Ein schmales Lächeln stahl sich auf die Lippen des Turks, als er ihr ihr Übungsschwert zuwarf, das sie unbeholfen auffing. Dann griff er auch schon an. --------------------------------------------------------------------------------- Vincent nickte anerkennend, als Aireen den brennenden Baum erfolgreich mit einem Eis-Zauber löschte. „Gut. Sowohl deine Reaktion als auch dein Ziel werden immer besser.“ Die Studentin lächelte erschöpft, aber zufrieden. Nachdem sie solange mit dem Schwert trainiert hatten, bis Aireen kaum noch ihre Arme heben konnte, waren sie zu Materiatraining übergegangen. Die Zauber gingen ihr mittlerweile problemlos von der Hand, nur das Zielen musste sie noch perfektionieren. „Das reicht für heute. Gehen wir zurück.“ Die junge Frau sah aus, als wäre sie am Ende ihrer Kräfte angelangt. Es wäre töricht, sie jetzt noch weiter zu strapazieren, außer er wollte riskieren, sie zurück tragen zu müssen. Einmal hatte ihm gereicht, seitdem achtete er mehr darauf, ihre Grenzen nicht mehr zu überschreiten. Zudem sah sie schon wieder recht blass aus, was nie ein gutes Zeichen war. Der Turk legte die Stirn in Falten. Aireen's Tagesform bereitete ihm schon seit längerem Kopfzerbrechen. Einmal ging gar nichts und sie sah so aus, als ob sie nicht mal das Laufen zu Beginn des Trainings überstehen würde. Dann wiederum hatte sie Tage, an denen sie alles mühelos schaffte und wohl noch stundenlang nach Ende der Einheit weiter trainieren konnte. Heute wiederum sah sie aus, als ob sie die ganze Nacht kein Auge zugetan hätte. Aber Fragen nach dem Grund ihrer schlechten Verfassung wich sie meist aus oder gab Albträumen die Schuld. Doch wer hatte in solch regelmäßigen Abständen Albträume? Er seufzte. Die Sache kam ihm äußerst suspekt vor. „Worüber denkst du so angestrengt nach, Vincent?“ Die amüsierte Stimme Aireen's riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte kurz zu ihr, schüttelte dann aber den Kopf. „Nichts, gehen wir.“ Damit ging er los, den bohrenden Blick der Studentin in seinem Rücken geflissentlich ignorierend. --------------------------------------------------------------------------------- „Was soll das heißen, die Daten sind nicht komplett?“ bellte Hojo ins Telefon. Er schwieg kurz, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Dann verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck. „Sie wollen mir also erklären, dass Sie nach wochenlangen Recherchen zu keinem anderen Ergebnis gekommen sind als dem, dass große Teile der Daten nicht im Speicher der Firma verzeichnet sind?“ Seine Stimme war nun gefährlich leise geworden. Wieder schwieg er kurz, lauschte. Dann: „Sie sind gefeuert! Und keine Sorge, ich habe die nötigen Befugnisse, um dies einzuleiten!“ Damit legte er auf. „Inkompetente Waschlappen... Und so was schimpft sich Wissenschaftler?“, murmelte er und strich sich genervt eine fettige Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann schnaubte er wütend. „Und woher, in Ifrit's Namen, soll ich die Zeit nehmen, um nach Kalm zu reisen?!“ Missmutig erhob er sich aus seinem Sessel und stapfte Richtung Labore. 'Nur mein Vater könnte auf die bescheuerte Idee kommen, seine Aufzeichnungen irgendwo zu lagern anstatt sie ins Netzwerk hochzuladen...' In dem Augenblick betraten Aireen und Vincent das Arbeitszimmer. Er funkelte beide böse an und sah mit Genugtuung, wie die junge Frau einen Schritt zurückwich. Wortlos rauschte er an ihnen vorbei in sein Labor und knallte die Tür hinter sich zu, woraufhin Aireen zusammen zuckte und den Kopf einzog. „Woah. Da ist wohl jemand heute mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden.