Die Pflicht des Kriegers
Ja, die arme Shodo ist süchtig. Immerhin kümmert sich nun der Oberste Heiler um sie.
Und die Amulettprüfung geht in eine harte Phase. Denn, um Shakespeare zu zitieren: Die Pflicht, die der Vasall dem Fürsten zollt, ist die Frau auch schuldig ihrem Gatten...
8. Die Pflicht des Kriegers
Hoshi, der Oberste Heiler der Drachen, betrachtete die Drachenfrau neben sich ein wenig mitleidig. Ganz eindeutig war Shodo von Doko abhängig, süchtig nach dem starken Schmerzmittel. Sie atmete nun ruhiger, nachdem er ihr eine Dosis gegeben hatte. Anscheinend hatten zumindest die körperlichen Entzugserscheinungen nachgelassen.
„Woher bekommst du gewöhnlich dein Doko?“ fragte er, obwohl er eigentlich nur eine Antwort kannte.
„Sharaku.“ Shodo flüsterte es und schloss die Augen. „Verzeih mir, Meister Hoshi …Ich wollte ihn doch zu einem Heiler erziehen lassen, einem Mann, der ohne Hass, ohne Mordgedanken ist. Du weißt doch, wie sein Vater war…“
„Ich weiß.“ Shodo trug noch die Narben von Bestrafungen aus dieser Zeit. „Was ist passiert?“ Sharaku war zum Heiler ausgebildet worden. Und er war schlicht begnadet. Aber gerade als Heilerschüler war ihm beigebracht worden, dass Doko nur bei Schwerverletzten, Sterbenden eingesetzt werden durfte, weil es Drachen rasch süchtig machte. Und auch recht schnell durch die Giftwirkung umbrachte.
„Er kam, endlich, mich wieder besuchen. Er sagte, er wolle hier in Ruhe auf die Prüfung lernen.“
„Und du hast dich gefreut?“
Sie seufzte: „Meister Hoshi, ich habe dir als Einzigem gesagt, wer sein Vater war. Ihm selbst nicht. Je älter er wurde, umso zorniger wurde er über seine Vaterlosigkeit. Schließlich kam er nicht mehr. So war ich glücklich, als er zu mir zurückkehrte. Er war auch nett zu mir, hatte mir sogar einen Tee mitgebracht….“ Sie schluchzte auf: „Woher hätte ich wissen sollen...“
„Ich verstehe. Das Doko war in dem Tee.“ Er wollte sie ein wenig schonen: „Woran hättest du es auch erkennen sollen. Ich nehme an, dein Bedürfnis nach diesem Tee stieg?“
„Ja. Als er dann wieder weg ging, wurde es unerträglich. Ich versuchte, aus Kräutern etwas zu mischen, aber…“
„Und Sharaku kehrte zurück. Er war bereit, dir wieder Doko zu geben, aber nur, wenn du ihm den Namen seines Vaters sagst?“ Soweit war dieser armselige Jungdrache gegangen?
„Ja. Oh, es war so…demütigend.“
Er nahm ihre Hand: „Und du sagtest es ihm….verständlich. Wollte er sonst noch etwas wissen?“
„Ich...ich sollte ihm sagen, wo er gelebt hat, alles, was ich über den siebenten Clan weiß. Dann würde er es mir geben. Er….er war wie sein Vater, stand da und genoss meine Qual, meine Demütigung…Aber...er ist doch noch ein Kind….“
„Und er gab es dir, weil er sah, dass du nichts mehr wusstest, und überließ dich deinem Schicksal.“ Der Oberste Heiler war zornig, auch auf sich selbst. Wie hatte er sich so täuschen lassen können? Sharaku hatte sich auf die Prüfung vorbereitet, auch in der Bibliothek gelernt. Dabei musste er alles nachgelesen haben, was dort im Zusammenhang mit dem Ende des siebenten Clans stand. Allerdings waren das nur Fakten, nie Hintergründe. Wollte er nun seinen Vater rächen? Aber dann wäre es Unsinn, Sora zu vergiften. Schuld an dessen Untergang war doch der damalige Herr der Hunde….
