Wühlkiste von Ur (Slash Oneshots) ================================================================================ Kapitel 1: Behind the scenes ---------------------------- »Cut…CUT!«, rief eine laute und reichlich genervt klingende Stimme, die von einem unheilvoll wirkenden Klappstuhl herrührte, auf dem ein Mann mittleren Alters saß. Saß zumindest solange, bis er sich aufgebracht erhob und in meine Richtung stapfte. »Kannst du mir verraten«, schnauzte mein Chef, der gleichzeitig der Regisseur an diesem Set war, »wo dein Problem liegt?« Ich plusterte mich ein wenig auf, was nicht unbedingt eindrucksvoll war, da Mike – der Regisseur – nicht nur einen Kopf größer war als ich, sondern auch noch die Statur meines Kleiderschranks hatte. Er war wie immer unrasiert, sah aus, als hätte er sich die Haare jahrelang nicht gekämmt und fuchtelte mit dem Drehbuch bedrohlich vor meiner Nase herum, als würde er in Erwägung ziehen, es mir solange um die Ohren zu hauen, bis ich ins Koma fiel. »In meinem Vertrag stand nichts davon, dass ich mit einem Kerl knutschen soll!«, fauchte ich aufgebracht und wedelte mit einer Hand hinüber zu meinem Drehpartner, der den Mund zu einem spöttischen Grinsen verzogen und die Arme vor der Brust verschränkte hatte. »Das gehört nun einmal mit zu der verdammten Serie!«, wetterte mein Chef und ich wurde unwillkürlich wieder etwas kleiner, »ich habe das verteufelte Drehbuch nicht geschrieben und wenn du nicht willst, dass ich dich durch einen Anderen ersetze, dann schwing deinen Arsch sofort da rüber und liefere eine Hollywood reife Szene ab!« Was sollte ich da noch groß sagen? Ich hatte diesen Job unbedingt gewollt. Nun ja… eigentlich hatte ich es mir etwas anders vorgestellt. Ich wollte in Filmen mitspielen und nicht in einer fortlaufenden, Seifenoper ähnlichen Serie. Aber jeder fing mal klein an und ich war tatsächlich nicht in der Position, mich zu beklagen. Das war für mich natürlich kein Grund, es nicht trotzdem zu tun. Das Problem lag nicht unbedingt an der Tatsache, dass ich einen Mann küssen sollte. In der Tat hatte ich schon mehrere Männer geküsst. Ich war nämlich schwul. Allerdings wusste davon kaum Jemand und es würde nur meiner Karriere schaden, wenn das herauskäme… Das eigentliche Problem war mein Drehpartner. Drew! Wenn ich diesen Namen schon hörte, dann kribbelte mein Nacken unangenehm schaurig, ich zog meine Augenbrauen zusammen und war bereit, in rasendem Tempo Reißaus zu nehmen. Ich konnte ihn einfach auf den Tod nicht ausstehen. Er war ein Schwein. Ein Macho- Schwein. Ein Idiot, ein Volltrottel, ein… »Sam, brauchst du eine Extraeinladung?«, fauchte Mike und ich zuckte zusammen und ging wohl oder übel hinüber zu Drew, der die Arme aus ihrer Verschränkung löste und mich breit angrinste. »Na? Fertig mit rumzicken?«, erkundigte er sich scheinheilig und ich spürte, das meine Wangen sich rot färbten. »Ja, so kann das bleiben«, rief Mike zufrieden, offensichtlich meine roten Wangen meinend, »und jetzt tu einfach das, was wir schon hundert Mal besprochen haben!« Ich funkelte Drew einen Moment lang wütend an, verwandelte meinen Blick dann aber der Kunst wegen in einen verwirrten und ungläubig drein schauenden. »Kamera eins, läuft!« Ich wich zurück, wie es besprochen gewesen war und sah hoch – ja, Drew war zu allem Überfluss ebenfalls viel größer als ich – in Drews Gesicht. Nun ja, er war nun nicht mehr Drew, sondern Patrick. Und ich war Dean. Aber das tat ja nichts zur Sache, Drew spielte sich mit dieser Rolle praktisch selbst! »Du hast mich schon richtig verstanden«, gurrte Drew alias Patrick und streckte eine Hand nach mir aus, legte sie um meine Taille und hielt mich fest, sodass ich nicht mehr weiter zurück weichen konnte. Ich blinzelte in sein Gesicht und wollte gerade meinen Text aufsagen, als rechts von mir ein lauter Knall ertönte und Mike im nächsten Moment zu fluchen begann. »Cut! CUT! Was ist da los?«, schrie er und ich hörte förmlich, wie seine Stimme allmählich heiser wurde. »Da ist eine Sicherung rausgeflogen«, hörte ich eine dumpfe Stimme antworten und sofort löste ich mich von Patrick – und Drew – und wandte mich um. Ich wollte möglichst wenig in Drews unmittelbarer Nähe sein. Denn abgesehen davon, dass er ein Arschloch war, sah er auch noch ziemlich gut aus. Um nicht zu sagen umwerfend. Und ich war letztendlich auch nur ein Mann. Und Männer denken eben hin und wieder – oder auch fast immer – eher mit ihrer Körpermitte. Und die verkündete mir, ich solle mich von Drew bis zur Besinnungslosigkeit knutschen lassen. Und dann am besten noch mit ihm in die Kiste hüpfen. Aber mein Selbstwertgefühl brüllte mein Geschlechtsteil nieder und abgesehen von diesem vollkommen schwachsinnigen inneren Kampf gab es da noch einen kleinen aber doch wichtigen Grund, wieso mein Schritt nicht das bekommen würde, was er haben wollte: Drew war stock hetero. Aber zurück zu der Sicherung. Zwei Minuten später stellte sich heraus, dass die Sicherung nicht nur rausgeflogen, sondern durchgebrannt war und dass es nicht nur eine Sicherung gewesen war, sondern gleich vier. Und das wiederum brachte Mike dazu zu sagen: »Wir machen für heute Schluss!« Ich seufzte zufrieden. Noch ein Tag ohne Drew, der meine Lippen verpestete. Das war ganz nach meinem Geschmack. Ich stapfte über Kabel, herumliegende Requisiten und Mikes Megaphon – das er Dank seines lauten Organs ohnehin nie benötigte – in Richtung Umkleide und schälte mich dort sofort aus den für meinen Geschmack viel zu engen Klamotten. Mein Unheil hatte vor einer Woche begonnen, als Mike mir eine Stelle im Drehbuch gezeigt hatte, an der ich mich eindeutig zu einem Mann – oder besser gesagt zu Patrick – hingezogen fühlen sollte. Das allein wäre kein Problem gewesen. Aber dann wurde mir mitgeteilt, dass Patrick offenbar immer schon mit einem Mann hatte schlafen wollen. Rein aus Neugierde natürlich. Und da seine aktuelle Flamme – Stacey – ihm gerade gehörig auf die Nerven ging, könnte er sich ja mit dem armen, verschossenen Dean vergnügen. Das Dumme war, dass ich langsam nicht mehr zwischen Patrick und Drew unterscheiden konnte. Die beiden ähnelten sich so sehr. Sie waren beides Arschlöcher, nervten mich zu Tode und ich wollte sie beide nicht küssen. Nun ja… Zumindest der vernünftig denkende Teil meines Körpers nicht. Und das war die Mehrheit. Oder so… Ich wusste natürlich nicht, ob Drew eine Freundin hatte und mit ihr genauso schlecht umging wie Patrick mit Stacey. Aber ich wusste, dass ich Drew nicht ausstehen konnte. Deans Verschossenheit hin oder her. Ich stieg gerade in meine Jeans, als sich die Tür zur Umkleide öffnete und Jemand hereinkam. Da ich mit dem Rücken zur Tür stand, hatte ich keine Ahnung, wer es war. Aber das war mir auch egal. Zumindest solange, bis ich eine altbekannte Stimme hinter mir vernahm. »Sag mal…«, begann Drew und ich wirbelte herum, wobei ich hastig meine Hose zuknöpfte und nun mit freiem Oberkörper vor dem Größeren stand, der sich unbemerkt ziemlich nah an mich heran geschlichen hatte, »was ist eigentlich dein Problem mit mir?« Ich blinzelte. »Hä?« Eine sehr schlagfertige und aussagekräftige Antwort meinerseits. Herzlichen Glückwunsch, Samuel, du gewinnst hiermit den Award für die dämlichste Erwiderung, die man auf eine Frage geben kann. Drew schien diese ‚Antwort’ ziemlich amüsant zu finden, denn er schmunzelte. Ich schnaubte nur. »Ich wüsste nicht, wieso ich dir das sagen muss«, sagte ich, wandte mich schwungvoll um und stolperte absolut elegant über meinen Rucksack. Bevor ich noch begriff, was eigentlich passiert war, hatten sich zwei Arme um meinen Oberkörper geschlungen und mich wieder gerade hingestellt. Ich musste kurz meine Gedanken sortieren, bis mir auffiel, dass das nur Drew gewesen sein konnte, denn abgesehen von uns beiden war – leider Gottes – Niemand in dieser Umkleide. Ich lief erneut rot an, hasste meine helle Haut dafür, dass sie ständig rot werden musste und packte leise und wütend vor mich hinmurmelnd meine Sachen zusammen, ehe ich in meinen übergroßen, dunkelroten Pullover schlüpfte und Drew anfunkelte. »Lass mich das nächste Mal einfach umfallen«, bellte ich ungehalten und warf mir den Rucksack über die Schulter, »ich knutsche lieber den Boden dieser Umkleide, als mich von dir begrabbeln zu lassen!« Männliche Zicken? So was gibt’s? Wenn ja, dann war ich jedenfalls keine. Das war lediglich eine natürliche Abwehrreaktion auf dieses Ekelpaket, das mich gerade vor einer gebrochenen Nase bewahrt hatte. Drew hob beide Augenbrauen und ich sah ihn nur noch wütend an, ehe ich an ihm vorbei stapfte. Zwei Schritte. Dann hielt er mich nämlich am Handgelenk fest. »Kannst du vielleicht aufhören, dich wie ein Zehnjähriger zu benehmen? Du bist immerhin 27!« Und woher wusste dieser vollidiotische Armleuchter eigentlich, wie alt ich war? »Und was interessiert es dich, ob ich mich wie ein Zehnjähriger benehme?«, motzte ich unfreundlich und entwand mein Handgelenk seinem Griff. »Wir arbeiten zusammen und du könntest mir wenigstens sagen, was zur Hölle ich dir eigentlich getan habe, dass du mich immer mit diesem Mörderblick anschaust!« »Du bist ein Arschloch und ich kann dich nicht leiden! Zufrieden?« Mit diesen – sehr ehrlichen – Worten stapfte ich an ihm vorbei aus der Umkleide, aus dem Gebäude und ich kochte immer noch vor Wut, als ich draußen bei meinem Auto angekommen war. So ein Penner, wetterte ich in Gedanken und stieg ein. Was fiel diesem Banausen eigentlich ein, mir zu folgen? Geschweige denn, mich anzufassen. Gleich zwei Mal. Auf nackter Haut! Mein Unterleib schnurrte zufrieden. Ich hasste ihn dafür. Als ich an diesem Abend in meiner kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung ankam, wartete ein leerer Kühlschrank auf mich. Kaum hatte ich fluchend festgestellt, dass meine Gefriertruhe ebenfalls leer war, als auch schon das Telefon klingelte. Ich nahm ab. »Ja?«, schnauzte ich in den Hörer. »Ich sehe, du hast hervorragende Laune«, meldete sich meine beste Freundin Mel am anderen Ende, »ich werde sie etwas steigern, indem ich vorbei komme und dir was zu essen mitbringe! Bis gleich!« Mit diesen Worten hatte sie schon wieder aufgelegt. In der Tat würde Essen helfen, meine Laune ein wenig zu heben. Ich sah auf die Uhr. Mel brauchte in etwa zehn Minuten bis hierher. Genug Zeit zum Duschen. Eine Viertelstunde später saßen wir in meinem Wohnzimmer, jeder mit einer Schale gebratener Nudeln vor sich und fleißig am Mampfen. Mel und ich kannten uns seit dem Kindergarten. Sie war irgendwie der bessere Mann von uns beiden. Früher in der Grundschule hatte sie die Jungs immer verkloppt, die sich über meine roten Haare oder meine Sommersprossen lustig gemacht hatten. Mittlerweile hatte ich mich an beides gewöhnt, wenn ich für meinen Geschmack auch etwas zu klein und zu schmal war. Aber was machte das schon. Mel hatte blonde Locken, braune Augen und volle Lippen. Sie trug meist Latzhosen und ein breites Grinsen und auch jetzt musterte sie mich mit einem amüsierten Schmunzeln. »Wer hat dir die Laune so verdorben? Drew?« Bei dem Klang des Namens verfinsterte sich meine Miene unwillkürlich. Mel gluckste. »Ich nehme an, das heißt ‚Ja’!« Ich hatte ihr bereits hundert Mal mein Leid wegen dem arroganten Vollpfosten geklagt. »Er kam heute in die Umkleide und hat mich gefragt, was ich für ein Problem mit ihm hätte«, schnaubte ich abwertend und schob mir ein Stück Hähnchen in den Mund. »Und? Was hast du ihm gesagt?«, erkundigte sie sich beiläufig. »Dasch er ein Aschlof ischt und isch ihn nif aufschteh’n kann«, gab ich zurück. Sie verzog das Gesicht. »Ab fünf Gramm im Mund wird’s undeutlich«, erinnerte sie mich und wedelte tadelnd mit ihren Stäbchen vor meiner Nase herum. Ich schluckte herunter und grummelte leise. »Dass er ein Arschloch ist und ich ihn nicht ausstehen kann«, wiederholte ich und sie runzelte die Stirn. »Das ist aber keine Antwort auf seine Frage«, meinte sie grübelnd und ich knurrte. »Ich schulde ihm jawohl keine Antwort«, murmelte ich und schob mir ein paar Nudeln in den Mund. »Na wenn er schon so fragt. Vielleicht ist er gar nicht so ein Arschloch wie du immer sagst!« Ich lachte gezwungen. »Natürlich ist er das. Wie er schon immer grinst! Unausstehlich sage ich dir«, versicherte ich Mel und sie schmunzelte kurz. »Wenn ich mich an deinen ersten Drehtag erinnere…«, sagte sie und mein Blick verfinsterte sich augenblicklich, »sehe ich dich noch vor mir sitzen, mit leuchtenden Augen und schmachtender Stimme. ‚Mel, er sieht so gut aus! Und erst sein Hi…’« »Danke! Das reicht!«, pflaumte ich sie an, während meine Wangen rot aufflammten. »Weißt du Sam. Vielleicht bist du nur so verbiestert, weil du ein wenig neidisch auf ihn bist. Oder weil du ihn ziemlich scharf findest und eigentlich mit ihm rummachen willst. Ich hab das irgendwo letztens gelesen«, meinte sie, während ich beständig noch röter anlief, »’Am meisten fühlt man sich von der Wahrheit getroffen, die man sich selbst verheimlichen wollte’. Deswegen läufst du wohl auch grad so rot an, wie?« Manchmal hasste ich meine beste Freundin… * Die nächsten zwei Tage hatte ich erst einmal Ruhe vorm Set. Und Ruhe vor Drew. Das war besonders erholsam. Vor allem nach diesem zwar magenfüllenden aber auch nervenaufreibenden Besuch von Mel. Ich hatte sie in diesen zwei Tagen schon mindestens hundert Mal verflucht. Weil mir ihre Worte nicht mehr aus dem Kopf gingen. Ich erinnerte mich daran, wie ich am Anfang von Drew geschwärmt hatte. Und ich erinnerte mich an einen der Drehtage. ‚Was starrst du mich eigentlich die ganze Zeit so an? Stehst du auf Kerle?’ Nun ja. Um genau zu sein, waren es diese Sätze gewesen, die mich auf die Palme gebracht hatten. Oder besser gesagt in Verlegenheit. Und seitdem war ich jeden Tag furchtbar biestig zu Drew gewesen, nur um ihm deutlich zu machen, dass ich überhaupt nichts an ihm fand. Aber die Tatsache, dass ich ihn gut aussehend und nicht nur nervig sondern auch anziehend fand, hatte mein Hirn über all diese Meckereien beinahe völlig vergessen. Und Mel hatte es natürlich wieder ausbuddeln müssen. Ich war gerade mit drei schweren Einkaufstüten auf dem Weg vom Supermarkt in Richtung Parkplatz, um mein Auto zu beladen und nach Hause zu fahren, als ich eine Stimme hinter mir hörte. »Hey, Sam.« Ich erstarrte, meinen Wagen schon im Blickfeld und die Hände fest um die Henkel der Plastiktüten gekrallt. Natürlich. Er lief mir über den Weg, während ich Gemüse, Tiefkühlpizzen und Weingummi in hässlichen Tüten über einen Parkplatz schleppte. Abgesehen davon trug ich ein absolut ausgeleiertes Hemd und eine am Knie zerrissene Jeans, weil ich keine Lust gehabt hatte, mich extra zum Einkaufen anständig anzuziehen. »Soll ich dir tragen helfen?« Wie bitte? Sollte das ein schlechter Scherz sein? »Ähm…«, gab ich wenig geistreich zurück, doch Drew schien sich an dieser nichts sagenden Antwort nicht zu stören. Er schnappte sich zwei Tüten und stapfte an mir vorbei in Richtung meines Autos. Oh man. Irgendetwas lief schief. Ich folgte ihm misstrauisch, beinahe erwartend, dass er die Tüten gleich absichtlich fallen lassen würde, nur um mir dann dabei zuzusehen, wie ich vor ihm auf den Knien herumrutschte und alles wieder einsammelte. Aber nichts dergleichen geschah und meine Paranoia wurde einmal mehr nicht bestätigt. Ich schloss den Wagen auf und Drew hievte die Tüten in den Kofferraum. »Ich dachte, du wohnst allein«, sagte er und beäugte die Tüten mit einem amüsanten Funkeln in den hellblauen Augen. Ich hasste diese Augen. Und ich hasste seine honigblonden Haare. Und seine Grübchen! Und… »Ich muss ja von irgendwas leben«, hörte ich mich krächzen. Wer hatte meiner Stimme erlaubt, so zu krächzen? Ich sicherlich nicht. Drew lachte. Ich starrte ihn an. »Du siehst gar nicht so aus, als würdest du tonnenweise Weingummi in dich hinein stopfen«, informierte er mich und mein Gesicht färbte sich unterhalb der zahllosen Sommersprossen ein weiteres Mal knallrot. Dann wurde Drew plötzlich ernst. »Ich wollte noch mal mit dir reden, wegen dem Abend in der Umkleide«, erklärte er und kratzte sich am Hinterkopf. War er etwa verlegen? Hey… er WAR verlegen! »Ach so…das…«, entgegnete ich gedehnt und hüstelte leicht vor mich hin, während ich in alle möglichen Richtungen starrte, nur nicht in Drews Gesicht. »Danke fürs Tütentragen«, meinte ich matt, als mir sein Schweigen zu viel wurde. Ich spürte seinen Blick auf mich gerichtet und grummelte leise, ehe ich mich schließlich erbarmte und aus meinen dunkelbraunen Augen hoch in sein hübsches Gesicht schaute. »Kein Problem«, erwiderte er und betrachtete mich mit unverhohlener Neugierde. Was sollte das bitte werden? »Findest du wirklich, dass ich ein Arschloch bin?« Himmel Arsch und Zwirn, wieso musste er immer so direkt sein? Nun ja… eigentlich war ICH derjenige gewesen, der ihm diese Worte direkt in sein Gesicht geschleudert hatte. »Ähm…eigentlich schon, ja. Aber das Tütentragen mildert diesen Status erheblich«, versicherte ich ihm und fragte mich, wo um alles in der Welt ich meine durchschnittliche Intelligenz hin verfrachtet hatte. Denn in meinem Kopf war sie in diesem Moment eindeutig nicht! Ganz zu schweigen von meiner nicht mehr vorhandenen Schlagfertigkeit. Es machte mich nervös, so vor ihm zu stehen und nicht sauer auf ihn sein zu können. Drew kaute ein wenig auf seiner Unterlippe herum. »Dann… sollte ich dir jetzt öfter mal Einkaufstüten tragen, ja?«, meinte er und die Spur eines Schmunzelns lag auf seinen Lippen. Ich schnaubte. »Schleimen klappt bei mir nicht«, informierte ich ihn und bemerkte, dass mein Arm bereits wehtat, weil ich die ganze Zeit meine Einkaufstüte in der Hand gehalten hatte. Ich verfrachtete auch die letzte Tüte in meinen Kofferraum und schloss diesen, immer noch so wenig wie möglich in Drews Gesicht sehend. »Ich will doch nicht schleimen. Ich will nur nicht, dass du denkst, ich sei ein Arschloch«, erklärte mir Drew und mein Herz rutschte in die Gegend meiner Kniekehlen. »Ach ja?«, krächzte ich und wartete darauf, dass mein Brustkorb jeden Moment explodierte. Mein Herz hämmerte nämlich wie eine ganze Armada Dampflokomotiven… »Und wieso, wenn ich fragen darf?« Ich umklammerte meinen Autoschlüssel, als wäre er mein Rettungsring auf hoher See. Drew schwieg einen Moment lang. »Weißt du noch, als ich dich damals angepflaumt habe, wieso du mich so anstarrst?