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Werdet ihr zu mir halten?
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Prolog

Prolog

Die Sanitäter liefen hektisch um den Rettungswagen herum, aus dem der soeben eingelieferte Patient, eingehüllt in eine warme Decke, geholt wurde.

Ruhig und doch schnell bahnte sich die diensthabende Ärztin der Notaufnahme einen Weg durch die Sanitäter und Assistenten und warf einen Blick auf das aschfahle Gesicht des Bewusstlosen. Dann wandte sie sich an einen der Sanitäter: „Ich höre?“

„Der Patient ist etwa 18 oder 19 Jahre alt, der Name ist unbekannt; er hatte weder Ausweiß noch ähnliche Dokumente in seiner Geldbörse oder Jacke. Herzversagen; ein Augenzeuge hat beobachtet, dass er plötzlich auf der Straße zusammengebrochen ist und die Rettung gerufen. Anscheinend war er allein unterwegs.“

„Gut. Komplikationen?“

„Kurzzeitiger Herzstillstand, der Passant, der uns gerufen hat, hat aber reanimiert. Puls und Atmung sind schwach, aber stabil.“

Die Ärztin nickte und blickte auf den roten Haarschopf des Patienten.

„Hat der Passant ihn vielleicht identifizieren können?“

„Wie meinen Sie das?“

„Er sieht dem Leader des russischen Beyblade-Teams sehr ähnlich.“

„Ich habe in seiner Hosentasche nachgesehen; ich habe ein Handy gefunden.“

Wie aufs Stichwort klingelte besagtes Objekt. »Bryan« zeigte der Display. Nach kurzem Zögern hob die Ärztin ab.

„Tala? Verdammt noch mal, wo steckst du? Wir warten schon seit über einer Stunde auf dich! Warum meldest du dich nicht?“

„Entschuldigen Sie, hier spricht Dr. Karschtschow, die diensthabende Ärztin.“

Die Stimme am anderen Ende des Hörers wechselte im Ton von nörglerisch zu misstrauisch. „Was soll das? Was ist mit Tala los?“

„Ihr Freund wurde gerade ins Krankenhaus eingeliefert. Laut einem Augenzeugen ist er auf der Straße zusammengebrochen.“

Der junge Mann schwieg für einen kurzen Augenblick, bevor er sich wieder meldete: „Wir kommen sofort.“

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Danke fürs Lesen^^

Ich würde mich wirklich freuen, wenn ihr mir Feedback geben könntet^^

Und jetzt sind alle angesprochen, die sich etwas mit Medizin auskennen: wenn ihr hier einen Fehler bezüglich der Angaben usw. findet, dann lasst es mich bitte wissen.

Das nächste Kapitel ist noch im Feinschliff, aber müsste eigentlich bald kommen.

So, und jetzt habe ich euch fertig zugelabert und freu mich auf die Leser, die hier reinfinden^^

Dat FW^^

Helles Grau

Kapitel 1: Helles Grau

Grau.. helles Grau.

Oder gräuliches Weiß.
 

Als er aufwachte, wusste er zunächst nicht, wo er sich befand.

War er nicht eben noch auf der Straße gestanden? Und nun.. wo war er jetzt?
 

Nur sehr langsam klärte sich sein Bewusstsein, und immer klarer wurde das zunächst dumpfe hohe Piepsen des Apparates links von seinem Bett. Genauso wie das Schnaufen des Beatmungsgerätes, an das er offensichtlich angeschlossen war.

Was sollte das? Ihm fehlte doch – soweit er jedenfalls wusste – nichts!
 

Das helle Grau verwandelte sich langsam in ein fahles Licht auf der in Schatten gehüllten Zimmerdecke, das durch die Rollos des Fensters hereinfiel. An seinem Arm hing ein Tropf mit irgendeiner undefinierbaren Flüssigkeit darin.

Und dann wurde er sich eines Gewichts auf seiner Hand gewahr, das dort warm und trocken lag.

Langsam, ganz langsam wandte der Rothaarige den Kopf, um besagtes Gewicht zu identifizieren. Er hatte es für ein Stofftier oder ähnlichen Krimskrams gehalten, vielleicht auch ein Gips oder so etwas, aber nicht, was er nun erblickte.

Die Augen geschlossen, den Kopf auf den einen Arm gebettet, die andere Hand hielt die seine. Der Junge saß auf einem dieser unbequemen Plastikstühle und atmete gleichmäßig und ruhig.

Es war Ian. Dessen Hand seine hielt. Und der schlief.

Tala runzelte die Stirn. Was sollte das alles nur? Warum saß Ian an seinem Bett? Und warum – verdammt noch mal – hielt er seine Hand?

Der Rothaarige hasste es, angefasst zu werden. Und das wussten die Mitglieder der ehemaligen Demolition Boys auch. Deshalb ließen sie ihn die meiste Zeit einfach in Ruhe.

Tala beschloss, es für dieses eine Mal durchgehen zu lassen, denn irgendwie.. machte es ihm nichts aus.

So wandte er seinen Kopf langsam wieder der Zimmerdecke zu. Der Monitor, der leise neben ihm piepste, warf fahles, grünliches Licht auf das Zimmer und sein spartanisches Inventar – ein Tisch, vier Stühle, ein Nachschrank und das Bett, in dem er lag. Ach ja, und eine Nische, in der wohl eine Art Waschbecken oder so was zu sein schien.

Da es ihm zu langweilig wurde, einen Riss im Verputz der Decke zu begutachten, beschloss er, sich wieder dem Schlaf zu überantworten. Das brachte doch eh alles nichts.

~*--------------------------------------------------------------------------------------------*~

Als Ian aufwachte, galt sein erster Blick dem Teamleader, um gleich darauf entmutigt den Blick zu senken. Talas Zustand schien noch immer unverändert.

Es war so etwa 2 Uhr Nachmittags gewesen, als er, Spencer und Bryan im Krankenhaus eingetroffen waren.

Woher er das so bestimmt sagen konnte? Ganz einfach. Als die Ärztin endlich an Talas Handy gegangen war, hatte sich Ian gerade einen Cartoon ansehen wollen, der immer um 2 lief.

Was brachte das alles?

Sie waren Hals über Kopf aufgebrochen, um ihren Teamleader zu sehen, ihm beizustehen – zumindest die meisten von ihnen – und nun?

Was würde passieren, wenn Tala nie wieder aufwachte?

Dieser negative Gedanke ließ ihn erzittern. Nein, daran wollte er noch nicht einmal im Ansatz wagen zu denken!

Tala würde wieder gesund werden, er würde sie wieder beim Training herumscheuchen, er würde wieder mit ihnen am Frühstückstisch oder im Wohnzimmer sitzen, wenn sie sich unterhielten, und auch mal wieder maulen, wenn ihm etwas nicht passte..!

Aber Ian war sich im Moment dessen gar nicht so sicher. Denn Tala regte und regte sich einfach nicht.

Warum dachte er gerade so gut über den Teamleader? Was kümmerte es ihn eigentlich, dass er bei ihnen blieb? Sie würden doch eh irgendwann – vielleicht war der Moment fern, vielleicht auch nah – zu ihren Familien zurückkehren! Wozu dann noch der ganze Terz um Tala?

Sicher, beantwortete sich Ian die Frage im Stillen für sich selbst, bestimmt waren sie kein Bilderbuchteam.

Falls man es überhaupt wagen dürfte, sie als Team zu bezeichnen. Denn in Wirklichkeit kümmerten sie sich eigentlich einen Dreck umeinander. Sicher, es gab Sym- und Antipathien untereinander, und sie kannten sich schon alle, seit sie ganz klein gewesen waren. Aber einander wirklich KENNEN, das taten sie nicht. In der Tat waren die ehemaligen Demolition Boys nichts weiter als ein Haufen zusammengewürfelter Haufen, eine Art letzte Frist, bis sie zu irgendwem zurückkehren würden.

Vielleicht gab es da draußen ja wirklich irgendwo noch einen Verwandten..?

Aber Ian wusste genauso wie alle anderen, die hatten mitansehen müssen, wie ihre Familie niedergemetzelt wurde, dass es sinnlos war, so etwas zu hoffen.
 

Plötzlich nahm Ian eine winzige Bewegung an seiner Hand wahr. Er sah auf, und blickte geradewegs in die eisblauen Augen Talas.

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Danke fürs Reinlesen^^

Ich freu mich wie jeder hier auf Kommentare..^^

Bye, dat FW^^ *schmatz*

Spott

Kapitel 2: Spott

Der Blick der eisblauen Augen schien ihn festzuhalten, und schnell ließ der Jüngste der ehemaligen Demolition Boys die Hand des Rothaarigen los. Er konnte nicht einmal ansatzweise erkennen, was der Teamleader wollte.

„Ian“, flüsterte Tala heißer. Angesprochener erschauerte leicht. „Ja..?“, kam die zögerliche Antwort. „Was ist.. passiert?“ „Ähm.. Laut der Ärztin von vorhin bist du wohl auf der Straße plötzlich zusammengeklappt..“ Tala lachte ein Lachen, das mehr wie ein Röcheln klang und in einem Hustenanfall unterging. Besorgt dreinblickend holte Ian unaufgefordert ein Glas Wasser.

„Die anderen sind Zuhause?“ Ian nickte wahrheitsgemäß. Bryan und Spencer waren weggegangen, kaum dass sie wussten, dass ihr Teamleader noch am Leben war. Noch.

„Geh nach Hause“, Talas barsch klingende Worte ließen Ian zusammenzucken. Der Rothaarige schien müde zu sein, denn er schloss die Augen und wandte dem Dunkelhaarigen sein Profil zu, ohne Antwort abzuwarten.

~*------------------------------------------------------------------*~

„Da bist du ja wieder! Hat Tala dich weggeschickt?“, grinsend blickte Bryan durch die offene Tür der Stube, in die der Flur mündete. Er erntete ein leises Brummeln seitens des Angesprochenen. Doch der Silberhaarige ließ sich davon nicht beirren. Er lächelte sein typisches schiefes, spöttisches Lächeln, während er unbeirrt weitersprach: „Also doch. Ich hab’s dir ja gesagt, Krümel. Du solltest dich nicht so sehr um den alten Grießgram kümmern. Er kümmert sich doch genauso wenig um uns!“ Bryan beobachtete, wie sich der Griff Ians um seine Jacke, die er gerade aufhängen wollte, verkrampfte.

Treffer, versenkt.

Bryan liebte es, seine Teamkollegen zu quälen. Ob es nun an seiner Erziehung in der Abtei lag oder an etwas anderem.. es war ihm schlicht und ergreifend egal.

~*---------------------------------------------------*~

Tala hörte leises Kratzen auf Linoleumboden. Er vermutete, dass sich der Jüngste des Teams verzogen hatte. Trotzdem machte er die Augen nicht wieder auf. Er wollte nicht mehr, es war genug.

Er wollte eigentlich nicht alleine sein, er hatte noch nie alleine sein wollen.

Aber mit der Zeit kommt man so einigem auf die Spur, und auch er hatte sich irgendwann damit abgefunden, dass sein Leben ein einziger einsamer Kampf sein würde.

Er spürte, wie die Bettdecke über ihm nochmals glattgestrichen wurde. „Komm bald wieder auf die Beine, ja?“, geflüsterte Worte hallten durch das spartanische Zimmer, bevor eine Tür leise knarrte und einrastete.
 

Tala versuchte zu schlafen, was ihm jedoch gehörig misslang. Hinter seinen geschlossenen Lidern lief der letzte Satz Ians, bevor er aus dem Zimmer gegangen war, auf Endlos-Wiederholung. Und es gab keine Stopptaste, um es anzuhalten. In gewisser Weise war der Rothaarige gerührt. Ians Stimme.. sie klang so unschuldig und.. beinahe schon kindlich..

Dabei hatte er immer geglaubt, seinen Teamkameraden läge nichts an ihm.. und jetzt das! Es war einfach nur..

..

Er fand keinen Ausdruck für dieses Gefühl, das er gerade empfand. Es war keine Wut, keine negativen Gefühle. Mehr war es etwas Zarteres, Empfindlicheres.. Wie die sachte Berührung zweier Schmetterlingsflügel während des Flugs.

Ein bitteres Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. Wie kam er denn gerade auf so einen Vergleich?

~*------------------------------------------------------*~

Ian hängte seine Jacke auf, um dann Türen knallend in der Küche zu verschwinden. „Ich halt das langsam echt nicht mehr aus!“, zischte er wütend. Spencer blickte vom Kochtopf auf dem Herd auf. „Du bist wieder da?“, bemerkte er überflüssigerweise, während er begann, die Soße abzuschmecken. Ian beachtete den etwas dümmlichen Kommentar nicht und pflanzte sich in der kleinen Küche hinter den Tisch auf die Bank. Lieber regte er sich weiter über Bryan auf. „Oh, ich könnte ihn..!“ „Nein, könntest du nicht.“ Ian raufte sich die Haare. „Dieser.. dieser..-“ „Junge? Du weißt doch, wie Bryan ist, Ian. Er kann nicht mit seinen Gefühlen umgehen.“ Der Jüngere seufzte. „Ja.. stimmt schon.. trotzdem könnte er sich wenigsten hin und wieder etwas zurückhalten..“ „Sag das nicht mir, sondern ihm.“ „Da hast du allerdings Recht. – Was wird das?“ Doch der Blondschopf hatte ihn nicht gehört, sondern versuchte in unglaublicher Geschwindigkeit, verkohlt riechendes Backwerk aus dem Ofen zu holen und zu retten, was noch zu retten war.

Ian blickte aus dem Fenster. Er mochte den großen Teamkamerad irgendwie. Und das nicht nur, weil er mit Abstand der beste Koch im Team war. Nein, Spencer hatte eine sehr hilfreiche Eigenschaft an sich: er hörte zu und erkannte oft schon nach wenigen Worten, wie der Mensch innen drinnen war. Dieses Talent hatte sich erst vor einiger Zeit deutlich gezeigt, er hatte es aber schon vorher besessen, und woher es kam wusste wahrscheinlich nur der Blonde selbst.

„Kommst du morgen mit zu Tala?“, wollte Ian von dem Kochenden wissen. „Ich hasse Krankenhäuser..“, bemerkte dieser nur und wandte sich nun vollends wieder seinem Herd zu.