Oh Urältester, dachte er nur, nahm sich dann aber zusammen. Hier war eine Patientin: „Komm, Shodo. Ich bringe dich in das Schloss der Königin. Dort wirst du Hilfe finden.“ Und Schutz. Er half ihr empor: „Komm. Ich weiß, du bist schwach, aber du musst die Verwandlung versuchen. – Eine Frage habe ich noch: wann war er das letzte Mal hier?“
„Vor…ich glaube vor zwölf Tagen. Meister Hoshi, ich bin zu schwach. Lass mich hier.“
„Nein. Kein Drache stirbt, wenn ich es verhindern kann.“ Vor zwölf Tagen….nach der Prüfung und vor der Feier, bei der Hayao das Gift erhielt. Hatte Sharaku nur noch die Bestätigung gesucht? Aber was sollte dieses Giftattentat bewirken? Hatte der Wunsch, etwas über seinen Vater herauszufinden, ihn traumatisiert oder in eine Art Wahnsinn getrieben? Dennoch: er hatte ihn erst vor wenigen Tagen gesehen. Und da hatte er freundlich gewirkt, fast zufrieden. Warum? Weil Hayao immer schwächer wurde? Hatte das Attentat doch dem alten Schamanen gegolten? Aber aus welchem Grund? Er legte den Arm um Shodo: „Komm. Du wirst es schaffen, dich zu verwandeln. Und dann fliegen wir langsam, mit vielen Pausen.“
Sie gehorchte müde, ließ sich aus der Höhle führen. Zum ersten Mal seit langen Jahren war jemand nett zu ihr. Sicher, sie hatte sich freiwillig in die Einsamkeit geflüchtet, auch, nachdem sie nach Le-chan.po gekommen waren, aber sie sehnte sich in ihrem Elend nach dem stützenden Arm um sich, der Aussicht auf wie auch immer geartete Hilfe.
Es wurde ein bitterer Flug für die beiden Drachen. Shodo war in der Tat so schwach, dass sie viele Pausen benötigte – und noch eine Dosis Doko. Der Oberste Heiler dachte an einen Tag vor nicht allzu langer Zeit, als er sie kennen gelernt hatte, bei der Umsiedlung der Drachen nach Le-chan-po. Er hatte seine Aufgabe und die seiner Leute darin gesehen, bei dieser Gelegenheit Hilfe zu leisten für diejenigen, denen der Umzug schwer fiel, der Verlust der Heimat. Und da war auch Shodo zu ihm gekommen, hatte ihm ihre Vorgeschichte erzählt. Natürlich hatte er Sharaku gekannt, aber er hatte nicht gewusst, dass dieser der Sohn Ryoukotsuseis war. Allerdings hatte er Shodos Beweggründe verstanden. Zum einen hatte sie nicht gewollt, dass ihr Sohn unter dem miserablen Ruf seines Vaters zu leiden habe. Und zum zweiten hatte sie verhindern wollen, dass dieselben Fehler noch einmal geschehen würden. Immerhin war der ehemalige Führer des siebenten Clans auch für seine Grausamkeit bekannt gewesen. Shodo wusste das am besten. Leider waren ihre Pläne wohl gescheitert. Das würde sich kaum mehr verheimlichen lassen, falls Sharaku wirklich Dummheiten plante. Nun, zwei Schandtaten hatte er ganz offenkundig schon begangen.
Im Schloss brachte Hoshi Shodo in einen Raum, der sehr nahe bei seinem eigenen lag, befahl zwei mit ihm befreundete Heiler zu ihr: „Einer von euch beiden ist stets an ihrem Bett. Wenn sie irgendeinen Wunsch hat, gebt ihn ihr, selbst, wenn es Doko ist. Aber nehmt langsam die Dosis zurück. Ihr wisst schon…entgiften.“ Für einen Augenblick zögerte er, ehe er ihren Blick sah: „Und Shodo, wenn dir noch etwas einfällt, sag es ihnen. Sie werden es aufschreiben.“
„Wohin gehst du, Meister Hoshi?“ erkundigte sie sich mit deutlicher Angst. Sie vertraute ihm, nicht jedoch den anderen.
