Verlorene Jahre von MeltingPenguins (Von dem, was Deathwing widerfuhr) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Innerhalb des vergangenen Monats hatte Deathwing einige böse Überraschungen erlebt. Doch das schlug dem Fass wirklich den Boden aus. Mit einem Blick irgendwo zwischen Unglauben und Verzweiflung stand er in der Tür zum Hof und betrachtete die Umgebung. Wie konnte ihm so ein harscher Denkfehler unterlaufen? Seine Wirtin hatte nicht gefragt, ob sie die Felder mitzählen soll, um den Hof größer wirken zu lassen. Nein, sie hatte danach gefragt, um den Hof nicht zu groß wirken zu lassen. Die Freude darüber, dass er wieder laufen konnte war dem Dunklen schnell vergangen als er die Ausmaße seines Aufenthaltsortes sah. Das Gut lag versteckt in einem Tal in den Bergen zwischen dem Wald von Elwynn, dem Redridge-Gebirge und der Gegend rund um den Blackrock. Trotzdem wirkte das gesamte Tal, als ob es nicht hierher gehören würde. Unweit des Hofes lag ein Feld für Getreide und Deathwing war etwas verwundert darüber, dass diverse Sorten zusammen auf den Äckern wuchsen. Hinter dem Haupthaus gab es einen kleinen Garten mit einigen Obstbäumen und mehreren Gemüsebeeten. Dazu kamen noch Gänse, Hühner, ein paar Rindviecher und drei Pferde. „Das meiste ist für den Eigenbedarf“, wie aus dem Nichts stand Nozdormu neben dem verzweifelnden Schwarzen und zündete sich eine frische Pfeife an. „Die Felder sind nicht so groß wie sie auf den ersten Blick aussehen.“ „Es ist trotzdem...groß...“ „Du wirst einiges zu tun haben.“ „Du genießt das richtig mich leiden zu sehen, oder?“ „Nein. Ich finde du hast dir so eine Lektion verdient.“ „Hör mal, ich hab noch nie...“ „...in deinem Leben körperlich gearbeitet, ich weiß. Ich sag ja, es wird dir gut tun.“ „Gut tun, pah...“ Deathwing machte auf dem Hacken kehrt und stapfte zurück in die Küche. „Du scheinst nicht in der besten Laune zu sein, Henry.“ Frau Batterbay hockte gerade über diversen Papieren als der Dunkle sich zu ihr setzte. „Der Hof ist so...groß...“ Es mangelte dem alten Drachen heute wirklich an Worten. „Du hast Sorgen, dass ich dich rauswerfe, wenn du nicht ordentlich mit anpackst, oder?“ „...Ja...“ Deathwing kratzte sich verlegen im Nacken und rollte einen Stift hin und her. „Und du hast noch nie in deinem Leben hart gearbeitet.“ Ein Murren: „Wer sagt das?“ Der Dunkle wusste, Nozdormu konnte nichts erzählt haben. Allein schon, weil dieser ja so tun musste, als würde er 'Henry' nicht kennen. „Dein Körper. Du hast nicht das Aussehen für jemanden, der schon einmal in der Sommersonne auf dem Feld gestanden ist um den Sommerweizen zu ernten. Es ist mir eigentlich egal, ob du dieser Adlige aus dem Norden bist oder nicht, aber ich muss dir sagen, solange du hier bist solltest du nicht glauben du könntest weiterhin leben als hättest du eine Dienerschaft zu Verfügung.“ Deathwing hatte seine Wirtin noch nie in solch einem Tonfall gehört. Und vor allem wusste er nicht, wie er das Gesagte einordnen sollte. Frau Batterbay schien sich gleichzeitig Sorgen um seine Zukunft zu machen und doch sagte sie ganz klar, dass sie ihn wohl vor die Tür setzten würde, würde er sich einen schönen Lenz machen. Der Dunkle schluckte und nickte langsam. „Ich...verstehe.“ „Noch hast du eine Schonfrist“, endlich lächelte die Alte wieder. „Bis zum Frühling hilfst du mir im Haus, danach sehen wir, für welche Aufgaben du geeignet bist. Vorausgesetzt, du willst überhaupt länger hier bleiben.“ „Eigentlich schon. Es ist schön hier und...