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Hey, ich hoffe, ihr alle habt überlebt.. Würde mich wie immer über Rewievs freuen^^

Bussi, FW

Stolz

Kapitel 3: Stolz

Tala schlief. Jedenfalls sah er danach aus, als Ian auf leisen Pfoten das Zimmer betrat. Doch dem war nicht so. Kaum hatte der Jüngere ein leises „Hallo“ über die Lippen gebracht, öffneten sich seine azurblauen Augen und er blickte träge zum Sprecher.

Ian schluckte leicht. Tala sah müde aus und dunkle Ringe unter den Augen. Er hatte bestimmt nicht gut geschlafen. Und da war noch etwas: Tala war immer sehr pingelig mit seinen Haaren gewesen, aus welchem Grund auch immer, und sie hatten immer geglänzt und waren als erstes ins Auge gefallen (nach seinen ungewöhnlichen Augen natürlich). Heute jedoch waren Talas Haare stumpf und glanzlos und verteilten sich auf dem Kissen rund um das aschfahle Gesicht des Leaders.

Er setzte sich auf einen der unbequemen Besucherstühle, nachdem er ihn an das Bett gerückt hatte. „Ich habe Spencer und Bryan gefragt, ob sie mitkommen.“ Eine Zeit lang lauschte er dem monotonen Piepsen der Gerätschaften, bevor er weitersprach: „Sie wollten nicht.“ Tala zeigte keine Reaktion. Er lag einfach da, das Gesicht dem Fenster zugewandt, und Ian war sich noch nicht einmal sicher, ob der Teamleader ihm überhaupt zugehört hatte.

Auch wenn er es nicht gerne zugeben wollte, Tala hatte ihm immer schon ein wenig Angst eingejagt. Mit den anderen konnte man hin und wieder wenigstens noch reden.. hatte man reden können.. mit ihm jedoch schien das unmöglich. Der Rothaarige umgab sich mit einem Mantel aus Kälte, der ihn von ihnen allen unterschied. Es schien unmöglich, diesen Mantel zu überbrücken. Auch jetzt jagte der Anblick seines Teamleaders Ian einen Schauer über den Rücken. Egal wie schwach er war, Tala hatte immer etwas Würdevolles an sich, um nicht zu sagen etwas Stolzes, Eisiges..
 

Es klopfte, und eine Ärztin trat herein, in Begleitung einer Krankenschwester. Ian erhob sich leise und verabschiedete sich leise von seinem Teamleader, ehe er seine Jacke vom Haken nahm und die Tür beinahe geräuschlos hinter sich schloss. Die Besuchszeit war wohl vorbei..

~*---------------------------------------------------------------*~

Tala blickte auf die Tür, die sich soeben geschlossen hatte, bevor er seine Aufmerksamkeit auf die Ärztin richtete, die ihm schon etwas länger die Hand entgegenstreckte. Der Rothaarige richtete sich langsam auf und blickte der Frau Doktor mit unverhohlener Skepsis in die Augen, als er die Hand ergriff und ihren kräftigen Händedruck erwiderte.

Die blondhaarige Ärztin lächelte ein Lächeln, das sie wohl für freundlich hielt. „Tala Ivanov, nehme ich an? Mein Name ist Dr. Karschtschow, ich bin Ihre behandelnde Ärztin.“ Die Frau nickte der Krankenschwester zu, die ihr die Krankenakte überreichte. „Sie heißen Tala Ivanow, sind 19 Jahre alt und wohnen hier in Moskau, richtig?“ Der Rothaarige bejahte nickend. Woher wusste die Ärztin dies alles? „Haben Sie sich in letzter Zeit oft müde oder ausgelaugt gefühlt? Oder haben Sie festgestellt, dass sie in letzter Zeit oft bei alltäglichen Anstrengungen wie Treppensteigen schneller ermüdet sind?“ Wieder bejahte der Rotschopf.

~*------------------------------------------------------------*~

„Du bist ja schon wieder da.“, bemerkte Bryan, überrascht, seinen Teamkollegen schon in der Wohnung zu sehen. Ian grummelte etwas Unverständliches, bevor er hinter seiner Zimmertür verschwand.

Der Silberhaarige zuckte mit den Schultern, ehe er die Einkaufstüte, die er soeben abgestellt hatte um sich die Jacke auszuziehen, wieder aufnahm und in die Küche trug. Dort werkelte – wie erwartet – Spencer. Bryan räusperte sich leicht. Der großgewachsene Blonde blickte auf. „Und, alles bekommen?“, wollte er wissen. „Nein“, murmelte der Silberhaarige leise und drehte sich um, bevor der Grauäugige noch etwas sagen konnte.

Spencer blickte seinem Teamkollegen etwas ratlos nach und wandte sich dann wieder dem Herd zu. Er konnte am besten nachdenken, wenn er kochte oder buk, und in letzter Zeit hatte er sehr, sehr viel nachzudenken. Deshalb verbrachte der Blonde zurzeit beinahe jede freie Minute, die er nicht trainierte, in der Küche. Seinen Teamkollegen schien das alles nichts auszumachen, solange sie nicht für Hilfsarbeiten wie Kartoffelschälen eingestellt wurden, und ließen ihn die meiste Zeit in Ruhe. Nun gut, hin und wieder spielte er auch Seelenklempner, auch wenn ihm schleierhaft war, warum gerade er..
 

Irgendwann betrat Bryan die Küche und linste ihm unauffällig über die Schulter, während er sich ein Glas Wasser holte. „Was wird das?“, wollte er wissen, als er mit Blicken nicht weiter kam. „Waffeln, siehst du doch.“ Bryan schnappte sich mit einer schnellen Bewegung eine der besagten Backwahren. Er kaute langsam darauf herum. Spencer beobachtete gespannt die Reaktion des Silberhaarigen. Er war schon immer der wählerischste Esser unter ihnen gewesen, und Spencer sah es jedesmal als eine Herausforderung, ihn zum Essen zu bewegen.

„Nicht übel“, riss ihn Bryans Stimme aus seinen Gedanken und Spencer konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen.

~*---------------------------------------------------------*~

Die Ärztin hatte sich verzogen, genauso wie die Krankenschwestern. Er war die ewig selben Fragen leid. Sie wussten doch eh schon alles über ihn, wenn nicht aus der Krankenakte, dann doch wenigstens nach diesen endlos langen Frage-Stündchen. Tala drehte sich mit einem Seufzen wieder in Richtung Fenster und starrte stumpf hinaus. Da war nichts als grau. Passend zu seiner Laune.

Obwohl er geschlafen hatte, fühlte er immer noch diese bleierne Müdigkeit in sich. Tala täuschte hier oft Schlaf vor, wenn er in Ruhe gelassen werden wollte, womit er besonders im Abwimmeln der (über-)fürsorglichen Krankenschwestern Erfolg hatte. Einzig für seine Teamkollegen machte er auch mal die Augen auf.. nun gut, für seinen Teamkollegen. Denn außer Ian hatte es keiner für nötig erachtet, die Krankenhaus-Phobie, die sie alle hatten, zu überwinden und ihn zu besuchen. Eine auf brutalste Art realistische Stimme in seinem Kopf sagte ihm, dass dieses Wunder wahrscheinlich auch niemals geschehen würde. Genauso wenig wie er sich jemals mit einem von ihnen unterhalten - richtig unterhalten – würde.

Das einzige, das er im Moment wirklich wollte, war schlafen und das in seinem eigenen Bett, in der Wohnung, wo er entfernt das Geschnatter seiner Teamkollegen hörte. Auch wenn er es nicht gerne zugab und immer über den spätabendlichen Lärm nörgelte, war es doch ein gewohntes Geräusch geworden.

Hier erinnerte ihn alles unangenehm an die unterirdischen sterilen Labore der Abtei.

Die Abtei. Kalte Zimmer, harte bloße Steinmauern, klinisches Weiß.. ein lilahaariger Teufel in Menschengestalt..

Zittern überfiel Tala. Er kniff die Augen fest zusammen als könnte er so der schrecklichen Vision entgehen und ermahnte sich zum ruhigen Durchatmen. „Das ist alles vorbei..“, versuchte er sich zu beruhigen. Doch das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen blieb. Kalter Schweiß rann über seine Schläfe, und der Rothaarige rollte sich klein zusammen, während eine Träne sich über seine Wange schlich.

Schmerzen, unendliche Schmerzen schienen zurückzukehren aus den Tiefen seiner Vergangenheit.
 

Vage konnte Tala noch wahrnehmen, wie die Geräte um ihn herum anschlugen, bevor er sich in tiefe Dunkelheit fallen ließ, die am Rande seines Bewusstseins nagte.

*~------------------------------------------~*

Ian kauerte auf einem Stuhl in der Küche und rührte ohne wirklichen Hunger in seinem Essen herum. Spencer hatte sich mal wieder selbst übertroffen, doch ihm war der Appetit vergangen, nachdem die Hiobsbotschaft sie über telefonischen Weg ereilt hatte. Bryan war drangegangen – was ein Zeichen dafür war, wie aufgewühlt er war, denn normalerweise wurde das kleine, weiße Gerät im Flur ihm überlassen – und hatte es ihm und Spencer gleich mitgeteilt. Ohne eine Emotion durch seine Mimik oder Gestik zu verraten. Tala hatte das Bewusstsein verloren.

Nach einer Panikattacke.

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Ich weiß nicht, was ich schreiben soll^^

Ich bin erstmal beeindruckt, wie viele Kommis ich schon hab *sonst nich so oft vorkommt*

Danke, euch allen^^

Ach ja: Ich hoff, das Kapitel ist ein bisschen länger für euren Geschmack^^

Die FF an sich ist 'n bisschen.. schwierig zu schreiben, aber mit eurer Hilfe (also Kommis) die mich motiviert wird's schon klappen.=3 *mau*

HEAL, FW^^

Besuch

Kapitel 4: Besuch

Es sah aus als würde er schlafen. Friedlich schlafen.

Seine Lippen waren unter der Atemmaske leicht geöffnet, seine Augen geschlossen. Sein Brustkorb hob und senkte sich kaum merkbar, jedoch in beruhigender Beständigkeit. Noch war er nicht bereit, aufzugeben, das sah man.

Trotzdem bot er ein erschreckendes Bild. Seine Haut war glanzlos und aschfahl, das klinische Licht der Neonlampe am Fenster erhellte als einzige Lichtquelle den Raum. Schatten schienen nach dem Rothaarigen greifen zu wollen, einzig vom spärlichen Licht gehindert und doch so nah, dass die Dunkelheit ihn halb zu verschlingen drohte.

Ein einzelnes, zur Hälfte leergetrunkenes Glas Leitungswasser stand auf dem Nachttisch und reflektierte das kalte Licht in einem blassblauen Spektrum an die Zimmerdecke und den schlafenden Körper.

Er würde niemals aufgeben, das war nicht seine Natur. Er war ein Kämpfer. Und doch.. Er sah aus, als wäre er entspannt.

Ein seltenes Bild von Tala.

~*-------------------------------------------------*~

Bryan hielt die beklommene Stille in ihrer kleinen Wohnung kaum aus. Ian wich seit dem Zusammenbruch ihres Teamleaders vor zwei Tagen kaum noch von Talas Seite. Er kam praktisch nur noch zum Schlafen zurück, und um die Zeitspannen zwischen den Besuchszeiten abzuwarten.

Sicher, Ian war der jüngste von ihnen, doch der klein geratene Russe zeigte in dieser Situation eine Feinfühligkeit, die er, Bryan, ihm nicht zugetraut hätte. Andererseits.. Ian war ein Musiker, das konnte sowohl alles als auch nichts bedeuten.. Und sein Herz war größer als man auf den ersten Blick annehmen mochte.

Spencer werkelte fast pausenlos in der Küche. Ab und zu verirrte sich ein Teil der Geräuschkulisse auch zu Bryan ins Zimmer. Es hatte etwas Beruhigendes an sich. Das Geräusch eines plötzlich angehenden Küchengerätes schien aus einer anderen Welt zu kommen und erinnerte ihn daran, dass das Leben draußen weiterging, ob er nun ewig in seinem Zimmer blieb oder nicht.

Bryan fühlte ohnmächtige Wut in sich aufsteigen als er daran dachte, dass er nichts unternehmen konnte. Das machte ihn schier wahnsinnig! Er ballte die Hände zu Fäusten, um sie gleich darauf wieder zu entkrampfen.

Unruhig tigerte der Silberhaarige durchs Zimmer. Er hielt es nicht aus. Er wollte Klarheit, verdammt! Er wollte wissen, was sich zugetragen hatte, dass der Teamleader Panik bekam. Er musste es wissen! Tala war nicht schwach, er war niemals schwach gewesen.. Oder?

Bryan fuhr sich durch die kurzen Haare und seufzte leise, ehe er nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr seine Tasche nahm. Im Moment musste er jeden Gedanken an das Team aus seinem Kopf verbannen, die Arbeit ging vor. Fürs erste. Schließlich mussten sie doch auch von etwas leben und die Miete bezahlen.

~*----------------------------------------------------*~

Der Stuhl kratzte leicht über den Linoleumboden, als Ian das Plastikmöbelstück heranrückte, und ächzte leicht, als er sich daraufsetzte. Alles klang gespenstisch und seltsam laut wider in der einzig von den Lauten der Gerätschaften unterbrochenen Stille.

Ian fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Vielleicht, weil er es nicht gewohnt war, seinen Teamleader so zu sehen. So angreifbar.. verletzlich.. hilflos..

Bei diesem Gedanken schauderte der Dunkelhaarige. Es war.. nicht richtig. Tala war ihr Teamleader, er war der Stärkste von ihnen, auch wenn sie es nicht gerne zugaben. Er überwachte alles, kümmerte sich um alles. Er war einfach da, wenn sie ihn brauchten.

Bisher hatte er völlig außer Acht gelassen, dass Tala auch immer bei ihnen gewesen war, als sie sich voneinander abgewandt und ihr Leben selber in die Hand genommen hatten. Er war wie ein Fels hinter ihnen gestanden und hatte ihnen geholfen, falls sie ein Problem gehabt hatten – ob nun mit einer Uni-Bewerbung oder einfach, wenn sie jemanden zum Zuhören gebraucht hatten. Tala hatte ihnen immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten.

Den klein geratenen Russen durchfuhr die Erkenntnis wie ein Blitzschlag. Das Team.. die Blitzkrieg Boys.. war sein Lebenswerk. Tala lebte für sie.. dabei waren die Blitzkrieg Boys im Inbegriff, auseinander zu fallen.