„Ich weiß es nicht. Ich muss nachdenken. Aber du kannst ruhig bleiben. Nichts wird dir hier mehr Böses widerfahren. – Oh, eine Anweisung noch: niemand hat außer euch beiden Zutritt zu diesem Raum. Niemand.“
„Und wenn Sharaku kommt?“ fragte einer der Heiler zurück.
„Der unter gar keinen Umständen. Genauer, niemand sollte auch nur erfahren, dass sie hier ist.“ Er nickte der Patientin noch freundlich zu, ehe er den Raum verließ. Einer der Heiler folgte ihm, während sich der andere am Lager niederließ.
„Hoshi ….“ meinte er draußen: „Ich bin sicher, du hast ihren Zustand gesehen. Sie ist süchtig nach Doko. Und ich weiß nicht, ob es für eine Entgiftung nicht schon zu spät ist. Ihr Körper scheint vollkommen erschöpft zu sein, die Selbstheilungskräfte aufgebraucht.“
„Wir werden es versuchen. Und, wenn das nicht mehr gelingt, ihr mindestens einen ruhigen Tod geben. Die arme Shodo hatte nie in ihrem Leben Glück. Vielleicht wenigstens in ihrem Sterben.“
„Ich verstehe. Selbstverständlich werden wir uns an die Anweisungen halten.“
„Gut. Ich verlasse mich auf euch. Und, falls sie ins Delirium fällt, schreibt alles auf, was sie sagt. Es mag für das Drachenvolk mehr als wichtig sein.“ Er ignorierte die Überraschung des Heilers, als er sich abwandte und ging.
Von einem Balkon des Schlosses aus blickte er nachdenklich auf den Hafen, das Meer. Was sollte er nur tun?
Gewöhnlich hätte er die Königin informiert, aber diese steckte in der Amulettprüfung, war unerreichbar.
Hayao und dessen beiden Stellvertreter waren im uralten Heiligtum, der Drachenburg, und er kannte weder den genauen Ort, wo es lag, noch hätte er die magischen Schutzbanne überwinden können. Auch dies war keine Option.
Den Rat der Clanführer benachrichtigen?
Das konnte eine Katastrophe auslösen. An deren Verachtung war der siebente Clan damals zerfallen. Ein gut Teil der Drachen war dann in den anderen Clans, allerdings mit Vorbehalt, aufgenommen worden. Kam nun heraus, dass erneut jemand aus dem ehemaligen siebenten Clan ehrlosen Verrat übte oder auch nur andeutungsweise dies plante, konnte dies zu einem Massenmord an dessen ehemaligen Mitgliedern führen.
Nein.
Überdies hatte Shodo doch erwähnt, Sharaku wolle Rache für seinen Vater?
Das konnte ein Desaster werden, wenn sich dieser verrückte Jungdrache an den Hundeclan wagte. Fürst Sesshoumaru und Prinz Inuyasha waren zwar in der Amulettprüfung, aber weder Fürst Akamaru noch Prinz Yuri waren in einem Kampf zu unterschätzen. Dazu bedeutete das den Bruch des Friedensvertrages, würde zu einem neuen Krieg führen. Zu allem Überfluss wäre der Herr der Hunde nach bestandener Prüfung auch noch der Herr der Drachen – und damit wäre jedes Vorgehen eines Drachen gegen ihn Hochverrat, würde also sicher dazu führen, dass es innerhalb des Volkes Streit gab, vielleicht gar Bürgerkrieg, wie in den alten Zeiten. Und das dann mit den Youkai an der Kehle….