“ Vincent nickte, die Stirn in Falten gelegt. „Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Hojo überhaupt schläft.“ Sie grinste. „Da hast du auch wieder recht.“ Amüsiert hob er eine Augenbraue. „Hab' ich das nicht immer?“ Lachend ging sie zur Tür von Lucrecia's Arbeitszimmer und öffnete sie dem Turk mit einer spöttischen Verbeugung. „Eure Hoheit.“ Kopfschüttelnd trat er an ihr vorbei ins Zimmer und sie folgte ihm hinein. „Hey, Lu“, begrüßte Aireen die Wissenschaftlerin fröhlich, während Vincent ihr einfach zunickte. „Hallo ihr beiden. Habt ihr gut trainiert?“, fragte sie und schaute kurz von ihren Akten hoch. Aireen ließ sich seufzend in ihren Stammsessel fallen. „Vincent hat mich wie üblich fertig gemacht. Ich bin ein einziger, blauer Fleck.“ Lucrecia hob eine Augenbraue und sah zu dem Turk, der die Augen rollte. „Sie übertreibt wie üblich.“ Die Studentin schnaubte, erwiderte aber nichts und Lucrecia schmunzelte. Es war doch jeden Tag das Gleiche. Zum größten Teil schweigend gingen sie eine Weile ihren jeweiligen Arbeiten nach, während Aireen ihren Gedanken nach hing. Lucrecias frustriertes Schnauben ließ sie aufblicken. „Was ist los?“ Sie schüttelte den Kopf und strich sich seufzend die Haare aus dem Gesicht. „Ich habe ein paar Wissenschaftlern meine These erläutert, aber niemand zeigt Interesse daran.“ Aireen warf ihr einen mitleidigen Blick zu. Sie arbeitete schon seit langem an ihrer These zu Omega und Chaos, aber die meisten machten sich darüber lustig. Dabei wusste Aireen, dass mehr Wahres daran war, als die Wissenschaftler ihr zugestehen wollten. Wie sie das allerdings beweisen sollte, wusste sie nicht. So konnte sie sie also nur trösten. „Das sind doch alles kleinkarierte Idioten, Lu, denen es leichter fällt, die mögliche Bedeutung deiner These zu ignorieren anstatt sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Das beweist nur, wie weit du ihnen voraus bist.“ Sie warf ihr ein dankbares Lächeln zu. Aireen stand auf und streckte sich ausgiebig. „So, ich geh' mich dann mal um den Haushalt kümmern. Bis später.“ Vincent nickte ihr zu und Lucrecia winkte kurz, schon wieder in die Lektüre ihrer Arbeit vertieft. Lustlos schlenderte sie zur Tür hinaus und die Treppe hoch zu dem bewohnten Bereich der Villa. Eigentlich hatte sie recht wenig zu tun und hätte ihren Freunden gerne noch etwas Gesellschaft geleistet, aber sie wollte ihnen auch etwas Allein-Zeit gönnen. Sonst würde das mit den beiden womöglich nie klappen. --------------------------------------------------------------------------------- „Sie sieht aus, als ob irgendetwas sie bedrücken würde“, meinte Lucrecia, als Aireen das Zimmer verlassen hatte „Mmh.“ Vincent legte die Stirn in Falten. „Vielleicht ist sie einfach nur müde“, sagte er mit wenig Überzeugung, und die Wissenschaftlerin überging seinen Einwand einfach. „Hat sie nichts gesagt?“ Er schüttelte den Kopf und sie seufzte. „Sie macht es uns nicht gerade einfach.“ Da konnte er nur zustimmen. Seit mehr als einem halben Jahr lebte sie nun schon mit ihnen in der Villa und trotzdem wussten sie so gut wie gar nichts über sie. Obwohl sie eigentlich sehr gesprächig war und manchmal, zu Vincents Verdruss, ohne Punkt und Komma redete, vermied sie es peinlichst genau auch nur ein Wort über ihre Vergangenheit zu verlieren. Wenn er nicht um ihr Heimweh wüsste und ihre gelegentliche Nostalgie sie nicht verriet, hätte man glatt meinen können, sie leide unter Amnesie. So sah es aus, als ob sie irgendetwas verheimlichen würde. „Vielleicht liegt es auch einfach an der Jahreszeit. Der Winter ist, vor allem hier in Nibelheim, recht trostlos“, meinte Lucrecia wenig überzeugt, woraufhin er schwieg. Sie wussten beide, dass es nicht an dem schlechten Wetter lag. Sie arbeiteten eine Weile schweigend weiter, bis Lucrecia entnervt seufzte und sich mit der Hand durch die Haare fuhr. „Wir müssen mit ihr reden, Vincent. Ich halte die ganze Geheimnistuerei nicht länger aus!