Zögernd ergriff Ian die Hand Talas. Sie lag seltsam kraftlos in seiner eigenen, nichts erinnerte an den starken Händedruck des Teamleaders. Doch.. möglicherweise war es sogar gut. Es zeigte, dass hinter dem stolzen Teamleader auch ein einfacher Neunzehnjähriger verborgen lag. Ein Neunzehnjähriger, den seine Probleme überwältigt hatten.

Wie lange hatte er wohl mit Schmerzen gelebt? Wochen, Monate, sogar Jahre?

Im Moment zählte nur der junge Mann, der er trotz allem Respekt war. Und dieser Mensch hatte sich zu lange selbst zurückgestellt, ohne dass sie es gemerkt hatten.

~*-------------------------------------------------*~

Es war Nacht.

Die unauffällige Uhr über dem Fenster zeigte fortgeschrittene Stunde an. Jede Bewegung der Zeiger schien wie ein mahnender Finger, der ihn tadelte. Oder verhöhnte.

>Warum lässt du dich erst jetzt blicken, du kommst zu spät. Du kannst nichts mehr tun.<

Er schüttelte den Kopf. Drehte er langsam durch? Das Ticken der Uhr war gut zu hören – im Stillen fragte er sich, wie Tala dabei bloß schlafen konnte, wo er doch sonst immer einen leichten Schlaf gehabt hatte.

Noch stand er an die Eingangstür gelehnt im leicht abgegrenzten Vorraum mit der Tür zum Badezimmer und den 3 Schränken.

„Komm rein, Bryan, ich habe dich schon gehört“, ertönte da plötzlich eine leise Stimme, die vom vielen Schweigen gebrochen klang.

Bryan fuhr sich nervös durch die silbernen Haare, ehe er ins eigentliche Zimmer trat. Er konnte ein Schaudern nicht unterdrücken, als er seinen Teamleader sah. Tala saß aufrecht im Bett und blickte auf die Wand ihm gegenüber.

Der Silberhaarige zögerte kurz, ehe er sich einen der Besucherstühle umdrehte und sein Kinn auf seine Hände auf der Lehne stützte. Die Arbeit heute war anstrengend gewesen, aber wenigstens hatte sie ihn für eine kurze Weile vom Team abgelenkt.

Schweigen machte sich zwischen den beiden breit, die Art von Schweigen, in der die beiden Gesprächspartner darauf warten, dass der jeweils andere beginnt.

„Ich dachte, du wärst noch bewusstlos.“, bemerkte Bryan schließlich, als er merkte, dass Tala nicht von sich aus zu sprechen beginnen würde. Der Rothaarige nickte leicht. „Seit 2 Stunden nicht mehr.“ Dabei wandte er sein Gesicht dem Silberhaarigen zu. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und der Ausdruck in seinen faszinierend hellblauen Augen war einfach nur.. müde. Ja, das war der richtige Ausdruck für die beinahe schon verdrossen wirkende Miene des Rothaarigen. Bryan runzelte die Stirn. „Warum haben die Typen hier nicht angerufen?“ Ian wäre bestimmt so schnell wie möglich hergekommen, wie er in Gedanken hinzufügte.
 

„Ich wollte es nicht.“

Wie bitte? Hatte er gerade richtig verstanden? Hatte Tala gerade gesagt, er hatte sie nicht informieren wollen?

Wieder runzelte Bryan die Stirn, leicht ungläubig. „Warum?“, fragte er leise. Es brauchte nur dieses eine Wort auszusprechen, der Rest lang an Tala. Während er auf Antwort wartete, stand er auf und schritt ans Fenster, raus aus dem kleinen Lichtkegel rund um das Bett. Er stützte sich leicht am Fensterbrett ab und sah durch sein Spiegelbild hindurch hinaus auf das nächtliche Moskau.

~*---------------------------------------*~

Tala zog die Beine an den Körper, schlang die Arme herum und legte sein Kinn darauf. Statt auf die Frage zu antworten, meinte er betrübt: „Weißt du noch, als wir Kinder waren?“ Er sah Bryans sich verdüstern, so als ahne er bereits was Tala sagen wollte. „Wann waren wir Kinder?“, warf er mit Grabesstimme ein, doch Tala ging nicht auf den Ausspruch ein.

„Waren wir nicht mal so was wie Freunde, Bryan?“, fragte Tala bekümmert.

~*----------------------------------------*~

Diese Seite kannte der Silberhaarige noch gar nicht von Tala. Er hatte nie darüber nachgedacht, ob der Rothaarige ihr Auseinanderleben auch gewollt hatte. Er hatte sich distanziert, schon immer, und Bryan war automatisch davon ausgegangen, dass es auch dem Teamleader ging wie ihnen allen – sie hatten ein eigenes, unabhängiges Leben gewollt. Aber.. anscheinend irrte der Silberhaarige gewaltig. Wie hatte er das nur übersehen können?

Früher einmal war ihm nichts entgangen. Er und Tala waren einmal Freunde gewesen – jedenfalls hatten sie sich gut verstanden. Sie hatten einander gekannt, sodass sie kaum hatten Worte wechseln müssen, Blicke hatten gereicht, um alles zu erfahren.

„Ich glaube schon..“

Doch das war lange her. Er hatte mit solcher Gewalt nach vorne ins Licht, ins Leben, gestrebt, dass er nicht auf die anderen geachtet hatte, ob sie auf der Strecke blieben. Und jetzt bekam er die Quittung dafür. Er verstand die ihm bekannte Welt nicht mehr.

Es wurde Zeit, sich endlich umzudrehen und nach den anderen zu sehen.

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Zugegeben, ich bin nicht so ganz zufrieden mit dem Kapitel. Bryan ist ein sehr schwieriger und eigentlich passiver Charakter, habt bitte ein bisschen Nachsicht mit uns beiden^~^. Wer einen Tipp oder einen Wunsch für eine Situation hat, der darf sich übrigens gerne bei mir melden=), ich seh‘ dann, wie bzw. ob ich es einbauen kann^^. Ich schreibe diese Fanfic ohne festen Plan, also keine Scheu! Demnach steht ihre Länge übrigens noch in den Sternen – ich tippe es werden noch um die 6 Kapitel..? Keine Ahnung *schultern zuck* (Hängt natürlich auch von euren Kommis ab, leute;))

Ich danke euch fürs Lesen und für die Kommentare=3
 

Hab euch alle Lieb.. Rikky^^

Sprachlos

Kapitel 5: Sprachlos

„Wo warst du?“, murmelte Spencer verschlafen, während er an seinem Kaffee nippte. Vergeblich versuchte er ein Gähnen zu unterdrücken. Ohne das türkische Bohnengebräu würde er wahrscheinlich mit dem Kopf auf die Tischplatte knallen und einschlafen. Er war zeitig schlafen gegangen – schon um 10 Uhr – hatte jedoch kaum Schlaf gefunden. Demnach war er entsprechend müde.

Entweder verbiss sich Bryan bei seinem Anblick – Spencer wusste selber, wie scheiße er im Moment aussah – einen bissigen Kommentar oder er war mit seinen Gedanken wo anders, während er seine Jacke an den Haken im Flur hängte. Dies veranlasste den Blonden, eine Augenbraue nach oben zu ziehen. Bryan war doch sonst nicht so ordentlich..?

„Erzählst du es auch nicht Ian?“, wollte der Silberhaarige zögerlich wissen. Spencer runzelte die Stirn. Was sollte das denn jetzt schon wieder werden? Eine neue Verschwörungstheorie, dass Ian vielleicht von Aliens oder sonstigem entführt worden war und nun in ihrem Namen spekulierte? Oder die Enthüllung, dass Tala kerngesund unten auf der Straße stand und zum Werwolf mutiert war? Spencer schüttelte den Kopf über seine eigenen Gedanken. Wenn er müde war, schlug sein Verstand die furchtbarsten Kapriolen. Trotzdem.. Bryan war der Fantasy und Hohlbein liebende Chaot des Teams, auch wenn man es ihm nicht ansah, und seine Fantasie konnte weiter und tiefer reichen als der Mariannengraben.

Der Blondschopf konnte ein Augenverdrehen über sich selbst gerade noch verhindern.

„Ich war bei Tala.“

Nun gut, das hatte er wirklich nicht erwartet. Zum einen, dass Bryan ihm freiwillig und ohne zweistündiges Verhör erzählte wo er gewesen war, zum anderen, WO der Silberhaarige gewesen war.

Und noch unglaublicher: Ein simpler Satz hatte gereicht, ihn aufzuwecken. Das war ein ziemliches Wunder. Normalerweise konnte er schlafen bis Mittag und brauchte morgens Ewigkeiten um aufzustehen. Ohne Kaffee wäre er vermutlich aufgeschmissen..
 

„Sag mal, musst du heute arbeiten oder so?“, fragte Bryan, dem Spencers Anwesenheit gerade ziemlich überrascht hatte. Der war doch sonst ohne Tala kaum mal vor 11 auf.. Es konnte nur zwei Gründe geben, dass der große Blondschopf wach war. Entweder schmiss ihn Tala oder er selber aus dem Bett, oder er musste eben zur Arbeit.

Tala lag im Krankenhaus, und Bryan selbst war gerade erst gekommen, demnach musste der Blondschopf wohl ins Restaurant..
 

Bryan streckte sich, stellte den Wasserkocher (ein Luxus den er von seinem allerersten Gehalt gekauft hatte) und holte sich sein allerneuestes Buch – „Das Buch“ von Wolfgang und Heike Hohlbein – aus seinem Zimmer. Er hatte so nebenbei mal wieder festgestellt, dass sein Zimmer immer mehr einer verstaubten Bibliothek glich. Da würde sich Ian wohl wieder freuen.. Der Captain hatte schon vor langer Zeit aufgegeben, ihn zum Aufräumen zu bewegen – nachdem er einmal über einen Bücherstapel gestolpert war und sich dabei beinahe den Fuß verstaucht hatte.

„Arbeiten..“, brummte Spencer mit einiger Verzögerung, sodass Bryan sich nun mit gerunzelter Stirn an seine Frage zu erinnern versuchte. Der Silberhaarige schüttelte innerlich den Kopf über so viel Verschlafenheit und gab ein wenig überzeugendes „Aha“ von sich. Er goss sich seinen Tee ein, hob sein Buch auf und verkroch sich ins Wohnzimmer in seine Ecke unter seine Lieblingsdecke – hey, das reimte sich!

Bryan unterdrückte ein Gähnen. Vielleicht wäre es besser, doch ins Bett zu hüpfen.. Und über diesem Gedanken fielen dem Silberhaarigen auch schon die Augen zu.

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Ian schmunzelte über das seltene Bild das sich ihm bot. Bryan lag halb ausgestreckt in einem Eck des Sofas, tief und fest schlummernd. Sein Haar war ein wenig verwuschelt und in seiner Hand hielt er noch das Buch – schon wieder ein Fantasy-Schinken, wie der Lilahaarige feststellte – das er anscheinend hatte lesen wollen. So leise wie möglich schlich sich Ian näher, entwand dem Silberhaarigen sanft das Buch, überflog halbherzig den Klappentext und legte es anschließend auf den Couchtisch. Dann fasste er die grüne Decke, die halb über den Silberhaarigen lag, und rückte sie zurecht.
 

In der Küche saß Spencer über seiner halb leergetrunkenen Kaffeetasse, schien jedoch halbwegs wach zu sein. „Was ist denn mit dir, dass du wach bist? Und das um diese Uhrzeit..“, bemerkte Ian und zog leicht irritiert eine Augenbraue hoch. Der Blonde nickte in Richtung Bryans Zimmer. „Bryan hat dich geweckt?“, mutmaßte der Jüngere. Spencer schüttelte den Kopf und schien sich nun doch zum Sprechen zu entschließen. „Er ist vorhin erst gekommen.“ „Ach..“, Ian konnte sich ein sarkastisches Schnauben nicht verkneifen. War Bryan in die Spätvorführung im Kino gegangen? Oder auf Kneipentour? Kaum möglich..

„Er war bei Tala.“

„WAS?“, fuhr Ian auf. Ungläubig rieb er sich die Schläfen, um dann etwas leiser fortzufahren: „Er war echt..? Aber Tala ist doch noch bewusstlos..“ Dem Lilahaarigen hatte es die Sprache verschlagen. Vollständig.
 

„Seit 2 Uhr früh nicht mehr.“

Etwas überrumpelt wandten sich die beiden zur Tür, wo Bryan stand, sich leicht an den Türrahmen lehnend. Seine Augen sahen noch ein wenig trübe aus, er war noch müde.

Ian blinzelte ihn ungläubig an. „Hä?“, machte er überrascht. Der Silberhaarige gähnte einmal lang gezogen, wobei er sich die Hand vor den Mund hielt. Dann wandte er seinen Blick auf Spencer und machte eine angedeutete Geste in Richtung Uhr. „Du solltest dich lieber mal auf den Weg machen, sonst kommst du zu spät.“

Der Blonde sah ruckartig zur Uhr. Sein Blick klärte sich augenblicklich. „Scheiße“, fluchte er und verließ beinahe schon fluchtartig den Raum.

Scheinbar unbeeindruckt drehte sich Bryan um und schlurfte in seine kleine verstaubte Bibliothek. Er musste dringend schlafen.

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Das war typisch.

Spencer fluchte in seinen nicht vorhandenen Bart. Er konnte nicht anders als zu spät zu kommen, schon immer. Verdammt, was war er auch immer für eine Trantüte am frühen Morgen.

Die U-Bahn hielt an und der hünenhafte Blondschopf warf einen Blick auf die Anzeigentafel. Noch 2 Stationen, dann musste er aussteigen.

Wenigstens hatte Bryan ihn diesmal daran erinnert, das letzte Mal hatte er es ihm erst gesagt, als die U-Bahn schon weg gewesen war. Das hatte ein Donnerwetter gegeben..! Er konnte von Glück reden, dass er seinen Job noch hatte.

Apropos Job, wenn er den behalten wollte, musste er jetzt raus und sich beeilen, aber wie!

Der Blonde sputete sich und kam tatsächlich gerade noch so an.

„Was, schon wieder so knapp?“, neckte ihn eine der Kellnerinnen, Nikita. Sie war klein, dunkelhaarig und konnte sehr viel reden, ohne Muskelkater am Mund zu bekommen. „Sag nichts“, brummelte Spencer schlecht gelaunt und ließ seine Mitarbeiterin mit verwirrtem Gesichtsausdruck stehen.

