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Taste of love

von

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Encounter

Chapter One: Encounter
 

„RAUS!!!!!!!!“
 

Hiroto schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich zu ducken, bevor eine Haarbürste nur Millimeter über seinem Kopf hinwegsauste und mit einem lauten Knall auf dem Asphalt hinter ihm landete.

„Verschwinde aus meiner Wohnung, du undankbarer, egoistischer IDIOT!!! Ich will dich nie wieder sehen!“ Yuji schleuderte eins von Hirotos T-Shirts nach diesem und funkelte ihn mit dem Blick einer Furie an.

„Das ist nicht deine Wohn—“, wollte der etwas Kleinere protestieren, musste aber erstmal wieder in Deckung gehen, als der Andere einen Koffer zur Tür rauskickte.

„Halt den Mund!!!!!! Ich HASSE dich!!!!!!!!!!!!“, brüllte Yuji wütend und sammelte den Rest vom Zeug seines Freundes auf, um diesen mit einem (mehr oder minder) gezielten Wurf darunter zu begraben.

„Yuji, jetzt warte doch mal…—“

„Ich hab’s satt!!!! Lass dich hier nie mehr blicken!! Verstanden?!?!!“

Mit diesen Worten knallte der junge Mann Hiroto schwungvoll die Tür vor der Nase zu und ließ ihn allein draußen stehen.
 

Der Blonde blinzelte und fuhr sich seufzend durch die Haare.

'Na klasse…jetzt werde ich von meinem Freund aus meiner eigenen Wohnung geschmissen! Scheiße…'

Niedergeschlagen begann er, die Sachen, die Yuji ihm freundlicherweise ‚mitgegeben’ hatte, aufzuheben und in den Koffer zu werfen, während am Himmel dunkle Regenwolken aufzogen.
 

Nach wenigen Minuten spürte Hiroto die ersten kalten Tropfen auf seinem Kopf.
 

***
 

„Ein Einzelzimmer für den Herrn, sehr gerne“, lächelte die Empfangsdame des kleinen, aber gefragten Hotels ihn an und trug etwas in ihren Computer ein. „Wie lange wünschen Sie bei uns zu residieren?“

Hiroto sah sich unschlüssig im Foyer um.

„Ich…weiß noch nicht genau“, meinte er dann. „Für eine unbestimmte Zeit. Ist das ein Problem?“

„Nein, keineswegs! Alles was Sie wünschen, Ogata-san“, antwortete die Frau unverwüstlich freundlich.

„Arigatou.“ Hiroto nickte ihr etwas unbehaglich zu. Er mochte es nicht sonderlich, so förmlich angesprochen zu werden – dann kam er sich immer wie ein alter Mann vor, obwohl er erst 18 war.

Jedoch schien ein gewisser Kontostand die Menschen wie durch Zauberhand dazu zu bringen, einen mit so viel Respekt zu behandeln, wie man zu entlohnen in der Lage war.

Es konnte durchaus nützlich sein, einen erfolgreichen Geschäftsmann als Vater zu haben und ein paar unbeschränkte Kreditkarten zu besitzen. Leider stieß man damit auch immer unweigerlich auf aufgesetzte Freundlichkeit und Arschkriecherei…aber was soll man machen.
 

Hiroto checkte vollends ein und begab sich auf sein Zimmer. Es war wirklich hübsch und edel eingerichtet, so wie man es von diesem Hotel hörte.

Aber das alles interessierte den Jungen eher wenig – erschöpft ließ er sich aufs Bett fallen und brauchte nicht lange zu überlegen, womit er sich in der nächsten, absehbaren Zeitspanne beschäftigen würde: Nämlich die Minibar ausbeuten und in Liebeskummer versinken.
 

***
 

Fast genau 24 Stunden (und einen Kater) später entschied Hiroto, dass er einen Versuch wagen konnte, Yuji anzurufen. Schließlich konnte der Kerl ja nicht lebenslang auf ihn wütend sein. Er hatte ihn ja nur mal eben rausgeworfen…sowas kam doch in den besten Beziehungen vor, oder?

Außerdem konnte er nicht glauben, dass Yuji das alles ernst gemeint haben sollte. Und er wollte sich wieder mit ihm vertragen…!

Entschlossen (und sogar ein wenig optimistischer als vorher) wählte er seine eigene Hausnummer.
 

„Hallo?“

„Hey, Yuji…leg bitte nicht auf, ja?“

Am anderen Ende der Leitung widerstand dieser nur schwer dem Drang, genau das zu tun.

„Was willst du?! Hab ich nicht gesagt, ich will nichts mehr von dir wissen?“, kam es Hiroto kalt entgegen.

„Yuji, bitte…beruhige dich doch ein bisschen“, flehte der Blonde und sein Optimismus begann zu bröckeln. „Ich will mich nicht mit dir streiten. Können wir nicht normal miteinander reden?“

„Nein, können wir nicht! Ich bin’s einfach leid, Hiroto!“ Yuji klang jetzt leicht hysterisch.

Was bist du leid?“

„DICH, verdammt! Ich brauch Ruhe, verstehst du?! Und jetzt hör auf, mich anzurufen oder sonst irgendwie kontaktieren zu wollen!!! Sayounara!!!!“
 

Klick. Und das Gespräch war beendet.

Hiroto verharrte reglos mit dem Hörer am Ohr, als hoffte er, das Freizeichen würde sich plötzlich wieder in Yujis Stimme verwandeln, doch das tat es erstaunlicherweise nicht. Es fühlte sich eher an, als würde sich seine Brust mit jedem Tuten stärker und schmerzhafter zusammenziehen und ihm die Atemluft rauben.

Er legte den Hörer zurück und vergrub sein Gesicht in dem nach Parfum duftenden Kissen. Nach einigen Sekunden sprang er vom Bett auf, zog sich hastig Schuhe und Jacke an und verließ das Hotel.
 

***
 

Draußen regnete es wieder. Hiroto seufzte, aber die Tatsache, dass er keinen Regenschirm mitgenommen hatte, überraschte ihn nicht besonders – wenn man schon eine Pechsträne hatte, dann aber bitte richtig.

Er überquerte eine Straße und blieb unter einem alten Baum mit dichtem Geäst stehen. Während er die Arme verkreuzte, um sich ein wenig zu wärmen, betrachtete er die Plakate und Anzeigen an einem Werbepfosten neben sich.

Eine davon lautete: „Colors – Erotic.Club (G)“ Darunter standen Adresse und Telefonnummer, sonst nichts. Keine Bilder oder Werbesprüche oder dergleichen.

‚Hm...komisch...’

Hiroto hatte keine Ahnung, warum er die Anzeige komisch fand, ebenso wenig wie er nicht wusste, weshalb er so was überhaupt las. Er konnte seine Zeit auch mit anderen Dingen verschwenden. Na ja...im Moment fiel ihm nichts ein. Sonst wäre er mit Yuji irgendwo hingegangen...
 

Der Blonde verengte die Augen und beobachtete eine Weile die Autos, die teilnahmslos die graue, verregnete Straße entlang fuhren. Niemand hier kümmerte sich um die Sorgen eines Anderen. So war nun mal die Großstadt – jeder für sich selbst verantwortlich. Und im Moment, da war er sich sicher, gab es nicht einen einzigen Menschen in dieser Stadt, der an ihn dachte.

Nach einem kurzen Ringen mit sich selbst sah sich Hiroto verstohlen um und vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war. (Ein sinnloses Unternehmen...wer ging bei dem Hundewetter schon raus?)

Dann riss er die Anzeige ab und stampfte im Regen davon.
 

***
 

„Kohara-kun!!! Was ist mit der Bestellung von Tisch sieben?!“

„Kommt sofort...! Einen Moment noch...“

Eilig schnappte Shou sich das Tablett mit den Getränken und lieferte es an besagten Tisch aus, nicht ohne dabei fast zu stolpern. Zum Glück hatte er die Sache mit der Balance schon seit einiger Zeit raus.

„Bitte sehr. Wir hoffen, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit!“ Er setzte sein einnehmendstes Lächeln auf und verbeugte sich vor den Gästen, ein junges Paar, wie er vermutete.

„Ja, danke“, nickte die Frau und Shou entfernte sich in Richtung Küche.
 

Die Arbeit im Restaurant machte dem 19-Jähirgen Spaß, trotz der ab und zu ‚schwierigen’ Besucher. Er wischte gerade ein paar Teller trocken, als der Chef-Koch auf ihn und einen Arbeitskollegen etwa im gleichen Alter zusteuerte.

Shou fragte sich etwas nervös, ob dieser mal wieder was zu meckern hatte, aber diesmal sollte nichts Derartiges der Fall sein.

„Jungs!“, begann der Mann und klatschte sich in die Hände. „Heute Abend scheint nicht mehr sehr viel los zu sein im Laden, also habe ich beschlossen, dass ihr heute früher Schluss machen dürft.“

„Oh, das ist wirklich sehr nett von Ihnen, Sensei“, meinte der andere Jugendliche und lächelte den Chef schmeichelnd an. „Vielen Dank!“

Shou sagte nichts, sondern nickte einfach nur und verbeugte sich leicht. Ihm kam das weder passend, noch unpassend. Er sah auf die Uhr und stellte fest, das er nicht mehr genug Zeit hatte, um mit der U-Bahn nach Hause und wieder zurück zu pendeln, es aber auch noch ganze zweieinhalb Stunden bis zu seinem nächsten Job waren.

Nachdem er sich umgezogen und die Kellner-Uniform in seinem Schließfach deponiert hatte, beschloss er, trotzdem schon ins Colors zu gehen, da er nichts anderes zu tun hatte. Vielleicht konnte er ja noch ein bisschen mit Masato quatschen...wenn dieser natürlich nicht gerade beschäftigt war.
 

***
 

Fröstelnd schüttelte Shou seinen Regenschirm aus und stellte ihn in den Schirmständer in der Umkleide, wonach er sich umsah. Zu seiner Enttäuschung schien Masato nicht da zu sein, stattdessen befanden sich Aoi und Takeru im Raum.
 

„Shou...Schnucki!!!“ Letzterer kam fröhlich auf ihn zugestürmt und fing an, ihn zu knuddeln. „Was machst du denn schon so früh hier?“

„Ich...aua, Takeru, lass los...!...hatte heute früher aus im Restaurant...“

Mit einem letzten Haare-Durchwuscheln ließ das wasserstoffblonde Energiebündel von ihm ab und widmete sich wieder einem bunten Etwas aus Stoff, an dem er gerade rumgeschnitten hatte.

„Hat Masato schon angefangen?“, wandte sich Shou an Aoi.

Dieser betrachtete erst eingehend seine frisch gefeilten Fingernägel, bevor er zum Brünetten aufsah.

„Hm...soweit ich weiß, hat er grad einen Kunden empfangen“, erklärte er beiläufig und fing an, die Nägel zu lackieren. „Takeru und ich sind auch bald dran.“
 

Shou runzelte die Stirn und wunderte sich, warum sonst niemand von der Truppe da war. Normalerweise kamen die meisten Kunden erst später gegen 23 Uhr...

„Aoi-chaaaan...? Darf ich dir die Nägel lackieren?“, bettelte Takeru.

„NEIN. Chiyu ist auch bei der Arbeit und der Rest ist beim Chef“, fügte der Schwarzhaarige hinzu, als hätte er Shous Gedanken gelesen.

Der „Rest“ bestand übrigens aus genau zwei weiteren jungen Männern, Ruki und Uruha. Was den ersten anging, konnte sich Shou vorstellen, warum er zum Chef bestellt worden war, bei Uruha musste es irgendeine Kleinigkeit sein...

„Och mennoooo...! Du bist sooo gemein, Aoi!!!“

„Ich geh mal in die Bar“, zuckte Shou mit den Schultern.

Da niemand antwortete, verließ er das Zimmer und stieg die Treppe runter ins Untergeschoss, wo er auf die Theke und den sich dahinter befindenden Barkeeper zusteuerte.
 

***
 

Hiroto biss sich zögernd auf die Unterlippe. Sollte er da wirklich reingehen? Er trat von einem Fuß auf den anderen und beäugte misstrauisch das in sieben Farben leuchtende Schild vor dem Eingang des Clubs.

‚Colors...wie einfallsreich’, dachte er spöttisch.

Nachdem der Blonde circa zehn Minuten vor der Tür vor und zurück getigert war, wurde der Regen so stark, dass er praktisch keine andere Wahl hatte, als das Lokal zu betreten, wenn er sich nicht den Tod durch Ertrinken holen wollte.
 

Drinnen schlug ihm sofort eine angenehme Wärme entgegen und er blieb für einen Moment stehen und schloss erleichtert die Augen. Als er sie wieder aufmachte, überraschte ihn der Anblick, der sich ihm bot.

Der Empfangsbereich (oder wie auch immer man das in dieser Szene nannte) war mit rotem Teppichboden, einigen Pflanzen (wie konnten die hier überleben?) und mehreren abstrakten Bildern an den Wänden versehen. Wandleuchten verteilten gleichmäßiges, orangefarbenes Licht im Raum, eine Deckenbeleuchtung gab es nicht. Es gab ein paar Polstermöbel an der Wand, die gegenüber einem Tresen lag.

Zugegeben, Hiroto hatte sich einen Sexclub anders vorgestellt...auf jeden Fall ungemütlicher. Andererseits, warum sollte ein Sexclub ungemütlich sein, wenn man die Gäste zum Bleiben bewegen wollte...? Tatsache war natürlich, dass er einfach keine Ahnung von so was hatte und es sich deswegen wohl auch nicht leisten konnte, darüber zu urteilen.
 

Langsam näherte er sich dem Tresen, wo seiner Vermutung nach wohl in nächster Zeit jemand auftauchen sollte, um ihn zu...empfangen?, bedienen? Wie auch immer.
 

Als er gerade daran dachte, ob er doch nicht lieber wieder verschwinden sollte, solange ihn noch niemand gesehen hatte, trat hinter einem Vorhang neben dem Tresen ein hoch gewachsener, schlanker Mann mit langem, dunkelbraunem Haar hervor und kam auf ihn zu. Eine blonde Strähne durchzog seine seidige, gepflegte Haarpracht, die ein geradezu unheimlich perfektes Gesicht umrahmte.

„Guten Abend“, grüßte er Hiroto und lächelte ihn umwerfend an, während er sich lässig über den Tisch zu ihm lehnte.

„Wie kann ich dienen?“

„Ähm…“ Hiroto versuchte, sein Gegenüber nicht zu auffällig anzustarren und fummelte am Reißverschluss seiner Jacke herum.

„Nur keine falsche Scheu, Süßer“, grinste der Langhaarige. „Aber ich sehe, ich muss dir wohl ein bisschen auf die Sprünge helfen. Hm…mal schauen…“ Er fing an, in einem Block herumzublättern. „Hast du eine Zeit vereinbart?“

Überrascht stellte der Kleinere fest, dass er ausnahmsweise nicht förmlich angesprochen wurde. Er schüttelte zögernd den Kopf.

„Hmm… Das ist aber nicht gut…heute ist so viel los…!“ Der Typ fuhr sich langsam mit dem Daumen über die Lippen und schien nachzudenken, als plötzlich ein zweiter, kleinerer, mit hellblonden Haaren durch den Vorhang hüpfte und ihn buchstäblich vor Hirotos Augen ansprang.
 

„Saga-sama!!!! Da sind Sie ja!!!!“, rief er ihm ins Ohr, was diesen dazu veranlasste, die Augen zusammenzukneifen.

„Takeru!!! Hör sofort auf, mich zu belagern! Siehst du nicht, dass ich gerade mit einem Kunden rede?!“, gab Saga ärgerlich von sich, woraufhin der Blonde von ihm abließ und einen Schmollmund machte.

„Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Shou-kun gerade angekommen ist“, meldete er dann und strahlte wieder von einer Sekunde auf die andere.

Saga hob eine Augenbraue. „Jetzt schon? Seine Schicht fängt erst in zwei Stunden an…“

Dann hatte er eine Idee. Er drehte Hiroto, der die ganze Zeit etwas verloren dagestanden hatte, den Rücken zu und redete leise auf Takeru ein. Dieser nickte kurz und verschwand.

„Beeil dich, ja?“, rief Saga ihm nach und wandte sich wieder an seinen Kunden.

„So…wenn du Glück hast, können wir für dich ein paar Stunden freimachen. Aber ansonsten wäre es besser, davor anzurufen“, meinte er und zwinkerte ihm zu.

„Hmm…“, kommentierte Hiroto. ‚Was tue ich eigentlich hier…? Vielleicht sollte ich gehen, jetzt wo es noch nicht zu spät ist…’ Aber irgendetwas hielt ihn zurück. Ob es Neugier war…? Wahrscheinlich.
 

***
 

„…kommt einfach jeden Abend her?“ Shou schielte rüber zu einem aufgeregt dreinblickenden Brünetten, der einige Meter entfernt von ihnen an der Theke saß.

„Jepp“, nickte der Barkeeper und schenkte für einen der Gäste einen Whiskey ein.

„Hm, komisch…“

„Shou…! Hey, Shouuuu!!!“, rief jemand hinter seinem Rücken. Er sah seinen Gesprächspartner flehend an. „Sag mir bitte, dass das nicht Takeru ist.“

„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen“, lachte dieser und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.

„Shou-kun, der Chef schickt mich! Ich soll dich fragen, ob du bereit wärst, ein paar Extrastunden einzulegen und wenn ja, dann soll ich dich sofort in dein Zimmer schicken und wieder zurücklaufen und ihm Bescheid sagen“, sprudelte Takeru sofort und ohne Pause los, kaum dass er ihm gegenüberstand.

„Wow, wow…ganz langsam!“ Shou hob eine Hand in die Luft. „Jetzt?“

„Ja, sofort!!!“

„Na…also…okay“, willigte der Braunhaarige schließlich ein. Ein wenig mehr Geld konnte er zurzeit wirklich gebrauchen. Und da er sowieso nichts zu tun hatte…

„Alles klar!“, grinste Takeru. „Du musst in fünf Minuten fertig sein! Room orange.“

Shou verabschiedete sich vom Barkeeper. „Bis dann, Tora! Vielleicht sehen wir uns heute noch!“

„Vielleicht. Bye.“
 

***
 

Nachdem das ‚Geschäftliche’, wie Saga es genannt hatte, geregelt war, wurde Hiroto von diesem hyperaktiven, blonden Jungen – er konnte seiner Schätzung nach kaum älter als 16, 17 sein – ins Obergeschoss geführt und dort durch noch ein paar Gänge (allesamt mit rotem Teppichboden, was hier Standart zu sein schien), bis sie vor einem der Zimmer Halt machten, neben dem ein orangenes Kärtchen steckte.

Takeru klopfte zweimal, wartete dann ein paar Sekunden und schenkte Hiroto ein freches Grinsen.

„Viel Vergnügen“, kicherte er, öffnete die Tür einen Spalt breit und eilte davon.
 

Langsam drückte Hiroto die Tür auf und das erste, was ihm ins Auge fiel, war das helle, silbrige Licht des Mondes, das durchs Fenster in der rechten Wand des Zimmers fiel. Von der gegenüberliegenden Wand schien das Licht der Wandlampe mit seinem warmen Orange-Ton dagegen anzukämpfen, was dem Raum etwas nahezu Magisches verlieh.

Hirotos Blick wanderte zum Bett – darauf saß ein junger Mann mit übereinander geschlagenen Beinen und sah ihn lächelnd an, den Kopf leicht zur Seite geneigt.

„Hi...ich bin Shou“, sagte er leise und drehte den Körper etwas in seine Richtung.

Hiroto spürte, wie seine Knie fast nachgaben. Es fühlte sich nicht richtig an, hier zu sein. Aber er konnte weder vor, noch zurück; seine Beine wollten sich nicht rühren.

Während er wie erstarrt dastand, konnte er die Augen nicht von der Erscheinung Shous losreißen. Der Braunhaarige war ohne Zweifel schön und begehrenswert – war ja auch kein Wunder, wenn man bedachte, wo er arbeitete. Der schlanke, perfekt geformte Körper war in einen dunkelroten Samtmantel gehüllt, und Hiroto wagte gar nicht daran zu denken, was (oder ob überhaupt etwas) er da drunter trug.
 

Inzwischen hatte Shou begriffen, dass wohl seine Initiative gefragt war und er erhob sich elegant vom Bett und näherte sich dem Anderen. Er konnte dessen Nervosität fast fühlen, was er innerlich höchst amüsant fand. Jemanden, der so unsicher an die Sache ranging, hatte er schon lange nicht mehr erlebt.

„Du Ärmster bist ja ganz durchnässt…! Da muss ich dich wohl wärmen“, meinte er leise.

Er betrachtete seinen Kunden kurz von oben bis unten – nicht schlecht, musste er zugeben – und ergriff seine Hand.

„Du bist das erste Mal hier, oder?“, fragte er und sah ihn verführerisch an.

Hiroto schluckte, gefesselt von den großen, schönen Augen seines Gegenübers.

„Keine Angst...“, hauchte Shou ihm heiß ins Ohr und zog ihn mit sich zum Bett, wo er sich dicht neben ihn setzte. „Ich zeig dir alles, was du willst.“

Hiroto schloss nur für eine Sekunde die Augen, um sich zu sammeln, als er Shous warme Lippen an seinem Hals spürte...
 

***to be continued***

First Night

danke für die kommis^^

jez gehts weiter <3 (und tut mir leid, wenn ich gewisse erwartungen vorerst nich erfülle :P)
 


 

Chapter 2: First Night
 

„Ahh...Aoi...hhng…!“

Uruha krallte seine Hände schmerzhaft in die Schultern des Schwarzhaarigen, als dieser immer heftiger in ihn stieß und gab ein lustgetränktes Stöhnen von sich.

Mit einem Ächzen erreichte Aoi seinen Höhepunkt und trieb auch seinen Freund den Bruchteil einer Sekunde später zum Orgasmus. Noch einen Augenblick verweilten die beiden Körper im Einklang miteinander, dann trennten sie sich. Er zog Uruha an sich, während er sich schwer atmend auf den Rücken rollte.

„Ich liebe den Sex mit dir“, grinste der Dunkelblonde ihn an.

„Ich weiß“, grinste Aoi zurück.

Dann wurde Uruhas Gesichtsausdruck ernster und er hob den Kopf etwas an, um direkt in die Augen des Anderen blicken zu können.

„Aoi...ich liebe dich“, flüsterte er.

„Ich dich auch, Süßer“, antwortete Aoi lässig und küsste ihn auf die Stirn. „Aber wir müssen gleich wieder zurück. Sonst mault Saga-sama wieder rum...“

„Hm...“ Uruha nickte.

Sie blieben noch ein paar Minuten liegen, zogen sich dann an und kehrten in den Umkleideraum zurück, wo außer Ruki niemand zugegen war.
 

„Seid ihr beiden endlich fertig mit euren Spielchen?“, knurrte der kleinste, aber zweifellos schlagfertigste Angestellte des Colors.

„Und du? Hast du nichts zu tun, Ruki?“, fragte Aoi herausfordernd zurück. „Oder hat der Chef dich mal wieder früher ‚entlassen’ heute?“

Ruki verschränkte die Arme vor der Brust und schnalzte mit der Zunge.

„Tse! Nur weil ich dieses Arschloch von einem Kunden in seine Schranken gewiesen hab! Ich weiß überhaupt nicht, was sein Problem ist!“

„Ach, Ruki...“ Uruha schüttelte tadelnd den Kopf.

„Ach, Ruki!“, äffte dieser ihn nach. „Du kannst mich mal!“

„Pass auf, sonst tut er’s noch“, feixte Aoi und handelte sich einen pikierten Blick von Uruha ein.

„Genügend Übung hat er ja, dank dir“, erwiderte Ruki in einem gemeinen Ton und sprang von seinem Stuhl auf. Er schnappte sich seine Jacke und stolzierte mit (so weit es ging) großen Schritten aus dem Raum.

Aoi warf einen Blick auf Uruha, der beleidigt den Kopf auf einen Arm stützte.

„Hey, Uru...das war doch nicht so gemeint...“
 

***
 

Shou legte einen Arm um Hirotos Taille und drehte ihn zu sich, wobei er den schwachen Widerstand missachtete. Langsam glitten seine Finger unter dessen T-Shirt und entlockten dem Jüngeren ein Seufzen.

Lippen und Zunge des Braunhaarigen prickelten auf Hirotos Haut als sie seinen Nacken hinabwanderten und benebelten seinen Verstand. Wie konnte er die Berührungen eines Fremden so genießen...? Es war nicht real, es gab nichts zwischen ihnen...keine Gefühle, keine Gemeinsamkeiten, sie kannten sich nicht einmal! Und trotzdem war er im Begriff, etwas zu tun, was er nur mit jemandem tun würde, den er liebte...

Shou drückte ihn sanft in die weichen Kissen und zog ihm das Oberteil aus. Er fing an, seine glatte Brust zu streicheln und zu küssen, während er die Beine auf beiden Seiten um Hirotos Hüften herum platzierte.

Etwas, was er mit Yuji tun würde...

Der Gedanke an seinen ehemaligen Mitbewohner brachte Hiroto zurück in die Realität. Was tat er da...? Er betrog seinen Freund mit...mit jemandem, den er vor fünf Minuten das erste Mal gesehen hatte...!

Andererseits...konnte ihm das nicht egal sein, nach dem, was Yuji gesagt hatte? Nach dem, wie er ihn behandelt hatte?

Er hatte gesagt, er wolle nichts mehr von ihm wissen...

Yuji...warum...?
 

Shou spürte eine Veränderung an der Haltung des Anderen. Unter seinen Händen spannte sich Hirotos Bauch an und der schmächtige Körper begann, kaum merklich zu zittern. Als er aufsah, liefen stumme Tränen die Wangen des Kleineren herab und er hatte die Augen in einem leidvollen Gesichtsausdruck zusammengekniffen.

Erschrocken stemmte Shou die Arme auf die Matratze und rutsche hoch. Im ersten Moment wusste er nicht, was er tun sollte – so was gehörte normalerweise nicht zum Alltag und er hatte keine Ahnung, wie man mit offensichtlich…verzweifelten Kunden umging.

Er biss sich auf die Unterlippe. Ahnung hin oder her, er konnte doch nicht tatenlos rumsitzen. (Oder liegen...) Vorsichtig beugte er sich über Hiroto und wischte mit einer Hand über seine Wangen.

„Hey...was ist denn...?“

Der Blonde gab ein leises Schluchzen von sich. „Er hasst mich...“, brachte er mit erstickter Stimme hervor.

„Wer?“

„...Yuji!“

~Wer auch immer Yuji ist~ dachte Shou, fragte aber nicht weiter nach. Er vermutete, dass es sein Freund war, dachte aber, dass es besser war, jemanden einfach reden zu lassen, wenn derjenige sich in solch einer heiklen Verfassung befand.
 

Er verlagerte sich geschickt auf die Seite neben Hiroto und strich ihm übers Haar. Das Sinnvollste, was er jetzt tun konnte, schien ihm den Jungen zu trösten. Dieser drehte sich zu ihm und vergrub sein Gesicht schutzsuchend in Shous Halsbeuge.

„Er hat gesagt, er will mich nie wiedersehen...“, nuschelte er und der Größere hatte Schwierigkeiten, ihn zu verstehen.

„Habt ihr euch gestritten?“

„Er hat von einem Tag auf den anderen gemeint, dass er genug von mir hat“, sagte Hiroto und seine Stimme hörte sich brüchig an. „Und dann...“

Shou wartete geduldig auf die Fortsetzung des Satzes und wischte die neuen Tränen aus dessen Gesicht.

„...dann hat er mich aus meiner Wohnung gejagt…“

„Was...?“

„...einfach so...!“

Hirotos Augen brannten, genauso wie es tief in seiner Brust brannte. Es war zum Heulen...was er ja auch gerade tat. Und das vor einem völlig Fremden...aber das hatte er ja schon alles gehabt. Vielleicht war es diese gewisse Anonymität, die es ihm so leicht machte, Shou sein Herz auszuschütten.
 

„Er tritt mich mit Füßen...und ich liebe ihn...ich Idiot...“ Je unerträglicher es wurde, zu sprechen, desto enger drückte er sich an den warmen Körper neben ihm, als könne er dadurch Mut sammeln, um weiterzumachen.

„...aber ich bin doch auch nicht besser! Kaum gibt es Probleme, laufe ich feige in den nächstbesten Sexclub, um meinen Frust abzubauen...! Er hat Recht, mich zu verabscheuen...“

Shou konnte sich nicht erklären warum, aber es war als würde er einen Teil des Schmerzes, der ihm aus den Worten des Blonden entgegenschlug, selbst empfinden. Er schloss die Arme enger um den bebenden Leib und wiegte ihn sanft hin und her.

„Weißt du,...“

„Hiroto.“

Shou runzelte die Stirn. „Was...?“

„Ich...ich heiße Hiroto. Nur falls du es wissen wolltest...“, murmelte dieser zwischen zwei Schluchzern.

~Hiroto…~ wiederholte Shou in Gedanken.

„Dieser Yuji...muss ziemlich blöd sein“, fuhr er dann fort. Er wusste, er sollte vorsichtiger sein – schließlich konnte er nicht abschätzen, wie Hiroto reagieren würde – aber er sagte es trotzdem.

„...w—warum?“, wollte der Jüngere wissen und sah mit geröteten Augen auf.

„Na weil er so was Dummes getan hat“, antwortete der Braunhaarige und verstrubbelte ihm sanft lächelnd das Haar. „Ich würde jemanden wie dich jedenfalls niemals rauswerfen.“

„Wirklich...?“

„Wirklich.“ Und er meinte es ehrlich. Obwohl er Hiroto heute Nacht das erste Mal begegnet war, wollte er ihn aus irgendeinem Grund beschützen.

„Danke...“ Der Blonde gab ein leises Seufzen von sich und schloss die Augen. Endlich schienen die Tränen versiegt zu sein – zumindest für den Augenblick.
 

***
 

Tora beobachtete unauffällig die Gäste in der Bar. Die meisten kamen entweder gerade aus dem Obergeschoss des Colors, wo sie bereits ihren Spaß mit Sagas Jungs gehabt hatten, oder sie betranken sich zuerst hier unten, um danach ins Vergnügen zu tauchen.

Es war eine seltene Gelegenheit, als Hetero so viele schwule – oder zumindest bisexuelle – Männer auf einmal zu sehen. Für Tora war es ein Job wie jeder andere, nur dass man hier eine andere Seite des Großstadtlebens zu Gesicht bekam.

Er hatte die Stelle im Übrigen nicht nur seinen Fähigkeiten als Barkeeper zu verdanken, sondern seiner Bekanntschaft mit einem der beiden Besitzer des Clubs.

Genau genommen war das Colors nur eine Unterabteilung eines größeren Erotikcenters, hauptsächlich für heterosexuelle Besucher. Saga, den anderen Besitzer, der diesen Teil leitete, hatte er erst bei seiner Einstellung kennen gelernt, da er vorher nicht gerade oft – um nicht zu sagen gar nicht – in der Szene verkehrt hatte.
 

Als Tora sich nach einem kurzen Untertauchen hinter der Theke auf der Suche nach einer Flasche wieder aufrichtete, sah er einen der Angestellten, einen hübschen Mann mit langem, caramelfarbenem Haar, auf ihn zuschlendern.

„Hey, Tora…“, seufzte er und hockte sich erschöpft auf einen der Stühle.

Der Schwarzhaarige legte der Kopf schief und fixierte ihn einen Moment lang.

„Besonders fit siehst du ja nicht gerade aus, Masato“, stellte er fest.

„Hm…“

„Anstrengender Kunde?“

„…was? Ach…nein…“ Masato strich sich zerstreut eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich hatte einen stressigen Tag, das ist alles. Hab auch kaum schlafen können in letzter Zeit.“

„Du solltest dir mal ’ne Nacht frei nehmen“, schlug Tora vor.

„Nett von dir, dass du dir Sorgen machst, aber ich fürchte das ist unmöglich. Saga-sama würde mich vierteilen. Wenn nicht noch Schlimmeres…“

Der Barkeeper zuckte mit den Schultern und schenkte ihm etwas zur ‚Aufmunterung’ ein.

„Danke. Hast du vielleicht Shou gesehen?“

„Ja, er war vorhin hier. Ist heute früher da gewesen, und Saga hat ihm gleich mal ein paar Überstunden aufgehalst.“

„Oh…okay.“ Masato trank sein Glas leer und stand auf. „Danke für den Drink, man sieht sich.“

„Bis dann. Und überanstreng dich nicht!“

Lächelnd winkte Masato ihm zu und verließ die Bar.
 

***
 

Hiroto war kurz danach eingeschlafen. In Gedanken versunken spielte Shou mit den inzwischen trockenen Haaren des Kleineren, der sich im Schlaf an ihn geklammert hatte.

~Das ist so ungewohnt…~ Er drehte seinen Kopf ein bisschen, um Hirotos Gesicht zu sehen. ~Wieso ist er hier, wenn er nicht…wenn er keinen Sex will?~

Okay, er hatte offensichtlich Liebeskummer…das konnte Shou verstehen. Auch dass er vielleicht aus Wut auf seinen Freund – oder Ex-Freund? – wie auch immer…hergekommen war.

Aber er hatte sich doch noch rechtzeitig stoppen können, oder…? Und dennoch….dennoch war er geblieben, anstatt zu gehen und so zu tun, als wäre ihm dieser Ausrutscher nie passiert. Das verwirrte den Braunhaarigen doch ein bisschen.
 

Dass sein junger Kunde schlief, gab ihm etwas seltene Zeit zum Ausruhen. Der vergangene Monat war einfach nur Stress pur gewesen…normalerweise musste er nicht immer morgens arbeiten, aber in den letzten Wochen hatte er jeden Tag im Pflegeheim aushelfen müssen. Manchmal wusste er selbst gar nicht, wie er die drei Jobs überhaupt schaffte.

Als Shou auf die Wanduhr sah, stellte er überrascht fest, dass die zwei Stunden fast um waren. Sie waren schneller als gewohnt vorbeigegangen…

Behutsam strich er Hiroto über die Wange.

„Hey…“

Der Jüngere regte sich und rieb sich benommen die Augen. „Hm…?“

„Du musst langsam aufwachen…die Zeit ist beinahe um“, erklärte Shou leise.

„Kannst du nicht…bei mir bleiben?“, fragte der Blonde schüchtern und schüttelte den Schlaf ab.

Shou richtete sich auf.

„Tut mir leid…aber ich…“ Warum hatte er auf einmal ein schlechtes Gewissen, Hiroto wegzuschicken? Das war schließlich sein Job. „Ich hab noch andere Kunden und…“

„Wenn es ums Geld geht, ich kann’s bezahlen!“, unterbrach der Kleinere ihn. „Ich kann sogar mehr zahlen, als deine weiteren Kunden! Bitte…“ Hiroto senkte den Blick, aber Shou konnte auch an seiner Stimme erkennen, dass er erneut mit den Tränen kämpfte.

„Bitte… ich will heute Nacht nicht allein sein…“

Shou dachte kurz nach. Dann fuhr er seinem Gegenüber durchs Haar und hob dessen Kinn hoch. „Warte hier. Ich bin gleich wieder da.“
 

***
 

„Eeeeeey!“ Takeru sah sich fassungslos in der Umkleide um, als er, mit einem Gast fertig, wieder zurückkam. „Ist Ruki-chan etwa schon weg???“

Masato hob den Kopf und ließ den Blick durch den außer ihnen beiden sonst leeren Raum schweifen.

„Ähm…sieht so aus, Takeru.“

In dem Moment kam Shou hektisch hereingelaufen und steuerte auf sie zu.

„Hey Masato…wie geht’s dir? Du siehst müde aus…“

„Nur ein wenig“, lächelte dieser ihm zur Begrüßung entgegen. „Bist du grad fertig? Ich hab dich schon gesucht…“

„Nein, tut mir leid. Eigentlich suche ich Saga-sama“, meinte Shou und sah sich unnötigerweise im Zimmer um. „Habt ihr eine Ahnung, wo er steckt? Ich kann ihn nirgends finden…!“

„Ich hab ihn noch vor einer Minute aufm Gang im zweiten Stock gesehn“, schaltete sich Takeru ein. „Aber sag mal, Shou-chan…wie läufst du denn rum?“

Der Braunhaarige sah reflexartig an sich herunter. Er hatte noch den Samtmantel an. Na und? „Grins nicht so frech, Takeru! Das geht dich nichts an. Und wehe ich finde ihn nicht!“, warnte er den Blonden noch, bevor er Masato kurz zuwinkte und verschwand.

„Hmmm…verdächtig“, feixte Takeru und warf Masato einen vielsagenden Blick zu. „Shou ist doch sonst so gut organisiert…“

Der Ältere rollte mit den Augen und seufzte. „Ich will gar nicht wissen, was du schon wieder denkst.“

Die Antwort darauf war ein leises Kichern und ein zu süßes Lächeln seitens des Blondschopfs, bevor er fröhlich aus dem Raum hüpfte.

~Wo kriegt Takeru nur immer diese ganze Energie her...?~ fragte sich Masato und lehnte seinen Kopf gegen die Wand. ~Manchmal beneide ich ihn. Und nicht nur das…~

Er selbst fühlte sich im Augenblick wie erdrückt. Und die einzige Person, von der gehofft hatte, dass sie ihm helfen konnte – nämlich Shou – war wieder auf und davon. Die Gespräche mit dem Braunhaarigen waren schon zur Gewohnheit geworden…nein mehr noch, sie beide waren zu wirklich guten Freunden geworden, seit Shou im Colors arbeitete. Vorher hatte Masato niemanden gehabt, dem er sich so anvertrauen konnte. Also standen die Dinge doch besser als früher, oder?