“ „...hier findet man ihn am schnellsten, sollten im Norden irgendwelche Beweise gefunden werden.“ Nozdormu hatte seine Pfeife aufgeraucht und lehnte nun im Türrahmen. „Es wäre eine Schande, wenn wir herausfinden, dass er doch Lord Prestor ist und niemand ihn wiederfinden kann. Gleiches gilt natürlich, wenn wir Handfestes finden sollten, dass für das genaue Gegenteil spricht. Es wäre doch ein Jammer, wenn man den Verdacht gegen Euch fallen lässt und ihr wisst nichts davon. Nicht wahr, Henry?“ Der Schwarzdrachen grummelte vor sich hin. Es war keine schöne Situation in der er da steckte. Wenn er hier blieb wussten zumindest Ysera und Nozdormu wo er war. Außerdem würde er ohne seine Kräfte wohl oder übel arbeiten müssen. Etwas, dass ihm so gar nicht zusagte. Andererseits war er hier sicher, solange er keine Macht hatte und sich nicht verwandeln konnte. Er hatte ein Dach über dem Kopf, bekam gut zu essen und hatte ein bequemes Bett. Er hoffte nur, dass der Preis dafür -hauptsächlich das Arbeiten- nicht doch zu hoch sein würde. Gänse konnten so grausam sein. Erst seit drei Tagen war es Deathwings Aufgabe das Federvieh des Hofes mit Futter zu versorgen und schon jetzt waren seine Beine grün und blau von den Schnabelattacken der Hofgänse. Der Dunkle wusste, dass selbst der sonst so stoische Nozdormu das Ganze mit diebischer Schadenfreude beobachtete. Dafür hatte der Zeitlose am heutigen Morgen auch erst einmal den Futterkorb an den Kopf geschmissen bekommen. Das wiederum war etwas, das Deathwing genoss. Dinge tun oder zu lassen, ohne das der bronzene Zeithüter es schon vorher wusste. Aber dennoch... Es fehlte ganz einfach etwas. Was das war, war dem schwarzen Drachen mehr als bewusst: Seine Macht. Er hatte alle Hoffnung darauf gesetzt, dass er seine Kräfte wiederkriegen würde, sobald sein Bein verheilt ist. Aber nichts. Die Angst, dass er für immer so bleiben würde, bis er starb wurde immer größer. Dieser Körper alterte mit der Geschwindigkeit eines Menschen, das hieß für den schwarzen Aspekt, dass ihm maximal siebzig Jahre blieben. Dann wäre Henry oder Lord Prestor oder wie auch immer man ihn nennen wollte über neunzig. Und dann? Was dann? Deathwing war wirklich nicht wohl bei diesem Gedanken. Er lag seit es Dunkel geworden war wieder in seinem Zimmer und starrte die Lichtspiele an, die die Monde in den Raum malten. Er wollte eigentlich ausschlafen, aber die schmerzenden blauen Flecken am Bein hielten ihn wach. Ganz zu schweigen von den philosophischen Fragen, die durch seinen Kopf schwirrten. Was würde geschehen, wenn ein Aspekt stirbt? Was geschieht dann auf Azeroth? Und gehen seine vollen Kräfte an seinen Erben über oder gab es eine Wiedergeburt? Wenn Letzteres der Fall sein sollte, wer würde das Ei legen? Seine Tochter Onyxia? Seine kleine Nyxi? Der Dunkle konnte sich nicht mit dem Gedanken, der Sohn seiner Tochter zu sein, anfreunden. Und wenn der erste Fall zutreffen sollte, wer wäre dann sein Erbe? Nefarian war selbst in den Augen seines Vater mehr oder minder ungeeignet, aber Onyxia steht zu sehr im Schatten ihres älteren Bruders. Und abgesehen davon... Deathwing rollte sich auf die Seite und hätte sich nur zu gerne selbst geohrfeigt. Selbst wenn Onyxia rechtmäßig nach ihm kommen würde, sie könnte nicht. Seit sie und Nefarian vor Jahrtausenden aus dem Ei gekrochen sind schleppte der schwarze Aspekt ein Geheimnis mit sich herum. Es gab da etwas bei der Geburt der Zwillinge, dass Onyxia auf ewig anlasten würde. Sie und Nefarian waren die ersten Welpen, die