«, meinte er dann anstelle einer Antwort. Ich linste hoch in seine Augen. »Sicher«, brummte ich ungnädig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und…und…stehst du denn eigentlich auf Kerle?«, bohrte Drew weiter nach und ich runzelte die Stirn. »Was soll das werden? Ein Verhör? Und wenn ich’s täte, was wäre dann?«, fragte ich lauernd und wagte einen weiteren Blick hoch in Drews Gesicht. Zu meiner grenzenlosen Überraschung hatten sich die Wangen des Größeren eindeutig rötlich verfärbt. Nicht so tomatenrot wie bei mir. Aber immerhin… rötlich. Warum zum Teufel wurde Drew in meiner Gegenwart rot, wenn wir darüber sprachen, ob ich schwul war oder nicht? »Was sollte dann schon sein«, murmelte er und verschränkte nun seinerseits die Arme vor der Brust, während seine Augen auf eine scheinbar besonders interessante Wolkenformation am strahlendblauen Himmel gerichtet waren. In diesem Moment überraschte mich meine offensichtlich zurückkehrende Scharfsinnigkeit mit einem schier unglaublichen Gedanken. »Bist du schwul?«, platzte es aus mir heraus und ich starrte dem Anderen ins Gesicht, um auch ja jede kleine Regung mitzubekommen. »Wa…was? Wie kommst du darauf?«, entgegnete Drew vollkommen vor den Kopf gestoßen und er starrte mich an, als sei ich eine Erscheinung. Ich musste grinsen. »Ich fass es nicht. Du BIST schwul!« Drews Wangen glühten mittlerweile, auch wenn sie meiner Gesichtsfarbe in einem peinlichen Moment noch keine Konkurrenz machten. »Na ja und was hat das damit zu tun? Ich wollte doch nur wissen, ob DU schwul bist«, brummte er und drehte den Kopf wieder beiseite. Ich war mittlerweile reichlich mutig geworden. Dieses Gespräch schien mir immer noch unfassbar, aber ich sah eine Möglichkeit, den obercoolen, von allen Mädchen angehimmelten Drew ein wenig zu stutzen. Im Moment hatte ich nämlich eindeutig die Oberhand in unserem Gespräch und das war bisher noch NIE vorgekommen. »Hast du etwa Interesse?«, fragte ich scheinheilig und war über meinen aufkeimenden Mut wirklich überrascht. Noch überraschter war ich allerdings, als Drew den Kopf sinken ließ und sich mit beiden Händen durch die Haare fuhr. »Ich steh eigentlich nicht auf Männer«, nuschelte er und wagte einen Blick in mein Gesicht, schaute aber ganz schnell wieder weg. »Eigentlich?«, erkundigte ich mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Drew druckste eine Weile lang nur herum, dann holte er tief Luft und ich sah ihn gespannt an. »Naja… Ich…stand nie auf Männer. Ich war ein normaler, gut aussehender (ich schnaubte) Mädchen anstarrender Kerl. Und dann…«, meinte er und fuhr sich erneut durchs Haar. »Dann?«, hakte ich nach, das heftige Klopfen in meiner Brust ignorierend. »Dann kamst du halt«, brummte er undeutlich und mein Herz setzte einen Moment aus. Dann… ich…? Wollte er mich verarschen? Oder… »Und wieso hast du mich dann so angepflaumt, als ich dich angestarrt hab?«, wollte ich leicht heiser wissen. Drew sah mich an. »Ich konnte damit halt nicht umgehen. Dass ich plötzlich einen anderen Mann anziehend fand. Und dann hast du mich noch so angesehen, als wärst du auch nicht abgeneigt. Das hat mich eben verwirrt. Aber noch schlimmer war’s, als du mich ständig nur noch angemotzt hast. Ich dachte, du hasst mich«, erklärte er, dieses Mal ohne wegzuschauen. Memo an mich: Ich hatte gerade einer Art Coming Out beigewohnt. Dem Coming Out von Drew. Drew – Arschloch Drew. Oder… nun ja, Drew irgendwie nicht mehr Arschloch Drew. War ja letztendlich auch egal, ich starrte ihn ungläubig an und mir war heiß und mein Unterleib jubelte und mein Herz raste und ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Aber es kam nichts. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Schließlich atmete ich einige Male tief ein und aus, wagte es aber nicht, Drew anzusehen. »Ich sollte besser nach Hause fahren«, murmelte ich und ging einfach an ihm vorbei, stieg in mein Auto und schloss die Tür. Hatte ich ihn Arschloch genannt? Gerade war ICH das Arschloch. Aber ich konnte nicht anders. Wie sollte ich ihn für voll nehmen? Vielleicht war das alles ja doch nur ein Scherz und er wollte meine Karriere ruinieren und sich über mich lustig machen… Ich wagte es nicht, mich umzuschauen, als ich vom Parkplatz fuhr. Wie sollte ich ihm morgen am Set denn bloß in die Augen sehen? * »SAM! Wenn du diese Szene noch einmal vergeigst, dann prügele ich dich windelweich!«, schrie Mike von seinem Klappstuhl aus und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Es war natürlich wieder DIE Szene. Aber diesmal empfand ich keine Abneigung dagegen, Drew zu küssen. Ich hatte nur Angst, was passieren würde, wenn ich es tat. Alle Abneigung gegen Drew war einfach verraucht. Weg. Futschikato. Und Schuld war nur dieses verfluchte Treffen vorm Supermarkt. Ich stand inmitten des Wohnzimmers, in dem die Szene stattfinden sollte und starrte das hässlich grüne Sofa an. Drew war nun nicht Patrick, sondern einfach nur noch Drew und es half auch nicht, mir einzuhämmern, dass es nur eine Rolle war, die ich küssen musste. »Einmal noch. Und wenn das nicht klappt, dann suchen wir uns jemand Anderen für diese verdammte Szene«, schnauzte Mike in meine Richtung und ich spannte mich einen Moment lang an. Dann nickte ich. Zur Hölle mit meiner Angst. Ich wollte Schauspieler werden. Also sollte ich mich etwas professioneller benehmen und endlich das tun, was von mir verlangt wurde. »Kamera eins, läuft!« »Du hast mich schon richtig verstanden«, gurrte Drew alias Patrick und streckte eine Hand nach mir aus, legte sie um meine Taille und hielt mich fest, sodass ich nicht mehr weiter zurück weichen konnte. Ich blinzelte in sein Gesicht und schluckte. In diesen verdammten eisblauen Augen konnte man aber auch versinken… »A…aber, was ist mit Stacey«, stammelte ich meinen Text herunter und Drew lachte leise, was mir einen Schauer den Rücken hinunter jagte. Er zog mich näher zu sich. Sein Gesicht war so nah, unsere Nasenspitzen berührten sich leicht. Mein Herz bollerte gegen meinen Brustkorb wie ein Hochofen im Winter. »Vergiss Stacey«, hauchte Drew gegen meine Lippen. Ich würde gleich einen Herzinfarkt bekommen. Unsere Lippen berührten sich. Mein Innerstes explodierte. Ich seufzte ungewollt hingerissen auf, was mich sofort dazu brachte, rot anzulaufen. Drew schlang seine Arme enger um mich und zog mich nah an sich heran. Ich spürte seine Körperwärme, schmeckte seine Lippen… Ich hatte ganz vergessen, wo wir waren und was wir hier eigentlich taten. Zumindest solange, bis Mikes Stimme durch einen Schleier in meinen Gehörgang drang. »Cut! Na also, ich wusste doch, dass es geht. Das war super, ihr beiden!« Drew löste sich von mir und an seinem verwirrten Gesichtsausdruck konnte ich deutlich sehen, dass er genau wie ich vergessen hatte, dass wir uns eigentlich nur für die Kamera geküsst hatten. Er warf mir einen verstohlenen Blick zu und ich brachte ein mattes Lächeln zustande. Na bitte. Ich und Dean, wir waren in diesen verfluchten Macho – egal ob nun Patrick oder Drew – verschossen. Schlimmer konnte es ja nicht kommen. »Machen wir erstmal Pause«, rief Mike und ich wollte gerade in Richtung Toilette verschwinden, als Drew mich vom Set hinunter schleifte. In Richtung Umkleide. »Ähm… Drew? Was wird das?«, erkundigte ich mich mit lahmer Stimme. Ich war immer noch benebelt vom Kuss. »Ich entführe dich«, sagte Drew nur, schob mich in die Umkleide und stieß die Tür hinter sich zu. Ich holte Luft, um etwas zu sagen, da fand ich mich mit dem Rücken an die Tür gedrückt wieder und Drew so nah vor mir, dass mein Herz schon wieder wie verrückt zu klopfen begann. Und dann küsste er mich erneut. Ehe ich es mich versah, hatte ich meine Arme schon um seinen Nacken geschlungen und ihn weiter nach unten gezogen. Er drückte sich an mich, bewegte seine Lippen hungrig gegen meine und löste in meiner Magengegend ein wahres Feuerwerk aus. Ich kraulte ihn ein wenig im Nacken und seufzte leise auf, als ich fühlte, wie seine Zunge meine Lippen teilte und sich Einlass erbat. Ich gewährte es ihm und stupste seine Zunge mit meiner Eigenen an. Mein ganzer Körper kribbelte. Als Drew den Kuss löste, sah er mich ein wenig verklärt an. »Heißt das, du hasst mich nicht mehr?«, murmelte er heiser gegen meine Lippen. Ich schüttelte den Kopf. »Lass uns noch ein bisschen üben. Für die nächsten Szenen«, sagte ich und musste schmunzeln. Drew lachte leise. »Dein Wunsch sei mir Befehl«, nuschelte er gegen meine Lippen, ehe er mich erneut küsste. Kapitel 2: Pay me, love me -------------------------- Mein Name ist Spike. Und ich bin pleite. Nun ja, vielleicht nicht ganz pleite, es reicht für eine winzige Wohnung mit fließend Wasser und Strom. Aber es reicht nicht für das Studium, das ich gern machen würde. Nämlich Kunst. Ich bin in diese stinkende Großstadt gekommen, weil ich mir sicher war, dass es hier irgendwo einen Job geben würde, der genug Geld abwirft, um mein Studium zu finanzieren. Pustekuchen. Diese verfluchten Aushilfsjob sind unterbezahlt, dafür, dass man sich den ganzen Tag abrackert wie ein Arbeitstier. Und ich muss nebenbei auch noch meine Sucht nach Glimmstängeln finanzieren. Mein Leben ist also definitiv kein Ponyhof. Ich jobbe in einem Supermarkt und packe stundenlang Waren ein und aus, breche mir dabei täglich beinahe die Wirbelsäule und alles, was ich davon bezahlen kann, ist meine Miete, mein Strom und mein Essen. Kunststudium Adé. Man könnte sich fragen, wieso meine Eltern mich nicht unterstützen. Das liegt daran, dass sie mich vor einem halben Jahr rausgeschmissen haben. Meine Eltern sind nämlich beide Ärzte und wollten, dass ich in ihre glorreichen Fußstapfen trete. Aber ich steh nicht so darauf, Menschen aufzuschneiden. Ich male lieber. Mein Vater hat mein Hobby immer liebevoll ‚eine gottverdammte Zeitverschwendung’ genannt. Ich habe mich elegant mit dem Hintern auf ihre Predigten gesetzt und bin in eine andere Stadt verschwunden, ohne ihnen Bescheid zu sagen. Immerhin bin ich 22 Jahre alt und kann selbst entscheiden, was ich will. Am besten wäre natürlich ein Stipendium für mein Studium. Dumme Sache nur, dass ich in der Schule meist grottenfaul gewesen bin. Außer natürlich in Kunst. Aber kommen wir zurück zu meinem Finanzproblem. Wie ich bereits gesagt habe, bin ich seit einem halben Jahr hier und bin monatelang nicht wirklich vorangekommen. Dann bin ich irgendwann ins Grübeln geraten. ‚Denk nach, Spike. Was kannst du am Besten?’ Malen ist die Antwort gewesen. Zumindest auf den ersten Blick. Malen ist sicher mein größtes Talent. Dicht gefolgt von Sex. Malen bringt nur leider überhaupt kein Geld ein, wenn man nicht Picasso oder Monet heißt. Und aufgrund dieser stichhaltigen Überlegungen ist als Beschäftigungsmöglichkeit nur das Zweite in Frage gekommen. Also noch einmal: Mein Name ist Spike. Und ich bin seit einiger Zeit nicht mehr pleite. Denn ich arbeite neben meinem Job im Supermarkt als ‚freiberuflicher’ Stricher. Da sieht man, wie viel mir der Traum vom Kunststudium wert ist, wenn ich meinen heiligen Hintern für irgendwelche dahergelaufenen Perversen hinhalte. Ich nehme diese Kerle natürlich nie mit in meine Wohnung. Wäre ja noch schöner. Irgendwelche irren Stalker kann ich nicht gebrauchen, mein Leben ist schon gruselig genug. Wie ich übrigens schon gesagt habe, bin ich ‚freiberuflich’. Also nichts mit Zuhältern, die mir Kohle abknöpfen oder zwielichtigen Bordellen mit Puffbeleuchtung. Mir ist es sogar schon einmal vorgekommen, dass eine Frau mich mitgenommen hat. Aber nur einmal. Und die muss wirklich verzweifelt und sexuell frustriert gewesen sein. Sah auch aus, als wäre sie reich und Mitte vierzig. Aber was machte das schon. Sie hat eine Menge gezahlt und ich war zufrieden. Man kann ja die Augen zumachen und sich eine junge, knackfrische Blondine vorstellen. Ich spare also fleißig vor mich hin. Das Supermarktgeld finanziert die Wohnung, mein Essen und die Nebenkosten. Und das ‚andere’ Geld wandert aufs Konto und tummelt sich dort munter. * Es ist Freitagabend. Ich bin fertig im Supermarkt, ziehe den äußerst hässlichen, weiß-gelben Kittel aus und hänge ihn an meine Garderobe, rufe ‚Tschüss’ und verschwinde aus der Lebensmittelhölle. Draußen regnet es ein wenig, aber das stört mich nicht. Ich bin ja nicht aus Zucker. Geschützt in meiner hohlen Hand zünde ich mir eine Kippe an, schiebe sie zwischen meine Lippen und mache mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Duschen, etwas essen, umziehen… Und dann würde das Arbeiten schon munter weiter gehen. Ich vernichte also mein aufgewärmtes Kartoffelgratin, gehe ins Bad, dusche schnell und werfe, nachdem ich mich abgetrocknet habe, einen prüfenden Blick in den Spiegel. Mein Aussehen ist eher durchschnittlich, stelle ich wie so oft fest. Die straßenköterblonden Haare sind mittlerweile fast kinnlang, fransig und vollkommen ohne jeglichen Schnitt. Meine grün-braunen Augen sind weder sonderlichen hübsch noch hässlich, neben meinem Mund habe ich zwei furchtbar nervige Grübchen, die man besonders gut sieht, wenn ich grinse. Mein restlicher Körper ist genauso langweilig wie mein Gesicht. Ich bin nicht muskulös, nicht dick, nicht dünn… Ich bin einfach irgendwie. Hin und wieder stelle ich mir die Frage, wieso so viele Kerle zu mir kommen und mich haben wollen. Wenn ich Jemand anders wäre, ich würde mich nicht nehmen. Ich gehe zu meinem Kleiderschrank, stecke meinen langweiligen Körper in eine stinknormale Jeans und ein kurzärmeliges Hemd und mache mich auf den Weg zu der gewissen Straße, in der ich immer stehe. Diese Straße ist nur am Rand vom Rotlichtlichtviertel und so kommen mir die ganzen anderen Prostituierten nicht in die Quere oder versuchen, mich hier wegzuekeln. Für eventuelle Handgreiflichkeiten habe ich vorsorglich immer ein Klappmesser in der Hosentasche. Ich lehne also kaugummi- kauend an einer Hauswand und sehe hin und wieder die Straße auf und ab. Freitags ist immer besonders viel los. Wochenenden bringen demnach eine Menge Knete. Während ich noch in Rechnungen über meine Finanzen versunken dastehe, tippt mich Jemand von der Seite an. Ich drehe den Kopf und blinzele ein wenig verwirrt. Vor mir steht ein Junge, einen Kopf kleiner als ich und so rot im Gesicht, als wolle er einer Verkehrsampel Konkurrenz machen. »Was gibt’s?«, frage ich ihn also und erwarte etwas wie ‚Wie spät ist es?’ oder ‚Wie komme ich zum Theater?’. Falsch gedacht. »W…wie viel?«, stammelt er und wird sogar noch röter, obwohl ich das nicht mehr für möglich gehalten habe. Ich runzele ein wenig die Stirn. Dann dämmert es mir. Der Zwerg will mich kaufen! »Wie alt bist du?«, erkundige ich mich, ohne weiter auf seine Frage einzugehen. Das kann man jawohl kaum ernst nehmen. Der ist sicher noch Jungfrau. Oder er hat eine Wette mit seinen Kumpels verloren und muss es deswegen mit einem Stricher treiben. Oder… »Ich bin heute 18 geworden«, gibt er zurück und klingt beinahe ein wenig trotzig, als wolle er sagen ‚Ich bin volljährig und darf dich kaufen, du Idiot!’ Er benimmt sich irgendwie nicht sonderlich volljährig. Wenn ich an mich in diesem Alter zurück denke, dann kommen mir ausschweifende Partys, eine Menge Mädchen und die Bemühung um Coolness in den Sinn. Aber keinesfalls ein knallrot angelaufener Teenager, der versucht, Sex mit einem Mann zu erkaufen. »Ach so. Und jetzt willst du wegen einer bescheuerten Mutprobe schauen, ob du einen Stricher kaufen kannst?«, erkundige ich mich lässig und lasse eine kleine Kaugummiblase platzen. Er schüttelt hastig den Kopf. Herrgott, wenn er noch röter wird, sollte ich vielleicht einen Krankenwagen rufen… »Ich…will nur wissen…«, beginnt er stammelnd und starrt mein linkes Knie an, als wäre es besonders interessant, »wie…das…ist.« Ich runzele die Stirn ein wenig mehr. Der Junge ist merkwürdig. Ich habe eigentlich gar keine Zeit, mich weiter mit seinen Kindereien herumzuschlagen, denn immerhin muss ich Geld verdienen. Doch gerade, als ich in Erwägung ziehe, ihn einfach stehen zu lassen und mich woanders hinzustellen, greift er in seine Hosentasche und zieht zwei Scheine hervor, die er mir unter die Nase hält. »Reicht das?«, fragt er, offenbar schwer entschlossen. Ich starre auf die Scheine. Wenn ich ein gemeiner Mensch wäre, würde ich ‚Ja, gerade so’ sagen und alles nehmen. Aber es ist fast doppelt so viel wie das, was ich normalerweise nehme. Also schnaube ich, schnappe nach einem der Scheine und schiebe ihn in meine Hosentasche. »Steck den Rest wieder ein«, sage ich dann und er blinzelt ein wenig verwirrt, tut dann aber, was ich gesagt habe und sieht mich erwartungsvoll an. Ich hebe eine Augenbraue. »Ab zu dir nach Hause«, meine ich. Er reißt entsetzt die Augen auf. »Das geht nicht! Ich wohne bei meinen Eltern!« Natürlich wohnt er bei seinen Eltern… Was auch sonst? Ich verdrehe die Augen und fahre mir durchs Haar. Was nun? Ich kann jawohl kaum in irgendeiner dunklen Gasse mit diesem Grünschnabel Sex haben. Vermutlich kneift er ohnehin, bevor wir richtig angefangen haben. »Also gut. Gehen wir zu mir«, sage ich schließlich. Der Kleine ist vermutlich in etwa so gefährlich wie ein Wattebällchen. Also muss ich mir um ihn wohl kaum Sorgen machen. Er nickt und es sieht aus, als hätte er gerade sein Todesurteil unterschrieben. »Sicher, dass du das willst?«, erkundige ich mich und spucke mein Kaugummi auf den Boden. Er linst von der Seite her zu mir. »Ja. Mit Frauen hat’s irgendwie nie geklappt. Da dachte ich…versuch ich’s mal…mit einem Mann?«, meint er fragend und wird zum Ende hin immer leiser. Innerlich raufe ich mir die Haare. Also ist er sich überhaupt nicht sicher, ob er das will. Aber was soll’s. Er kann ja zur Not immer noch die Flucht ergreifen. »Und wieso nimmst du nicht einen, den du nicht bezahlen musst?«, frage ich weiter. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich müsse ihn ein wenig auflockern. Er wirkt nämlich schrecklich verkrampft und ich bin mir hundertzehnprozentig sicher, dass sein Herz rast wie verrückt. Er zuckt mit den Schultern. »Keiner in meinem Umfeld würde zugeben, dass er schwul ist. Schwul sein ist eben…unmännlich«, sagt er. Oh ja, Recht hat er. Ich kenne diese pubertierenden Jungs, die eine bloße Umarmung mit einem Kerl schon für absolut ekelig befinden. »Außerdem wollte ich einen haben, der weiß, wie es geht«, fügt er leise hinzu und wird schon wieder knallrot. Ja. Ich weiß durchaus, wie das geht. Allerdings sieht es ganz so aus, als würde ich oben liegen. Und normalerweise liege ich immer unten. »Wie heißt du eigentlich?