Dennoch…im Moment war er allein. So allein wie noch nie, hatte er das Gefühl.
 

***
 

„Saga-sama, na endlich!“

„Shou? Was ist los?“ Sein Chef betrachtete ihn einmal von oben bis unten. „Und warum hast du immer noch diesen Mantel—“

„Hören Sie zu! Dieser Kunde, den Sie vorhin zu mir geschickt haben…er würde die Zeit gern verlängern. Geht das?“

„Nein, das geht nicht, du hast heute einen vollen Terminpla—“

„Ja, aber er sagt, er kann mehr zahlen, als wir von allen anderen Kunden zusammen kriegen. Und…“

„Und…?“

Shou biss sich auf die Lippe. Dass er Hiroto persönlich als bessere Alternative sah, sollte er vielleicht lieber nicht erwähnen.

„Und das ist doch ein gutes Angebot, oder?“

Saga hob skeptisch eine Augenbraue. Das hörte sich irgendwie verdächtig an. Nicht die Tatsache, dass der junge Mann seine Zeit verlängern wollte – das gab es ab und zu immer mal – sondern wie Shou sich dafür einsetzte. Schließlich seufzte er und rollte mit den Augen.

„Meinetwegen. Dann muss ich heute eben für dich einspringen. Ich hoffe, es zahlt sich wirklich aus!“, sagte er nachdrücklich und ging mit anmutigen Schritten davon.

Shou warf innerlich triumphierend die Faust in die Höhe, machte sich aber ganz ruhig auf den Weg zurück in Room orange.
 

***
 

„Brrr! Brrr! Brrr!“

Der junge, brünette Mann fischte ungeschickt sein summendes Handy aus der Hosentasche und meldete sich.

„Wo bleibst du denn? Du wolltest vor einer halben Stunde hier sein!!! Beeil dich gefälligst!“

Wortlos nickte er und machte sich auf den Weg. Beim Rausgehen warf er einen letzten (und wie er hoffte unauffälligen) Blick auf den Typen hinter der Theke.
 

Tora beobachtete aus den Augenwinkeln heraus, wie der mysteriöse Mann die Bar verließ. Der hatte doch eben eindeutig in seine Richtung geschaut! Der Schwarzhaarige verengte misstrauisch die Augen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt…
 

***
 

Aoi klopfte an die Tür von Sagas Büro und wartete ungeduldig auf Antwort. Statt des erwarteten Gesichts öffnete ihm einer seiner Kollegen – Chiyu.

„Na? Gibt’s was Wichtiges?“, fragte er lakonisch.

„Ich will mit Saga-sama sprechen. Und ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte“, erwiderte Aoi leicht zickig. Chiyus überhebliches Auftreten störte ihn jedes Mal, wenn er ihn zu Gesicht bekam.

„Och…“ Sein Gegenüber spielte mit einer Haarsträhne und zog eine Schnute. „Er ist nicht da. Aber ich könnte es ihm ausrichten…weil ich nämlich solange auf ihn warte.“

„Dein dummes Grinsen kannst du dir sparen, Chiyu. Du brauchst deine Affären niemandem mehr auf die Nase zu binden, es weiß eh schon jeder“, meinte der Schwarzhaarige und sah auf ihn herab.

„Es gefällt mir nicht, wie du mit mir redest, Aoi-chan“, schnurrte dieser und trat ein Stück weit aus der Türe auf ihn zu. „Dabei mag ich dich doch…“

Sekundenbruchteile später fand sich Aoi an die Wand gepresst und von Chiyus Armen an der Flucht gehindert, aber er ließ sich kein bisschen davon beeindrucken – er wusste, dass er stärker war als sein Gegner.

„Und? Was hast du vor?“, lachte er spöttisch. „Mich zu einem deiner kleinen Abenteuer zu machen?“

„Willst du behaupten, dass du was dagegen hättest?“ Auf Chiyus Lippen erschien ein wissendes Lächeln, als Aoi ihn herumwirbelte und nun seinerseits an die Wand nagelte. „Gib doch zu, dass du mir gegenüber nicht abgeneigt bist“, fuhr er fort und näherte sich dessen Mund. „Wozu brauchst du diesen Langweiler Uruha? Er passt nicht zu dir…“

Aoi verharrte für einen Moment regungslos, stieß sich aber dann von ihm ab und stolzierte mit den Worten: „Netter Versuch, Süßer…“ davon.

„Wir werden sehen, Aoi. Wir beide sind uns ziemlich ähnlich, nicht?“ Mit einem streitlustigen Grinsen kehrte Chiyu zurück in Sagas Büro.
 

***
 

Hiroto saß in eine Decke eingewickelt auf der Bettkante und sah bestimmt schon zum zehnten Mal auf die Uhr, seit Shou weg war.

~Ich hätte ihn nicht bitten dürfen… Oh…Gott, was soll ich nur tun? Vielleicht war ich zu aufdringlich? Oder er hat mich vergessen…oder…~

Er biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte ein Gähnen, als die Türklinke runtergedrückt wurde und Erwähnter endlich zurückkam.

Etwas schüchtern blieb Hiroto sitzen und warf ihm einen fragenden Blick zu. Shou ging zu ihm und kniete sich lächelnd vor ihn neben das Bett.

„Alles klar“, meinte er dann zwinkernd.

Der Kleinere sah ihn mit großen Augen an. „Wirklich?“

„Japp.“

„Danke…!“ Glücklich sprang Hiroto auf und fiel ihm um den Hals, ohne so richtig zu realisieren, was er tat. Shou wurde vom Schwung nach hinten umgeworfen und landete mit dem Blonden auf sich auf dem Boden.

„Hey…!“, lachte er, „Vorsicht, Vorsicht! Ich will noch leben…“ Sein Kunde wurde rot und murmelte eine Entschuldigung, wobei er aber keine Anstalten machte, aufzustehen.

„Wirst du jetzt auf einmal doch noch zutraulicher?“, grinste Shou, bereute es aber sofort wieder, da Hiroto daraufhin zurückwich und sich wieder aufs Bett hockte. „Ich…“, zögerte er, „…ich will nur nicht allein sein. Das ist alles.“

Shou stützte sich auf und nickte. „Ich verstehe.“

~Alles?~
 

***
 

Yuji zappte gelangweilt durch das Fernsehprogramm und seufzte ab und zu. Ohne Hiroto war es doch langweilig… Vielleicht war er zu hart zu ihm gewesen? Aber was hätte er machen sollen? Er war ihm einfach zu anhänglich geworden! Und er hatte eben auch gern Mal seine eigenen Beziehungen…und Geheimnisse. Na und? Die hatte jeder, und er sah nicht ein, warum er Hiroto alles erzählen sollte.

Na ja, Fakt war jedenfalls, dass Hiroto ihm jetzt schon fehlte.

~Vielleicht sollte ich ihn anrufen… Oder doch lieber nicht. Er soll ruhig noch ein bisschen leiden, bevor ich ihn wieder aufnehme. Vielleicht läuft es dann besser.~

Ja, er würde noch etwas warten. Nur noch zwei Wochen oder so…
 

***to be continued***

Secrets

Wow, lange kein Update mehr <____< Dabei bin ich schon weiter mit der FF... *seufz*
 

Chapter 3: Secrets
 

Verdammt noch mal, Ruki! Wie oft soll ich dir das noch erklären, bis du es endlich in deinen Dickschädel kriegst?!“

Der Besitzer des Colors schlug wütend mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch und sein Angestellter zuckte kaum merklich mit den Augenlidern.

„Du bist nicht hier, um zu tun und zu lassen, was du willst! Sondern du bist verflucht noch mal hier um zu arbeiten, und wenn du deinen Job behalten willst, dann tu das gefälligst auch!!!“

„Aber Saga-sama, ich hab nicht—“

„Es ist mir egal, was du nicht hast!“, schnitt Saga ihm das Wort ab. „Du hast diese Woche schon den dritten Kunden verscheucht und ob du’s glaubst oder nicht, als Chef dieses Clubs bin ich daran interessiert, dass er gut läuft – was garantiert nicht so bleiben wird, wenn du so weiter machst!“

„Aber--...“

„Hast du eigentlich die leiseste Ahnung, wie schnell sich so was herumspricht? Bald werden sich die Gerüchte um dein unangebrachtes Verhalten in der ganzen Szene verbreitet haben und dann werden sich die Leute zweimal überlegen, ob sie überhaupt noch hierher kommen!“

Ruki ballte die Fäuste. Das Ganze war ihm jetzt echt zu blöd – der Mann hatte doch keinen Schimmer von gar nichts!

„Er hatte es doch verdient!“, platzte er heraus. „Sie hätten sehen sollen—“

„Zur Hölle mit deinem Urteil, Ruki.“ Sagas Stimme war jetzt wieder ruhig, jedoch bestimmend. „Du darfst einen Kunden nicht als gottverdammtes Arschloch beleidigen – selbst wenn er eins ist. Geht das in deinen Hohlschädel rein?“

„Ich...“

„Ich will nichts mehr hören.“ Rukis Chef hob eine Hand zum Zeichen für ihn, den Mund zu halten. „Und damit meine ich nichts. Auch keine weiteren Beschwerden über dein Rumgezicke oder dergleichen. Wenn du deine Tage hast, reagiert dich woanders ab!“ Er widmete sich einigen Unterlagen auf dem Tisch. „Und jetzt mach, dass du wegkommst.“

„Ja, Chef“, presste Ruki mit knirschenden Zähnen hervor und verließ das Büro.
 

***
 

Uruha packte gerade seine Sachen zusammen, als Ruki in die Umkleide stürmte und sich mit einem wütenden Knurren auf den nächstbesten Stuhl warf.

„Was fällt dem eigentlich ein, mich so herumzukommandieren?!? Ich bin doch nicht sein Sklave!!!“

Der Größere runzelte die Stirn und entschied dass es besser war, den Anderen in seinem derzeitigen Zustand nicht anzusprechen. Außerdem sollte Aoi gleich fertig sein...

Er stopfte noch einige Dinge in seine Tasche und wartete wortlos auf seinen Lover.

Stattdessen kam aber nach zehn Minuten Chiyu hereingerauscht und versprühte wie üblich etwas von seiner Arroganz, indem er erstmal Ruki abschätzend ansah (dieser wurde das Gefühl nicht los, dass Saga Recht hatte, was die Gerüchte anging) und sich dann Uruha zuwandte.

„Sag mal, Uru-channie...du wartest nicht zufällig auf deinen hübschen, schwarzhaarigen Freund?“, fragte er hämisch grinsend. „Ich glaube nämlich der hat dich vergessen! So unscheinbar wie du bist, wäre das ja kein Wunder...“
 

„Hast du nichts Besseres zu tun, als ständig andere Leute anzugiften? Wird dir nie langweilig?“

Chiyu drehte sich um und erblickte Masato, der gerade den Raum betreten hatte.

„Hmm...jetzt, wo du es sagst, Masato, ich hab noch eine Verabredung mit dem Chef! Hier ist mir zuweilen wirklich langweilig. Also, man sieht sich“, fügte er hochmütig hinzu und stolzierte aus dem Zimmer.

„Arschloch“, kommentierte Ruki mürrisch.

„Alles okay, Uruha?“, wollte Masato wissen und trat näher zu ihm.

Der Dunkelblonde wandte den Blick ab und meinte abweisend: „Ich brauche keine fremde Hilfe, um mich zu verteidigen! Das krieg ich schon allein hin!“

Masato seufzte und ließ ihn in Ruhe. Wer wusste schon, was der für Probleme haben konnte. Ruki sah auch nicht besonders gesprächig aus, also versuchte er sich solange etwas zu erholen, bis entweder Shou oder Takeru sich blicken ließen.
 

***
 

„Du, Tora-san...?“

Der schwarzhaarige Barkeeper konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er den jungen Blonden anschaute, der seine Arme auf die Theke stützte und den Kopf fragend zur Seite neigte.

„Warum die höfliche Anrede, Takeru?“, schmunzelte er. „Du bist doch sonst nicht so formell!“

„Ich wollt’s mal ausprobieren...aber ich glaub ich bleibe doch bei der einfacheren Version“, grinste dieser zurück. „Was ich fragen wollte...hast du eigentlich noch nicht bemerkt, dass dieser Typ da drüben“, er deutete mit dem Kopf unauffällig in Richtung eines gewissen Brünetten, „deinetwegen herkommt?“

„Doch, längst.“

„Wirklich??“ Takeru machte große Augen. „Aber du lässt dir nie was anmerken!“

Tora zuckte mit den Schultern. „Weil ich nicht auf Typen stehe.“

Sein Gegenüber machte einen gespielt beleidigten Gesichtsausdruck. „Nicht mal auf so süße, wie mich?“, feixte er dann.

Der Größere lachte. „Nein, tut mir leid, auch nicht auf solche.“

Takeru rollte mit den Augen und seufzte theatralisch. „Du bist so herzlos, Tora...!“

„Hast du nicht vorhin gemeint, dass du es eilig hast?“

„Ja, ja, ich geh ja schon!“, zog der Blonde eine Schnute. Er verabschiedete sich vom Barkeeper und hüpfte davon.
 

Tora warf einen Blick in Richtung des unbekannten Brünetten und bereute es gleich wieder als sich ihre Augen trafen. Er sah so beiläufig wie möglich wieder weg und konzentrierte sich auf seine Arbeit. ~Ich würde ihm nur falsche Hoffnungen machen, wenn ich ihn beachte...~
 

***
 

„Gibt es eigentlich Kunden...“, fragte Shou nachdenklich, als er mit Masato in einem nahegelegenen Imbiss Pause machte, „die ohne Sex zufrieden sind?“

Sein Freund runzelte die Stirn über die seltsame Frage. „Na ja...klar, manche wollen nicht bis zum Äußersten gehen, wegen der Sicherheit oder wegen moralischen Bedenken...“

Shou schüttelte den Kopf. „Nein, das meinte ich nicht. Gibt es welche, die einfach nur zum Reden herkommen?“

Masato überlegte und schien für einige Augenblicke abwesend zu sein. Schließlich antwortete er: „Kommt eher selten vor, denk ich. Wenn jemand reden will, ruft er die Seelsorge an oder so... Weshalb fragst du?“

„...Hmm... ...“

Einige Sekunden vergingen, aber mehr schien Shou nicht zu sagen zu haben.

„’Hmm’? Danke für diese ausführliche Antwort“, grinste Masato.

Der Braunhaarige versuchte sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. „Sorry…ich bin ein bisschen neben der Spur in letzter Zeit.“

„Das sehe ich. Willst du mir erzählen, was dich so beschäftigt?“, bot der Ältere an.

„Da ist so ein Kunde…“ Doch Shou schien schon wieder gedanklich abzuschweifen, sodass sich sein Gesprächspartner gezwungen sah, ihn zurückzuholen: „…der nur zum Reden kommt?“

„…ähm…ja.“

„Wie lange schon?“

„Seit einer Woche. Ich werd einfach nicht schlau aus ihm“, wurde geseufzt.

„Hm. Kommt er generell einfach ins Colors, oder nur speziell zu dir?“

„Ich denke…nein, ich weiß, dass er nur zu mir kommt.“

Masato hatte das komische Gefühl, dass Shou das mit einer Art Stolz in der Stimme gesagt hatte, aber er verscheute diesen Gedanken wieder.
 

„Also solange er bezahlt, wird Saga wohl zufrieden sein, und wenn dieser Typ auch damit zufrieden ist, dann umso besser für dich“, zuckte er mit den Schultern.

Shou sah allerdings nicht ganz so erleichtert angesichts dieser Tatsache aus, sondern wirkte vielmehr irgendwie zerstreut. Er biss sich auf die Unterlippe und starrte wortlos die Tischplatte an.

„Oder?“, fragte Masato noch mal nach. „Ich meine…du bist doch immer ziemlich erleichtert, wenn dir ein Kunde mal erspart bleibt und du nicht so viel Stress hast.“

„Keine Ahnung.“ Der Braunhaarige seufzte und fuhr sich durchs Haar. „Bei Hiroto ist es irgendwie…anders.“

„Bei…Hiroto?“ Sein Freund sah ihn plötzlich beunruhigt an. „Ist das sein Name?“

„Ja“, erwiderte Shou augenrollend. Er wusste, was er jetzt zu hören bekommen würde, nur dass Masato es diplomatischer ausdrückte, als manch Anderer das vielleicht getan hätte.

„Ich kann es dir nicht verbieten, aber…du weißt, dass wir das nicht tun dürfen. Kunden so informell ansprechen…du solltest seinen Vornamen eigentlich gar nicht wissen!“

„Ja, ja… Was kann ich denn dafür, wenn er ihn mir verrät? Ich hab ihn nicht darum gebeten…“

„In dem Fall solltest du ihn trotzdem nicht benutzen, vor allem nicht, wenn Saga-sama in der Nähe ist“, riet sein Gegenüber leise und fügte dann hinzu: „Und auch nicht in Anwesenheit der Anderen…vor allem in Chiyus.“

„Phuu… das weiß ich doch alles, Masato. Aber ich krieg ihn einfach nicht aus meinem Kopf.“ Shou ließ den Kopf sinken und schloss die Augen, während der caramelblonde Mann ihm gegenüber ihn mit einem besorgten Blick bedachte.

„Hey…du wirst dich doch nicht in ihn—“

„Psst“, unterbrach ihn Shou eindringlich. „Ich denke selbst schon genug darüber nach, ob ich das hab. Wenn du mir jetzt auch noch damit kommst, werd ich noch ganz kirre…!“

„Okay, okay, Entschuldigung“, hob Masato die Hände rechtfertigend in die Höhe.
 

„Jetzt hab ich dich die ganze Zeit nur mit meinen Problemen beladen…es tut mir leid, Masato“, meinte der Jüngere schuldbewusst. „Du wolltest doch auch wegen irgendwas mit mir reden, oder?“

„Ach, das war gar nicht so wichtig…“, winkte dieser lächelnd ab. „Ich war nur ein bisschen müde in letzter Zeit…ich glaub, mein Kreislauf spielt etwas verrückt.“

„Warst du mal beim Arzt deswegen?“

„Nein…was soll ich denn da? Der kann mir auch nichts Genaueres sagen… Ich bin sicher, das kommt nur von dem Stress gerade. Da fällt mir ein, ich muss früher wieder zurück, Saga wollte mich noch wegen irgendwas sprechen“, erinnerte sich Masato und stand auf. „Kommst du mit?“

Shou sah aus dem Fenster. „Ach…geh schon mal vor, ich komm dann nach.“

„Okay. Bis dann.“

„Bis dann…“

„Und mach dir nicht zu viele Gedanken, ja?“

„M-hm.“
 

Kurz nachdem sein bester Freund gegangen war, verließ auch Shou den Imbissladen und fand sich vor der Tür unter einem leichten Regenschauer wieder. Er blickte auf zum dunklen, bedeckten Himmel und ließ die angenehm kühlen Wassertropfen auf sein Gesicht fallen.

In dieser Nacht würde er Hiroto wieder treffen. Dieser hatte ihn unbedingt sehen wollen, obwohl die erste Hälfte von Shous Arbeitszeit schon belegt gewesen war. Seit jenem Abend als Shou zufälligerweise früher im Colors gewesen war und sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte der Jüngere keine Gelegenheit ausgelassen, ihn zu sehen. Allerdings hatte er sich auch felsenfest an seine Ankündigung gehalten, nur reden und Gesellschaft haben zu wollen.

Er hatte immer seine Sachen angelassen… Und Shou hatte sich viel zu oft dabei erwischt, dass er das lieber eigenhändig geändert hätte – aber er hatte sich natürlich an den Wunsch des Kunden zu halten.

Der Braunhaarige atmete tief die frische, nach Regen duftende Luft ein und warf einen letzten Blick zum Nachthimmel. Dieser Gedanke wollte einfach nicht aus seinem Kopf verschwinden.

~Hiroto…~
 

***
 

Masato sah kurz auf die Uhr, um sich zu vergewissern, dass er auch zur richtigen Zeit zu Saga gekommen war, da niemand auf sein Klopfen geantwortet hatte. Aber die Uhr zeigte genau halb drei Uhr nachts an, wie vereinbart.

Er versuchte es noch einmal und diesmal hörte er von drinnen die Stimme seines Chefs: „Komm rein, es ist offen!“

Er betrat das Büro und unterdrückte den Wunsch, die Nase über den sich ihm bietenden Anblick zu rümpfen. Auf Sagas Schoß hatte es sich Chiyu bequem gemacht und bedachte Masato beim Hereinkommen mit einem selbstzufriedenen Grinsen.

„Sie wollten mich sprechen?“, wandte er sich direkt an Saga, ohne seinen Kollegen weiter zu beachten.

„Ja, Masato. Es geht um Ruki. Ist dir letztens irgendwas an ihm aufgefallen?“

Der Blonde runzelte die Stirn. „Nein, er verhält sich genauso wie immer. Vielleicht ein bisschen reizbarer – soweit sich das überhaupt noch steigern lässt.“

„Hm.“ Saga spielte beim Reden mit einer von Chiyus Haarsträhnen. „Er macht etwas zu viel Ärger in letzter Zeit. Da du mein erfahrenster Mitarbeiter bist, würde ich dich deshalb bitten, ihn im Auge zu behalten. Okay?“

„Ja, Saga-sama.“ Mit der leichten Andeutung einer Verbeugung verließ Masato den Raum wieder und machte sich auf den Weg in die Umkleide.
 

***
 

Hirotos Schlafgewohnheiten hatten sich im Laufe der vergangenen Tage schnell verändert. Wenn er mittags in der Firma erwartet wurde, erschien er dort in erschöpftem und nur halbwegs konzentrationsfähigem Zustand, während er nachts hellwach war. Bei seinen nun regelmäßigen Besuchen im Colors wollte er nicht schlafen – er wollte die Zeit mit Shou möglichst sinnvoll verbringen.

Auch in dieser Nacht zog sich der 18-Jährige nach dem Duschen eilig an und verließ das Hotel etwa um viertel nach zwei.
 

Eine dreiviertel Stunde später betrat er einen der Räume des Clubs, zu dem ihn wieder der Junge namens Takeru geführt hatte.
 

Drinnen wartete bereits Shou auf ihn, jedoch – und das überraschte den Kleineren – ‚angezogener’ als sonst.

„Hey“, grüßte dieser ihn mit einem Lächeln.

„Hi…“, erwiderte Hiroto halblaut. Er war es bisher gewohnt gewesen, etwas mehr von Shous Haut zu sehen und ertappte sich zu seinem Schrecken dabei, dass er den momentanen Zustand ganz und gar nicht besser fand.

Shou kam derweil auf ihn zu und legte einen Arm um seine Taille. „Ich dachte, wir könnten heute mal runter in die Bar gehen, wenn du Lust hast“, erklärte er und neigte einladend den Kopf.

„Ähm…“ Warum fühlte sich Shous Arm auf seinem Körper plötzlich so heiß an? ~Gott verdammt, Hiroto, reiß dich zusammen!~ Der Blonde räusperte sich und lächelte zurück.

„Ja, warum nicht?“ Er war noch nie in der Bar gewesen…und wenn er ehrlich war, wäre er lieber mit Shou allein in diesem Zimmer geblieben, aber er redete sich ein, dass es keinen Unterschied machte, wo sie sich unterhielten.
 

***

„Masatooo~?“

Angesprochener wandte sich etwas erschrocken dem strahlend lächelnden Jungen zu, der sich von hinten an ihn herangeschlichen hatte.

„Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt, Takeru… Was ist?“

„Glaubst du auch, dass Shou verknallt ist?“

„Hä?“ Der Caramelblonde zog beide Augenbrauen in die Höhe. Ob er daran glaubte? Er war sich sogar ziemlich sicher, wäre wohl treffender. „Wie kommst du denn darauf?“

„Ach komm, so was sieht man halt“, war die von einem breiten Grinsen begleitete Erklärung.

Dann setzte sich Takeru ihm gegenüber auf einen Drehstuhl und tat sogleich, was die Bezeichnung implizierte – sich darauf herumdrehen.

„Also ich finde das ja cool. Ich wüsste gern, wie das ist! Ich wünschte, ich wäre auch verliebt…“

~Ich wünschte, ich wäre es nicht…~, dachte Masato deprimiert, während er Takerus sich in alle Richtungen auf dem Stuhl streckende Gestalt betrachtete.

„Du siehst traurig aus“, stellte der Jüngere plötzlich unvermittelt fest und legte den Kopf schief.

Masato sammelte sich schnell und bekam ein Lächeln auf die Reihe. „Ach was. Stimmt doch gar nicht…“

„Das hilft dir jetzt auch nicht“, entgegnete Takeru mit einem ernsten Ton, den der Andere ihm gar nicht zugetraut hätte. „Du musst mal auf andere Gedanken kommen…an die frische Luft!“

Mit diesen Worten sprang er auf und rannte, ungeachtet Masatos Ruf „Hey, wo willst du hin?“, schnell wie der Wind aus der Umkleide.

Der Zurückgebliebene konnte nur staunend die Tür anstarren und sich fragen, was um Himmels Willen den Jungen eben geritten hatte.
 

***
 

Shou seufzte halb erleichtert, halb enttäuscht, als Hiroto seinem Vorschlag zugestimmt hatte, und führte ihn aus der Tür. Zwar würde ihr Treffen unten in der Bar weniger privat verlaufen, aber andererseits würde er dort auch nicht mehr ganz so sehr der Versuchung ausgesetzt sein, dem Jüngeren näher sein zu wollen.

Er suchte einen Tisch in der Ecke des Raums aus und sie setzten sich auf das weiche, dunkelrote Polster. Die Atmosphäre in der Bar war, wie Hiroto fast schon erwartet hatte, reichlich intim… Die Theke war so ziemlich der einzige Bereich, der mehr oder minder hell beleuchtet war (in kühlem Blau-Violett), während die Tischchen abgetrennt von einander lagen und nur schwach rötlich beleuchtet wurden. Das konnten auch die zwei Kerzen an jedem Tisch nicht kompensieren.

Einige Sekunden verstrichen wie immer, bevor einer von ihnen etwas sagte.

„Wie geht’s dir?“, startete Shou das Gespräch schließlich nicht gerade einfallsreich.

„Gut...und dir?“

„Jetzt, da du hier bist, auch“, grinste der Braunhaarige einnehmend und brachte Hiroto dazu, rot zu werden.

„Du siehst gut aus“, fuhr Shou mit den Schmeicheleien fort, als er merkte, dass er den Anderen damit nervös machte. Er konnte nicht sagen, warum, aber es machte ihm Spaß, Hiroto in Verlegenheit zu bringen. Vielleicht lag es daran, dass dieser dann so unglaublich süß dreinblickte…
 

„Hör schon auf… Was hast du gestern so gemacht?“, lenkte der Blonde nun vom Thema ab.

„Gearbeitet, gearbeitet…und nochmal gearbeitet“, meinte Shou mit einem müden Lächeln, die Beschäftigungen an einer Hand abzählend.

„Ist dir das nicht zu viel? Diese ganzen Jobs?“

„Manchmal…aber ich kann nicht anders. Ich brauche das Geld für meine Wohnung. Und fürs Studium…“

„Du hast vor, zu studieren?“, fragte Hiroto anerkennend und Shou nickte.

„Und was?“

„Ich weiß noch nicht genau. Irgendwas in Richtung Kunst oder Design denke ich… Aber“, seufzte er, „im Moment ist es sowieso zu früh, um sich darüber Gedanken zu machen. Erstmal muss ich das nötige Geld für den Start zusammenkriegen.“

„Warum wohnst du eigentlich nicht mehr zu Hause?“

Die Frage brachte Shou einige Sekunden lang zum Schweigen. „Ich…hab kein Zuhause.“

Hiroto sah ihn betroffen an, fand aber keine Spur von Traurigkeit in den Augen des Älteren. Trotzdem rutschte er auf der Sitzbank näher zu ihm heran und meinte leise: „Tut mir leid. Ich hätte nicht fragen sollen…“

„Blödsinn“, winkte Shou ab und nutzte die Gelegenheit, Hiroto mit dem Handrücken über die Wange zu streichen. „Frag mich ruhig, was immer du willst…“

Das erste was dem Kleineren einfiel, war zu fragen, warum dieser kein Zuhause hatte, aber er wollte ihn nicht noch weiter mit dem Thema belasten, also suchte er nach etwas Anderem.
 

„Hast du irgendein Geheimnis?“, meinte er dann auf einmal.

Shou blickte ihn leicht verständnislos an. „Wie meinst du das? Jeder hat Geheimnisse…“

„Ich meine, ist dir mal etwas ganz Peinliches passiert oder hast du irgendwas Schlimmes getan, was du noch nie jemandem erzählt hast?“

„Hmm…lass mich überlegen“, erwiderte sein Gegenüber. Shou kramte in seiner Erinnerung und schien auch bald etwas gefunden zu haben. „Aber nur, wenn du mir auch eins von dir verrätst.“

„Ja, ja, okay“, nickte Hiroto gespannt.

„Ano…“, setzte der Braunhaarige an und winkte sein Gegenüber näher heran, woraufhin er meinte: „Nicht lachen, ja?“

Hiroto nickte erneut, beugte sich vor und erwartete halb schon, etwas total Peinliches aus Schultagen oder so was in der Art zu hören, als Shou meinte:

„Ich…hab Angst vor Gurken.“

Hiroto starrte ihn perplex an, aber der Andere hatte einen vollkommen ernsten Gesichtsausdruck. Und so sehr der Kleinere es auch wollte, er konnte sein Versprechen einfach nicht halten und fing erst an zu kichern, bevor er laut losprustete und sich vor Lachen auf seinem Sitz krümmte.
 

Shou beobachtete die Szene seufzend und verdrehte die Augen. Das war ja zu erwarten gewesen…

Als Hiroto wieder sprechen konnte, fragte er atemlos: „Ist…ist das dein…Ernst?“

„Ja, ist es…und das ist gar nicht so witzig, weißt du… Das ist ein echtes Laster!“, meinte dieser schmollend. Hiroto riss sich zusammen, um nicht von neuem loszulachen.

„Okay…okay…phuu…“, machte er und atmete ein paar Mal tief durch, sich den schmerzenden Bauch haltend.

„Und du…hast wirklich Angst vor den Dingern?“, wollte er – diesmal mit echtem Interesse – wissen.

Shou sah verlegen die Tischplatte an. „Na ja, ich weiß auch nicht… Irgendwie ekel ich mich vor ihnen. Sie sind mir…unheimlich. Meine Mutter hat immer gemeint, ich hätte mich als kleiner Junge mal fast tödlich an einem Stück Gurke verschluckt und das sei vielleicht der Grund dafür…“

Der Ältere wagte einen Blick in Hirotos Gesicht und traf auf ein schelmisches Grinsen, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass dieser zu so etwas fähig war. Andererseits…was wusste er schon von Hiroto? Er war nur einer seiner Kunden…wenn auch…sein liebster Kunde.
 

„Was ist?“, fragte Shou nach dem Auslöser des Lächelns.

„Das ist irgendwie…süß“, meinte Hiroto schulterzuckend und zupfte ihn neckisch an einer Haarsträhne, die ihm ins Gesicht hing.

„Meinst du? Ich hätte eher erwartet, dass du mich für psychisch gestört erklärst“, feixte der Braunhaarige und grinste zurück.

„Nein…ganz und gar nicht“, erwiderte Hiroto mit übertrieben ernstem Ton und rutschte wieder näher an den Anderen heran, in der Absicht, im etwas ins Ohr zu flüstern. Er verdeckte mit einer Hand seine Worte und sagte verschwörerisch: „Ich habe nämlich Angst vor Tomaten.“

Stirnrunzelnd sah Shou ihn an und kam durch die äußerst unauffällige Tatsache, dass der Jüngere wie verrückt kicherte, zur Erkenntnis des Tages.

„Du verarschst mich, oder?“

Doch er schaffte es gar nicht, so zu tun, als würde er schmollen, da Hiroto ihn im nächsten Moment lachend an sich zog und seinen Kopf an Shous Brust schmiegte.

„Sorry…das war gemein“, schmunzelte er in dessen T-Shirt.

Shou nutzte den Augenblick gekonnt aus, schloss die Arme um Hirotos Körper und vergrub seine Nase im Haar des Anderen, den Duft von teuer riechendem Schampoo einatmend. Er schloss die Augen und betete insgeheim darum, dass der Moment so lange wie möglich anhielt, aber Hiroto merkte schon bald, dass er ihm zu nah war…
 

Scheu und einige Töne röter im Gesicht löste er sich von Shou und lächelte – wie dieser das Gefühl hatte – entschuldigend.

„Bist du mir böse?“, fragte er dann mit Hundeaugen, für die der Braunhaarige ihn hätte auffressen können.

„Ach was…warum sollte ich?“, grinste er und fügte neugierig hinzu: „Du schuldest mir noch ein Geheimnis von dir!“

„Hey…! Deins war aber kein richtiges Geheimnis!“, protestierte sein Gegenüber. „Ich hab Angst von Spinnen, ist das deshalb auch ein Geheimnis?“

„Nein, nur wenn man vor verrückten Dingen Angst hat“, schmunzelte Shou. „Aber gut, nächstes Mal ist es ein richtiges… Doch jetzt bist du erstmal dran.“
 

Hiroto seufzte nachgebend. „Na schön…“
 

***

Too strong

Chapter 4: Too Strong
 


 

Wie gewohnt beobachtete Tora die Gäste in der Bar, während er seine Gläser polierte und ab und an ein paar Getränke auf Bestellung mixte. Als er den Raum von rechts nach links mit den Augen durchstreifte, blieb sein Blick bei Shou hängen, der sich mit einem neuen Kunden – jedenfalls kannte Tora den Typen noch nicht – unterhielt.

Gerade in dem Moment sah auch Shou rüber zur Theke und winkte dem Barkeeper kurz zu. Tora grüßte ihn lächelnd zurück und bemerkte, wie sich auch Shous Gesprächspartner nach ihm umsah.
 

„Wer ist das?“, wollte Hiroto wissen, als er den Schwarzhaarigen entdeckte, den Shou eben angelächelt hatte.

„Unser Barkeeper, Tora“, meinte Shou und zwinkerte diesem aus Spaß zu. Als er sich wieder Hiroto zuwandte, musste er aufgrund von dessen Blick kichern. Er hätte schwören können, einen Hauch von Eifersucht in den Augen des Blonden aufblitzen zu sehen.

„Wieso lachst du?“, fragte Hiroto derweil verwirrt.

„Ach, es ist nichts… Komm, ich mach euch bekannt“, schlug Shou vor und erhob sich, um ihn mit sich zur Theke zu ziehen. „Du wirst ihn sicher mögen.“
 

***
 

Er brauchte verflucht nochmal niemanden, der ihn verteidigte! Selbst wenn er so verletzlich oder schwach aussehen mochte (was er zwar nicht nachvollziehen konnte, aber sei’s drum), warum musste Masato so tun, als wäre er ein totaler Loser und könnte nicht selbst seinen Mann stehen?!

Missmutig fuhr sich Uruha mit einer Bürste durch die Haare. Da hatte sich irgendwo etwas verknotet…verdammt. Er zog unsanft daran und beschimpfte die Haarbürste zischend. Schließlich musste der Knoten gegen die geballte Power eines griesgrämigen Uruha klein beigeben und dieser seufzte und sah sich um.

Es kam nicht oft vor, dass man im Umkleideraum mal seine Ruhe hatte, aber momentan war er allein. Er hatte zwar in dieser Nacht früher Schluss und war bereits fertig, musste aber noch auf Aoi warten, weil sie zusammen heimfahren wollten. Dummerweise hatte Saga dem Schwarzhaarigen einen weiteren Kunden zugeteilt und die Wartezeit verzögerte sich um gut eine Stunde.

~Hoffentlich ist er bald fertig…ich will nach Hause…~

Er war verdammt müde und hatte Kopfschmerzen und außerdem war er sauer – auf Chiyu und auf Masato…und auf Ruki und überhaupt auf alle. Es gab eben Tage, an denen jeder einem einfach nur blöd vorkam. Jedenfalls gab es bei Uruha solche Tage, er wusste ja nicht, wie es bei Anderen war.

Besonders hatte es ihm mal wieder Chiyu angetan. Was bildete sich diese selbsternannte Diva eigentlich ein, sich in seine und Aois Angelegenheiten einzumischen?!

Sie führten eine offene Beziehung, na und? Aoi würde eher Priester werden, als sich auf Chiyu einzulassen, dessen war sich Uruha hundertprozentig sicher. Trotzdem raubten ihm die Sticheleien von Sagas Liebling langsam den letzten Nerv…
 

Der junge Mann rieb sich die Schläfen und stand auf, auf der Suche nach einer Beschäftigung, bis Aoi wiederkommen würde, und schlenderte schließlich in Richtung der Tür, um ein bisschen auf dem Gang entlang zu tigern. Ein erstrebenswertes Vorhaben, sicher…doch er kam nicht dazu, es auszuführen, da er beim Rausgehen Stimmen hörte und neugierig lauschte.

Es waren Aoi und – Uruha lief ein unangenehmer Schauder über den Rücken – Chiyu. Sie unterhielten sich anscheinend hinter der nächsten Ecke des Gangs und Uruha ging einige Schritte näher, um alles verstehen zu können.
 