Deathwing mit seinem Hauptweibchen gezeugt hatte, nachdem er, oder besser Neltharion, die Führung des schwarzen Schwarmes übernommen hatte. Der erste Nachwuchs, der Erbe des Schwarms, zeichnet sich dadurch aus, dass das Weibchen nur ein Ei legt. So war es auch bei den Zwillingen. Das Problem war nur, normalerweise wächst nur jeweils ein Welpe in einem Drachenei. Und nachdem sich im Beisein der anderen Aspekte zunächst Nefarian durch die Schale gepickt hatte, schien für die Anwesenden alles gut verlaufen zu sein. Bis man merkte, dass die vermeintlich leere Schale sich immer noch bewegt. Zusammengerollt und winzig klein war neben dem gesunden Männchen ein Weibchen herangewachsen. Etwas, dass unter Drachen mehr als nur eine Seltenheit ist. Das kleine Ding machte beim besten Willen nicht den Eindruck, als ob sie die nächsten Minuten überleben würde. Vorsichtig hatte Neltharion seine Tochter aus der Schale gepult und versucht irgendwie zu helfen. Die Hilfe kam dann allerdings von Alexstrasza. Dank eines Segens würde das kleine Ding wachsen und gedeihen, auch wenn sie immer ungewöhnlich klein und verhältnismäßig schwach bleiben würde. ...Und sie würde für immer gebrandmarkt sein durch den Segen der Roten... Deathwing rollte sich auf die andere Seite und ließ die gesamte Szene noch einmal vor seinem inneren Auge ablaufen. Er liebte seine Tochter, nur aus heutiger Sicht war sie fast schon ein Bastard. Aus heutiger Sicht...Die Anschauungen seines Schwarms wirkten plötzlich so absurd auf den alten Schwarzdrachen... Er dachte an die Vergangenheit und wog einen Gedanken gegen den anderen ab. Nein. Seine kleine Nyxi war kein Bastard. Sie war das, was allein die Zwillingsgeburt war: Ein kleines Wunder. Es war schwer nach solchen Erinnerungen nicht daran zu denken, wie es Onyxia und Nefarian jetzt gehen mochte. Deathwing hatte die beiden allein zurückgelassen. Er war ja sicher, dass sein Plan aufgehen würde und es dann etwas zu feiern gäbe. Hoffentlich hatten die beiden keine Überraschung vorbereitet... Der Dunkle versuchte mit solchen Überlegungen den Gedanken zu verdrängen, dass seine beiden ältesten Kinder vielleicht gar nicht mehr lebten. Die anderen Aspekte würden sicher keine Gnade zeigen, das schien dem Schwarzen sicher. Obwohl...Deathwing begann schon wieder der Kopf zu schwirren. Warum nur? Warum prasselten all diese Fragen ausgerechnet auf ihn ein? Der einzige Vorteil an der ganzen Sache war, dass das Durchgehen aller Probleme den Drachen endlich müde machte. Mit dem Gedanken an seine Figur des Lord Prestor glitt er in einen tiefen Schlaf. „Guten Morgen, du Schlafmütze.“ Deathwing stieß einen kleinen Schrei aus, als das erste was er sah, als er die Augen öffnete, Nozdormu war, der über ihn gebeugt dastand. „Es ist fast zwölf Uhr und ich habe zwei Fragen an dich: Was hast du genommen, dass du derart tief und fest schläfst? Und: Wie kommt es, dass du Ysera vergangene Nacht aus deinen Träumen aussperren konntest?“ „Was?“ Der Dunkle kratzte sich erstmal genüsslich, blickte den Herrn der Zeit aber ratlos an. Träume...Ja, Deathwing hatte geträumt, aber es war ein sehr seltsamer Traum. Und Ysera hatte nichts davon mitbekommen? Eine gewisse Sorge mischte sich zu dem verwirrten und verschlafenen Gesichtsausdruck, doch der schwarze Drache zuckte nur mit den Schultern. Auch wenn er es gewollt hätte, hätte er Nozdormu nicht erklären können, was los war. Der Bronzene schüttelte nur den Kopf. „Nun, ich hoffe, dass es sich mit der Zeit aufklären wird.