~*-----------------------------------------------------*~

Die Tasten des Wandklaviers fühlten sich nicht richtig an; zu kalt. Zu hart. Nicht richtig.

Ian fuhr sich seufzend über die Stirn. Eigentlich sollte er nicht spielen, wenn jemand schlief. Aber er musste es, wenn er weiterkommen wollte.

Abermals seufzte der Jüngste des Teams und machte sich an die Overtüre. Nur sehr langsam kam das richtige Gefühl, und er musste immer wieder von vorne anfangen.

Verdammt, was war heute nur los?

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Und? was sagt ihr? *lieb guck*

Ich hoff auf eure Meinungen^^

LG, eure Rikky

Telefon

Kapitel 6: Telefon

In der Küche war trotz des frühen Morgens schon viel los. Gerichte für den Mittag und den Abend mussten vorbereitet, das Frühstücksbuffet immer wieder aufgefüllt werden, und das alles unter den gestrengen Augen des weißhaarigen Küchenchefs, der sich, lauthals über den schusseligen Service beklagend, ebenfalls um die Gerichte kümmerte.

Es war immer wieder anstrengend, den Anforderungen des Küchenchefs zu entsprechen, doch Spencer hatte sich mittlerweile daran gewöhnt. Er arbeitete gründlich und gewissenhaft – nun ja, hin und wieder schnitt er sich auch mal in den Finger, doch was machte das schon?

Der große Blondschopf hatte vor etwa einem halben Jahr hier zu arbeiten begonnen, und bis jetzt hatte er es noch keinen Tag wirklich bereut. Gut, manchmal verfluchte er es schon, das gab er offen zu, doch der Chef war gerecht, nicht grausam, und wusste die Leistung eines jeden zu würdigen – selbst die des schusseligen Service, auch wenn es oft anders klang.

Gedankenverloren blickte Spencer hinter Nikita her, die hinter den Automatiktüren verschwand. Normalerweise war er nicht besonders erpicht auf Gesellschaft, doch die Schwarzhaarige hatte etwas an sich, das jeden sofort überredete, ein Bierchen mit ihr trinken zu gehen. Wahrscheinlich hatte sie nur noch deshalb ihren Job behalten.. sie war die tollpatschigste Kellnerin des ganzen Restaurants.

„Petrov, hör auf durch die Luft zu glotzen und schneid‘ mir mal 20 Filets!“, dem Küchenchef war Spencers kurze geistige Abwesenheit wohl aufgefallen, und dem Gelächter der anderen Köche nach zu schließen war er wohl nicht der einzige.

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Leise Klavierklänge lullten ihn ein wie eine weiche, warme Decke. Er seufzte leise und kuschelte sich etwas näher an sein Kissen und unter die Decke. Ian spielte wirklich gut, das musste man ihm lassen, auch wenn er sonst ein Giftzwerg sein konnte..

Langsam aber sicher wurde ihm klar, was Tala gemeint hatte, als er Bryan auf die Frage hin antwortete, warum er oft neben Ian Zimmertür stehen blieb und lauschte: „Ian gibt der Musik was Besonderes.“

Damals hatte er gute Laune gehabt, sonst hätte er den Silberhaarigen womöglich angeschnauzt oder – was sehr viel wahrscheinlicher war – vollkommen ignoriert..

Die Musik endete, leise Schritte ertönten auf dem Flur und kurz darauf wurde die Haustür geöffnet und geschlossen. Ian war jetzt also auch gegangen..

Bryan mümmelte sich noch etwas tiefer in seine Decke und hieß den Schlaf, der ihn nun endlich überkam, willkommen.

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Ian kam zu früh beim Krankenhaus an. Das war eigentlich absolut untypisch für ihn. Der Konzertmeister hatte es sich schon angewöhnt, ihn immer mindestens eine halbe Stunde früher erscheinen zu lassen - was er zwar nie tat, dafür aber trotzdem pünktlich zum wirklichen Beginn ankam.

Die Schwester am Empfang kannte ihn bereits – er hatte sich schon öfter mit ihr ein wenig unterhalten – und fand ihn anscheinend sympathisch, denn sie ließ ihn ohne weiteres passieren. In Gedanken fragte sich der kleine Russe, ob sie nicht vielleicht scharf auf ein Konzertticket war..

Nun, das konnte er wohl getrost als Wunschdenken abtun, so bekannt war er auch wieder nicht (auch wenn er es gerne wäre). Ian verzichtete wie immer auf die kleine Kabine des Besucherlifts und steuerte gewohnheitsmäßig das helle Treppenhaus an, durch dessen große Fenster ein wenig Sonnenschein drang.

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Das Telefon läutete irgendwo in der Wohnung.

Bryan verfluchte wie so oft schon die dünnen Wände der Wohnung und rappelte sich knurrend auf. „Wehe, wenn es nicht wichtig ist..“ Er trat aus dem Zimmer und malträtierte das im Flur gelegene Telefon mit einem Blick, der es hätte aufspießen können, ehe er sich schließlich dazu herabließ abzuheben.

„Ja?“, bellte er, sich nicht die Mühe machend, seine schlechte Laune zu verbergen. Überraschung, wer war wohl dran? Eine Tonbandansage irgendeines Telefonanbieters, der Werbung für irgendwelchen Schund machte. Bryan schnaubte äußerst genervt und überlegte einen Moment ernsthaft, ob er den Hörer nicht lieber an die nächstgelegene Wand werfen sollte statt aufzulegen.

Er konnte den Rothaarigen buchstäblich entnervt schnauben hören, während er die Überreste des Telefons mit kritischem Blick maß, um anschließend ihn – Bryan – selbst zu fixieren. Dann würde er ihn wohl mit äußerlicher Ruhe fragen, warum er es getan hatte, worauf er mal wieder keine Antwort hatte. Dann würde er sich – nach einer oder zwei Schweigeminuten (vielleicht um das nervtötende Ding zu würdigen) – abwenden und den Kopf über so viel vermeintliche Aggressivität und rohe Gewalt schütteln. Und dann.. Ja, dann würde Bryan selber müssen losgehen und ein neues Telefon kaufen..
 

Er legte auf, jedoch nicht ohne den Hörer noch eine weitere halbe Minute mit Blicken aufzuspießen. Dann wandte er sich endlich ab. Wozu hatten sie überhaupt ein Telefon, wenn im Grunde niemand bei ihnen anrief?

Na gut, 2 Personen riefen mit furchtbarer Regelmäßigkeit an – die eine war die Tonbandansage, und die andere dieser scheiß-freundliche Vorsitzende der BBA..

Ach ja, genau deswegen hatten sie ein Telefon angeschafft: Mr. Dickenson war Tala so auf den Geist gefallen, weil er ihn immer auf seinem Handy angerufen hatte (sie hatten den Rothaarigen dazu gezwungen sich eins zuzulegen, um ihn im Notfall erreichen zu können, auch wenn er es fast immer abgeschaltet hatte), sodass der Teamleader schließlich höchstpersönlich das weiße Klingelding ins Haus gebracht hatte.

Bryan überlegte kurz, wie er die Plage für den Moment loswerden konnte, da fiel sein Blick auf das Telefonkabel und ihm kam endlich die rettende Idee. Er zog das Kabel aus der Dose und genoss die herrliche Stille in der Wohnung, ausnahmsweise ohne Klaviergeklimper, ohne Geklapper aus der Küche… vollkommene Stille.

Sie hing ihm zum Hals raus.

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Ian öffnete zögernd die Tür zum Krankenzimmer. Es war merkwürdig still. Noch nicht einmal die Geräte waren zu hören. Ians Blick wandte sich zum Bett und er erstarrte. Das Bett war leer.

Panik wollte im jüngsten der Demolition Boys aufsteigen. Das Bett war leer. Wieso bloß? Tala war am gestrigen Tag so schwach gewesen, er konnte doch im Moment nicht aufstehen, wie man ihm gesagt hatte..

Ian schluckte und ihm kam ein schrecklicher Gedanke: was, wenn Tala gestorben war..? Einfach so, ohne Warnung?

Unwirsch schüttelte er den Kopf. Nein, das durfte er noch nicht einmal ansatzweise zu denken wagen! Außerdem konnte es nicht so sein, ansonsten hätte man ihn – überhaupt das Team! – bestimmt informiert. Bestimmt. Dem Rothaarigen konnte nichts allzu schlimmes geschehen sein, versuchte Ian sich selbst ein wenig zu beruhigen.

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Nach längerem Überlegen entschloss sich Bryan endlich mal wieder etwas für die Uni zu tun – seine Arbeit wurde langsam aber sicher fällig und bis jetzt hatte er erst 3 Sätze geschrieben. Da hatte er noch einiges zu tun. Außerdem fing in eineinhalb Stunden seine Schicht an.. den Anfang durfte er nicht schon wieder verpassen, sonst riskierte er womöglich wirklich noch einen Rausschmiss, wie ihm sein Chef schon mehrmals angedroht hatte.

Er fungierte zurzeit (und nach diversen anderen Jobs) als Pizzalieferant, und das wollte er wenigstens noch bis zu seinen Prüfungen bleiben, die er in einem knappen halben Jahr absolvieren musste, um den Magister zu kriegen und endlich richtig arbeiten zu können. Das lustige war, ihm machte sein Job wirklich Spaß und er kannte inzwischen wohl ganz Moskau samt Seitengassen und Schleichwegen, die er mit seinem Motorrad zurücklegen musste.

Von ihnen allen hatten einzig Tala und Spencer den Führerschein zum Autofahren, wobei jedoch beide lieber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fuhren. Angeblich war in Moskau zu viel los zum Autofahren. Bryan grinste. Das mochte aufs Autofahren zustimmen, doch er war einer der schnellsten Lieferanten (ein Titel mit dem man sich laut seinem Chef rühmen konnte) und gerade deshalb verstand er sich auf eine sehr verkorkste Art und Weise mit seinem Chef..

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Hm.. was ist wohl mit unserem armen Tala? ^3^

*g* Iiiiich weiß es! *auf und ab hüpf*

<-<°° Oh, ihr sagt, ich muss das wissen?

T-T Mist.. Seid ihr gemein zu mir armen unkoordinierten Autorin.. *schmoll*

Jaja, ich kann euch leider nicht allzu lange böse sein ;) Ihr mir hoffentlich auch nicht..? Wisst ihr, ich hatte so meine Problemchen mit dem Kapi und es ist kurz, ich weiß *sniff* Aber es ist auch nur ein Übergangskapitel! Also bitte hört jetzt nicht auf zu lesen!!!!!

Ach ja, ich hätt noch fast vergessen:

@ Xenia_Crow: dein Wunsch wird noch berücksichtigt, versprochen.. leider kann das noch ein paar Kapitel dauern.. *drop* im Moment weiß noch nicht mal Tala, warum er umgekippt ist! Sei also bitte nicht so enttäusch mit mir *lieb guck*

Oh, und auf meiner Liste steht noch etwas: ich komm ab 2.10. immer einmal die Woche ins I-net, wenn ich brav bin.. d.h: Ich werde mich jetzt immer mit den Kapiteln beeilen, damit ihr so etwa alle ein bis zwei Wochen Nachschub kriegt.. und wenn nicht hole ich mal ein oder zwei OS dazwischen^^ *erleichtert bin* Endlich gesagt! *lol* *freu*

Thx an alle, die das Kapi kommentiert haben^^ Ich freu mich auf eure Meinungen zu diesem hier, wenn ihr welche habt.. immer her damit, ich bin nicht aus Zucker! ;3

Augenblick verweile

Kapitel 7: Augenblick verweile

Panisch rannte Ian die Treppen hinunter, wobei er fast gegen eine der Schwestern stieß. „T-Tala Ivanow.. der ist doch noch da, oder?“, wollte er hektisch wissen. Die Krankenschwester nickte perplex und wies mit einer Hand in Richtung Ausgang. „Den jungen Mann mit den roten Haaren, meinen Sie? Ja, er ist vorhin erst mit einer Kollegin nach draußen..“
 

Verwundert blickte sie ihm nach, als er mit einem Satz 3 Stufen übersprang und die Treppen hinunter hetzte. Kopfschüttelnd machte sie sich zurück auf den Weg zur Säuglingsstation, das Kind ihrer Schwester besuchen. Was für ein komischer Kauz dieser junge Mann war.. anfangs hatte sie ihn sogar für einen Teenager gehalten und ihn rausschmeißen wollen, doch das hatte sich schnell geändert als sie ihn angesprochen hatte. Anfangs war er noch sehr scheu gewesen, hatte nur einsilbige Antworten gegeben, und nun hetzte er wie von wilden Affen gejagt die Treppen hinunter. Welch merkwürdige Person.
 

Ian durchquerte wenige Minuten nach seinem Zusammenstoß mit der Krankenschwester den Westausgang des Krankenhauses und schritt – nun doch etwas ruhiger, um kein Aufsehen zu erregen – durch einen der angelegten Wege des Krankenhausparks. Und tatsächlich, nach etwas mehr als 5 Minuten erblickte der Jüngste der Demolition Boys seinen Teamleader, der, die Augen geschlossen, seine blasse Nase der noch recht kühl scheinenden Sonne entgegenstreckte. Ian näherte sich ihm bis auf wenige Meter und machte mit leichtem Räuspern auf sich aufmerksam.

Wie er es sich gedacht hatte, schreckte Tala zunächst auf, bevor er ihn mit seinen eisblauen Augen fokussierte. Er hatte also wirklich ein wenig vor sich hin gedöst – das kannte Ian noch aus ihrer Zeit in der Abtei, wenn die Sonne geschienen und sie ein paar Momente Freizeit gehabt hatten, hatte sich Tala immer so in die warmen Strahlen gesetzt und Sonne getankt.

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„Hey, Petrov, wo bist du heute mit deinen Gedanken?“, grinste Nikita keck und fuchtelte Spencer mit einer Hand vor der Nase herum. Der Angesprochene ließ ein Murren hören und packte ihre Hand. Die Dunkelhaarige verdrehte die Augen. „Na wenigstens hab‘ ich dich zu einer Regung gebracht!“, freute sie sich schelmisch mit den Augenlidern klimpernd. Spencer murrte bloß und starrte aus dem Fenster. Seine Schicht hörte in exakt einer Minute auf, und er fieberte dem Moment förmlich entgegen, an dem er in die Wohnung zurückkehren würde. Vor allem aber freute er sich auf eine heiße Dusche, und die hatte er im Moment bitter nötig.