Chiyu lachte gerade. „Willst du mir im Ernst erzählen, dass du auch nur den Hauch von irgendwas Anderem als sexuellem Interesse für Uruha empfindest?“

Dem Lauschenden zog sich die Brust zusammen. Was würde Aoi antworten?

Doch Aoi ging gar nicht erst auf die Frage ein, sondern meinte lässig: „Du bist wohl nicht gerade der Richtige, um über Dinge wie Gefühle zu sprechen, Chiyu.“

„Oh, ich weiß viel über Gefühle“, meinte der Andere süffisant. „Zum Beispiel dass sie sich beeinflussen lassen… Und dass sie manchmal einen Anstoß brauchen, um ins Rollen zu kommen…“

Es folgte eine längere Pause und Uruha musste all seinen Willen aufbringen, um nicht um die Ecke zu lugen. Vielleicht wollte er das, was sich dahinter abspielte, gar nicht sehen… Vielleicht hatte seine Überzeugung bezüglich Aois Verhalten bereits zu bröckeln angefangen…
 

Aber gerade, als er sich darüber Gedanken machen wollte, kam es vom Schwarzhaarigen: „Wie einfallslos, Chiyu …!“ Er stieß ein höhnisches Lachen aus. „Du kriegst mich nie rum, gib’s auf!“

Und dann hörte Uruha ein hochmütiges „Hm…das gefällt mir...! Aber jetzt hab ich eh erstmal einen Kunden – die Arbeit ruft!“ von Chiyu und Schritte, die in seine Richtung kamen.

Er hätte so tun können, als liefe er zufällig in der Gegend rum, aber er blieb einfach wie angewurzelt stehen, bis Aoi um die Ecke bog und bei seinem Anblick abrupt anhielt. Sie sahen einander an und Uruha wusste, dass der Andere erriet, was er gehört hatte.

Er wollte etwas sagen, aber ihm fiel nichts ein, was der Situation gerecht gewesen wäre. Irgendwie war es ein seltsames Gefühl…vor einem schweigenden Aoi zu stehen und diesem selbst nichts (zumindest noch nicht) zu sagen zu haben.

Kopfschüttelnd drehte Uruha ihm den Rücken zu und ging zurück in die Umkleide.
 

***
 

~Na der könnte glatt auch hier arbeiten bei seinem Aussehen…~, dachte Tora amüsierst, als er Shous jungen Kunden zusammen mit diesem auf sich zukommen sah.

„Hey, Tora, wie läuft’s?“

„Nicht so viel los heute, aber sonst…kann mich nicht beklagen“, zuckte der Schwarzhaarige mit den Schultern.

Shou sah sich kurz unauffällig um und sagte dann: „Tora, das ist Hiroto. Hiroto – Tora.“

„Freut mich“, grinste der Barkeeper und gab dem Kleineren die Hand.

„Mich auch“, erwiderte dieser höflich.

„Neu hier?“

„Sozusagen…“ Hiroto lächelte verlegen und sah sich fast hilfesuchend nach seinem braunhaarigen Begleiter um.
 

Tora musste schmunzeln. Der war ja total niedlich. (Rein theoretisch gesehen – er bevorzugte ja eher das weibliche Geschlecht.) Kein Wunder, dass Shou nur noch am Strahlen war. Er fand sicher auch sein Gefallen an diesem Kunden…

„Wollt ihr etwas trinken?“, fragte er dann.

Shou sah Hiroto fragend an, als wolle er ihm die Entscheidung überlassen. Der Jüngere überlegte es sich gut…und schüttelte schließlich den Kopf.

~Ich bin Shou heute ohnehin schon so nahe gekommen… Und das ganz ohne irgendwelchen Alkohol. Was kommt dann erst, wenn ich was trinke? Nein, lieber nicht… Ich bin immerhin noch mit Yuji zusammen…glaub ich…’

Sein Freund hatte sich seit dem Rausschmiss nicht mehr gemeldet und auch er selbst hatte die Versuche, ihn zu kontaktieren, aufgeben. Allerdings hatte er das Gefühl, dass ihm das nicht ganz ohne Shous Hilfe gelungen war. Auch wenn der Braunhaarige sich dessen nicht bewusst war, hatte er Hiroto innerhalb der vergangenen Tage sein Selbstwertgefühl Stück für Stück wiedergegeben und inzwischen war er der Meinung, dass Yuji doch selbst anrufen und sich entschuldigen sollte – wenn dieser es denn überhaupt noch wollte.
 

„Hiroto…? Hallo?“ Shou fuchtelte mit der Hand probeweise vor dem Gesicht des momentan Abwesenden herum, bis Hiroto ihn verwirrt ansah.

„Ups…hast du was gesagt?“

„Nur gefragt, ob wir aufs Zimmer gehen sollen.“

„Oh…ähm, ja…meinetwegen“, rutschte es Hiroto raus, bevor er darüber nachdenken konnte, zu was er sich bereit erklärte. „Warum?“, fügte er vorsichtig hinzu.

„Och, nur so…außerdem wolltest du mir noch ein Geheimnis erzählen und das willst du sicher nicht vor Tora tun, oder?“, feixte Shou. Sein wahrer Grund für die Frage war zwar gewesen, dass er eben Chiyu mit einem Kunden hatte hereinkommen sehen und absolut keine Lust verspürte, diesem seinen (etwas außergewöhnlichen) Umgang mit Hiroto auf die Nase zu binden, aber er fand, dass er sich eine gute Ausrede ausgedacht hatte.

„Uhhhh“, machte Tora und lachte. „Das muss ja was total Aufregendes sein. Viel Spaaaaß…“

„Nein, es…ist es nicht…! Ich meine…ich…“, suchte der Blonde derweil mit hochrotem Kopf nach Worten, um das offensichtlich herrschende Missverständnis aufzuklären. Aber Shou hatte ihm schon einen Arm um die Schultern gelegt und führte ihn mit sich.

„Ciao, Tora“, rief er diesem über die Schulter hinweg zu.

„Bis dann. Und viel Vergnügen noch!“, erwiderte der Barkeeper vielsagend lächelnd und winkte Hiroto zum Abschied zu.
 

„Shouuuu!“

„Hm…?“

„Was denkt er jetzt von mir!“, ärgerte sich Hiroto, als sie den Gang zu ihrem Zimmer entlanggingen.

„Wer? Tora?“

„Ja!“

Der Größere kicherte. „Nichts Schlimmes, keine Sorge. Nur, dass du einer meiner Kunden bist, was ja auch der Wahrheit entspricht.“

„Nein, ich meine…er denkt, dass ich mit dir…! Na…du weißt schon!!“

Shou blieb vor der richtigen Tür stehen und drehte sich zum Anderen um.

„Ist das denn so schlimm, wenn er das denkt?“, fragte er und Hiroto hatte das Gefühl, ihn irgendwie verletzt zu haben.

„Aber ich…wir sind doch nur Freunde“, meinte er leise und senkte den Blick. Erröteten Freunde auch, wenn sie einander in die Augen sahen…?

„Hiroto.“ Vor Shous geistigem Auge tauchte plötzlich Masatos Gesicht auf, das ihn davor warnte, den Vornamen seines Kunden zu benutzen. Er verscheuchte es erfolgreich.

„Du weißt, wofür du herkommst und ich weiß es auch.“ ~Selbst wenn ich es immer noch nicht wirklich verstehe…~ „Reicht dir das nicht?“

Der Blonde seufzte. „Doch. Tut mir leid…du hast Recht.“ Er wollte sich nicht mit Shou streiten. Er wurde langsam ein bisschen müde und wollte sich eigentlich viel lieber hinlegen und etwas reden…

Glücklicherweise schien Shou ähnliche Gedanken zu haben.

„Sollen wir reingehen?“, schlug er vor und lächelte ihm versöhnlich zu.

Hiroto nickte und fand sich schon bald neben Shous angenehm warmen Körper auf dem weichen Bett wieder…
 

***
 

„Nao…ich bin der Verzweiflung nahe, verstehst du das?!“

Seufzend erhob sich Saga von seinem Sessel hinter dem Schreibtisch und sah seinen Gast, den zweiten Geschäftsführer ihres Clubs, händeringend an.

„Das passiert dir aber oft in letzter Zeit, Brüderchen“, amüsierte sich dieser über den zerstreuten Anblick, den der sonst so coole Chef des Colors an den Tag legte.

„Grins nicht so blöd, hilf mir lieber!“, verdrehte Saga die Augen. „Ruki hat heute schon wieder einen Kunden verscheucht!! So kann das nicht weitergehen! Der Kerl bringt mich noch um meinen wohlverdienten Schönheitsschlaf mit seiner Aufsässigkeit!!“

„Gott behüte“, kommentierte Nao derweil, woraufhin sein Bruder ihn mit einem entrüsteten Blick taxierte.

„Du musst ihm eben eine Lektion erteilen“, schlug er dann vor.

„Ja, aber wie denn?! Wie soll ich diesem Dickkopf klarmachen, dass er seine große Klappe gefälligst nur aufmachen soll, um seinen Job zu machen??“

Nao dachte kurz nach und lachte plötzlich in sich hinein. „Einen Moment.“ Er schnappte sich Sagas Telefon und wählte irgendeine Handynummer.

„Hallo? …Ja, ich bin’s… Gut, und dir? … Ich hätte da eine Bitte an dich. Es geht um einen kleinen…“Problemfall“ bei meinem Bruder. …Ja. M-hm. … Würdest du das übernehmen? … Cool, danke! … Alles klar. Ciao.“
 

Sagas Bruder legte auf und grinste ihn zufrieden an. „Ich habe genau den richtigen Mann für dich.“
 

***
 

„Und? Raus mit der Sprache…!“, forderte Shou Hiroto auf, seinen Teil der Abmachung einzulösen.

Der Blonde biss sich auf die Unterlippe. Was sollte er erzählen? Wenn er ehrlich war, hatte er Shous Bedingung nur zugestimmt, um sein Geheimnis zu hören, aber er hatte sich nicht überlegt, welches er ihm beichten müssen würde.

„Also…“, setzte er an und drehte sich vom Rücken auf die Seite, um Shou ins Gesicht sehen zu können. Dieser musterte ihn mit neugierigen Augen.

„Als ich in der Mittelstufe war – und noch nicht wusste, dass ich nicht auf Mädchen stehe – hatte ich eine Freundin.“

„Das fängt ja schon mal gut an“, grinste Shou und stützte seinen Kopf seitlich auf einen Ellbogen, um besser zuhören zu können.

„Na ja…wir mochten uns schon und so…aber wir waren nicht zusammen, weil wir verliebt waren, sondern weil es eben…als cool galt.“ Hiroto musste bei der Erinnerung selbst schmunzeln. Was für Gründe es doch in der Schulzeit fürs Zusammensein gegeben hatte …

„Jedenfalls…hatte ich irgendwann genug von der Angebershow und hab sie gebeten, nach dem Unterricht noch da zu bleiben, um mit ihr Schluss zu machen. Und, als ich ihr dann einen Korb gab…“

Hiroto machte ein kurze Pause, die Shou ausnutzte, um seine Version des Ausgangs der Geschichte vorzuschlagen: „…ist sie weinend davongerannt und hat der ganzen Schule erzählt, was für ein herzloser Schuft du bist?“

„Nein, sie…hat mich geschlagen.“

„Was?“, lachte Shou ungläubig. „Aber nicht so fest, oder?“

„Das nicht...“, sagte Hiroto und rieb sich den Nacken. „Aber der Boden im Gang war gerade frisch gewischt worden und immer noch rutschig…“

Shou kicherte schon bevor er den weiteren Verlauf hörte.

„Irgendwie hab ich wohl vor Überraschung einen ungeschickten Schritt gemacht und bin ausgerutscht und der Länge nach hingeflogen.“

„Das wäre aber viel peinlicher gewesen, wenn es außer deiner Freundin – sorry, Ex-Freundin – noch jemand mitgekriegt hätte…!“

„Oh, glaub mir, sie haben es mitgekriegt! Ich bin danach zwei Wochen lang mit einem Gips am Bein und Krücken durch die Gegend gehumpelt. Da haben sich schon ein paar Leute gefragt, wo das herkam…“
 

„Und das Mädchen?“

„Sie hat mich ausgelacht. Die ganzen zwei Wochen durch“, sagte Hiroto und machte einen Schmollmund.

Shou sah ihn bis über beide Ohren grinsend an und tätschelte ihm den Kopf. „Ohhhh…du Ärmster!“

„Das hört sich ja total mitfühlend an“, hob der Jüngere eine Augenbraue, musste aber auch lächeln.

„Und dann?“

„Was dann?“, verstand Hiroto nicht.

„Bist du danach noch mal mit einem Mädchen zusammen gewesen?“, wollte Shou wissen und fügte hinzu: „Falls ich fragen darf…“

„Du darfst. Nein, bin ich nicht. Danach kam nur noch Yuji…“

Hiroto stellte mit einem komischen Gefühl im Magen fest, dass er von Yuji in der Vergangenheit sprach und es zum größten Teil auch genauso empfand – als etwas, das lange zurücklag. Dabei waren vielleicht gerade mal zwei Wochen vergangen, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte…
 

Shou versuchte, im Gesicht seines Gegenübers zu lesen, was in diesem vorging, wenn er an Yuji dachte, aber es war und bleib ihm ein Rätsel. Vielleicht sollte er einfach weiterfragen…

„Wie habt ihr euch kennengelernt?“

Hiroto seufzte und kniff die Augen kurz zusammen.

„Wir sind schon damals auf die gleiche Privatschule gegangen. Wir waren beide richtig gute Schüler…“, erzählte er. „Unsere Väter waren immer gute Freunde gewesen, sie kannten sich durch Geschäfte. Sein Vater wusste, dass er auf Männer stand und meiner ahnte es zumindest von mir. Also kam es nicht besonders überraschend, sondern einfach wie es sich wohl entwickeln musste, bei der ganzen Zeit, die wir zusammen verbrachten…und wir wurden ein Paar.“

„Also war es eher ein…“ Shou suchte nach dem richtigen Ausdruck. „…fließender Prozess?“

„Wenn du’s so nennen willst“, schmunzelte Hiroto. Seufzend rollte er sich wieder auf den Rücken und schloss die Augen. „Im Prinzip war allen, die uns etwas näher kannten, schon lange klar, dass wir zusammenkommen würden – uns selbst wohl auch.

Am Abend unserer Abschlussfeier hat’s uns offiziell erwischt und wir haben uns vor allen Anderen geküsst und sind...“, der Dunkelhaarige räusperte sich verlegen, „…für eine ganze Weile aus dem Festsaal verschwunden.“

„Klingt romantisch“, sagte Shou und merkte entsetzt, dass in seiner Stimme ein Hauch von Eifersucht und Missgunst mitgeschwungen hatte. Verstohlen sah er den Kleineren neben sich an, aber der schien nichts davon mitbekommen zu haben. Was waren das für blöde Gedanken…? Gönnte er Hiroto seine Beziehung etwa nicht? Er hatte doch von Anfang an gewollt, dass es dem Jüngeren gut ging...

Dennoch versetzte es ihm einen Stich, das alles zu hören.
 

„Romantisch…hm“, meinte Hiroto indessen. „Am Anfang war es das, stimmt. Wir sind sogar ziemlich bald zusammengezogen – das heißt, er ist zu mir gezogen. Aber…mit der Zeit hat Yuji angefangen, mehr Abstand zu halten und ich…ich bin auf die Idee gekommen, dass er fremdgeht, weil er so oft weg war ohne mir sagen zu wollen, wo.“

Shou wagte nicht, zu fragen, ob sich sein Verdacht bestätigt hatte, aber Hiroto kam von allein darauf zu sprechen.

„Bald stellte sich raus, dass ich Unrecht hatte, aber es lief trotzdem nicht besser mit uns. Ich hab ihn zwar geliebt…ich meine, ich liebe ihn immer noch…“, verbesserte er sich und der Ältere hatte das Gefühl, dass es etwas gezwungen klang. Oder war das nun wieder Wunschdenken seinerseits?

„Und er mich auch…aber ich hab wohl zu sehr versucht, alles wieder in Ordnung zu bringen und bin ihm damit auf die Nerven gegangen. Vielleicht hat er Recht…“

Shou wartete, ob die Erzählung weitergehen würde, doch Hiroto verfiel in nachdenkliches Schweigen.
 

~Seltsam…dass ich das alles so sachlich erzählen kann…das erste Mal, als ich mit Shou über Yuji geredet hab, konnte ich kaum einen zusammenhängenden Satz zustande bringen, ohne das ganze Kissen vollzuheulen~, ging es dem Dunkelhaarigen durch den Kopf.

Jetzt fühlte er sich…fast erleichtert, wenn er die Worte aussprechen konnte, die er im Innern schon so oft wiederholt hatte. Yuji und er waren einfach nicht mehr das, was sie einmal gewesen waren. Da konnte er so oft versuchen, alles wieder zurückzuholen, wie er wollte. Es wäre nicht dasselbe…

Er sehnte sich nach Nähe, aber Yuji war fern…zu fern. Wenn er ehrlich war, musste sich Hiroto eingestehen, dass sein Freund nicht mehr der Erste war, an den er dachte, wenn er Sehnsucht hatte.

Er dachte an…nein, das konnte er nicht denken. Das durfte er gar nicht denken! Und trotzdem schrie seine innere Stimme ihm diesen Namen immer und immer wieder entgegen, wollte ihm klarmachen, dass es nicht mehr um Yuji ging – ~Er hat gesagt, er will dich nie wieder sehen! Was gibt’s da zu leugnen? Warum zögerst du?~, rief sie ungeduldig. Er wehrte sich dagegen, so wie er es in den vergangenen Tagen oft hatte tun müssen.

Hiroto öffnete die Augen und hätte vor Schreck fast einen Herzstillstand erlitten – während er so in Gedanken versunken gewesen war, hatte Shou den Abstand zwischen ihnen deutlich verringert und der Kleinere hatte beinahe die Vermutung, dass dieser ihn hatte küssen wollen… Vor allem Shous plötzliches Zurückzucken und auf die Bettdecke Starren machte die Situation verdächtig.

„S-Shou…?“, murmelte Hiroto kaum hörbar und suchte den Blick des Anderen. Sein Puls ging auf einmal schneller.
 

Der Braunhaarige hatte sich relativ schnell wieder gefasst. Lächelnd sah er auf und strich Hiroto eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Du hast ja nur das Beste gewollt“, versicherte er ihm dann. „Und wenn was schief gelaufen ist, dann war das nicht deine Schuld.“

„Danke…“, sagte Hiroto und versuchte, das rasende Hämmern seines Herzens zu ignorieren. Aber wenn er Shou in die Augen sah, wurde es nur noch schlimmer. Was passierte mit ihm? Die Stelle, an der Shous Finger eben seine Wange gestreift hatten, kribbelte warm und gleichzeitig lief ihm ein Schauer über den Rücken. Das alles war zu verwirrend…

~Wie es wohl wäre, seine Lippen zu küssen…?~ Hiroto schüttelte leicht den Kopf.

„Alles okay?“, erkundigte sich Shou stirnrunzelnd und legte ihm zu allem Überfluss auch noch eine Hand auf den nackten Oberarm.

„J-…ja…ich glaub schon. Ich…kannst du…“

„Hm?“

~Kannst du bitte deine Hand da wegnehmen, sonst sterbe ich noch an Kreislaufversagen!!!~

Das war nicht auszuhalten. Er musste hier weg. Weg von Shou, der einfach so, ohne jede Ankündigung, ohne ihn zu fragen, solche Gefühle in ihm auslöste. Weg von diesem begehrenswerten Körper, diesen schönen, besorgten Augen, dieser beruhigenden, liebevollen Stimme…

Wie hörte sie sich an, wenn sie stöhnte…?

~Oh Gott…~ Das ging zu weit!
 

Abrupt setzte Hiroto sich auf und sprang vom Bett herunter. Shou sah ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Verwirrung an.

„Was hast du?“

„Ich muss gehen! Sorry“, antwortete Hiroto und suchte nach seiner Jacke. Wo hatte er die bloß hingelegt…? So viele Möglichkeiten gab es doch nicht…

„Was? Aber…wieso?“ Nun richtete sich auch Shou auf. Die Enttäuschung in seiner Stimme war nicht zu überhören und hätte Hiroto beinahe dazu gebracht, sich umzudrehen und dem Braunhaarigen in die Arme zu springen. Aber er schlug die aufwühlenden Proteste in seiner Brust gnadenlos nieder und fand seine Jacke endlich über einer Stuhllehne.

„Ich hab noch was zu erledigen“, log er.

„Jetzt?“, fragte Shou ungläubig.

„Ja.“

Er wollte gerade zur Tür gehen, als der Ältere einen Satz vom Bett machte und in Sekundenschnelle bei ihm war. Shou schloss seine Arme von hinten um Hirotos Körper und dieser erzitterte unter der Berührung.

„Warum läufst du vor mir weg? Hab ich was Falsches gesagt?“, wollte er wissen. Hiroto hätte schwören können, dass der Andere ängstlich klang, obwohl das so untypisch für ihn war.

„N-nein…das…ich…“, stammelte der Dunkelhaarige und hörte das Blut in seinen Ohren pochen. Shous Umarmung raubte ihm den Verstand…warum zum Teufel?! Er kannte ihn kaum…!

„Wieso dann?“, hakte Shou nach und lockerte seine Arme etwas, was Hiroto ausnutzte, um sich zum Anderen umzudrehen.

„Ich muss einfach…“, flüsterte er benommen. Er spürte Shous Atem auf seiner Wange. Sie waren zu nah…und der Wunsch, ihn zu küssen und sich einfach seinen Gefühlen hinzugeben, war so stark. So stark…

Viel stärker, als er hätte sein dürfen.
 

Hastig befreite sich Hiroto aus seiner Gefangenschaft und flüchtete aus dem Zimmer, ohne Shou noch mal in die Augen zu sehen.
 

***
 

„Schnell, beeil dich und mach dich fertig zum Gehen, Masato!“

Der caramelblonde Mann zuckte etwas zusammen, als er unerwartet von zwei Armen herumgewirbelt wurde und sich den Bruchteil einer Sekunde später seinem jüngsten Kollegen gegenüber sah.

„Wie bitte…?“, stammelte er etwas aus der Bahn geworfen und machte sich wieder daran, seine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenzubinden, da dieses Vorhaben soeben erfolgreich von einem gewissen Jungen zunichte gemacht worden war.

Takeru strahlte mit sämtlichen Lichtquellen des Clubs um die Wette.

„Wir machen einen kleinen Ausflug, als looos…!“

„Takeru…wir müssen arbeiten“, meinte Masato stirnrunzelnd, nachdem er einen flüchtigen Blick in den großen Wandspiegel der Umkleide geworfen hatte.

„Heute nicht mehr“, grinste sein Gegenüber immer noch. „Ich hab Saga-sama überredet, dass wir zwei etwas früher Schluss machen können!“, erklärte der Blonde stolz.

Masato fielen vor Überraschung fast die Augen heraus. „Wen musst du dafür umbringen?“, fragte er ungläubig und Takeru lachte ein niedliches, leises Lachen.

„Niemanden, du Dussel“, erwiderte er. „Saga-sama hat nur…ein paar Überstunden bei uns gut…“

„Aha“, seufzte Masato. Er hatte doch gewusst, dass an der Sache ein Haken dran war. Bevor Saga sich zu solch einem selbstlosen Chef entwickelte, musste schon die Hölle zufrieren. Aber viel Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, bekam er nicht, da Takeru sich energisch seine und Masatos Jacke schnappte und ihn voller Enthusiasmus aus der Umkleide zog.
 

*
 

„Hast du eigentlich den Hauch einer Ahnung, wohin wir gehen?“, wollte der Ältere wissen, nachdem sie ungefähr zwanzig Minuten durch die Straßen der Stadt gelaufen waren.

Takeru hakte sich bei ihm unter und meinte schulterzuckend: „Ist das wichtig? Genieß einfach den Spaziergang und sieh dich um! Ist die frische Luft nicht herrlich?“

Masato tat, wie geraten, konnte aber nichts besonders Ansehenswertes in der noch dunklen vormorgentlichen Straße finden. Er verdrehte die Augen und übernahm kurzerhand die Führung des Unternehmens.

„Ich hab schon eine Idee, wo wir hin könnten.“

„Wohin?“, fragte Takeru sofort neugierig.

„Lass dich überraschen“, sagte Masato und konnte diesmal nicht umhin, selbst zu lächeln. „Ich zeig dir etwas.“

Sie mussten noch eine ganze Weile unterwegs gewesen sein – es hatte bereits ganz allmählich angefangen, hell zu werden – als sie endlich am Ziel ankamen. Masato hatte sie auf das Dach eines großen, verlassenen Hauses geführt, von dem aus man einen nicht zu verachtenden Teil der Stadt sehen konnte. Die ersten Sonnenstrahlen ließen sich hinter den grauen Silhouetten der Hochhäuser erahnen und tauchten die Gebäude unter ihnen in einen kaum merklichen Goldschimmer.
 

„Wooow…!“ Sichtlich beeindruckt hüpfte Takeru auf das Geländer des Dachs zu und beugte sich so leichtsinnig darüber, dass Masato fast das Herz stehen blieb.

Eilig holte er den Jüngeren ein und zog ihn ein Stück weit an der Jacke zurück.

„Das ist ja toll! Kommst du oft hierher? Woher kennst du den Ort? Wer weiß sonst noch davon? Ich wusste gar nicht, dass man in dieser Stadt so was finden kann!“, sprudelte er los und ließ Masato gar nicht erst die Chance, jede Frage einzeln zu beantworten.

Der Größere seufzte. Zum Glück hatte er ein gutes Gedächtnis…

„Ich war schon lange nicht mehr hier…aber früher bin ich jede Woche mindestens einmal da gewesen“, erzählte er und blickte in die Ferne auf die Stelle, an der in wenigen Minuten die Sonne aufgehen würde.

„Meine große Schwester hat mir dieses Dach gezeigt, als ich noch klein war. Und…“, er machte eine kleine Pause, bevor er weitersprach und Takeru wandte den Kopf, um ihn anzusehen. „…ich war bis jetzt noch nie mit jemandem Anderen hier.“

Das war die volle Wahrheit, wenn man von dem Mal absah, als seine Schwester ihn hergeführt hatte. Sonst hatte Masato seinen Lieblingsplatz niemandem gezeigt, nicht einmal Shou, obwohl dieser von der Existenz eines solchen Ortes wusste.

„Ehrlich?“, vergewisserte sich Takeru verwundert und stieg (Masato dankte ihm im Stillen dafür) vollends vom Geländer, sich nur noch seitlich gegen dieses lehnend.

Masato nickte und der Jüngere ihm gegenüber lächelte ihn an, während dessen Gesicht im Licht der sich zeigenden Sonne einen golden-warmen Ton annahm. Takeru sah in diesem Moment viel erwachsener aus, als sonst – oder verhielt er sich nur sonst immer viel alberner, als er in Wirklichkeit war?

Masato wusste es nicht. Nur eines schien ihm sicher…in diesem Augenblick vergaß er zum ersten Mal seinen Wunsch, nicht verliebt zu sein. Nicht in ihn…
 

Er war weder je sehr wagemutig gewesen, noch war er der besonders direkte Typ, und deshalb überraschte sein Handeln Masato selbst am meisten.

Doch er konnte nicht anders. Etwas drängte ihn dazu, näher zu treten und seine Hand in Takerus Nacken zu legen. Der Jüngere leistete keinerlei Widerstand, als Masato ihn zu sich zog und seine Lippen zögerlich auf die des Anderen drückte…
 


 

Tbc…

Change of heart

soso...hier kommt das nächste Kapitel der Story. Ich bin furchtbar in Verzug <____< *seufz* Und bald fängt das Studium an... Aber was laber ich so viel herum XD
 

Viel Spaß!
 

Chapter 5: Change of heart
 


 

Drei Tage war es jetzt her, dass Hiroto fast fluchtartig aus dem Colors gestürmt war und sich verwirrt und mit rasendem Herzen auf den Weg zurück ins Hotel gemacht hatte.

Der 18-Jährige lag auf dem Bett, die Augen auf den Fernsehbildschirm gerichtet, ohne wirklich hinzusehen, und kaute seit geraumer Zeit nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. Er konnte sich kaum auf etwas konzentrieren, außer auf die Gedanken, die sich um Shou, den hübschen Braunhaarigen, den er im Club kennengelernt hatte, drehten und seinen ganzen Kopf – ganz zu schweigen von seiner Brust – okkupierten.

Hätte sein Vater ihn in diesem Augenblick sehen können, so hätte er mit Sicherheit sofort gewusst, dass er in einer Gefühlskrise steckte. In ein solches Verhaltensmuster verfiel Hiroto nämlich nur selten – außer wenn eine hartnäckige, emotionale Sache ihm keine Ruhe ließ, was in diesem Fall offensichtlich zutraf.
 

Leider war sein Vater nicht in der Lage dazu, ihm zuzuhören oder ihm Ratschläge zu geben, denn er war vor etwa zwei Jahren gestorben und hatte ihn, Hiroto, in die Obhut seines Nachfolgers in der Firma, eines unausstehlichen, aber erfahrenen Mannes namens Ogata gegeben. Es war dem Blonden bis jetzt ein Rätsel gewesen wieso, doch sein Vater hatte darauf bestanden, dass dieser – als sein engster Vertrauter (und da keine anderen Verwandten Hirotos übrig geblieben waren) – ihn adoptierte, und so trug auch er nun den Namen Ogata.

Er persönlich hätte überhaupt kein Problem damit gehabt, als Waise zu leben – schließlich war er inzwischen schon fast vollends ausgebildet und ihm gehörte die Hälfte des Unternehmens. Jedenfalls konnte er seinen Vater jetzt auch nicht mehr fragen und so hatte er sich einfach mit der Situation abgefunden…
 

Aber zurück zum eigentlichen Thema.

Hiroto schloss die Augen und rollte sich auf den Rücken, einen Arm lustlos vom Bett baumeln lassend. Er versuchte sich selbst zu überzeugen, dass es besser wäre, wenn er Shou nicht mehr traf und das Ganze vergaß, aber es half alles nichts. Er [style type="italic"]wollte[/style] den Anderen wiedersehen… Schon allein, weil er die ungezwungenen Gespräche mit ihm vermisste. Außerdem wollte er sich bei ihm für sein plötzliches Wegrennen entschuldigen. Im Grunde hatte er sich zwar nichts vorzuwerfen, das wusste er auch, jedoch fühlte er sich trotzdem unwohl, wenn er an dessen verletzten Gesichtsausdruck bei dem abrupten Abschied dachte.

Aber bei all den unschuldigen Argumenten, die er für ein Wiedersehen aufbringen konnte, sagte ihm etwas, dass, wenn er noch einmal ins Colors zurückkehrte, es nicht nur der Gespräche halber sein würde.

Hin- und hergerissen zwischen dieser inneren Stimme und seinem Wunsch, Shou zu treffen, versuchte Hiroto, sich dem Inhalt des langweiligen Fernsehprogramms zuzuwenden. Vielleicht half es ja, den Kopf freizukriegen.

Frei von dieser Sehnsucht…
 

***
 

„Ich hab’s versaut, Masato…“
 

Niedergeschlagen blickte Shou seinen Freund an und seufzte. Es war Montag und da er nicht ins Restaurant musste, hatten sie sich vor der Arbeit in einem kleinen Café getroffen und der Braunhaarige war Masato so ungewohnt still und in sich gekehrt erschienen, dass dieser sich nach nicht einmal zehn Minuten gezwungen gesehen hatte, ihn auszufragen.

Nun saß er dem Jüngeren gegenüber und hob verständnislos eine Augenbraue.

„Was versaut?“

Shou rückte seinen Kaffee beiseite, legte die Arme auf dem Tisch übereinander und stützte sein Kinn darauf.

„Das mit Hiroto…“, murmelte er. „Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe! Er ist einfach auf und davon, bevor ich überhaupt wusste, was los war.“

Ein noch tieferes Seufzen folgte dieser Erklärung.

„Hey.“ Masato streckte eine Hand aus und strich seinem Gegenüber über die Schulter. „Ich will ja nicht aufdringlich sein, aber…was war denn dieses ‚das‘ mit ihm überhaupt?“

„Ich weiß nicht. Eigentlich nichts…Ernsthaftes, wenn du das meinst. Aber…“ Der Braunhaarige wandte den Blick zur Seite. „Ich hatte das Gefühl, dass da noch mehr sein könnte…nicht nur meinerseits.“
 

„Shou.“

Masato legte den Kopf schief und sah seinen Freund aus verständnisvollen Augen an. „Wenn er dir so wichtig ist, wieso sagst du es ihm nicht einfach und lässt es drauf ankommen, was passiert?“

Der Jüngere starrte ihn überrascht an.

„Ich weiß, ich weiß“, räumte Masato ein und grinste schief, „es wundert dich, dass ich dir so einen Rat gebe, anstatt dir – wie ich es in der Tat sollte – mit Saga-samas Regeln zu kommen.“

„Ehrlich gesagt, ja“, gab Shou zu.

„Aber – auf wessen Seite bin ich denn letztendlich?“, meinte der Blonde lächelnd. „Doch wohl auf der meines besten Freundes, oder?“

Shou verspürte für einen Moment eine unendliche Dankbarkeit dem Anderen gegenüber, aber sein kurzes Lächeln verlosch bald wieder und hinterließ den gleichen, deprimierten Gesichtsausdruck, wie vorher.

„Danke…doch ich fürchte, dafür ist es schon zu spät…“

„Es ihm zu sagen?“

„Ja. Wahrscheinlich“, meinte er und rieb sich mit den Handflächen müde über die Augen, „werde ich ihn nie wiedersehen…“

„Ach komm, so groß ist diese Stadt nun auch wieder nicht…-“ Masato unterbrach sich, als er Shous skeptischen Blick sah.

„Ich hab keine Ahnung, wo er wohnt oder wie er mit Nachnamen heißt. Mir wird wohl nichts Anderes übrig bleiben, als abzuwarten und auf ein Wunder zu hoffen…“
 

Eine Weile lang sagte keiner von ihnen etwas. Masato beobachtete die Passanten draußen auf der Straße, wo es bereits zu dämmern begann. Sie alle hatten ihr eigenes Leben, ihre eigenen Sorgen, nichts viel anders als sie selbst. Aber die meisten von ihnen hatten wenigstens einen normalen Job… Manchmal konnte er einfach nicht verstehen, woran das Schicksal dachte, wenn es jedem sein Los gab, besonders wenn dieses Los bei weitem hätte besser ausfallen können.

„Vielleicht haben Leute wie wir einfach kein Glück in der Liebe…“, sprach er seine Gedanken aus.
 

Shou sah ihn an und wie so oft in letzter Zeit fiel ihm auf, dass Masato traurig und ausgelaugt aussah.

„Hat diese Aussage…etwas mit Takeru zu tun?“, fragte er gerade heraus und der Blonde blickte ihn etwas verstört an.

„W-Was?“

„Glaubst du, ich hab das nicht bemerkt, Masato? Du magst dich gut verstellen können, aber nicht vor mir“, informierte Shou ihn. „Oder denkst du, die vielen Treffen in den letzten zwei Jahren hätten mir nichts über dich verraten?“

Masato fühlte sich ein wenig ertappt, doch andererseits hatte Shou ja Recht. Wenn er ihm praktisch alles an der Nasespitze ablesen konnte, warum sollte dies dann nicht auch umgekehrt der Fall sein?

„Ich hab ihn geküsst“, sagte er leise und rührte im Rest seines Kaffees herum.

„Wirklich?“ Shou machte große Augen. „Wow. Und er?“

„Er…hat den Kuss zwar erwidert, aber…“

Masato seufzte. „Ich schätze, es hat ihm nichts bedeutet. Jedenfalls verhält er sich mir gegenüber wie immer – als wäre rein gar nichts gewesen.“

Nachdenklich trank Shou einen Schluck.

„Hast du ihn denn darauf angesprochen?“

„Nein. Und ich glaube, es ist am besten, wenn ich es auch weiterhin lasse“, erwiderte der Ältere kurz angebunden. „Er ist sowieso nichts für mich.“

„Tatsächlich?“ Shou runzelte die Stirn. Diese abweisende Art sah Masato überhaupt nicht ähnlich…

„Wieso denn?“

„Das fragst du noch? Er ist zu jung! Shou, Takeru ist doch noch ein halbes Kind! Besonders wenn man nach seinem Verhalten geht…“

„Hm…“

„Weiß heißt ‚Hm‘?“

„Ich wäre mir da nicht so sicher, was das angeht“, gab Shou zu bedenken und blickte den Anderen ernst an. „Meinst du, dass du ihn gut genug kennst, um das zu beurteilen?“
 

***
 

Mitten in Hirotos kopfzerbrecherische Überlegungen platzte das Klingeln seines Handys. Er zuckte überrascht zusammen, streckte sich zum kleinen Beistelltischen am Bett und griff danach.

Das Display zeigte etwas an, womit er momentan am wenigsten gerechnet hatte: Yuji.

Unentschlossen starrte Hiroto das Handy an. Sollte er wirklich abnehmen? Vor einer Woche hätte er das ohne nachzudenken getan und sich gefreut, dass sein Freund sich wieder bei ihm meldete…

Aber nun hatten sich die Umstände geändert. Und so seltsam er selbst das auch fand – seine Gefühle hatten sich geändert. Und er war sich im Grunde genommen nicht mehr sicher, wo er hingehörte, woran auch Yuji teilweise Schuld hatte.

