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Das Feuer Eos

...Hamburg, 1890...
von

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25. August 1890
 

Es war früher Morgen, als Bela aus seiner Kammer auf einen der zahlreichen Korridore des Botschafterwohnsitzes trat. Draußen kündigte die aufgehende Sonne einen weiteren strahlenden Tag an, doch in ihm tobte die Finsternis. Niemals hätte er sich Lord Farin anvertrauen dürfen, schalt er sich, er hatte doch gewusst, dass dem jungen Lord sein albernes Ehrgefühl über alles ging, trotz – oder vielleicht gerade wegen – seines unausstehlichem Baronen-Vaters. Niemals durften einen Dieb seine Gefühle übermannen, wollte er nicht den Schutzmantel der Nacht verlieren.
 

Bela gestattete sich keinen Moment lang die Furcht, dass der Botschafter ihn verraten würde. Ihre im Erblühen ergriffene Beziehung schien definitiv erloschen, wie ein schlampig angelegtes Kaminfeuer, das man, wenn es erst einmal aus war, unmöglich wieder erzünden konnte. Und doch, er konnte einfach nicht glauben, dass Jon ihn willentlich ins Gefängnis schicken würde – oder vielleicht wollte er es einfach nicht glauben.

So würde er sich denn vorerst der täglichen Routine widmen, als wäre nichts gewesen – und baldmöglichst seine Kündigung schreiben. Natürlich, Rodrigo und er hatten ausgemacht, dass er zumindest drei weitere Monate für den Botschafter arbeiten sollte, doch würde González es schon verstehen, wenn er sagte, dass er die Sicherheit seiner falschen Identität, die wie ein Deckmantel über ihm lag, nicht weiter garantieren konnte. Begeistert wäre der Chilene sicher nicht, dachte Bela, aber eigentlich konnte keinerlei Spur zu ihm führen, nicht einmal Samuels Kutscher-Unternehmen war in irgendeiner Weise offiziell mit Rodrigo González verknüpft.
 

Ja, dachte er, es würde das Beste sein, Gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sich so bald wie möglich aus dem Staub machen, weg von diesem ganzen Affenzirkus, seiner „Verlobten“, den hysterischen Crowleys, und ganz besonders weit weg von Lord Farin.

Er schüttelte den Kopf darüber, wie weh es tat, noch verstärkt davon, dass auch ein sehr körperlicher, ziehender Schmerz ihn konstant an Jon erinnerte. Er verfolgt mich buchstäblich bei jedem Schritt dachte er, und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Er machte sich auf, aus dem Haus zu treten, um einen Eimer frisches Brunnenwasser für Jons morgendliche Rasur zu holen, obwohl er nicht wusste, wie er diesen seltsam intimen Akt mit Jon an diesem Tage hinter sich bringen sollte. Schon wieder so ein schmerzender Gedanke an gestern, dachte er fahrig, passend zu meinem schmerzenden Hintern, haha.

Er zwang die Gedanken aus seinem Kopf, versuchte, sich die endlosen Geldstapel goldener Münzen vorzustellen, die er, piratengleich, in einer Kiste bei Rodrigo abholen würde. Er könnte in dem Geld baden, oder sich ein Schiff davon kaufen, und wie Long John Silver um die Welt segeln, sich um nichts und niemanden, außer sich selbst, scherend.
 

Long John Silver. Die Schatzinsel. Farin.

Gott, er fehlt mir, dachte er, jetzt schon.

So sehr, dass er sich nahezu lächelnd und mit klopfendem Herzen umwandte, als eine Hand ihn an der Schuler griff, in der halb ängstlichen, halb freudigen Erwartung, dass es Lord Farin sein würde, der mit ihm sprechen wollte.

„Dirk Nestor,“ sagte Kommissar Kirch, der schweigsame Kollege des Oberkommissars von Wied. „Sie stehen unter dem Verdacht des Raubes und sind festgenommen.“
 

Bela war so perplex, so verletzt, so versteinert im Innern, dass er sich willenlos die Handschellen umlegen und abführen ließ.
 

In der Eingangshalle standen Lord Farin im Morgenmantel, Katharina und Ames, völlig bekleidet aber mit wilden Haaren, Mary, die eilig ihren Mantel über ihrem Nachthemd zu schließen trachtete. Der halbe Haushalt schien versammelt, in verschiedenen Stadien des Erstaunens, Entsetzens, Nichtverstehens begriffen. Sogar die zahlreichen Gemälde streng dreinsehender Herrschaften, die die Wände bedeckten, schienen ein wenig perplex zu sein. Nur die Crowleys standen nicht dort, zum Glück, das hätte ihm noch gefehlt, dachte Bela, während er an seinen – Freunden? Kollegen? Mitteln zum Zweck? – vorbeigeführt wurde.
 

