Kristallherz von abgemeldet (... *Autor hüllt sich in geheimnisvolles (?) Schweigen* XD) ================================================================================ Kapitel 5: Chapter 5 -------------------- „Was ist los mit dir, Azrael?!?“, verlangte Jeanne zu wissen. Sie überbrückte die wenigen Meter zwischen ihnen mit ein paar schnellen Schritten und ergriff seine Hand. Doch der Seraph sah weg und versuchte ihre Hand abzuschütteln. „Lass mich los, Jeanne“, erwiderte er ausdruckslos. Es klang fast ein wenig resigniert und traurig. Doch sie dachte nicht einmal daran ihn loszulassen. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden und es begann dunkel zu werden. Sie hatten die Kuppel direkt nach dem Vorfall verlassen und waren nun auf dem Weg zurück in ihr Haus. „SIE MICH GEFÄLLIGST AN UND SAG MIR, WAS IN GOTTES NAMEN MIT DIR LOS IST!!!“, schrie sie ihn zornig an und ihre Fingernägel gruben sich in das Fleisch seines Armes, so tief, dass rotes Blut aus den Wunden sickerte. Doch Azrael war nicht einmal zusammengezuckt, und als er sprach blickte er sie noch immer nicht an. „Das würdest du nicht verstehen“, erwiderte der Engel ausdruckslos, doch nun war der traurige Unterton in seiner Stimme deutlicher herauszuhören. „Natürlich würde ich das nicht“, erwiderte die junge Frau traurig, „schließlich erzählst du mir ja nie etwas von dem, was dich bedrückt.“ Auch wenn sich Jeanne in diesem Augenblick dafür hasste, stiegen ihr erneut Tränen in die Augen. Auch wenn es nur vereinzelte waren. Die meisten ihrer Tränen hatte sie vorhin vergossen. Nun waren kaum noch welche übrig. Nun wandte sich der Blick des Seraphen doch ihr zu und in den bernsteinfarbenen Augen blitzte erneut diese Mischung aus unterschiedlichen Gefühlen auf. Ein Mix aus Trauer, Kälte, Schmerz, Härte, Enttäuschung und noch so unendlich vielen anderen Dingen. Als er jedoch sie anblickte, gewann die Trauer in seinen Augen die Oberhand. „Die Angelegenheiten eines Seraphen verlangen von ihm Vieles und zwingen ihn oftmals Dinge zu tun, die er nicht möchte oder danach bereut. – Außerdem könnte ich es mir niemals verzeihen, sollte dir wegen mir etwas zustoßen“, antwortete er ihr, diesmal wieder in einem sanften, väterlichen Tonfall. Doch der Ausdruck in seinen Augen änderte sich nicht. Zwar standen nun vor allem Trauer und Schmerz in ihnen, doch die Kälte und Schärfe war nicht verschwunden. Die Antwort stellte Jeanne nicht zufrieden, doch sie ahnte, dass es alles war, was er dazu sagen würde. Außerdem wusste sie, dass es dem Seraphen mit diesen Worten ernst war. Sie entsprachen der Wahrheit, auch wenn sie nicht ganz sicher war, ob sie selbst sie richtig verstand. Dennoch reichte es vollkommen um ihre Trauer noch weiter in die Höhe zu treiben und ihr erneut ein schlechtes Gewissen zu geben. Sie wollte ihm ihre Hilfe anbieten, doch sie tat es nicht. Sie fürchtete sich vor seiner Antwort – und dem Blick, der daraufhin in seinen Augen stehen würde. Jeanne löste den Griff um die Hand ihres Freundes und ihre Hand glitt nach unten, wobei sie das seraphische Blut verschmierte. Er seufzte tief und ein wenig resigniert. „Was war eigentlich so schlimm daran mich mit Flügeln zu sehen?“, wollte sie dann wissen, um ein wenig vom Thema abzulenken. Zu spät bemerkte sie, dass das, was sie damit angeschnitten hatte, nicht gerade besser war. Sie verfluchte sich selbst dafür, als sie den Ausdruck in den bernsteinfarbenen Augen des Engels sah, doch nun waren die Worte schon ausgesprochen und es war zu spät, um sie noch einmal zurückzunehmen. Er sah sie einen Augenblick lang scharf und durchdringend an. Dann seufzte er. „Tu das bitte nie wieder“, bat er sie nach einer kurzen Pause traurig. Sie setzte zu einer Erwiderung an, doch Azrael kam ihr zuvor. Er schien zu ahnen, dass sie nachfragen würde, und ergriff deshalb zuerst die Initiative. Sein Blick wandte sich von ihr ab und fixierte die blasse, leuchtende Silberscheibe des Mondes, die bereits am Himmel zu sehen war, als er sprach. „Die Schatten der Nacht verbergen die Dinge vor den Augen vieler, doch manche sehen es dennoch“, meinte er traurig. Jeanne hatte nicht die geringste Ahnung, was er mit diesen Worten meinte. Auf was er anspielte, und wer ihn dabei bemerkt haben sollte. Doch erneut fragte sie nicht näher nach. Er würde doch sowieso nicht erklären, was