Auf seinen Instinkt vertrauend, biss Hiroto sich auf die Lippe und lehnte den Anruf ab.

Dann sah er auf die Uhr – 18.15 Uhr – und stand auf, um sich etwas zu essen zu bestellen. Er hatte die Vorahnung, dass er heute Abend noch ausgehen würde. Bevor er die Bestellung tätigte, wählte er eine andere Nummer.

Hiroto wusste, dass er mit dem Ignorieren von Yujis Anruf gleichsam eine weitere Entscheidung getroffen hatte.
 

***
 

Das Freizeichen im Höher hatte sich nach einer halben Minute unvermittelt in ein Besetztzeichen verwandelt und surrte nervig in seinem Ohr. Verdutzt musterte Yuji sein Handy, ohne auf die Idee zu kommen, den roten Knopf zu drücken.

~Wieso geht er denn nicht ran…? Das ist seltsam…~

Er wusste, dass Hiroto prinzipiell immer ans Handy ging und er wusste auch, wie es sich anhörte, wenn jemand seinen Anruf abwürgte, was sein Freund allem Anschein nach soeben getan hatte.

Und diese Tatsachen ließen wohlgemerkt nur einen Schluss zu – dass Hiroto nicht mit ihm reden wollte.

Yuji fuhr sich zerstreut durchs Haar. Er hatte es ja geahnt. Er hätte den Anderen nicht so lange zappeln lassen sollen... Kein Wunder eigentlich, wenn dieser jetzt beleidigt war und ihn seinerseits bestrafen wollte.

~Verdammt…ich bin so ein Idiot. Ich hab eindeutig überreagiert…!~

Hiroto rauszuschmeißen war nicht gerade die feine englische Art gewesen und er bereute es inzwischen zutiefst, weil sein Freund ihm fehlte und er ihn zurück bei sich haben wollte. Seine Pläne, ihn leiden zu lassen oder sonstige Absichten, die er in seinem Ärger entwickelt hatte, waren vergessen, sogar bereits wenige Tage nach dem Rausschmiss – er hatte lediglich ein bisschen von seiner Ehre behalten wollen und nicht gleich um Verzeihung betteln.

Außerdem wohnte er jetzt allein in dessen Wohnung und alles erinnerte ihn zwangsläufig an Hiroto, was seinen Gefühlszustand nicht sonderlich besserte.

Schuldbewusst fasste sich Yuji ein Herz und versuchte erneut, anzurufen.

Doch auch diesmal wurde der Anruf abgewiesen, sogar noch eher als beim ersten Mal.

„Hiroto…es tut mir doch leid…“, murmelte der Dunkelhaarige flehentlich und lief zum Sofa, wo er sich fallen ließ und minutenlang das Handy anstarrte.

„Warum nimmst du nicht ab…?“
 

***
 

Masato verstand nicht, worauf der Braunhaarige hinaus wollte.

„Wir sehen ihn doch fast jeden Tag – ähm, jede Nacht durch die Gegend hüpfen und sich wie im Kindergarten aufführen… Was brauchst du noch als Beweis?“

„Ich meinte nur…als ich ihn damals zum ersten Mal getroffen habe, war er ganz anders. Viel ernsthafter und reifer, obwohl er jünger war…ich weiß nicht, wie ich’s ausdrücken soll. Jedenfalls hat er mich davon überzeugt, mit ihm zu kommen und mich praktisch vor dem Tod auf der Straße gerettet. Würdest du ihm so etwas heute zutrauen? Ich nicht. Takeru hat sich aus einem bestimmten Grund so verändert, glaube ich…“

Schweigend dachte Masato über diese Worte nach, doch im Endeffekt half ihm das recht wenig bei seinem eigentlichen Problem.
 

„Sollen wir langsam los?“, schlug er etwa eine Viertelstunde später vor. „Ich wollte noch in einem Laden vorbeischauen…“

„Hmm…meinetwegen“, nickte Shou nicht gerade enthusiastisch. „Masato…?“

„Ja?“

„Ich glaube, ich hab mir noch nie so sehr gewünscht, nicht zur Arbeit zu müssen…“

Der Blonde gab der Bedienung Geld und seufzte, als er sich wieder Shou zuwandte.

„Ich glaube, ich auch nicht.“
 

***
 

„Hey…bist du wütend auf mich?“

„Wütend?“ Uruha heftete den Blick starr auf seine Fingernägel, während sein Lover sich ihm gegenüber auf einen Stuhl hockte. „Warum sollte ich?“

Aoi legte den Kopf schief und seufzte.

„Du redest seit gestern Morgen nicht mehr mit mir“, erinnerte er den Anderen. „Du musst doch wegen Chiyu nicht eifersüchtig sein!“

„Bin ich nicht“, erwiderte Uruha trocken. „Ich weiß sehr wohl, dass wir eine offene Beziehung führen…“ Er zwang sich, Aoi kurz anzusehen.

„Etwas anderes ist bei unserem Job ja auch nicht möglich. Das sind die Tatsachen – und weshalb sollte ich eifersüchtig sein auf Jemanden, der die Nase so hoch trägt, dass er Gefahr läuft, sie mit seinem Hohlschädel gegen die nächste Wand zu rennen?!“

Langsam spürte Uruha, wie ihm die Wut die Kehle hochstieg und seinen Ton schärfer machte. Sein schwarzhaariger Lover sah ihn nicht ganz überzeugt an.

„Also ist alles okay?“

„Sicher.“

„Wirklich?“

~Natürlich NICHT, du Idiot! Wie kannst du auch nur denken, dass alles okay ist?! Jeden Tag frisst es mich mehr und mehr von Innen auf, dass du dich mit Chiyu – dieser verlogenen Ratte! – abgibst! Glaubst du, ich bin aus Spaß mit dir zusammen? Aoi…!~

„Ja, wirklich.“ Mit diesen Worten stand der Blonde auf und ließ Aoi demonstrativ sitzen, zu einem der großen Wandspiegel schreitend.

Der Zurückgelassene zuckte mit den Schultern und verließ den Raum, in dem Glauben, dass das Problem – falls es denn eins gewesen war – damit als erledigt galt.
 

***
 

Jedes Mal, wenn er über die Schwelle des Colors trat, hatte Hiroto dieses seltsame Gefühl im Bauch. Man konnte es vielleicht als eine Mischung aus freudiger Aufregung, Zweifel und dem Gefühl, dass ihm das Ganze immer noch peinlich war, bezeichnen.

Am Empfang stand diesmal ein ihm noch unbekannter, attraktiver (Hiroto überlegte, ob er dieses Wort nicht lieber schon als Standard für alle Angestellten voraussetzen sollte) Mann und feilte an seinen Nägeln.

Nach kurzem Zögern ging Hiroto auf ihn zu und wurde sogleich mit einem arrogant angehauchten „Hey“ begrüßt.

„Ähm…hallo“, gab er zurück und kam sich mal wieder selten doof vor. „Ich hatte vorhin mit dem Chef telefoniert…“

„Ahh…! Ich verstehe. Hab ich mitbekommen – naja“, fügte der Typ mit einem Schmunzeln hinzu, „nur die Hälfte des Telefonats, versteht sich! Allwissend bin ich ja noch nicht…“

Er gab ein leises Lachen von sich und Hiroto musste daran denken, dass er Leute, die als einzige über ihre eigenen Witze (die offensichtlich als solche durchgehen sollten) lachten, nicht besonders mochte.

„Shous Dienst fängt aber erst in einer Stunde an“, erklärte dieser derweil. „Du kannst in der Bar warten, wenn du willst…“

„Geht klar“, sagte Hiroto sofort. Ein Hoffnungsschimmer – Tora! Der Barkeeper hatte auf ihn letztes Mal einen ganz netten Eindruck gemacht, also könnte er sich wenigstens ein bisschen mit ihm unterhalten, statt mit diesem seltsamen Gesellen hier.

„Okay…“, säuselte sein Gegenüber mit einem Lächeln. „Ich begleite dich dorthin. Komm!“
 

„Ich bin übrigens Chiyu“, verriet ihm der Braunhaarige, während sie einen bläulich ausgeleuchteten Gang entlanggingen.

„A-ha“, kommentierte Hiroto nicht sonderlich wissbegierig.

Chiyus Interesse indes schien geweckt zu sein. Was fand dieser kleine, süße Junge denn bloß an Shou…? Dass Saga dafür auch noch Termine umlegen musste…Ts. Dafür hatte der Chef Masato und Takeru ein paar Überstunden aufgehalst, den Trotteln. Naja, was kümmerte es ihn? Jeder hatte seine Stammkunden. Allerdings…

„Du bist ja ein ganz Hübscher“, sagte er und zwinkerte dem Blondem neben sich verführerisch zu. „Ich hab gerade auch noch frei und du musst sowieso warten… Na, wie wär’s? Lust auf ein Spielchen?“

Sie betraten eine nach unten führende Treppe.

„Ähm“, brachte Hiroto etwas verwirrt hervor. „Nein, danke. Ich wollte ja in die Bar.“

„Hm. Dann nicht.“ Chiyu summte irgendwas vor sich hin. „Aber du verpasst was, Kleiner.“

Im nächsten Augenblick waren sie unten in der Bar angekommen und Chiyu ging noch mit ihm bis zur Theke, wo er sich schwungvoll mit einem süßen „Ciao~“ umwandte und verschwand.
 

Hiroto stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, war ihm der Kerl doch nicht wirklich geheuer gewesen.

„Na, na, was seh‘ ich denn da?“

Ein schelmisches Grinsen folgte diesen Worten, die aus dem Mund des Barkeepers vom Colors gekommen waren.

„Hey, Tora-san, nett dich zu sehen“, grüßte ihn Hiroto und winkte ab. „Der Typ hat mich nur herbegleitet…komischer Kauz.“

Tora lachte.

„Stimmt, ist er. Und ich hab mich schon gewundert, dass jemand wie du auf einmal mit dem durch die Gegend spaziert.“

„Was soll das heißen, jemand wie ich?“, fragte der Blonde misstrauisch.

„Na jemand, der sich so gut mit Shou versteht“, grinste Tora und erklärte dann: „Normalerweise haben die beiden ziemlich verschiedene Kundengruppen...was wohl nicht zuletzt an ihrer Art liegt.“

„Hm…ja“, nickte Hiroto und verfiel in Gedanken an sein noch bevorstehendes Treffen. „Shou ist ganz anders…“

Der Barkeeper beobachtete eine Weile den fast schon träumerischen Gesichtsausdruck seines Gegenübers und schmunzelte. Das sah irgendwie ganz nach mehr aus, als nach einer Geschäftsbeziehung…
 

„Und, was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“

„Oh…ich warte, bis Shou anfängt“, antwortete Hiroto etwas scheu.

„Drink?“

Der Kleinere nickte zögerlich. Ein Glas konnte ja nicht schaden…

„Was darf’s denn sein?“

„Egal.“ Hiroto zuckte mit den Schultern. „Was du für gut hältst.“

Tora suchte ein paar Flaschen zusammen (Hiroto entschied, dass es besser war, wenn er nicht wusste, welche), fing an den Shaker damit zu füllen, und schon nach kurzer Zeit stand der Mix fertig vor seinem Trinkenden.

„Sag mal, Hiroto-kun“, meinte Tora ein Weilchen später. „Du magst Shou wohl sehr?“

Überrascht (und mit einem Hauch von Röte auf den Wangen) stellte dieser sein Glas, das er eben an die Lippen gesetzt hatte, wieder zurück.

„W-wieso?“

Tora hob – ganz die Unschuld – die Schultern und erwiderte: „Reine Neugier! Aber eins kann ich dir sagen…wenn du einen Rat möchtest.“

„Hm…?“

„Bei ihm bist du auf jeden Fall gut aufgehoben. Im Gegensatz zu Typen wie Chiyu.“

„Das war der Rat?“ Hiroto runzelte die Stirn.

„Jepp.“

„Ich hatte auch nicht vor, etwas mit diesem Chiyu zu tun zu haben“, erklärte der Blonde und verschränkte die Arme vor der Brust. „Er hat sich an mich rangemacht!“

„So wie an alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Dass man es so nötig haben kann“, sagte Tora verächtlich. „Der hat’s tatsächlich sogar bei mir versucht…! Armer Irrer.“

Hiroto musste über die Sprechweise des Anderen lachen und dieser stimmte mit ein.
 

Nach etwa einer halben Stunde fragte Hiroto, ob es denn möglich sei, auf Shou bereits im Zimmer zu warten.

„Hm? Also…“, überlegte Tora, „das könnte eventuell gehen…ich weiß das auch nicht so genau. Warte mal.“

Er sah sich in der Bar um und schien bald jemanden ausfindig gemacht zu haben, den er zu sich winkte.

Bevor der Gerufene bei ihnen ankam, flüsterte Tora Hiroto zu: „Achtung, der Kleine ist sehr temperamentvoll…sei nachsichtig mit ihm.“
 

„Was ist denn so Dringendes?!“, warf jener dem Schwarzhaarigen unwirsch zur Begrüßung zu, ohne auf Hiroto zu achten.

„Hi, Ruki, dir auch einen guten Abend“, grinste Tora. „So allein mit deinem Glas in der Ecke?“

„Na und, darf ich hier nichts trinken oder was?“

„Solltest du ein kleines Alkoholproblem haben?“

„Ach halt doch den Mund!“ Ruki schenkte ihm einen giftigen Blick. „Willst du jetzt was, oder macht es dir Spaß, Leute grundlos umher zu scheuchen?“

Tora räusperte sich und fuhr etwas ernster fort.

„Eigentlich wollte ich fragen, ob es hier für Kunden erlaubt ist, auf dem Zimmer auf euch zu warten.“

Jetzt warf Ruki einen flüchtigen Blick auf Hiroto, den er als „Kunden“ identifizierte und meinte dann: „Weiß nicht.“

„Hat Saga dafür keine Regelung?“

„Keine Ahnung, was der hat und was nicht“, erwiderte der Brünette schnaubend.

Er war momentan nicht besonders gut auf den Chef zu sprechen und da sollte er auch noch über dessen komische Regeln nachdenken? Da fiel ihm ein… Warum sollte er sich dann daran halten, wenn er nichts davon wusste?

„Ach, was soll’s. Komm mit“, meinte er auf einmal und schnappte sich den völlig verblüfften Hiroto, ihn mit sich ziehend.
 

„Eine gute Nacht wünsch ich!“, rief Tora ihm hinterher und der Blonde konnte nur halbwegs lächelnd zurückwinken, bevor sie auch schon zur Treppe gelangten.

„Hey, ich kann selbst laufen“, meldete er sich, da Ruki ihn immer noch im Schlepptau am Ärmel hatte.

„Sorry“, meinte dieser schlicht und fragte ihn dann, bei wem er heute Nacht Kunde war.

„Shou…“

„Shou also…der ist heute in Room violet. Dann folge mir.“
 

***
 

„Ach, du bist hier…“

Seufzend erkannte Aoi Chiyu, als er hinter dem Vorhang, der den Verwaltungsraum vom Empfangsbereich trennte, hervor lugte.

„Das klingt aber nicht gerade begeistert“, meinte dieser und machte einen Schmollmund. „Kommst du mich besuchen, Aoi-Schatz?“

„Du träumst wohl. Ich soll dich am Empfang ablösen“, stellte der Schwarzhaarige vergnügt klar. Er musste zugeben, dass ihm der Zwist mit dem Anderen zuweilen Spaß machte.

„Wenn das so ist…aber ich hätte da noch eine Frage…“

Mit betont langsamen Schritten drängte Chiyu ihn hinter den Vorhang zurück und betrat den Verwaltungsraum, woraufhin er Aois Handgelenke umfasste und ihn gegen einen Schreibtisch dirigierte.

„Warum wehrst du dich so sehr gegen die Versuchung? Es ist doch nicht so, dass du einen guten Fang nicht zu schätzen weißt, oder?“, hauchte er diesem ins Ohr.

Aoi grinste.

„Ich glaube nicht, dass du mir genug bieten kannst, Chiyu“, wisperte er zurück.

„Und er kann es?“, fragte Chiyu, ohne seinen Spott zu verhehlen.

„Das wirst du wohl nie erfahren, denn Uruha würde mit dir nicht in tausend Jahren was anfangen.“

„Was willst du, Aoi…?“

Es gefiel ihm, wie Chiyu langsam die Geduld verlor und einen raueren Ton einschlug. Wie er es liebte, die Diva zu ärgern…!

„Finde es doch heraus“, sagte er neckisch, „…wenn du kannst.“
 

Er wollte sich schon befreien und zum Empfang rausgehen, als Chiyu ihn harsch zurückzog und küsste. Es waren keine wirklichen Gefühle, nur besitzergreifende Gier in diesem Kuss, doch Aoi stieß den Anderen nicht von sich, denn das hätte einen Sieg für diesen bedeutet. Er wollte ihn zwingen, selbst den Kuss zu brechen, zuerst einen Rückzieher zu machen – und zu seiner Zufriedenheit gelang ihm das auch.

Aoi wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen und verschwand mit einem triumphierenden Grinsen an den Empfang.
 

„Noch magst du denken, du bist der Schlauere von uns beiden“, murmelte Chiyu, als er allein war. „Aber du wirst noch staunen, mein Süßer…“
 

***
 

„Mann, bin ich erledigt…! Und die Nacht hat noch nicht mal angefangen…“

Deprimiert lehnte sich Shou an die Theke und erhoffte Trost von Tora. Er hatte noch kurz bei ihm vorbeigeschaut mit der Absicht, was zu trinken, bevor die Arbeit begann.

Tora beäugte ihn ein wenig skeptisch und gab ihm den (seiner Meinung nach vielleicht etwas zu starken) Drink, den er bestellt hatte.

„Wird’s denn anstrengend heute Nacht?“

„Und wie… Kunden über Kunden über Kunden…und nicht mal…“ Er beendete den Satz nicht.

~Seltsam…über Hirotos Gesellschaft freut sich Shou doch sonst. Oder kann es sein, dass Saga ihm noch gar nichts von dem Tausch erzählt hat…?~

Ihm hatte Hiroto im Gespräch anvertraut, dass er den Termin mit Shou noch am Abend hatte vereinbaren können. Und zwar für die ganze Nacht…

„Hey, Tora, kann ich heute nicht mal ein bisschen Mitleid von dir erwarten?“

„Sorry, hab grad nachgedacht…“

„Naja, ich muss jetzt eh gehen. Die Arbeit ruft.“

Shou trank den Rest des Getränks in einem Zug aus und trottete ganz und gar nicht enthusiastisch davon, bevor Tora überhaupt entscheiden konnte, ob er ihm das mit Hiroto sagen sollte oder nicht.
 

***
 

Fertig umgezogen und vorbereitet betrat der Braunhaarige zehn Minuten später Room violet. Und fand dort Etwas, oder vielmehr Jemanden, vor, mit dem er niemals, besonders nicht an diesem Abend, gerechnet hatte.

Vor Überraschung taumelte Shou sogar ein wenig – oder war es doch vom Alkohol, dass sich sein Kopf auf einmal drehte?
 

„Hiroto…“
 

*
 

Tbc…

Kiss twice...?

und hier das nächste kapi^^ vielen dank für die reviews meine lieben! ^^
 

Chapter 6: Kiss twice…?
 

„Hiroto…“
 

Der Blonde, der am Fenster gestanden hatte, drehte sich um und wollte Shou gerade ein Lächeln schenken, als er bemerkte, dass sich dieser nicht so recht auf den Beinen halten zu können schien…

Geistesgegenwärtig stürzte Hiroto zu ihm und konnte den taumelnden Körper knapp vor einer Bekanntschaft mit dem Fußboden bewahren, indem er ihm seine Schulter als Stütze bot.

„Du meine Güte, Shou! Was ist denn mit dir passiert?“, fragte er stirnrunzelnd und versuchte, dem Anderen in die Augen zu sehen.

Der Braunhaarige kämpfte derweil mit einem plötzlichen Schwindelgefühl und bekam es nach einigen Sekunden irgendwie auf die Reihe, die Kontrolle über seine Beine wieder zu erlangen. Doch statt Hiroto zu antworten, zog er diesen nur an sich und umarmte ihn mit einer Kraft, die man ihm in seinem Zustand gar nicht ohne Weiteres zugetraut hätte.

„Hiroto…ich hab schon gedacht, wir sehen uns nie wieder…“

Der Jüngere schloss die Augen und überließ sich ebenfalls erleichtert der festen Umarmung, nach der er sich gesehnt hatte. ~Shous Stimme klingt irgendwie lallend…hat er etwas getrunken?~

„Nachdem…“ Shou drehte den Kopf ein wenig, sodass seine Lippen an Hirotos Schläfe langen. „Nachdem du letztes Mal so plötzlich weggerannt bist…“

„Tut mir leid“, unterbrach der Kleinere ihn. „Ich war einfach…überrumpelt.“

„Und jetzt…? Naja, egal… Hauptsache, du bist zurückgekommen… Ich bin so froh…“

„Shou, ist alles okay?“, erkundigte sich Hiroto, als dieser kurz die Augen zusammenkniff und den Kopf schüttelte.

Der Ältere atmete einmal tief durch. Alles schwankte ein bisschen… ~Dieser Alkohol…~

„Nur…nur ein wenig benommen“, murmelte er. „Ich glaub, ich hatte ein Glas zu viel…“

„Wie viele hattest du denn?“

„Hmm…überlegen…eins…? Hihi…“

Dem folgte ein Kicheranfall Shous, während Hiroto verwundert eine Augenbraue hob und ihn sachte zum Bett dirigierte.
 

„Du verträgst wohl gar nichts“, meinte er dann schmunzelnd und drückte ihn auf die Bettkante. „Komm, setz dich erst mal.“

„Ach, es…das geht bald vorbei“, widersprach Shou, sobald er nicht mehr lachen musste. „Oh, verdammt…Saga-sama würde mich köpfen für so eine Aktion…“, nuschelte er dann mehr zu sich selbst.

„Keine Angst, ich bewahre Stillschweigen“, grinste Hiroto und zupfte eine von Shous Haarsträhnen zurecht.

„Na da—…“ Plötzlich stutzte der Größere und sah ihn verständnislos an. „Moment mal…wieso bist du überhaupt hier in diesem Zimmer…? Ich dachte ich hätte—“

„Shh…“, machte Hiroto und bedeckte mit den Fingerspitzen Shous Lippen. „Ich hab’s mit deinem Chef geregelt. War ein ganzes Stück Überzeugungsarbeit“, fügte er angesichts des ungläubigen Blicks, der ihm entgegenkam, hinzu, „aber…du hast heute Nacht keine…anderen Kunden. Nur mich.“

Während er sprach, spürte der Blonde, dass sich seine Wangen röteten. ~Wie diese Worte klingen…! Seit wann rede ich so…? So selbstsicher und…--seit wann lege ich’s drauf an, mit Shou zu flirten?~

„Hätte ich geahnt, dass die Arbeit heute so angenehm sein wird, hätte ich mich gar nicht beschwert“, fand Shou nun seinerseits seinen Casanova-Tonfall wieder.

Seufzend ließ er sich mit dem Rücken aufs Bett fallen und streckte Hiroto einladend eine Hand entgegen. Der Blonde zögerte kurz, folgte jedoch seinem Beispiel und schmiegte den Kopf an Shous Brust, woraufhin dieser einen Arm um ihn legte.
 

„Wieso bist du wieder hergekommen?“

Hiroto entschied sich, ehrlich zu sein. „Ich hab dich vermisst. Deine Gesellschaft, die Gespräche mit dir…“

„Nur die Gespräche?“, hakte Shou vorsichtig nach.

„Ich…bin nicht sicher…“
 

***
 

Im Aufenthaltsraum saß Masato allein mit Uruha und beschäftigte sich damit, Pläne für den kommenden Tag zu machen und dabei sinnlose Figuren auf einen Notizblock zu kritzeln. Viele andere Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben, blieben ihm auch nicht, denn der Zweite im Zimmer war in letzter Zeit nicht gesprächig zu nennen und außerdem ebenso deprimiert wie er selbst.

In diese Grabesstimmung platzte nach etwa zwanzig Minuten Schweigen der einzige Angestellte des Colors, der immer und überall fröhlich zu sein schien…
 

„Heeyyy~, Uruha!!“

Blitzschnell durchquerte das blonde Energiebündel den Raum und machte einen letzten Satz, lächelnd vor dem Angesprochenen landend. „Was ziehst du denn für ein langes Gesicht?“

„Ach, lass mich in Ruhe, Takeru…“, brummte Uruha missmutig.

„Aber Lächeln steht dir doch viiieel besser! Da siehst du sogar noch hübscher aus, als sowieso!“, meinte der Jüngere und schürzte die Lippen, diesem einen leichten Stups in die Seite gebend.

Masato versuchte, den Stich zu ignorieren, den Takerus Verhalten seiner Brust versetzte – erst hatte der Blonde ihn völlig übersehen und jetzt dieser liebenswürdige Umgang mit Uruha…

~Aber was soll ich machen? So ist er eben…liebenswürdig zu allen und jedem~, dachte er wehmütig. Er war sich inzwischen sicher, dass Takeru, wäre er mit Uruha oder einem Anderen in der gleichen Situation gewesen, wie mit ihm auf jenem Dach beim Sonnenaufgang, sich nicht anders als ihm gegenüber verhalten hätte. Er hätte sich wahrscheinlich auch von einem Anderen küssen lassen…

~Wie habe ich überhaupt erwarten können, dass es irgendeine größere Bedeutung für ihn hat?~

Verletzt drehte Masato den beiden den Rücken zu und stellte zu seiner Verlegenheit fest, dass er unbewusst Takerus Namen auf den Block geschrieben hatte. Er riss das Blatt ab und zerknüllte es, während das Gespräch im Hintergrund sich fortsetzte.

„…--icht alle können eben die ganze Zeit wie ein Clown durch die Gegend springen wie du!“, sagte Uruha gerade genervt seufzend – doch immerhin schien der Aufmunterungsversuch des Anderen ihn wieder konversationsfähig gemacht zu haben.
 

„Ein Clown? Hm…“

Takeru machte eine theatralisch nachdenkliche Geste. „Es lacht äußerlich, doch im Innern…“, meinte er etwas leiser.

Masato hob den Kopf und warf ihm einen stummen Seitenblick zu.

„Was?“, fragte Uruha irritiert.

„Ach, nichts!“ Der Kleinere fuhr unbeirrt fort und bezog diesmal auch Masato in seine Rede mit ein:

„Kommt schon, ihr Zwei! Das Leben ist doch viel zu kurz, um immer Trübsal zu blasen! Selbst wenn euch etwas traurig macht – ihr müsst positiv denken!“

Dann lief er leichtfüßig rüber zu dem Caramelblonden und bevor dieser auch nur mit der Wimper zucken konnte, klammerte er sich von hinten an seinen Hals und legte den Kopf auf seine Schulter.

Masato versuchte krampfhaft, unter der Berührung ruhig zu bleiben, aber es war zwecklos, gegen das Herzklopfen anzukämpfen. ~Wie ein verliebter Schuljunge…~, ging es ihm durch den Kopf.

„Du bist schon wieder so still“, meinte Takeru inzwischen und pustete ihm neckisch eine Strähne aus dem Gesicht. „Ist irgendwas?“

Der Ältere schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein und aus.

„Nein…nichts.“ Der Junge brachte ihn immer noch vollkommen durcheinander…

Ein paar Sekunden verweilte Takeru noch so, als warte er auf etwas, doch schließlich ließ er seinen Gefangenen frei.
 

„Das gefällt mir ganz und gar nicht!“, schmollte er dann, während sein Blick zwischen den beiden langen Gesichtern hin und her wanderte. „Da läuten meine Alarmglocken!!“

Uruha legte angesichts dieser Aussage die Stirn in Falten. „Bist du sicher, dass du nicht mal zum Ohrenarzt musst?“

„Sagt mal, ihr Zwei, habt ihr morgen Nachmittag was vor?“, ging dieser gar nicht auf die Bemerkung ein.

Stille beiderseits.

„Also kann ich euch ja mitnehmen!“, wurde das Schweigen zu Takerus Gunsten gedeutet.

„Mitnehmen?“, wiederholte Uruha misstrauisch. „Wohin?“

Bis über beide Ohren grinsend warf der Jüngere die Arme in die Höhe.

„In den Freizeitpark!!!“
 

***
 

Neben Shou zu liegen und entspannt dessen Worten zu lauschen gab Hiroto ein seltenes Gefühl der Ruhe und Geborgenheit. Er konnte sich um nichts mehr wirklich Sorgen machen – alles schien auf einmal in Ordnung zu sein. Als schirmte die bloße Anwesenheit des Anderen alles Unheil ab, das versuchte, sich in seine Gedankenwelt zu schleichen.

Er dachte nur an das Jetzt und Hier… An die Wärme des Körpers neben ihm, die sanft klingende Stimme in seinen Ohren… Diese wundervollen, ausdrucksstarken Augen, die ihm ab und an einen warmen Blick schenkten...

Shou war immer noch dabei, ihm zu erklären, wie sehr auch er ihn vermisst hatte und was für eine Angst er gehabt hatte, ihn verjagt zu haben, doch der Blonde achtete schon seit geraumer Zeit nur noch auf den Klang, nicht auf den Inhalt der Worte, so sehr riss ihn Shous Erscheinung in den Bann.
 

Da Hiroto deshalb lange kein Zeichen von Verständnis von sich gegeben hatte und obendrein ziemlich abgedriftet aussehen musste, unterbrach sich der Ältere irgendwann und fragte stattdessen:

„Hey, hörst du mir überhaupt zu?“

„…m-hm…“ Hiroto nickte langsam, aus seiner Verträumtheit erwachend.

„Ich bin nicht ganz überzeugt“, schmunzelte sein Gegenüber.

„Shou, ich hab doch schon verstanden. Ich glaub dir ja alles, du musst es nicht tausend Mal wiederholen.“

„Oh. Okay…“, räumte dieser verlegen ein.

„Was macht eigentlich dein Alkoholpegel?“, grinste Hiroto.

„Ich spür’s kaum mehr. Aber eigentlich kein Wunder, dass ich von einem Glas betrunken werde…“, seufzte Shou. „War bei meinen Eltern nicht anders.“

Neugierig betrachtete der Kleinere dessen nachdenkliches Gesicht. Es war das erste Mal, dass Shou von sich aus seine Familie erwähnte – von dem Gurkenvorfall abgesehen.

Er wartete ab, ob der Andere weitersprechen würde, aber Shou schien keinen Redebedarf diesbezüglich zu verspüren.
 

~Vielleicht erzählt er mir etwas über sich, wenn ich den ersten Schritt mache…~, überlegte Hiroto und kaute grübelnd auf seiner Unterlippe herum. ~Aber womit soll ich beginnen…?~

„Shou...würdest du gern mehr über mich erfahren?“, fragte er schließlich scheu.

Der Braunhaarige drehte sich auf die Seite ihm zu und strich ihm durchs Haar.

„Ich überlege schon die ganze Zeit, wie ich genau das anstellen soll…“

Hiroto lächelte ermutigt.

„Also… Ich bin ein verwöhntes Einzelkind.“

Shou lachte angesichts des vollkommen sachlichen Tonfalls des Jüngeren.

„Gut, dass wir das schon mal geklärt haben. Obwohl ich nicht den Eindruck hatte…“

Schmunzelnd verdrehte Hiroto die Augen. „Jetzt lenk nicht ab! Also weiter?“

„Weiter.“

„Ich bin bei meinem Vater aufgewachsen“, fuhr er fort und kramte in seiner Vergangenheit. „Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben, darum kannte ich sie nicht. Mein Vater besaß eine Immobilienfirma in der Stadt und war damit sehr erfolgreich. Nach meinem Schulabschluss…“

„In dieser Privatschule, wo du mit Yuji warst?“

„…genau. Danach hat er mich sofort in die Unternehmensführung eingewiesen und mich eine Ausbildung machen lassen, doch…“

Hiroto machte eine kurze Pause.

„Er hat’s nicht mehr geschafft, deren Ende zu erleben. Er ist vor zwei Jahren gestorben.“

„Tut mir leid…“, murmelte Shou aufrichtig.

„Schon okay. Ich wusste, dass er krank war und sterben würde.“

„Was ist aus der Firma geworden?“

„Er hat die Anteile zur Hälfte an mich und zur Hälfte an seinen engsten Vertrauten, einen Kollegen, vererbt. Dieser Kollege ist jetzt nach seinem Wunsch offiziell mein Adoptivvater und leitet zurzeit das Unternehmen.“

„Du wurdest von ihm adoptiert?“

„Ja. Wie gesagt, auf Wunsch meines leiblichen Vaters – sonst hätte ich allerlei dagegen gehabt. Ich kann den Typ nicht besonders gut leiden“, meinte Hiroto und rümpfte die Nase. „Zumindest hab ich meine eigene Wohnung…das heißt, hatte, bis Yuji mich rausgeworfen hat“, berichtigte er sich seufzend.
 

„Wie läuft’s eigentlich mit Yuji?“, wollte Shou nach einer kleinen Pause wissen und bemühte sich um einen möglichst nebensächlichen Ton.

„Ich…“, zögerte der Jüngere.

Sollte er dem Anderen sagen, dass er diese Beziehung als beendet ansah? Was, wenn dieser ihn fragte, warum er seine Meinung geändert hatte? Es lag auf Hand: seinetwegen. Aber…

„Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst“, sagte Shou und senkte den Blick, die Frage bereits bereuend.

Hiroto entging der verletzte Unterton in seiner Stimme nicht und das gefiel ihm nicht. Eigentlich wollte er ja, dass Shou es wusste…!

„Doch“, meinte er und berührte fast unbewusst die Hand des Braunhaarigen, der daraufhin aufsah. „Doch, ich will dir antworten. Ich hab viel nachgedacht, weißt du… Und ich glaube, es ist gut so. Yuji und ich…passen nicht zusammen. Zuerst war ich am Boden zerstört, weil er Schluss gemacht hat. Aber…“

Da war sie wieder, diese Hitze, die Hiroto ins Gesicht stieg und seine Wangen rötlich färbte. Und Shous Blick machte es nicht gerade besser…

„Aber?“

„Aber du…ich meine…ich bin drüber weg gekommen…mit deiner Hilfe…“

Shou lächelte sein verführerisches Lächeln. „Dann bist du jetzt also überzeugter Single?“

„Na ja…“, erwiderte Hiroto und fragte sich, woher er auf einmal den Mut nahm, so selbstsicher zurückzulächeln. ~Überzeugt? Nicht ganz…~
 

Von draußen drangen unerwartet gedämpfte Geräusche eines vorbeifliegenden Hubschraubers an ihre Ohren und lenkten ihre Aufmerksamkeit für einen Moment voneinander ab.

„Huh? Was da wohl los ist…?“, fragte Hiroto und setzte sich auf, um daraufhin zum Fenster zu laufen.

Shou folgte ihm, etwas enttäuscht über den Ausgang der Situation, und legte seine Arme um den Körper des Jüngeren, der sich glücklicherweise nicht dagegen wehrte.

Sie standen eine Weile wortlos da und sahen nach draußen, aber als sich nichts Sehenswürdiges ereignete, fasste sich Hiroto ein Herz und wandte sich zu Shou um.

„Jetzt bist du an der Reihe“, sagte er und sah ihm in die Augen. „Ich möchte auch mehr über dich wissen.“

Da er sich plötzlich zu aufdringlich vorkam, fügte er noch hinzu: „Wenn das für dich okay ist.“

In Shous Ausdruck trat etwas Seltsames, das Hiroto nicht zuordnen konnte und weshalb er schon befürchtete, diesem zu nahe getreten zu sein.

Doch dann lächelte sein Gegenüber leicht.

„Willst du das wirklich? Es ist keine besonders unterhaltsame Geschichte…“

Hiroto nickte.

Seufzend tat Shou einen Schritt rückwärts und zog ihn mit sich. „Setzen wir uns doch wieder.“

Als sie auf dem Bett Platz genommen hatten, lehnte Shou sich zurück, während Hiroto im Schneidersitz neben ihm hocken blieb.
 

„Außer meinem besten Freund hab ich noch nie jemandem davon erzählt“, begann der Braunhaarige. „Wo soll ich anfangen…“

„Letztes Mal“, gab Hiroto ihm einen Anstoß, „hast du zu mir gesagt, du hättest kein Zuhause. Warum…ist das so?“

Shou wandte ihm den Kopf zu. „Weil ich vor drei Jahren von dort weggelaufen bin.“
 

***
 

Irgendwo in der nächtlichen Stadt…
 

„Vergiss es, Kleine, du kommst hier nicht rein.“

„Aber, aber…!“

Kopfschüttelnd zog der als unbestechlich geltende blonde Türsteher an seiner Zigarette und stieß den Rauch in die kalte Nachtluft.

„Können Sie nicht mal eine Ausnahme machen?“, bat gerade ein Freund des noch minderjährigen Mädchens, der deutlich älter war. „Wir sagen’s nicht weiter.“

Der Mann, der durch seine seltsame Nasenbinde und seine Unnachgiebigkeit bereits unter den meisten Gästen bekannt war, zeigte sich unbeeindruckt.