Katharinas Tränen tropften lautlos auf den weißen Marmor der Eingangshalle, Bela sah schnell weg, konnte sich nicht auch noch mit ihren Gefühlen auseinandersetzen. Sein Blick blieb an Farin hängen, er konnte nichts dafür, ein Dolch wurde in sein Herz gerammt und langsam gedreht, während er in diese versteinerten Gesichtszüge blickte.

Er fühlte sich seltsam gelöst von seinen Gefühlen, von der ganzen Situation. Seine Stiefel klackten scharf auf den teuren Steinen, während die Schuhe der ihn abführenden Polizisten – Kommissar Kirch und einer seiner dämlich dreinschauenden Spießgesellen, eher zu flüstern schienen. Ein bisschen Melodramatik könnte nicht schaden, dachte Bela, schließlich brach gerade sein gesamtes Lügengebilde über seinem Kopf zusammen, und fast musste er lachen über die Absurdität seiner eigenen Gedanken. Dennoch überlegte er kurz, ob er schreiend oder weinend auf Farin losstürzen und ihm den Dolch, den er immer, auch jetzt noch, im Stiefel trug, in sein kaltes Herz rammen sollte – Handschellen hin oder her.

Er tat nichts dergleichen, stattdessen senkte er den Blick und flüsterte den Marmorplatten ein fassungsloses „Nein... nicht Jon“, ob dieses ungeheuerlichen Verrates, zu.
 

Die Wut kam aus dem Nirgendwo; gerade hatte er noch gedacht, er hätte keinen Gefühle mehr in sich und nun riss sie ihn mit sich, wie die Flutwellen, die ab und an die norddeutsche Küste heimsuchten. Wut war besser als Schmerz, befand er, stürzte sich mitten hinen. Jon war es gewesen, musste es gewesen sein, der ihn verraten hatte – dabei hätte er, Bela, noch gestern sein Leben für ihn gegeben. Aber nicht so. Ehre hin oder her, er hatte ihm vertraut, sein Leben in seine Hände gelegt, und Farin trampelte mit Füßen darauf herum. Er war von sich selbst erstaunt, als seine eigene Stimme in seinen Ohren widerhallte, lauter und verzweifelter als er sie hatte klingen lassen wollen.
 

„Ich hasse dich, Jon Farin!“
 

Lord Farin sah ihn kurz an, über seinem Gesicht lag eine in langen Jahren perfektionierte Maske der Arroganz, doch in seinen Augen meinte Bela kurz eine Regung des tiefen Schmerzes sehen zu können.

Romantischer Unsinn, dachte er kurz darauf, als Farins Stimme an seine Ohren drang, so bitter kalt.

„Schaffen Sie ihn fort aus meinem Haus, Herr Kommissar.“
 

- TBC -
 

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Amerkungen: Danke fürs Lesen. Heute keine Geschichtsstunde - im nächsten Kapitel dann wieder, das gibt's nachher. :)



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Kokuren2
2008-10-02T07:00:12+00:00 02.10.2008 09:00
TT___________TT *gegen die wand renn, immer wieder* neiiiiiiiin >________________________________< das kann jon nicht gemacht habeeeeen!!!! wieso? ;_; >.<!!! ich würde mehr schreiben aber ich muss weiterlesen x___x
*jon das gesicht zerkratz*>.< blöde maskerade da>.<

ich find belas gedankengänge süß......und durchaus nachvollziehbar. sehr gut gemacht!
lg, caro
Von:  YouKnowNothing
2008-09-27T17:58:57+00:00 27.09.2008 19:58
kurz, aber extrem gut.
In der kürze liegt die würze, nicht?

ganz diesem spruch folgend werde ich mich auch gleich verabschieden... ich muss weiter lesen! *___*

LG Sharingan-Moerder
Von: abgemeldet
2008-09-26T12:32:28+00:00 26.09.2008 14:32
nein... das geht doch nicht...
mich trifft der schlag.
das hätte ich NIE gedacht.
*durchschnauf* superspannend und super in der schreibweise.
ich stürze mich sofort in's nächste kapitel!
liebe grüße,
prinzessin
Von: abgemeldet
2008-09-25T19:11:20+00:00 25.09.2008 21:11
Buhuuuu... wie kannst du nur... Buhuhuuuuuu *heul*

Neeeiiiiin.... *noch mehr heul*

=(((((

*gleich weiterlesen muss*


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