seine Worte bedeuteten. „Und seinem Schatten kann man nicht davonlaufen“, fügte er nach einer kurzen Pause noch mit einem traurigen Lächeln auf den Zügen hinzu. Was sollte nun das schon wieder? Sie verstand immer weniger, was der Engel mit seinen Worten meinte. „Du klingst so, als hättest du etwas getan, das nicht rechtens war“, stellte Jeanne fest und sie war nicht in der Lage den leicht ängstlichen Unterton komplett aus ihrer Stimme zu verbannen. War der Mann, dem sie so lange vertraut hatte etwa letzten Endes ein elendiger Mörder und Vergewaltiger, der es auf sie abgesehen hatte...? Sie schüttelte energisch den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Das war nun wirklich mehr als lächerlich. Zum einen war er ein Engel – deswegen war er schon rein per Definition einer von den Guten. Und zweitens, wäre es ihm an ihrem Tod gelegen, oder hätte er sie vergewaltigen wollen, hätte er das sicher schon längst getan. „Wer kann schon sagen, was Recht ist und was nicht?“, erwiderte er bedauernd, „ein Mord, der begangen wird, um das Leben eines anderen zu schützen, ist ein Mord – doch war es richtig oder falsch?“ „Natürlich ist es richtig“, erwiderte Jeanne aus voller Überzeugung. Azrael sah sie an, tief und durchdringend. „Wird die Mutter des Getöteten es genauso sehen?“, spann der Engel die Überlegung traurig weiter. Die junge Frau zögerte einen Augenblick und dachte nach. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein“, erwiderte sie dann traurig, „für sie wird der Verlust ihres Kindes ein schwerer Schlag. Für sie wird es nicht richtig sein, dass ihr Kind getötet wurde – selbst wenn es geschah um einen anderen zu retten.“ Der Seraph nickte. „Und der Bruder des Getöteten wird Rache für seinen gefallenes Familienmitglied fordern und versuchen den Tod seines Bruders zu rächen“, führte er die Überlegung noch weiter, „es wird also zu noch mehr Blutvergießen führen. – War es also richtig zu töten, um ein anderes Leben zu retten?“ Jeanne seufzte bedauernd. „Ich weiß es nicht“, erklärte sie schließlich resigniert. Erneut nickte der Engel. „Und so ist es mit allem, was wir tun. – Niemand kann sagen, ob es Recht ist oder Unrecht, denn für jeden ist etwas anderes richtig und etwas anderes falsch“, erklärte er und diesmal klang noch tieferes Bedauern in seinen Worten mit, als er es schon die gesamte Zeit über hatte verlauten lassen. „Wenn man es von dieser Seite betrachtet ist also alles falsch, was wir tun, denn egal was es ist – es wird immer jemanden geben, der dadurch zu Schaden kommt“, stellte sie traurig fest. „Traurig, aber wahr“, stimmte er ihr leise und bedauernd zu. „Und das gilt selbst für euch Seraphen?“, wollte Jeanne wissen. Erneut hätte sie sich dafür ohrfeigen können, dass sie diese Frage stellte, doch sie war ihr über die Lippen gekommen, noch bevor sie überhaupt deren Existenz richtig bemerkt hatte. Und natürlich nahm der Ausdruck auf Azraels Gesicht sofort eine gewisse Bitterkeit an. Sie war sich eigentlich sicher, dass er einfach so tun würde, als hätte er die Frage einfach überhört, doch zu ihrer großen Überraschung erwiderte er erneut etwas. „Eigentlich natürlich – doch manche dieser großartigen Rasse denken, man hätte sie mit der Gabe der Unfehlbarkeit ausgestattet“, meinte er nun eindeutig zynisch. Diesen Worten folgte ein bitteres, sarkastisches Lachen. Irgendetwas schien mit dem Engel eindeutig nicht in Ordnung. Azrael hat mir zu diesem Thema noch nie so sehr Rede und Antwort gestanden wie jetzt, stellte sie etwas besorgt fest. Wenn er nicht noch immer diesen seltsamen, kühlen und harten, mit Trauer, Bedauern und Pein gemischten Ausdruck in den Augen gehabt hätte, wäre Jeanne durchaus versucht gewesen ihn im Scherz zu fragen, ob denn das Ende der Welt nahe sei, dass er ihr so viel preisgab, wo er doch sonst zu diesem Thema nie den Mund aufbekam. Doch der Seraph schien im Moment nun wirklich nicht zu Scherzen aufgelegt – und erneut fragte sie sich, was nur mit ihrem himmlischen Mitbewohner nicht stimmen mochte. Was seine rätselhaften Worte vorhin zu bedeuten hatten. Ob er am Ende wohl doch will, dass ich ihn verstehe?, fragte sie sich und schlechtes Gewissen regte sich in ihr, weil sie ihren geflügelten Freund so bedrängt hatte. Aber schließlich will ich ihm nur helfen und ihn endlich verstehen, rechtfertigte sie es sofort vor sich selbst. „Aber was soll das – ich möchte dir nicht die Illusion der glorreichen, perfekten und rechtschaffenden Engel nehmen“, entschied er dann ein wenig bitter und erneut klang Bedauern und Trauer in seiner Stimme mit. Irgendwie fachten diese Worte das Feuer des Zorns in Jeanne erneut an. „Verkriech dich halt in dein Selbstmitleid“, knurrte sie wütend, „geh in deine Ecke und bedauere dich selbst!