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Verlangen

von

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Verbannung

So, wie ein neues Kapitel. Hoffe es gefällt euch^^ Vielen Dank wie immer für eure vielen und schönen Reviews!! Ich weiß eure ehrliche Meinung sehr zu schätzen.
 

Kapitel 9 – Verbannung
 

Ich spüre wie mein Hunger die Überhand gewinnt, wie mein inneres Biest sich aus seinen Fesseln befreit und vor Freude laut schreit. Kays Klammergriff um meinen Körper wird enger als ich mich zu wehren beginne . Er keucht leise, denn auch er fühlt diese überwältigende Gier nach Blut.

Mein Retter hat mich zu Boden gezogen und ich sitze zwischen seinen Beinen, meinen Rücken an seine nackte Brust.

Du musst dieses Verlangen besiegen, sagt er und versucht das Tier mit seiner Stimme ein wenig zu beruhigen. Es faucht und knurrt durch meinen Mund während die Schmerzen in meinem Zahnfleisch und Hals stärker werden.

Kay, lass mich nicht los!, flehe ich. Ich spüre seine weichen Lippen auf meinem Hals ehe ich die Kontrolle verliere und mein Geist sich vernebelt. Meine Reaktionen sind die eines wilden Tieres: Ich habe einen entsetzlichen Hunger und Kay scheint wie ein gefundenes Opfer zu sein. Ich versuche mich umzudrehen um meine Fänge in seine Ader an seinem Hals zu versenken, doch er hindert mich daran. Egal, wie stark ich dagegen ankämpfe, wie laut ich auch schreie und fauche, er lässt nicht locker. Dann versuche ich ihn einfach nur zu beißen, egal wo, Hauptsache ich bekomme ein Stück Fleisch, wo das Blut herausspritzt. Kay registriert schnell was ich vorhabe, und legt einen Arm um meinen Hals, nimmt mich in einen Würgegriff, während der andere Arm mich immer noch so festhält, dass ich mich kaum bewegen kann.Nach einigen kämpfenden Versuchen bekomme ich einen Arm frei und zerkratze alles, was mir unter die Finger kommt. Meine Zähne schnappen nach seinem Arm, aber er hält den Griff so fest, dass ich den Kopf nur sinnlos hin und her werfen kann.

Wäre ich ein Mensch, hätte Kay mich schon längst erwürgt und ich würde leblos in seinen Armen hängen. Aber ich bin ein Vampir und die einzige Art mich zu töten, ist mir den Kopf abzuschlagen. Ich höre wie mein Retter Worte murmelt, doch ich verstehe sie nicht. Er wiederholt immer wieder denselben Laut und nach einer Weile werde ich ruhiger, das Tier erschöpfter. Irgendwann spüre ich wieder mich, Mary, und ich kann das Biest zurück in seine Fesseln legen.

Danke, hauche ich und sein Griff wird lockerer, doch er lässt mich immer noch nicht los. Ich kuschle mich in seine Arme und fühle mich elend. Ich bin erschöpft und werde von Schuldgefühlen erdrückt. Wie konnte ich das gerade nur zulassen? Warum ist das Tier plötzlich so stark geworden und hat meinen Willen weggefegt wie eine leichte Feder? Und warum konnte Kay es so schnell wieder unter Kontrolle kriegen? Es war wie bei meiner Verwandlung. Er murmelt etwas und dann bin ich ganz ruhig, also ob er mir irgendein Mittel verabreicht hätte.Er hat mich schon wieder beschützt, er hat mich schon wieder gerettet und ich kann, ich will einfach nicht weiter glauben, dass ich ihm nichts bedeute. Ich drehe meinen Kopf leicht und schaue in diese leuchtend blauen Augen und versinke wie so oft ihn ihnen. Sie blicken mich besorgt, aber auch erleichtert an. Und sie blicken wie so oft auf meine Seele, erkunden meinen Geist.

Ich sollte ihm sagen, was ich fühle. Ich sollte ihm sagen, dass ich ihn...