Sie hatten Fisch serviert, und der Küchenchef hatte ihn und die ganzen anderen Hilfsköche – die Frage, ob nun als Bestrafung oder aus purem Sadismus ließ er lieber dahingestellt – dazu verdonnert, sie vorbereiten, zu entschuppen und so weiter. Spencer war sich sicher, für die nächsten Wochen hatte er genug von Fisch.

„Mann, gesprächiger geht’s wohl nicht, was?“, regte sich Nikita auf und leerte ihr Glas in einem Zug. Mit einem lauten Knall beförderte sie es auf die Theke und griff nach ihrem Mantel. „Meld‘ dich, wenn du mal wieder auf der Erde bist, Petrov. Ich muss nach Hause.“ „Hey, warte noch ‘nen Moment!“, hielt der Blondschopf sie da auf, noch ein wenig neben sich stehend. Grinsend wandte sich die Schwarzhaarige um. „Ich weiß schon, was du sagen willst, und die Antwort ist ja, meine Eltern sind schon ganz wild auf die guten Sachen, die du immer zauberst. Bring einfach morgen wieder was mit.“, zwinkerte sie, ehe sie nun wirklich hinaus auf die Straße ging und ihr Fahrrad anstieß. Sie wohnte nicht allzu weit entfernt und hatte noch keinen Führerschein, so fuhr sie jeden Tag die paar Blocks mit dem Fahrrad zur Arbeit – ein Unterfangen, das in Moskau nicht ganz ungefährlich war.

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Die Sonne tat gut. Sie schien noch nicht sehr warm, doch sie gewann mit jedem Tag an Stärke.

Es war kaum zu glauben, wie viel ein wenig frische Luft doch bewirken konnte. In der Nähe raschelte leichter Wind durch das gerade sprießende Laub eines Baumes, er hörte das sachte Geräusch. Irgendwo in der Nähe trillerte ein Vogel, und eine Krähe machte sich mit lautem Krächzen bemerkbar.

Schritte näherten sich auf dem Kiesweg, hielten in seiner Nähe an. Ein Räuspern ertönte, und langsam öffnete Tala seine Augen, musste im Sonnenstrahl einige Male blinzeln, und richtete sie schließlich auf den Verursacher des Geräuschs. Er hatte sich beinahe schon gefragt, wo er heute blieb. Aber nur beinahe. „Ian“

Der Kleinere hatte ein schiefes Grinsen für ihn übrig. „Ja, so heiße ich. Und du?“ Tala konnte nicht anders, auch er schmunzelte ein wenig. Auch Ian konnte sarkastisch oder spöttisch sein, wenn er wollte - er war es nur nicht oft. Er war schon immer der friedliebendste von ihnen gewesen.

„Tala“, antwortete er gelassen und rutschte ein wenig zur Seite, um dem Dunkelhaarigen Platz zu machen, der sich neben ihm niederließ. Unbewusst beobachtete der Teamleader ihn dabei. Ian war ein wenig außer Atem, als wäre er gerannt, und einzelne Schweißperlen waren auf seiner Stirn erkennbar. „Ihr habt nicht mehr trainiert.“, stellte der Rothaarige nüchtern fest, während er seinen Teamkollegen beobachtete, wie er sich eine Strähne aus den Augen strich.

Dunkle Augen funkelten ihn gleichsam fragend und ertappt an. „Woher weißt du das?“ ‚Also doch‘, seufzte der Rotschopf in Gedanken auf, erwiderte jedoch kryptisch grinsend: „Das ist das Geheimnis eines jeden Teamleaders. Wir wissen alles über jeden.“ Ian schwieg eine Weile, schien über das Gesagte nachzudenken.

Tala nutzte die Pause um einem kleinen Spatz zuzusehen, der auf dem Weg herum hüpfte. Er wirkte als ob er alle Zeit der Welt hätte, hüpfte ein kleines Stück näher und blickte sie mit runden, schwarzen Knopfaugen an, wobei er den Kopf leicht schieflegte. Als Tala die Hand ausstreckte blieb der kleine Vogel noch kurz hocken, dann erhob er sich in die Lüfte und ließ sich von einer leichten Brise davontragen.
 

Ian konnte nicht anders, er verfolgte den kleinen Vogel mit den Augen, sah aus den Augenwinkeln, wie Tala – seine, Ians, Anwesenheit vollkommen ignorierend - sich zu ihm hinunter beugte. Der Rothaarige rührte sich nicht und der kleine Vogel hockte einfach so da, ehe er wegflog. Doch statt ihm nachzublicken sah Ian seinen Teamleader an, dessen Augenfarbe wegen der Sonne noch etwas heller wirkte, beinahe schon durchsichtig. Er hatte sich wohl eine Dusche gegönnt, und Ians Blick blieb an dem schwarzen Rollkragenpullover hängen, den der Rothaarige trug. In Gedanken forschte er nach, wo er ihn zuletzt gesehen haben könnte, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Tala hatte den Pullover auch vor fünf Tagen getragen, als er hier eingeliefert worden war..
 

„Wie heißt Spencers Arbeitskollegin?“, tönte es nach mehreren Minuten plötzlich neben Tala. „Hä?“, verwirrt legte Tala den Kopf schief, ebenso wie der Spatz vorhin, „Was meinst du?“ Er hatte Ians Anwesenheit vollkommen vergessen. „Ich habe dich was gefragt, oh großer Teamleader. Wie heißt Spencers Arbeitskollegin?“, kam die prompte Antwort, von einem Grinsen begleitet. Tala beschloss, nicht auf das ‚oh großer Teamleader‘ einzugehen und suchte in seinen Gedankengängen nach einer Antwort – die er auch fand. „Du weißt ja selber nicht wie sie heißt.“, bluffte er, konnte sich jedoch ein überlegenes Grinsen nicht verkneifen, während er Ians Reaktion beobachtete. „Schon wieder erwischt.“, brummte der Jüngere missgelaunt und verschränkte die Arme vor der Brust. Unwillkürlich hatte er begonnen mit den Beinen zu baumeln.

Tala schmunzelte. Das hatte der jüngere früher auch immer getan, wenn er nicht wusste was sagen.
 

Eine Krankenschwester – um genauer zu sein die, mit der Ian vorhin im Treppenhaus zusammengestoßen war – kam des Wegs und erinnerte den Teamleader der Demolition Boys daran, dass er zurück in sein Zimmer müsse, es würde langsam Zeit für die nächsten Untersuchungen.
 

Verwundert blickte Ian auf seine Armbanduhr. Tatsächlich, es war schon bald halb fünf. Er stieß einen Fluch aus, worauf ihn die Krankenschwester mit einem tadelnden, Tala mit einem fragenden Blick bedachte, was der Jüngste jedoch nicht beachtete. „Spencer wird mir den Hals umdrehen, wenn ich schon wieder vergesse einzukaufen.“, murmelte er unruhig und blickte dann zu Tala auf, suchte Blickkontakt, doch der hatte sich schon umgewandt und ging in langsamen Schritten auf das Eingangstor des Krankenhauses zu, das ihn wenige Momente später verschluckte. Ian nickte der Schwester noch kurz zu und ging dann eiligen Schrittes seines Weges. Zum Glück war in der Nähe ein kleiner Supermarkt.

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Tala sank erschöpft auf das Bett. Ihn hatte der Aufenthalt an der frischen Luft mehr erschöpft als er zugeben wollte. Er schloss die Augen und wandte sein Gesicht demonstrativ zur Seite, als die Krankenschwester ihm wieder die Infusionsnadel in den Arm stach. Er hasste Nadeln, fast noch mehr als Krankenhäuser. Man hatte ihm zu viel mit diesen spitzen Gegenständen angetan..

Die Frau lächelte leicht und schien wohl in Plauderlaune zu sein, denn sie hatte einiges über ihre kleine Nichte zu erzählen. „Anja ist das erste Kind meiner Schwester. Ein süßer kleiner Fratz..“ Tala schaltete auf Durchzug. Wenn es etwas gab, das er konnte, dann war es das. Er hatte Balkovs ewige Schimpftiraden immer nur bis spätestens zum dritten Satz mit verfolgt. Es war sowieso jedes Mal dasselbe gewesen.

Trotzdem drang die Schwärmerei der Schwester – zumindest ein wenig davon - zu ihm durch. Das Neugeborene musste Glück haben, beschloss Tala für sich. Es hatte eine Mutter und eine Tante, vielleicht sogar einen Vater und Großeltern.. Er unterdrückte ein Seufzen. Seine Eltern waren für ihn nicht mehr als schemenhafte Schatten irgendwo tief in seinen ältesten Erinnerungen.

Er konnte sich nicht mehr an viel erinnern, das meiste war irgendwo tief in ihm vergraben. Er erinnerte sich noch an Kälte.. ja, er hatte oft frieren müssen in ihrer kleinen zugigen Wohnung.. Und den torkelnden Gang eines Betrunkenen auf Holzdielen.. Und dann.. ja, dann war nichts mehr da, bis auf Ian, Bryan und Spencer – die Jungen mit denen er aufgewachsen war.

Beim Gedanken an sein Team rührte sich etwas in Talas Inneren, ein nicht klar definierbarer Funke glomm zwischen all den Gedächtnislücken auf. Dieser kleine Funke schien eine Art Schlüsselloch zu seinen verloren geglaubten Erinnerungen zu sein, denn immer wieder tauchte eine kurze Szene auf. Mal von einem Streich, den sie dem Hiwatari-Bengel gespielt hatten, dann eine Bestrafung für Ungehorsam.. Doch sie hatten sich immer irgendwie verstanden, vielleicht weil sie noch Kinder waren und alles noch ein Spiel – es waren doch die schöneren Zeiten gewesen damals, bevor man sie voneinander getrennt hatte..
 

Auf einmal wurde Tala bewusst, dass er wieder alleine war. Langsam streckte er sich auf dem Bett aus, wandte den Kopf müde hinauf zur durchsichtigen Flüssigkeit, die durch den schmalen Plastikschlauch in seinen Körper rann. Er fühlte sich so ausgelaugt, wie ihm die frische Luft vorhin gutgetan hatte. Bleierne Müdigkeit machte jede noch so kleine Bewegung zum Kraftakt. Tala ließ seinen Kopf mit einem kaum vernehmbaren Seufzen in das Kissen sinken, und schon bald waren ihm die Augenlider zugefallen. Ob es wohl an der durchsichtigen Flüssigkeit lag, die in seine Venen gepumpt wurde?
 

Das Bild des kleinen, freien Vogels tauchte in seinem Hinterkopf auf, der aufzufliegen gezögert und ihn noch neugierig angesehen hatte.

Vielleicht war es ein solcher Augenblick in dem sich die Demolition Boys befanden. Bereit, loszufliegen und die Welt auf eigene Faust zu erkunden, doch noch gefangen von der Neugierde auf das Fremde..

Tala fühlte bleierne Schwere in sich aufsteigen. Dumpf kam ihm ein Satz von Shakespeare in den Sinn, den er für eine Arbeit an der Uni hatte interpretieren müssen. Damals hatte er nicht viel mit dem Ausspruch anfangen können, nun wurde ihm die Bedeutung der einfachen zwei Wörter bewusst. ‚Augenblick verweile..‘
 

Was hatte Balkov mit seinem Gedächtnis angestellt, dass er sich immer nur bruchstückhaft erinnern konnte?

..Er hatte sich das schon oft gefragt, besonders wenn Spencer und Bryan mal wieder zu viel getrunken und redselig geworden waren. Dann erzählten sie immer über ‚die guten alten Zeiten‘, oder was sie darunter verstehen mochten. Er hatte meistens noch mit seinem ersten Glas schweigend dagesessen und ihnen zugehört. Er war – im Gegensatz zu Spencer und Bryan –nicht darauf erpicht sich volllaufen zu lassen. Außerdem, obwohl es jeder Russe als Schande empfinden mochte, vertrug er Alkohol nicht besonders.

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Ab jetzt: alle 1-2 Wochen ein neues Kapi *strahl* (Falls keine SB dazwischenkommt hoff ich)

Und: ich hab' das mit dem Alter ausgebessert^^
 

HEAL, eure FreeWolf

Pizza

Kapitel 8: Pizza

Spencer seufzte zufrieden rubbelte sich auf dem Weg zurück in sein Zimmer die Haare trocken. Manchmal tat eine Dusche wirklich verdammt gut – besonders, wenn man die ganze U-Bahn mit Fischgestank belästigt hatte (nicht dass ihn das wirklich interessierte).

Das Problem hatte er mit einer einfachen Dusche und einem Waschgang – letzteren für die Kleidung natürlich – beseitigen können.

Beschwingt legte Spencer auch die drei Stockwerke hinunter in den Keller zurück, wo er die Tiefkühltruhe um einige tiefgekühlte Beutel erleichterte. Nikitas Eltern würden sich freuen, ebenso wie die Schwarzhaarige. Wahrlich, sie war kein Talent im Kochen..
 

Wenig später befand sich der Blondschopf auf der Suche nach seinem Handy, das einfach nicht aufhören wollte zu klingeln.

„Verdammtes Ding, wo bist du schon wieder?“, grummelte Spencer vor sich hin und hob zum wiederholten Mal ein Sofakissen hoch. Er schnaufte resignierend. Nichts, schon wieder.

Als nächstes versuchte er es unter dem Schreibtisch, wo ebenfalls nichts war, auch nicht auf dem Regal im Wohnzimmer, geschweige denn in den Töpfen in der Küche.

Das Klingeln hatte inzwischen aufgehört, als Spencer endlich die rettende Idee kam: Er öffnete die Schublade, in der er normalerweise sein Mobiltelefon aufbewahrte – und siehe da! Dort lag es, mit 2 Anrufen in Abwesenheit und 2 Kurzmitteilungen.

Natürlich, Ian gab bescheid, dass er zum Essen kommen würde, und Bryan – Spencers Augenbrauen verabschiedeten sich in luftige Höhen – wollte Pizza mitbringen?

Das konnte nichts Gutes bedeuten. Immer, wenn er Pizza mitbrachte, hatte Bryan Kuznetsov was ausgefressen. Und wenn er es auch noch ankündigte war es ernst. Wahrlich, es klang alles andere als gut..

*~-------------------------------------------------~*

Der Boxsack unter seinen Fäusten fühlte sich schon ziemlich weichgeklopft an, doch Bryan hatte noch nicht genug. Mit ungebremster Wucht schlug er weiter auf das Trainingsgerät ein und begann sich langsam aber sicher zu fragen, ob dieses Ding nicht langsam mal von der Halterung fallen würde.
 