«, will er dann wissen. »Spike. Und du?« »Jason.« Jason also. Passt irgendwie zu ihm. Ich mustere ihn ein wenig von der Seite, während wir links in meine Straße einbiegen. Er hat dunkelbraune Locken und blaue Augen mit ziemlich langen Wimpern für einen Jungen. Auf seinen Wangen und seinem Nasenrücken sind eine Menge Sommersprossen und er sieht für sein Alter noch recht jung aus. Vor allem ist er noch schmaler als ich. Ziemlich schlaksig. Er trägt Turnschuhe, eine dunkle Jeans und ein weißes T-Shirt, an dessen Saum er die ganze Zeit nervös herumspielt. »Wieso machst du das eigentlich?«, fragt Jason schließlich. »Mache ich was?« »Naja… Stricher…sein«, gibt er zurück und lacht nervös. Ich mag sein Lachen irgendwie. Und seine Stimme. Zumindest, wenn er es schafft, so laut zu sprechen, dass ich ihn verstehe. »Ich brauch Knete, um zu studieren«, sage ich und frage mich im selben Moment, wieso ich dem Grünschnabel das eigentlich erzähle. Als wir an meinem Haus ankommen, schließe ich auf und winke ihn ins Treppenhaus. Er schluckt, tritt aber ein und folgt mir in den ersten Stock, wo ich auch die Wohnungstür öffne und ihn einlasse. Die Tür fällt hinter uns ins Schloss und er sieht sich einen Moment lang um. Dann entdeckt er durch meine offen stehende Wohnzimmertür meine Leinwände. »Du malst«, sagt er ganz erstaunt, als wäre es abwegig, dass ein Stricher malt. »Ich kann überhaupt nicht malen. Ich bin auch schlecht in Sport. Aber ich kann ein wenig singen und ich spiele Klavier. In der Schule lachen mich die meisten anderen Jungs aus, sie nennen das immer schwul. Und die Mädchen finden’s süß und wollen immer, dass ich ihnen was vorspiele… Und…« Er redet wie ein Wasserfall. Ich schaue ihn ziemlich verwirrt an, bis ich schließlich schmunzeln muss und mir kurz mit der Hand übers Gesicht fahre. »Bist du zum Reden oder zum Ficken hier?«, frage ich rund heraus. Er stockt mitten in seinem Monolog über Beethoven und läuft erneut ungesund dunkelrot an. »E…entschuldige…ich bin nur so furchtbar aufgeregt«, stammelt er. Wirklich niedlich. Ich komme mir beinahe vor wie ein Verbrecher, weil ich dieses unschuldige Schäflein gleich mit Sünde beflecken werde. Vorausgesetzt er zieht nicht doch noch im wahrsten Sinne des Wortes den Schwanz ein. Also muss ich wohl anfangen, damit er sich entscheiden kann, ob er das wirklich will. Und kann. Ich beginne also einfach damit, mir mein Hemd aufzuknöpfen. Ich sehe, wie er schwer schluckt und seine blauen Augen über jedes Stück nackte Haut huschen, das ich freilege. Offensichtlich ist er wirklich schwul, denke ich mir, als ich sehe, wie seine Augen zu funkeln beginnen. Mein Hemd fällt lautlos zu Boden und ich mache mich daran, meine Jeans zu öffnen. Er starrt mich ununterbrochen wie hypnotisiert an. Als meine Hose zu Boden fällt und ich aus den Hosenbeinen steige, ehe ich die Socken von den Füßen streife, schluckt er erneut und sieht hoch in mein Gesicht. »Na? Kriegst du Muffensausen?«, gurre ich herausfordernd und er zuckt zusammen, wird noch ein wenig röter und schüttelt dann ein weiteres Mal hastig den Kopf. Ich mache zwei Schritte auf ihn zu, strecke einen Arm aus und er tut ebenfalls einen zögerlichen Schritt in meine Richtung. Ich lege meine Hand auf seine Schulter. Wir stehen so nah voreinander, dass noch eine handbreit Platz zwischen uns ist. Ich lasse meine Finger über seine Brust wandern und sie auf der Stelle zur Ruhe kommen, wo sein Herz wie verrückt gegen den Brustkorb bollert. Schließlich beuge ich mich vor und lege meine Lippen an seinen Hals, sauge mich leicht fest, lasse meine Zunge über die warme, weiche Haut gleiten und wandere höher. Meine Lippen schnappen nach seinem Ohr, meine Zunge schnellt hervor und zeichnet jede Windung seiner Ohrmuschel nach, was ihm ein leises Keuchen entlockt. Ich muss schmunzeln. Es ist ungewohnt, die Zügel selbst in der Hand zu haben. Seine Hände legen sich vorsichtig auf meine Taille und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie er seine Augen schließt, als er meine Haut unter seinen Fingern fühlt. Meine Finger gehen unterdessen auf Wanderschaft, schleichen sich unter sein Shirt und streicheln dort die bereits jetzt erhitzte Haut. Sein Atem geht schwer und als ich mich aufrichte und sein Shirt nach oben schiebe, hebt er widerstandslos die Arme, damit ich es ihm ausziehen kann. Während meine Zähne und meine Zunge sich erneut an seinem Hals zu schaffen machen, gleiten meine Finger tiefer, bis zu seinem Hosenbund. Mal sehen, ob er nicht doch noch einen Rückzieher macht… Ich greife mit meiner Hand zielstrebig in seinen Schritt, bemerke nur ein wenig überrascht, dass er bereits hart ist und höre mit Genugtuung ein überraschtes Aufstöhnen. Seine Stimme klingt tatsächlich wie Musik in meinen Ohren und ich nehme mir vor, ihm noch viel mehr dieser Geräusche zu entlocken. Als ich einen Arm um ihn lege, merke ich, dass sein Körper unter meinen Berührungen bebt. »Ich glaube, du stehst wirklich auf Männer«, hauche ich ihm ins Ohr und knabbere ein wenig an seinem Ohrläppchen, während meine Hand seine Hose öffnet und hineingleitet. Er stöhnt erneut auf, als ich seine Erektion über dem Stoff seiner Boxershorts umfasse und sie ein wenig massiere. »D…das…hab ich…befürchtet«, krächzt er zittrig und drückt sich der Hand entgegen, offensichtlich alle Angst über Bord werfend. Meine zweite Hand schiebt sich ebenfalls nach unten zu seiner Hose, gleitet unter den Saum der Shorts und zieht Jeans und Shorts mit einem Ruck hinunter. Er keucht erschrocken auf, ich grinse nur. Insgeheim frage ich mich, wie dieser kleine Unschuldsengel Sex mit Frauen hatte haben können. Immerhin sind wir jetzt beide (ich bis auf die Shorts) ausgezogen. Ich drücke meinen Unterleib ungeniert gegen seinen Schritt und er keucht ein weiteres Mal leise auf. Seine Arme haben sich mittlerweile um meinen Oberkörper geschlungen und es wirkt ein wenig so, als würde er versuchen, irgendwo Halt zu finden. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich muss es dem Grünschnabel so angenehm wie möglich machen. Das ist zwar nicht die erste Entjungferung meines Lebens, aber immerhin die erste Entjungferung bei einem Jungen, der mich nebenbei auch noch dafür bezahlt. Also ermahne ich mich, zärtlich zu sein. Zumindest so gut, wie es eben geht, denn in übermäßigen Zärtlichkeiten war ich noch nie sonderlich gut. Meine Hände streicheln über seinen Rücken, hinunter zu seinem Hintern. Ich stelle im Stillen für mich fest, dass sich sein Hintern ziemlich gut anfühlt und es sicher eine Freude sein wird, ihn zu entjungfern. Er gibt ein leises Wimmern von sich, während meine Finger fordernd über seine festen Pobacken streichen und ich muss mir ein Glucksen verkneifen. Mit 18 noch so unverbraucht, das ist wahrhaft ungewöhnlich. Ich merke, dass er meine Lippen sucht. Zwar nicht überdeutlich, aber ich glaube, er erwartet, dass ich ihn küsse. Aber küssen während eines Jobs gibt es bei mir nicht. Da muss ich den Grünschnabel wohl enttäuschen. Ich löse mich von ihm, nehme sein Handgelenk und ziehe ihn in mein angrenzendes Schlafzimmer, wo ich ihn ohne Federlesen aufs Bett schubse und einen Moment lang zusehe, wie er mich verlegen und erwartungsvoll zugleich anschaut. Ich kann mir ein weiteres Schmunzeln nicht verkneifen, als ich nun auch noch meine Shorts ausziehe und vollkommen nackt vor ihm stehe. Seine Augen flackern hinunter zu meinem Schritt und ich sehe, wie sie sich ein wenig weiten. Beinahe hätte ich gelacht. Ich knie mich aufs Bett, sehe zu ihm hinunter und grinse, beuge mich vor und beginne, seine Brust mit Küssen zu bedecken. Allerdings habe ich keine Lust, mich damit allzu lange aufzuhalten, also umschließe ich seine linke Brustwarze mit meinen Lippen und sauge fest daran, was ihn leise aufstöhnen lässt. Während meine Zähne und meine Zunge sich ausgiebig mit seinen Knospen beschäftigten, wanderte eine meiner Hände wieder hinunter zu seinem Schritt. Sein Stöhnen erfüllt meine Ohren und ich kann nicht umhin, die ganze Zeit zu grinsen. Tatsächlich habe ich das erste Mal Spaß an einem Job. Ich beschließe, dem Jungen mit seinem Schwanz Einlass in meinen Mund zu gewähren und beknabbere genussvoll seinen Beckenknochen, während meine Finger ununterbrochen über seine Erregung streicheln. Bei diesem Beschluss habe ich allerdings nicht mit der schlechten Kondition des Grünschnabels gerechnet. »Spike…ich…«, stammelt er hastig, aber der Rest seines Satzes verliert sich in einem Stöhnen, als er sich über meine Finger und seinen Bauch ergießt. Ich muss gestehen, dass ich überrascht bin. So ein rasches Ende unseres Techtelmechtels habe ich nicht erwartet und ich richte mich auf und sehe hoch in sein Gesicht. Er hat es in den Händen verborgen und die Fleckchen Haut, die ich von seinem Gesicht sehen kann, sind schon wieder dunkelrot. »Tut mir Leid«, wimmert er und scheint vollkommen fertig mit sich und der Welt zu sein. Ich muss einen Augenblick überlegen, was nun zu tun ist. So unverrichteter Dinge kann ich das Ganze doch nicht abbrechen. »Kein Ding«, sage ich also lässig, hebe meine Hand zum Mund und beginne gedankenverloren, meine Finger sauber zu lecken. Erst als ich fertig bin, merke ich, dass er mich mit riesigen blauen Augen anstarrt. Ich hebe beide Brauen. »Was denn?«, frage ich verständnislos und als er hinunter in seinen Schritt blickt, sehe ich, dass es ihn offenbar extrem angemacht haben muss, denn sein Freund steht schon wieder wie eine Eins. Ich muss erneut grinsen. »Du solltest dir öfter mal einen runterholen. Das trainiert«, scherze ich. Er wird noch röter und vergräbt sein Gesicht im Kissen. Da tut es mir schon wieder Leid, das gesagt zu haben. Ich grummele lautlos, beuge mich über ihn und lecke ihm leicht über den Nacken. Ein Keuchen sagt mir, dass ich da wohl eine erogene Zone gefunden habe. Ich beschäftige mich noch ein wenig mit meinem Fund, ehe ich sein Gesicht zu mir herum drehe. Ich hebe meine Hand und halte ihm zwei Finger vor den Mund. »Mund auf«, sage ich und er blinzelt ein wenig verwirrt, tut dann aber wie geheißen und nimmt meine Finger in den Mund. »Du wolltest doch Sex, oder?«, frage ich gurrend und lecke sein Schlüsselbein entlang, während er brav an meinen Fingern saugt und leckt. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er nickt. »Dann bekommst du jetzt auch welchen«, flüstere ich ihm ins Ohr und er zieht seinen Mund von meinen Fingern zurück und sieht mich aus großen Augen an. »Aber…ich bin doch grade erst…«, fängt er an und wird schon wieder rot. Jetzt muss ich wirklich lachen. Mir liegt eine Erwiderung auf den Lippen, ob er wirklich 18 sei, aber ich schiebe es beiseite und grinse ihn nur breit an. »Wenn ich das wollen würde, dann könntest du heute Abend auch noch zehn Mal kommen«, erkläre ich ihm und kann es nicht lassen, zweideutig mit meinen Augenbrauen zu wippen, während meine angefeuchteten Finger hinunter in seinen Schoß wandern. Ich drücke seine Beine auseinander und krabbele dazwischen. Er beobachtet mich ganz genau, als würde er alles, was ich mache aufsaugen wie ein trockener Schwamm. Als ich mit einem Finger spielerisch über den kleinen festen Muskelring streiche, keucht er erschrocken auf und krallt sich ins Laken unter ihm. Allerdings sagt er keinen Mucks und ich nehme das als stille Aufforderung, weiter zu machen. Also mache ich weiter und schiebe den angefeuchteten Finger gegen allen Widerstand in ihn. Er kneift die Augen einen Augenblick zusammen und ich sehe, dass seine Fingerknöchel weiß hervor treten, doch ich weiß, dass der Schmerz relativ schnell vergeht, wenn man es richtig macht. Nicht, dass es bei mir schon viele ‚richtig’ gemacht hätten…aber hier geht es ja nicht um mich. Ich suche nach einem Punkt, von dem ich weiß, dass er da ist. Auch wenn bei mir kaum jemals einer getroffen hat. Als er laut aufstöhnt, den Rücken durchbiegt und schwerer zu atmen beginnt, weiß ich, dass ich den Punkt gefunden habe. »Wa…was war das«, krächzt er nach Luft schnappend und drängt sich – wohl unbewusst – dem Finger entgegen, den ich nun immer wieder gegen den Punkt drücke. »Deine Fahrtkarte zum nächsten Höhepunkt«, gebe ich trocken zurück. Wieso muss der Junge auch ständig sprechen? Vermutlich Nervosität. Und Aufregung. Vielleicht auch ein wenig Angst. Ich greife mit einer freien Hand in meine Nachttischschublade, ziehe ein Kondom hervor und reiße es vorsichtig mit den Zähnen auf. Schließlich schiebe ich den zweiten Finger in ihn und dehne ihn so gut es geht und so lange, bis meine Geduld nicht mehr mitmacht. Mein Schwanz will auch Aufmerksamkeit und das ganze Gestöhne von dem Kleinen, der sich da auf meinem Bett windet, lässt mich auch nicht gerade kalt. Also beuge ich mich über ihn, beknabbere noch einmal seinen Hals und greife mit einer Hand zwischen uns, um seine Erektion zu massieren und ihn damit abzulenken. Mit der Anderen rolle ich mir das Gummi über. Ich bin etwas ungeduldig, bemühe mich aber – entgegen aller Erwartungen an mich selbst – vorsichtig zu sein. Und keuche auf, als ich endlich die heiße Enge um mich spüre. Stück für Stück dringe ich weiter vor, bis ich schließlich ganz in ihm bin. Er wimmert schon wieder. Ich wollte ihm ja nicht wehtun, aber ein wenig Schmerz gehört dazu. Trotz meiner einer eigenen Erregung und Ungeduld, verharre ich still in dem Kleineren, damit er sich ein wenig daran gewöhnen kann. Mein Atem geht nun auch schwerer, denn diese Hitze und die Enge, die mich umschließt, schalten mein Gehirn beinahe vollkommen aus und ich habe das dringende Bedürfnis, mich tief in den schlanken Körper unter mir zu versenken. Um Jason ein wenig vom Schmerz abzulenken, massiere ich nachdrücklich seine immer noch harte Erregung und er atmet zittrig, stöhnt immer wieder auf und windet sich unter meinen Bewegungen. Ich beuge mich vor, drehe sein Gesicht zu mir herum und sehe ihn an. Seine Augen sind glasig und reichlich verschleiert. »Soll ich?«, hauche ich ihm gegen die Lippen und spüre, dass es mich all meine Selbstbeherrschung kostet, nicht sofort fest zuzustoßen. Er schluckt schwer, hebt dann zu meiner Überraschung beide Arme und schlingt sie um meinen Nacken. »Ja…«, flüstert er kaum hörbar und hält mich fest. Ich muss ungewollt lächeln. Ich ziehe mein Becken zurück und schiebe mich wieder in ihn, so gut es in dieser Position eben geht. Meine Ellbogen stützen sich neben seinem Kopf aufs Laken und sein Stöhnen ist so nah an meinem Ohr, dass es mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt. Immer wieder stoße ich langsam aber zielstrebig zu. Solchen Sex hatte ich noch nie. Aber in diesem Moment stört es mich überhaupt nicht. Immer wieder keucht, stöhnt und flüstert er meinen Namen, krallt seine Finger fest in meinen Rücken und drängt sich meinen Stößen entgegen. Ich schmiege meinen Körper noch etwas näher an seinen, so dass seine Erektion zwischen uns immer wieder Reibung erfährt, was ihm noch lautere Töne des Wohlgefallens entlockt. Ich fühle nur noch Hitze in mir und höre seine Stimme, spüre, wie er sich mir entgegen bewegt und mich noch näher zu sich ziehen will. Als könne er nicht genug von meiner Körperwärme – und Nähe haben. »Spike…«, keucht er schließlich und berührt mit seinen Lippen leicht mein Ohr, »ich…kann nicht mehr…lang.« Das macht nichts. Ich kann auch kaum noch. Seine Unschuld und sein Begehren machen mich wahnsinnig an und die Art, wie er meinen Namen sagt, brennt sich in mein Gehirn und ich weiß nicht, ob ich ihn so schnell vergessen werde. »Komm…einfach«, keuche ich und stoße die nächsten Male ein wenig fester zu, um ihn über die Klippe zu treiben und er stöhnt auf, lauter als vorher und als sich jeder Muskel in ihm anspannt und er mich fest einkerkert, entkommt ihm ein leiser Schrei. Ich stoße noch wenige Male in die berauschende Enge unter mir, ehe sich all das Kribbeln und Ziehen in meinem Unterleib entlädt und ich ebenfalls komme. Schwer atmend sinke ich auf den Kleinen hinunter und schnappe kurze Zeit nach Luft, ehe ich mich langsam aus ihm zurück ziehe und mir das Kondom wieder abstreife. Ich habe eigentlich keine Lust, jetzt aufzustehen, denn mein Körper fühlt sich angenehm schwer an. Aber dennoch durchquere ich kurz das kleine Zimmer, werfe das benutzte Gummi in den Papierkorb und gehe zurück zum Bett. Er hat die Augen geschlossen und den Mund geöffnet. Immer noch hebt und senkt sich sein Brustkorb heftig und als er spürt, wie ich mich neben ihn lege, öffnet er die Lider flatternd und sieht mich leicht verschwommen an. »Ich bin wirklich schwul«, verkündet er mir matt lächelnd und ich muss lachen. »Vielleicht bin ich es auch ein wenig«, meine ich schmunzelnd und er blinzelt verwirrt. »Ein wenig?«, fragt er und dreht sich auf die Seite, damit er mich besser ansehen kann. »Ich stehe eigentlich nicht auf Männer«, meine ich und strecke mich kurz. »Wieso schläfst du dann mit ihnen?« »Das hatten wir doch schon. Ich brauch Geld für mein Studium…« »Also ich könnte nicht mit Frauen schlafen, selbst wenn ich Geld bräuchte. Mein Körper wollte das einfach immer nicht«, meint er nachdenklich und ich kann mir in etwa vorstellen, wie dieses Nicht- Wollen seines Körpers ausgesehen haben muss. Er schaut an meine Decke und scheint über irgendetwas nachzudenken. Dann seufzte er tonnenschwer. »Was ist?