„Tzz… Die ist doch noch feucht hinter den Ohren! Was bist du eigentlich für einer, dass du hier halbe Kinder in den Club schleifst?“

„Hören Sie—“

„Mach dich vom Acker, Alter“, schnitt der Türsteher ihm das Wort ab und verengte bedrohlich die Augen. „Oder soll ich deutlicher werden?“

Der Mann beobachtete mit wachsendem Unbehagen, wie sein Gegenüber eine Hand aus der Tasche seiner Lederjacke holte und sie mit einem kampflustigen Grinsen zur Faust ballte, und entschied sich schnellstens dafür, es in einem anderen Club zu versuchen.

Der Blonde ließ seinen Zigarettenstummel zu Boden fallen und drückte ihn mit dem Schuh aus, während er den beiden davon trottenden Personen nachsah.
 

„Sehr effektiv, Reita“, schmunzelte sein Kollege, der die ganze Szene von nicht weit entfernt verfolgt hatte. „Aber du weißt schon, dass wir nur im äußersten Fall handgreiflich werden dürfen, oder?“

„Pfffft“, machte dieser und zeigte ihm grinsend den Vogel. „Meine Schicht is‘ vorbei“, bemerkte er dann und ging rein, um sein Zeug zu holen.

„Erst in fünf Minuten!“, rief sein Kollege ihm missmutig hinterher.

Reita drehte sich kurz um und meinte ungerührt: „Du löst mich ab und bist schon da – also is‘ sie vorbei! Ich hab heut noch ‘n anderen Job!“

„Arschloch.“

„Das Kompliment geb ich zurück.“
 

Und so machte sich ein gewisser Teilzeittürsteher auf den Weg zu dem Club, den sein Bekannter ihm beschrieben hatte…
 

***
 

„Als ich 12 war, hatten meine Eltern mit meiner Schwester und mir einen Ausflug geplant. Und wie das so ist, waren wir Kinder total aufgeregt und konnten einfach nicht still halten vor der Abreise… Wir haben miteinander im Haus rumgetobt und gelacht und sind durch die Gegend gerannt, wie zwei Wilde, obwohl unsere Mutter uns zur Ruhe mahnte.“

Hiroto wartete lautlos auf den Fortgang der Erzählung, als auf Shous Gesicht ein düsterer Ausdruck trat.

„Wir rangen gerade auf der Treppe miteinander, als meine Schwester plötzlich ausrutschte und mit dem Kopf gegen das Geländer knallte… Es war wohl keine sehr schwere Verletzung, nur eine gewöhnliche Beule, aber mein Vater bestand darauf, sie vor unserer Reise noch von einem Arzt untersuchen zu lassen. Sie sind zu zweit gefahren, während meine Mutter und ich zu Hause warteten… Bei der Fahrt sind sie in einen schrecklichen Unfall geraten. Es war ein Massenzusammenstoß und sie wurden zwischen zwei Autos eingequetscht…keine Überlebenschance.“

„Oh Gott…“, flüsterte Hiroto erschüttert. Er hatte wirklich keine Ahnung…

Shou sah ihn eine Weile schweigend – und wie ihm schien, abwägend – an, bevor er weitersprach.

„Meine Mutter hat nie direkt etwas gesagt, aber ich wusste, dass sie im Innersten mir die Schuld für ihren Tod gab.“

„Das ist Unsinn!“, protestierte der Blonde sofort. „Wie hättest du es denn verhindern sollen?!“

„Hm… Indem ich mich nicht so kindisch verhalten hätte? Ich denke, sie hatte schon gewissenmaßen recht…“, seufzte Shou schwer. „Ich hätte meine kleine Schwester nicht so aufdrehen dürfen, dann wäre der Sturz und alles Andere gar nicht passiert. Ich war der Ältere, aber ich hab mich nicht so benommen.“

Hiroto blickte ihn betroffen an.

„Du weißt, dass man dich nicht dafür verantwortlich machen kann“, sagte er.

Der Ältere streckte eine Hand aus und zeichnete gedankenversunken einen kleinen Kreis auf Hirotos Knie.
 

„Wahrscheinlich ist das so…“, räumte er ein. „Trotzdem – ich konnte die Schuldgefühle, die meine Mutter mir unbewusst einflößte, mit der Zeit immer weniger vertragen. Außerdem stand sie ohne Vater allein da und unsere finanzielle Lage verschlimmerte sich zunehmend, was ich auch darauf zurückführte, dass sie außer sich selbst noch mich versorgen musste. Mit 16 hab ich eines Nachts meine Sachen gepackt und bin abgehauen. Ich wollte ihr – und mir – die Belastung ersparen… Die ersten zwei Jahre…“

Shou versank für einige Sekunden wieder in Erinnerungen und Hiroto hatte den seltsamen Eindruck, dass er schließlich nicht das sagte, was er vorgehabt hatte zu sagen.

„Die ersten zwei Jahre bin ich ganz gut durchgekommen. Aber dann bin ich endgültig auf der Straße gelandet… Es war nicht gerade ein Zuckerschlecken, das kannst du dir sicher denken. Und nach zwei Wochen hatte ich bereits mehrmals daran gedacht, meinem Leben ein Ende zu setzen. Ich kam mir einfach nur nichtswürdig vor. Aber schließlich…ist es doch anders geklommen. Vielleicht hast du schon mal einen wuseligen blonden Jungen gesehen, der hier arbeitet…“

Hiroto dachte an den Angestellten, der ihn bei seinem ersten Besuch zu Shou geführt hatte.

„Den mit dem Tattoo auf der Brust? Takeru hieß er doch…“

„Genau“, nickte Shou. „Er war es, der mich zufällig gefunden und aufgesammelt hat. Ich weiß nicht, wie er in dem jungen Alter überhaupt in der Szene gelandet ist – obwohl er nur als Aushilfskraft hier arbeitet – aber er hat mich an Saga-sama vermittelt und nun bin ich hier. Traut man ihm gar nicht zu, was?“, musste er grinsen.

Hiroto gab nur ein „Hmm…“ von sich und überlegte, ob er Shou darauf ansprechen sollte, was in den erwähnten ersten zwei Jahren passiert war, entschied sich aber dagegen – vor allem, weil ihn eine andere Frage weitaus mehr beschäftigte.
 

„Shou, du…denkst doch heute nicht immer noch daran?“

Der Ältere blickte ihn etwas verständnislos an.

„Woran?“

„Daran…“, murmelte der Blonde leise, hielt jedoch fest Shous Blick stand, „dein Leben zu beenden.“

Zu seiner Bestürzung schien dieser nicht sofort darauf antworten zu können. Shou kämpfte derweil mit sich – sollte er Hiroto gegenüber wirklich so offen sein? Er hatte ihm schon so viel verraten, dass er das Gefühl hatte, völlig schutzlos vor ihm dazustehen. Und doch gab es da diesen Teil in ihm – diesen mächtigen Teil – der dem Jüngeren sein Herz ausschütten wollte, weil er ihm einfach so vertraute.

„Shou…“

Hirotos Stimme verriet deutlich seine Anspannung und Unsicherheit und Shou wusste plötzlich, dass es ihm nicht gelingen würde, ihn anzulügen. Entweder er sagte gar nichts, oder die Wahrheit.

„Es ist nicht so einfach…“, meinte er zögerlich.

Dann richtete er sich auf und sah dem Blonden so eindringlich in die Augen, dass dieser sich nur mit Überwindung davon abhalten konnte, zurückzuweichen.

„Wie findest du das, was ich hier mache?“

„W-Was?“, fragte Hiroto über alle Maßen verwirrt.

„Dieser Job…“, erklärte Shou angewidert. „Ich find’s niederträchtig, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin. Meinst du nicht?“

„I-Ich…“, fing der Kleinere an, doch die stechende Bitterkeit in Shous Worten verschlug ihm die Sprache. Er hatte sich bisher keinerlei Gedanken darum gemacht, wie die Arbeit im Colors sich auf den Anderen auswirken mochte und was dieser ihr gegenüber empfand.

„Du antwortest nicht“, stellte der Braunhaarige mit einem traurigen Lächeln fest. „Weil du mich nicht verletzen willst? Keine Sorge – du könntest nichts sagen, was ich mir nicht selbst schon jeden Tag vorhalte.“ Er senkte den Kopf.
 

Auf einmal verspürte Hiroto einen überwältigenden Drang, Shou an sich zu drücken und ihn am Weiterreden zu hindern. ~Weshalb ist er so streng mit sich selbst…?~ Stattdessen aber zügelte er sein Temperament und sagte nur:

„Ich denke es kommt bei einem Menschen nicht auf seinen Job an, sondern auf seinen Charakter. Glaubst du, ich wäre noch hier, wenn ich dich für so verabscheuungswürdig hielte?“

Erstaunt sah Shou auf, doch auch Hirotos Worte konnten ihn nicht so leicht von seiner Sicht der Dinge abbringen.

„Sieh dir doch mein Leben an! Was du sagst, ändert nichts an den Tatsachen… Ich bin hier, weil ich dafür bezahlt werde – und du weil du es dir leisten kannst!“

„Das stimmt nicht!“, widersprach Hiroto gekränkt. „Und außerdem…wirst du dieses Leben doch nicht immer führen! Du hast selbst gesagt, dass du andere Zukunftspläne hast, dass du studieren willst und…--“

„Etwas zu wollen ist aber was Anderes, als etwas wirklich auf die Reihe zu kriegen“, entgegnete Shou mutlos. „Verstehst du…“, meinte er dann etwas ruhiger, während er Hiroto einige Haarsträhnen hinters Ohr strich, „Ich weiß nicht einmal, ob ich das alles überhaupt schaffe, was ich mir jetzt so edelmütig vornehme. Deswegen…“

Er machte eine kurze Pause, als erwägte er, ob er weiterreden sollte.

„Deswegen kommt es mir manchmal vor als nähme dieser Alltag nie ein Ende. Und wäre es nicht viel einfacher, dem allem zu entfliehen…?“

Heftig schüttelte Hiroto den Kopf und umfasste Shous Hände mit den seinen. Shou schenkte ihm den Ansatz eines Lächelns, geschmeichelt von seiner Fürsorge.

„Hey…nimm das doch alles nicht so schrecklich ernst. Es ist nur ein Gedanke, der selten in meinem Hinterkopf rumgeistert…“

„Ich nehm‘s aber ernst“, entgegnete Hiroto aufgewühlt. „Ganz gleich, was du sagst“, bestand er, „…es wäre schrecklich, wenn du dich umringen würdest!“

Shou musste angesichts der Leidenschaftlichkeit des Blonden lachen – auch wenn es eher ein ungläubiges Lachen war.

„Warum?“
 

„Weil es dann…“, murmelte Hiroto und senkte den Blick, „einen wundervollen Menschen weniger auf der Welt gäbe.“

Der Ältere schluckte. Er war schon bei dem gesamten Gespräch nicht auf die Reaktionen gefasst gewesen, die Hiroto gezeigt hatte. Dieser schien das komplette Gegenteil von dem über ihn zu denken, was er selbst über sich dachte. Ihn hatte noch nie Jemand als ‚wundervollen Menschen‘ bezeichnet und er war auch nie dieser Meinung gewesen. Jedoch…es war ein unbeschreiblich schönes, neues Gefühl, das zu hören. Das [style type="italic"]von Hiroto[/style] zu hören…

Eigentlich, begriff Shou, war ihm auch alles egal, was der Rest der Welt von ihm denken mochte, solange Hiroto bei ihm war…

Bestimmt rutschte er näher und hielt die Hände des Kleineren fest, als sie sich von seinen lösen wollten.
 

„Hiroto…“

„Hm?“ Der Kleinere sah ihn schüchtern an, nicht sicher, was sein Ausbruch von eben bewirkt hatte. Allerdings rechnete er nicht damit, was Shou dann tatsächlich sagte.

„Darf ich dich küssen?“

Die Frage kam dem Braunhaarigen beinahe lächerlich vor, als er sie gestellt hatte. Schließlich kamen alle seine Kunden genau deshalb her – um von ihm geküsst, von ihm berührt zu werden… Aber es gab hier einen großen Unterschied – diesmal wollte er es, wollte er Hiroto nah sein, wollte seine Lippen auf den eigenen spüren, so sehr, wie er noch nie etwas gewollt hatte. Woher kam auf einmal dieses Verlangen…?

Hirotos Herz machte einen so großen Satz, dass er Angst hatte, es würde ihm aus der Kehle springen. ~Ist mir eben der Themenwechsel entgangen oder was...?~ Dass Shou ihn immer so überrumpeln musste! Er war sich sicher, dass er in seinem Leben nie so rot geworden war, wie jetzt. Sein Gesicht glühte förmlich... Wie zur Hölle konnte eine einfache Frage so etwas auslösen?

Doch bevor er die Zeit hatte, groß darüber nachzudenken, sagte sein Instinkt ihm: ja! Und Hiroto hörte darauf. Er nickte langsam.

Es war nur ein Kuss… Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass das trotzdem etwas ganz Entscheidendes war. Ein erster Schritt…? Er würde seine selbstgesetzte Grenze überschreiten…

Shou lehnte sich langsam vor und berührte die Wange des Anderen erst sanft mit den Fingern, bevor sich ihre Lippen trafen.

Hiroto hatte sehr gepflegte, weiche Lippen, das merkte der Ältere sofort. Aber er hatte nichts Anderes erwartet… Wie sehr er sich nach dieser Berührung gesehnt hatte, je länger sie den vereinbarten Abstand gehalten hatten! Er musste seine ganze Willenskraft aufbringen, um nicht im nächsten Moment stürmisch über den Anderen herzufallen und ihn damit womöglich erneut zu verschrecken…
 

Doch auch Hirotos Emotionen spielten nicht minder verrückt. Er spürte Shous Zurückhaltung, und das machte den Anderen nur noch begehrenswerter für ihn. Langsam, den Geschmack von Shous Lippen voll auskostend, lehnte er sich ihm entgegen. Eine Hand legte sich ihm sacht in den Nacken, doch gerade als Hiroto glaubte von dem berauschenden Gefühl in den siebten Himmel fortgetragen zu werden, brach Shou seufzend den Kuss.

Fast vorwurfsvoll öffnete der Jüngere die Augen und ein bezauberndes Lächeln strahlte ihm entgegen.

„Danke…“, hauchte Shou leise.

„Wofür…?“

„Für die Erlaubnis“, wurde geschmunzelt. „Du küsst gut…“

Hiroto errötete – sofern dies in noch größerem Ausmaße möglich war – und erwiderte leise: „Du auch.“

„Ich kann’s noch besser…“

„Was…willst du damit andeuten?“, fragte Hiroto und legte den Kopf schief, während sich ein Lächeln auf seine Lippen schlich.

„Dass ich dich nochmal…--“

Bevor Shou die Chance hatte, den Satz zu beenden, hatte der Blonde sich bereits nach vorn geneigt und ihm seinen Wunsch erfüllt, indem er ihn in einen zweiten Kuss verwickelte…

Der Ältere ließ seinen Oberkörper aufs Bett zurücksinken und zog Hiroto mit sich, die Arme um dessen Taille schlingend.
 

*
 

Tbc...
 

kommis? ^^

Passion

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Sorrow and solace

Chapter 8: Sorrow and solace
 

Es war eins der schönsten Gefühle, die der 18-Jährige bislang erlebt hatte…in Shous Armen aus dem süßen Schlummer zu erwachen, in den er nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht gefallen war. Hiroto gab ein zufrieden-schläfriges Stöhnen von sich und kuschelte sich in die Mischung aus Haut und Decke, die ihn wärmend umgab. Er wollte die Augen noch nicht aufmachen, doch…
 

„Hey, Schlafmütze…“ Ein leises Schmunzeln erklang irgendwo über seinem Kopf. „Ich will dich ja nicht drängen, aber…“, ein Kuss landete auf seiner Stirn, „ich hab Feierabend.“

Der Dunkelhaarige antwortete mit einem unwilligen Grummeln und bewegte sich nicht von der Stelle.

„Hiroto“, versuchte Shou es seufzend nochmal. „Ich muss zur Arbeit.“

„…hm…?“

Diese Aussage hatte den Kleineren nun doch hellhörig gemacht. Benommen hob er seinen Kopf und blinzelte Shous hübschem, lächelnden Gesicht entgegen.

„Aber du hast doch eben gesagt…du hättest Feierabend…?“

Der unheimlich niedliche, verständnislose Ton Hirotos löste in Shou den Wunsch aus, ihn zu küssen und der Braunhaarige kam dieser Eingebung nur zu gern nach.

Der Jüngere seufzte entspannt gegen die Lippen seines Lovers und hätte schon beinahe die gesamte Konversation davor vergessen, hätte Shou ihn nicht blöderweise mit seiner nächsten Bemerkung daran erinnert.

„Hier im Colors, ja. Aber wie du weißt, habe ich noch zwei andere Jobs…“

„Waaas…jetzt?“

„Nein, jetzt nur einen davon“, neckte Shou ihn und tippte dem nun endgültig Erwachten auf die Nasenspitze.

„Wo arbeitest du so früh eigentlich?“, fragte Hiroto und erinnerte sich daran, dass er den Anderen schon lange auf seine weiteren Jobs ansprechen hatte wollen.

„Im Pflegeheim“, antwortete dieser und musste aufgrund des verwunderten Blicks, der ihm daraufhin förmlich entgegensprang, auflachen. „Das hast du wohl nicht erwartet?“

„Ähm“, wurde nicht besonders geistreich erwidert, doch der Dunkelhaarige fand schnell seine Sprache wieder. „Stimmt…ich meine, das überrascht mich wegen…“

„Wegen meiner Arbeit im Colors?“, vervollständigte Shou schmunzelnd.

Sie hatten sich beide aufgerichtet und saßen einander gegenüber im Bett.

„Überrascht es dich auch, dass ich abends als Bedienung und Küchenhilfe in einem Restaurant arbeite?“

„Echt??“, konnte der Jüngere sich nicht verkneifen. „Das sind ja völlig verschiedene Welten, in denen du lebst!“

„Ja“, nickte Shou, „aber wenn ich mich nicht beeile, bin ich den ersten Job bald los.“
 

„Hm…“, machte Hiroto und senkte den Kopf. Er wäre so gern noch etwas länger mit Shou zusammengeblieben…

„Hey, warum das lange Gesicht?“, fragte der Ältere und hob Hirotos Kinn mit einer Hand etwas an. „Wir sehen uns doch bald wieder…oder?“

Hiroto konnte nicht umhin, zu lächeln, auch wenn sie für den Moment getrennte Wege gingen. „Na ich hoffe doch!“

„Also“, meinte Shou und zog ihn beim Aufstehen mit sich. „Nun muss ich aber wirklich los…“
 

Als sie es mit einigen Unterbrechungen geschafft hatten, aus dem Zimmer zu kommen, blieben sie dort kurz stehen, um sich zu verabschieden. Der Korridor war völlig menschenleer.

„Wann treffen—“, fing Shou an, doch Hiroto legte ihm einen Finger auf die Lippen, um ihn am Weitersprechen zu hindern.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte er grinsend und küsste ihn. „Ich komm einfach vorbei, sobald ich kann…“

„Okay“, nickte der Braunhaarige, obwohl er mit so einer wagen Antwort nicht ganz zufrieden war. Aber immerhin würde ihre Trennung Hirotos glücklichem Gesichtsausdruck nach zu urteilen nicht besonders lange dauern.

„Na dann…bis bald“, hauchte dieser gerade und erbat noch einen Abschiedskuss vom Anderen.

„Hiroto…“ Shou nahm die Hände des Kleineren in seine und betrachtete ihre ineinander verflochtenen Finger, während er leise sagte: „Ich liebe dich.“

Dann fanden sich ihre Lippen in einem langen, sehnsuchtsvollen Kuss und wäre Shou nicht Gefahr gelaufen, zu spät zu kommen, hätte keiner von ihnen den Willen aufgebracht, diesen zu brechen. Doch schließlich lösten sie sich voneinander und Hiroto wiederholte die letzten Worte des Älteren mit einem verlegenen Lächeln.

Sie würden sich bald wiedersehen.
 

***
 

~Sieh mal einer an…das ist ja wirklich interessant!~

Chiyu, der sich am Ende des Korridors hinter der Ecke versteckt hielt, hatte die ganze Szene unbemerkt beobachtet. Er war zufällig den Gang entlanggelaufen, um auf Sagas Order hin nachzusehen, ob alle Zimmer bereits leer waren, doch das, worauf er hier gestoßen war, erweckte augenblicklich seine Neugierde. War das nicht der Kleine gewesen, den er am Abend zuvor in die Bar begleitet hatte und der unverständlicherweise sein Angebot, ein bisschen mit ihm zu „spielen“, abgelehnt hatte? Wobei…wie es aussah, war es doch nicht so unverständlich…

~Shou scheint ihn ja ganz schön um den Finger gewickelt zu haben… Wenn Saga davon wüsste!~, dachte er mit einem hinterlistigen Grinsen. ~Nicht auszudenken, was er sagen würde, wenn einer seiner Angestellten eine so wichtige Regel bricht und mit einem Kunden was anfängt…! Daraus lässt sich gewiss ein Vorteil schlagen. Hmm…trotzdem ist es mir ein Rätsel, warum der Kleine Shou mir vorzieht…~
 

Als die beiden Beobachteten in seine Richtung loszugehen schienen, tat Chiyu so, als käme er gerade eben um die Ecke – und ihm entging Shous misstrauischer Blick keineswegs, den er seinerseits undefinierbar grinsend erwiderte.
 

***
 

Solange er denken konnte, war er noch nie in seinem Leben derartig gedemütigt worden.
 

Ruki wusste nicht, ob er schreien oder um sich schlagen sollte – stürmisch schritt er in seiner Wohnung zum x-ten Mal auf und ab, schon den ganzen Nachmittag lang. Dieser Widerling von einem Kunden hatte ihm letzte Nacht wirklich den Rest gegeben. Doch er würde einen Teufel tun und das alles einfach so auf sich sitzen lassen! Wenn der Typ dachte, er käme damit so leicht davon, hatte er sich gewaltig geschnitten. Mehr als gewaltig!

~Du wirst dich noch wundern, du mieses Stück… Du hast die längste Zeit ein sorgloses Dasein gehabt!!!~

Nach dem, was der Idiot mit ihm abgezogen hatte, kam es Ruki nur fair, nein, eher unumgänglich, vor, Rache zu nehmen…
 

…Flashback…
 

Der Brünette stieß Reita weg und stürzte sich auf ihn, um ihm ein zweites Mals eins auszuwischen. Doch dieses Mal ging sein Schlag ins Leere, da der Größere den Angriff hatte kommen sehen und sich flink zur Seite rollte – Rukis Faust traf die Bettdecke.

„Ach, du willst es auf die harte Tour lernen?“, lachte Reita und zerrte ihn vom Bett herunter, wobei Ruki schmerzhaft auf dem Boden landete.

„Das lässt sich einrichten…“

Entsetzt fand sich der Kleinere erneut gewaltsam seiner Bewegungsfreiheit beraubt und zu allem Überfluss begann sein Kunde mit lüsternem Grinsen seinen Hals abzuknutschen.

„Finger weg!!!“, keifte er wutentbrannt und machte einen Versuch, Reita am Ohr zu beißen, doch dieser ließ sich nicht so leicht abwimmeln.

„Du musst tun, was ich wünsche, hast du vergessen?“, erklärte der Blonde amüsiert und riss Rukis Arme nach oben, damit er sie mit einer Hand übernehmen konnte. Mit der anderen zog er den Gürtel aus dessen Mantel und machte diesen auf, sodass er an den Seiten neben Rukis Körper auf den Boden fiel.

„Untersteh dich…“ Die Worte des Brünetten sprühten vor Mordlust.

„Das finde ich noch viel aufregender, wenn du dich so wehrst“, grinste Reita unbeirrt und leckte mit der Zunge einmal quer über Rukis Oberkörper, seine linke Brustwarze streifend.

„Gnnhhh….“ Der Kleinere wand sich vergeblich unter ihm und knurrte, den Kopf zur Seite wendend.

„Eigentlich gefällt dir das, oder?“, triezte ihn Reita. „Gib’s zu, Rukilein…!“

„Ich bring dich um, Mistkerl!!!“, war die undiplomatische Antwort.

Das Schlimmste an der Sache war, dass sein Körper – aber auch nur sein Körper! – tatsächlich auf die Berührungen des Anderen reagierte, und zwar nicht so, wie Ruki es gewollt hätte. ~Warum erregt mich dieser Idiot auch noch?!! Oh Gott…~ Sein Stolz ging gerade mächtig baden.

Während Reita jetzt mit den Fingern um seine Hüften strich und sich dabei sichtlich vergnügte, stieg in Ruki der dringende Wunsch auf, sich zu übergeben. Wie hatte er nur in solch eine Situation kommen können…?!

„Du bist ja so eitel…“, flüsterte plötzlich die Stimme des Blonden an seinem Ohr. „Ich würde zu gern hören, wie die mich um mehr anbettelst, Ruki…‘Reita, mehr…‘“ Ein fieses Lachen.

~Reita…?~, schoss es ihm durch den Kopf. So hieß der Typ also…

„Hör auf!!!“, fauchte Ruki.

„Hmm…dein Körper sagt was Anderes“, bemerkte der Größere und zwang ihm einen rauen Kuss auf, wonach er sich zu Rukis absoluter Fassungslosigkeit wirklich aufrichtete und ihn losließ.

„Aber jetzt, wo du so scharf auf mich bist, tu ich dir den Gefallen nicht, sorry“, sagte er herablassend und stand kurzerhand auf, um mit einem letzten, herrischen Blick über ihn hinweg zu steigen und zu gehen.

Er ließ einen völlig verwirrten und obendrein zutiefst beschämten Ruki starr auf dem Boden von ‚Room green‘ liegen.
 

...Flashback end
 

Es war so erniedrigend gewesen…

Ruki war immer noch zum Kotzen zumute, wenn er daran dachte, was für eine Blöße er sich vor Reita gegeben hatte. Allerdings war es ein Fehler von diesem gewesen, ihm seinen Namen zu verraten. Er würde schon gewisse Quellen auszunutzen wissen und ihn finden und dann würde er ihm so gehörig in seinen angeberischen Arsch treten, dass er sich wünschte, seine unglücklichen Füße hätten ihn niemals auch nur in die Nähe des Colors gebracht…!

Ruki knirschte mit den Zähnen und schnappte sich seine Jacke, wonach er das Haus verließ und sich auf Informationsjagd begab.
 

***
 

Takeru hatte es am selben Nachmittag tatsächlich auf die Reihe gebracht, Masato und Uruha mit sich in den Freizeitpark zu schleppen. Um sicherzugehen, dass sich keiner der Beiden vor dem Ausflug drückte, hatte er sie persönlich im Taxi abgeholt und obwohl es verwunderlich schien, lief der erste Teil des Vorhabens ganz lustig ab.

Das wasserstoffblonde Energiebündel ließ keine Möglichkeit aus, sie auf alle möglichen und unmöglichen Attraktionen mitzunehmen und während sie mal lachten, mal stritten und mal vor Takeru wegliefen, wenn es ihnen zu bunt wurde (was meistens in die Hose ging), vergaßen sie ein wenig ihre Sorgen.

Für Masato war es zwar nicht immer einfach, mit dem Jüngeren zusammen zu sein, ohne ihm zu nahe zu kommen, obwohl sein Herz nach mehr schrie – doch er war nicht schwach und er stand tapfer alles durch, ohne ein Zeichen des Unwohlseins von sich zu geben.

Nach zwei Stunden endlosem Hin- und Hergerenne baten Takerus Opfer um eine kleine Verschnaufpause auf einer Bank im Schatten.

„Macht ihr schon schlapp?“, grinste Takeru sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis seiner selbst organisierten Erlebnistour. „Na schön, ihr alten Knacker ruht euch ein bisschen aus – und ich gehe mir inzwischen diese neue Bahn anschauen, von der alle sprechen!!“

„Pff...! Wen nennst du hier einen alten Knacker?!“, rief Masato ihm hinterher, aber Takeru streckte ihm nur die Zunge heraus und lief weiter.

Sie sahen dem Blonden hinterher, bis er in der Menschenmenge, die sich um besagte neue Attraktion versammelt hatte, verschwand.
 

„War nett von ihm, uns einzuladen“, sagte Uruha nach einer ganzen Weile und blickte dabei zum strahlend blauen Himmel empor. Die Blätter des großen Ahornbaums über ihnen wiegten sich im Wind und verschmolzen mit dem Blau und dem Gold der Sonnenstrahlen zu einem harmonischen, dreifarbigen Zusammenspiel.

Masato sah ihn etwas zerstreut an.

„Du klingst nicht besonders enthusiastisch“, bemerkte er.

Sein Gegenüber drehte sich wortlos in seine Richtung, streckte einen Arm auf der Banklehne aus und bettete seinen Kopf und den zweiten Arm darauf. So verblieb er, mit geschlossenen Augen, während der Wind ein paar lange, blond-braun gefärbte Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fielen, umspielte.

~Er sieht wirklich hübsch aus…~, ging es Masato durch den Kopf, als er das Bild, das sich ihm bot, betrachtete. Allerdings machte Uruha auch einen erschöpften und ausgelaugten Eindruck und das gefiel ihm schon weniger. Und die Atmosphäre war so schnell ernster geworden, dass er es schon fast unheimlich fand.

„Hey…“, meinte Masato leise, wie um die ruhende Schönheit nicht aufzuschrecken, „Ist alles in Ordnung…?“

Uruha schlug die Lider auf und erwiderte seinen Blick gedankenversunken.

„Masato…“, sagte er, indem er den Kopf hin und her wiegte, „...findest du mich eigentlich…attraktiv?“

Der Caramelblonde hob verwundert eine Augenbraue. Offensichtlich hatte die Frage ihn unerwartet getroffen. ~Warum will er das wissen?~

„Also…ja, schon…“, erwiderte er wahrheitsgemäß, jedoch zögernd. Und bevor er sich nach dem Grund der Frage erkundigen konnte, fand er sich in einer völlig ungeahnten Situation wieder – Uruha…küsste ihn plötzlich?!

„Mhh…!“
 

*
 

Im selben Augenblick bog ein gewisser wasserstoffblonder Junge leichten Schrittes um einen Schießstand und sein Blick fiel auf die zwei Freunde, die er in den Freizeitpark mitgenommen hatte…

Takeru blieb erst wie angewurzelt stehen, wonach er jedoch instinktiv ein Stück nach hinten trat, um sich stolpernd hinter dem Stand zu verstecken.

„Hey, pass doch auf, Idiot!!!“, fuhr ihn ein großgewachsener Typ mit Bart an, gegen den er ungeschickterweise gelaufen war, ohne nach hinten zu sehen.

Verstört wandte der Blonde sich um und stammelte ins Leere: „T-tut mir leid…“, während der Mann längst weitergegangen war. Er brauchte einen Moment, um seinen Puls zur Ruhe zu zwingen und blieb kurz mit geschlossenen Augen stehen, langsam ein- und ausatmend.

~Alles in Ordnung…reiß dich zusammen…~
 

*
 

Nach dem ersten Schockmoment wich Masato zurück und sah sein Gegenüber verständnislos an.
 

„Uruha…? Was zum—“

„Du sagtest doch, du fändest mich attraktiv!“, fiel dieser ihm fast beleidigt ins Wort.

„Aber doch nicht…ich meinte das allgemein, nicht in dem Sinne, dass…“, stammelte Masato kopfschüttelnd. „Und überhaupt…was ist mit Aoi? Ihr seid doch—“

Wieder unterbrach ihn Uruha, den Blick zur Seite wendend: „Aoi und ich führen eine offene Beziehung! Er weiß das und ich…und ich…“

Plötzlich verstummte der Brünette und Masato bemerkte erschrocken, dass dessen Schultern zu zittern anfingen.

„Hey…“

Wütend auf sich selbst, weil er vor Masato derart Schwäche zeigte, versuchte Uruha die aufkommenden Tränen wegzublinzeln, aber sein Gegenüber hatte natürlich längst bemerkt, dass etwas nicht stimmte.

„Warum weinst du denn…?“, wollte Masato wissen und strich ihm tröstend über den Rücken, alle Verwirrung mit einem Mal vergessend.

„Es…“, schluchzte Uruha, „…es ist wegen…Aoi…“

„Komm…“, murmelte Masato sanft und legte ihm einen Arm um die Schultern. „Nicht weinen…habt ihr euch gestritten?“

Uruha vergrub sein Gesicht in dessen Halsbeuge und klammerte sich wie ein schutzsuchendes Kätzchen an ihn.

„Ich kann das nicht...ich kann diese Art von Beziehung nicht führen…!“, sagte er schniefend. „Ich hab zugestimmt, weil ich Aoi nicht verlieren wollte! Ich dachte, ich käme damit klar, aber…aber…jetzt hat er mit Chiyu…und…als ich das…“ Das restliche Gemurmel ging in Schluchzern unter und Masato konnte es nicht mehr verstehen.

Er streichelte dem Weinenden übers Haar und flüsterte dabei beruhigende Worte, bis die Tränen schließlich versiegt waren.

„Du liebst Aoi sehr, oder?“, fragte Masato leise und rutschte ein Stück weg, um den Anderen besser ansehen zu können.

Uruha nickte und biss die Zähne zusammen. „M-hm…“

„Wieso sagst du ihm dann nicht, dass sein Verhalten dich verletzt?“

„Ich…kann einfach nicht…“
 

In dem Moment kam Takeru wieder. Jeder hätte angesichts der Situation kurzerhand das Gefühl bekommen, dass er sie bei etwas gestört hatte, da Beide seufzten und ihr Gespräch nur zu auffällig unterbrachen.

„Hey, was ist denn mit euch los?“, wollte er wissen und sah abwechselnd von Einem zum Anderen. „Kaum lässt man euch allein, schon sinkt die Stimmung wieder! Ts…“

„Es ist nichts“, sagte Uruha schnell, bevor Masato überhaupt einen Ton von sich geben konnte. Der Caramelblonde sah seinen Kollegen immer noch etwas besorgt an, nickte dann aber zustimmend. Er konnte sehr gut verstehen, dass dieser nicht über seinen Ausbruch reden wollte und vermutete sogar, dass er selbst nur durch Zufall erfahren hatte, in welcher Lage Uruha gerade steckte. Er würde niemandem davon erzählen, was hier vorgefallen war – auch wenn sein angeborener Beschützerinstinkt ihm dringend riet, ein ernstes Gespräch mit Aoi zu führen.

~Doch das ist eigentlich Uruhas Sache und ich sollte mich nicht einmischen. Wenn er mit Aois Ansichten nicht umgehen kann, muss er ihm das sagen, statt alles in sich hineinzufressen…~

Bei diesem Gedanken drängte sich ihm unwillkürlich ein Vergleich auf, auf den er sehr gut hätte verzichten können. Schließlich tat er selbst nichts Anderes, als seine Gefühle und seine Enttäuschung über das Verhältnis zwischen ihm und Takeru tief und fest in seinem Innern einzuschließen. Aber wenn es eben nicht sein sollte…? Was konnte er schon dagegen ausrichten?
 

„Hallo, Erde an Masatoooo!“, wurde er aus seiner Gedankenwelt gerissen, indem ausgerechnet das Objekt seines Kopfzerbrechens ihn am Ärmel seines weißen Hemds zupfte.

„Was bist du denn immer so abwesend?“, wollte Takeru mit einem leicht schmollenden Ton wissen.

„Sorry…“ ~Ich sollte wirklich nicht so leicht abschweifen…~

„Und was machen wir jetzt?“, fragte der Jüngste wie gewohnt heiter. „Wollt ihr etwas essen? Wie wär’s mit Zuckerwatte?“

„Zuckerwatte?“, wiederholte Uruha und machte ein etwas angesäuertes Gesicht. „Nennst du das etwa Essen?“

Takeru zuckte mit den Schultern.

„Was soll es denn sonst sein?“

„Ach…“ Uruha gab einen langen Seufzer von sich und schaffte es sogar, nachsichtig zu lächeln. „Vergiss es einfach, Takeru... Bei dir sollte einen echt nichts mehr überraschen.“

„Allerdings“, stimmte Masato zu und schmunzelte.

Es brachte doch nichts, immer nur Trübsal zu blasen, da hatte Takeru recht gehabt. Dafür würde er noch genügend Zeit haben, wenn er allein war. Außerdem galt es jetzt auch, Uruha auf andere Gedanken zu bringen und er nahm sich vor, diesem den restlichen Tag über etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
 

Sie gingen wie vorgeschlagen etwas essen (wobei Takeru mit den Worten „Ihr versteht ja gar nichts, ihr Banausen!“ und unter Lachen der anderen Zwei auf seine Zuckerwatte bestand) und amüsierten sich bis zum frühen Abend so gut es ging, jeder darauf bedacht, sich nichts darüber anmerken zu lassen, was ihm wirklich durch den Kopf ging.

Danach verabschiedeten sich alle Drei und machten sich auf den Weg nach Hause, um ein wenig Atem zu schöpfen, zu duschen und sich für die Nachtschicht fertig zu machen, mit Ausnahme von Masato, denn der hatte in dieser Nacht – auf das ständige Drängen Shous hin, sich eine Auszeit zu nehmen – frei.
 

***
 

Yuji war inzwischen klar geworden, dass sich seine und Hirotos Beziehung, wenn es denn noch eine solche gab, ohne sein Zutun in keine gute Richtung bewegen würde. Er durfte nicht zuhause sitzen und seine Versuche, Kontakt zu seinem – ehemaligen? – Freund aufzunehmen, rein telefonischer Natur belassen.