„Wie süß.“

Einer der Zwillinge steht vor dem Gitter der Zelle und beobachtet uns mit einem Schmunzeln. Er hat sein langes schwarzes Haar nun in einem lockeren Zopf zusammen gebunden und seine grauen Augen mustern uns wissend.

„Zeit zu gehen, Süße. Dein Urteil wartet auf dich.“

Ach ja, ich bin ja angeklagt worden. Das habe ich ja beinahe vergessen. Ich will gerade aufstehen und ihm folgen, doch Kay hält mich immer noch fest und sieht den Neuankömmling wütend an.

„Sie geht nur, wenn ich mitkommen kann“, sagt er mit einem bedrohlichen Ton in seiner ruhigen Stimme.

Der Wächter seufzt genervt und nickt dann schließlich. „Aber nur, wenn du dich schön im Hintergrund hältst.“

Mein Retter steht zuerst auf und hilft mir dann hoch. Gemeinsam mit dem Zwilling gehen wir wieder einige lange Gänge entlang, bis wir vor einer Doppeltür stehen bleiben, wo seine andere Hälfte und Hakuron auf uns warten. Als ich vor dem schweren Holz stehen bleibe, packt letzterer meinen Arm und zieht mich einige Meter von den anderen weg.

„Spiel einfach mit“, flüstert er mir ins Ohr, ehe Kay neben uns steht und seinen Bruder bedrohlich anknurrt. Die Zwillinge kommen gleich darauf angerannt und tasten den blonden Vampir ab.

Und dann öffnet sich die Tür und ich werde von den Männern zu einem kleinen Podest geführt.
 

Der Raum ist rund und sehr groß. Ein einziger großer Kronleuchter hängt von der Decke und ist die einzige Lichtquelle in diesem fensterlosen, schwarzen Saal. Ich stehe auf dem Podest und werde an beiden Armen gefesselt. Die Fesseln führen zu zwei Rollen, wo das Seil aufgewickelt werden kann. Wenn ich also Ärger mache, werden sie mir meine Arme aus dem Körper reißen. Sehr beruhigend, dass ich weiterleben werde um jede Sekunde der Schmerzen mitzuerleben.

Vor mir ist ein typisches Richterpult aufgebaut mit der Königin als Richterin. Zu ihrer Linken steht Hakuron und zu ihrer Rechten etwas weiter abseits ihre anderen Krieger zusammen mit Kay. Zu meinen Seiten und an der großen Doppeltür stehen einige weitere männliche Vampire, die sehr beeindruckend aussehen und auch bestimmt als Wächter von Amalia fungieren.

Sie alle starren mich an und ich fühle mich immer mehr unwohl in meiner Haut. Als die Königin beginnt zu reden läuft mir ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter.

„Mary Evans, Ihr seit angeklagt eine Blutsverbindung mit einem MEINER Krieger eingegangen zu sein. Bekennt Ihr euch zu Eurer Schandtat?“

Zu meiner Schandtat? Verdammt noch mal, ich habe mit ihm geschlafen, weil ich ihn liebe und aus ihm getrunken, weil ich einfach nicht widerstehen konnte. Woher zum Teufel soll ich denn wissen, dass wir uns dadurch verbunden haben, du dumme Schlampe?

Nun ja, dass hätte ich ihr am liebsten gesagt.

„Ja, ich bekenne mich“, seufze ich stattdessen nur und rolle mit den Augen.

„Leugnet Ihr, dass Ihr mit voller Absicht der Königin ihr Eigentum wegnehmen wolltet?“

„Ihr Eigentum? Seit wann ist Kay denn bitte Euer Eigentum?!“ Ich vermeide es besagte Person anzuschauen und achte stattdessen nur auf Hakuron. Was hat er damit gemeint, dass ich mitspielen soll? Will er mir helfen oder mich weiter hinein in sein intrigantes Spiel ziehen?