«, frage ich ihn. »Jetzt wo ich weiß, wie das ist, will ich’s sicher immer wieder«, meint er und ich wundere mich ein wenig über seinen Mut. Und das, obwohl er vorhin noch bei jeder Gelegenheit rot angelaufen ist. »Dann geh in eine Homobar und such dir einen, der dir gefällt«, gebe ich zurück und kann mir im selben Moment kaum vorstellen, dass er das tun würde. Jason kann es sich offenbar auch nicht vorstellen. Er dreht den Kopf und sieht mich ein wenig kläglich an. »Du gefällst mir«, sagt er dann leise und ich blinzele erstaunt. Hab ich mich gerade verhört? »Aber ich bin ein Stricher«, meine ich. Und in diesem Moment ärgert mich das irgendwie. Er seufzt schon wieder und dreht den Kopf wieder weg. »Ja…leider…« Er rollt sich ein wenig auf meinem Bett ein und schließt die Augen. Mir kommt nur einen winzigen Moment der Gedanke, ihn vor die Tür zu setzen. Eigentlich schlafe ich nachts immer allein. Auch die Frauen, die ich mir auf Partys aufreiße, müssen nach unserem Schäferstündchen wieder gehen. Aber so schließe ich einfach selbst die Augen und es dauert nicht lange, bis ich eingeschlafen bin. Als ich morgens langsam aus dem Dämmerschlaf erwache, fühle ich etwas Warmes neben mir. Ein paar Locken kitzeln mich an meinem Hals und ich öffne blinzelnd die Augen. Jason liegt noch schlafend neben mir. Sein Kopf ruht halb auf meiner Schulter und halb auf meiner Brust. Seine schlanke Hand liegt auf meinem nackten Bauch und er hat den Mund leicht geöffnet. Ich betrachte ihn ein wenig und stelle fest, dass ich ihn für einen Jungen eigentlich ziemlich hübsch finde. Vor allem mag ich seine Sommersprossen und die langen Wimpern. Ich versuche, möglichst unauffällig aufzustehen, damit er nicht aufwacht. Ich habe nämlich das dringende Bedürfnis, zu duschen. Aber er schlägt die Augen auf und setzt sich so hastig auf, als wäre er von einer Tarantel gestochen worden. Er sieht sich um, als müsste er nachdenken, wo genau er eigentlich war. Dann sieht er mich und das scheint ihn irgendwie zu beruhigen. Er schafft ein verschlafenes Lächeln und fährt sich durch die in alle Himmelsrichtungen stehenden Locken. »Morgen«, murmelt er und verzieht im nächsten Moment das Gesicht. Da tut wohl Jemandem das Hinterteil weh. Ich grinse. »Immer noch so scharf auf Sex mit Männern?«, erkundige ich mich und sehe zu, wie seine Wangen sich rot färben. »Ja…eigentlich schon«, meint er verlegen und krabbelt vom Bett. Dass er nackt ist, fällt ihm jetzt erst auf, denn er wird noch röter dreht mir den Rücken zu. So kann ich wenigstens seinen Hintern mal bei Licht betrachten. Und ich finde ihn bei Licht sogar noch heißer als bei Nacht. »Willst du duschen gehen?«, frage ich ihn, während ich ihn weiter betrachte. »Das wäre schön…ja«, gibt er leise zurück und wirft mir über die Schulter einen Blick zu. Ich grinse ihn breit an. »Allein?«, erkundige ich mich und sein Gesicht nimmt eine noch dunklere Rotschattierung an. »W…wie…?«, fragt er und ich gehe hinüber zu ihm. Irgendwie kann ich dieser Unschuldsmanier nicht widerstehen. »Ich habe gefragt, ob du allein duschen willst, oder ob ich mitkommen soll?!«, wiederhole ich schnurrend und schnappe nach seinem Ohr, ehe ich beginne leicht daran zu knabbern. Seine Augenlider schließen sich auf Halbmast und er lässt seinen Kopf gegen meine Schulter sinken. Ich kann meine Finger nicht von seiner nackten Haut lassen, streiche über seinen Bauch und seine Seiten hinauf. Er seufzt leise auf und schließt die Augen ganz, drückt seinen Hintern – wohl unbewusst – gegen meinen Körper und lehnt sich mit dem Oberkörper gegen meinen. »Aber…wie ist das…mit dem Geld…«, haucht er ziemlich hingerissen und ich bemerke, dass ich keine Sekunde ans Geld gedacht habe. Ich habe einfach nur schon wieder Lust, Sex mit ihm zu haben. »Sagen wir, das ist eine Gratis-Zugabe, als Geburtstagsgeschenk«, nuschele ich und er lächelt kaum merklich, während ich mich mit meinen Zähnen und meiner Zunge an seinem Hals zu schaffen mache. »Ok…dann lass uns zusammen duschen gehen«, murmelt er verlegen und sieht hoch zu mir. Ich lächele. * Zwei Wochen später habe ich ihn immer noch nicht vergessen. Ganz im Gegenteil. Er hat sich mit seinen Sommersprossen, den großen blauen Augen und seiner Stimme in mein Gehirn eingebrannt und scheint nicht mehr verschwinden zu wollen. Ich kann auch nicht mehr malen. Also, nichts Anständiges mehr. Ich male ständig ihn. Seine braunen Locken, seine sahnig helle Haut. Ich komme mir ein wenig bescheuert dabei vor, ein wenig wie ein Psychopath aus einem schlechten Thriller. Meine Jobs gehen weiter, der Eine leicht, der Andere kaum machbar. Ständig habe ich sein Bild vor Augen, wenn ich mit einem anderen Mann schlafe. Schließlich gehe ich nur noch selten zu der altbekannten Straße. Und dann eine ganze Woche gar nicht mehr. Ich habe mittlerweile eine ganze Menge Geld verdient. Und ich habe aufgehört zu rauchen. Was für ein Wunder. Aber irgendwie fiel es mir gar nicht allzu schwer, da ich so viel Zeit in mein Hobby vertieft war. Dass ich nun nicht mehr rauche, schlägt sich auch ziemlich auf meine Finanzen aus. Ich denke, wenn ich im Supermarkt noch ein paar Wochen Überstunden schiebe, oder mir einen zweiten Aushilfsjob suche, dann habe ich vermutlich bald genug Geld für mein Studium. Ich habe schon angefangen, eine Bewerbungsmappe zusammen zu stellen. Darin sind auch ein paar Bilder von Jason. Einfach, weil sie mir so gut gelungen sind. Die bemalten Leinwände, die sein Gesicht oder seine nackte Rückansicht zeigen und in meinem Wohnzimmer herumstehen, helfen mir nicht wirklich dabei, ihn zu vergessen. Ich brüte gerade über einer Liste, die die anstehenden Kosten fürs Studium überschlägt, als es an meiner Tür klingelt. Ich stehe auf und gehe zur Wohnungstür, drücke auf den Summer und warte ziemlich gespannt darauf, wer das wohl sein konnte. Als ein brauner Lockenkopf auf dem Treppenabsatz erscheint, blinzele ich erstaunt. Jason sieht nicht anders aus, als letztes Mal. Er lächelt unsicher und bleibt vor mir stehen, kratzt sich verlegen am Hinterkopf und ist schon wieder ganz rot im Gesicht. Erst jetzt wird mir klar, dass ich ihn unfassbarer Weise vermisst habe. Dabei kenne ich ihn nicht mal. »Hallo«, sagt er leise. »Hi«, gebe ich immer noch vollkommen perplex zurück und trete zur Seite, damit er eintreten kann. Er kommt zögernd herein, sieht sich um und entdeckt dann die Leinwände. Er starrt sie – oder besser sich – eine geschlagene Minute fassungslos an, dann sieht er hoch in mein Gesicht. »Bin ich das?«, fragt er. Ich muss lächeln. »Sieht man das nicht?«, erkundige ich mich. Zugegeben, ich hatte nicht damit gerechnet, dass er die Bilder jemals zu Gesicht bekommt. Aber jetzt hat er sie nun einmal gesehen. Und es würde keinen Sinn machen, so zu tun, als wäre es Jemand anders. »Doch schon…aber…wieso hast du mich gemalt?«, will er wissen. Ich zucke mit den Schultern und zeige zum Sofa hinüber. Er setzt sich und starrt immer noch auf die Leinwände. »Also…wieso…«, fängt er wieder an. »Ich male immer, was mir so im Kopf herumgeht“«, gebe ich wahrheitsgemäß zurück. Er wird wieder so entzückend dunkelrot und starrt mich an. Dann kramt er in seinen Hosentaschen. Ein wahrer Geldregen raschelt hinunter aufs Sofa. Er hat seine Hände um die Knie gekrallt und starrt auf meinen Fußboden. »Ich war jobben«, murmelt er verlegen. »Was?«, frage ich verständnislos und starre das Geld an. Bis mir dämmert, was er damit will. »Ich war jobben. Damit ich dich wieder sehen kann.« Das ist nun definitiv die dunkelste Rotschattierung, die ich bisher bei ihm gesehen habe. Er weiß natürlich nicht, dass ich nicht mehr auf dem Strich war. Zumindest nur noch halbherzig. Seit ich mit ihm geschlafen habe. Ich öffne gerade den Mund, um ihm das zu erzählen, als er mich trotzig ansieht. »Und ich möchte dieses Mal auch einen Kuss von dir!«, sagt er, offenbar fest entschlossen. Ich lache leise. »Ich küsse nicht bei einem Job«, sage ich schmunzelnd. Er lässt den Kopf hängen. Ich hebe meine Hand und lege sie ihm unters Kinn. Er sieht mich wieder an und blinzelt. »Und warum wolltest du mich wieder sehen?«, erkundige ich mich beiläufig, während ich seinem Gesicht langsam aber sicher näher komme. »W…weil…du mir gefällst…und…sonst Niemand…«, stammelt er krächzend. »Was für ein Zufall…«, nuschele ich und lege meine Lippen auf seine. Er seufzt auf und lehnt sich sofort an mich. Mein Herz macht einen überdimensionalen Sprung, als ich seine weichen Lippen fühle. Mir wird ungewohnt warm und ich ziehe mich wieder von ihm zurück, um ihn anzusehen. »Ich dachte, du küsst nicht bei einem Job«, haucht er und sieht mich aus verschleierten Augen an. Ich muss lächeln. »Du bist kein Job. Steck das Geld wieder ein«, gebe ich zurück. »Aber…« »Ich wollte dich auch wieder sehen, du Grünschnabel. Und jetzt halt den Mund!« Und dann küsse ich ihn noch mal, damit er auch ja nicht auf die Idee kommt, wieder nachzufragen. Kapitel 3: Message in a box --------------------------- »…hätte gern die Pizza Milano mit extra vielen Peperoni«, erkläre ich dem Mann am anderen Ende der Leitung. Wie fast jeden Tag bestelle ich Pizza. Pizza ist mein Hauptnahrungsmittel. Ich kann überhaupt nicht kochen und wenn ich abends von der Arbeit nach Hause komme, dann habe ich meist auch keine Lust mehr, selbst irgendetwas in den Ofen zu schieben. Daher bin ich Stammkunde bei dem örtlichen Pizzalieferanten ‚Little Pizzaland’. Ganz davon abgesehen, dass der Name total bescheuert ist, schmecken die Pizzen von dort am besten und ich muss es wissen, denn ich habe mittlerweile alle Bringdienste von oben bis unten durchprobiert. Man könnte meinen, ein 29-jähriger, lediger, allein wohnender Mann sei in der Lage dazu, für sich selbst zu sorgen. Immer, wenn meine Freunde mir vor Augen halten, dass ich wirklich lernen sollte, wie man kocht, kann ich nur seufzend den Kopf schütteln. Es ist ja nicht so, dass ich es nicht schon einmal versucht hätte. Aber spätestens wenn ich mich an die Pfannkuchen erinnere, die ich vor vier Monaten fabriziert habe, schiebe ich den Gedanken auf einen weiteren Versuch sehr schnell beiseite. Ich arbeite als Service-Techniker in einer ziemlich großen Werkstatt. Ich verdiene mir damit eine goldene Nase, denn ich bin nicht nur Servicetechniker in diesem Schuppen, sondern auch noch der beste Geselle, den sie haben. Und ich werde nächstes Jahr meine Meisterschulung machen. Aber mein Job ist eher langweilig und ich sollte in meiner Freizeit nicht allzu viel darüber nachdenken. Also kommen wir zurück zu meinem Lieblingsessen: Pizza. Das Einzige, was ich auf Pizzen nicht leiden kann, sind Meeresfrüchte. Gegen Thunfisch habe ich nichts, aber sobald es um Muscheln oder sonstiges Gekröse aus dem Wasser geht, muss ich passen. Oder besser gesagt kotzen. Ich bin nämlich allergisch darauf. Während ich dem Heini am Telefon meine Telefonnummer und meine Adresse gebe, wandern meine Gedanken zu einem anderen Grund, wieso ich immer wieder gerne Pizza bei dem bereits genannten Bringdienst bestelle. Ich bin nämlich nicht nur Service-Techniker und Pizza-Fetischist, sondern auch noch schwul. Und der Traum meiner schlaflosen Nächte bringt mir fast jedes Mal die Pizza, außer am Wochenende. Sein Name ist Markus und er ist vermutlich um ein Vielfaches jünger als ich. Ich schätze ihn auf Anfang zwanzig, er könnte aber genauso gut erst 18 sein. Die Hauptsache ist, dass er nicht minderjährig ist, denn dann könnte ich ihn mir abschminken. Ich werde immerhin bald 30 und somit stehe ich mit einem Bein praktisch im Grab. Alle meine Kumpels sind bereits 30 und sie meinen, so schlimm sei es gar nicht. Aber es ist nun einmal so, dass ich fast 30 bin und immer noch Niemanden gefunden habe, den ich gerne ‚behalten’ würde. Die Kerle kommen und gehen und die meisten gehen mir nach zwei Mal ausgehen so sehr auf den Keks, dass ich sie nie wieder sehen will. Jetzt mag sich manch einer fragen, wieso ich es dann auf den Pizzalieferanten abgesehen habe, den ich erstens nicht kenne und der zweitens ohnehin nichts von mir will. Diese Frage kann ich auch nicht beantworten. Es ist die Art, wie er grinst, wenn ich ihm Trinkgeld gebe und die Art, wie er sich die Haare aus dem Gesicht pustet, ehe er die Pizza aus seinem Styropor- Karton holt. Jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, bekomme ich so was Ähnliches wie weiche Knie und ich bekomme eindeutig einen sehr trockenen Mund. Ganz zu schweigen von den Hüpfern, die mein Herz dann immer macht. Man könnte meinen, ich sei zu alt für so was. Das dachte ich eigentlich auch, aber offenbar ist man nie zu alt für so etwas. Während ich in meiner Lederjacke nach meinem Portemonnaie krame, kommt mir der Gedanke, dass ich ihn einfach mal nach einem Treffen fragen könnte. Allerdings ist das vollkommen absurd, denn immerhin ist er nicht schwul. Zumindest nicht offensichtlich. Eigentlich habe ich ein Auge für so etwas, aber bei Markus kann ich es nicht sagen. Er trägt ausgewaschene Jeans und meist ein schwarzes T-Shirt mit dem roten Aufdruck ‚Little-Pizzaland’ darauf. Das passt ganz hervorragend zu seinen ebenfalls schwarzen Haaren, die ihm immer widerspenstig ins Gesicht hängen. Ich mag seine mehrfach gepiercten Ohren, sein breites Grinsen, das ungewöhnliche weiße Zähne entblößt und seine immerzu amüsiert funkelnden, braunen Augen. Eigentlich mag ich alles an ihm, zumindest was das angeht, was ich bisher von ihm kenne. Und das beschränkt sich hauptsächlich auf Äußerlichkeiten. Einmal hat er allerdings der alten Frau Brinkmann aus dem zweiten Stock die Treppe hinunter geholfen. Ich war so fasziniert, dass ich ihn die ganze Zeit anstarren musste. Als er das gemerkt hat, hat er mir die Zunge rausgestreckt und dabei sein Zungenpiercing offenbart. Ich bin zu alt für solche Jugendlichen Dinge. Und immer, wenn ich so was denke, komme ich mir noch älter vor. Es klingelt an der Tür und ich werfe einen raschen Blick in den Spiegel neben der Garderobe. Mein braunes Haar sieht ein wenig so aus, als wäre ich gerade erst aufgestanden. Und ich hätte mich eigentlich heute Morgen rasieren sollen, da mein Dreitagebart sich mittlerweile in einen Fünftagebart verwandelt. Kommt es mir nur so vor, oder sehe ich ausgesprochen müde aus? Meine grün-grauen Augen blicken ziemlich schläfrig drein. Ich öffne die Tür und drücke auf den Summer. Da ich direkt im Erdgeschoss wohne, sehe ich ihn immer schon, wenn er unten die Tür öffnet. Und als er sie öffnet, muss ich unwillkürlich schmunzeln. Er sieht mal wieder reichlich zerzaust aus, wie er da mit der schwarzen Box in den Händen und mit großen Schritten die Treppe hinauf kommt. Er grinst mich breit an. »Guten Tag«, sagt er und öffnet seine Box. Ich betrachte ihn möglichst unauffällig. »Haben Sie eigentlich einen defekten Backofen oder können Sie einfach nicht kochen?“, fragt er beiläufig und ich frage mich meinerseits, ob er sich so etwas auch bei anderen Kunden traut. Oder nur bei mir? Ich muss glucksen. »Ich kann nicht kochen und selbst wenn ich es könnte, wäre ich zu faul dafür«, gebe ich also wahrheitsgemäß zurück und er lacht leise, was mir einen kleinen Schauer über den Rücken jagt. »Ich finde kochen cool. Pizza kann ich wegen dem Job nicht mehr sehen«, informiert er mich, drückt mir den Pizzakarton in die Hand und schaut auf der Bestellung nach. »6,70 macht das«, sagt er und ich nicke. Ich kann beinahe alle Preise auswendig. Also drücke ich ihm einen Zehner in die Hand. »Mach 8 draus«, sage ich leichthin und betrachte seine schlanken Finger, die die Box festhalten. Seine Mundwinkel zucken, als er sein großes, schwarzes Portemonnaie hervorkramt und mir dann ein Zwei-Euro-Stück in die Hand drückt. Dabei berühren sich unsere Finger. Muss an der warmen Pizza liegen, dass mir so heiß ist. »Vielen Dank, Herr Kiesler«, sagt er übertrieben höflich, zwinkert mir zu und dreht sich dann um, um zu gehen. »Oh und…guten Appetit«, fügt er hinzu und ist dann auch schon wieder aus dem Haus verschwunden. Ich starre die Tür an. Das mache ich jedes Mal, wenn er daraus verschwunden ist. Da war er, Markus. Und er war wie jedes Mal. Spritzig, schelmisch, irgendwie unglaublich charmant und viel zu gut aussehend für meinen Geschmack. Ich schließe die Tür hinter mir, nachdem ich mich wieder gefangen habe und gehe mit meiner Pizza ins Wohnzimmer. Der Fernseher läuft schon, ich lasse mich auf dem Boden vor meinem Couchtisch nieder und klappe den Deckel auf. Ein wenig verwirrt starre ich die Innenseite des Deckels an. Da klebt eindeutig ein hellblauer Post-it Zettel. Ich greife danach, falte ihn auseinander und erstarre. Mein Herz macht gleich mehrere Rückwärtssaltos und ich atme einige Male tief ein und aus. Da steht eindeutig eine Handynummer. Und darüber sein Name. Mit einem ummissverständlichen Doppelpunkt. Das ist derart merkwürdig, dass ich ewig lange auf diesen kleinen, hellblauen Zettel starren muss. Dann erst lasse ich ihn sinken. Da steht meine Pizza und eigentlich habe ich gerade überhaupt keinen Hunger mehr. Er gibt mir seine Nummer? Wie das? Ich bin unrasiert, ein langweiliger KFZ- Mechatroniker und bald werde ich sterben, weil ich fast 30 bin. Aber er findet mich interessant genug, um mir seine Nummer zu geben? Und er ist nicht stock- hetero. Sonst hätte er mir seine Nummer nicht gegeben. Oder ist das alles nur ein Jux? War diese Pizza vielleicht für eine hübsche, junge Blondine gedacht? Das ist mir alles unheimlich. Ich lege den Zettel beiseite und fange an, meine Pizza zu essen. Sie ist wie immer schon geviertelt. Ich seufze leise. Aufs Fernsehen kann ich mich nun wirklich nicht mehr konzentrieren, da meine Gedanken um Markus schwirren wie Motten um eine Straßenlaterne. Unglaublich. Eine Handynummer und ich führe mich auf, als wäre ich 16. Nicht zu fassen. Also was soll ich jetzt tun? Ihn gleich anrufen? Nein, das ist zu aufdringlich. Und es klingt, als hätte ich es verdammt nötig. Naja, irgendwie habe ich das ja auch, immerhin schmachte ich ihn schon mehrere Monate lang an. Oder ich schreibe ihm eine SMS. Er hat sicher ohnehin noch keinen Feierabend. Aber vielleicht sollte ich damit lieber noch ein wenig warten? Ich nehme noch ein Stück Pizza, während ich mir über diese bescheuerten Kleinigkeiten den Kopf zerbreche. Und was mache ich, wenn es tatsächlich der falsche Karton war? Dann kann ich ihm danach nie wieder in die Augen sehen. Eine vertrackte Situation. Aber ich will ihn unbedingt kennen lernen. Egal wie jung er ist. Naja… wenn er 16 Jahre alt ist, sollte ich das noch mal überdenken. Aber eigentlich sieht er mehr aus wie 19. Oder irre ich mich? Ja, ich mache mich gerade vollkommen verrückt. Ein Viertel meiner Pizza bleibt übrig, weil mir vom ganzen Nachdenken ganz schlecht geworden ist. Ich brauche erstmal einen Schnaps. Zur Verdauung und zur Beruhigung. Ich trinke vorsichtshalber zwei Schnäpse, nur um sicher zu gehen. Dann krame ich nach meinem Handy. Das Ding ist so alt, das vielleicht ein Museum daran interessiert sein könnte, aber ich werd es wohl behalten, solange es funktioniert. Und für eine SMS an Markus reicht es allemal. Ich speichere also die Nummer in meinem Telefonbuch. Sollte ich vielleicht doch anrufen? Ich bin immerhin ein erwachsener Mann… Aber wenn er noch arbeitet… nein, ich sollte besser eine SMS schreiben. Aber was soll ich schreiben? Es dauert tatsächlich eine Viertelstunde, bis ich etwas getippt habe, was nicht allzu bescheuert klingt. Natürlich kann ich mich irren und Markus kugelt sich vor Lachen, wenn er die SMS bekommt. »Hey Markus. Ich hoffe, die Nummer war im richtigen Pizzakarton. Musst du noch lange arbeiten? Daniel« Ich versuche diese Zeilen aus dem Blickwinkel eines erwartungsvollen Zwanzigjährigen zu betrachten. Der Versuch scheitert kläglich. Schließlich wage ich den Sprung ins kalte Wasser und schicke die relativ nichts sagende SMS ab. Ich muss verrückt sein. Im nächsten Moment bereue ich es schon wieder und fahre mir mit der Hand übers Gesicht. Wahrscheinlich muss ich mir jetzt einen neuen Pizzaservice suchen, weil ich Markus nie wieder ansehen kann. Ich bringe den Rest Pizza in die Küche, werfe ihn in den Abfalleimer und stopfe den Teller und das Besteck in die Spülmaschine. Dann werfe ich den Karton zum Altpapier und setze mich zurück aufs Sofa, um mein Handy anzustarren. Eigentlich muss ich mal aufs Klo. Ich starre mein Handy ganze zwei Minuten an, bis ich mich selbst so peinlich finde, dass ich es kaum ertragen kann. Also stapfe ich ins Bad und erleichtere meine Blase. Gerade als ich mir die Hände wasche, höre ich aus dem Wohnzimmer ein durchdringendes Piepen. Mein Herz erstarrt einen Moment lang, dann fängt es doppelt so schnell zu schlagen an wie normalerweise. Ich haste ins Wohnzimmer, stoße mir mein Knie am Couchtisch und schnappe mir mein Handy. Tatsächlich…von Markus. Ich wage es kaum, die Nachricht zu öffnen… »Ich hatte nach deiner Pizza Feierabend. Und natürlich war das der richtige Karton. Hast du Samstag schon was vor?