Rastlos streifte er durch die Stadt (in Hirotos Wohnung hielt er es einfach nicht mehr aus) und ohne darauf zu achten, wohin ihn seine Füße trugen, hatte er sich in ein hübsches kleines Viertel voller verschiedenartiger Restaurants verirrt.

Glücklicherweise würde er Hiroto schon bald wiedersehen und dem konnte der Andere nicht entgehen, selbst wenn er es noch so sehr wollte… Ein sehr wichtiger Empfang seiner Firma stand in einigen Tagen an. Und Yujis Vater und er selbst waren ebenfalls eingeladen – Hiroto allerdings hatte nicht zu entscheiden, ob er anwesend sein wollte – es war Pflicht für ihn als Mitbesitzer des Unternehmens.

Es machte keinen Sinn, ihn vor diesem Treffen sprechen zu wollen. Stattdessen würde er sich lieber überlegen, wie er ihm erklären konnte, wie sehr ihm die ganze Geschichte leid tat und wie unglaublich er ihn vermisste. Seit er die Trennung vollends realisiert hatte, fühlte Yuji sich als wäre er in ein tiefes, schwarzes Loch gefallen. Und das sowohl psychisch als auch physisch. Wie hatte er nur so blind sein können und sich selbst diesen Schlag ins Gesicht verpassen?

Gott, er konnte einfach nicht ohne Hiroto. Er musste ihn sehen…
 

Der Brünette verspürte absolut keine Lust dazu, sich nachts vergeblich im Bett umher zu wälzen, da er sowieso nicht einschlafen konnte und beschloss, durchzumachen.

~Da schadet ein Kaffee nicht…~, dachte er und sah sich zwischen der völlig verwirrenden Menge an Lokalen um.

Seine Wahl fiel schließlich auf ein hübsches Restaurant in roten Tönen und zwar aus dem einzigen Grund, dass es kleiner als die anderen war und nach Etwas aussah, wo man seine Ruhe hatte. Er ging hinein und steuerte auf einen unauffälligen Fenstertisch in der Ecke zu.

Es dauerte nicht lange, da kam auch schon ein junger, braunhaariger Mann mit einem kleinen Schreibblock und Stift auf ihn zu und fragte ihn lächelnd, was er bestellen mochte.
 

*
 

Es war ein turbulenter Tag für Shou, denn er hatte nonstop Schichten, sowohl im Heim, als auch im Restaurant, und schließlich würde er noch ins Colors müssen, aber der Braunhaarige verspürte eine solche Energie, dass er sich nicht im Geringsten darüber beschwerte. Seit langem war es ihm nicht mehr so gut gegangen.

Als bis zu seinem Dienstschluss eine gute halbe Stunde blieb, wurde Shou von der Arbeit in der Küche zum Bedienen abkommandiert. Der erste Gast, den er bediente, war ein hübscher, junger Typ, der allerdings dreinschaute wie sieben Tage Regenwetter.

„Verzeihung“, sprach Shou den Brünetten an und schenkte ihm ein Lächeln, das der Andere wirklich nötig zu haben schien, „was wünschen Sie zu bestellen?“

„Oh…hm…“, meinte dieser etwas zerstreut. „Ist es hier möglich, einfach einen starken Kaffee zu bekommen? Ich hab gar keinen Hunger…“

Shou zögerte kurz, denn eigentlich mochte der Chef es nicht, wenn Leute ins Restaurant kamen, um nur an ihren Getränken zu nippen und vor sich hinzuvegetieren (genau das waren seine Worte gewesen), aber dann erinnerte er sich guten Gewissens an die Regel „Der Kunde ist König“ und da zudem das Restaurant nicht gerade überfüllt zu nennen war, fand er nichts, was dagegen spräche. (Außerdem war der Restaurant-Chef ein echter Kotzbrocken und Shou sah nicht ein, warum er immer solche dummen Richtlinien befolgen sollte.)

„Ich denke, das kann ich einrichten“, meinte er verschwörerisch und zwinkerte dem Gast lächelnd zu. Mit seiner offenen Art schaffte er es sogar, diesem ein leises Schmunzeln zu entlocken.

„Okay, dann einen Kaffee bitte“, bestätigte der junge Mann.

„Kommt sofort!“
 

*
 

~Scheint ein netter Kerl zu sein…~, dachte Yuji und fuhr sich mit einer Hand durch sein weiches Haar, das daraufhin wieder locker auf seine Schultern fiel. ~Hm…Oder er macht einfach nur seinen Job.~

Zehn Minuten vergingen und dann sah er seine Bedienung, ein kleines Tablett auf einem Arm balancierend, auf ihn zueilen.

„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, brachte der Braunhaarige etwas außer Atem hervor und stellte die Tasse, ein Kännchen Milch und den Zucker mit geübten Bewegungen vor Yuji auf dem Tisch ab. „Es gab ein paar…Komplikationen in der Küche.“

Der junge Gast winkte ab. „Kein Problem, wirklich.“

„Danke“, nickte der Angestellte und verbeugte sich leicht, um sich gleich den nächsten Restaurantbesuchern zu widmen.

Während er so dasaß, an seinem Kaffee nippte und vor sich hinvegetierte, merkte Yuji gar nicht, wie die Zeit dahinflog.
 

*
 

Fertig mit seiner Schicht, zog Shou sich hinten im Mitarbeiter-Bereich in seine Alltagskleidung um und schloss seinen Spint ab, bevor er rausging und durch den Gang zwischen den Tischreihen in Richtung Tür schlenderte. Sein Blick fiel dabei zufällig auf den Ecktisch, an dem vorhin der Brünette gesessen hatte – und zu seiner Überraschung immer noch saß.

~Nanu? Er ist ja noch da… Und er sieht irgendwie bedrückt aus…~

Shou hielt für einen Moment inne und wechselte die Richtung.

„Hey.“

Angesprochener hob den Kopf, den er auf seinem Ellbogen abgestützt hatte und blickte ihn fragend an.

„Alles in Ordnung bei…dir?“, fragte Shou etwas weniger höflich – er war ja nicht mehr im Dienst und der Andere schien etwa in seinem Alter zu sein.

Wie vermutet schien das diesen nicht zu stören und er passte sich nahtlos an die Anrede an. „Ja…es geht. Du hast wohl Schluss?“

Der Braunhaarige nickte, musste zur Sicherheit aber gleich auf die Uhr sehen – er durfte seinen Bus nicht verpassen…

„Bist du fertig?“, wollte er dann wissen und deutete dabei auf die längst geleerte Kaffeetasse.

„M-hm.“

„Wie wär’s mit ein bisschen frischer Luft?“, schlug Shou freundlich vor. „Du siehst aus, als könntest du welche gebrauchen.“
 

*
 

Yuji runzelte die Stirn und wollte schon ablehnen, aber andererseits fand er es ziemlich nett von diesem Fremden, dass er ihm Gesellschaft leisten wollte, nur weil er etwas müde oder wie auch immer aussah.

Deswegen stimmte er doch zu und sie verließen zusammen das Restaurant, um in Richtung der nächstgelegenen Bushaltestelle, zu der der Andere musste, zu laufen.

Den ganzen Weg über – der etwa zehn Minuten dauerte – gingen sie einfach schweigend nebeneinander her. Es war ein seltsames Erlebnis… Yuji kam sich vor, als sei er allein unterwegs und doch spendete die Anwesenheit einer netten Seele ihm ein wenig Trost. Als sie bei der Haltestelle ankamen, fuhr der Bus gerade ein.

„Na dann, Zeit, sich zu verabschieden“, meinte der Fremde.

„Ja…danke für den Spaziergang“, antwortete Yuji.

Der Braunhaarige wandte sich vor dem Einsteigen nochmal um und winkte. „Alles Gute!“, rief er ihm zum Abschied zu und Yuji sah dem Bus hinterher, bis dieser hinter die nächste Ecke bog.

~Das war ja eine komische Begegnung…~, ging es ihm durch den Kopf, während er sich erneut daran machte, wahllos die Straßen der Stadt abzulaufen.

An seinem Vorhaben, wach zu bleiben, hatte sich nichts geändert – aber er fühlte sich seltsamerweise etwas weniger…verloren.
 

***
 

Hiroto stand in dieser Nacht nicht auf seiner Kundenliste, aber das machte Shou nicht besonders Sorgen. Der Jüngere hatte letztes Mal kaum geschlafen und er hatte erzählt, dass ihm ein Tag voll von Terminen im Zusammenhang mit seiner Firma bevorstand – deswegen konnte Shou sich vorstellen, dass er todmüde sein musste.

~Es ist gut, wenn er sich ausruht~, dachte er, während er im Umkleideraum saß und beobachtete, wie Uruha – ab und an seufzend – seine Haare kämmte. ~Die letzten Tage müssen verwirrend für ihn gewesen sein…~ Er selbst war ja schon an seinen verrückten Schlafrhythmus gewohnt – nachts war er meist wach, während er mittags nach der Frühschicht im Pflegeheim bis zu seiner Abendschicht im Restaurant schlief.

„Sag mal, gibt es einen bestimmten Grund, warum du mich so verträumt grinsend anschaust?“, wollte Uruha plötzlich stirnrunzelnd wissen.

Shou blinzelte überrascht. „Hab ich das? Ist mir gar nicht bewusst gewesen, sorry…“

„Ja, hast du. Und du tust es immer noch.“

Shou räusperte sich und versuchte nach allen Kräften, das hartnäckige Grinsen von seinen Lippen zu verbannen.

„Entschuldige, ich hab gerade an jemanden gedacht“, erklärte er. Er wusste, dass man Uruha soweit vertrauen konnte, dass er nicht gleich wegen jeder Auffälligkeit zum Chef rennen würde, wie gewisse andere Kollegen. ~Da fällt mir ein…ich sollte mich vor Chiyu in Acht nehmen. Hoffentlich hat er nichts von meinem Gespräch mit Hiroto mitgekriegt…~

Sein Gegenüber verdrehte indes leicht die Augen, sagte aber nichts weiter.
 

***
 

„Ha!“

Ruki konnte nicht anders, als sich selbst mental auf die Schulter zu klopfen und einen zufriedenen Laut von sich zu geben. Er hatte alles herausgefunden, was er brauchte, um einem gewissen Dorn in seinem Auge die Hölle heiß zu machen, so wie er es verdient hatte.

Zu schade, dass das Ganze noch einen Tag warten musste – er bezweifelte, dass der Chef ihm heute noch freigeben würde, vor allem da er bereits in einer Stunde im Colors sein musste. Allerdings hatte er sich ein wenig Freizeit für den darauffolgenden Abend reserviert…

~Genieß deine Ruhe, solange du sie noch hast…Reita!~
 

***
 

Schließlich stand Shou auf, schnappte sich die Zimmerverteilungsliste und ging hinaus, denn heute war er dran mit dem Kontrolldurchgang durchs Colors, um zu prüfen, ob alles ordentlich aussah und ob besagte Zimmerverteilungen für die Nacht stimmten.

Neben den jeweiligen Räumen steckte in einer Art Plastikbox ein Kärtchen in der gleichen Farbe, nach der der Raum benannt war und darauf stand der Name des Angestellten, der dort in dieser Nacht seine Kunden empfangen sollte.

Beim Kontrollgang stellte Shou erleichtert fest, dass Masatos Name diesmal fehlte – dann hatte sein Freund sich endlich einmal frei genommen! Der Caramelblonde hatte in letzter Zeit einfach zu viele Überstunden gemacht und dabei hatte er ohnehin einen schwachen Kreislauf…

~Ich war so abgelenkt von der Sache mit Hiroto, dass ich mich zu wenig um Masato gekümmert hab~, tadelte Shou sich in Gedanken und nahm sich vor, mal wieder etwas außerhalb des Clubs mit dem Anderen zu unternehmen.

Nachdem er fertig war, trottete der Braunhaarige wieder den ganzen Weg zurück durch einen langen Korridor, der in einer Sackgasse geendet hatte, und da fiel ihm etwas auf.

Zuerst dachte er, er hätte es sich nur eingebildet, aber er entschied sich, nachzusehen und als er einige Schritte zurück zu ‚Room blue‘ machte, der in dieser Nacht frei bleiben sollte, hörte er von drinnen ein gedämpftes Weinen.

Shou sah sich kurz um und drückte dann vorsichtig die Türklinke herunter, seinen Kopf zur Hälfte ins Zimmer steckend.
 

~Du meine Güte…! Ist das…?~

Nein, seine Augen täuschten ihn nicht – da saß tatsächlich der absolut letzte seiner Kollegen, von dem er erwartet hätte, ihn jemals so zu sehen, auf dem Boden neben dem Bett und heulte sich zitternd und schluchzend die Seele aus dem Leib.
 

***
 

Tbc…

Confusion

das nächste kapi^^ einige von euch haben richtig vermutet...

dankeschön für eure kommis <3 *kekse verteil*
 

Chapter 9: Confusion
 

Das Klicken der Tür hatte ihn zusammenzucken lassen. Shou sog die Luft ein, als zwei erschrockene, gerötete Augen zu ihm aufsahen, aus denen einem Wasserfall gleich große Tränen kullerten.

„Takeru…!“

Besorgt machte der Braunhaarige die Tür hinter sich zu und eilte zu dem Häufchen Elend (denn als etwas Anderes hätte man den Jungen im Augenblick wahrlich nicht bezeichnen können), das Takeru war. Er kniete sich neben ihn, die Hand auf eine bebende Schulter legend.

„Mein Gott, was ist denn passiert?“

Anstatt zu antworten, schüttelte der Kleinere heftig mit dem Kopf und kniff die Augen zusammen, während er noch herzzerreißender zu weinen anfing.

Shou wusste nicht, was größer war – der Schock über einen so befremdenden Anblick oder sein aufkommendes Mitleid für den Anderen. Zögernd nahm er Takeru in den Arm und dieser klammerte sich sogleich mit unglaublicher Kraft an ihn und durchnässte sein T-Shirt schon nach kurzer Zeit mit heißen Tränen, die einfach kein Ende nahmen.

„Shh…“

Tröstend wiegte Shou seinen Oberkörper hin und her und wartete geduldig, bis der Blonde sich wieder in der Lage dazu fühlte, zu sprechen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, dann endlich beruhigte dieser sich ein wenig.

„Entschuldige…“, schniefte Takeru, sich etwas vom Älteren lösend, sich aber immer noch mit den Händen in dessen T-Shirt krallend. „Ich…hab dein Oberteil versaut…“

„Halb so schlimm“, sagte Shou ehrlich. Beim Anblick eines verweinten, völlig fertig aussehenden Freundes zog sich dem Braunhaarigen das Herz zusammen. Er wischte Takeru mit dem Handrücken die feuchten Spuren von den Wangen. „Erzähl mir lieber, was mit dir los ist.“

„Das…“ Der Blonde biss sich auf die Lippe und schloss für einen Moment die Augen. Es fiel ihm schwer, zu reden, das sah Shou ihm an.

„Ganz ruhig“, meinte er leise und lächelte ihm lieb zu. „Ich sage niemandem etwas.“
 

„Es geht um…deinen besten Freund“, murmelte Takeru schließlich mit Überwindung.

„Masato?“, fragte Shou verwundert.

War zwischen den Beiden noch etwas vorgefallen, von dem er nichts wusste? ~Aber…Masato sagte doch, dass der Kuss Takeru nichts bedeutet hat…?~

Der Kleinere nickte niedergeschlagen.

„Was ist mit ihm?“, wurde nachgehakt, als er nicht weitersprach.

„Ich…ich hab zufällig gesehen wie er…wie er…“

„Ja…?“

„Wie er Uruha geküsst hat“, brachte Takeru mit heiserer Stimme heraus und klang dabei mehr als nur ein bisschen niedergeschlagen. Ein paar neue Schluchzer folgten zudem und untermauerten die offensichtliche Bedeutung dieses Satzes.

„Er hat was?“, rutschte es Shou vor Überraschung raus.

Masato und Uruha? Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen… Uruha war doch mit Aoi liiert, oder hatte er da was falsch verstanden? Und Masato—

„Moment mal…und deshalb weinst du?“, unterbrach er selbst seine Gedanken.

Takeru schwieg. Aber was gab es da noch zu sagen – noch nie hatte Shou den energischen, lebensfrohen Jungen, der ihn selbst vor der Verzweiflung bewahrt hatte, so neben sich gesehen, das allein sprach schon für sich. Und das alles wegen Masato? Das konnte doch eigentlich nur eins heißen.
 

„Du liebst ihn“, stellte Shou mit großen Augen fest.

Es war keine Frage gewesen und Takeru brachte auch nicht einmal den Willen auf, zu widersprechen. Da hatte sein Freund sich ja gewaltig geirrt, was Takerus Einstellung ihm gegenüber anging… Aber was war das jetzt mit Uruha? Hatte Masato beschlossen, sich von seinen Gefühlen für den Jungen auf diese Weise abzulenken? ~Nein, das kann ich mir nicht vorstellen…~

„Ich werde mit ihm reden“, sagte er, aber Takeru packte ihn fast panisch an den Oberarmen und flehte ihn an, genau das nicht zu tun.

„Was? Warum nicht…?“

„Du hast versprochen, niemandem etwas zu sagen!!!“, erinnerte der Blonde ihn mit neu aufkommenden Tränen.

„Aber ich kann doch nicht…nichts tun!“

„Doch!“, widersprach Takeru und wischte sich bestimmt mit dem Ärmel über die Augen. „Es ist schon wieder alles okay, siehst du?“

Er machte einen kläglichen Versuch, zu lächeln.

„Nein, das sehe ich nicht!“, seufzte Shou und verdrehte die Augen.

„Bitte, vergiss, was ich dir erzählt habe – vergiss einfach alles, was hier passiert ist“, ließ der Junge nicht locker und überraschte Shou ein zweites Mal mit einem Verhalten, dass ihm gar nicht ähnlich sah: Er blickte ihn auf unheimlich ernste Weise an und es schien fast, als hätte sich selbst seine Stimme verändert – als sei sie mit einem Mal um einiges älter geworden. Er hatte ihn bisher nur ein einziges Mal so erlebt, wobei es sich nicht mal sicher war, dass der Blonde damals wirklich so ernst gewesen war...

„Wie du willst“, gab der Braunhaarige widerstrebend auf.

Wenn es Takeru wirklich so wichtig war… Das war er ihm schuldig, nach dem, was der Andere für ihn getan hatte. Allerdings hieß das nicht, dass er tatsächlich tatenlos rumsitzen und dabei zusehen würde, wie zwei seiner Freunde sich so schrecklich quälten. Er würde etwas tun…er musste einfach etwas tun. Nur was?
 

„Danke.“

Takeru lehnte sich sichtlich erleichtert an den Bettrand und schloss die Augen. Shou betrachtete ihn kopfschüttelnd und tat es ihm nach.

„Ich find’s nicht gut, was du machst“, sagte er nach einer Weile. „Wieso tust du immer so fröhlich, obwohl du es gar nicht bist?“

Takeru machte einen unschuldigen Gesichtsausdruck. „Huh? Wie meinst du das denn?“

„Hör schon auf“, bemerkte der Ältere trocken. „Bei mir hat die Nummer sowieso nie richtig gezogen.“

„Hmpf. Soll ich deiner Meinung nach lieber ständig den Kopf hängen lassen, wie alle Anderen?“

„Jetzt tu doch nicht so, als seien hier ständig alle am Verzweifeln!“

„Na, du musst es ja wissen, Shou.“

Der Braunhaarige verkniff es sich, auf die letzte Bemerkung einzugehen.

„Ich meine doch bloß…manchmal ist es auch okay, traurig zu sein.“

„Wer sagt denn, dass ich nicht auch manchmal traurig bin?“

„Traurig zu sein und es zu zeigen“, berichtigte Shou sich ungeduldig.

„Und wenn ich es nicht zeigen will?“, erwiderte Takeru störrisch. „Und überhaupt – musst du nicht arbeiten?“

Shou sah auf seine Armbanduhr. Es stimmte…er hatte nur noch eine halbe Stunde bis sein Dienst anfing.

„Du lenkst mal wieder vom Thema ab“, seufzte er und erhob sich.

Takeru stand ebenfalls auf.

„Shou…danke für dein Mitgefühl“, sagte er und senkte den Kopf. „Aber ich zähle darauf, dass du alles für dich behältst, okay?“

„Du kannst mir vertrauen“, nickte Shou.

~Vertraue darauf, dass ich dir und Masato helfen werde…~
 

***
 

Unten in der Bar war indes herzlich wenig los. Zwei einsame Besucher lungerten in verschiedenen Ecken der Räumlichkeit herum und wurden vom Barkeeper schon längst nicht mehr beachtet, nachdem sie ihre Drinks bestellt und bezahlt hatten.

Tora sann gerade darüber nach, wie er es verhindern konnte, bei der gähnenden Langeweile komplett einzuschlafen, als ein ihm inzwischen nur zu gut bekannter Brünetter durch den Eingang schritt und sich unschlüssig umsah. Es war der Typ, der ihm immer verstohlene Blicke aus den Augenwinkeln heraus zuwarf, wenn er in die Bar kam.

Der Barkeeper ließ ein leises Seufzen vernehmen. Was erhoffte sich der Kerl von seinen ständigen Besuchen? Tora konnte nur hoffen, dass er sich in den Beweggründen des Gastes irrte…zu dessen eigenem Wohl.

Doch wenn er bisher das Glück gehabt hatte, diesen nach eventueller Bestellung eines Drinks erfolgreich ignorieren zu können, sollte sich das an diesem Abend ändern.

Irritiert sah er auf, als der sonst wortkarge Brünette sich verhalten an den Tresen lehnte und ihn ansprach.

„Hi…und, wie läuft das Geschäft?“

Da er dazu übergegangen war, wie immer einige Gläser zu polieren, während er in Gedanken versank, hatte Tora nicht registriert, wie dieser nach anfänglichem Zögern direkt auf ihn zugesteuert hatte.

Dennoch blieb er locker und zuckte mit den Schultern, ein paar leere Tische mit seinem Blick beehrend.

„Zu dieser Zeit ist selten viel los“, antwortete er und sah sein Gegenüber, ohne dass er es wirklich wollte, prüfend an.

„Hm“, nickte dieser wie es schien zerstreut. Doch dann hatte Tora wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit und dessen Eindruck, der Andere sehe bedrückt aus, verflüchtigte sich, als er lächelte.

„Ich hab mich gar nicht vorgestellt…mein Name ist Kai.“

Er streckte eine Hand aus und der Schwarzhaarige schüttelte sie kurz.

„Tora“, verriet er und hoffte, dass er nicht allzu abweisend dabei klang. Er wollte zwar nicht den Anschein erwecken, irgendein…Interesse an Kai zu haben, doch unfreundlich wollte er zu ihm auch nicht sein, denn immerhin war er hier Gast und womöglich Kunde (obwohl er ihn noch nie in Begleitung von einem der Jungs gesehen hatte).

Dieser beobachtete ihn eine Weile lang schweigend, wie er es zuvor schon oft getan hatte, nur diesmal ganz offen, sodass Tora sich ein wenig unwohl in seiner Haut fühlte.

„Arbeitest du schon lange hier?“, wollte Kai plötzlich wissen.

Der Schwarzhaarige stellte ein blitzblankes Glas ab und machte sich daran, ein paar Flaschen zu sortieren, obwohl das eigentlich nicht unbedingt nötig gewesen wäre – er wollte nur ungern ohne Beschäftigung rumstehen, denn dann hätte er wenig Gelegenheit, dem überraschend offensiven Blick des Anderen auszuweichen. Es kam ihm vor, als hätte sich seit dessen letzten Besuch im Colors etwas gravierend verändert. Er verhielt sich nicht mehr so unscheinbar und introvertiert, wie früher und hatte offenbar vor, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

„Seit...“, der Barkeeper überlegte kurz, „ziemlich genau zehn Monaten. Warum?“

Als keine Antwort erfolgte, sah Tora kurz auf und legte die Stirn in Falten, als er Kais Gesichtsausdruck bemerkte, der irgendwo zwischen Schock und fieberhaftem Nachdenken hin- und herpendelte.

„Alles in Ordnung?“

„Ähm, j-ja“, sammelte sich der Brünette. „Nur aus reinem Interesse“, fügte er dann auf Toras vorherige Frage bezogen hinzu.

Dieser wandte sich wieder seinen Flaschen zu. ~Irgendwas stimmt hier nicht…~
 

*
 

Kai konnte es nicht fassen. Anscheinend bestätigte sich sein Verdacht gerade tatsächlich. Zehn Monate…das passte wie die Faust aufs Auge! Aber es war eigentlich von Anfang an klar gewesen – nur ein Blinder hätte das nicht gesehen. Es genügte, nur einmal in Toras unergründliche, dunkelgraue Augen zu blicken…

Jetzt musste er wohl oder übel am Ball bleiben und ein paar weitere Informationen aus dem Schwarzhaarigen, den er nun schon so lange stumm beobachtet hatte, herausquetschen.
 

***
 

Mitten in der Nacht kam es im Colors unerwartet zu einer Art zufälligen Personalversammlung.

In der Garderobe, die auch meist als allgemeiner Aufenthaltsraum genutzt wurde, saßen nach der ersten Hälfte ihrer Schicht bereits Uruha, Shou, Ruki und Aoi. Während Uruha sich konsequent von Aoi fernhielt, um diesem wenigstens irgendwie zu signalisieren, dass er etwas falsch gemacht hatte, unterhielt sich der Schwarzhaarige über allerlei belangloses Zeug mit Ruki – der wiederum hörte nur mit halbem Ohr zu, in Gedanken wie gehabt bei seinen Racheplänen.

Shou beäugte schon seit geraumer Zeit nachdenklich den anderen Schweigsamen, bevor er sich einen Ruck gab und wie beiläufig zu ihm schlenderte.

„Hey, Uruha…“

Angesprochener hob den Blick und ihm wurde erst in diesem Moment bewusst, dass er immerfort den Boden angestarrt haben musste.

„Was ist?“, fragte er mit belegter Stimme.

„Darf ich dich mal etwas fragen?“

„Kommt drauf an.“

Shou seufzte und zog einen der Stühle heran, die in Uruhas Nähe standen, um sich neben ihn zu setzten und ihn mit schief gelegtem Kopf aufmerksam zu betrachten.

„Bist du noch mit Aoi zusammen?“

Uruhas Herzschlag setzte vor Schreck kurz aus. Warum fragte Shou ihn auf einmal so etwas? Er schielte kurz rüber zu den anderen Beiden, die ihr Gespräch jedoch nicht zu interessieren schien. Es versetzte dem Langhaarigen wie so oft einen Stich, dass Aoi ihm so wenig Aufmerksamkeit schenkte. Allerdings war er diesem doch selbst aus dem Weg gegangen, oder?

„Ich…“, zögerte er.

„Läuft es nicht besonders gut…?“, vermutete Shou weiter.

„Wieso willst du das wissen?“, meinte Uruha nun misstrauisch.

„Na gut, dann anders. Hast du was mit—“, fing Shou an, doch sein Vorhaben, den Kollegen direkt mit einer bestimmten Frage zu konfrontieren, wurde im nächsten Augenblick dadurch vereitelt, dass kein Anderer als Takeru in die Garderobe gestürmt kam und lauthals verkündete, dass der Chef gleich vorbeikommen würde, um nach dem Rechten zu sehen.
 

Kaum dass er Shou unter den Anwesenden ausgemacht hatte, hüpfte er auf den Älteren zu und wandte seinen berüchtigten Würgegriff bei ihm an, indem er seinen Hals von hinten mit einem Arm umschlang, um ihn an sich zu quetschen und mit dem anderen sein Haar durchzuwuscheln.

„Heeeeey, Takeru, aufhören…!!“, protestierte dieser, doch der Wasserstoffblonde lachte bloß und versuchte – zu Shous sichtbarer Verwunderung – gleich darauf, die Attacke bei Uruha zu wiederholen.

„Na, wie geht’s euch beiden?“, grinste er, während sein zweites Opfer es schaffte, sich halbwegs seinem Griff zu entwinden, jedoch nicht ohne Frisurschaden davonzukommen.

Uruhas Mund entwich lediglich ein Seufzen, während Shou nicht umhin konnte, kaum merklich den Kopf zu schütteln.

~Wie kannst du nur so schnell umschalten, Takeru? Wie schaffst du es, deine Gefühle so ohne Weiteres zu verstellen…? Gerade vor Uruha…~

Das war doch nicht normal! Shou dachte an den Moment, in dem Takeru seine Maske fallen gelassen hatte und in ihm stieg der Drang auf, den Blonden an den Schultern zu packen und einmal richtig durchzuschütteln, um das, was in seinem Kopf offenbar schief gegangen war, wieder geradezubiegen. Er machte sich schließlich nur Sorgen um seinen jüngeren Kollegen und Freund.
 

Wie um seine momentane Fassungslosigkeit noch ein Stück zu steigern, betrat kurz darauf Masato den Raum – der Caramelblonde sah sich ein wenig zerstreut um und sein Blick fiel auf die dreiköpfige Gruppe um Shou. Doch was ihm mehr zusetzte, als ihm lieb war, war der Anblick Takerus, der zwecks einer weiteren Attacke erneut an Uruhas Hals hing.

Shou entging das kleine Zusammenzucken nicht, das das Gesicht seines besten Freundes streifte und als er seine Augen kurz zu den anderen Beiden wandern ließ, meinte er auch an Takerus Mimik ein Unbehagen ablesen zu können.

„Ohhhh man!!“, konnte er ein lautes, verärgertes Aufseufzen nicht zurückhalten und verschränkte die Arme vor der Brust.

Das konnte doch nicht wahr sein! Doch weder Masato, noch Takeru maßen dieser Unmutsäußerung die richtige Bedeutung zu. Hätte Takeru ihm nicht das Versprechen abgerungen, nichts zu sagen, hätte Shou sofort ihn und Masato am Kragen gepackt und sie gezwungen, sich auszusprechen.

~Moment mal…das ist vielleicht gar keine so schlechte Idee…~

„Hey Shou“, grüßte ihn Masato derweil und ging auf sie zu. „Was ist denn los? Stimmt was nicht?“

Der Braunhaarige warf Takeru einen Seitenblick zu, woraufhin dieser ihn beschwörend ansah.

„Alles okay“, meinte er dann und stand auf. Mit Uruha weiterreden konnte er jetzt jedenfalls nicht mehr. „Sag mal, was machst du eigentlich hier? Du hast doch frei.“

„Ach, ich“, winkte Masato ab, „hab hier letztes Mal mein Handy vergessen…und außerdem konnte ich eh nicht schlafen.“

Shou bedachte ihn mit einem Kopfschütteln. Da hatte der Blonde mal die Chance, sich auszuruhen und dann nutzte er sie nicht einmal. Dabei ging es ihm gerade gesundheitlich nicht besonders gut, nach allem, was er mitgekriegt hatte.
 

Nur einige Minuten später wurde die Tür zur Garderobe zum dritten Mal aufgerissen und im Türrahmen erschien Chiyus vor Eitelkeit sprühende Gestalt. Der neuerdings Dunkelblonde analysierte die Lage und visierte sogleich sein aktuelles Lieblingsziel – einen gewissen Schwarzhaarigen – an.

„Aoi-Darling“, säuselte er (nicht ohne Uruha einen gehässigen Blick zuzuwerfen) und stellte sich hinter diesen, seine Hände auf Aois Schultern platzierend.

„Lust, nach der Arbeit was zu unternehmen?“

Aoi machte sich nicht die Mühe, sich zum Anderen umzudrehen, sondern gab nur ein undefinierbares „Hm“ von sich. Er hatte absolut keine Lust darauf, wenn er ehrlich sein sollte. Viel lieber hätte er mit Uruha etwas unternommen, aber dieser mied ihn aus irgendeinem Grund schon seit einigen Tagen höchst konsequent. Vielleicht…würde er die Initiative bei seinem Freund wecken können, indem er ihn mittels Chiyu ein wenig eifersüchtig machte?

„Ich weiß nicht…“, antwortete er langgezogen und laut, sodass Uruha am anderen Ende des Raums es ganz sicher mitbekam, und setzte ein keckes Grinsen hinzu. „Kommt ganz drauf an, was du mir anzubieten hast…“

Chiyus Augen blitzten zufrieden auf. Hatte Aoi es doch endlich aufgegeben, sich gegen seine Anziehungskraft zu sträuben?

„Wir könnten zu mir gehen…“
 

Uruha entglitten fast alle Gesichtszüge. Aoi flirtete so offensichtlich mit Chiyu, und das vor seinen Augen, dass ihm die Galle hochstieg. Und der Kerl machte überhaupt keinen Hehl daraus…! Er hatte ihm wenigstens so viel Anstand zugetraut, die ganze Show wo anders abzuziehen und es ihm nicht unter die Nase zu reiben!

In seinem Innern drehte sich alles.

~Ich kann das nicht mit ansehen…~

Der Langhaarige wandte den Blick ab und stierte an die Wand neben sich, wobei er jäh Takeru abschüttelte, der immer noch an ihm klebte.
 

Masato entging Uruhas Reaktion auf Aois und Chiyus Spielchen nicht und obwohl er entschieden hatte, sich nicht einzumischen, konnte er nicht einfach zusehen, wie dieser still vor hin litt, während Aoi auf seinen Gefühlen herum trampelte, ohne mit der Wimper zu zucken.

~Ich könnte wenigstens Chiyu irgendwie von ihm ablenken~, nahm er sich vor und seine Augen bleiben an Aoi hängen, als dieser den Kopf ein Stück dem Casanova hinter sich zudrehte.
 

Shou konnte nun seinerseits beobachten, dass sein Freund sich auf einmal ziemlich merkwürdig verhielt – Masato starrte Aoi, der sich recht wenig um seine Umgebung kümmerte, mit einer Art grimmiger Entschlossenheit an und wandte sich alsdann in dessen Richtung, als habe er vor, auf ihn zuzumarschieren.

Was jedoch viel seltsamer war, war, dass im nächsten Atemzug Uruha wie von der Tarantel gestochen aufsprang und in Windeseile zu dem Caramelblonden stürmte, um diesen am Arm zu packen und von besagtem Vorhaben abzubringen.

„Nicht…bitte“, murmelte er und fixierte Masato eindringlich.

Dieser hielt inne und sah Uruha in die flehenden, dunklen Augen. Aus ihnen sprangen ihm förmlich Hoffnungslosigkeit, Zweifel und Bitterkeit, so viel Bitterkeit, entgegen, sodass er instinktiv nach der Hand des Anderen griff, die auf seinem Arm lag, und sie fester an sich drückte.
 

Vollends aus dem Konzept gebracht, hob Shou eine Augenbraue. Die Option, dass Uruha und Masato sich näher gekommen sein könnten, als einfache Kollegen es für gewöhnlich tun, schien mit einem Mal gar nicht mehr so abwegig, wie er anfangs geglaubt hatte. Konnte das wirklich sein…? Konnte Takerus Beobachtung tatsächlich das bedeuten, was der Blonde hineininterpretiert hatte und weshalb er so niedergeschlagen war?

Er sah rüber zu Aoi, dessen Gesicht ebenfalls von Verwirrung gezeichnet war, und dann zu Takeru, der sich absolut gar nichts anmerken ließ, scheinbar enthusiastisch an seinen Haaren rumzupfte und sich im Spiegel betrachtete.

~Was zum Teufel geht hier eigentlich ab…?~
 

Mitten in die angespannte Stimmung trat, wie zuvor angekündigt, der Chef des Colors, Saga.

„Na Jungs, alles klar bei euch?“, fragte in umherblickend und stutzte etwas bei Masatos Anblick.

„Solltest du nicht zuhause sein? Wenn du deinen Urlaubstag bei der Arbeit verbringst, geht dessen ganzer Sinn verloren!“

„Ja, ich…hab gestern was liegen lassen“, erinnerte der Blonde sich und ließ Uruhas Hand los, woraufhin dieser sie verlegen zurückzog und zu seinem Platz trottete.

„Gut“, nickte Saga. „Dann hol es schnell und ab nach Hause.“

Dann wandte er sich an die Anderen.

„Ich sehe, hier herrscht ein bisschen dicke Luft – aber wenn es sonst keine ernstzunehmenden Probleme gibt, werd ich auch wieder gehen. Ihr seid doch erwachsen und kriegt das hin, oder?“

~Wenn es doch so einfach wäre!~, dachte Shou seufzend.

„Ruki, Aoi – euch beide brauche ich, kommt bitte mit in mein Büro“, erklärte Saga unvermittelt.

„Soll ich auch mitkommen?“, meldete sich Chiyu grinsend, bekam jedoch nur ein knappes „Nein“ zur Antwort, was augenblicklich das Lächeln aus seinem Gesicht fegte und eine unzufriedene Miene hinterließ.

Während die zwei dazu Aufgeforderten Saga aus der Garderobe folgten – der Eine genervt, der Andere noch immer verwirrt – suchte Masato nach seinem Handy und fand es wie erwartet an dem Platz, wo er nachts zuvor gesessen hatte.

„Hast du heute Abend Zeit?“, fragte Shous Stimme direkt hinter ihm, sodass er leicht zusammenzuckte.

„Ich denke schon“, antwortete er lächelnd, nachdem er sich umgewandt hatte.

„Schön“, nickte Shou. „Ich würde nämlich gern mit dir reden.“

Sein Ton war um Einiges ernster, als Masato es erwartet hätte.