Nein.
Es gab nur eine Lösung seines Dilemmas. Er musste nach Japan, in das Schloss im Westen.
Die neue Prüfung war eindeutig eine aus Feuer. Hinter der Tür befand sich eine sandige, kreisrunde Fläche, die auf drei Seiten von meterhohen Flammen umgeben war. Die fünf traten vorsichtig hinein. Im nächsten Moment loderte auch hinter ihnen Feuer auf, war die Tür verschwunden.
„Mist, ist das heiß!“ Inuyasha war froh um sein Gewand aus Feuerrattenhaaren. „Und was jetzt?“
„Drachenfeuer,“ konstatierte Shiro.
„In der Tat“, bestätigte Suisei: „Dies ist bestimmt das Feuer eines Feuerdrachens. In den alten Schriften heißt es, sein Feuer sei so glühend, dass es alles schmelzen könne. Einer der legendären Drachen.“
Es war fast unerträglich heiß inmitten des Feuerringes. Sogar die Luft flimmerte und allen war klar, dass sie sich hier nicht allzu lange aufhalten sollten. Nur: wie lautete die Prüfungsfrage? Was sollten sie tun?
„Dort liegt etwas!“ Sora deutete vor sich.
Shiro sah rasch auf ihren Gefährten, um dessen stumme Genehmigung zu erhalten, ehe sie hinüber sprang und sich bückte. Wie auch die Botschaft, die der Babyfeuerdrache am Anfang gebracht hatte, war dies kein Brief aus Papier, sondern aus einem wohl feuerfesten Material. Sie öffnete und warf einen Blick auf die Zeichen. Ihr Gesicht hätte aus Stein gemeißelt sein können.
Sesshoumaru kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nichts Angenehmes las: „Wie lautet die Aufgabe?“
Sie sah zu ihm: „Die Gefährtin wird die Geliebte des Feuers.“
„Was soll denn der Quatsch?“ erkundigte sich Inuyasha, ehe er erkannte, dass sein Halbbruder ein wenig die Augen verengte: „Was ist los?“
„Das Drachenfeuer um uns wird nur erlöschen, wenn Shiro-sama in die Flammen geht.“ Suisei presste die Lippen zusammen.
„Ja, aber das ist ziemlich heiß.“ Und was sollte das bezwecken?
„Es ist für sie tödlich.“ Dem Feuer eines legendären Drachen hatten gewöhnliche Drachen oder Youkai nichts entgegenzusetzen.
„Ach du…“ Der Hanyou blickte von seinem Bruder zu seiner Schwägerin, die einander in die Augen sahen Was war das denn für eine bescheuerte Prüfung? Wieso ausgerechnet Shiro? Sesshoumaru hatte schon einmal Tenseiga für sie eingesetzt, ein zweites Mal würde das nicht klappen. Es gab sicher eine andere Lösung, eine bessere: „Ich werde versuchen, das Feuer mit der Windnarbe zu löschen.“
Shiro hatte im gleichen Moment, als sie den Text las, verstanden. Die Drachenkönigin sollte am Leben bleiben, das war wohl der Wunsch der Prüfer. Würde sie selbst nicht in das Feuer gehen, wären alle in Gefahr. Auch ein noch so starker Youkai oder Drache konnte es hier nicht lange aushalten. Als Anführer müsste ihr Sesshoumaru befehlen, dies zu tun.
Aber das würde sie nicht zulassen. Er sollte sich keine Gedanken darüber machen müssen, wie er ihr diese Anweisung gab. Es war ihre Pflicht dem Fürsten, dem Herrn der Hunde, ihrem Gefährten gegenüber, ihn zu schützen, ihn und die Leute, die ihm folgten. Und sie wollte nicht, dass er auch nur daran zweifelte, dass sie dieser Pflicht willig folgen würde. Wenn sie schon sterben sollte, dann in ehrenhaftem Andenken:
„Das wird nichts nützen, Inuyasha“, sagte sie, ohne den Blick von den goldenen Augen ihres Gefährten zu nehmen.