“ Deathwing genoss es immer noch, den älteren Drachen derart ratlos zu sehen. Aber etwas an dem Satz ließ ihn deutlicher hinhören: „Warte, heißt das, du gehst?“ „Ich kann hier nichts ausrichten, aber ich weiß, dass du auch nichts tun kannst. Ich werde zum Sommerfest im nächsten Jahr zurückkehren.“ „Und wenn ich dann nicht mehr hier bin?“ Das Grinsen verging dem Dunklen recht schnell als sein Gegenüber antwortete: „Du wirst hier sein. Das weiß ich auch, ohne dass ich es in der Zeit sehe.“ Nozdormu beobachtete noch über die Schulter wie Deathwing sich daranmachte seinen Aufgaben nachzukommen, bevor er den den Weg vom Hof weg antrat. Er hatte versucht es zu verbergen so gut es ging, aber ihm war die ganze Zeit über anzusehen gewesen, dass er schon bei seiner Ankunft verblüfft über die ganze Situation war. Er wäre gerne länger geblieben, aber das, was da letzte Nacht geschehen war verlangte nach handfesten Taten. Kaum stand der Zeitlose am Fuße des Weges, die Hügel und Berge im Rücken, verschwamm seine Gestalt, bis da, wo der Mann gestanden hatte ein riesiger Schatten auf den Boden geworfen wurde. Nozdormu bewegte sich wieder zwischen der Zeit und aus den Augenwinkeln sah er sich sowohl zum Hof gehen, von dort kommen und in der Ferne an seinem nächsten Ziel ankommen. Einige kräftige Flügelschläge später zog der Zeitlose seine Bahnen über einem Gebiet, welches man Zwielichtshain nannte. Er musste einfach direkt mit Ysera reden und diese Art zu ihr zu kommen war die sicherste von allen. Auch wenn er wohl als Mensch gehen musste, da er mit seiner Größe nicht durch das Portal am großen Baum passte und er sich in der Welt der Träumerin nicht verwandeln konnte. Nicht verwandeln durfte. Der smaragdgrüne Traum war eine andere Existenzebene, und jede Ebene folgt eigenen Gesetzten. Der Zeitlose selbst, beziehungsweise ein weiteres seiner Ichs hatte vor Jahrtausenden eben jenen Fehler gemacht. Seither...gab es dieses Ich nicht mehr... Die grüne Träumerin zu finden könnte schier unmöglich sein, oder das Leichteste der Welt, aber Nozdormu nahm dieses Risiko gerne in Kauf. Denn Deathwing war nicht der Einzige, dem die aktuelle Situation Angst machte. „Ysera? Ysera, zeig dich. Ich muss mit dir reden.“ Nozdormu mochte die Welt der Träumerin nicht wirklich. Der smaragdgrüne Traum stand, was die Unberechenbarkeit anging direkt hinter dem wirbelnden Nether. Für den Geschmack des Zeitlosen eindeutig zu chaotisch. Nicht, das die Zeit nicht ebenso chaotisch wäre, aber wenn es darum ging, wusste Nozdormu wenigstens woran er war. Meistens... „Ich fragte mich schon, ob du direkt kommen würdest...“ Der Bronzene schnappt nach Luft und blickte hinter sich. Dort, auf einer großen Eiche -von der Nozdormu sicher war, dass sie nicht dort gestanden hatte, als er angekommen war- saß die Träumerin in humanoider Gestalt auf einem Ast und ließ die Füße baumeln. „Ist das so erstaunlich, nachdem was passiert ist?“ „Nein.“ Mit einem Satz stand Ysera neben dem bronzenen Aspekt und klopfte sich den Staub von der Kleidung. „Schon wieder eine neue Gestalt?“ Nozdormu schüttelte den Kopf und musterte die Träumerin. Sie liebte es ihre humanoide Form zu wechseln wie andere die Kleidung. Dieses Mal wandelte sie als junge Menschenfrau mit tannennadelfarbenen Korkenzieherlocken und einer luftigen, apfelgrünen Tunika durch ihr Reich. „Lass mich diesen Pfad zur Selbstfindung gehen...Komm. Ich will dir etwas zeigen.