„Treffen wir uns im Café am Straßenende“, schlug der Braunhaarige vor. Beide wussten, welches er meinte – es lag in der gleichen Straße wie das Colors, etwa dreihundert Meter davon entfernt. „Um neun?“

Masato stimmte zu und verabschiedete sich von seinem Freund, indem er ihn kurz umarmte. Dann ging er, gefolgt von Shous Blicken, noch einmal zu Uruha und beugte sich zu diesem, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.
 

Mit stechendem Herzen beobachtete Takeru, wie der Blonde dabei Uruhas Schultern umfasste und ein paar Mal sanft mit den Handflächen darüber strich. Unwillkürlich huschten seine Augen zu Shou, der ihn verstehend und deshalb besorgt musterte.

Hätte der Ältere ihn an diesem Abend bloß nicht gefunden…! Er wollte nicht bemitleidet oder mit Samthandschuhen angefasst werden, weder von Shou, noch von jemand Anderem! Und dass der Braunhaarige von seinen Gefühlen wusste, machte das Ganze höchstens noch nervenaufreibender für ihn.

~Verdammt…ich hab das Gefühl, dass alles schlimmer geworden ist, seit ich es ihm erzählt hab…~

Takeru biss die Zähne zusammen und tat, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen, das ein plötzliches aus dem Raum Rennen rechtfertigen würde.

Leider achtete er dabei nicht genügend auf sein Umfeld und stieß an der Tür mit Chiyu zusammen, der – im Gegensatz zu ihm – mit gemächlichen Schritten hatte rausgehen wollen.

„Au! Sag mal, tickst du noch ganz richtig?!“, fuhr dieser ihn giftig an und stieß ihn leicht weg. „Idiot!!“

„Lass ihn in Ruhe, Chiyu!“, ging Shou auf einmal dazwischen und stellte sich schützend vor den Kleineren, sein Gegenüber böse anfunkelnd.

„Schon gut“, kam es ungewohnt leise von Takeru, bevor er auch schon aus der Tür ging und verschwand.
 

Chiyu und Shou jedoch starrten einander noch mindestens weitere zehn Sekunden feindselig an, bis der Dunkelblonde verächtlich schnaubte und an ihm vorbeiging. Vor dem Rausgehen wandte er sich noch einmal um, wohl wissend, dass der Andere ihn immer noch argwöhnisch beäugte.

„An deiner Stelle wäre ich nicht so frech, mein lieber Shou…“, zischte er so leise, dass nur sie beide es verstehen konnten. „Oder willst du, dass ich vor Saga-sama zufällig etwas über deine kleine Romanze mit einem Kunden fallen lasse?“

Shou blickte ihn für einen Moment überrumpelt an, was Chiyu ein süffisantes Lachen entlockte.

„Das war wohl ein Volltreffer!“

Verärgert trat sein Gegenüber einen Schritt auf ihn zu.

„Nur weil du Saga-sama schöne Augen machst und überall damit hausieren gehst, heißt das noch lange nicht, dass du dir alles erlauben kannst! Der Chef wäre sicherlich auch nicht gerade begeistert zu hören, dass einer seiner Angestellten seine Kollegen erpresst!“

Chiyu setzte gekonnt einen unschuldigen Blick auf.

„Aber Shou-Schatz, niemand erpresst hier niemanden! Ich habe dich lediglich, freundlich wie ich bin, darauf hingewiesen, wie du Unannehmlichkeiten aus dem Weg gehen kannst“, erläuterte er.

Daraufhin sandte er ihm einen arrogant angehauchten Luftkuss und stolzierte hinaus.
 

Shou knirschte mit den Zähnen. Es gab wirklich wenige Leute, die es schafften, ihn dermaßen wütend zu machen, wie Chiyu es vermochte!

„Shou? Ich geh jetzt“, sagte Masato im Vorbeilaufen und schenkte ihm ein kleines Lächeln, was ihn wieder etwas besser stimmte. „Bis heute Abend.“

„Hai…“, seufzte er und ging zu einem Stuhl, um sich zu setzen.

Uruha und er waren die einzigen Verbliebenen in der Garderobe, doch auch der Langhaarige schien das gemerkt zu haben und machte sich deshalb schnell ebenfalls aus dem Staub, noch bevor Shou sich entscheiden konnte, sein Verhör von vorhin weiterzuführen.
 

***
 

Kai seufzte schwer, als er die Straße entlang trottete, und ließ seinen müden Blick über die zahllosen Leuchtreklamen und Schilder schweifen, ohne sie richtig wahrzunehmen. Es war ihm nicht gelungen, sehr viel über Tora herauszufinden…

~Ich fürchte, er hat Verdacht geschöpft, dass mehr dahinter steckt, als bloßes Interesse. Deshalb hat er abgeblockt~, dachte er und biss sich auf die Lippe. Er hätte vorsichtiger sein sollen!

Na ja, immerhin wusste er jetzt, dass der Barkeeper vor etwa zehn Monaten Kontakt mit Nao-san gehabt haben musste und das, in Verbindung mit seinem Aussehen, schloss eigentlich jeden Zweifel aus. Das war definitiv der Mann, nach dem er so lange gesucht hatte. Endlich…

Der Brünette stutzte, als etwas Warmes über seine linke Wange lief, und hielt inne, sich mit dem Rücken an eine Wand aus Ziegelsteinen, an der er entlanggelaufen war, lehnend.

~Mist…ich hab vergessen, wie weh es tut, an ihn zu denken…~

Mit gesenktem Kopf wischte sich Kai eine einsame Träne aus dem Auge, doch ihr folgten neue. Die Begegnung mit Tora hatte einfach zu viele Erinnerungen zurückgebracht. Zu viele schmerzhafte Erinnerungen...

Aber er hatte keine Wahl – er musste das erfüllen, was er einst versprochen hatte.
 

***
 

Tbc…

Advice

KAPI KOMPLETT!!! ^^

Satoshi ist einfach nur ein Name, den ich gern genommen habe, hat aber nichts mit irgendeinem Satoshi aus irgendeiner Band zu tun ;)

Vielen Dank euch allen, die mir n Kommi dagelassen und bis hierhin gelesen haben! <3 Und nun viel Spaß bei der Fortsetzung!
 

Chapter 10: Advice
 

„Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“

„…“

„Uruha…?“

„…“

„Hey…“

Uruha verdrehte die Augen.

Er hatte gerade Schichtende, war hundemüde, angepisst und absolut nicht in der Stimmung für Gespräche mit überhaupt irgendwem – doch saß man erst einmal in der Bar an der Theke, so konnte man sich Toras Kommentaren kaum entziehen.

„Du bist heute nicht sehr redselig“, bemerkte dieser gerade und hob eine Augenbraue.

„Gut beobachtet, Sherlock“, gab der Langhaarige zurück. „Kann ich mich jetzt in Ruhe betrinken?!“

Er hatte bereits einen straken Drink gehabt und gab jetzt dem kopfschüttelnden Barkeeper seine nächste Bestellung bekannt.

„Bist du sicher, dass das die Lösung für deine Probleme ist?“

„Im Moment – ja.

Nur sehr ungern kam Tora seinem Wunsch nach, konnte er dem Anderen ja nicht verbieten, nach der Arbeit zu trinken. Wäre es mitten in der Arbeitszeit gewesen, hätte er vielleicht noch etwas dagegen machen können, aber so…
 

Als Uruha sein zweites Glas geleert hatte und gleich nachbestellen wollte, erschien Aoi auf der Treppe, die zur Bar führte. Der Schwarzhaarige sah sich um und wurde schnell fündig – unbemerkt sowohl von Tora, als auch von Uruha, ging er zu ihnen und legte Letzterem sanft eine Hand auf die Schulter. Sein Lover zuckte unter der Berührung zusammen.

„Hey, Uru…ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt. Das Verhalten des Anderen hatte ihn nicht nur verwirrt, sondern auch vorsichtiger gemacht.

Uruha wich seinem Blick aus und wog die beiden Möglichkeiten ab, die er hatte: Aoi anzuschreien und ihm klarzumachen, was für ein Idiot er war, oder wortlos zu gehen und somit vielleicht dem Schmerz in seiner Brust wenigstens ein bisschen zu entfliehen.

Oder vielleicht machte es doch die Mischung.

„Dass du dich noch traust, mir unter die Augen zu treten…“, sagte er leise und schüttelte Aois Hand ab, woraufhin er ihm einen gekränkten Blick zuwarf und schnellen Schrittes aus der Bar flüchtete.
 

„Ich versteh ihn nicht…!“, platzte Aoi heraus und ballte die Hände zu Fäusten. „Was hat er denn in letzter Zeit bloß?“

Tora wurde indes das Gefühl nicht los, dass der Grund für Uruhas schlechte Laune gerade vor ihm saß.

„Hast du keine Vermutung, warum er so mies drauf ist?“, fragte er stirnrunzelnd.

Aoi dachte nach. Hatte er irgendetwas Wichtiges verpasst oder Uruha irgendwann versetzt…? Soweit er wusste, nicht. Hatte der Andere gesehen, wie Chiyu ihn geküsst hatte? Unmöglich. Zu dieser Zeit hatte Uruha doch gerade einen Kunden gehabt…und außerdem war ihm Chiyu ziemlich egal, obwohl es zugegebenermaßen Spaß machte, sich mit ihm in Sachen Überlegenheit zu messen.
 

Als hätte das Sprichwort „Wenn man vom Teufel spricht“ plötzlich beschlossen, sich auch auf Gedanken auszuweiten, spazierte besagter Mitarbeiter, wie üblich mit hochgezogener Nase, bald darauf in die Bar…
 

***
 

An Schlaf war nicht zu denken.

Kai war seltsamerweise nicht besonders müde, nur etwas körperlich ausgelaugt. Er fühlte sich, als fehle ihm nicht Ruhe, sondern eher die Luft zum Durchatmen, während er mit einem bestimmten Ziel im Sinn durch die im nächtlichen Treiben leuchtende und niemals verstummende Stadt lief.

~Ob Nao-san heute da ist…? Normalerweise sollte er ganz regulär arbeiten. Ich muss ihn sprechen. Hoffentlich hört er mir überhaupt zu... Erinnert er sich überhaupt noch an das Gespräch mit ihm? Schließlich ist es schon über neun Monate her. Er ist mein einziger Anhaltspunkt, wie er auch Satoshis war… Ich weiß noch nicht einmal, worüber die beiden schon geredet haben!~

Der Brünette seufzte. Was macht es für einen Sinn, sich den Kopf darüber zu zerbrechen? Er würde es schon noch herausfinden.

Tapfer strotzte er weiterhin dem bedrückenden Gefühl in sich und kam nach einer Viertelstunde bei dem größeren bekannten Nachtclub in einer Straße, die direkt am schmutzigen Flussufer entlang verlief, an. Dort lehnte er sich an den rostigen Zaun, der den Fußweg vom Ufer abgrenzte und schlang die Arme um sich, regungslos auf den Mann wartend, der ihm, so hoffte er, in seiner Situation weiterhelfen würde.
 

***
 

„Sag mal, verfolgst dich mich eigentlich?“, meinte Aoi stirnrunzelnd, als Chiyu sich zu ihm und Tora an die Theke gesellte und ihn sogleich anzüglich angrinste.

„Und wenn’s so wäre, Aoi-Schatz?“, fragte er zurück und fuhr mit dem Zeigefinger am Oberarm des Schwarzhaarigen entlang.

Aoi würdigte die Berührung keiner Reaktion, sondern pfiff nur spöttisch aus, während er sich das Haar aus dem Nacken strich.

„Ich muss schon sagen, ich bin gespannt“, grinste er dann abwertend, „wie tief du noch zu sinken bereit bist, um mich rumzukriegen, Süßer.“

Chiyu verstummte für einen Moment, doch dann brach er in Lachen aus.

„Nett wie immer“, sagte er und schob seine Finger unter Aois Kinn. „Aber keine Sorge, ich hab schon vieles erreicht, was ich wollte.“
 

Tora beäugte skeptisch das Schauspiel, das sich vor ihm ereignete und fragte sich, ob Aoi allen Ernstes so dumm war und nicht mitbekam, was Chiyu im Schilde führte, oder ob er es wusste und es ihm einfach egal war.

~Zeit, das herauszufinden...~

„Ach, Chiyu!“, rief er so plötzlich aus, dass sowohl Angesprochener, als auch Aoi leicht zusammenfuhren, und schnippte als Zeichen, dass ihm etwas eingefallen war, mit den Fingern. „Das hätte ich beinahe vergessen – der Chef wollte dich sprechen, er hat vorhin nach dir gesucht!“, log er ohne mit der Wimper zu zucken.

„Saga wollte mich sprechen?“, wunderte sich der Dunkelblonde, doch dann fing er an, zufrieden zu grinsen. „Na schön, dann verschieben wir unser Gespräch ein wenig, Aoilein…“, hauchte er diesem ins Ohr und schwang sich elegant vom Barhocker.
 

Sobald er aus ihrer Sichtweite verschwunden war, ergriff Tora, sich über die Theke zu Aoi lehnend, die Gelegenheit beim Schopf.

„Und du willst mir weismachen, dass du keine Ahnung hast, warum Uruha sauer auf dich ist?“, fragte er ungläubig.

Der Langhaarige sah ihn verständnislos an. „Was meinst du?“

„Wenn das mit dir und unserer Diva“, Tora machte eine Kopfbewegung in die Richtung, in die Chiyu eben gegangen war, „die ganze Zeit so geht, dann wundert mich Uruhas Verhalten ganz und gar nicht!“

Nun schien Aoi etwas betroffener. „Meinst du wirklich, dass das der Grund ist? Ich kann doch auch nichts dafür, dass Chiyu sich ständig an mich ranschmeißt…“

Das beruht ja wohl auf Gegenseitigkeit“, warf der Barkeeper ein.

„Tut es gar nicht!“, protestierte Aoi missmutig.

„Nicht?“ Toras Stimme klang spöttisch.

„Hör mal, ich hab Uruha von Anfang an gesagt, dass das mit uns keine so richtig feste Sache ist. Schon mal was von offener Beziehung gehört?“

Tora sah ihn ein wenig ärgerlich an und entgegnete: „Und du, schon mal was von Rücksicht nehmen gehört?“

„Ich verlange von Uruha doch auch nicht, dass er mir wie ein treudoofer Welpe hinterherdackelt!“, regte sich Aoi langsam aber sicher auf.

„Und das rechtfertigt alles für dich?“

„Da gibt’s nichts zu rechtfertigen! Wie gesagt, das war alles von Anfang an abgeklärt. Und ich entscheide immer noch selbst, mit wem ich was anfange.“

Der Kurzhaarige seufzte und richtete sich wieder auf.

„Ich kann dir nicht vorschreiben, was du tun sollst“, räumte er dann ein. „Es ist nur…“

Aoi sah ihn abwartend an.

„Ich hätte nicht gedacht, dass Uruha dir so wenig bedeutet. Aber ich hab mich wohl in dir geirrt. Dass der arme Kerl ausgerechnet jemanden wie dich lieben muss…dabei bist du kaum besser, als Chiyu.“

Damit hielt er die Unterhaltung offenbar für beendet, denn er entfernte sich, um nach etwas im Regal zu suchen, während Aoi ihm einen pikierten Blick zuwarf, wortlos aufstand und ging.
 

Bis er zusammengepackt und sich auf den Weg nach Hause gemacht hatte, begegnete der Langhaarige niemandem mehr. Doch auch ohne dass ihm jemand Anderes auf die Nerven ging, fühlte er sich irgendwie…zum Kotzen. Zum ersten Mal verspürte er den innigen Wunsch, sein Gehirn einfach kurzzuschließen oder es sonst irgendwie abzuschalten, denn es spulte zu seinem Missmut Toras letzte Worte in einer Endlosschleife immer und immer wieder in seinem Kopf ab.

Jemanden wie dich. Du bist nicht besser, als Chiyu. Ich hab mich in dir geirrt. Dass er ausgerechnet dich lieben muss. Dich lieben…

„Fuck…“

Warum ging es ihm nicht aus dem Sinn?! Abrupt blieb Aoi stehen und starrte den roten Teppich des Empfangsbereichs unter seinen Füßen an.

Liebte Uruha ihn denn wirklich so sehr? Er hatte ihm mehrmals gesagt, dass er es tat. Und er selbst hatte dem Anderen ebenso geantwortet. Für ihn war es immer eine Art einfache Floskel gewesen, doch was, wenn für Uruha mehr dahinter gesteckt hatte? Aber sie hatten es doch vereinbart…!

Aoi lief ein Schauer über den Rücken, als er aus dem Colors nach draußen trat und ein kühler Wind ihm entgegenschlug, und er merkte, dass seine zu Fäusten geballten Hände zitterten.

Was war das auf einmal für ein idiotisches Gefühl, das ihn von Innen heraus aufzufressen schien…?
 

***
 

„Hey, du da! Hallo…!“

Ruckartig schreckte Kai auf und blinzelte ins fahle Licht des anbrechenden Morgens. Er hatte sich hingehockt und musste beim Warten doch eingenickt sein…

Beim Warten…- verdammt!

„Oh nein!“, platzte er heiser heraus und richtete sich so plötzlich auf, das er mit dem eigenen Schädel gegen den des Mannes, der sich zu ihm gebückt hatte, um ihn aufzuwecken, stieß.

„Au!“, gaben beide synchron von sich und der Brünette plumpste zurück auf seinen Hintern, sich den schmerzenden Kopf reibend.

„Nicht so stürmisch“, riet der Andere mit einem Grinsen in der Stimme und da sah Kai endlich auf und erkannte zu seinem Erstaunen, dass vor ihm genau der stand, den er brauchte.

„Nao-san!“, stieß er erleichtert aus. Dieser musterte ihn erstaunt, streckte dann aber die Hand aus, um ihm aufzuhelfen.

„Du kommst mir bekannt vor“, meinte Nao und sah ihn abwägend an.

„Wir haben uns schon einmal kurz gesehen“, erklärte Kai nervös. „Ich bin…-war“, berichtigte er sich und schluckte schwer, „…Satoshis Freund.“

Der Blick seines Gegenübers verfinsterte sich kaum merklich. „Ah…Kai, oder? Ich erinnere mich.“

Sie waren sich vor langer Zeit flüchtig im Club begegnet. Der Brünette nickte.

„Ehrlich gesagt, das ist auch der Grund, warum ich hier bin“, fuhr er fort. „Ich würde gern mit Ihnen über Satoshi reden.“

Nao sah ihn lange schweigend an und Kai hielt dem Blick innerlich aufgewühlt, doch äußerlich beherrscht, stand. Schließlich lächelte der Clubbesitzer ihn nachsichtig an.

„Einverstanden. Trinken wir einen Kaffee zusammen“, sagte er und wandte sich zum Gehen, während Kai ihm folgte. „Du siehst nämlich verdammt fertig aus.“
 

***
 

Mit einem frühen Anruf wurde Hiroto aus dem wohligen Frieden seines angenehm duftenden, weichen Hotelbettes gerissen. Er hatte die Nacht traumlos und tief durchgeschlafen, nachdem er tags zuvor eher schlecht als recht die Augen hatte offen halten können.

Nun stöhnte er mürrisch in sein Kissen hinein und spielte mit dem Gedanken, einfach nicht an das nervtötende Ding namens Telefon zu gehen, doch dieses klingelte so lange munter weiter, bis er sich schließlich doch noch dazu aufraffte, den Arm zum Nachttischchen auszustrecken.

„…hallo…?“, nuschelte er schläfrig und zog die Augenbrauen zusammen.

„Hiroto-kun? Sag mal, drehst du jetzt vollkommen durch oder was?!“, kam ihm ohne Begrüßung die genervte Stimme seines Adoptivvaters entgegen.

„Mhh…“

„Du hast gestern die Hälfte deiner Termine sausen lassen!!!“, wurde er angeblafft. „Hast du dafür eine angemessene Erklärung parat?!“

Hiroto seufzte und war versucht, aufzulegen und sich wieder unter die Decke zu kuscheln. Eine angemessene Erklärung? ~Ich hab meinen Traummann getroffen…~, spukte es ihm im Kopf herum und der Dunkelhaarige konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.

„Hiroto-kun!“

Ach ja…für einen Moment hatte er seinen Adoptivvater doch glatt vergessen.

„Tut mir leid, Ogata-san“, erklärte er und unterdrückte ein Gähnen. „Ich war einfach völlig fertig. Hab in der Nacht davor nicht so viel geschlafen.“

„Das ist dein Problem“, meinte sein Gesprächspartner angesäuert. „Sorg gefälligst dafür, dass du deine Zeit besser einteilst! Und überhaupt – was ist eigentlich los mit dir? Warum wohnst du im Hotel und nicht zuhause? Dort geht seit einiger Zeit niemand mehr ran, wenn ich anrufe! Und auf deinem Handy bist du auch nicht zu erreichen!“

~Stimmt ja…ich hab mein Handy in den letzten Tagen ganz vergessen. Irgendwo liegt es doch rum…~ Seufzend kroch Hiroto aus dem Bett und kramte in seinen Sachen nach besagtem Gerät. Wie er vermutet hatte, fand er es mit längst leerem Akku in einer Ecke liegend, was er etwas kleinlaut auch dem Älteren mitteilte.

„Irgendwie komisch…“, sagte er dann mehr zu sich selbst, „dass Yuji nicht ans Telefon geht.“

„Yuji?“, hakte sein Adoptivvater nach. „Soll das heißen, er wohnt in deiner Wohnung?“

„Ähm…“

Knapp berichtete Hiroto von ihrem Streit und seinem Zwangsumzug ins Hotel. Es war ihm zwar zuwider, die Sache Ogata erklären zu müssen, doch Lügen war auch noch nie seine Devise gewesen.

„Dann habt ihr euch getrennt?“

„Ja.“

„Du nimmst das ja wirklich gelassen, so wie du ihn immer überall mit dir rumgeschleppt hast“, bemerkte der Andere trocken. „Na ja, mir kann’s egal sein – aber sieh zu, dass du ihn aus deiner Wohnung schmeißt und wieder ein normales Leben führst!“
 

Hiroto schwieg. Er wusste ja, dass irgendwann der Zeitpunkt hatte kommen müssen, einen Schlussstrich unter die Sache zu ziehen. Doch bis dahin hatte er erfolgreich verdrängt, dass Yuji immer noch in seiner Wohnung residierte…es hatte ihm nicht so viel ausgemacht, im Hotel zu wohnen und er hatte auch keinen besonderen Wunsch mehr verspürt, Yuji noch einmal zu begegnen, seit er Shou begegnet war. Trotzdem war es natürlich richtig, was sein Adoptivvater sagte. Es wunderte ihn eigentlich nur, warum Yuji selbst noch nicht auf den Gedanken gekommen war, auszuziehen und ihn davon in Kenntnis zu setzen.

~Hm…vielleicht ist ja sogar schon auf und davon und hatte einfach keine Lust, mir Bescheid zu geben~, überlegte er. Schließlich hatte Yuji gesagt, dass er ihn nie wiedersehen wollte und es lag nahe, dass sich dies auch auf sonstigen Kontakt ausweitete.

„Hiroto-kun? Bist du noch dran?“

„Ja ja…“

„Hast du verstanden, was du zu tun hast?“

„Das weiß ich auch selbst, ich brauch keine Anweisungen von dir“, gab Hiroto genervt zurück.

„Wie du meinst. Erschein mir bloß auf dem Empfang übermorgen! Andernfalls denken die Gäste sonst was von deinem Verhalten.“

„Okay“, erwiderte der Dunkelhaarige kurz angebunden und legte auf.

Dann seufzte er laut. Dass der Typ sich auch immer aufführen musste, als seien sie wirklich verwandt! Unbegreiflich… Er konnte ihn doch genauso wenig leiden, wie anders herum.
 

Sollte er gleich versuchen, Yuji zu erreichen? Oder sollte er einfach noch zwei Tage warten, bis er ihn – denn er war sich sicher, dass sein Ex-Freund sich so eine Veranstaltung nicht entgehen ließ – auf dem Empfang seiner Firma sah? Dessen Vater war ein Geschäftspartner seines Adoptivvaters, wie er auch der seines leiblichen Vaters gewesen war und würde auf jeden Fall zu dem Empfang kommen. Und da sich darauf ohnehin alles, was in der Geschäftswelt der Stadt Rang und Namen hatte, tummeln würde, war das Event wichtig genug für Yuji, um sich blicken zu lassen.

Hiroto entschied sich nach kurzem Überlegen für die zweite Möglichkeit und bestellte daraufhin den Zimmerservice zu sich.

~Erstmal frühstücken…~

Seine Gedanken schweiften zu Shou und er spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann, als er sich an ihren ersten, zärtlichen Kuss erinnerte und daran, was dieser ausgelöst hatte. Es war fast so gewesen, als hätte Shou in ihm ein Ventil geöffnet und als seien all seine Gefühle schlagartig durchgebrochen und hätten jede Zurückhaltung einfach hinweg gespült.

Hiroto grinste. Das war wahrlich eine neue Erfahrung für ihn gewesen…ein schöne neue Erfahrung. Und er vermisste den Anderen schon jetzt so sehr! Er musste ihn einfach sehen, seine Stimme hören, Haut an Haut spüren…

Der Zimmerservice klopfte an die Tür und Hiroto hoffte, dass ihm nicht allzu sehr die Röte ins Gesicht gestiegen war, während er zur Tür ging.
 

***
 

Am Abend desselben Tages...
 

Seufzend riss sich Masato vom Blick aus dem Fenster los, als die Türklingel ertönte, und sah auf die schlicht designte Wanduhr in seinem Wohnzimmer. Es war kurz nach halb acht.

~Du meine Güte, wie ist die Zeit so schnell vorbeigeflogen? Ich müsste mich schon für das Treffen mit Shou fertigmachen…~, dachte der Blonde kopfschüttelnd und fragte sich, wer ausgerechnet ihn an einem Mittwochabend besuchen kam. Überraschenderweise war die Antwort darauf seine bevorstehende Verabredung höchstpersönlich.

„Shou!“

Masato machte große Augen und ihm wurde plötzlich bewusst, dass er in seiner am meisten abgetragen Kluft und dazu noch ungekämmt und ohne Makeup vor seinem Gast stand.

„Hallo“, grüßte der Andere ihn lächelnd. „Darf ich reinkommen?“

Ihm schien Masatos Aufmachung nicht im Geringsten zu stören, denn er ging kommentarlos an diesem vorbei, als ihm der Weg freigemacht wurde, und ließ sich auf die kleine Couch neben dem Fenster fallen.

„Wir wollten uns doch im Café treffen“, sagte Masato etwas verlegen und schloss die Haustür, um sich gleich auf die Suche nach einem Kamm zu machen.

„Weiß ich“, erwiderte Shou und legte die Arme auf der Lehne ab, gefolgt von seinem Kopf. Er schaute Masato nachdenklich und fast schon unheimlich offen an, sodass dieser die Stirn in Falten legte.

„Was macht deine Gesundheit?“, fragte er schließlich aus heiterem Himmel.

„Meine Gesundheit?“, echote der Caramelblonde verwundert.

„M-hm. Sei ehrlich“, bat Shou. „Du siehst schrecklich aus.“

„Na ja…“, zuckte Masato mit den Schultern. „Geht so. Ein bisschen müde.“

„Und was macht dein Herz?“, fragte der Andere gerade ebenso ruhig, wie vorher.

Im Gegensatz dazu warf die Frage Masato völlig aus der Bahn. Er war es zwar gewohnt, dass Shou vertraut mit ihm sprach und dass sie einander praktisch alles erzählten, aber sein Freund hatte ihn noch nie ohne Umschweife mit solchen Dingen überfallen.

Doch Shous Augen zeigten nichts als ehrliche Sorge und Freundschaft und das war der Grund, aus dem er den Anderen auch niemals anlügen konnte.
 

„Das weißt du doch“, meinte er leise und hielt beim Haare Kämmen inne.

„Liebst du Takeru immer noch?“

„Shou…ich weiß nicht, warum das das Thema nochmal ansprichst“, seufzte der Ältere erschlagen. Er hatte eigentlich gehofft, durch Shous Gesellschaft an diesem Abend ein wenig Ablenkung zu finden, doch das Gegenteil war der Fall, wie sich nun herausstellte. „Ich versuche nach allen Kräften, ihn mir aus dem Kopf zu schlagen und du erinnerst mich nur noch unnötig an ihn.“

Shou neigte den Kopf auf seinen Armen zur Seite und schloss für einen Moment die Augen.

„Ich finde, du solltest mit ihm reden“, riet er. „Wie kannst du sonst wissen, wie es um seine Gefühle steht?“

Masato bedachte ihn mit einem verständnislosen Blick und legte den Kamm beiseite.

„Das ist doch offensichtlich“, sagte er dann und seine Stimme klang bitterer, als er beabsichtigt hatte. „Ich will es mir nicht unbedingt ins Gesicht sagen lassen…“

„Aber ihr habt euch doch geküsst“, wandte Shou ein. „Und du hast selbst gesagt, dass er den Kuss erwidert hat!“

„Ja“, lachte Masato humorlos. „Genauso hätte er dich küssen können, das ist dir doch klar, oder? Ich bin mir nicht sicher, dass Takeru überhaupt versteht, worum es dabei geht.“

„So ein Unsinn, natürlich versteht er das“, widersprach Shou. ~Schließlich hat er nicht umsonst wegen deinem und Uruhas Kuss geweint…!~ „Er ist kein Kind mehr!“

„Doch so verhält er sich!“, entgegnete Masato und spürte, dass er langsam wütend wurde. Es sah ihm gar nicht ähnlich, sich so wegen etwas aufzuregen…aber irgendwas in ihm wollte einfach zornig sein, wollte enttäuscht sein und wollte verdammt nochmal den Gedanken an Takeru von sich stoßen, damit der er ihn nicht mehr so quälte!

„Er führt sich auf, wie ein Baby, das nach jedem Rockzipfel schnappt, den es zu Gesicht bekommt! Mir reicht es schon, ihn mit Uruha oder mit dir zu sehen, wie er ständig an euch klebt! Und ihr seid ja nicht mal die Einzigen! Takeru begreift den Unterschied zwischen Freundschaft und Liebe ganz offenbar nicht...-“

Während er sprach und seine Stimme sich vor Anspannung überschlug, stand Shou auf und ging auf ihn zu.

„…also wieso sollte ich mir Hoffnungen machen, dass er für mich mehr empfinden könnte, als für alle Anderen?! Es ist das Beste, wenn ich solche Hoffnungen ein für allemal begrabe, verstehst du? Verstehst…du…Shou… …ich…“

Das nächste, was Masato wahrnahm, war, wie der Jüngere ihn sanft umarmte und wie sein Kopf automatisch auf dessen Schulter sackte.

„Weine nicht…“, hörte er seinen Freund leise sagen. Aber er konnte einfach nicht mehr. Je verständnisvoller Shous Stimme klang, je tröstender seine Umarmung war, umso mehr Tränen stiegen in ihm auf und drängten nach außen, wollten gesehen werden, solange er noch eine Schulter hatte, an der er sich ausweinen konnte.
 

Doch Shou schob ihn unerwartet bald wieder von sich, um ihm eindringlich in die Augen zu sehen.

„Ich verstehe deine Gefühle“, sagte er, „aber so darfst du nicht denken.“ Der Braunhaarige holte einmal Luft.

„Vielleicht ist das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um das zu fragen, aber ich muss es wissen. Vertrau mir einfach, ja?“

Masato sah ihn zögernd an und nickte.

„Das zwischen dir und Uruha…ist das um auf andere Gedanken zu kommen?“

Der Caramelblonde wirkte schockiert.

„Was?“

„Habt ihr etwas miteinander, ja oder nein?“

„Denkst du etwa, ich fang was mit dem nächsten Dahergelaufenen an, nur weil ich Liebeskummer hab?“

„Nein, denke ich nicht“, betonte Shou ruhig. „Ich wollte es nur von dir hören. Du musst mir auch nicht sagen, was da zwischen euch los ist.“

„Ich hab genauso wenig etwas mit Uruha, wie du mit mir“, meinte Masato mit fester Stimme.

Shou seufzte und lächelte ihn an. „Verstehe…das ist gut. Komm, setz dich hin und beruhige dich ein wenig…“

Er nahm Masato am Handgelenk und zog ihn in Richtung Couch.

„Aber ich wollte mich doch noch fertig machen“, protestierte dieser halbherzig, doch Shou schüttelte lediglich den Kopf.

„Vergessen wir das Café. Ich mache dir einen heißen Tee und du sammelst deine Gedanken und gibst gefälligst nicht gleich auf. Alles kommt in Ordnung, glaub mir.“

Erneut nickte der Ältere und sah Shou hinterher, als dieser in die Küche ging. Er hatte keinen Schimmer, warum der Andere so optimistisch war, aber trotz allem tat dessen Besuch seiner Seele unsäglich gut.

~Ich bin so froh, dass es dich gibt, mein Freund…~, dachte er schloss müde die Augen, ein paar letzte Tränen von seinen Wangen wischend.
 

***
 

Einige Stunden später betrachtete Ruki überaus zufrieden seine Gestalt in dem großen Wandspiegel bei sich im Schlafzimmer. Ohne sich selbst loben zu wollen – er hatte schon einen verdammt guten Geschmack, was Kleidung anging, das musste er zugeben… Seine Wahl für diesen Abend war auf ein langärmliges weißes Hemd (natürlich nicht zu weit zugeknöpft), eine schwarze Weste und eine enge Lederhose gefallen. Darüber trug er seinen Lieblingsmantel, ebenfalls aus glänzendem, schwarzen Leder mit dunkelgrauem Kragen, und den letzten Schliff verliehen dem Outfit wie immer diverse Halsketten (diesmal waren es vier an der Zahl), Ohrringe und zwei modische Gürtel. Alles in allem kein schlechter Blickfang.

Grinsend legte Ruki noch eine Haarsträhne seiner ansonsten perfekt sitzenden, leicht gewellten Frisur zurecht und ging in den Flur, wo er aus dem Regal unter den Kleiderhaken ein Paar schwarzer Lederhandschuhe holte, diese überstreifte und einen silbernen Ring an seinen rechten Mittelfinger steckte. Der Brünette griff nach dem Wohnungsschlüssel, streckte sich und überprüfte ein letztes Mal sein Makeup. Jetzt war er bereit…

Bereit für den süßen Geschmack der Rache.
 

*
 

Über seinen Informanten, einen guten Kumpel, der sich wie kein Anderer in jeglichen Bereichen der städtischen Untergrundszene auskannte, hatte Ruki einiges über sein Opfer herausgefunden. Eigentlich war dieser sogar ein wenig unterfordert gewesen, was die Ausnutzung seiner Kontakte anging, denn da Ruki ihm Name und Beschreibung hatte liefern können, war es ein Leichtes gewesen, ihn zu finden.

Reita arbeitete als Türsteher in einer angesagten Disco namens Red Moon und war sowohl dort, als auch andernorts bekannt und für seine Kaltblütigkeit berüchtigt.

Allerdings hatte selbst ein scheinbar harter Kerl wie er gewisse Schwachpunkte – und der Punkt, den Ruki sich ausgesucht hatte, arbeitete praktischerweise ebenfalls im Red Moon. Ganz recht, arbeitete, denn es handelte sich dabei um Reitas jüngere Schwester, die als Bedienung an der Theke stand. Von seinem Kumpel wusste er, dass sie an diesem Tag da sein würde und Ruki hatte es sich nicht nehmen lassen, einen netten, kleinen Plan zu entwickeln, wie er dem Türsteher mit ihrer Hilfe eins auswischen konnte. Es bot sich ja direkt an, wenn man darüber nachdachte… Natürlich sollte erwähnt werden, dass die Frau ihrem Bruder ein regelrechter Dorn im Auge war – sie war nämlich die Einzige (ausgenommen Rukis Wenigkeit), die sich nicht von Reita einschüchtern ließ, hörte nie auf ihn und stellte trotzdem ständig irgendwelche Dummheiten an, aus denen ihr „Aufpasser“, der der Türsteher als älterer Bruder unumgänglich sein musste, sie dann rauszuholen hatte und es auch immer schön pflichtgemäß tat. Das alles waren Tatsachen, die im Red Moon längst jedem Angestellten und jedem Stammgast, der seinen Aufenthalt dort nicht in völlig betrunkenem Zustand verbrachte, bekannt waren. Und da Rukis Informant zu letzterer Gruppe zählte, wusste nun auch er Bescheid über die Familienbande seines Opfers.
 

Nun – da Reita offenbar von sich dachte, ein richtig harter Kerl zu sein und alle anderen Menschen in seiner Umgebung mit links in die Tasche stecken zu können (~Einbildung ist auch eine Bildung…~), was lag dann näher, als ihm das Gegenteil zu beweisen, indem man ihm etwas vorführte, dass sich seiner Kontrolle entzog?

~Ich werde dir schon zeigen, wer von uns beiden der Gerissenere ist… Was wird dein Stolz dazu sagen, wenn ich dein behütetes Schwesterlein verführe? Ich kann es nicht erwarten, dein Gesicht zu sehen, wenn ich sie dir vor deiner Nase wegschnappe?~

Rukis Lippen verformten sich zu einem schiefen Grinsen, als er aus dem Auto stieg, das er einige Straßen von der Discothek entfernt geparkt hatte. Er würde sich heute Abend durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, auch – und besonders – nicht durch das hochnäsige Getue des Türstehers.
 

*
 

Reita stand währenddessen gelangweilt vor dem Eingang zum Red Moon herum, kontrollierte hier und da einen Ausweis und rauchte bereits die dritte Zigarette am Stück.