« Gleich werde ich an einem Herzinfarkt sterben. Hat er wirklich gerade gefragt, ob ich Samstag Zeit habe? Oh Gott… ja, ich benehme mich wie ein unreifer Teenager. Na und? Ich bin allein und keiner weiß davon. Meine Finger sind ein wenig fahrig, als ich die Antwort tippe. »Nein, habe ich nicht. Hast du etwa vor, deinen Samstag mit einem Pizza-Fetischisten zu verbringen?« Erst als ich es schon abgeschickt hatte, fiel mir auf, wie dämlich das war. Aber jetzt war es ohnehin schon zu spät. Ich kaue nervös auf meiner Unterlippe herum. Vielleicht bin ich einer Art verspäteten Pubertät? Ich sollte über solchen Dingen stehen, mich ganz lässig verhalten. Immerhin bin ich 29. Aber nein. Es geht einfach nicht. Egal, wie sehr ich mich bemühe, nicht auf das verdammte Handy zu starren, meine Augen kleben daran. Als es wieder piept fahre ich zusammen, als hätte eine Bombe direkt neben meinem Kopf eingeschlagen. Ich greife danach und öffne die neue Nachricht. »Sonst hätte ich sicher nicht gefragt, oder? Meinst du, du könntest es Samstagabend auch ohne Pizza aushalten und stattdessen mit mir chinesisch Essen gehen?« Er ist eindeutig jünger als ich. Also wieso benimmt er sich, als wäre er viermal so erfahren und mindestens zehnmall so reif wie ich? Ich möchte sterben. Dann lese ich die SMS noch mal und beschließe, dass ich das Sterben auf nach Samstag verschieben sollte, falls das Treffen ein absoluter Reinfall wird. Ich schlucke und kaue immer noch auf meiner Unterlippe herum. Bald hab ich sicher keine Unterlippe mehr, wenn das so weiter geht. »Ich würde gern mit dir essen gehen.« Mehr fällt mir nicht ein. Aber das ist die Wahrheit. Die ganze Wahrheit wäre natürlich, dass ich gerne noch ganz andere Dinge mit ihm tun würde, aber das kann ich schlecht schreiben. Ich behalte das für mich und vielleicht, wenn das Treffen gut läuft, dann kann ich das ja noch mal zur Sprache bringen. Also schicke ich die SMS so ab, wie sie ist. Die Antwort kommt diesmal sehr viel schneller. »Dann hol ich dich Samstag um sechs ab. Ich freu mich! Bis dann!« Mein Magen ist irgendetwas zwischen einen Bienenstock und einem Ameisenhaufen. Ich starre das Display meines uralten Handys an. Er freut sich. Ja… und wie ich mich erst freue. Ich lasse alle Nachrichten in meinem Eingang, damit ich sie später noch mal lesen kann, nur um sicher zu gehen, dass das wirklich passiert ist. Vielleicht hätte ich mein Abendessen doch noch nicht wegwerfen sollen. Jetzt habe ich nämlich plötzlich wieder Hunger. Auf meine Pizza. Kapitel 4: Catch your eye ------------------------- Für ❤ aus ehemals aktuellem Anlass. Musik Blue October - Sound of pulling Heaven down _______________ »Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen?«, schnauzte Alex ungehalten, während er mit säuerlicher Miene das Desaster auf seinem weißen Hemd betrachtete. Es war doch wirklich nicht zu fassen, da saß man nichts ahnend auf der – sehr großen – Wiese direkt vorm Schulgebäude und Jemand brachte es fertig, ihm einen Schwall Wasser übers Hemd zu kippen. Das Hemd war jetzt nicht nur nass, sondern auch eher transparent als weiß. Die umstehenden- und sitzenden Mädchen kicherten haltlos und starrten zu ihm herüber. Er fand das überhaupt nicht witzig und starrte sauer zu dem grinsenden Ursprung des Übels auf. Lukas. Natürlich. Wer würde ihm sonst den Schultag dermaßen vermiesen, wenn nicht dieser hirnrissige Vollidiot, der zu nichts zu gebrauchen war. Außer dazu, ihm auf den Keks zu gehen. »Ups«, sagte Lukas und kratzte sich am Hinterkopf. Seine blonden Haare fielen ihm wie immer wirr ins Gesicht und schimmerten in der Sonne ein wenig wie flüssiges Gold. Aber Alex lehnte generell alle schönen Vergleiche im Zusammenhang mit Lukas ab. Denn Lukas war ein Pausenclown, ein nervtötender Klugscheißer und er hatte ihn, Alex, zum fast täglichen Opfer seiner Späßchen auserkoren. »Hast du kein Leben? Freunde? Leuten, denen du auf den Sack gehen kannst?«, fauchte Alex ungehalten und versuchte mit einem Taschentuch das Malheur zu beseitigen, was ihm kläglich misslang. Die Mädchen kicherten noch penetranter. Seine beste Freundin Anna saß stumm neben ihm und starrte in eine andere Richtung. Doch Alex sah es ihren Mundwinkeln an, dass sie nah dran war, in Gelächter auszubrechen. »Bei Niemandem macht’s so viel Spaß, wie bei dir«, versicherte Lukas amüsiert und nahm den letzten Schluck aus seinem Becher mit Wasser, den er sich wohl gerade am Getränkeautomaten gekauft hatte. Alex funkelte ihn von unten herauf wütend an. Alle sahen zu ihnen herüber. Und im Gegensatz zu Lukas konnte Alex es nicht leiden, im Mittelpunkt zu stehen. Es reichte ihm schon, dass zahllose Mädchen – aus welchen Gründen auch immer – auf ihn abfuhren. Er hatte an keiner von ihnen Interesse, aber das schien Niemanden zu kümmern. »Na wunderbar«, knurrte er angesichts dieser wenig viel versprechenden Offenbarung und gab den Versuch mit dem Taschentuch auf. Er pfefferte es ungehalten ins Gras neben sich und wandte den Blick von Lukas ab. »Hast du Mathe gemacht?«, fragte Anna ihn beiläufig und ignorierte es geflissentlich, dass Lukas immer noch neben ihnen stand. Alex behielt ihn so gut es ging im Auge, ohne ihn direkt anzusehen, denn man wusste nie so genau, was dieser Verrückte als Nächstes plante. Man sollte kaum glauben, dass Lukas schon neunzehn war. Alex kam er manchmal eher wie zwölf vor. Wenn überhaupt. »Ja. Kannst abschreiben, wenn du magst«, gab er zurück und kramte in seiner Tasche nach dem Matheheft. »Darf ich auch abschreiben?«, fragte Lukas honigsüß. Alex funkelte ihn an, während er Anna das Heft hinhielt. »Nein! Und jetzt verzieh dich, du stehst mir in der Sonne!« Lukas lachte leise und wandte sich um, dann verschwand er in Richtung Gebäude und zu seinen wartenden Kumpels, die ihn mit einem Schulterklopfen begrüßten. Wahrscheinlich hatten sie sich die Szene angesehen und beglückwünschten Lukas nun dazu, dass er Alex ein weiteres Mal auf die Palme gebracht hatte. Während Anna Mathe von ihm abschrieb – was sie prinzipiell immer tat, dafür bekam er ihre Französisch- Hausaufgaben – suhlte er sich in finsteren Gedanken bezüglich Lukas. Er hatte keinen blassen Schimmer, wieso der Blondschopf es dermaßen auf ihn abgesehen hatte. Seit vier Monaten ging das nun schon so. Dabei wusste Alex, dass Lukas eigentlich sehr nett sein konnte. Wenn man denn mit ihm allein war. Aber so war es mit den meisten Jungs in seinem Alter. Vor allen Anderen mussten sie den Macker heraushängen lassen und privat waren sie nett und wohlmöglich sogar sensibel. Er strich sich mit der Hand durch seine dunkelbraunen Haare, die schon wieder fast bis zu seinem Kinn reichten. Allerdings hatte er keine Lust, sie sich schneiden zu lassen. »Fertig«, sagte Anna beschwingt und reichte ihm das Heft zurück. »Wie läuft es mit deinem unbekannten Mr. Perfect?«, erkundigte sie sich dann schmunzelnd und Alex brummte verlegen. Er hätte es ihr vielleicht doch nicht erzählen sollen. Eigentlich war es ja auch vollkommen lächerlich. Immerhin war er keine vierzehn mehr, sondern achtzehn und er sollte wissen, dass Internetbekanntschaften keine Basis für irgendetwas… Richtiges waren. Aber trotzdem schwärmte er. Das konnte er nicht leugnen. An manchen Tagen beeilte er sich extra mit dem Mittagessen und den Hausaufgaben, um sich vor den PC zu setzen und mit ‚Golden_Joker’ – wie er sich nannte – zu chatten. Er konnte sich eigentlich kaum noch daran erinnern, wie er den jungen Mann eigentlich aufgegabelt hatte, er wusste nur, dass sie seit etwa drei Monaten miteinander schrieben. Mittlerweile sogar über ICQ und nicht mehr lediglich in dem komischen Chatroom, in dem sie sich ‚gefunden’ hatte. »Da läuft natürlich gar nichts. Es ist ja nur eine Internetbekanntschaft«, sagte Alex ungnädig und warf Anna einen missmutigen Blick zu. Sein Hemd trocknete entnervend langsam. »Aber du hast immer dieses Funkeln in den Augen, wenn du von ihm redest. Wieso triffst du dich nicht mal mit ihm?«, erkundigte sie sich und stand auf, als es zum Ende der Pause klingelte. Alex ächzte leise, als er sich ebenfalls erhob und sich die langen Haare aus der Stirn strich. »Vielleicht ist es ein perverser Fünfzigjähriger, der auf kleine, achtzehnjährige Jungs steht«, gab Alex zu bedenken und folgte ihr in Richtung des Biologie- Trakts. Anna lachte leise. »Sag ihm eben, er soll eine rote Rose als Erkennungszeichen mitnehmen und wenn er uralt ist, dann siehst du es schon von Weitem«, scherzte sie. Alex brummte nur. Er reihte sich in die Schlange vorm Biologieraum ein hatte sein nasses Hemd fast schon wieder vergessen, wenn nicht Isabelle und Kira angesichts seines Aufzugs begeistert gekichert hätten. Unweigerlich warf er einen bösen Blick zu Lukas hinüber. Der grinste unschuldig und schaute in eine andere Richtung. Eigentlich könnten sie gute Freunde sein, dachte Alex ungnädig, während er sich auf seinem Platz ganz hinten niederließ und sein Buch auspackte. Denn er wusste, dass Lukas und er oft die gleichen Ansichten vertraten, vor allem im Religions- und Politikunterricht. Er war sogar ausgesprochen überrascht gewesen, als Lukas im Religionsunterricht erklärt hatte, dass er absolut nichts Anstößiges an homosexueller Liebe finden konnte. Die meisten Jungs in seinem Alter sahen das nämlich anders. Und deswegen wusste auch Niemand außer Anna, dass Alex schwul war. Und das wusste er schon seit zwei Jahren. Damals hatte er auf einer Party einen Jungen namens Benjamin geküsst und ein wenig mit ihm herumgemacht. Und seitdem hatte es mit den Mädchen nicht mehr geklappt. Und Alex hatte lange gebraucht, um es sich endlich einzugestehen. Auch heute hatte er manchmal noch ein Problem damit, weswegen er es auch niemals offen ausleben wollte. Zumindest jetzt noch nicht. Denn in der Schulzeit waren die meisten Jungs pubertär und nervtötend und er konnte es wirklich nicht gebrauchen, dass die Anderen aus seiner Jahrgangsstufe anfingen, ihn mit einem Knoblauchzopf abzuwehren… oder zumindest etwas in der Art. Allerdings war der Biologieunterricht wohl kaum der richtige Ort, um über so tiefgründige Dinge nachzudenken, denn ihre Lehrerin marschierte herein, die lange Nase wie immer leicht gerötet und die grauen Haare streng nach hinten gebunden. Alex registrierte jedes Mal, dass Frau Linder aussah wie eine alte Jungfer. »Seite 56«, begrüßte sie die Klasse in forschem Ton, als wären sie beim Militär und klatschte ihre Mappe auf das Lehrerpult, »Seidel, seien Sie so gut und lesen Sie den Abschnitt über Ektoparasiten vor!« Alex verdrehte zu Anna gewandt die Augen und schlug sein Buch auf. Er fand die Stelle und las sie herunter, ohne, dass sie irgendeinen Sinn in seinen Gedanken hinterlassen hätte. Wieso musste ihre Biologielehrerin sie immer beim Nachnamen nennen? Er konnte es nicht ausstehen. Wenn sie sauer auf ihn war, dann nannte sie ihn bei seinem vollen Namen. Alexander Seidel. Irgendwie mochte sie ihn wohl auf eine verquere Art und Weise und irgendwie mochte er sie eigentlich auch, denn sie verteilte gerechte Noten. Nur manchmal… da ging ihm ihre Art ziemlich auf den Wecker. Die Biologiestunde floss zäh dahin und er machte sich halbherzige Notizen zu Parasiten und ihren Wirten, während er sich verschwommen fragte, ob Lukas vielleicht eine Art sehr großer Ektoparasit war… Anna ging noch ein Stück mit ihm, als sie nach einer Doppelstunde Mathe endlich nach Hause gehen konnten. Alex warf unbewusst immer wieder Blicke auf seine Armbanduhr. Anna kicherte leise. »Was gibt’s zu kichern?«, fragte er verwirrt. Sie grinste ihn breit an, ihre roten Haare wehten ihr um den Kopf wie eine flackernde Kerzenflamme und ihr Lippenpiercing schimmerte ein wenig in der Sonne. »Du willst ja bloß so schnell wie möglich zu deinem Joker«, stichelte sie. Er spürte deutlich, wie seine Wangen sich leicht rot färbten. »Er hat gesagt, dass er ab drei da ist«, räumte Alex schließlich ein und fuhr sich durchs Haar. Er wusste, dass es lächerlich war. Aber es war irgendwie schön… mit jemand Anderen darüber zu reden. Über die Homosexualität. Mit Jemandem, der auch ein Kerl war. Ein schwuler Kerl. Zugegebener Maßen stellte Alex ihn sich immer gut aussehend vor. Mit einem breiten Grinsen und einem gewissen Funkeln in den Augen. Und vielleicht auch mit einem knackigen Hintern… »Triff dich mit ihm. Mehr als schief gehen kann es nicht«, sagte Anna, nun mit ernsterer Stimme und Alex spürte, dass sie ihn von der Seite musterte. »Du möchtest doch eigentlich gern Jemanden haben, mit dem du das… na ja, wie soll ich sagen… auch mal ein bisschen ausleben kannst, oder?« Alex sagte nichts dazu. Natürlich hatte sie vollkommen Recht. Aber es sich einzugestehen, hieß sich einzugestehen, dass er vielleicht ein wenig einsam war. Und dass er neugierig war. Auf alles, was nach dem Küssen kam, denn mehr hatte er mit einem Jungen bisher nicht wirklich getan. Na gut… er und Benjamin hatten ein wenig gefummelt… aber nur über der Jeans und nicht darin und das war nun mal nicht dasselbe. »Erzähl mir morgen wie’s war«, meinte sie lächelnd, drückte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange und winkte noch, ehe sie nach rechts bog und Alex seinen Heimweg allein fortsetzte. Vielleicht sollte er es wirklich versuchen? Aber war es nicht leichtsinnig? Was, wenn alles nur ein Jux war und dann auf seiner Schule bekannt wurde, dass er schwul war? Er kaute nervös auf seiner schmalen Unterlippe herum, während er die Treppe zu seinem Zimmer hinaufstieg, in den Händen einen Teller mit Nudeln und einer Flasche Orangensaft. Nachdem er sich niedergelassen und den PC hochgefahren hatte, schob er sich die erste Gabel mit Nudeln in den Mund und langte mit seiner rechten Hand nach der Maus, um sich ins ICQ einzuloggen. Dumpf fragte er sich, ob er diese ganze Sache nicht einfach beenden sollte, bevor er sich noch allzu sehr hinein steigerte. Von wie vielen pubertierenden Mädchen hatte man schon gehört, die sich unsterblich in ein Internetphantom verliebt hatten, nur um dann heraus zu finden, dass ihr vermeintlicher Prinz picklig, 30 Jahre alt und bärtig war…? Alex hatte jedenfalls nicht vor, so etwas auch zu erleben. Er hatte gerade die nächste Ladung Nudeln im Mund, als es unten auf seinem Monitor orange zu blinken begann. Manchmal fragte er sich, wieso er sich damals so im ICQ genannt hatte. Monchichi. Zugegebener Maßen fand er das heute ziemlich peinlich. Aber seinen Chatpartner hatte der Name reichlich wenig gestört. »Wie war dein Tag?« Alex seufzte leise und als er sich selbst dabei ertappte, brummte er ungnädig. Das war doch absolut lächerlich. Er war keine dreizehn mehr… trotzdem stieg ungewollt ein freudiges Flimmern in ihm auf, während er seine Nudeln aufkaute und dann begann, seine Antwort zu tippen. »Ich hatte schon bessere Tage. Meistens langweile ich mich in der Schule. Wie war deiner?« Er schob sich eine weitere Gabel Nudeln in den Mund und drehte den Verschluss seines Orangensafts auf. Die Antwort kam schnell. »Also um ehrlich zu sein, war er total beschissen.« Das dämpfte Alex’ Laune. Er legte den Kopf schief, als er seine Antwort tippte. »Wieso das?« Wieder kam die Antwort sehr schnell, als hätte sein Gesprächspartner nur darauf gewartet, dies irgendjemandem zu erzählen. Natürlich schmeichelte ihm das. Und auch, wenn er es nicht wirklich zugeben wollte, hämmerte sein Herz ein wenig schneller, als es nötig gewesen wäre. »Es gibt diesen Jungen in meinem Jahrgang, den ich wirklich sehr mag. Aber er beachtet mich nie. Deswegen bau ich ständig irgendwelchen Mist, nur damit er mich mal ansieht. Das ist total albern… aber ich find es besser, wenn er mich sauer anschaut, als wenn er mich gar nicht anschaut… klingt lächerlich, oder?« Gerade noch hatte sein Herz freudig gehüpft. Jetzt schien es überhaupt nicht mehr zu schlagen. Da war er. Der Schlag in die Magenkuhle. Alex bemerkte jetzt, dass er sich schon viel zu sehr in all das hineingesteigert hatte. Sonst wäre er nun garantiert nicht so enttäuscht. Und traurig. Aber das würde er seinem unsichtbaren Gegenüber sicherlich nicht sagen. Immerhin wollte er sich nicht noch mehr zum Deppen machen, als er es ohnehin schon getan hatte. »Das tut mir Leid… Hast du schon mal überlegt, es ihm einfach zu sagen?« Er sagte es so leicht dahin. Er selbst würde das nie über sich bringen. Aber Joker – wie er ihn für sich selbst nannte – schien ihm ohnehin um Einiges selbstbewusster zu sein, als er selbst. »Ja, schon… aber ich glaube, er kann mich nicht wirklich leiden. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt auch an Männern interessiert ist. Alles, was ich weiß ist, dass er nicht an Frauen interessiert ist. Aber das hat ja nichts zu bedeuten…« Da hatte er allerdings Recht. Lukas schien sich auch nicht für Mädchen zu interessieren, aber das hieß noch lange nicht, dass er schwul war. Alex grummelte, als ihm auffiel, an wen er da gerade gedacht hatte. Und das auch noch in seiner Freizeit. Er genehmigte sich noch eine Gabel Nudeln und seufzte erneut. Was sollte er schon sagen? Er wollte den PC am liebsten sofort wieder ausschalten und im Erdboden versinken. Was hatte er denn gedacht? Dass der Andere genauso kindisch war, wie er selbst und ihn um ein Treffen anbetteln würde, dass sie sich dann unsterblich ineinander verliebten und in den roten Sonnenuntergang verschwanden? Das war so lächerlich, dass er tatsächlich kurz und freudlos auflachte. »Vielleicht solltest du es einfach probieren und dann sehen, was er sagt. Vielleicht mag er dich ja auch und will das einfach nur nicht zeigen. Und deswegen ignoriert er dich eben.« Er fragte sich, wieso er dem Anderen Sachen riet, die er selbst nie tun würde. Während er darüber nachdachte und Joker eine Antwort tippte, schob Alex sich eine weitere Gabel Nudeln in den Mund. Irgendwie hatte er jetzt schlechte Laune. »Ich werd’s mir überlegen. Was machst du heute noch so?« »Hausaufgaben. Ansonsten nur rumsitzen und vielleicht fernsehen…« Eventuell wäre er heute mit seinen Inlinern in den Park gefahren, aber jetzt war seine Motivation bei Null und am liebsten hätte er sich ins Bett gelegt und einfach geschlafen. Im Schlaf musste man wenigstens nicht über sein verhunztes Liebesleben nachdenken. Jetzt klang er schon wie eine verbitterte Jungfer… »Hast du nicht vielleicht Lust, dich mal mit mir zu treffen?« Er verschluckte sich an seinem Orangensaft und hustete ausgiebig. Beinahe wäre etwas von dem Saft auf seinen Monitor und die Tastatur gespritzt. Was sollte er nun sagen? Sein Herz hämmerte plötzlich wieder. Wozu ein Treffen? Um zu sehen, ob sie vielleicht Freunde sein könnten? Es wäre sicher nicht schlecht… aber Alex fragte sich, ob er jetzt überhaupt noch auf einen freundschaftlichen Status zurückschrauben konnte. Denn, das musste er unweigerlich zugeben, in Gedanken war er schon darüber hinaus geschossen. All die stundenlangen Gespräche über ICQ, die Witze, über die er so hatte lachen müssen, das Verständnis, dass man mit seiner Homosexualität nicht hausieren wollte… Das alles hatte Joker wohl nur freundschaftlich gesehen. Und es war ja auch nie die Rede von etwas Anderem gewesen. Es war nur ein Zufall gewesen, dass sie beide in der gleichen Stadt wohnten und fast gleich alt waren… »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das über mich bringe…« Er zögerte. Sollte er das abschicken? Es war ehrlich. Und irgendwie schuldete er es dem Anderen, ehrlich zu sein. Denn soweit er wusste, war der Andere auch immer ehrlich gewesen. Es sei denn natürlich, alles war von vorne bis hinten gelogen. Schließlich drückte er auf Enter. Eine ganze Weile lang kam keine Antwort. Alex kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. Hatte er nun doch etwas Falsches gesagt? »Darf ich dir ein bisschen von dem Jungen erzählen, in den ich mich verknallt hab?« Alex blinzelte verwirrt. Jetzt ging er gar nicht mehr auf die eben gestellte Frage ein? War das nun, um zu vertuschen, dass er irgendwie enttäuscht war? Alex seufzte resigniert. Eigentlich wollte er nichts darüber wissen… aber es wäre unfair, das zu sagen. »Sicher. Schieß los.« Er aß seine Nudeln auf, während der Andere seine Antwort tippte. Dann wagte er noch einen Schluck Orangensaft und stellte die Flasche wieder auf seinem Tisch ab, gerade als die Antwort ankam. »Er ist fast so groß wie ich und hat braune Haare, die ihm immer vollkommen wahllos ins Gesicht hängen. Ich mag sein Lächeln. Er lächelt nicht allzu oft, vor allem nicht, wenn er mich anschaut, aber wenn er mit seiner besten Freundin Späße macht, dann seh ich ihn manchmal lachen. Er sollte eigentlich öfter lachen, das steht ihm wirklich gut… ich ertapp mich immer dabei, wie ich lächeln muss, wenn ich ihn lachen sehe. Und ich mag seine Stimme. Und dass er so schlau ist. Und dass er immer seine eigene Meinung vertritt. Wir haben ein paar Kurse zusammen und ich freu mich jedes Mal, wenn er was vorlesen muss oder irgendwas sagt. Mit mir redet er ja nicht, es sei denn, er schnauzt mich an. Und ich hab Niemandem erzählt, dass ich ihn mag, weil meine Kumpels wohl nicht wirklich verständnisvoll darauf reagieren würden. Aber ich hätt es so gern, dass er mich einmal anlächelt. Oder mich anschaut, ohne wütend zu sein und ohne, dass ich vorher irgendwas Blödes machen muss…« Alex starrte die Worte an. Irgendwie fühlte sich sein Herz jetzt noch schwerer an, als vorhin. Das waren dermaßen… ehrlich und irgendwie verzweifelte Sätze, die sich da schwarz auf weiß vor ihm aufreihten… eigentlich wollte er es nicht lesen. Aber er las es zweimal, dreimal. Weil es gleichzeitig so schön und traurig klang. Wieso konnte nicht er derjenige sein, über den solche Sachen gedacht wurden? Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und nahm noch einen Schluck Orangensaft. »Ich würde dich wirklich gern sehen…« Und da hatte er sich auch schon zum zweiten Mal verschluckt. Er gab sich einem ausgiebigen Hustenanfall hin, der ihm die Tränen in die Augen trieb. »Wenn wir uns treffen würden, dann würd ich einfach ein T-Shirt anziehen, das sonst sicher Niemand anhat, weil eine Freundin von mir es selbst bemalt hat… Wenn du allzu geschockt von mir bist, kannst du einfach wieder umdrehen und dich aus dem Staub machen.« Ein selbst bemaltes T-Shirt. In seinem Gehirn flackerte ein verschwommenes Bild von einem weißen T-Shirt mit grün-roten Aliens darauf herum. Komische, Schokokuss- förmige Aliens mit riesigen weißen Glupschaugen und Schildern in der Hand, auf denen ‚I want Cookies’ stand. »Ich werd einfach um sechs im Park auf dem Spielplatz sein. Auf der Schaukel. Das Shirt ist weiß mit grünen und roten Viechern drauf. Jetzt muss ich leider offline gehen, meine kleine Schwester braucht Hilfe bei ihren Englisch- Hausaufgaben. Bis hoffentlich nachher!« Und weg war er. Mit einem Hinweis auf ein T-Shirt, das Alex schon einmal gesehen hatte. Aber das war absolut bescheuert. Dieses T-Shirt hatte er an Lukas gesehen, vor einer Woche erst, als der Blonde ihm in der großen Pause ein Bein gestellt und Alex sich beinahe auf die Klappe gepackt hatte. Immer noch starrte er auf den Monitor. Golden_Joker. Goldblonde Haare und ein strahlendes Dauergrinsen huschten durch seinen Kopf. Das war doch absolut lächerlich. Er rollte seinen Schreibtischstuhl zurück und kramte nach dem schnurlosen Telefon. »Anna, ich bin’s. Ich muss dringend mit dir reden…« Zwei Stunden später stand er im Park, einige Meter vom Spielplatz entfernt, auf dem einige Kinder lärmten und mit ihren Müttern Sandburgen bauten. Die Schaukeln waren nicht besetzt. Fast nicht. Auf einer der drei Schaukeln saß ein blonder Jemand, dessen Haare im Sonnenlicht wie flüssiges Gold schimmerten und der ein weißes T-Shirt trug. Alex starrte den Rücken an. Da saß er. Lukas. Einfach so. Irgendwie hatte er es geahnt. Naja… seit ungefähr zwei Stunden hatte er es eigentlich gewusst. Jetzt blieb nur noch die Frage, ob Lukas es nicht gewusst hatte, oder doch. Alex wusste nicht, was er besser finden sollte. Er wusste nicht, was er überhaupt davon halten sollte. Aber er erinnerte sich an die Sachen, die Lukas vorhin geschrieben hatte. Über ihn. Denn, das war ihm nun klar, der Junge, der Lukas nicht beachtete, wenn er ihn nicht in Rage versetzte, war er selbst. Aber was, wenn das alles nur ein Trick war, um sich über ihn lustig zu machen? Was, wenn Lukas ihn auslachen und alles erzählen würde, dass er schwul war, wenn er jetzt dorthin ging und sich ihm zeigte? Alex kaute einmal mehr auf seiner Unterlippe herum. Langsam setzte er einen Fuß vor den Anderen, immer noch nicht sicher, ob es das Richtige war, was er tat. »Ehrlich gesagt, hättest du auch einfach nett zu mir sein können«, sagte er mit zittriger Stimme. Lukas schrak so heftig zusammen, dass Alex unweigerlich lächeln musste. Er stand von der Schaukel auf und starrte Alex an. »Irgendwie hab ich’s geahnt«, murmelte er. Und wurde tatsächlich rot auf den Wangen. Alex musste schmunzeln. Jetzt hatte er das Gefühl, das Richtige getan zu haben. »Also… wie war das noch mal? Du hast versucht, die Aufmerksamkeit von diesem Kerl auf dich zu ziehen, indem du ihm Wasser übers Hemd kippst und so?«, erkundigte er sich scheinheilig. Lukas schnaubte, ließ sich wieder auf seiner Schaukel nieder und bedeutete Alex, sich ebenfalls zu setzen. »Das heißt also, du reißt mir jetzt nicht den Kopf ab?«, erkundigte er sich ziemlich zaghaft, dafür, dass er sonst immer eine so dicke Lippe riskiert hatte, befand Alex. Er lächelte. Lukas legte den Kopf schief und starrte ihn an. »Mach’s noch mal«, sagte er dann und starrte Alex’ Lippen an. Alex blinzelte verwirrt. »Was?« »Na was wohl? Lächeln, während du mich ansiehst…«, nuschelte Lukas und Alex’ Lippen bogen sich bei diesen Worten automatisch zu einem Lächeln. Lukas erwiderte das Lächeln leicht versonnen. »Na endlich… und jetzt kannst du mir in aller Ruhe erklären, wieso um alles in der Welt du dich im ICQ Monchichi genannt hast.« Kapitel 5: Start with a kiss ---------------------------- Für DaiDai (Leider ohne Semmeln :D) _______________ Laute Musik drang durchs Haus und aus beinahe allen Zimmern hörte man Stimmgewirr und Gelächter. Ich fragte mich immer noch dunkel, wie um alles in der Welt meine kleine Schwester so viele Leute für eine Party zusammen bekommen hatte. Kaum hieß es, sie dürfe das Haus für ihren zwanzigsten Geburtstag nutzen, wurde sie übermütig und lud an die hundert Gäste ein. Gott sei Dank, dass das Haus so groß war. In den meisten Räumen war das Licht gedämpft, nur in der Küche brannte die Deckenlampe. Ich schob mich durch die Menge in Richtung meines Zimmers, um vielleicht dort ein wenig Ruhe zu bekommen… denn mit den meisten Freunden und Bekannten meiner kleinen Schwester hatte ich nichts am Hut… »Hey Bruderherz! Du willst dich doch nicht etwa verkriechen?« Und da war sie auch schon. Das wandelnde Chaos, der Traum aller jungen Männer und hin und wieder ein solches Biest, dass ich sie gern unangespitzt in den Boden rammen würde. Meine kleine Schwester. Estelle. Eigentlich von allen nur Elle genannt. »Eigentlich hatte ich genau das vor…«, gab ich also zurück und sah in ihren funkelnd grünen Augen bereits, dass ich keine Chance hatte. Elle trug einen viel zu knappen Rock und Netzstrümpfe, ein hier und da zerrissenes, knallrotes Oberteil und Schuhe, auf denen ich mir garantiert die Beine brechen würde… Aus dem Augenwinkel sah ich, wie drei Kerle zu ihr herüber starrten. So war das immer mit ihr, immer musste sie allen Jungs den Kopf verdrehen und es war mein inoffizieller Job, diese Jungs in die Flucht zu schlagen, wenn sie Elle auf die Nerven gingen. Ihr kurzes, blondes Haar hing ihr in die Stirn und sie pustete ungeduldig, um die Strähnen zu vertreiben. Ich mutmaßte, dass die Kerle in der Ecke jeden Moment unseren Teppichboden vollsabberten, wenn sie sie weiterhin anstarrten. »Ich hoffe du weißt, dass dieses Outfit nicht besonders abschreckend auf angetrunkene Kerle wirkt«, erklärte ich ihr brummig und verschränkte die Arme vor der Brust. Über ihre Schulter hinweg sah ich zwei kichernde Mädchen zu mir herüber starren und ich fragte mich dunkel, ob ich die Party vielleicht nutzen sollte, um mal wieder ein paar Frauenbekanntschaften zu machen, auch wenn ich davon wahrscheinlich mehr als genug hegte und pflegte. Elle lachte gut gelaunt und schnappte einem vorbeigehenden Typen sein Bier aus der Hand. Erst öffnete er den Mund, um zu protestieren, dann sah er, um wen es sich bei dem Dieb handelte und er brachte nur noch ein verklärtes Grinsen zustande. Manchmal fragte ich mich, wie Elle das eigentlich anstellte. Zwar war ich bei den Frauen auch beliebt – wir waren beide mit guten Genen ausgestattet – allerdings musste ich mehr als nur mit dem Finger schnippen, damit sie mir hinterher liefen. Vielleicht würde ich Elle in einer betrunkenen Stunde danach fragen, doch jetzt stand mir eher der Sinn nach meinem stillen Zimmer… »Komm mit und amüsier dich ein wenig«, meinte Elle, hakte sich bei mir unter und ignorierte meine Bemerkung zu ihrem Outfit vollkommen. Das tat sie meistens, wenn ich etwas in diese Richtung sagte. Die meisten Jungs sahen mich halb neidisch und halb vorwurfsvoll an, während Elle mich durch die Menge bugsierte. Vermutlich wussten sie nicht, dass ich ihr großer Bruder war. »Ich hätte mir ein Shirt anziehen sollen. ‚Ich bin nur der Bruder’ oder so etwas. Ich habe das Gefühl, ich werde den Abend nicht überleben«, sagte ich seufzend und Elle lachte laut auf, nahm dann einen Schluck Bier und warf sich im Wohnzimmer auf die mit einer Wolldecke abgedeckte Couch. Eher widerwillig ließ ich mich neben ihr nieder und blickte mich im Raum um. Überall standen oder saßen scherzende, lachende und Bier trinkende junge Menschen. Elle war auf Parties generell nur für Bier. Bier war auch das einzige alkoholische Getränk, das sie trank. »Alles Andere führt zu schnell zum Kotzen«, erklärte sie immer, wenn ich ihr den Genuss von Whiskey näher bringen wollte. Während ich den Blick durch den Raum hatte schweifen lassen, hatte Elle mir von irgendwoher ebenfalls ein Bier organisiert und drückte es mir in die Hand. »Nico«, sagte sie tadelnd und wuschelte mir durch die dunkelbraunen Haare, »lächle mal! Es ist mein zwanzigster Geburtstag!« Sie klang ein wenig schmollig und tatsächlich, als ich ihr das Gesicht zuwandte, hatte sie ihre Unterlippe vorgeschoben. Ich verdrehte die Augen. »Das zieht bei mir nicht«, grummelte ich und trank einen Schluck Bier. Es zog durchaus, aber das musste Elle ja nicht wissen. Es reichte schon, dass sie alle anderen Jungs um den Finger wickelte, ich wollte ihr nicht auch noch ergeben sein. Ich musste mein Großer- Bruder- Image wahren und immun gegen ihren Charme sein. »Und außerdem solltest du dich nicht beschweren, du hast von mir ein geiles Geschenk bekommen!«, fügte ich hinzu und sofort verwandelte sich ihr Schmollmund in ein Strahlen. »Ja! Das werd ich dir auch nie vergessen!«, versicherte sie und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich fragte mich dunkel, ob ich eventuell einen Schwesterkomplex hatte. Ich hatte ihr Konzertkarten für Pink geschenkt und Elle vergötterte Pink. Daher würde ich nun vermutlich für mehrere Monate in ihrer Gunst steigen. Eigentlich stand ich in ihrer Gunst sowieso genauso hoch wie ihre beste Freundin Nina. Aber das tat ja nichts zur Sache. In einer Ecke stand ein schwankender, leicht grünlich angelaufener Typ. Ich ruckte mit dem Kopf in seine Richtung. Elle seufzte. »Richard«, erklärte sie mir und schüttelte den Kopf, während sie ihn betrachtete, »der ist immer schon nach zwei Stunden total dicht… Würdest du…?« Ich verdrehte die Augen, drückte ihr mein Bier in die Hand und erhob mich. Richard sah nicht so aus, als wäre er sonderlich gefährlich. Und selbst wenn. Fünf Jahre Boxtraining hatten meinen Körper gegen die meisten hirnlosen Schläger resistent gemacht. »Hey!«, sagte ich, als ich bei Richard angekommen war. Er hob den Kopf und sah mich verschwommen aus glasigen Augen an, »Ich denke, es wäre besser, wenn du jetzt gehst.« Richard hob eine Hand, um mir gestikulierend – reden konnte er wohl nicht mehr – klar zu machen, dass er noch nicht gehen wollte. Ich schnaubte, packte ihn am Oberarm und schleifte ihn unsanft hinter mir her, durch den Flur und hin zur Haustür, die ich öffnete, ehe ich ihn hinaus beförderte. Ich kam mir vor wie ein Türsteher. Richard nuschelte etwas Unverständliches. Ich verstand kein Wort, zuckte mit den Schultern und schloss die Tür, ehe ich mich umdrehte. Beinahe wäre ich Jemandem auf die Füße getreten. Ich starrte in die dunkelbraunsten Augen, die ich je gesehen hatte. Sie gehörten zu einem jungen Mann mit hellblonden, ziemlich seidigen Haaren. Zwischen seinen vollen Lippen steckte eine Zigarette und er grinste mich schief an. »Kann ich mal vorbei?«, fragte er lässig. Er trug eine hellblaue Jeans mit Löchern an beiden Knien, braune Chucks und ein ebenfalls braunes T-Shirt. Ich trat beiseite. Er schob sich an mir vorbei, kramte ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche hervor und öffnete die Haustür. »Danke«, sagte er, lehnte sich in den Türrahmen – einen Fuß ließ er an der Tür, damit diese nicht zufallen konnte – und zündete sich die Kippe an. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Weder heute, noch auf irgendwelchen anderen Parties, zu denen Elle mich mitgeschleift hatte. »Du bist Nico, oder?«, erkundigte er sich, nachdem er den Rauch in Richtung Himmel gepustet hatte. Unter seinem fransigen Pony sah er mich aufmerksam an. Ich nickte. »Ja, der bin ich«, erklärte ich. Ich mochte meinen Namen nicht sonderlich. Der Fremde grinste breit. »Elle mag ihren Namen auch nicht. Hätte mir denken können, dass das bei dir nicht anders ist«, gab er zurück und schob sich den Filter der Zigarette erneut zwischen die vollen Lippen, um daran zu ziehen. »Und wer bist du?«, erkundigte ich mich und lehnte mich ihm gegenüber ebenfalls gegen den Türrahmen. Er fuhr sich durch die hellblonden Haare, die ihm jedoch sofort wieder ins Gesicht fielen. »Jonas«, sagte er. Mir lag die Frage auf der Zunge, woher er meine Schwester kannte. Es wäre durchaus möglich, dass ich hier gerade mit einem ihrer Dates sprach, ohne es zu wissen. »Elle und ich haben uns letztens im Merz kennen gelernt. Ich bin erst vor drei Wochen hergezogen«, erzählte er und blies den Rauch diesmal gen Boden. Das konnte jedenfalls alles und nichts bedeuten. Er könnte mit ihr geknutscht haben. Dann musste ich ihn selbstredend umbringen. Er könnte mit ihr geschlafen haben. Dann musste seine Familie auch dran glauben. Vielleicht waren sie aber auch einfach nur gut miteinander ausgekommen, dann wäre es schon in Ordnung, wenn ich mich noch ein wenig weiter mit ihm unterhielt. »Das ist kein Kunststück. Immerhin ist sie fast jedes Wochenende da«, gab ich matt grinsend zurück. Jonas schmunzelte breit. »Hab gehört, du hast so nen kleinen Schwesterkomplex«, meinte er lässig und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. Ich betrachtete den Rauch, der zwischen seinen vollen Lippen hervorquoll. »Kommt auf die Situation an«, erwiderte ich lässig. Das fehlte mir gerade noch, dass ich hier als Weichei dastand! Jonas lachte leise. Mir lief ein leichter Schauer über den Rücken, ohne dass ich recht wusste, wieso. »Auf so eine Schwester würde ich auch gut aufpassen«, erklärte er amüsiert. Sofort verdächtigte ich ihn wieder, einer ihrer Lover zu sein. Meine Augen verengten sich leicht und das musste er wohl bemerkt haben, denn er blies eine weitere Wolke aus dem Mundwinkel in die Dunkelheit, ehe er wieder sprach. »Wir haben nichts miteinander, falls du das denkst«, sagte er schlicht. Das würde ich auch behaupten, wenn der ein Meter neunzig Bruder von der Angebeteten vor mir stand! »Ich bin nicht so an Frauen interessiert.