„Siehst du ihn? Das ist er!“ „Echt?“ „Ja, wenn ich’s dir doch sage! Er ist der beste Kickboxer im Verein, aber er weigert sich bei Wettbewerben anzutreten.“ „Krass. Aber sag mal, der sieht diesem Beyblader so ähnlich.. du weißt schon, der, der vor ‘n paar Jahren so brutal geworden ist..“ „Das IST er, Bryan Kuznetsov!“ „Was du nich‘ sagst..“

Bryan hörte das Getuschel der beiden Neulinge hinter sich, und es ging ihm gewaltig auf die Nerven. Mit eiskalter Beherrschung drehte er sich um und baute sich vor den beiden tuschelnden Jungen auf. „Problem?“, wollte er bedrohlich knurrend wissen. Die beiden Jungen blickten ängstlich zu ihm auf, einer der beiden zitterte. „Anscheinend nicht.“, fand Bryan nach einer Weile und wandte sich zufrieden nickend um. Der Trainer fing ihn ab, als er wieder zurück zu seinem Boxsack gehen wollte.

„Kuznetsov! Herkommen!“, brüllte Herr Parkov quer durch die Halle.

Bryan konnte ein zusammenzucken nicht unterdrücken. Er hasste es, wenn jemand in diesem Tonfall mit ihm redete. Es weckte Erinnerungen, unschöne, schmerzhafte Erinnerungen. Und so etwas wie ein wildes Tier in ihm.

„Was?“, schnauzte er beinahe schon, als er beim Trainer angekommen war, und maß Parkov mit aggressivem Blick. Wehe, wenn ihm schon wieder Getuschel zu Ohren kam, dann sah er rot..
 

„Ab in den Ring mit dir, Kuznetsov, ich hab‘ dich heut‘ noch nicht kämpfen seh’n!“, befahl der schon etwas in die Jahre gekommene Trainer, unbeeindruckt von Bryans düsterer Miene. Wer jahrelang mit grantigen Kickboxern und Boxern zu tun gehabt hatte, den beeindruckte selten etwas.

Und doch war Parkov beeindruckt gewesen vom Potential des Silberhaarigen als er in den Verein eingetreten war. Auch er war vor Bryans Kaltblütigkeit zurückgewichen. Doch nur anfangs, denn bald hatte er begriffen, dass Bryan Kuznetsov nicht vorhatte auf andere Menschen loszugehen – jedenfalls nicht wenn sie ihn nicht reizten. Und diese Reizbarkeit, zurückzuführen auf immer größere äußere Ruhe, war eine unglaubliche Waffe – und bestimmt auch ein Fluch..

~*----------------------------------------------*~

„Bryan?“, Tala zog unwillkürlich eine Augenbraue nach oben, während er Bryans Gesicht ansah. Ein blaues Auge, eine aufgeplatzte Lippe.. außerdem hatte der Silberhaarige seinen rechten Arm in einer Schlinge. Für sich fand der Rothaarige, dass Bryan schon schlimmer ausgesehen hatte.

„Dir auch einen schlechten Tag.“, brummte der Silberhaarige missgelaunt und schmiss sich förmlich auf einen Stuhl. Sein Teamleader maß ihn mit Blicken und seine Augenbraue wanderte amüsiert in die Höhe. „Was ist passiert?“, eigentlich hätte er die Frage nicht aussprechen brauchen, doch wenn er konkrete Antworten wollte, musste er genau nachfragen. So war Bryan nun mal, so war er schon immer gewesen.

„Wieso sollte dich das interessieren?“, schoss Bryan sofort zurück, um gleich darauf ein wenig ruhiger hinzuzufügen: „Nichts Besonderes.. Ich hatte nur ‘nen leichten Verkehrsunfall, das Übliche halt.“

„Was?“, ein ungläubiger Ausdruck machte sich, gemeinsam mit einem leichten Grinsen, auf dem Gesicht des Rothaarigen breit, während er versuchte, sich das Verkehrshindernis vorzustellen, durch das Bryan einen Unfall bauen könnte. Das einzige, das ihm einfiel war das absurde Bild eines rosa Elefanten..

„Ich hab‘ jetzt ‘ne Woche Krankenstand, verdammt noch mal.“, knurrte Bryan, sichtlich angepisst. „Nein wie tragisch“, Tala konnte sich den hauchfeinen Hohn in seiner Stimme nicht verkneifen, doch jegliches Amüsement verschwand aus seinen Zügen, als er nachforschte: „Wie schwer hat’s deinen fahrbaren Untersatz getroffen?“ „Ach..“, winkte Bryan ab, ausweichend. Das war das falsche Verhalten, denn Tala gehörte zu den wenigen Menschen, die diese Geste richtig deuten konnten.

Die Miene des Rothaarigen wurde undurchdringlich und die Raumtemperatur schien um ein paar Grade zu sinken. „Sag schon.“, forderte er ruhig. Auch Bryan wurde ruhiger, und beinahe schon provozierend erwiderte er den Blick seines Teamleaders. „Ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte.“, kam es aus seinem Mund. Tala biss die Zähne zusammen, um nicht in Versuchung eines fiesen Kommentars zu kommen. Er hatte lange genug Zeit gehabt zu lernen, dass Worte eine mächtige Waffe waren.

Eine Weile starrten sich die beiden in unverhohlener Rivalität an, ehe Bryan schließlich – um des lieben Frieden Willens – nachgab. Er schnaubte und kehrte augenblicklich wieder zum Erwachsenen zurück, der er war. „Na gut, wenn es dich so brennend interessiert.“, meinte er sarkastisch, „Das Motorrad lebt noch, und mein Chef hat mich schon wegen dem einen Kratzer angeschnauzt. Zufrieden?“

Tala nickte zufrieden, wieder lag der übliche spöttische Zug auf seinem Gesicht.
 

Als Bryan schließlich zur Tür hinausging, konnte er sich ein Augenverdrehen nicht mehr verkneifen. Ein Tala mit relativ guter Laune war beinahe schwerer zu ertragen als einer mit mieser Laune – letzteres waren sie schließlich eher gewöhnt.

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„Huch?“, machte Ian, als er Bryan erblickte. Er hatte gerade in sein Zimmer gehen wollen, da war die Tür aufgegangen. Der Silberhaarige drückte ihm einen Pizzakarton in die Hand und versuchte umständlich, sich aus seiner Jacke zu befreien. Dabei fluchte er leise vor sich hin.

„Welche Laus ist dem denn über die Leber gelaufen?“, auch Spencer war dazugekommen und beäugte Bryan misstrauisch. Er hatte eine aufgeplatzte Lippe und ein Pflaster auf der Wange, außerdem lag sein linker Arm in einer Schlinge.

„‘Dem‘ ist hier.“, knurrte Bryan, ein kalter Hauch erschien in seinen Augen.

„Jetzt bleib‘ mal ruhig, Bry.“, meinte Ian lässig, doch wenn man genau hinsah, konnte man leise Angst in den Untiefen seiner Augen ausmachen. Er hatte nie vergessen, wer.. was der Silberhaarige einmal gewesen war. „Hast du dich schon wieder geprügelt?“, stichelte er jedoch.

„Nein“, war die gebrummte Antwort und weiter war etwas von „Unfall“ zu verstehen, doch weder Spencer noch Ian blickten wirklich durch.

Der Blondschopf zuckte mit den Schultern und begab sich mit der Familienpizza in die Küche, woraufhin ihm seine Teamkollegen folgten.

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Ein seltsam vertrauter und doch kaum definierbarer Duft lag im Zimmer. Tala schnupperte schon längere Zeit und versuchte herauszufinden, was es sein konnte. Auf jeden Fall roch es lecker..

Innerlich schüttelte der Rotschopf den Kopf über seine Verfressenheit – wenn man ihn ließ konnte er Unmengen verputzen. Übrigens auch einer der Gründe, warum Spencer ihn oft scherzhaft mit dem Pseudo-Weltmeister verglich, wenn er glaubte, sein Teamleader höre ihm nicht zu.. Und aus irgendeinem Grund mochte der Rotschopf am liebsten Pizza.

Natürlich, Pizza! Warum war er bloß nicht eher darauf gekommen? Bryan hatte einen der Thermo-Schachteln mitgehabt, aus der es verführerisch gerochen hatte. Der Rothaarige konnte sich denken, was das bedeutete. Entweder hatte Spencer keine Lust zu kochen gehabt oder Bryan hatte irgendetwas wiedergutzumachen. Letzteres klang da schon weitaus einleuchtender, wenn er den angeblich „kleinen“ Unfall des Silberhaarigen bedachte.

Talas Blick wandte sich zum Fenster, schaute hinaus auf das nächtliche Moskau. Irgendwo dort draußen spachtelte der Rest des Teams Pizza, und bestimmt würden sie – oder zumindest Bryan und Spencer – einen trinken. Das typische Samstagabend-Programm.

Tala seufzte leise. Ohne ihn.. sie taten es ohne ihn. Das versetzte ihm unverständlicher Weise einen kleinen Stich.

~*---------------------------------------------*~

„Was, heute wird nicht gesoffen?“, Ian zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Das hatte er ja selten erlebt – keine Wodka-Flasche leistete dem halb leergegessenen Pizzakarton auf dem Küchentisch Gesellschaft. Und keiner der beiden anderen machte den Eindruck als wollte er noch eine Flasche holen gehen.

Und dabei war Samstag!

Bryan schenkte ihm ein spöttisch-schiefes Grinsen. „Wenn du unbedingt was trinken willst, bitte, du weißt wo der Wodka steht.“, bot er mit ironischem Unterton an. Ian verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. Bryan wusste genau, dass er nicht trank – nie. „Nein, danke, kein Bedarf. Ich hatte eher auf euer übliches Unterhaltungsprogramm gehofft.“, der Sarkasmus troff nur so aus seiner Erwiderung.

Nun gut, es war wahr. Bryan und Spencer wurden gesprächig, wenn sie betrunken waren, und besonders bei Ersterem merkte man dies. Ian grinste in sich hinein, als er an die banalen Gespräche dachte, die sich oftmals entwickelten.

„Was ist denn so lustig, Krümel?“, wollte nun auch Spencer ein wenig belustigt wissen. Der Angesprochene winkte ab, ohne jedoch ein „Nenn‘ mich, verdammt noch mal, nicht Krümel!“ hinzuzufügen. „Ich geh‘ schlafen.“, verkündete er dann und stob von dannen.
 

Bryan blickte noch kurz auf Ians verschlossene Zimmertür, ehe er leicht grinste. „Das ging ja schnell..“ Der Blondschopf ihm gegenüber nickte stillschweigend und gähnte verhalten. „Ich hasse Fisch.“, fand er dann. „Hä?“, Bryan sah ihn verwirrt an. Doch Spencer winkte ab. „Nicht so wichtig.“, murmelte er und verzog sich ebenfalls in sein Zimmer.

Bryan schüttelte ungläubig den Kopf. Manchmal war die Wirkung von Alkohol auf ihn und Spencer nicht mal so schlecht, fand er für sich. Dann redeten sie wenigstens miteinander – auch wenn sie sich nachher kaum daran erinnerten.
 

Doch ohne einen Tala, der im Hintergrund über ihren Alkoholkonsum nörgelte – wobei er auch immer etwas trank – war es einfach nicht dasselbe ohne ihn.

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Naaa? *lieb guck*

Was sagt ihr zum Kapi?

Schreibt mir doch eure Kommis, dann weiß ich was ihr denkt^^

HEL, Rikky

Gute Momente

Kapitel 9: Gute Momente
 

Schwerfällig wälzte er sich aus dem Bett. Er hatte schlecht geschlafen, und seine Laune war auch dementsprechend im Keller.

Sein Arm schmerzte – es machte Bryan nicht wirklich etwas aus, er war hart im Nehmen, doch es war unangenehm. Wahrscheinlich hatte er irgendwann im Laufe der Nacht darauf gelegen. Murrend rieb er sich über besagtes, schmerzendes Körperteil. Autsch.

Der Wecker zeigte 9 Uhr morgens an. Innerlich stöhnte der Silberhaarige auf. Viel zu früh für einen Sonntag!

Nebenan hörte er es rumoren. Dies veranlasste den Silberhaarigen, sich zu fragen, wer wohl den Nerv haben mochte, um solch eine gottlose Uhrzeit solchen Lärm zu machen..

Nach einer Weile wurden ihm die leisen Geräusche suspekt (er wusste aus dem Stehgreif niemanden, der bei ihnen vor frühestens halb zehn an einem Sonntag aufstand – selbst Tala nicht), und er stand auf, um nach dem Rechten zu sehen.

In Gedanken beschäftigte Bryan sich schon damit, wie er dem potentiellen Einbrecher die größtmöglichen Schmerzen bereiten konnte, ohne dass es mutwillig aussah. Vielleicht konnte er es ja so drehen, dass es wie Selbstverteidigung aussah...

Je mehr sich Bryan schon an diesem Gedanken erfreute, desto erstaunter war er über den Verursacher des Lärms.
 

Ian war gerade an der Garderobe und fischte sich seinen schwarzen Mantel vom Haken. Er war ausgehfertig und musterte Bryan mit schiefem Blick, der bloß in T-Shirt und Boxershorts dastand und ihn anstierte als wäre er ein Geist. Ian war mehr als nur versucht, laut „Buh!“ zu rufen, unterließ es jedoch. Er wusste, wie unberechenbar sein Teamkollege besonders morgens sein konnte.

Ebenjener gähnte, wobei er sich die Hand vor den Mund hielt, und fragte relativ desinteressiert, seine Überraschung inzwischen abgelegt: „Wohin gehst du?“ „In die Kirche.“, gab der Jüngere schlicht zur Antwort. Innerlich ärgerte er sich darüber, dass der Silberhaarige nach etwas fragte, das ihn trotzdem nicht zu interessieren schien.

Bryans Blick fiel auf die Notenhefte im Arm seines Teamkollegen.

Nach einigen Minuten drehte er sich um und kehrte in sein Zimmer zurück, wo er sich aufs Bett fallen ließ. Ian hörte den Lattenrost unter Bryans Gewicht ätzen.
 

Ian schüttelte noch über seinen Teamkollegen den Kopf, als er die Kirche fast erreicht hatte. Sie zählte zu den kleineren Kirchen in der Umgebung, und er sprang nun schon zum dritten Mal für einen Kommilitonen ein, der überraschend erkrankt war.