„Mary Evans, ich verbanne Euch ins Exil!“, schreit Amalia auf einmal und klopft mit einem kleinen hölzernen Hammer auf den Tisch. „Ich verbanne Euch nach Rom, dort wo der Papst Euch hoffentlich verderben und in die Hölle schicken wird. Wenn Ihr etwas zu Eurer Verteidigung zu sagen habt, so ist es Euch nicht erlaubt!“

Nach Italien? Nach Rom? Was zur Hölle soll ich denn da?! Bin ich hier etwa bei der versteckten Kamera? Und wieso darf ich nichts zu meiner Verteidigung sagen?!

Ich schaue unsicher zu Kay, der erst mich und dann seinen Bruder ansieht.

„Das kannst du nicht machen!“, schreit er aufgebracht. Er will gerade auf das Richterpult zustürmen, als die drei Krieger ihn festhalten und schwer darum kämpfen ihn nicht wieder loszulassen. „Das lasse ich nicht zu!“

„Versuch es doch“, erwidert die Königin nur während sie ihn interessiert und gleichzeitig abschätzend ansieht. Hakuron beugt sich zu Amalia hinüber und redet gerade so leise, dass ich es noch verstehen kann.

„Eure Hoheit, meint Ihr nicht diese Strafe sei etwas zu hart?“

„Ganz bestimmt nicht“, schnaubt sie und sieht ihn erstaunt an. „Gerade von dir, mein treuer Geliebter, hätte ich erwartet, dass du die schlimmstmöglichste Strafe anstrebst.“

„Nun, ich hätte nicht erwartet, dass Ihr sie direkt nach Italien verbannen würdet, in das verfluchte Haus des Herrn, meine Königin.“

„Ich werde dir einen Vorschlag machen um dein mir treu und ergebenes Herz zu beruhigen“, sagt sie nach kurzem Zögern. „Nimm sie mit in dein Haus und wache über sie. Sorge dafür, dass sie nicht noch mehr Dummheiten anstellt. Bestrafe sie ruhig, wenn sie sich dir widersetzt.“

Er nickt und schaut dann zu mir. Ich soll bei Hakuron wohnen? Oh nein. Nein, nein,…

„Nein!“ Ich schreie dieses Wort förmlich aus meinem Inneren heraus. Sofort werden die Seile an meinen Handgelenken festgezurrt und meine Arme gewaltsam zu beiden Seiten gezogen. „Nein, ich will da nicht hin.“

„Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du mir einen meiner Krieger weggenommen hast“, zischt Amalia wie eine wütende Schlange.

Ihn ihr weggenommen? Diese Frau spinnt total. Kay ist doch kein Gegenstand, den man hin und her werfen kann. Außerdem war er derjenige, der über mich hergefallen ist und nicht ich über ihn. Sind diese Krieger denn nur ihre Spielzeuge, ihre männlichen Huren? Gehören sie gar nicht sich selbst? Während Amalia noch einige Formalien vorliest, dass meine Verbannung 100 Jahre andauert usw., betrachte ich Kay und bekomme ein anders Bild von ihm. Er steht aufrecht, mit hocherhobenem Kopf und blickt die Königin wütend und herausfordernd an. Er ist kein Feigling, er ist nicht einfach nur davongelaufen. Er ist immun gegen Amalias Zauber und hat sich vor ihrem Einfluss gerettet, solang es ihm noch möglich war. Er wollte eine Seele und einen Willen haben, die nur ihm gehören und nicht einer Königin, die ihn in den Abgrund treiben kann.Ich bewundere ihn dafür und fühle mich mehr und mehr mit jeder Faser meines Körpers von ihm angezogen. Ich werde in das Haus seines Bruder verbannt, aber ich weiß, dass er mich wieder retten wird. Das er mich immer retten würde.

„Nun schaff sie endlich hier weg“, befiehlt die Königin Hakuron. „Ich kann sie nicht mehr sehen.“

Und dann kommt er langsam und lächelnd auf mich zu.
 