Sesshoumaru wusste, dass es keine Alternative gab. Die furchtbare Hitze würde sie alle früher oder später in Atemnot bringen, sie töten. Opferte er nicht Shiro, würden sie alle fünf sterben. Warum sie?
Weil sie seine Gefährtin war und die Prüfer Sora an ihrer Stelle sehen wollten?
Warum sie?
Auch Tessaiga würde nichts gegen das Feuer eines legendären Drachen ausrichten, da konnte Inuyasha machen, was er wollte. Alles in ihm wehrte sich jedoch dagegen, ihr den Befehl zu geben, in das Feuer zu gehen, der Fürst gegenüber einer Untergebenen, der Mann gegenüber seiner Frau. Er wollte sie schützen, wollte sie lebend wissen….aber er sah die einzige Alternative darin, dass sie alle sterben würden.
Und er war doch auch Inuyasha, Sora, Suisei gegenüber verpflichtet, war der Taishou…
Wie schon auf der Insel der Bestie begriff er, wie unendlich schwer diese Aufgabe sein konnte, dass es Entscheidungen gab, die die Seele zu zerreißen drohten. Damals hatte er sich entschieden, Shiro im Stich zu lassen, um Inuyasha zu retten. Er konnte sie unmöglich ein zweites Mal bewusst in den Tod schicken…
„Keh!“ machte der Hanyou derweil. Was sollte dieses schweigende Sichansehen? Er zog Tessaiga. Vielleicht hatte Shiro Recht und es würde nichts nutzen, aber einen Versuch war es immerhin wert. Bislang waren die Prüfungen doch auch irgendwie zu schaffen gewesen. So trat er seitwärts, ein wenig näher an das Feuer hin. Das wurde ja unerträglich heiß. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie das wäre, würde man da drin landen. „Kaze no kizu!“ Die Macht der Windnarbe brachte die Flammen zum Flackern, ehe sie höher – und heißer- aufloderten. „Mist!” Er sprang eilig zurück. Die Luft zum Atmen wurde auch immer stickiger.
Sora hielt sich den Arm vor das Gesicht, um ein wenig die Hitze abzuhalten. Was für eine Prüfung! Sie verstand nur zu gut, dass Sesshoumaru zögerte, den einzigen Befehl zu erteilen, der zumindest vier von ihnen am Leben lassen konnte. Shiro war seine Gefährtin, und nach allem, was sie gehört hatte, waren sie seit Kindertagen befreundet, vielleicht sogar verliebt. Wie grausam, dass er sie opfern sollte. War dies sonst eine andere Prüfung? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jedes Mal in der Heiligen Amulettprüfung die Königin geopfert werden sollte. Nein, davon hatte sie noch nie etwas gehört.
Suisei sah zu dem Hundepaar. Es gab nur eine logische Alternative. Aber Logik und sachliche Entscheidung waren eine Seite, ein solches Opfer eine andere. Wenn vier von fünf jedoch überleben sollten, musste die Bedingung der Prüfung erfüllt werden. Allerdings gab er zu, dass er diesen Befehl nicht hätte erteilen mögen. War dies die schwerste Prüfung für einen König? Dann würde er gern darauf verzichten, einer zu werden.
Er bezweifelte allerdings nicht, dass auch der Fürst der westlichen Gebiete in diesem Moment am liebsten alles hingeworfen hätte.
Ohne Amulett würden sie freilich dieser Welt nicht mehr entkommen, die Drachen hätten keine Königin, keinen König, würden sich in einem Bürgerkrieg verzetteln, wie schon in früheren Zeiten. Und wie der Rest des Hundeclans darauf reagieren würde, fielen gleich drei ihrer Mitglieder einem, in ihren Augen sicher obskuren, Drachenbrauch zum Opfer…nun, daran wollte er lieber nicht denken. Um das Wohl aller willen musste das Heilige Amulett beschafft werden, gleich, um welchen Preis. Aber das wusste sicher jeder der hier Anwesenden.