« Ich hatte gerade den Mund geöffnet, um ihm zu erklären, dass er Richard folgen sollte, als mir die Worte im Hals stecken blieben. Nicht so an Frauen interessiert? Der Kerl war schwul? »Ähm…«, begann ich völlig perplex, ohne wirklich zu wissen, was ich sagen sollte, aber dann rutschte es mir doch heraus. »Du bist schwul?« Jonas grinste breit, zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und ließ sie dann auf den Boden fallen, wo er sie austrat. »Nein. Bi«, war seine Antwort und er bückte sich nach der Zigarette, hob sie auf und schob sich an mir vorbei zurück in den Flur. Als ich aus meiner Starre erwacht war, war von Jonas bereits nichts mehr zu sehen. Ich folgte ihm zurück ins Haus, schlug die Tür zu und marschierte zurück ins Wohnzimmer, um Elle zu fragen, ob sie wirklich nichts mit Jonas gehabt hatte, aber sie saß nicht mehr auf dem Sofa, sondern auf dem Boden. In einem Kreis aus etwa fünfzehn Leuten, wovon über die Hälfte Jungen waren. In der Mitte lag eine leere Bierflasche. »Hey Nico, komm her! Wir spielen Flaschendrehen!«, sagte Elle vergnügt und ich sah bereits das gierige Funkeln in den Gesichtern dieser Kerle. Nur einer schien eher an seinem Bier interessiert. Und das war Jonas, der Elle direkt gegenüber saß und mich nun von unten herauf verschmitzt anlächelte. Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn ich mich dazu setzte, falls einer dieser Kerle mehr versuchte, als meine Schwester nur zu küssen. »Auf amerikanische Art«, erklärte Jonas amüsiert. Ich starrte Elle an, die breit grinste, mit den Schultern zuckte und die Flasche drehte, nachdem ich mich neben sie gesetzt hatte. Ich ahnte Böses, aber das Glück war mir hold und die Flasche zeigte auf eines der Mädchen. Währen Elle und die Unbekannte sich küssten, fielen mehrere Unterkiefer herab und ich konnte nur die Augen verdrehen. Vielleicht war ich aber auch einfach immun gegen diesen Anblick, weil es sich um meine Schwester handelte. Die nächsten Runden blieben Elle und ich verschont, bis schließlich der erste Kerl den Jackpot zog und sie küssen durfte. Als Elle wieder drehte, beobachtete ich die Flasche gelangweilt. Bis sie auf Jonas zeigte. Jonas fuhr sich durch die hellblonden Haare. Seine Augen funkelten amüsiert und Elle kicherte, was mich wieder misstrauisch werden ließ. Vielleicht hatte er ja gelogen, um seine Haut zu retten? Elle krabbelte auf allen Vieren in die Mitte des Sitzkreises, Jonas kam ihr entgegen. Er hielt sich sehr zurück, doch sie schob ihre Hand in seinen Nacken und zog ihn zu sich. Manchmal fragte ich mich, ob ich meine Schwester vor den Typen retten musste… oder doch anders herum. Die beiden küssten sich ziemlich lange. Ich grummelte stumm vor mich hin, als Elle sich wieder von Jonas löste und sich erneut neben mir nieder ließ. »Jonas küsst ziemlich gut«, sagte sie grinsend und leckte sich über die Lippen. Jonas sah völlig unbeeindruckt von dem Kuss aus. Das machte ihn mir irgendwie sympathisch. Ein Mann, der meiner Schwester widerstand, das musste so etwas wie mein Traummann sein. Natürlich rein im übertragenden Sinne. »Das ist mir ehrlich gesagt ganz schön egal«, erwiderte ich gelassen und sah zu, wie Jonas die Flasche drehte. Die Mädchen hechelten, Elle grinste, die Jungs beteten, dass es sie nicht treffen würde… und dann traf es mich. Ich starrte die Flasche an, dann starrte ich Jonas an. Er grinste breit und krabbelte den ganzen Weg zu mir hinüber, da ich mich kein Stück bewegte. »Ich beiße nicht«, raunte er mir zu und ich spürte, wie sich die Härchen in meinem Nacken und auf den Armen aufstellten. Und dann küsste er mich. Ich wusste von dem Augenblick, als seine Lippen meine berührten, dass etwas nicht stimmte. Ich hatte das dringende Bedürfnis, meine Arme um den jungen Mann zu legen und ihn näher zu mir zu ziehen, denn Elle hatte eindeutig Recht. Jonas küsste gut. Sehr gut. Und ich war beinahe an dem Punkt angelangt, da ich vergaß, dass er ja ein bisexueller Kerl war… als der Kuss schon wieder aufhört. Die Mädchen quietschten begeistert, ich saß da wie vom Donner gerührt und fragte mich halb verwirrt, halb entrüstet, wieso er so lange mit Elle geknutscht hatte und mit mir nicht. »Nico…du musst drehen!«, sagte Elle amüsiert zu mir und stupste mich an. Es dauerte einige Sekunden, bis ich verstand, wovon sie eigentlich redete. Also drehte ich die Flasche und beobachtete, wie sie an Jonas vorbeidrehte, was mich bei jeder neuen Drehung ärgerte. Ich sollte dringend den Whiskeyvorrat aus meinem Zimmer leer machen, dachte ich bei mir, während die Flasche auf ein ziemlich hübsches Mädchen zeigte, das mich anstrahlte. Ich konnte mich nicht recht für sie begeistern. Insgeheim fragte ich mich, wieso die Flasche nicht einfach noch mal auf Jonas hatte zeigen können. Später am Abend war ich ordentlich angetrunken. Die Flasche hatte den Rest des Spiels nur noch auf Frauen gezeigt. Eigentlich hätte ich froh darüber sein sollen, ich fand mich von dem Gedanken besessen, Jonas noch einmal küssen zu wollen. Die vollen Lippen, die sich so tastend gegen meine bewegt hatten, der leichte Geruch nach Zigarette, irgendwo dazwischen ein Hauch Cherry- Mint… Und die vorsichtige Zunge, die kurz über meine Lippen geglitten und dann so schnell wieder verschwunden war. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Zunge verfluchte, weil sie so schnell wieder verschwunden war. Wunderbar. Ich war angetrunken, sonst würde ich so einen Mist gar nicht denken. Und angetrunken wie ich war, saß ich auf dem Sofa, eine Tüte Erdnussflips in der einen und ein neues Bier in der anderen Hand, während ich mich mit einem Mädchen unterhielt, das ziemlich deutlich mit dem Zaunpfahl winkte, dass sie gerne mit mir auf mein Zimmer verschwinden würde. Ich war schon kurz davor, nachzugeben und mir Jonas' Kuss einfach aus dem Kopf zu vögeln, als Elle zu mir herüber kam und sich strahlend mein Bier schnappte. »Nico, sei so gut und hilf mir kurz!«, sagte sie überschwänglich. Das Mädchen, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte, sah sie missmutig an. Ich erhob mich leicht wackelig und drückte der Sitzengelassenen die Flips und mein Bier in die Hand. „Ist es wieder ein Betrunkener?«, fragte ich sie und folgte ihr durchs Wohnzimmer. Wir gingen an Jonas vorbei, der sich mit zwei anderen Typen unterhielt und lachte. Als ich an ihm vorbei ging, streiften sich unsere Unterarme und ich spürte einen neuerlichen Schauer durch meinen Körper laufen. Elle manövrierte durch die Menge, die Treppe hinauf und schließlich schloss sie die Tür zu ihrem Zimmer auf, schubste mich sanft hinein und schloss die Tür hinter uns. »Was wollen wir denn hier?«, erkundigte ich mich misstrauisch. Wollte sie mir jetzt ihren festen Freund vorstellen, der gleich mit einem Überraschungsknall aus dem Schrank sprang? »Es geht um Jonas«, sagte sie und mein Blick verfinsterte sich, während mein Herz einen heftigen Sprung machte. »Nico, hast du schon mal drüber nachgedacht, dass du schwul bist?« Eine dröhnende Stille trat ein. Da stand sie, mit ihren grünen Augen und dem Schmollmund und den kurzem, blonden Haaren, die ein wenig an Pink erinnerten. »Wa…nein!«, sagte ich entrüstet und starrte sie wütend an. Sie seufzte. »Also ehrlich gesagt, du sahst komplett verklärt aus, nachdem Jonas dich geküsst hat«, meinte sie schlicht. Ich wollte im Boden versinken. Und meine Schwester würgen. Und ich wollte Jonas auf der Stelle teeren und häuten, dafür, dass er sich in meine Gedanken geknutscht hatte. »Ich…«, begann ich, doch sie fuhr schon fort. »Jonas meinte, er findet dich nett. Aber er meinte auch, dass du nicht küssen kannst. Woran liegt das? Du knutscht doch ständig mit irgendwelchen Mädchen?« Ich konnte es nicht fassen. Ich sollte nicht küssen können? Was war das für eine absurde Unterstellung? Ich schnaubte verächtlich, doch meine Gedanken rasten. Das würde natürlich erklären, wieso er mich nur so kurz geküsst hatte und Elle so lang. Oh Gott, ich wollte gar nicht darüber nachdenken. Es konnte natürlich sein, dass nur Jonas fand, dass ich nicht küssen konnte. Aber was, wenn das auch die Mädchen dachten, mit denen ich herummachte? Das würde meinem Image schaden! Das war eine Schande! Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, mein alkoholisiertes Gehirn befahl mir, Jonas zu finden und ihn darauf anzusprechen. Meine Vernunft riet mir, mich in mein Bett zu verziehen und dort drin zu sterben. Konnte es wirklich sein, dass ein vierundzwanzigjähriger Maschinenbaustudent wie ich plötzlich zu Minderwertigkeitskomplexen neigte? »Naja, mach dir nichts draus«, meinte Elle lächelnd und kam zu mir herüber, um mir auf die Schulter zu klopfen, »nur weil ein Kerl das sagt, heißt das nicht…« »Wo ist er?«, erkundigte ich mich bemüht lässig. Elle sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen hin. »Was willst du denn jetzt tun?« Ich schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ihn darauf ansprechen, was sonst?«, gab er zurück. Sie schmunzelte. »Vielleicht gibt er dir ja ein wenig Nachhilfe…«, flötete sie plötzlich gut gelaunt, warf mir ihren Zimmerschlüssel zu und verschwand einfach. Ich starrte ihr nach. Ihre Worte hatten ein neuerliches Chaos in meinem Kopf ausgelöst. Aber es stimmte, dass ich Jonas noch einmal küssen wollte. Oder auch zweimal. Wahlweise auch dreimal, aber das spielte ja keine Rolle. Also ging ich ihn suchen. Es dauerte einigermaßen lange, bis ich seine hellblonden Haare endlich ausfindig gemacht hatte. Er stand in der Küche und hatte sich ein Glas Saft besorgt. Lässig lehnte er gegen den Kühlschrank, während er sich mit einem mir unbekannten Typen unterhielt. Ich stapfte zu ihm hinüber. »Kann ich dich kurz sprechen?«, fragte ich recht angriffslustig. Er schien verblüfft, nickte aber und hob kurz die Hand in Richtung des fremden Typen, der uns nachsah, als ich Jonas vor mir her durch die Menge und die Treppe hinaufschob. Ich beorderte ihn ohne Umschweife in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu. Jetzt standen wir im Dunkeln, aber das machte mir nichts und ich hatte auch keine Lust, nach dem Lichtschalter zu suchen. »Elle hat mir gesagt, was du ihr erzählt hast«, erklärte er ihm ohne Umschweife. Jonas sagte nichts. Irgendwie beunruhigte mich das. Vor allem, da ich nicht sehen konnte, ob er grinste. »Ach, hat sie das«, sagte er schließlich. »Ja, allerdings.« »Und, was mache ich dann jetzt hier in deinem Zimmer…? Im Dunkeln?« Ich wurde irgendwie nervös. Ja, wir waren allein, in meinem Zimmer, im Dunkeln. Aber er hatte gesagt, dass ich nicht küssen konnte! »Kommt drauf an. Elle hat mich schon gefragt, ob ich schwul bin. Und du bist dran Schuld!« Erneut herrschte eine Weile lang Schweigen. Dann spürte ich eine Hand, die sich sachte um mein Kinn schloss. Sofort zuckte ein Blitz durch meinen Körper. Jonas musste sein Saftglas irgendwo abgestellt haben, denn seine zweite Hand legte sich behutsam auf meinen Oberkörper. »Und, bist du denn schwul?«, erkundigte er sich leise. Mein Herz hatte sich verabschiedet und flatterte durchs Fenster davon. »Nein«, krächzte ich. Ich war hier der Ältere. Ich durfte mich nicht so unterbuttern lassen. »Dann vielleicht bi. So wie ich?«, fragte er weiter. Seine Stimme klang im Dunkeln noch… intensiver. Ich bekam schon wieder eine Gänsehaut, als sein Atem mein Ohr streifte. »K…keine Ahnung…«, murmelte ich. Dann sollte er mich gefälligst noch mal küssen. Von mir aus würde ich es mir auch beibringen lassen, aber zur Hölle noch mal, wenn er so weiter machte, dann würde ich ihn einfach gegen die Tür drücken und… »Ich auch nicht… willst du’s rausfinden?«, erkundigte er sich und ich hörte ihn grinsen. Ein Grummeln verließ meine Kehle. »Ich dachte, ich könnte nicht küssen?«, erwiderte ich angriffslustig. Er lachte leise. »War gelogen. Ich wollt nur nicht vor aller Augen über dich herfallen. Und ich hab Elle nach deinen Schwächen gefragt. Sie meinte, es seien vor allem dein Stolz und dein Schwesterkomplex… da dachte ich, pack ich dich bei deinem Stolz«, flüsterte er. Mir lief es heiß und kalt und den Rücken hinunter. »Ach…warst du…interessiert…«, nuschelte ich undeutlich. Er lachte leise und erneut stellten sich die Härchen in meinem Nacken auf. »Hmm…«, machte er nur. Wahrscheinlich war ich wirklich bi…, schoss es mir durch den Kopf. Und dann küsste er mich. Dieses Mal sehr viel länger, als beim ersten Mal. Kapitel 6: Heartkeeper ---------------------- Sooo, dieser Oneshot ist für . Ich hoffe inständig, dass es dir gefällt und dass du es dir ein wenig so in diese Richtung vorgestellt hast. Ich hab leider keinen Fußball Sachverstand, aber na ja... vielleicht magst du ihn ja :) Ich wünsche auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen! Liebe Grüße, ____________________________ »Wir schießen jetzt noch ein paar Mal aufs Tor und das war’s dann für heute!«, ruft Steffen über den Platz und die Mannschaft kommt keuchend vor meinem Tor zusammen. Steffen, unser Trainer, joggt quer über das Feld auf uns zu und gibt den Jungs Anweisungen, während ich mich in meinem Tor strecke, meine Arme auflockere und dann in die Hocke gehe, um die Schüsse so gut es geht abzufangen. »Wir spielen nächste Woche gegen Volkmarode! Da müssen wir in Bestform sein«, dröhnt Steffen gerade und marschiert mit in die Hüften gestemmten Händen vor meiner Mannschaft auf und ab. Björn reißt zweifellos irgendeinen Witz über Volkmarode. Ich kriege lediglich ein nervöses Flirren im Magen, wenn ich an Volkmarode denke. Meine Gedanken schweifen ab und ich höre nur noch Wortfetzen von Steffens gut gemeinter Standpauke. »…Tabellenerster!« »…solides Mittelfeld…« »…Dennis!« Sofort tauche ich aus meinen Träumereien auf. Dennis. Ja, Dennis. Er hat früher in unserer Mannschaft gespielt. Als Stürmer. Und dann irgendwann wechselte er zu Volkmarode. Und wir haben bisher noch nie gegen Volkmarode gewonnen. Deswegen labert Steffen vor den Spielen gegen diese Mannschaft immer besonders lange und besonders eindringlich. Aber ich weiß, dass er sich das sparen könnte. Denn die Niederlagen gegen Dennis’ Mannschaft liegen nicht an den Jungs, sondern an mir. Ich weiß das. Denn ich, Tobi, 17 Jahre alt, Torwart seit ich sechs Jahre alt bin, bin… schwul. Und wie leicht zu erraten ist: Total verschossen in Dennis. Seit über einem Jahr. Ich spiele erst seit anderthalb Jahren hier in diesem Verein und damals hab ich mich sofort in Dennis verguckt. Nach einem Jahr heimlichen Schmachtens ist er dann ausgetreten und hat zu Volkmarode gewechselt. Und da liegt das Problem. Solange er in meiner Mannschaft war, musste er nicht auf mein Tor schießen. Nun, da er bei Volkmarode spielt… zielt er als Stürmer ziemlich oft auf mein Tor. Und ich kann normalerweise fast jeden beknackten Ball halten. Ich bin echt gut, – und hey, ich darf das sagen, denn es ist mein einziges Talent – aber wann immer Dennis auf mein Tor zielt, kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich beobachte dann seine Bewegungen, seinen konzentrierten Gesichtsausdruck, seine blonden Locken und den ehrgeizigen Blick in den rehbraunen Augen. Und dann trifft er, wenn nicht einer der Jungs dazwischen springt. Ich bin mir nicht sicher, ob einer meiner Mannschaftskameraden diese Sache schon durchschaut hat. Sie haben sich schon fast dran gewöhnt, gegen Volkmarode zu verlieren und damit höchstens Tabellenzweiter zu werden. Aber mich ärgert das. Ich meine, wie peinlich ist das bitte sehr, jedes Mal einen halben AnfaLL zu bekommen, nur weil der Angebetete auf einen zu rennt? Das ist doch total bescheuert! Ich hab auch echt schon versucht, daran zu arbeiten. Aber bisher ist alles erfolglos geblieben. Einmal dachte ich, es würde vielleicht helfen, wenn ich ihn mir nackt vorstelle, – weil nackte, rennende Jungs einfach nur lächerlich aussehen – aber das ging komplett nach hinten los. Ich bin in die total falsche Richtung gehechtet, hab den Pfosten übersehen und mir den Kopf gestoßen. Das war das Spiel, das wir am höchsten verloren haben. Sieben zu null. Echt peinlich. Und wahrscheinlich hat Dennis sich tot gelacht, als ich ohnmächtig am Boden lag. Die Beule, die ich davon getragen habe, hat mich noch eine ganze Woche an meine gescheiterte Aktion erinnert. »Tom, du fängst an!« Ich seufze leise, dann beobachte ich Tom, der den Ball in die Richtige Position legt, kurz auf und ab springt und dann Anlauf nimmt. Der Ball fliegt auf mich zu und ich hechte nach links. Das runde Leder trifft meine behandschuhten Finger und prallt zurück. Die Jungs rufen mir Lob zu und lachen über Tom, der Zähne knirschend zurücktritt, um Platz für Nick zu machen. Ich sage ja, ich kann fast alles halten. Selbst im Elfmeterhalten bin ich gut. Aber Dennis… der macht mich fertig. Das Spiel wird garantiert wieder eine genauso große Katastrophe wie die anderen. Und das ist wirklich nicht sonderlich aufmunternd. »Na, du Arsch«, begrüßt mich Gerrit nach dem Training, als ich mit noch nassen Haaren vom Duschen aus der Umkleide komme. Er sitzt auf seinem Fahrrad und grinst mir breit entgegen. Gerrit ist mein bester Kumpel. Und er beleidigt mich gern, um mir seine Zuneigung zu demonstrieren. »Hey«, sage ich und schlage ein, als er mir seine Hand hinhält. »Wie war’s?«, will er wissen, als ich mich auf seinen Gepäckträger schwinge und mich an seiner Hüfte festhalte. »War super. Ich hab bis auf zwei Stück alle Elfmeter gehalten«, rufe ich ihm zu, nachdem er losgefahren ist und zwei alte Damen erschreckt, die er beinahe über den Haufen fährt. Gerrit und ich sind befreundet, seit wir im Kindergarten waren und wir uns eine Schlacht mit Buntstiften geliefert haben. Wer wäre nach so einem einschneidenden Erlebnis nicht gut befreundet? Wir gehen zusammen in eine Klasse und er holt mich eigentlich immer ab, wenn er Zeit hat. Ich sehe zu, wie seine rotblonden Haare im Wind wehen. »Spielt ihr nicht nächste Woche gegen Volkmarode?