Seine schwarze Sonnenbrille spiegelt das Licht des Kronleuchters wieder, während er geräuschlos meine Handgelenke aus den Fesseln befreit und mich grob am Arm packt. Er geht mit zügigen Schritten auf die Doppeltür zu, die knarrend aufschwingt und zieht mich einige dunkle Gänge entlang, bis wir vor einer schwarzen Glastür stehen.

„Ein bisschen mehr Dramatik hättest du schon in deine Vorstellung einbringen können“, sagt er, als er mich loslässt und einen Code in einen Ziffernblock neben der Tür eingibt.

„Ich fand ihren Auftritt eigentlich gut.“

Ich schreie erschrocken auf, als ich Kays Stimme hinter mir höre. Ich drehe mich mit einem Schwung um und schaue in sein grinsendes Gesicht während sein Bruder verächtlich schnaubt. Mein Herz klopft hart gegen meine Brust, während ich mich wieder beruhige.

„Was für ein Auftritt? Was meint ihr?“, frage ich die beiden. Ich verstehe kein Wort.

Die Glastür gleitet mit einem Zischen zur Seite und eine breite schwarze Treppe führt nach oben. Hakuron geht vor und als ich spüre, wie mein Retter mich leicht schubst, folge ich ihm. Die Glastür schließt sich wieder und als ich mich umdrehe, ist Kay immer dicht hinter mir, auch wenn ich seine Schritte nicht hören kann.

„Die Königin verlässt nie ihr Königreich“, beginnt Kay zu erzählen. „Damals zu ihrer Zeit, im Jahre 919, wussten alle von der Existenz der Vampire. Es heißt, dass die Diener Gottes sie gejagt und verbrannt haben. Doch einige, die besonders Gläubigen, haben sie gefoltert, doch immer dabei am Leben gelassen. Sie kannten wohl gewisse Methoden, die… nun, du willst sie auf jeden Fall nicht erleben. Amalia weiß nicht, dass die Welt sich gewandelt hat. Dass die Menschen nicht mehr wissen, dass es Vampire gibt und dass diese Methoden nun nicht mehr existieren. Deshalb dachte sie, es wäre die beste Strafe für dich.“

Deswegen wollte Hakuron, dass ich mitspiele. Also wollte er mich… retten? Und gleichzeitig in seinem Haus haben. Erst den weißen Ritter spielen und mir dann in den Arsch treten.

„Seit wann wohnt denn die Königin in ihrer Höhle?“, frage ich.

„Seit 1602.“

„Was? Und sie hatte seitdem nicht mehr das Bedürfnis die Außenwelt zu sehen?“

„Nicht das ich wüsste. Sie hat das Gefühl für Zeit verloren und weiß nur durch Erzählungen und Geschichten, was draußen vor sich geht. Sie bleibt lieber mit ihren zwölf ‚Verführern‘, wie sie sie nennt, in ihrem Schlafzimmer.

Ich muss gestehen, dass auch ich in dieser Dunkelheit nicht weiß, ob es gerade Tag oder Nacht ist.

„Sie ist eine der wenigen von uns, die im Tageslicht sterben“, sagt Hakuron leise und gedankenverloren. „Sie ist einer der Ältesten, eine der Ersten, die von dieser Krankheit befallen wurden.“

Mein Bruder glaubt, dass der Anfang der Vampire eine Krankheit war, sagt Kay in meinem Kopf und er lacht leise. Ich glaube eher, dass wir einst Götter waren.

Blutsaugene Götter?, frage ich skeptisch und er zuckt mit den Achseln.

Wer weiß, vielleicht stimmt es ja…

Ich weiß, dass Hakuron unsere Unterhaltung mitbekommen hat, doch er sagt nichts dazu und schaut uns auch nicht an. Er geht einfach nur die Treppen nach oben und ignoriert uns. Zumindest, macht es den Anschein, als würde er uns ignorieren. Doch ich weiß, dass er mich aus den Augenwinkeln beobachtet. Ich spüre es.