“ Er runzelte die Stirn. „Das haben wir schon versucht, aber sie weicht den meisten Fragen einfach aus.“ „Dann müssen wir so lange nachbohren, bis sie eine klare Antwort gibt“, meinte sie entschlossen. Er schwieg nachdenklich. War das wirklich die beste Lösung? Sie zu zwingen, sich ihnen zu öffnen? „Wir können ja heute Mittag mit ihr reden“, fuhr sie fort und er nickte. Sie konnten es zumindest versuchen. Da das nun geklärt war, arbeiteten sie in friedlicher Ruhe weiter. Bis sich Lucrecia wieder zu Wort meldete. „Und was machen wir heute Abend?“ Der Turk blickte sie fragend an. „Mmh?“ „Aireen geht doch heute mit Sunry essen.“ Er sah sie weiterhin verständnislos an. Worauf wollte sie hinaus? Sie schnaubte frustriert. „Ach, Vincent.“ Damit wandte sie sich wieder ihren Akten zu und überließ ihn seiner Verwirrung. Was sollte das nun schon wieder bedeuten? Nachdenklich strich sich der Turk die Haare aus dem Gesicht. 'Verstehe einer die Frauen...' Kopfschüttelnd wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Er würde sich später weiter den Kopf über die Bedeutung ihrer Worte zerbrechen. --------------------------------------------------------------------------------- 'Chaos und Omega... Es muss doch eine Möglichkeit geben, ihre Existenz beweisen zu können!' Nachdenklich knabberte Lucrecia am Ende ihres Bleistifts, die Stirn in tiefe Falten gelegt. „Das ist ungesund.“ Sie sah von ihrem Dokument auf und warf Vincent einen fragenden Blick zu. „Dein Bleistift“, erklärte er schmunzelnd. Verwirrt betrachte sie diesen und stellte fest, dass er sich durch ihr unbewusstes Knabbern nun in einem äußerst jämmerlichen Zustand befand. Verlegen lächelnd legte sie ihn zurück auf den Tisch. „Danke für die Warnung.“ Er nickte, der Schatten eines Lächelns auf den Lippen und wandte sich wieder seinem Laptop zu. Lucrecia beobachtete ihn unauffällig. Sie liebte es, wenn er lächelte, und versuchte, es nicht zu zeigen. Oder wie er sich unbewusst ein paar vorwitzige Strähnen aus dem Gesicht strich, ganz in seine Arbeit vertieft. Oder wie er sie ansah, mit seinen außergewöhnlichen rot-braunen Augen, die soviel Tiefe besaßen und Emotionen verrieten, die er sonst zu verbergen suchte. Lächelnd erinnerte sie sich an die vergangenen Wochen. Seit dem schicksalhaften Tag, an dem er bei seinem waghalsigen Trip in die Nibelberge beinahe getötet worden war, hatte der Turk sich verändert. Langsam aber sicher taute er ihr gegenüber auf, war weniger verschlossen und traute sich öfters, seine Gefühle offen zu zeigen. Sie genoss sein Vertrauen in vollen Zügen, selbst wenn er im Vergleich zu anderen noch immer sehr zurückhaltend war. Aber sie konnte nicht erwarten, dass er sein über Jahre an trainiertes Verhalten von heute auf morgen ablegte. Stattdessen freute sie sich über jeden noch so kleinen Erfolg und amüsierte sich damit, ihn immer wieder aus seiner defensiven Haltung heraus locken zu versuchen. Langsam kam der echte Vincent hinter seiner Turk-Fassade hervor und es war manchmal überraschend, wie sehr sich dieser von seinem gespielten Selbst unterschied. Der gefühllose Elitemörder stellte sich zunehmend als schüchterner und fürsorglicher Gentleman heraus, und das ließ sie ihn nur noch mehr