Als sein Blick eher zufällig über die im Moment ziemlich übersichtliche Schlange von Anstehenden schweifte, wäre ihm vor Überraschung beinahe die Kinnlade heruntergeklappt. Natürlich behielt er eisern seine ungerührte Miene – doch wirklich fassen konnte er es trotzdem nicht, dass gerade dieser Mensch hier auftauchte: Ruki.

Der aufsässige Angestellte aus dem Colors, dem er im Auftrag von dessen eigenem Chef eine Lektion in Sachen Gehorsam erteilt hatte, sollte also allen Ernstes zu den Besuchern der Disco gehören, in der er arbeitete?

Wohl kaum.

Es kam ziemlich selten vor, dass Reita ein Gesicht vergaß, und in diesem Fall war er sich zu hundert Prozent sicher, den Anderen noch nie im Red Moon gesehen zu haben.

Was also hatte ihn gerade an diesem Abend hierhin verschlagen…?
 

*
 

Mit einer Art Zufriedenheit registrierte Ruki, dass sein Opfer ihn bemerkt hatte und jeden seiner Schritte argwöhnisch beobachtete. Er selbst gab sich nicht die Mühe, die offene Kampflust in seinem Blick zu zügeln, sondern spießte den Größeren förmlich mit Blicken auf – so lange, bis er in der Schlange gänzlich vorgerückt war und am Eingang zum Gebäude stand.

Und diese konstante Zurschaustellung von Feindseligkeit hatte ihre Wirkung getan: Reita schien schon genervt zu sein, bevor sie überhaupt ein Wort gewechselt hatten.

„Hallo“, wandte er sich betont lässig – und diesen damit ignorierend – an seinen Kollegen, der gerade ebenfalls an der Tür stand und ihm einen gelangweilten Blick zuwarf.

„Hey, ich bin hier für den Einlass verantwortlich, du Zwerg!“, zischte Reita unwirsch, was den anderen Türsteher mit Verwunderung erfüllte. Sie hatten zwar vor zehn Minuten Schichtwechsel gehabt, aber eigentlich lief es meist eher so ab, dass sie die Sache eine Weile lang immer zu zweit regelten und das in stillem Einvernehmen. Dass der Blonde sich nun so leicht reizen ließ, passte gar nicht zu ihm.

„Tatsächlich?“, drehte Ruki nun ein wenig den Kopf und hob eine Augenbraue.

„Ja, tatsächlich“, kam es von Reita, der den Gast einmal von Kopf bis Fuß musterte und zu seinem Ärger unwillkürlich bemerkte, wie attraktiv dieser in seiner Aufmachung aussah.

„Ach, Reita, jetzt lass den Mann doch in Ruhe“, meldete sich der zuerst Angesprochene zu Wort und klopfte diesem auf die Schulter, was der Bandanaträger mit einem stechenden Blick quittierte.

„Nicht, bevor er seinen Ausweis vorgezeigt hat!“, bestand Reita.

Sein Partner runzelte die Stirn, denn seiner Meinung nach sah man dem Besucher an, dass er keine siebzehn mehr war, sagte jedoch nichts. Er fand es eher amüsant, wie verbissen dieser auf einmal war.

Ruki grinste derweil und fischte geschickt den geforderten Ausweis aus seiner Gesäßtasche, um ihn dem Türsteher vor die Nase zu halten.

„Dass du über so wenig Erfahrung in deinem Job verfügst, um die Sache nicht souveräner abzuwickeln…“, flüsterte er, indem er sich ein wenig nach vorn zu seinem Gegenüber beugte.

Da dieser nun den Altersnachweis begutachten hatte können, spazierte Ruki schmunzelnd durch die Tür und sah noch höchst vergnügt, wie der Kollege ein Lachen nicht unterdrücken konnte.
 

Als er sich in den Räumlichkeiten der Disco umsah, kam auch schon nach wenigen Minuten aus der Menge sein Kumpel und Informant auf ihn zugedrängelt.

„HEY, RUKI ALTES HAUS!!!“, rief er ihm lachend entgegen und klopfte ihm bei einer Umarmung so fest auf den Rücken, dass dieser zu husten anfing.

„Jetzt mal langsam, Miyavi…“
 

***
 


 

*Fortsetzung folgt…* (aber ich freu mich schon jetzt über kommis <3)

Clash

Chapter 11: Clash
 

„HEY, RUKI ALTES HAUS!!!“, rief er ihm lachend entgegen und klopfte ihm bei einer Umarmung so fest auf den Rücken, dass dieser zu husten anfing.

„Jetzt mal langsam, Miyavi…“
 

„Bist du schon lange da?“

„WAS?“

„Bist du schon LANGE daaaa?“, wiederholte Miyavi lauter, die Musik nur mit Mühe übertönend. Ruki sah sich kurz um und visierte die Treppe zum ersten Stock an. Er winkte den Anderen mit sich.

„Eben erst gekommen“, meinte er, als sie am Fuß der Treppe standen und einander besser hören konnten.

Miyavi setzte ein breites Grinsen auf. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich irgendwann mal hier zu sehen bekommen würde!“

Ruki verdrehte die Augen. „Ich bin nur aus einem bestimmten Grund hier, sonst nichts.“

Ein Lachen entwich seinem Gegenüber. „Alles klar. Wollen wir dann?“

„Zeig mir einfach seine Schwester und dann kannst du gehen und dich weiter amüsieren“, erklärte Ruki und ein Hauch von gemeiner Vorfreude machte sich auf seinem Gesicht bemerkbar.
 

Reitas jüngere Schwester war ohne Zweifel das, was man gemeinhin als ‚keine üble Partie‘ bezeichnete. Schwarzes, schulterlanges und in großen Locken fallendes Haar, vor Energie sprühende, dunkle Augen und eine nahezu unheimlich perfekte Figur. Ihre Ausstrahlung war sogar unter den vielen Menschen und bei den schmählichen Lichtverhältnissen im Red Moon bemerkbar.

Die junge Frau schenkte hinter der Theke die Getränke ein und flirtete nebenher immer mal wieder mit den männlichen Besuchern, sie gekonnt zu einem zweiten, dritten oder vierten Drink überredend. Es würde schwer werden, sie hinters Licht zu führen, dachte Ruki. Doch er hatte vollkommenes Vertrauen in seine Fähigkeiten.
 

***
 

Es war halb elf Uhr abends, als Shou und Masato gemeinsam über die Schwelle des Colors traten und sich nach kurzer Anmeldung beim Chef zur Garderobe begaben.

„Da fällt mir ein“, meinte Shou und stupste den Anderen am Oberarm. „Weißt du, wen ich heute als Kunden hab?“

Masato sah seinen Freund kurz von der Seite her an und versuchte, aus dessen Miene zu lesen, ob es Hiroto war, doch irgendetwas sagte ihm, dass dies nicht zutraf. Jedenfalls konnte er keinen träumerisch-verliebten Blick oder etwas in der Art entdecken…

„Wen?“

„Shinpei.“

Masato machte große Augen und hielt mitten auf dem Gang inne, sodass Shou ebenfalls anhalten musste, um weiter mit ihm reden zu können.

„Wirklich? Wie geht es ihm denn, weißt du das?“

Sorge zeichnete sich in Shous Ausdruck ab. „Letztes Mal, als ich ihn gesehen habe…ging es ihm leider nicht besonders gut.“

Der Caramelblonde seufzte und schüttelte langsam den Kopf. Andere Menschen hatten eben auch Probleme…und dabei oft noch größere, als er selbst.

Shinpei – das war ein junger Mann von 21 Jahren, den Masato noch aus seiner frühen Jugend kannte. Etwas war schon immer seltsam an ihm gewesen, das hatte damals jeder gedacht. Etwas hatte ihn immer davon abgehalten, sich Anderen zu öffnen...und das Schicksal hatte die Dinge so gelenkt, dass Masato und Shou zu den wenigen Menschen gehörten, die um den Grund seiner Scheu und Eigenartigkeit wussten.

„Du sagst ihm doch einen Gruß von mir, ja?“

Shou nickte.

„Ich wünschte, er würde über seinen Schatten springen und endlich jemandem vertrauen.“

„Das ist für ihn nicht so einfach…und ich weiß nicht, ob ich es an seiner Stelle könnte“, überlegte Masato, während sie die Garderobe betraten. „Wenigstens vertraut er uns beiden…“

Shou seufzte. „Ich meinte eigentlich jemand Normalem.“

„Wir sind deiner Meinung nach also nicht normal?“, grinste der Blonde.

„Deiner Meinung nach etwa doch?“

„Ach, Shou…“

Shou klopfte Masato leicht auf den Rücken, womit das Gespräch vorerst beendet war, und die zwei Freunde machten sich fertig für ihre Schicht.
 

***
 

Hiroto konnte seine Freude darüber, in dieser Nacht Shou wiederzusehen, kaum zügeln. Er hatte zwar keinen „Termin“ mit dem Colors-Angestellten gemacht, doch er war zuversichtlich, diesen in seiner Pause oder vielleicht sogar noch vor Schichtbeginn anzutreffen.

Ein kleiner Verkehrsstau auf dem Weg zum Colors machte die zweite Option zwar zunichte, aber das konnte Hirotos guter Stimmung keinen Dämpfer versetzen. Während er auf dem Rücksitz des Taxis saß, lehnte er seine Stirn ans Fenster und blickte nach draußen, ab und an von sich selbst unbemerkt lächelnd. Die nächtlichen Straßen der Stadt lebten auf.
 

Er ließ das Taxi einige Straßen entfernt von seinem Zielort anhalten, bezahlte den Fahrer und machte sich auf den Weg.

Im Eingangsbereich wurde er zu seinem Unbehagen von dem gleichen Typen begrüßt, der ihn auch letztes Mal in die Bar geführt hatte…

~Chiyu hieß er, oder?~, erinnerte sich der Blonde. Toras Worte über den Unterschied zwischen Chiyu und Shou fielen ihm wieder ein und er räusperte sich, um sein mulmiges Gefühl zu überspielen.

„Was darf ich für dich tun, Kleiner?“, meinte der Andere inzwischen lächelnd.

„Eigentlich…nichts Besonderes“, kam es vorsichtig von Hiroto. „Ich will heute nur in die Bar.“

„Nicht zu Shou?“, grinste Chiyu anzüglich.

„Ähm…ich hatte gehofft…“, fing Hiroto an, doch zögerte etwas.

„Dass er sich auch so Zeit für dich nimmt?“ Chiyu schmunzelte verächtlich. ~Wie niedlich…er denkt, dass Shou jetzt nur noch Augen für ihn hat. Hm…so wie ich Shou kenne, könnte dies zwar sogar der Fall sein – aber er wird es sich bestimmt nicht bei der Arbeit anmerken lassen…~

Da kam ihm eine nette Idee, wie er sich den langweiligen Abend versüßen konnte… Es stellte sich als überaus praktisch heraus, dass er gerade in dieser Nacht die Übersicht über alle Kunden hatte, da er am Empfang war – da bot sich doch Shous erster Kunde direkt für eine kleine Vorführung an.
 

Hiroto hielt es derweil für besser, nicht auf Chiyus Worte einzugehen, was auch immer dahinter stecken mochte. Auch ohne Toras Warnung hätte er aus natürlichem Instinkt heraus Abstand von diesem Mann gehalten, der ihm doch etwas verdächtig vorkam.

„Shou’s Schicht dürfe bereits angefangen haben“, erklärte der Braunhaarige mit einem Blick auf die Uhr. „Aber ich könnte dir etwas zeigen, was dich sicher interessieren wird.“

Hiroto runzelte die Stirn. „Nein danke, nicht nötig.“

Grinsend lehnte sich Chiyu vor und stützte seine Ellbogen auf dem Empfangstisch ab. „Du willst also nicht mehr über Shou erfahren?“

„Über Shou?“, stutze Hiroto. „Was kannst du mir schon über ihn erzählen?“

„Erzählen vielleicht nicht viel…aber, wie ich bereits sagte, zeigen.“

Misstrauisch beäugte der Blonde sein Gegenüber. Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf.

Chiyus Grinsen wurde noch einen Tick schiefer. „Denkst du allen Ernstes, du seist was Besonderes für ihn?“, meinte er auf einmal gerade heraus.

„Was?“

Erstaunt verarbeitete Hiroto die Frage des Anderen. ~Das heißt…er weiß Bescheid über…uns? Aber wie…?~

„Soll ich dir das Gegenteil beweisen?“, fuhr die Diva fort, ohne sich nochmals zu wiederholen. „Komm mit…am Ende es ist nur zu deinem Besten.“

Und damit wandte er sich mit einer eleganten Bewegung um und ging langsam auf die Treppe zu.
 

Hiroto blieb wie angewurzelt stehen. Was hatte das Ganze zu bedeuten? Gab es wirklich etwas, das ihn sein Vertrauen zu Shou in Frage stellen lassen konnte? Er wusste, dass Shou wegen seinem Job hier…mit Anderen zusammen war, aber…

„Ich glaube, ich bin dabei, mich in dich zu verlieben…“

Shou hatte sich ihm gegenüber auf keinen Fall so verhalten, wie bei einem bloßen Kunden...!

~Ich hab keinen Anlass, diesem Kerl zu glauben~, dachte er mit einem Blick auf Chiyus Rücken, während dieser kurz an der Treppe inne hielt und dann nach unten hinabstieg.

Und doch war da etwas…etwas in ihm, dass wissen wollte – wenn auch nur, um seinen Unglauben Chiyus Worten gegenüber zu bestätigen – was der Andere gemeint hatte.

Hiroto biss sich kurz auf die Unterlippe und seufzte, bevor er Chiyu folgte und diesen auf halbem Wege auf der Treppe einholte.
 

Chiyu lachte triumphierend in sich hinein. ~Ich wusste, du würdest nicht anders können, als mitzukommen, Schätzchen.~

Dann würde die Show also in wenigen Augenblicken beginnen.
 

***
 

„Ein Bier bitte.“

„Alles klar, kommt sofort!“

~Die hat auch noch so einen enthusiastischen Ton drauf…~

Interessiert lehnte sich Ruki an die Theke, während er darauf wartete, dass Reitas Schwester ihm seine Bestellung brachte. Wie konnte er sie am besten rumkriegen? Der Brünette sah kurz hinter sich, dann nach links und rechts, und stellte fest, dass an der Bar gerade erfreulicherweise nicht viel los war. Er entschied sich, eine Weile hier stehen zu bleiben und diese Situation auszunutzen.

„Hier, bitte sehr!“ Die junge schwarzhaarige Frau reichte ihm eine Flasche und zwinkerte ihm zu.

Ruki musste sich ein Grinsen verkneifen. Wenn das so weiterlief, wie es anfing, würde er sich vielleicht gar nicht besonders anstrengen müssen…

„Danke. Darf ich fragen, wie du heißt?“

Sie lachte leise und streckte wie tadelnd den Zeigefinger in die Höhe. „Willst du mit mir flirten?“

„Und wenn es so wäre?“, grinste Ruki zurück.

„Hm…eigentlich darf ich mich nicht während der Arbeitszeit ablenken lassen“, sagte sie, das Wort eigentlich lang ausdehnend. „Wenn es sich allerdings um ein völlig harmloses Gespräch handelt…“

Sie zog einen Mundwinkel keck nach oben und ihre Augen blickten ihn auffordernd an.

„Oh, selbstverständlich“, ging Ruki darauf ein, innerlich bereits den nahenden Triumph witternd, obwohl er ihm noch ganz und gar nicht sicher war.

„Na dann“, meinte sie zufrieden, dass er bei ihrem Spielchen mitmachte. „Ich heiße Aya.“

„Aya...ich bin Ruki. Freut mich.“

„Mich ebenso. Noch ein Bier, Ruki?“

Der Brünette musste ihrem Charme Respekt zollen. Sie verstand es, Besuchern Geld aus der Tasche zu ziehen, so wie er es vermutet hatte, als er sie aus der Ferne beobachtet hatte.

„Wenn ich mein erstes beendet hab“, sagte er, auf seine halb leere Flasche blickend. „Übrigens, Aya…“

„Ja?“

„Ich glaube, ich bin heute schon deinem Bruder begegnet…“, ließ er betont lässig fallen. „Das ist doch der Türsteher mit dem Band um die Nase, oder?“
 

***
 

Zur gleichen Zeit, als Ruki und Aya im Red Moon anbändelten, saß Nao in seinem Büro und betrachtete gedankenverloren einen silbernen Ring an seinem rechten Zeigefinger. Die Unterhaltung mit Kai hatte ihn zum Nachdenken gebracht. Hatte er ihm nicht zu viel verraten? Vielleicht war es nicht gut, alte Wunden wieder aufzureißen…?

~Andererseits wird er wohl nie Ruhe finden, wenn er Tora nicht die Wahrheit erzählt…~
 

-Flashback-
 

Nao hatte erst nach zwei Tassen Kaffee den Eindruck, dass sein Gesprächspartner, den er vor einer halben Stunde vor seinem Club aufgesammelt hatte, wieder einigermaßen konversationsfähig war. Er beschloss, ihn von selbst auf das Thema kommen zu lassen und ihn nicht zu drängen. Der Clubbesitzer hatte erst mittags seinen nächsten Termin – und das war lediglich ein Treffen mit seinem Bruder Saga, konnte also fast schon als Familientreffen bezeichnet werden.

Kai zauderte aber nicht lange und fing sogleich an, nachdem er seine zweite Tasse beendet hatte.

„Nao-san…können Sie mir eins verraten?“

Der Ältere sah ihn aufmerksam an.

„Hat Satoshi gewusst, dass es Tora ist? Hatte er es schon rausgefunden?“

In Naos Blick zeichnete sich völliges Erstaunen, gefolgt von einem respektierenden Blick, ab, woraus Kai die richtigen Schlüsse für sich zog.

„Es stimmt also…“ Ihm entfuhr ein langer Seufzer.

„Wie hast du das erfahren?“, wollte Nao wissen.

„Ehrlich gesagt war es bisher nur eine Vermutung“, gab er zu. „Ich hab sehr viele Clubs abgeklappert in der Hoffnung, ihn zu finden. Der Zeitpunkt seiner Anstellung im Colors hat gepasst…und natürlich sein Aussehen.“

Der Clubbesitzer nickte langsam. „Er sieht ihm wirklich verdammt ähnlich.“

„Und, wusste Satoshi es?“

„Ja. Damals, bei unserem Gespräch, wollte er von mir Informationen über einen Angestellten im Colors haben…es war relativ schnell klar, dass es sich um Tora handelte. Ich weiß nicht, wie Satoshi auf meinen Namen gekommen ist. Hätte eher erwartet, dass er sich an den Leiter des Clubs wendet…aber im Endeffekt war er bei mir richtig, da ich Tora dorthin vermittelt hab.“

„Und weiß Tora es?“

„Noch nicht“, meinte Nao mit einem interessierten Blick auf Kais Gesicht. „Aber bald…hab ich recht?“

Kai schwieg einen Moment lang.

„Bist du unsicher, ob du ihm die Wahrheit sagen sollst?“

„Nein, das…“ Der Brünette schluckte und sah die Tischkante an. „…das ist es nicht mal. Ich denke, Tora hat ein Recht darauf, es zu wissen. Und es war Satoshis Wunsch… Ich hab nur Angst, dass…“ Er unterbrach sich kurz, um Atem zu schöpfen. „Dass mich das Gespräch mit ihm zu sehr an Satoshi erinnert und…ich die Nerven verliere.“

Nao bemerkte, dass Kai seine rechte Hand zu einer Faust geballt hatte. ~Es muss noch immer schwer für ihn sein…~

„Sicher wäre er dir sehr dankbar“, sagte er sanft.

Kai schloss die Augen. Nao hatte recht.
 

-Flashback end-
 

Seufzend wandte sich Nao einigen liegen gebliebenen Unterlagen zu. Wahrscheinlich war es am besten so - Satoshis Freund würde schon das Richtige tun.
 

***
 

Chiyu führte Hiroto durch den großen Barbereich, in dem dieser auch einmal mit Shou gewesen war, hielt jedoch nirgendwo an, sondern betrat durch einen kleinen Gang einen zweiten, kleineren und leiseren Raum, von dessen Existenz Hiroto bislang nichts gewusst hatte. (Dabei war es ihm ganz recht, dass Tora gerade nicht da zu sein schien…er konnte den nervigen Barkeeper jetzt wirklich alles andere als gebrauchen.) Alles war ähnlich dem großen aufgebaut – voneinander durch Sichtschutz abgetrennte Sitzbereiche, gedimmtes Licht und kaum vernehmbare Gespräche füllten die Räumlichkeit.

„Shh…“, machte Chiyu, indem er in einiger Entfernung von einem Sitzbereich anhielt, in den man aus dem Dunkeln des Gangs spähen konnte, ohne erkannt zu werden, und sich leicht zu Hiroto drehte. „Komm her und du siehst, was ich meine.“

Mit klopfendem Herzen tat der Blonde einen Schritt nach vorn vor Chiyu.
 

Da saß Shou zusammen mit einem jungen Kunden von schmächtiger Gestalt, den man allerdings nur von hinten sehen konnte. Die beiden unterhielten sich so leise, dass Hiroto kein Wort verstehen konnte. Er beobachtete sie eine ganze Weile, ohne dass etwas Bemerkenswertes geschah, und sein Herz hatte sich beinahe wieder vollkommen beruhigt; er wollte sich gerade zu Chiyu umdrehen und ihm sagen, dass dieser doch keine Ahnung hatte, als Shous Gesichtszüge sanfter wurden und er einen Arm ausstreckte, um über die Wange seines Kunden zu streichen.

Im Bruchteil einer Sekunde war Hirotos Körper wieder angespannt. Er fragte sich, warum eine so simple und wahrscheinlich bedeutungslose Geste ihn so zusammenzucken ließ, obwohl er doch schon die ganze Zeit um Shous…Job…gewusst hatte.

~Es ist nichts Neues…warum bin ich so unruhig?~ Dann dämmerte ihm plötzlich, dass Chiyu es genau darauf angelegt haben musste – ihn zu reizen, ihn auf Shou wütend zu machen. Aber das würde ihm nicht gelingen, ganz sicher nicht! ~Es ist nur ein Kunde. Einer von vielen, die ihm nichts bedeuten…~

Doch Shous Verhalten trug nicht dazu bei, Hiroto in seiner Überzeugung zu bestärken. Der Braunhaarige rutschte gerade näher zu seinem Gegenüber und fuhr mit seinen Fingerspitzen unter dessen Kinn. Er sprach fast ununterbrochen, schon seit fünf Minuten, und Hiroto wollte wissen, wieso er dem Anderen so viel zu sagen hatte. Es war doch nur irgendein Mann, irgendein Unbekannter… Seine Hände spannten sich zu Fäusten.

Und dann drehte der Unbekannte seinen Kopf zur Seite, als sei er errötet und müsse sich abwenden. Hiroto verengte die Augen, um ihn besser erkennen zu können. Er sah verlegen aus, als hätte Shou ihm geschmeichelt, aber was Hiroto in erster Linie auffiel, war…wie verdammt hübsch er war. Das Herz des Blonden machte einen Aussetzer. Diese feinen Gesichtszüge…der niedliche Blick…

~Er…dieser Typ…ich dachte…~

Ja, was hatte er denn gedacht? Dass Shous Kunden allesamt durchschnittliche Männer mittleren Alters oder Ähnliches waren? Er wusste es nicht…aber in diesem Moment konnte er seinen Schock über diesen Kunden so überdeutlich spüren, dass er die Augen abwenden musste.
 

Chiyu konnte sich sein zufriedenes Grinsen beinahe nicht verkneifen, doch er wandte all seine Kraft dafür auf und fasste Hiroto an den Schultern, ihm von hinten ins Ohr flüsternd: „Sieh ruhig weiter hin, es wird womöglich noch interessanter…!“

Hiroto versuchte mit aller Macht, ruhig zu bleiben und sich nichts von dem Gefühlschaos anmerken zu lassen, das in ihm ausgebrochen war. Er zwang sich, wieder aufzusehen und bekam gerade noch mit, wie Shou den jungen Mann an seiner Seite anlächelte. Und das war kein aufgesetztes Lächeln, es war nicht gespielt, sondern vollkommen aufrichtig, das konnte man erkennen.

Dann geschah etwas, das Hiroto nicht hatte kommen sehen, das ihn aber augenblicklich unheimlich wütend machte. Der hübsche Kunde fing an, zu weinen. Seine Schultern bebten und er hielt sich eine Hand vor den Mund, wahrscheinlich um Schluchzer zurückzuhalten, während er seinen Kopf sinken ließ. Shou fasste ihn an den Oberarmen und redete auf ihn ein, während er darüber strich.

Und dann – Hiroto klappte fast die Kinnlade herunter – hob der Fremde den Kopf und Shou zog ihn näher, seine Stirn an die des Kleineren lehnend und dessen Gesicht in seine Hände nehmend.

~Shou…~

Hiroto schluckte und zwang sich mit viel Überwindung, nicht wegzusehen. Doch Shou küsste den Anderen nicht wie erwartet, sondern legte seine Lippen an dessen Stirn und schloss fest seine Arme um ihn. Dieser klammerte sich an ihn und weinte weiter, während Shou ihm übers Haar strich und nicht aufhörte, zu reden.

Das alles machte, und er wusste ganz genau warum, auf Hiroto einen noch viel schmerzhafteren Eindruck, als wenn Shou ihn einfach nur geküsst hätte. Natürlich wäre er verärgert gewesen, wenn die beiden sich geküsst hätten…aber diese Tränen, diese Zutraulichkeit, diese Wärme, die Shou dem Anderen entgegenbrachte, machten ihn wahnsinnig. Hiroto biss die Zähne zusammen. Das alles war einfach zu…zu bekannt. Es war, als würde er sich selbst mit Shou sehen. Er hatte geglaubt…er hatte nicht daran gezweifelt, dass Shou…anders mit ihm umging…

Jetzt löste sich der junge Mann von Shous Brust und nickte, während dieser ihm die Tränen von den Wangen wischte…

Nein, er konnte nicht länger zusehen.
 

Ohne Chiyu auch nur eines Blickes zu würdigen, schob er ihn beiseite und verließ schnellen Schrittes den Gang in Richtung Bar.

Kaum zwei Minuten später stolperte er durch den Ausgang des Colors auf die Straße und der kalte Nachtwind schlug ihm ins Gesicht.
 

***
 

Etwa drei Stunden nach Hirotos abrupter Flucht verließ ein Angestellter des Colors einen Club namens Red Moon – in Begleitung einer höchst ansehnlichen, dunkelhaarigen Frau.

Während Ruki mit Aya, um deren Taille er seinen Arm gelegt hatte, gelassen aus der Tür spazierte, warf er einem der Türsteher einen triumphierenden Blick zu.
 

Er spürte dessen wuterfüllte Augen im Nacken und sie nährten seine Selbstzufriedenheit. ~Was, schon so zornig…? Und dabei war das erst der Anfang meines Plans! Warte bloß ab, Reita...~

Bevor sie hinter der Ecke des Gebäudes verschwanden, wandte Aya ihren Kopf nochmal in Richtung ihres Bruders und grinste ihn hämisch an, was Ruki nicht entging und ihm ein leises, fieses Lachen entlockte.
 

***
 

Entsetzliche Kopfschmerzen quälten Masato seit einer guten Stunde. Außerdem hatte er Hunger und die Nacht war alles andere als gut verlaufen. Der Blonde war gerade in einem Gang im ersten Stock des Colors unterwegs und dachte an den jetzt endlich erlösenden Schichtschluss, als ihn unerwartet ein Schwindelgefühl überfiel und seine Beine unter ihm nachgaben.

„Agh…“ Taumelnd sank er auf die Knie und suchte mit dem Arm nach der Wand, um sich abzustützen – doch stattdessen ergriffen von hinten zwei Hände seine Schultern und hielten ihn aufrecht.

„Masato…?“

Die Stimme passte so absolut nicht zum festen, sicheren Griff, dass Masato sie als Einbildung abtat. Aber als sein Oberkörper sanft zur Seite gedreht und an die Wand gelehnt wurde, erkannte er tatsächlich Takerus Gesicht, das ihn besorgt musterte.

„Ist dir schlecht?“

Der Ältere machte eine undeutliche Bewegung mit dem Kopf und für einen Moment verschwammen die Umrisse der Umgebung vor seinen Augen.

„N-nein...es geht schon…“, murmelte er und zog dabei die Augenbrauen zusammen. „Nur etwas schwindelig…“
 

Takeru fühlte einen Kloß in seinem Hals aufsteigen. Er wusste selbst nicht, wie er es hatte dazu kommen lassen, aber Masato so verletzlich und schwach zu sehen ließ seine Gefühle Achterbahn fahren. Er verspürte den dringenden Wunsch, ihn in den Arm zu nehmen, ihm zu helfen, und das hätte er vor nicht allzu langer Zeit auch ohne weiter nachzudenken getan – aber jetzt…jetzt, mit diesen Gefühlen für den Anderen, hinderte seine Angst sich zu verraten ihn daran, diesem noch näher zu kommen. Andererseits konnte er auch nicht einfach da stehen und nichts tun...

„Wird es besser?“, fragte er hoffnungsvoll.

Masato schwieg und blinzelte ein paar Mal. Er wirkte blass und zittrig und Takeru entschied, sich erst Gedanken um mögliche Probleme zu machen, wenn der Moment dafür kam. Er strich dem Älteren vorsichtig den Pony aus dem Gesicht und ließ seine kühle Handfläche für eine Weile auf Masatos Stirn ruhen.

„Du hast kein Fieber…trinkst du genug?“, wollte er wissen, während seine Hand weiter zur Wange des Caramelblonden glitt und sein Gesicht zu sich drehte.
 

Masato sah Takeru aus müden Augen an und fragte sich, was da gerade vor sich ging. Takeru war so…anders…so… Ein schmerzhaftes Stechen in seinem Kopf lenkte ihn wieder von seinen Gedanken ab. Er bekam nur noch benommen mit, wie Takeru mit den Armen seinen Oberkörper umfasste und ihn hochhievte, wonach der Kleinere ihn zu Sagas Büro führte.

Überhaupt konnte er sich an alles, was zwischen dem Betreten eben jenes Büros und seinem Aufwachen gegen nächsten Mittag passiert war, nur sehr undeutlich und zusammenhangslos erinnern.

Er wusste nur noch, dass Takerus stützende Arme nicht für einen Moment von seiner Seite gewichen waren.
 

***
 

Uruha hatte nicht gut geschlafen. Er hatte sich zuhause einfach auf sein Bett fallen gelassen, sobald er angekommen war, ohne zu duschen, geschweige denn überhaupt seine Sachen auszuziehen. Als Ergebnis hatte er sich zusätzlich zu der schlechten Stimmung auch noch körperlich unwohl gefühlt, doch den Elan, etwas daran zu ändern, verspürte er erst nach dem Aufwachen.

Nach einer warmen, wohltuenden Dusche zog er bequeme Hosen, ein Unterhemd und einen weichen Pulli an, goss sich eine Tasse Kaffee ein und platzierte sich damit auf seinem Sofa.

~Etwas Musik hilft vielleicht beim Entspannen~, dachte er mit einem Blick auf die Fernbedienung der kleinen Anlage, die daraufhin angeschaltet wurde und leise vor sich hin zu trällern begann. Den heißen Kaffee stellte er auf einem Beistelltischchen ab und lehnte sich blinzelnd zurück, krampfhaft versuchend, die schwere Müdigkeit aus seinem Kopf zu vertreiben. Ab und zu nahm er einen Schluck der bitteren, aber wärmenden Flüssigkeit.

So hatte er gute zwanzig Minuten dagesessen, als die Türklingel ertönte.
 

Stirnrunzelnd sah Uruha in Richtung Flur und fragte sich, ob er sich das Geräusch bloß eingebildet hatte. Doch ein zweites Klingeln belehrte ihn eines Besseren und er erhob sich schließlich doch von seinem Platz, um zur Tür zu gehen. Seufzend machte er auf und fand sich zu seinem Erstaunen zunächst vor einem Strauß Rosen wieder.

Der Blonde blinzelte die Blumen wortlos an, bis sie etwas nach unten gesenkt wurden und hinter ihnen Aois schwarzer Haarschopf, gefolgt von dessen Gesicht – vom unsicheren Ansatz eines Lächelns gezeichnet – hervorkam.

Einige Sekunden lang blickten sie einander an, bis Uruha schon die Augen abwenden wollte, doch dann fing Aoi endlich an, zu sprechen.

„Ich…ich bin hier, um mich zu entschuldigen“, sagte er hastig und wartete offenbar Uruhas Reaktion ab, die aus nichts als einer angehobenen Augenbraue bestand.

„Entschuldige“, wiederholte der Schwarzhaarige und streckte seinem Gegenüber den Rosenstrauß entgegen, den dieser etwas ungelenk annahm.

Uruha bedachte den Anderen mit einem langen, prüfenden Blick und seufzte schließlich, etwas zur Seite tretend.

Aoi verstand den Wink und schlüpfte in die Wohnung, bevor sein Lover es sich noch anders überlegen konnte. Während Uruha die Blumen wegbrachte, um sie mit Wasser und einer Vase zu versorgen, trottete er ins Wohnzimmer und blieb neben der Couch stehen, der Musik lauschend.
 

„Willst du einen Kaffee?“

„Danke, gern.“

Der Blonde nahm den Wunsch mit einem Nicken zur Kenntnis. Er selbst hatte keine Lust mehr auf Koffein und machte sich einen Tee.
 

Fünf Minuten später nippten beide wortlos an ihren Getränken, wobei Uruha Aoi über den Tassenrand hinweg eingehend musterte. Er wohnte so ziemlich an Ende der Welt… Normalerweise kam Aoi nie zu ihm, sondern er selbst fuhr in die Stadt, um ihn zu besuchen, weil es einfach weniger Umstände für sie machte, wenn sie noch etwas unternahmen. Dass der Andere sich die Mühe gemacht hatte, herzukommen, musste doch etwas heißen, oder?
 

Schließlich räusperte Uruha sich und sah demonstrativ aus dem Fenster, um nicht seinen Lover anschauen zu müssen.

„Also…wofür genau wolltest du dich entschuldigen?“
 

***

Tbc…



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Kommentare zu dieser Fanfic (47)
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Von:  Haidogirl
2009-01-02T21:08:19+00:00 02.01.2009 22:08
Hey, das ist eine echt süße Story! Und super pairings, ich liebe Aoi x Uruha! Oh und Takeru natürlich :-)
Ich hoffe, du schreibst bald ein neues Kapitel, würde mich echt freuen! Liebe Grüße
Von: abgemeldet
2008-07-13T17:54:50+00:00 13.07.2008 19:54
ich hab mir das jetzt durchgelesen und ich find die echt super...
ich hoffe du schreibst bald weiter...^^
aber ein muss ich noch loswerden:
der Yuji hier ist ja kein bisschen arrogant oder so?
ansonsten mach weiter so....
freu mich schon aufs nächste kapi ^^
Von:  ChoKai
2008-07-10T21:56:21+00:00 10.07.2008 23:56
Soooo, Internet ist wieder da und neues Kapitel auch, also wird es Zeit für ein Kommi. ^.~

*schmunzel*
Das zweite Kapitel find ich süß, auch wenn ich Chiyus Art nicht mag. Er verkörpert die Sorte Mensch, die man am liebsten in den Wind schießen will, weil sie noch irgendwas ganz dummes tun. >_<
*schnüff*
Ich will nicht, dass er da irgendwas kaputt macht. ;_;
*fleh*
Ansonsten finde ich es süß, wie sich Shou für Hiroto einsetzt und somit Saga selbst in eine kleine Patzsituation bringt, die er aber gekonnt ausbügeln kann. ^-^
Einfach nur geil.
Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel.
*Kekse und Milch dalass*
Wie immer als kleine Stärkung. ^^

In diesem Sinne,
Kei
Von:  Pheles
2008-07-06T14:59:48+00:00 06.07.2008 16:59
die ff gefällt mir ^^
shou und hiroto echt waii **
tora als einziger hetero? XDDD
freu mich schon aufs nächste kapitel
*favo*
Von:  Dorobbong
2008-07-05T20:02:53+00:00 05.07.2008 22:02
ich find die FF bis dahin echt interessant ^^
..~

schreib schnell weiter
*knuff*

lg tarou

P.S. TORA muss schwul sein man XDDDDDDD +weglach*

Von: abgemeldet
2008-07-04T16:41:41+00:00 04.07.2008 18:41
aaah~~
die idee allein ist doch echt zum gurgeln^^
ein 16jähriger im sexclub?? x3
ich hoffe pon hat noch viel spaß~~ schreib mal schnell, nöö♥+
..ich will auch kunde von shou sein >_>
kannst du mir da helfen?^^
♥ara♥
Von:  ChoKai
2008-07-04T14:04:34+00:00 04.07.2008 16:04
ERSTE~
*freu*
Alsoooo,
ich muss sagen, dass mir der Anfang unheimlich gut gefällt und du durch deinen unheimlich guten Schreibstil eine super Atmosphäre schaffst.
Ebenso gelingt es dir zwischen Szenen einen passenden Break reinzubringen oder direkt in eine neue Szene überzugehen, das vermisse ich bei vielen Ffs die ich hier lese.
^.~
*schmunzel*
*Kekse da lass*
Ich freu mich schon unheimlich auf das nächste Kapitel. Lass dir nicht so viel Zeit, ja? ;_;
*fleh*

In diesem Sinne,
Kei


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