Keine Angst, Mary, haucht mein Retter mit seiner verführerischen Stimme. Das Haus meines Bruders ist auch mein Haus. Genauso wie das alte Herrenhaus in Miami uns beiden gehört. Dort wo du bist, werde auch ich sein.

Es beruhigt mich etwas, zu wissen, dass er mich nicht alleine lässt. Dass er da ist um mich aufzufangen, wenn ich falle. Aber ich muss zugeben, dass ich auch etwas anderes nicht erwartet hätte.

Am Ende der Stufen wartet eine einfache Tür auf uns, die Hakuron öffnet und wo uns weißes Mondlicht in die müden Gesichter scheint. Als meine Augen sich an das helle Licht gewöhnt haben, erkenne ich die dreckigen Straßen von Paris. Ich rieche den widerlichen Geruch von altem Urin und höre kleine Rattenfüßchen durch die Pfützen huschen. Dies hier ist ganz bestimmt nicht eines der schönen Teile dieser romantischen Stadt. Ich war schon mal hier, als ich 14 war auf einer Klassenfahrt, doch kann ich mich nicht daran erinnern, dass die Stadt der Liebe so ein Drecksloch ist.

„Morgen früh nehmen wir den Flieger nach Rom“, verkündet Hakuron und holt ein Blackberry aus seiner Hosentasche. Er tippt eine Nummer ein und wartet einige Sekunden bevor man eine italienische Stimme am anderen Ende hört.
 

„Ciao Maria“, begrüßt er die Stimme und beginnt eine Unterhaltung in fließenden Italienisch.

Ich drehe mich verwundert zu Kay um, dessen blaue Augen mich aufmerksam mustern und stelle ihm eine stumme Frage.

Wir sind Italiener, meine Hübsche, sagt er und streicht mir zärtlich eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht und hinter mein Ohr.

Aber ihr beide seht überhaupt nicht italienisch aus. Besonders Hakuron nicht.

Man passt sich mit der Zeit einfach irgendwie an, sagt er nur und beendet das Thema damit. Doch ich habe nicht vor ihn damit in Ruhe zu lassen. Irgendwann werde ich ihn schon noch bombardieren mit meinen Fragen.Mir fällt erst jetzt wieder ein, dass zwei von uns noch immer halbnackt sind und das ich es eigentlich die ganze Zeit war. Da sieht man mal wieder, was der Stress einen alles vergessen lässt. Die halbe Unterwelt hat meinen fast nackten Arsch gesehen und das einzige, was mich interessiert hat, war, was mein Retter denkt und wie er zur Königin steht. Nun, inzwischen weiß ich ja, dass er kein Interesse an ihr hat (sie aber leider an ihm) und ich kann mich getrost wieder meinem Körper zuwenden.

Was für ein Glück, dass ich zu den glücklichen 20% der Weltbevölkerung gehöre, die keine Cellulite haben! Dafür sehe ich wahrscheinlich gerade aus wie durchgevögelt, was ich ja auch eigentlich war, bevor diese Männer gekommen sind und mich nach Europa verschleppt haben.

Hakuron redet noch immer mit der Frau am anderen Ende als mir etwas einfällt.

Was ist mit meinen Sachen? Und meiner Familie? Was soll ich denn in Italien, verdammt noch mal, ich will nach Hause!

Ich weiß, Mary, ich weiß, versucht er mich zu beruhigen. Aber du musst mindestens einen Monat dort bleiben, denn Amalia wird ihre Männer aussenden um zu sehen, ob du auch wirklich in deinem Exil leidest. Wenn wir Glück haben, wird sie einer der Krieger schicken.

Wieso wäre das so ein Glück, wenn sie es tun würde?, frage ich etwas skeptisch.

Nun, wenn sie Aniro schickt würde er eher versuchen dich wieder nach Hause zu bringen, denn er kann die Königin genauso wenig leiden wie ich. Melyon ist zu beschäftigt mit den ganzen Frauen in unserem Haushalt zu flirten, als dass er sich um seine Aufgabe kümmern würde. Und Taregan lässt sich leicht durch Geld bestechen.