lieben. Sie runzelte die Stirn und schüttelte langsam den Kopf. Nein, das durfte sie nicht. Ihre Freundschaft war schon beinahe mehr, als sie verdiente. Er würde sie hassen, wenn er heraus fand, dass sie die Schuld an dem Tod seines Vaters trug. Da konnte sie nicht so egoistisch sein und auch noch auf seine Liebe hoffen. Mal davon abgesehen, dass er sicherlich kein Interesse an einer Beziehung mit einer langweiligen, von ihrer Arbeit besessen Wissenschaftlerin hegen würde, wo doch in Midgar die Mädchen sicher Schlange standen, um mit ihm auszugehen. Sie seufzte und Vincent hob den Kopf und blickte ihr direkt in die Augen, was sie innerlich erschauern ließ. Sie liebte und hasste seine Augen gleichzeitig. Der Blick seiner ausdrucksvollen Augen vermochte es, sie augenblicklich zu betören, während ihr aber gleichzeitig auf schreckliche Weise die Ähnlichkeit mit seinem Vater bewusst wurde und sie so immer wieder an ihre Schuld erinnerte. Sie bemerkte, dass sie ihn unbewusst angestarrt hatte und er sie nun besorgt musterte. Sie schenkte ihm ein, wie sie hoffte, beruhigendes Lächeln und wandte sich dann schnell ab. Als sie seinen Blick nicht mehr auf sich spürte, erlosch ihr Lächeln. Nein, eine Beziehung würde von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein... --------------------------------------------------------------------------------- „Ihr seid heute früh dran. Ich fürchte, die Nudeln sind noch nicht ganz fertig“, erklärte Aireen, als Vincent und Lucrecia die Küche betraten. Sie war gerade dabei, den Tisch zu decken und stellte nun auch das letzte Glas auf seinen Platz. Dann ließ sie sich erschöpft auf einen Stuhl fallen und rieb sich müde die Augen. Nicht, dass sie müde von der Hausarbeit war, soviel hatte sie nämlich gar nicht getan. Aber an dem Tag nach einer Makoinjektion fühlte sie sich immer wie ausgelaugt. Das war sowohl eine Nebenwirkung des Mako, der ihren Körper schwächte, bis bis sich dieser wieder darauf eingestellt hatte, als auch die Folge ihres Schlafmangels, der ebenfalls eine Folge der Injektion war, da sie danach einfach zu aufgedreht war, um einschlafen zu können. In der Hinsicht war Mako ein wahres Aufputschmittel. „Alles in Ordnung?“, fragte Lucrecia sie nun besorgt und auch Vincent musterte sie mit gerunzelter Stirn. „Klar, nur etwas müde.“ An den skeptischen Blicken der beide konnte sie erkennen, dass sie sich mit der Antwort nicht zufrieden gaben. Innerlich seufzte sie und bereitete sich schon mal mental auf das ihr bevorstehende Verhör vor. „Du bist in letzter Zeit öfters müde. Um nicht zu sagen regelrecht erschöpft“, meldete sich dann auch schon Vincent zu Wort und blickte sie durchdringend an. Sie zuckte mit den Achseln und schwieg. Es war immer besser, nicht zu viel zu verraten, das hatte sie mittlerweile gelernt. So bot sie weniger Angriffsfläche für mögliche Fragen. „Wir machen uns Sorgen, Aireen“, meinte nun auch Lucrecia uns sah sie ernst an. Sie starrte ohn mit der Wimper zu zucken zurück. „Das müsst ihr nicht. Mir geht's großartig, wirklich.“ Vincent schnaubte. Je öfter er das hörte, desto weniger traute er der Aussage. „Den Eindruck vermittelst du aber nicht gerade.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn stur an. „Was muss ich denn tun, um euch von meinem Wohlbefinden zu überzeugen?“, fragte sie sarkastisch und sah die beiden abwechselnd an. „Zum Beispiel könntest du aufhören, den Fragen auszuweichen und sie stattdessen einmal richtig beantworten.