«, fragt er und schlingert leicht, als er über eine rote Ampel brettert und links abbiegt. Auf dem Dorf kann man sich so was leisten. Würden wir in der Stadt leben, dann wäre mindestens Gerrit schon längst tot. Er fährt immer wie ein Henker. »Ja. Wird garantiert wieder ne Katastrophe«, gebe ich mürrisch zurück. Gerrit ist der einzige Mensch auf dieser Welt, der weiß, dass ich schwul bin. Und der weiß, dass ich in Dennis verknallt bin. »Ach, du solltest ihn einfach aufgeben. So toll ist er nun auch wieder nicht«, ruft Gerrit mir über die Schulter zu, donnert mit dem Rad einen Hügel runter und mein Hintern tut schon ziemlich weh von seiner halsbrecherischen Fahrt, als wir endlich vor meinem Haus ankommen. »Du kannst das nicht beurteilen, du stehst auf Brüste und hohe Stimmen«, werfe ich ihm vor und reibe mir kurz mein Hinterteil, nachdem ich abgestiegen bin. Gerrit schwingt sich grinsend vom Sattel und stellt sein Rad an unsere Hauswand, ehe er es abschließt. »Er sieht aus wie ein Waschlappen mit seinen blonden Löckchen«, meint mein bester Freund schulterzuckend. Ich schnaube. »Du siehst aus wie ein brennendes Streichholz«, erkläre ich ungerührt. Gerrit lacht dröhnend, haut mir auf den Rücken und folgt mir dann durch die Haustür in den Flur. »Ich bin zu Hause!«, rufe ich in keine bestimmte Richtung. »Aber ehrlich mal. Was findest du eigentlich an ihm? Dass er ein guter Stürmer ist, kann doch nicht alles sein«, meint er, während wir die hölzerne Treppe hinauf steigen und in mein Zimmer gehen. »Keine Ahnung. Wir haben uns früher immer gut verstanden, als er noch in unserer Mannschaft war. Er ist witzig, sieht gut aus… ich mag ihn einfach, man! Ich frag dich doch auch nicht, was du an deinen Bräuten gut findest«, erkläre ich ungehalten und Gerrit grinst mich breit an. Er hat eine Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen und sein Gesicht ist praktisch kaum zu erkennen unter all den Sommersprossen. Die Mädchen finden Gerrit irgendwie gut und er bumst alle Nase lang irgendeine andere. »Ich bin in meine Bräute, wie du sie nennst, ja auch nicht verknallt. Ich knalle sie nur.« Er lacht über seinen eigenen Wortwitz und boxt mich leicht, als ich schmunzelnd die Augen verdrehe. »Ich bin dafür, dass du den Rückzug nach vorne antrittst! Sag es ihm einfach. Wenn er dich danach verprügelt, mach ich ihn fertig. Und dann bist du es endlich los und kannst dich den wichtigen Dingen im Leben widmen«, schlägt er vor und wirft sich auf mein altes, leicht schief stehendes Sofa. »Wichtige Dinge? Wie Mädchen zu vögeln?«, erkundige ich mich amüsiert und setze mich neben ihn. »Du könntest auch Jungs vögeln, wenn du dich für Mädchen kein bisschen erwärmen kannst«, schlägt Gerrit großzügig vor. Ich schnaube nur und reiche ihm einen der Controller für meine Playstation. Das hilft bestens gegen den Frust. Eine Runde zocken mit dem besten Kumpel, der einem nebenbei absolute hirnrissige Tipps für eine bessere Lebensführung gibt. »Aber mal im Ernst… ich kann ihm das nicht sagen! Wenn ich Pech habe, weiß es danach die ganze Mannschaft und dann… werden sie mich lynchen! Oder aus der Mannschaft kicken. Und dann muss ich das Dorf und die Mannschaft wechseln«, gebe ich zu bedenken. Gerrit legt seine Füße auf meinen ramponierten Couchtisch. »Ehrlich mal. Angriff ist die beste Verteidigung, man. Glaubst du, ich wäre bei den Mädchen so beliebt, wenn ich mich immer nur nervös in einer Ecke rumdrücken würde? Einmal im Leben könntest du auf mich hören.« »Ich hab schon mal auf dich gehört und eine Kuh umgeschubst, wenn du dich dran erinnerst. Danach wurde ich von einem wütenden Bauern über vier Felder gejagt und bin in einen Bach gefallen«, erinnere ich ihn an das eine Mal, als uns – betrunken wohlgemerkt – langweilig war und Gerrit diese Idee mit den Kühen hatte. »Du musst zugeben, dass es witzig war«, gibt er zu bedenken. Mein bester Freund hat eine Klatsche. Aber vielleicht hat er dieses eine Mal ja wirklich Recht. Ich habe immerhin noch eine Woche Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, ob ich mein Todesurteil unterschreiben möchte, oder ob ich mir mit meinen siebzehn Jahren doch noch zu jung dafür bin. * »Jetzt hört mir mal gut zu! Wir sind heute eindeutig die bessere Mannschaft! Noch 45 Minuten, um wenigstens ein Unentschieden zu schaffen. Drei eins ist noch gar nichts, das kriegt ihr locker hin! Ihr müsst nur hinten…« Mein Gehirn schaltet ab. Dennis hat schon wieder drei Tore gelandet. Kein anderer in seiner Mannschaft kriegt bei mir einen Ball ins Tor, aber Dennis… Ich muss mich zusammen reißen. Ich muss mich mehr konzentrieren! Wenn ich es wirklich schaffen sollte, einen von Dennis’ Schüssen zu halten, dann sage ich es ihm nach dem Spiel. Da das vermutlich nicht passieren wird, werde ich weiter leben. Spätestens nach dem Abi höre ich auf in diesem Verein Fußball zu spielen und dann werde ich Dennis sowieso nie wieder sehen. Das kann nur gut für mich sein. Seufzend erhebe ich mich, als Steffen mit seiner Standpauke fertig ist und folge den anderen hinaus aufs Spielfeld. Gerrits rotblonde Haare erkenne ich auch von weitem. Er steht immer in der Nähe meines Tores und feuert mich an. Mama sagt immer spaßhaft ›Das muss Liebe sein‹. Da kann ich nur lachen. Gerrit wird vermutlich nie verknallt sein. Er scheint ein natürliches Abwehrsystem gegen so was zu besitzen. Ich dehne mich ein bisschen, während meine Jungs den nächsten Angriff ausführen. Dennis’ Locken wehen im Wind und ich beobachte ihn. Damals, als wir auf Mannschaftsfahrt an der Ostsee waren, haben wir alle zusammen nackte Frauen aus Sand gebaut. Ich hab brav mitgemacht, um den Schein zu wahren. Dennis schien von der Idee damals auch nicht so begeistert gewesen zu sein. Aber er hat für die anderen Muscheln gesucht, damit sie Münder und Nippel zum drauflegen hatten. Hin und wieder ist es ziemlich peinlich ein Junge zu sein. Ich hab ihn damals beobachtet, wie er herum gesucht hat. Er hatte kein T-Shirt an und seine Haut war nass, weil wir uns vorher in die Brandung gestellt hatten. Ich weiß noch genau, dass ich jeden einzelnen Wassertropfen auf seinem Oberkörper beneidet habe. Das ist ganz schon panne und das weiß ich auch. Dennis hat auch nie über Schwulen- oder Frauenwitze gelacht. Darin sind die Jungs ganz groß. Vielleicht mochte ich ihn deswegen besonders. Er wirkt nicht so arg pubertär wie meine Mannschaftskameraden. Hektisch tauche ich aus meinen Träumereien auf, als ich Gerrits Stimme von Spielfeldrand vernehme. »Diesmal kriegst du ihn!«, brüllt er und alle in seiner Nähe starren ihn an. Ich muss lachen. Mein Blick fällt auf Dennis, der mit dem Ball auf mich zu gerannt kommt. Er sieht mich lachen und einen Moment lang wirkt er irgendwie verwirrt. Ich kann das, ich kann das, ich kann das, ich kann das. Ich kann jeden verfluchten Ball halten, wenn ich das will. Dennis holt mit dem Fuß aus und tritt gegen den Ball. Ich sehe ihn auf mich zukommen, aber ich rühre mich nicht und… der Ball geht ins Aus. Verwundert richte ich mich auf und sehe zu Dennis hinüber, der scheinbar ziemlich wütend ist und auf den Boden spuckt. »Haha! Dein Lachen hat ihn verwirrt, siehst du!«, ruft Gerrit mit begeistert zu und ich werfe ihm einen mahnenden Blick zu. Er reckt nur beide Daumen und grinst breit. Als ich Dennis wieder ansehe, starrt er abwechselnd zu mir und Gerrit und ich merke, wie ich rot anlaufe. Na toll. Er hat Gerrit gehört. Ich hasse mein Leben. Das Spiel geht weiter und ich würde Gerrit gern eine telepathische Nachricht übermitteln, dass er die Klappe halten soll. Aber natürlich klappt das nicht und Gerrit denkt gar nicht daran, irgendwie etwas dezenter zu werden. Allerdings scheint seine Verwirrungsstrategie zu funktionieren. Denn er hat es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, mich jedes Mal zum Lachen zu bringen, wenn Dennis in die Nähe des Tors kommt. Und Dennis trifft einfach nicht mehr. Er trifft die Latte, den Pfosten, schießt über das Tor hinaus oder daran vorbei, oder er zögert zu lang vorm Schuss und lässt sich den Ball abnehmen. Meine Mannschaft scheint von diesem schlechter spielenden Dennis unglaublich angespornt zu sein. Bald steht es tatsächlich drei zu drei und ich kann es kaum fassen. Das könnte das erste Unentschieden gegen Volkmarode sein. Dennis’ Mannschaft scheint völlig verwirrt zu sein, nun, da ihr bester Stürmer plötzlich nur noch daneben schießt. Aber dann kommt er wieder auf mich zu, das Gesicht ausgesprochen entschlossen. Herrgott, ich liebe diese blonden Locken und den Leberfleck auf seiner rechten Wange und… er sieht so elegant aus, wenn er ausholt, um zu schießen. »Tobi, du kannst das!«, schreit Gerrit. Ich atme tief durch. Dennis schießt. Ich hechte in die linke Ecke, reiße meine Arme hoch und der Ball wird von meinen Fingerspitzen abgelenkt und fliegt über das Tor hinaus. Ich falle hart auf die Erde, aber meine Freude lindert den Schmerz eindeutig. Ich habe einen Schuss von Dennis gehalten! Durch das begeisterte Rauschen in meinen Ohren höre ich Gerrit jubeln. »Noch fünf Minuten!«, brüllt Steffen von seiner Trainerbank, »Ein Tor schafft ihr noch!« Ich hibbele wie ein Hamster auf Extasy in meinem Tor herum und beobachte das Geschehen. Wir können gewinnen. Wir müssen gewinnen. Ich hab einen Schuss von Dennis gehalten, dann können wir heute auch gewinnen. Und tatsächlich: Nach fünf weiteren, ewig langen Minuten pfeift der Schiedsrichter und ich und die Jungs brechen in Jubel aus. Steffen springt in die Luft und kommt über den Platz gerannt, um sich das Knäuel zu stürzen, das aus meinen Mannschaftskameraden besteht. Wir haben gewonnen. Das erste Mal. Ich drehe mich strahlend zu Gerrit um, der mir grinsend zuwinkt und mit dem Daumen in Richtung Dennis deutet, ehe er verschwörerisch zwinkert. Ich schlucke und sehe zu Dennis hinüber. Er wischt sich mit seinen Trikotsaum über das verschwitzte Gesicht und verlässt das Spielfeld. Ich hatte mir vorgenommen es ihm zu sagen, wenn wir gewinnen. Mit hämmerndem Herzen lasse ich mir von meinen Mannschaftskameraden den Rücken tätscheln, dann verschwinde ich in Richtung Duschen. Wenn ich mich beeile, dann erwische ich ihn noch. Ich dusche so schnell ich kann, höre mir ein paar Witze über männliche Genitalien an und lache gekünstelt darüber, ehe ich mich hastig abtrockne, umziehe und mein Zeug packe. Dann renne ich aus der Umkleide. Draußen sehe ich allerdings nur Gerrit, der mir grinsend entgegen kommt. »Das war echt gei–« »Wo ist er hin?«, frage ich und schüttele Gerrit leicht durch. Der lacht. »Ist wieder auf dem Feld und kuschelt mit deinem Tor«, sagt er grinsend und klopft mir auf den Rücken. »Viel Erfolg.« Er winkt mir noch zu und geht zu seinem Rad hinüber. Ich sehe ihm kurz nach, dann beginnt mein Herz wieder wie verrückt in meiner Brust zu poltern. Ich werd es ihm sagen. Ich kann es ihm nicht sagen. Oh man. Scheiße. Ich fühle mich, als würde ich auf Rädern gehen, als ich mich langsam auf das Spielfeld zu bewege. Ich sehe seine blonden Locken schon von weitem. Tatsächlich sitzt er in dem Tor, in dem ich seinen Ball gehalten habe und lehnt am rechten Pfosten. Also mit dem Rücken zu mir. Meine Beine fühlen sich an wie Pudding, als ich auf ihn zugehe. Das hier ist mein Gang zum Galgen. Ich hätte mich ebenso gut in einer Kloschüssel ertränken können. Oh mein Gott. Hilfe. »Hey«, höre ich mich sagen und meine Stimme klingt ganz fern, als würde ich sie durch Watte hören. In meinem Kopf rauscht es. Dennis zuckt leicht zusammen und dreht den Kopf zu mir herum. Seine rehbraunen Augen sehen mich an. Er scheint nicht überrascht zu sein, mich hier zu sehen. »Hey«, gibt er zurück. Ich zögere, dann setze ich mich an den anderen Pfosten und sehe ihn nun direkt an. Wieso muss er so gut aussehen? Ich würde zu gern einmal mit der Fingerspitze diesen Leberfleck berühren. Noch lieber würde ich ihn küssen. Oh man. Ich dreh sicherlich bald durch. »Gutes Spiel heute«, sagt er und legt den Kopf schief, sodass ihm einige seiner blonden Locken in die Stirn fallen. »Danke«, gebe ich mit belegter Stimme zurück. Ich hab seinen Ball gehalten. Scheiße, bin ich stolz auf mich. Er sieht mich weiterhin an und mein Herz bricht mir garantiert gleich die Rippen. »Es ist deine Schuld, dass ich nicht getroffen habe«, meint er plötzlich unvermittelt und ich blinzele verwirrt. »Was?« Dennis fährt sich durch die Haare. Irre ich mich, oder sieht er ein wenig… nervös aus? Oh Gott. Gleich bricht die erste Rippe, ich schwöre es. »Dein Lachen… hat mich irritiert«, erklärt er. Sehe ich da einen Rotschimmer auf seinen Wangen? Ok… was hab ich schon zu verlieren? Gerrit hat gesagt, Angriff ist die beste Verteidigung. »Wenigstens irritiert dich nur mein Lachen und nicht alles andere… so wie du mich immer komplett irritierst«, sage ich und versuche möglichst lässig zu klingen, als wäre es überhaupt kein Problem für mich, ihm das zu sagen. Seine braunen Augen weiten sich ein Stück. »Wie… also…«, sagt er und bricht wieder ab. Mein Blick huscht kurz hinunter zu seinem Mund. Wahrscheinlich sterbe ich, wenn ich ihn nicht küssen darf. Nie, meine ich. Argh! »Ich konnte ja nie einen deiner Schüsse halten. Weil… ich mich nie konzentrieren konnte, wenn ich dich angesehen hab«, sage ich und mein Herz klopft mittlerweile beinahe schmerzhaft. Das wäre eine tolle Schlagzeile. Siebzehnjähriger stirbt an einem Herzinfarkt in Fußballtor. Wunderbar. Ich wollte immer schon einen spektakulären Abgang. Wir starren uns mindestens dreißig Sekunden lang an. »Ok… und wieso… hat es dann heute geklappt? Mit dem… Halten?«, fragt er. Ich zucke die Schultern und wende den Blick ab. »Vielleicht war Gerrit Schuld«, sage ich abwesend. Küssen, küssen, küssen… Mein Gehirn ist sehr hilfreich. Wirklich. »Dein Freund?«, erkundigt er sich. »Hmhm…« »Dein… fester… Freund?« Ich blinzele erneut und sehe ihn wieder an. Er hingegen starrt nun nach oben in den blauen Junihimmel. »Nee. Mein bester. Nicht mein fester«, erkläre ich stumpf. »Ach so. Ok.« Wir schweigen wieder. So komme ich nie zu Rande. Den Wink mit dem Zaunpfahl hat er wohl nicht verstanden, oder er wollte ihn nicht verstehen. Also dann. Angriff! »Ich hab mir vorgenommen, dass ich es dir sage, wenn ich einen deiner Bälle gehalten hab«, brabbele ich darauf los. Seine Augen huschen zu mir herüber. Oh liebes Herz, noch zwei Minuten, dann habe ich es ihm gesagt. Danach darfst du mich töten. »Was sagen?«, fragt er. Ich hole tief Luft. »Dass… ich dich… na ja… mag. Schon seit über einem Jahr. Eigentlich schon, seit ich neu in die Mannschaft kam. Eigentlich schon… seit ich… ach egal…« »Nein! Nicht egal. Was wolltest du sagen?« Klingt seine Stimme irgendwie aufgeregt? Dennis aufgeregt? Muss ich mir einbilden. Ich hab ihn noch nie aufgeregt erlebt. »Seit ich dich das erste Mal gesehen hab«, gestehe ich und mein Gesicht läuft knallrot an. Dennis starrt mich an wie eine Erscheinung. Jetzt hab ich mir schon mein eigenes Grab geschaufelt. Dann kann ich auch noch weiter machen. »Und wenn ich jetzt versuchen würde, dich zu küssen, dann haust du mir eine rein, aber besser ich versuch’s mal, als das noch Ewigkeiten mit mir rumzuschleppen.« Gerrit wäre stolz auf mich. Ganz sicher. Noch stolzer wäre er, wenn er sehen könnte, wie ich auf allen Vieren zu Dennis rüber krabbele, um ihn nun zu küssen. Ich denke, ich werde Gerrit meine DVD- Sammlung vermachen. Ja, doch. Und vielleicht meinen Computer. Seiner ist schon so kaputt. Und dann… ist sein Gesicht so nah, dass ich jeden goldenen Sprenkel in Dennis’ Augen sehen kann. Mit zittrigen Fingern strecke ich meine Hand aus und berühre mit der Fingerkuppe meines Zeigefingers den Leberfleck auf seiner Wange. »Will ich schon ewig mal machen«, nuschele ich undeutlich. Ich bleibe in der Schwebe, darauf wartend, dass er mich wegschubst, anbrüllt und dann zusammen schlägt. Aber Dennis tut nichts… »Ich dachte… du wolltest mich küssen«, sagt er und nun klingt seine Stimme eindeutig kratzig. Mein Herz zerspringt gleich. »Und ich dachte, du willst mir dann eine rein schlagen«, krächze ich. Er schüttelt kaum merklich den Kopf. »Falsch gedacht«, flüstert er. Und dann überbrückt er einfach den letzten Abstand zwischen uns. Seine Lippen berühren meine und in mir explodiert jedes winzige Zellchen. Meine Lider schließen sich automatisch und mein Herz jubelt hämmernd. In meinem Magen kribbelt es und mein Kopf ist leergefegt. Seine Lippen sind weich. Ich rieche sein Duschgel und seine Wangen sind ganz hitzig, als ich meine Finger sachte darauf lege. Küssen ist das Allerbeste. Besser als Fußball und besser als mit Gerrit Playstation zu spielen. Ich glaube, ich sterbe gleich. Vor Glückseligkeit, versteht sich. Er schlingt seine Arme um mich und wir kippen seitlich auf den Rasen im Tor, während unsere Lippen sich gegeneinander bewegen, als hätten sie das schon immer tun wollen. Na ja, bei mir stimmt das ja auch. Seine Zunge an meinen Lippen schickt hunderte kleine Blitze durch meinen Körper. In meinem Kopf rauscht es. Ich bin sicher, dass Dennis mein Herz hämmern fühlt, so dicht liegen wir mittlerweile beieinander. Und ich kann es nicht lassen und schiebe meine freie Hand zwischen uns, taste nach seinem Brustkorb und erfühle seinen Herzschlag. Seiner ist genauso schnell wie meiner. Ich dreh durch. Kann es wirklich sein, dass Dennis mich auch…? Ich fass es nicht. Mein Gott. »Heißt das…«, nuschele ich zwischen zwei Lippenberührungen, »dass du… mich auch…?« »Hmhm…« »Seit wann?« »Seit damals… hab deswegen die Mannschaft gewechselt…« Ich blinzele. Ist n Scherz, oder? »Aber… wieso hast du nie was gesagt?«, platzt es aus mir heraus und er schmunzelt. Scheiße, er sieht so gut aus. »Wieso hast du nie was gesagt?« Gute Frage. Jetzt ärgere ich mich auf jeden Fall darüber. Dennis küsst mich noch mal und ich hab absolut nichts dagegen einzuwenden. Auf diesem Stück Rasen hab ich heute einen Ball von ihm gehalten. Und jetzt knutsche ich auch noch mit ihm. Das ist das beste Stück Rasen auf der Welt. Ganz klar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)