Ich bete inständig, dass sie Aniro schickt. Er scheint der einzige nette zu sein und insgeheim tut er mir leid. Er war Amalias Zauber verfallen genauso wie ich, er war genauso wenig immun dagegen wie ich und wäre Kay nicht in die Situation geplatzt, hätte sie wahrscheinlich genauso mit mir spielen können, wie sie es mit dem Krieger gemacht hat. Jetzt wo ihre Verführungskünste nicht mehr nötig waren um ihn an sich zu binden, hat er wohl eingesehen, was für einen Fehler er begannen hat.

Einen Fehler, vor dem Kay sich gerettet hat. Zum Glück!

Und weil ich mit ihm verbunden bin und sie nicht, bekommt sie nun totale Eifersuchtsanfälle und verbannt mich erstmal weit weg. Und zwar direkt in sein und Hakurons Haus. Bis auf das Letzte ergibt das ganze für mich einen Sinn und meine Gedanken werden klarer und strukturierter.

Seit ich in dieser Zelle aufgewacht bin war nur noch ein einziges Chaos in meinem Kopf und es fühlt sich gut an endlich mal wieder aufgeräumt zu haben.

Ich höre an den vielen ‚Ciaos‘, dass Hakuron sich verabschiedet. Als er auflegt und sein Blackberry wieder in die Hosentasche schiebt, mustert er zuerst mich und dann seinen Bruder aufmerksam.

„Tu uns den Gefallen und hol etwas für uns zum anziehen“, bittet Kay ihn. „Wir versuchen in der Zeit bei Melyon unterzukommen.“

Der Angesprochene schnaubt einmal verächtlich und dreht sich dann ohne ein Wort zu sagen um. Ich schaue ihm noch verwundert hinterher als mein Retter mich am Arm packt und mich auf seinen Rücken wirft. Ohne zu wissen, wie er das gemacht hat, sind meine Beine um seine Hüften geschlungen und meine Arme um seinen Hals gelegt.

Halt dich gut fest, warnt er mich bevor er losrennt. Naja, ich würde es eher als fliegen bezeichnen. Denn er ist so wahnsinnig schnell, dass ich glaube wir fliegen. Er klettert wie eine Spinne die Wand hinauf und wir befinden uns plötzlich auf den Dächern von Paris. Ich kann meinen Augen nicht glauben, als er auch schon weiter rennt. Ich kann seinen Bewegungen kaum folgen und mir wird schlecht, wenn ich weiterhin geradeaus starre. Denn es ist wie eine Achterbahnfahrt: man denkt, man fährt direkt auf ein Objekt zu bevor es in letzter Sekunde, an einem vorbeirast. Ich muss mich zwingen nicht jedes Mal zu schreien, wenn Kay von einem Gebäude zum nächsten springt. Mein Griff um seinen Hals wird krampfhaft, ich würde ihm die Luft wegdrücken, wenn er welche benötigte.Er hält mich nicht fest, doch er kennt mich gut. So, wie er rast, würde ich aus lauter Angst gar nicht daran denken überhaupt los zulassen.

Es dauert nicht lange bis wir im mittleren Ring von Paris sind, im reichen Teil der Stadt, wo die Luft von teurem Parfum geschwängert ist und mir Kopfschmerzen bereitet. Wir stehen auf einem Dach, dem Vollmond so nah, dass ich beinahe versucht hätte danach zu greifen. Kay lässt mich von seinem Rücken herunter und klettert vorsichtig zum Rand des Daches. Er schaut auf die Straße hinunter und bedeutet mir ihm zu folgen.

Du musst hier runter springen, Mary, sagt er als ich neben ihm hocke.

Was?

Du musst springen.

Aber dann breche ich mir das Genick und sterbe dabei noch nicht mal, protestiere ich und will mir gar nicht ausmalen, was für unerträgliche Schmerzen ich dann haben werde.