Sesshoumaru sah noch immer seine Gefährtin an. Der Ausdruck in ihren grünen Augen hatte nichts von seiner Ruhe verloren, und er begriff, dass sie die brutale Konsequenz ihrer Lage ebenfalls erkannt hatte und akzeptierte. Sie hatte sich noch nie gegen seine Anweisung gestellt und würde es auch diesmal nicht tun, aber…
Aber er konnte ihr den Befehl nicht geben, nicht seiner Gefährtin, der Mutter seiner Welpen. Wenn er irgendeine andere Lösung finden würde…
Wäre es um ihn selbst gegangen, hätte er nie gezögert. Dies jedoch ….
„Ich bin schon einmal gestorben“, sagte Shiro leise: „Und ich habe geschenkte Jahre mit dir bekommen, sogar unsere Welpen. Ich danke dir für alles.“ Ohne weiteres Wort drehte sie sich um und ging auf die Flammenwand zu.
„Shiro!“ schrie Inuyasha auf und wollte zu ihr springen, um sie zurückzuhalten, als er bemerkte, dass sich sein Halbbruder vor ihn bewegt hatte, schnell wie eh und je.
„Dämlicher Hanyou!“ knirschte der, wie in alten Zeiten.
„Du kannst sie doch nicht opfern…“ Inuyasha fasste instinktiv nach Tessaiga. Er begriff nicht, wieso Sesshoumaru nicht noch etwas anderes versuchte. Irgendetwas musste es doch geben! Man beschützte seine Gefährtin doch! Da nahm er den Ausdruck in den Augen seines Halbbruders wahr. Er hatte ihn schon einmal gesehen, diese so seltene Gefühlswelt, vor dem Tempel auf der Insel der Bestien, als Shiro dort tot gelegen hatte. Und er sah den Schmerz, die Trauer, die sich nur zu gern in Zorn auf ihn entluden. Gab es etwa wirklich keinen anderen Weg? Wirklich nicht? Unwillkürlich blickte er zu den Drachen, aber die starrten zu Shiro. Langsam ließ er die Hand sinken.
Sesshoumaru bemerkte es und wandte den Kopf, sah zu seiner Gefährtin. Sogar diesen letzten Befehl hatte sie ihm abgenommen. Shiro….
Sie stand vor den Flammen. Die Hitze dort war so groß, dass ihre roten Haare wehten. Sie drehte sich noch einmal um. Es war leichter, als damals vor dem Tempel der Bestie, würde es doch schneller gehen. Dort hatte sie ihre komplette Energie verbraucht, und sie wusste noch, wie schmerzhaft diese vollkommene Erschöpfung gewesen war, erst recht, als ihr eigener Wille das letzte Youki aus ihrem Körper getrieben hatte. Nein. Diesmal würde es schneller gehen, weniger qualvoll sein. Mit einem Satz sprang sie mitten in die lodernde Flammenwand, die hinter ihr, über ihr zusammenschlug.
Für einen Moment spürte Shiro die irrwitzige Glut um sich, einen fast unerträglichen Schmerz, dann fühlte es sich so an, als ob sich etwas fest um sie legte. Flammen prasselten, das hörte sie noch. Und dann war nichts mehr da, außer einer stillen, tiefen Schwärze.
Die erstarrten Zuschauer erkannten noch eine Bewegung im Feuer, das über seinem Opfer zusammenschlug. Für einen Augenblick glaubten sie, etwas Schwarzes in den Flammen zu sehen, dann fielen diese in sich zusammen.
Der Weg nach draußen war frei.
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Ob das jemanden tröstet?
Im nächsten Kapitel lernt ihr Sharaku und seine Freunde kennen. Und Sesshoumaru die letzte Aufgabe der Prüfung...
Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlasen, erhält, wie gewohnt, eine Info -ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
bye
hotep