“ Der Bronzene schwieg und beobachtete absonderliche Veränderungen rund um sich her während er der Herrin der Träume folgte. Yseras Welt war weit mehr, als ein bloßes Abbild der Welt, wie sie ohne den Eingriff der Sterblichen ausgesehen hätte. Hier wurden Träume mehr oder minder real, was zu den seltsamsten Begegnungen führen konnte. Nozdormu selbst hatte sich einmal auf eine längere Diskussion mit einem blau-getupften Känguru eingelassen. Und er wusste bis heute nicht, was zum Henker eigentlich ein Känguru ist. Malygos hatte dazu einmal gemeint, der smaragdgrüne Traum würde nicht nur die Träume von Azeroth und den angebundenen Welten aufnehmen, sondern auch die anderer Welten, zu welchen man nie Zugang haben würde. Aber Malygos hatte im gleichen Atemzug auch gemeint, ganz Azeroth wäre nur erfunden und nichts real. Gleich darauf ist er nach vorne übergekippt und hat begonnen seinen Rausch auszuschlafen. Drachen vertragen eben keinen Alkohol. Und Drachen wie Malygos erst recht nicht. Mit diesen und ähnlichen Gedanken folgte Nozdormu der Träumerin bis zu einer kleinen Senke inmitten der weiten Grasebene. Im Zentrum drehte sich, frei in der Luft, ein nachtschwarzes Ei. „Da wäre wir.“ „Dachte ich mir. Sind das seine Träume?“ Ein Nicken: „Ich habe sie vor Jahrtausenden versiegelt, damit ich sie nie wieder sehen müsste und damit er nicht in mein Reich eindringen kann. Bis du meintest, er wäre aus der Zeit verschwunden. Und seitdem macht mir das was ich sehe mehr Angst und Sorgen, als das, was ich nicht sehen wollte.“ Nozdormu wusste, was gemeint war. Wie er die Zeit katalogisierte, sammelte Ysera Träume. Auch wenn sie es nur aus reiner Freude an der Sache tat, in Fällen wie diesem war es sehr hilfreich. Hätte sie ihm nicht gesagt, dass Lord Prestor träumt... „Bis zur vergangenen Nacht hat er immer wieder von dem Sturm geträumt, und von den ersten Tagen auf dem Hof. Nur... gestern träumte er und ich konnte nicht sehen was. Ab und an einen matten Lichtschein, das war aber auch alles.“ „Das kann nichts Gutes heißen.“ „Deswegen gab ich dir Bescheid. Sollten wir die Anderen einweihen?“ „Nein, dazu ist es noch zu früh...“ Nozdormu rieb sich das Kinn, „Malygos ist noch zu aufgewühlt und Alexstrasza braucht ebenfalls ihre Ruhe. Außerdem...da ist noch etwas, das mir größere Sorgen macht.“ „Das wäre?“ „Such doch bitte nach den Träumen seiner Wirtin. Einer gewissen Batterbay.“ „Das kann ich dir gleich sagen. Ich kam bereits auf die gleiche Idee. Und es ist seltsam...“ Nozdormu horchte auf. „Diese Frau...sperrt mich ebenfalls aus ihren Träumen aus...“ Der Zeitlose verstand die Welt nicht mehr. Selbst jetzt, als er nach Tagen zur Landung vor dem Eingang seines Horts ansetzte, hallten Yseras Worte noch in seinem Kopf. Den Drachen, die ihn begrüßten, als er schnellen Schrittes die Gänge durchschritt, schenkte er kaum Beachtung, was nicht nur seinen Schwarm, sondern auch eines seiner Ichs einer anderen Zeit dazu brachte ihm besorgt nachzusehen. „Ich will nicht gestört werden!“ Eigentlich war diese Aufforderung unnötig, denn alle Drachen des bronzenen Schwarms wussten, dass man den Aspekt der Zeit nicht mit Unwichtigkeiten belästigen sollte, sobald er eine bestimmte Pforte tief im Innersten der Höhle öffnete. Und als Unwichtigkeiten zählte alles Andere wenn das geschah. Jenseits des Durchganges führte eine lange Rampe hinab in den Bauch der Welt. Hier lagerte die vergangene Zeit. Tafeln reihten sich an Schriftrollen, Bücher, Papierfetzen und sonst alles, auf dem man Schreiben konnte. Und so absurd es klingen mochte, dieses Durcheinander war das Archiv der Zeit. Hier fand sich die