Er hatte vor einer halben Woche den Anruf bekommen und zugesagt. Irgendwie gefiel ihm die stille Andacht der mit Fresken ausgeschmückten Kirche..

Besonders schön war es – so fand er zumindest – wenn der Männerchor einen Choral anstimmte und die gesamte Kirche einfiel. Der Klang hatte dann immer etwas Fesselndes an sich..

*~----------------------------------------------~*

Mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht musterte die Ärztin die Unterlagen auf dem Klemmbrett. Als sie aufsah, nickte sie leicht. „Alles sieht soweit gut aus. Keine Verschlechterung Ihres Zustandes, keine Rückfälle seit Ihrer Panikattacke – und Sie sind sich sicher, nicht darüber reden zu wollen?“, fragend blickte Dr. Karschtschow ihn über die Ränder ihrer Brille hinweg.

Tala schüttelte verneinend den Kopf, ihren Blick beinahe stur, provozierend erwidernd.

Die Ärztin nickte verstehend. „Wie Sie wollen. Ich denke, wir können Sie fürs Erste entlassen, bis uns die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorliegen.“

Tala nickte als Zeichen der zur Kenntnisnahme, zeigte jedoch keine sonstige Regung. Leiser Spott regte sich in ihm. Diese Ärztin kam sich so verständnisvoll vor.. dabei interessierte sie sich doch nur für ihren bezahlten Urlaub, ihren nächsten Gehalt..

Die Stimme Dr. Karschtschows riss ihn aus seinen Gedanken. „Gut. Dann brauche ich noch eine Unterschrift hier von Ihnen, und in ein paar Stunden bekommen Sie ihre Entlassungspapiere – es kann leider nicht schneller gehen, die Verwaltung funktioniert heute nur mit einem Computer.“

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Murrend setzte sich Spencer in seinem Bett auf und verzog muffelig das Gesicht.

Warum ging verdammt noch mal niemand ans Telefon?

Müde seufzend erhob er sich. Obwohl er sich verhältnismäßig früh ins Bett gelegt hatte, hatte er noch einen von Bryans Schinken gelesen (das Buch war ihm mal beim Aufräumen in die Hände gefallen und er hatte einen Blick hineingeworfen – ein Fehler, wie sich herausgestellt hatte..). Mehr schlafend als wach taumelte er in den Gang und fand sich prompt Bryan gegenüber, der das weiße Telefon auf dem kleinen Tischchen mit Blicken aufzuspießen versuchte.

Spencer verdrehte die Augen. „Schon wieder Krieg mit dem Telefon?“ Na toll, jetzt spießte Bryan ihn auf. War auch nicht besser.. Das Telefon klingelte immer noch, sodass der Blondschopf sich schließlich dazu überwand sich zu melden.

„Allò?“
 

Kaum hatte er das Telefonat beendet, kehrte Spencer missgelaunt in sein Zimmer zurück, um sich anzuziehen.

Wenigstens hatte Bryan dieses eine Mal ein wenig Mitgefühl gezeigt und zumindest Kaffee aufgesetzt. Zu mehr war der zweite Langschläfer des Teams morgens nicht nütze.

Innerlich verfluchte Spencer seinen Teamkollegen, der vor ihm am Tisch saß und lustlos an einem Croissant kaute. Seine Augen waren noch halb geschlossen, und er hatte diesen Ausdruck im Gesicht, der Spencer als Außenstehender an der Bryan nachgesagten Brutalität zweifeln ließe. Aber er kannte den Silberhaarigen leider schon lange, und wusste um seine Wesenszüge.

Seit einiger Zeit entwickelte der Silberhaarige äußerst infantile Züge – als Beispiel konnte Spencer neben diversen anderen Ideen die regelrechte Sucht nach Fantasy-Büchern und den Krieg mit dem Telefon nennen, was doch wohl Beweis genug war – aber im Grunde genommen war ihm das egal. Er war nur froh, dass der Silberhaarige sich zu beherrschen gelernt hatte.

Der Blondhaarige trank einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. Was hatte Bryan jetzt schon wieder welches Gift in den Kaffee gemischt?

~*------------------------------------------------*~

Tala wickelte eine Strähne seines roten Haars auf dem Finger auf und ließ es langsam wieder abrollen. Wie lange sollte der Papierkram denn noch dauern..?

Um nicht ständig auf die Uhr sehen zu müssen, versuchte der Rothaarige seine Gedanken auf ein anderes Thema zu konzentrieren.

Es wunderte ihn immer noch, warum Spencer um diese Uhrzeit – und auch noch an einem Sonntag – auf den Beinen war. Sicher, er hatte brummig geklungen, doch er war aufnahmefähig gewesen. Und das war beim Blonden vor elf Uhr eine wahre Seltenheit.. Er war immer schon kaum aus den Federn zu bekommen gewesen, und hatte sich zu ihrer Zeit in der Abtei öfters Standpauken eingehandelt. Allein, wenn Tala daran dachte, was die Aufseher oft mit ihnen angestellt hatten.. Lieber nicht daran denken!

9.30 Uhr.

Jetzt sah er doch auf die Uhr. Mist.

Plötzlich ertönte ein müdes „Hi“ neben ihm, und Spencer ließ sich ein wenig schwerfällig auf den ungemütlichen Warteabteil-Stuhl nieder. Er erblickte die kleine Tasche des Rothaarigen auf dem Linoleumboden und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Du kommst raus?“, stellte er nicht wenig überrascht fest.
 

Die Autofahrt verlief sehr ruhig. Tala war müde von seinem langen Krankenhausaufenthalt und blickte träge aus dem Fenster, während Spencer ihm gerne an die Gurgel gegangen wäre. Leise fluchte er über den dichten Verkehr, in den sie gekommen waren, und trat auf die Bremse, etwas zu fest, denn der Wagen gluckerte und drohte einen Moment lang abzusterben. Doch Spencer besann sich und rettete sie vor dem endgültigen Stillstand des Motors.
 

Mit einem Male meldete sich Tala zu Wort. Er ließ ein geräuschvolles Ausatmen hören, während er leicht auf das Armaturenbrett vor sich klopfte. „Warum hast du dir nur so eine Blechbüchse zugelegt..“, seufzte er übertrieben theatralisch und setzte eine leichte Leidensmiene auf.

Spencer verdrehte die Augen. „Jaja, mach dich nur über das Auto lustig – du wirst sehen, bei der nächsten Ampel bleibt sie liegen..“, prophezeite der Blondschopf mit übertrieben ernsthafter Miene, auf das Spielchen eingehend.

Tala konnte sich ein ironisches Grinsen nicht verkneifen, gepaart mit einem Augenverdrehen vom Typ ‚Womit-habe-ich-das-jetzt-verdient?‘ Doch sein Grinsen gefror schnell wieder auf der Maske kühlen Gleichmuts und er lehnte seine Stirn an die kühle Fensterscheibe, beobachtete die Passanten auf dem Bürgersteig, ließ zu, dass seine Gedanken ihre weiteren Runden zogen.

Spencer hatte sich von ihnen allen beinahe am meisten verändert. Wo er früher in sich gekehrt gewesen war, so konnte er heute manchmal richtig witzig werden. In Gegenwart seines Teams, verstand sich – gegenüber Fremden waren sie alle misstrauisch. Aber Spencer hatte eine Eigenart natürlichen Charmes an sich, welche ihn wohl durch seine verschwiegene Art anderen Menschen gegenüber sympathisch erscheinen ließ.
 

Talas schiefer, nachdenklicher Blick, der auf ihm lag, verwunderte und verwirrte ihn. Spencer grummelte mies gelaunt. Der Blondschopf musste Fahrdienst spielen, weil er im Moment als einziger in Besitz eines fahrbaren, vierrädrigen Untersatzes war. Zugegeben, sein Wagen war reifer für den Schrotthaufen als er zugeben wollte und blieb auf Strecken außerhalb der Stadt immer wieder liegen, aber zumindest im Moment schlich er durch den Moskauer Vormittagsverkehr wie eine Eins – Tala konnte sich seine Kommentare, die er auch sonst immer über sein Auto zu machen pflegte, im Moment also sparen. Die Ampel schaltete auf grün, der Wagen blieb liegen. „Verdammt“, fluchte Spencer und startete seinen fahrbaren Untersatz wieder, „Ich hab’s dir ja gesagt.“

Nun gut, die Schrottlaube lief wie eine eins minus..
 

Tala zeigte ein schmales, beinahe schon mitleidiges Grinsen, wobei sich in seinen Augenwinkeln schmale Lachfältchen bildeten. Doch es dauerte nur eine knappe Minute an.

Spencer beobachtete das Erstarren Talas Miene mit einer Mischung aus Resignation und Traurigkeit. Er war es gewohnt, dass Tala so war – in sich gekehrt und ruhig, als würde er die ganze Zeit etwas ausbrüten. Aber er konnte auch gute Momente haben, in denen er sogar freundlich erscheinen konnte. Sie waren selten, aber sie waren da. So wie gerade eben.

~*------------------------------------------*~

Als Ian nach Hause kam und ihn ein rothaariger Teamleader auf der Couch erwartete konnte er sich kaum beherrschen, so überrascht war er. Seine Gesichtszüge entgleisten ihm, und er musste Tala wohl mehr als nur eine Minute lang sprachlos und mit offenem Mund angestarrt haben, da der Rothaarige seine Augenbraue fragend in die Höhe hob. „Alles in Ordnung?“, fragte er dann mit Worten, als seine stumme Frage nicht beantwortet wurde. Ian beeilte sich zu nicken, konnte aber nicht umhin, sich verstohlen über die Augen zu reiben.

„Du siehst ihn auch, oder?“, fragte er Spencer, der Nudelwasser aufgesetzt hatte. Der Blondschopf grinste schief und schenkte dem jüngeren einen belustigten Blick. „Ja, er ist wieder da.“, meinte er dann.

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Joa, ich hoffe ihr lest meine Wenigkeit überhaupt noch.. 2 Wochen (oder mehr???) sind verdammt lang^^°

Nun, Kommis wie immer erwünscht;3 (was sonst?)

und jetzt geh' ich wieder tippen XDD *alle durchknuddl*

Wieder Zuhause

Kapitel 10: Wieder Zuhause
 

Eigentlich hatte er gedacht, nun, da Tala wieder Zuhause war, würde alles besser werden. Wirklich. Ian hatte gedacht, nun würden die ewigen Streitereien endlich ein Ende finden, hatte gedacht, sie könnten endlich einmal offen reden, vielleicht etwas über die anderen erfahren..

Warum hatte er sich solche Hoffnungen überhaupt gemacht?

Es war wie vor dem Zusammenbruch den Teamleaders – beinahe schien es ihm so, als wäre alles schlimmer geworden.

Ian unterdrückte ein deprimiertes Seufzen und wandte sich wieder seinen Noten zu - heute war es Beethoven und Haydn, wie schon die letzten zwei Monate. Langsam fielen ihm diese beiden Stücke auf die Nerven..

Plötzlich platzte Bryan zur Tür herein. „Kannst du nicht einmal anklopfen?“, fragte Ian unfreundlich. Er wollte keinen Streit, nein. Es reichte schon, wenn sie sich öfters wegen Banalitäten in den Haaren lagen. Aber es musste doch nicht sein, dass Bryan seine schlechte Laune an jeder Tür ausließ, die noch intakt war.

„Nein“, beschloss der Silberhaarige und verschränkte die Arme vor der Brust, was sich wegen des einen Armes in der Schlinge als schwierig gestaltete. Ian unterdrückte ein schadenfrohes Grinsen und verdrehte stattdessen die Augen. Das geschah Bryan recht, wo er doch so ein ‚ Sonnenschein‘ war.. „Was willst du dann von mir?“, stellte der Jüngste des Teams seufzend die konkreteste Frage, die ihm einfiel. Sonst konnte er hier noch sehr lange Zeit herumraten. „Es gibt Essen.“, antwortete der Silberhaarige neutral und verließ das Zimmer wieder, dicht gefolgt von Ian, welcher seine Zimmertür vor einem weiteren Gewaltakt bewahrte und leise hinter sich schloss.
 

Spencer tat einige letzte Handgriffe, ehe er sich zum Tisch umdrehte, wo seine Teamkollegen gerade Platz nahmen. Tala saß schon seit geraumer Zeit in der Küche, hatte Bryan soeben auch zu Ian geschickt – letztere beide ließen sich gerade am Tisch nieder.

Der Blick des Blondschopfs wanderte wieder zu seinem Teamleader, der stumm und reglos wie eine Statue dasaß, in Gedanken offensichtlich abwesend. Wie so oft fragte sich der große Russe, was wohl in seinem Teamleader vorgehen mochte. Spencer schöpfte den Borschtsch in die Teller und stellte den Topf zurück auf den Herd, ehe auch er sich auf seinem Stuhl niederließ. Während Bryan und Tala sich wie immer mit Appetit auf das Gericht stürzten, löffelte Ian lustlos an seinem Borschtsch herum. Spencer hätte ihn gerne gefragt, was los war; er mochte es nicht, wenn Unfrieden im Team herrschte – aber seit Tala wieder da war, hatte sich ihr Verhältnis untereinander verändert. Spencer konnte nicht benennen, wie, aber er spürte es. So wie jetzt, wo ihm die Worte auf der Zunge lagen, er sie jedoch nicht auszusprechen wagte.

Ihm kam eine seltsame Idee: konnte es sein, dass die klaren blauen Augen des Teamleaders, der scheinbar alles überblickte, ihn nervös machten? War das der Grund?

„Ist was?“, fragte Bryan, den der Blondschopf nun schon längere Zeit gedankenverloren angestarrt hatte. Aufgeschreckt schüttelte Spencer den Kopf, ein wenig verwirrt über den provozierenden Blick des silberhaarigen Teamkollegen. „Nichts“, bemerkte er ein wenig heißer und nahm seinen Gedanken von vorhin wieder auf.

So seltsam es auch sein mochte.. es klang gar nicht einmal so abwegig..

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Tala seufzte und legte sich auf sein Bett, musterte die Zimmerdecke. Erst jetzt, wo er wieder hier war, bemerkte er, wie sehr er die weiche Matratze eigentlich vermisst hatte..