Du musst ja auch nicht kopfüber springen, erwidert er kopfschüttelnd und mit einem leichten Grinsen auf seinen vollen Lippen. Die Füße zuerst, dann landest du auch auf den Füßen. Wenn du willst, springe ich zuerst und fange dich dann auf.

Ich nicke und schaue ihn skeptisch an. So einen Sturz wird er doch nicht ohne Schmerzen überleben können… Aber es war sein Vorschlag, also wenn er unbedingt leiden will, dann soll er ruhig springen. Er lächelt mich an ehe er sich von der Kante des Daches abstößt und springt. Ich schaue ihm neugierig und verängstigt hinterher um festzustellen, dass er leichtfüßig und lautlos wie eine Katze, auf seinen Füßen landet. Es ist, als wäre er nur von zwei Treppenstufen gesprungen und nicht von drei Etagen. Ich bin erstaunt und geschockt. Wir zur Hölle hat er das gemacht? Er sieht zu mir auf und winkt mit den Händen, fordert mich auf auch zu springen. Er breitet die Arme aus und zeigt mir, dass er mich auffangen wird.

Ich strecke mich langsam bis ich schließlich stehe und die Entfernung zum Boden um weitere 1,80m gewachsen ist. Ich spüre mein Herz, wie es hart und wild gegen meine Brust schlägt und ich höre das Blut rauschen, wie es in einem fließenden Strom durch meine Adern läuft. Ich habe unwillkürlich die Luft angehalten und meine Hände zittern leicht. Ob Vampir oder nicht, aber ich wurde mit dem Wissen erzogen, dass ein normaler Mensch einen Sturz aus dieser Höhe nicht überlebt. Und auch wenn ich nicht mehr dadurch sterben kann, weiß ich doch, dass meine Wirbelsäule sich in meinen Kopf rammen könnte und ich will gar nicht wissen, wie sich das anfühlt.

Mein Retter steht immer noch dort, mit ausgebreiteten Armen, und beobachtet mich, lächelt mich an um mir Hoffnung zu geben. Ich liebe es, wenn er lächelt und ehe ich mich versehe, haben sich meine Füße wie von selbst bewegt und ich bin über den Rand gegangen.

Der Wind peitscht in mein Gesicht wie eine Strafe und ich bekomme Panik, als ich sehe, wie der Boden immer schneller und unaufhaltsam auf mich zukommt. Alle Sinne in mir schreien, teilen mir mit, dass es nun mit mir vorbei ist. Ich kneife die Augen zu, ich will nicht sehen, wie all das Blut aus meinem Körper spritzt. Doch alles was ich spüre, sind zwei warme, große Hände, die mich an den Hüften und über den Boden halten und dass der Wind schlagartig nachgelassen hat.

Ich rieche Kays atemberaubenden Duft und höre, wie er leise lacht.

Glaubst du wirklich ich hätte dich fallen gelassen?, fragt er amüsiert als ich meine Augen wieder öffne. Ich schüttle stumm den Kopf, immer noch voller Panik und unfähig irgendein Wort zu sagen. Er setzt mich sanft auf den Boden ab.

Du bist süß, Mary, haucht er bevor er zu der weißen Tür geht, vor der wir beide im Schutz der Dunkelheit gelandet sind, und anklopft.
 

Fortsetzung folgt...
 

Würde mich wie immer sehr über eure Meinung freuen. Kritik ist ebenso erwünscht wie Lob!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Armida
2008-08-30T17:21:39+00:00 30.08.2008 19:21
Hey, es ghet weiter *freu*.
Jetzt wundert es mich nicht mehr das Amalia so schlechte Laune hat, wenn man seit hunderten von Jahren nur in seiner Wohnung hockt da muss man ja schlecht drauf sein. Bisschen frisch Luft würde ihr wahrscheinlich ganz gut tun.
Aber das Hakuron den beiden jetzt hilft hat mich überrascht. Ich bin mal gespannt was dabei heraus kommt.

LG Armida


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