Prolog
1.5.1890
„Sie kommt hierher, nach Hamburg.“
Der Chilene beugte sich vor. „Diese Chance darfst du nicht verpassen. Du weißt, wie viel Geld unser Auftraggeber uns geboten hat.“
„Ach ja, der geheimnisvolle Sammler, der uns Unsummen versprochen hat, dessen Namen du selbst mir aber nicht nennen willst.“
Der Dieb lehnte lässig in seinem Sessel und hatte die Beine auf dem teuren viktorianischen Beistelltisch verschränkt, den González von seinen Freunden aus London bekommen hatte.
Er blickte nachdenklich in das Kaminfeuer und richtete schließlich seinen Blick auf seinen Arbeitgeber, der ihm erwartungsvoll entgegen sah.
„Na schön,“ sagte er. „Ich werde ihn stehlen, deinen wertvollen Diamanten. Und wenn es nur ist, um den reichen und schönen Lords und Ladys eins auszuwischen.“
González lachte erleichtert. „Ich wette, niemand versteht es besser als du, der hochwohlgeborenen und bislang allzu sorgenfreien Lady Crowley den Schrecken ihres Lebens zu besorgen, Bela.“
Der Angesprochene hob eine Augenbraue und verzog seinen Mund zu einem schiefen Grinsen. „Keine Sorge, ich bin nur hinter ihrem Schmuck her. Und davon sollte sie, auch nachdem ich ihr das ‚Feuer Eos’ gestohlen habe, noch genug übrig haben.“
Rod schenkte ihnen beiden von seinem doppelt gelagertem Cognac ein.
„Das will ich wohl meinen. Trinken wir auf deinen Erfolg?“
„Gern.“ Der Dieb nahm die Füße vom Tisch, richtete sich auf und hob sein Glas. „Ein Toast darauf, den hohen Damen und Herren das Tragen ihrer schweren Taschen zu erleichtern. Gold und Diamanten sind ziemlich schwer, da ist es doch nur recht und billig, wenn wir ihnen ihre Last ein bisschen erleichtern und auf unsere eigenen Taschen verteilen.“
Sie stießen an und nippten am teuren Brandy.
„Du hast es schon immer verstanden, es dir gut gehen zu lassen, alter Freund,“ sagte Bela. „Das ist verdammt gutes Zeug.“
Rodrigo González, der ungekrönte König der Hamburger Unterwelt, lächelte mild. „Ich bin sicher, mein Lieferant würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn er wüsste, dass du seinen Vieille Réserve als ‚verdammt gutes Zeug’ bezeichnest.“
Bela hielt sein Glas in das flackernde Licht des Kamins und betrachtete zufrieden das golden schimmernde Getränk. „Ich trinke auf dich. Auf González, den geschmackssicheren Brandyexperten. Den jüngsten Strippenzieher der kriminellen Unterwelt, den diese Stadt je erlebt hat. Den Denker hinter drei der größten Schmuckdiebstähle, die die Hamburger Polizei niemals aufzuklären die Ehre hatte.“
Rodrigo unterbrauch ihn lachend. „Genug, genug, bitte. Es ist mir ein Vergnügen, mit dem größten Dieb und Fassadenkletterer des ausgehenden Jahrhunderts Geschäfte zu machen. Das wolltest du doch hören, oder...?“