“ Vincents harter Tonfall ließ sie zusammen zucken. Das war nicht mehr Vincent, ihr Freund, sondern der Turk, der nach Antworten verlangte. Lucrecia legte ihm besänftigend eine Hand auf die Schulter, woraufhin er sich unmerklich entspannte. „Wir wollen doch nur helfen, Aireen“, meinte die Wissenschaftlerin sanft. „Aber das können wir nur, wenn du uns erzählst, was los ist.“ In dem Augenblick hätte Aireen ihnen am liebsten alles erzählt. Hojos Experimente und wie sehr diese sie mitnahmen, obwohl sie es sich nicht eingestehen wollte. Die Sorgen, die sie sich über die Zukunft machte und ihre Angst, was mit den beiden passieren würde. Ihre Ungewissheit, was sie tun sollte. Sie wollten ihnen erzählen, dass sie nicht von dieser Welt stammte, die ihr noch immer fremd und bedrohlich erschien, und dass sie befürchtete, nie wieder nach hause zurück kehren zu können. Sie war kurz davor, ihnen all das zu erzählen, was sich in den letzten Monaten in ihr aufgestaut hatte, einfach nur, um die schreckliche Last ihres Wissens mit jemanden zu teilen. Aber sie tat es nicht. Stattdessen atmete sie einmal tief durch und rang sich ein, wie sie hoffte, beruhigendes Lächeln ab. „Es ist alles in Ordnung, wirklich“, versicherte sie nun schon zum dritten Mal. Da sie allerdings wusste, dass die beiden nicht locker lassen würden, bevor sie nicht wenigstens eine halbwegs einleuchtende Erklärung abgegeben hatte, entschloss sie sich dazu, die halbe Wahrheit zu erzählen. „In letzter Zeit bin ich einfach viel beschäftigt: allmorgendliches Training, die üblichen Hausarbeiten, Kochen, seit kurzem die regelmäßigen Treffen mit Sunry... Das ist zwar manchmal anstrengend und ermüdend, aber das heißt nicht, dass ich keine Freude daran habe.“ Lucrecia schien mehr oder weniger zufrieden mit ihrer Erklärung, aber Vincent wirkte nicht sonderlich überzeugt. „Und Heimweh?“ Nach kurzem Zögern nickte sie. „Ein bisschen. Aber meistens habe ich keine Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Und dafür bin ich äußerst dankbar.“ Er sah noch immer recht skeptisch aus, ließ es dann aber auf sich beruhen. Lucrecia lächelte sie an. „Wenn du irgendwann Hilfe brauchst, zögere nicht, uns zu fragen, okay?“ Aireen nickte dankbar, auch wenn sie wusste, dass sie das nie tun würde. Aber es war trotzdem schön zu wissen, dass sich die beiden um sie sorgten. Das erleichterte es ihr, die Quälerei Hojos zu ertragen, während sie sich überlegte, wie sie ihre Freunde vor ihrem schweren Schicksal retten konnte. Dann waren die Nudeln fertig und sie aßen zum größten Teil schweigend zu Mittag. Schließlich kehrten Vincent und Lucrecia zum Labor zurück, und Aireen deckte den Tisch ab und machte sich an den Abwasch. Während sie noch einmal über das Gespräch nachdachte, fasste sie einen Entschluss. 'Schluss mit verdrängen. Ich muss mich endlich mit der Zukunft auseinander setzen und entschieden, was die beste Vorgehensweise ist, um Lu und Vinc zu retten, ohne dass das ganze in einer Katastrophe endet.' Mit einem konkreten Ziel vor Augen fühlte sie sich gleich besser und stürzte sich mit neuer Energie in die Arbeit. --------------------------------------------------------------------------------- Obwohl Aireens Erklärung durchaus glaubwürdig schien, war Vincent doch skeptisch. Er hatte sie während dem Gespräch genau beobachtet, und war zu dem Schluss gekommen, dass sie ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Sie hatte es vermieden, ihn anzusehen und sich stattdessen auf Lucrecia konzentriert und ihre Haltung war alles andere als entspannt gewesen, auch wenn sie sich redlich Mühe gegeben hatte, sich nichts anmerken zu lassen. Zudem hatten ihre Antworten einen Tick zu lange auf sich warten gelassen und sie hatte überdurchschnittlich oft geblinzelt. Wenngleich es ihn unglaublich frustrierte, kam er trotzdem nicht umhin, sie für ihre schauspielerische Leistung zu bewundern. Ohne seine Ausbildung, die ihn gelehrt hatte, auf solche Details zu achten, wäre es ihm sicher entgangen. Lucrecia hatte sie mühelos täuschen können, weshalb sie sich wohl auch auf die Wissenschaftlerin konzentriert hatte. 