Geschichte Azeroths, wie sie sich in diesem Zeitstrom zugetragen hatte, wieder. Akribisch war das Leben jedes Wesens, jeder Werdegang eines Steines der irgendwann einmal in einer Mauer verbaut wurde und auch alles andere, was geschehen war, hier festgehalten. Es gab in der langen Geschichte nur drei Ausnahmen: Das Verschwinden des weißen Schwarmes, der genaue Weg, der Neltharion zum Verrat führte und eben die Ereignisse, in welche dieser jetzt verwickelt war. Nozdormu wusste selbst nicht ganz, wonach er suchte. Hier unten versagten seine Kräfte und das aus gutem Grund. Die Nähe zu ihnen. Kaum ein anderer Ort lag dem Gefängnis der alten Götter so nah wie das Archiv. Die Magie, die die Weltgeschichte katalogisierte interessiert die Drei nicht, aber es wäre fatal gewesen, hätten sie hier einen bronzenen Drachen gespürt. Nozdormu wollte sich nicht ausmalen, was passieren würde, würden sie einen Bronzedrachen auf ihre Seite ziehen können. Der Zeitlose schüttelte den Kopf und vertrieb die dunkeln Gedanken. Er war trotz aller Risiken und aller Sorge, die ein Besuch im Archiv beim Rest des Schwarms auslöste hierher gekommen, um Antworten zu suchen. Und...Antworten fand er, doch half ihm das nicht so, wie er erhofft hatte. Nozdormu lag vor einem riesigen Almanach und blätterte einige Seiten immer wieder mit Klaue und Schwanz hin und zurück. Er hatte nach Deathwings Wirtin gesucht und war davon überzeugt gewesen, dass mit ihr etwas nicht stimmen kann. Wenn sie Ysera aussperren konnte, musste sie eine große Magierin oder vielleicht sogar ein Dämon sein. Doch nichts. Die Texte, die Aegwynn, Medivh oder Sargeras betrafen, schwammen stets vor den Augen des Lesenden, als ob -oder vielleicht weil- die betroffenen Wesen nicht wollten, dass man zu viel über sie weiß. Aber die Einträge, die von Eleonora Batterbay handelten waren in bester Ordnung. Sie war erst Anfang fünfzig, hatte eine Tochter und zwei Söhne und war verwitwet. Nichts, was irgendwie magisch oder seltsam wäre, auch wenn die Frau wesentlich älter aussah als im Text angegeben. Auch am Hof war nichts Besonderes. Er war seit Generationen im Besitz der Familie des verstorbenen Herrn Batterbay und hatte wegen seiner doch etwas abstrusen Lage die Invasion der Orcs überstanden, ohne bemerkt zu werden. Das war aber auch der einzige Punkt, der etwas seltsam erschien. Doch Nozdormu hatte das Gut ja selbst gesehen und wusste daher, wie schwer es zu finden war, geschweige denn, wie mühsam der Weg dorthin war. Regelmäßig, so sagte das Buch, nahmen einige junge Leute den Weg dorthin auf sich, um bei Aussaat und Ernte zu helfen oder um Frau Batterbay Waren vorbeizubringen, wenn sie selbst nicht weg konnte. Als er mit dem Lesen begonnen hatte, hatte der Zeitlose sich gefragt, warum 'Henry' der einzige Anwesende neben der Alten war. Die Schriften gaben erst nach einigem Suchen die Antwort preis und wieder erschien alles logisch. Der Grund war einfach der, dass das, was auf dem Hof wächst nicht genug für mehr als drei Leute ist. Kein Wunder also, dass die beiden Söhne ihr Heim recht schnell verlassen hatten, um sich selbst etwas aufzubauen. Das war vielleicht nicht die beste Antwort auf Nozdormus Frage, aber sie schien dennoch verständlich. Ein wenig verärgert, aber dennoch beruhigt, schlug der bronzene Aspekt das Buch zu und begab sich aus dem Archiv. Die Fragen, die nicht zu seiner Zufriedenheit beantwortet worden waren, würde er im kommenden Sommer direkt stellen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)