“ Ihre Worte taten ihr sofort leid und ihre Wut verrauchte schlagartig, wie eine Explosion, die genauso schnell geht, wie sie gekommen ist. „Entschuldigung“, murmelte sie mit schlechtem Gewissen und blickte zu Boden. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen zwischen den beiden. In der Stille hörte man die Geräusche der Siedlung, die so vielfach durch die Dämmerung schallten, ohne dass jemand tatsächlich auf sie achten würde. „Für die Wahrheit muss man sich nicht rechtfertigen“, beschied er hart und kühl, wobei auch diesmal ein leicht bedauernder Unterton in seinen Worten lag. Jeanne zuckte unter der Schärfe dieser Worte unwillkürlich zusammen, auch wenn die Härte nicht ihr, sondern dem Seraphen selbst galt. „Eigentlich müsste ich mich bei dir entschuldigen. Ich habe dich heute so behandelt, als hättest du mir etwas angetan, doch dabei wolltest du mir die ganze Zeit über nur helfen“, fügte er dann noch wenig begeistert an. Der erste Teil seiner Worte war erneut wie ein Schlag gegen sich selbst, unter dem jedoch auch erneut Jeanne unwillkürlich zusammenzuckte. Den zweiten Teil seiner kurzen Rede hatte er wieder etwas sanfter, jedoch voll von schlechtem Gewissen vorgetragen. „Kein Problem“, erwiderte sie mit einem leichten Lächeln und bemühte sich möglichst unverfänglich zu klingen, „ich war heute morgen auch nicht unbedingt allzu nett zu dir. – Aber morgen kannst du ja alles wieder gut machen, wenn es das ist, was du möchtest.“ Erneut wandte sich Azraels Blick ihr zu. „Ja... Morgen...“, erwiderte er geistesabwesend und mit einem undefinierbaren Tonfall, der die junge Frau jedoch erschaudern ließ. Bevor sie sich aber noch mehr Gedanken darüber machen konnte, erreichten sie das kleine Haus, in dem sie gemeinsam wohnten. Sie machte sich an der schweren Eingangstür zu schaffen und öffnete sie nach wenigen Augenblicken. Hinter der Holztür war es dunkel und sie schuf eine kleine Lichtkugel, die zur Decke schwebte und den ganzen Gang in sanftes Licht tauchte. Der Engel lächelte undefinierbar und trat hinter ihr in das Haus. Daraufhin schloss er die schwere Tür hinter sich. Er streckte sich und nahm die Sense vom Rücken, die er den ganzen Tag über mit sich durch die Gegend getragen hatte. Jedoch ließ er die Hand noch am Stiel der gewaltigen Waffe ruhen. Seine blasse Haut bildete einen starken Kontrast zu dem schwarzen Siegelband. Jeanne holte eine Kerze und beschwor ein winziges Flämmchen, das den Docht in Brand steckte und daraufhin wieder verschwand. Sie stellte die Kerze auf den Boden. „Ich glaube ich werde jetzt zu Bett gehen“, teilte sie dem Seraphen leise mit. Aus irgendeinem Grund zuckte er bei ihren Worten leicht zusammen. Dann wandte sich sein Blick ihr zu und er nickte. „Vielleicht solltest du auch bald schlafen gehen. Ein wenig Ruhe könnte dir ganz gut tun“, schlug sie ihm leise vor. Doch der Engel machte keine Anstalten zu antworten, sondern schien tief in Gedanken versunken zu sein. So zuckte Jeanne nur die Achseln, streckte sich und ging mitsamt ihrer kleinen Lichtkugel zum Abort und wenige Minuten später in das kleine Schlafzimmer. Das Bett ihres geflügelten Mitbewohners war noch leer – vermutlich war er noch immer bei seiner Waffe. Doch sie war zu müde, um sich darüber noch allzu viele Gedanken zu machen. Jetzt, wo sie ihr Bett vor sich sah, wurde ihr auf einmal klar, wie müde sie überhaupt war. Sie gähnte ausgiebig und warf einen kurzen Blick auf den Stuhl, vor dem noch immer ihr weißes Nachthemd lag. Sie gähnte noch einmal und noch ausgiebiger und beschloss, heute lieber in ihrer Tageskleidung zu schlafen, denn sie war sicher, im Stehen einzuschlafen, sollte sie gezwungen sein, sich vorher noch umzuziehen. Jeanne legte sich auf ihr Bett und bettete ihren Kopf auf das Kissen. Kaum hatte ihr Kopf das weiche Kissen berührt, verlosch die Lichtkugel und die junge Frau schlief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)