'Raffiniert. Vielleicht würde sie sich doch gut als Turk machen.' Vincent schüttelte den Kopf. Als ob eine nicht schon genug wäre, bereiteten ihm nun schon zwei Frauen Kopfzerbrechen. 'Das kann ja noch heiter werden.' --------------------------------------------------------------------------------- „Schmeckt es nicht?“ Sunrys Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie hörte auf, in ihrem Essen herumzustochern und lächelte ihn entschuldigend an. „Doch, es ist wirklich gut.“ Er blickte sie skeptisch an und sie spürte, wie sich ihr schlechtes Gewissen meldete. Sie hatte sich schon seit langem auf den Abend mit Sunry gefreut, und nun verdarb sie ihn sich, indem sie ihren Gedanken nach hing anstatt ihre gemeinsame Zeit zu genießen. „Tut mir Leid. Ich hab' wohl nicht wirklich Hunger...“ Er lächelte aufmunternd. „Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen.“ Sie nickte, dann stocherte sie wieder in ihrem Essen rum. Sunry musterte sie besorgt. „Fühlst du dich nicht wohl? Du siehst etwas blass aus.“ Sie lächelte schwach. „Nur etwas müde.“ Sein Gesicht verfinsterte sich merklich. „Hat der Turk es wieder mit dem Training übertrieben?“ Ihm gefiel die Idee, dass Aireen im Kämpfen unterrichtet wurde, ganz und gar nicht. Das lag vor allem daran, dass er sich um sie sorgte und nicht wollte, dass sie sich verletzte. Außerdem gefiel es ihm, dass er sie beschützen konnte. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wir haben sogar früher als üblich aufgehört. Ich habe einfach nur einen schlechten Tag.“ Er schwieg, aber sein Blick sprach Bände: sie hatte ziemlich häufig schlechte Tage. Da sie aber keine Lust auf eine weitere solche Diskussion hatte, nachdem sie schon heute Mittag eine gehabt hatte, wechselte sie das Thema. „Was hast du denn so gemacht? Die Restore-Materia endlich gemastert?“ Er hatte ihren Versuch, das Thema zu wechseln, zwar durchschaut, ging aber trotzdem darauf ein. Immerhin kannte er seine Freundin inzwischen gut genug um zu wissen, dass es unmöglich war, mit ihr über etwas zu reden, wenn sie das nicht wollte. Sie konnte ganz schön stur sein. „Nein, sie ist noch immer nicht so weit. Die Monster der Umgebung geben viel weniger AP ab als die in den Nibelbergen“, meinte er und blickte sie vorwurfsvoll an. Schließlich war sie es gewesen, die nach dem Vorfall mit dem Turk solange auf ihn eingeredet hatte, bis er ihr versprochen hatte, die Berge in nächster Zeit zu meiden. Sie seufzte. Das würde er ihr noch lange vorwerfen. Aber so musste sie sich wenigstens um ihn keine Sorgen machen. Zumindest vorerst. Seit ihrem Entschluss, sich über ihre Zukunft klar zu werden und einen Plan zu schmieden, wie sie ihre Freunde retten konnte, hatte sie sich darüber den Kopf zerbrochen, wie sie dies am Besten anstellen konnte. Bisher war sie allerdings noch zu keinem befriedigendem Resultat gekommen. Es war auch recht schwer, sämtliche Faktoren mit einzuberechnen. Schließlich wollte sie nicht riskieren, ihre Freunde zu retten, wenn ihre Entscheidung dann zum Untergang der Welt führen würde. „Aireen?“ Und wieder war sie in Gedanken abgeschweift. Verlegen sah sie ihn an. „Langweile ich dich denn so sehr?“, fragte er grinsend und sie senkte beschämt die Augen. „Tut mir-“ „Hör auf, dich zu entschuldigen. Es gibt keinen Grund dazu.“ Sie nickte. Das war es, was sie so sehr an ihm mochte. Obwohl er ein richtiger Sunnyboy war und normalerweise so gut wie nichts ernst nahm, war er durchaus verständnisvoll, wenn es die Situation verlangte. „Komm, ich bring dich zurück.“ Er bezahlte und sie verließen das kleine und einzige Restaurant Nibelheims und sie machten sich auf den Rückweg zur Villa. Er legte ihr einen Arm um die Schultern und sie schmiegte sich an seine Seite. Sie redeten nicht, aber das war auch nicht nötig. Sie genossen den Augenblick, die Anwesenheit des jeweils Anderen. Worte störten da nur. Dann standen sie vor der Villa und Aireen blickte ihn lächelnd an. Er sah hinreißend aus, mit seinen fröhlichen, braunen Augen und dem widerspenstigen blonden Haar, das unkontrolliert in alle Richtungen wucherte. Grinsend strich er ihr eine Locke aus dem Gesicht. Dann küsste er sie, sanft und liebevoll, und ließ sie ihre Sorgen für einen unendlich langen, kurzen Augenblick vergessen. „Wir sehen uns.“ Er zwinkerte ihr zu. „Schlaf schön, Prinzessin.“ Sie grinste. „Bis bald, oh edler Ritter.“ Sie betrat die Villa und ging schnurstracks zu ihrem Zimmer, wo sie sich erschöpft auf ihr Bett fallen ließ. Und augenblicklich einschlief. --------------------------------------------------------------------------------- Zwei Teller mit Omelett in den Händen balancierend ging Vincent zum Salon, wo Lucrecia schon auf der Couch saß und auf ihn wartete und reichte ihr einen Teller. „Guten Appetit.“ Sie lächelte, er setzte sich neben sie und sie begannen zu essen. „Köstlich. Es ist eindeutig schon zu lange her, dass du dein berühmtes Omelett gemacht hast“, meinte Lucrecia nach den ersten paar Bissen und Vincent lächelte flüchtig. Es war Aireens Idee gewesen, die ihn dazu gedrängt hatte, einen schönen Abend mit der Wissenschaftlerin zu verbringen. Er musste gestehen, dass es ihm gefiel, neben ihr auf der Couch zu sitzen, vor einem knisternden Kaminfeuer, das er aufgrund der im Salon herrschenden Kälte angezündet hatte. Als beide fertig waren, räumte er die Teller schnell weg und kehrte dann zurück an die Seite Lucrecias. Die Stimmung war locker und sie plauderten lange, wobei es meist sie war, die redete, und er, der zuhörte. Aber das war ihm nur recht. Er lauschte gerne ihrer sanften Stimme und ihr gelegentliches Lachen ließ sein Herz höher schlagen. Es war schon recht spät und beide schwiegen, aber es war eine angenehme Stille. Irgendwann legte Lucrecia ihm den Kopf auf die Schulter, was ihn gleichzeitig nervös und glücklich machte. „Schöner Abend. Danke, Vincent“, murmelte sie mit geschlossenen Augen. Sein Herz raste, als er ihr zögerlich einen Arm um die Schultern legte, aber Lucrecia schmiegte sich daraufhin nur fester an seine Seite. Irgendwann schlief sie ein, aber er wagte es nicht, sie zu wecken, den vertrauten Moment zu zerstören. Vorsichtig stand er auf und hob sie behutsam hoch, um sie anschließend vorsichtig zu ihrem Schlafzimmer zu tragen. Dort legte er sie auf ihr Bett und zog, nach kurzem Zögern, ihr die Schuhe aus. Dann deckte er sie noch zu, darauf bedacht, dass ihr nicht kalt wurde. Schließlich trat er einen Schritt zurück und betrachtete sie. Sie sah wie ein Engel aus, als sie so friedlich da lag und schlief, ein kleines Lächeln auf den Lippen. Nach einer Weile riss er sich von dem Anblick los und kehrte in sein Zimmer zurück, wo er sich auf sein Bett fallen ließ. Erst jetzt bemerkte er, dass er die ganze Zeit über gelächelt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)