Er genoss die leisen Geräusche der Wohnung, das ruhige Werkeln Spencers in der Küche, der den Abwasch machte, das gedämpfte Klavierspiel Ians, selbst schien es ihm, sogar das Rascheln von Buchseiten hören zu können.. Es war schon verrückt; er hatte es sich so oft während der letzten Woche gewünscht, wieder Zuhause zu sein, und jetzt war es – ihm fiel keine passendere Bezeichnung als seltsam ein.

Bryan ging ihm aus dem Weg, wo er nur konnte, ihnen allen. Es versetzte Tala, auch wenn er es nicht einmal vor sich selbst zugeben wollte, einen Stich, wenn er sah, wie sich sein Teamkollege immer weiter verschloss, so wurde wie früher. Jetzt, wo es doch endlich so ausgesehen hatte als würde er seine übliche Kälte ablegen.

Ein Klirren war durch die nur angelehnte Tür zu vernehmen, und Spencers Fluchen ließ ihn schmunzeln. Es gab doch ein paar Dinge, die sich nicht änderten – Spencer hatte schon in der Abtei die fiesesten Flüche gewusst, oftmals zu ihrer aller Belustigung - die Bedeutungen waren manchmal so abwegig, dass es nur noch zum Lachen war. Wie aufs Stichwort hörte er da Bryans raues, ein wenig spöttisches Lachen. „Was war denn das jetzt für ein Wort?“, hörte er den Silberhaarigen belustigt fragen, und fühlte schon wieder einen Stich.

Warum war Bryan nicht auch so zu ihm? War er, Tala, wirklich so anders als alle anderen?

Der Rothaarige seufzte ein weiteres Mal und rollte sich auf seinem Bett zusammen, richtete seinen Blick auf das Fenster, wohinter der Frühling langsam, aber sicher Einzug in Moskau hielt.
 

Sein ganzes Leben lang hatte man ihm erzählt, er wäre anders. Zuerst hatte man ihn wegen seines Aussehens gehänselt; rote Haare und (wenn auch nicht sichtbare) Sommersprossen waren schon immer eine Seltenheit in Russland gewesen, die anderen Kinder hielten sich von ihm fern.
 

Es klopfte leicht, riss Tala aus seinen Gedanken. Er musste nichts sagen, Ian trat in den Raum und versuchte sich an einem Lächeln. Doch der Teamleader wusste, dass es eine reine Höflichkeitsgeste war, daher forderte er den Jüngeren mit einem einfachen Nicken auf, auf dem Schreibtischstuhl Platz zu nehmen, während er sich mit angezogenen Beinen an die Wand hinter seinem Bett lehnte und den Dunkelhaarigen ansah, durch ihn hindurch starrte.
 

Ja, alle hatten ihn gemieden. Bis auf Ian.

Er hatte ihn bei ihrer Einführung gesehen, ein kurzer Augenblick des gegenseitigen Bemerkens, des gegenseitigen Anstarrens.. und nachdem sie in derselben Trainingsgruppe gelandet waren, wich der Jüngere nicht mehr von seiner Seite. Anfangs hatte Tala noch versucht den Kleineren loszuwerden. Ein liebloses Schmunzeln überzog sein Gesicht. Ian hatte nie Ruhe gegeben, egal wie lange er ihn ignoriert hatte. Und schließlich waren sie Freunde geworden. Irgendwie.
 

Ian blickte sich eine Zeit lang im Zimmer des Rothaarigen um. Er war kaum einmal in Talas Zimmer gewesen, und wenn, so hatte er kaum Zeit gehabt. Er hatte sich ein wenig mehr erwartet, doch.. irgendwie passte die Erscheinung des Zimmers zur Erscheinung des Rothaarigen: kalt.

Die Wände waren weiß getüncht, kein Poster zierte eine Wand, das Bett bestand aus einem einfachen Metallgestell und war mit schwarz-roter Bettwäsche bezogen. Außer dem Stuhl, auf dem er saß, waren an Einrichtung nur noch der Schreibtisch und ein Schrank vorhanden. Es schien unpersönlich, als ob das Zimmer seit den drei Jahren, die sie nun hier wohnten, leer stünde.
 

Das Gesicht des Rothaarigen zog seine Aufmerksamkeit auf sich, ein einfaches Verziehen der Lippen hatte stattgefunden und gab dem Teamleader ein irgendwie verzweifeltes Aussehen. Ian hatte Tala kaum einmal richtig lächeln sehen, und auch jetzt erreichte es seine Augen nicht. Es schien einfach eine Art Pflichtübung für die Gesichtsmuskeln zu sein. Doch es war schon ein Zeichen, das von Tala ausging – vor wenigen Jahren hätte es das noch nicht gegeben.

Er versuchte, den Blick des anderen aufzufangen, doch vergeblich. Tala schien Ian völlig vergessen zu haben, im Geist durch völlig andere Sphären zu wandern.

Talas klare blaue Augen waren für Ian schon immer ein Rätsel gewesen. Sie schienen immer alles und nichts zu sehen, konnten ins Leere starren oder einen Menschen fokussieren, sodass diesem unheimlich zumute wurde. Sie zeigten kaum einmal ein Gefühl, waren wie ein Buch mit sieben Siegeln. Und er stand da, es betrachtend, bewundernd – aber ohne Schlüssel.

Und im Stillen dankte Ian dafür. Er wollte nicht wirklich wissen, was sich hinter diesem eisblauen Vorhang verbarg. Tala war bestimmt nicht ohne Grund kälter als sie alle.

~*-----------------------------------------*~

„Verdammt“, knurrte Bryan und hackte auf die Tastatur des Computers ein. Die Worte erschienen auf dem Bildschirm, doch wurden immer wieder vom Silberhaarigen gelöscht, umformuliert und neu angeordnet. Trotz all seiner Bemühungen kam nichts heraus, das seiner Vorstellung auch nur halbwegs Ausdruck verlieh.

Der Silberhaarige schnaubte entnervt und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. „So werde ich bestimmt niemals fertig..“, murmelte er sich selbst zu, während er auf den Bildschirm starrte.
 

Genau in dem Moment wurde die Tür des Zimmers geöffnet, und Spencer betrat, bewaffnet mit zwei Kaffeetassen, das Zimmer, das mehr einer eingestaubten Bibliothek als einem Schlafraum aussah. Der Blondschopf stellte die eine Tasse auf einen leicht verstaubten Bücherstapel neben Bryan, der sie sogleich aufnahm, und ließ sich selbst auf das grün bezogene, ungemachte Bett fallen.

„Aufräumen ist für dich ein Fremdwort, was?“, feixte der Blondschopf und hob demonstrativ eine Jogginghose vom Boden auf, hielt sie vorsichtig ein Stück von sich weg. „Nein, es bedeutet, sich in seinen Sachen zu Recht zu finden, und das tue ich – nur zu deiner Info.“, gab Bryan kühl zurück und wandte sich seinem Teamkollegen zu und somit von seinem Computer weg. „Was willst du?“, fragte er dann unfreundlich.

Spencer verdrehte die Augen. Manchmal vergaß er, dass Bryan auch andere Seiten hatte. „Mit dir reden, vielleicht? Es geht mir langsam auf die Nerven, alle vier Monate Türen austauschen zu lassen, nur weil du dein Pensum nicht schaffst.“, stellte er klar und wunderte sich über sich selbst.

Bryan blickte ihn skeptisch und wenig überzeugt an. „Wäre es nicht die Aufgabe des Teamleaders, mich über solche Sachen zu informieren?“, fragte er mit spöttischem Grinsen auf den Lippen. Spencer kannte dieses Grinsen, und bereute schon jetzt, überhaupt hergekommen zu sein.
 

Bryan liebte es, mit seinen Opfern zu spielen. Ihn faszinierte der anfängliche Widerstand, auf den Aggression und schließlich Resignation folgten. Doch Spencer war anders als normale Menschen, wusste wie er war, wie er sein konnte, und reagierte gelassen. „Tala ist gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen.“, appellierte er, „Denkst du nicht, wir könnten da zumindest ein wenig Rücksicht nehmen? – Ich weiß, dass das ein inexistentes Wort in deinem Wortschatz ist, Bryan.“ Der Blondschopf blickte den Angesprochenen in einer Mischung aus Vorwurf und leichtem Amüsement an, der schnaubte. „Du willst doch nur selber mal Teamleader spielen.“, bemerkte er brüsk und drehte sich ruckartig wieder dem Computer zu.

Er bemerkte nicht, dass sein Fuß sich in der Zwischenzeit im Stromkabel verfangen hatte und riss durch seine Bewegung den Stecker aus der Dose. „Verdammte-“, fluchte der Silberhaarige und starrte den Bildschirm mit einem Blick an, der hätte töten können.

Doch weder ging besagtes Objekt mit einer lauten Explosion in Rauch und Flammen auf, noch schaltete es sich wieder ein. Bryan seufzte entnervt und ging in die Knie, kroch unter den Tisch und versuchte, den PC wieder an die Stromversorgung anzuschließen. Genau in jenem Moment ging die Tür ruckartig auf, und Ian kam hereinspaziert. „Bryan!“, rief der Jüngste des Teams aufgebracht. Angesprochener krachte mit einem lauten Scheppern an die Tischfläche des Schreibtischs, sodass die darauf platzierten Gegenstände gefährlich zu wackeln begannen. „Au! Verdammt!“, sich den Kopf haltend tauchte der Silberhaarige unter dem Tisch auf und funkelte seinen Teamkollegen tödlich an.

Ian konnte nicht anders als über den Anblick zu lachen. Wann sah man denn schon einmal Bryan vor sich auf dem Boden herumkriechen und die seltsamsten Flüche aus sprechen? Eben. Nie.

„Was willst du, Zwerg? Ich sag‘ dir, wenn’s nichts Wichtiges ist..“, Bryan ließ die Drohung unausgesprochen und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, sodass der andere seinen Kopf leicht anheben musste, um zu ihm aufzusehen.

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Kaum zu glauben, Kapitel 11 besteht schon zur Hälfte.. ein denkwürdiger AUgenblick =P
 

Danke fürs Reinschauen und kommis sind natürlich immer erwünscht

FW

Anders

Kapitel 11: Anders
 

Er war wieder alleine, hörte die gedämpften Stimmen Spencers und Ians, sowie Bryans ungehaltenes Fluchen. Er registrierte es, ordnete die einzelnen Stimmen unwillkürlich den Personen zu und fühlte sich unendlich einsam und alleingelassen.

Denn, auch wenn Ian es immer wieder versuchte, er war anders, würde immer anders bleiben; für den einen arrogant, für den anderen kalt und unnahbar..
 

Er hatte immer alles über sich ergehen lassen, ohne ein Wort des Widerstands, ohne Klage, und hatte trainiert wie ein Besessener. Was war ihm auch anderes übrig geblieben? Er war nie von den anderen Kindern akzeptiert worden. Selbst Ian – und mochte er es noch so sehr leugnen – hatte ihn nie vollständig akzeptiert.

Durch sein enormes Trainingspensum war er besser geworden, der Beste. Es war gleichsam Segen wie Fluch. Segen, weil die anderen Schüler endlich von alleine einen weiten Bogen um seine Person schlugen, vor seinem kalten Blick, vor seiner ausdruckslosen Miene. Fluch, weil Boris Balkov Gründe fand, ihn zu sich zu zitieren. Der Abteivorsteher hatte ihn schon viel früher zu sich bestellt, hatte ihn erniedrigt..
 

Etwas krachte und riss Tala aus seinen Gedanken; gerade noch rechtzeitig. Er fühlte sein Zittern und schlang die Arme noch etwas fester um seine Knie, seine beiden Strähnen fielen ihm in die Augen. Er versuchte sich zu beruhigen, tief zu atmen, und die Geister der Vergangenheit zurück in ihre Schranken zu verweisen.

Bryan fluchte gerade laut und mit äußerst seltsamen Ausdrücken, die er nur von Spencer haben konnte. Dann ertönte Ians Lachen, leicht gepresst und, wie immer, ein wenig lauernd.

Tala war sich sicher, würde er sich jetzt zu den anderen gesellen, würde die lockere Atmosphäre, die unüberhörbar existierte, auf der Stelle gedämpft, wenn nicht sogar zerstört. Sie würden ihn schweigend ansehen, vielleicht auch den Blick senken oder einen Winkel des Zimmers ansehen, und schweigen. Er war ein Hindernis, ein Hemmfaktor für Herzlichkeit, für Vertrautheit, weil er niemanden an sich heranließ.

Er wusste nicht, warum er es tat. Er verspürte einen Sog, der ihn dazu bewog, sich zu erheben und in den Flur zu treten. Es war wie der Sog, der ihn immer an verschneiten Tagen aus dem Haus gehen und durch die weiße Landschaft streunen ließ.

Neben Bryans angelehnter Zimmertür – da fiel ihm ein, er musste mit dem Silberhaarigen wirklich einmal über sein Türen-Problem sprechen – lehnte der Rothaarige sich an die Wand und hörte dem.. Zusammensitzen seines Teams zu.

Vielleicht hatte er einfach das Bedürfnis, an einer vertrauten Umgebung teilzuhaben, ohne bemerkt zu werden und die Stimmung somit zu verderben, er wusste es nicht..

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Ian starrte wutentbrannt zum Silberhaarigen auf. Er hasste es, wenn er zu jemand anderem aufsehen musste, besonders, wenn Bryan dieser jemand war. Letzterer hatte einen ausgeprägten Sinn dafür, ihn zur Weißglut zu treiben und in Situationen wie diesen beneidete Ian Spencer manchmal für seine – zumindest äußerliche – Gemütsruhe.

Er ließ einen grollenden Laut hören und wandte sich ab. „Manchmal versteh‘ ich, warum Tala sich das hier nicht antut.“, murrte er und war schon halb aus der Tür, da hielt ihn Spencer mit einer Handbewegung auf und deutete auf die angelehnte Tür, wo ein roter Haarschopf gerade ums Eck verschwand.

Der Jüngste der Demolition Boys verstand, und warf Bryan einen Blick zu, der leicht nickte. Plötzlich war es still zwischen ihnen.

Tala hatte es wieder getan. Keiner von ihnen wusste, warum er es tat. Sie konnten es sich nicht erklären. Nicht, dass es sie gestört hätte, von ihrem Teamleader belauscht zu werden; nun gut, es störte sie doch, vor allem Bryan, der sich tierisch darüber aufregte.

Ian warf einen vorsichtigen Blick auf Bryan. Äußerlich schien er völlig ruhig und normal, doch seine geballten Fäuste und der stechende Blick sprachen Bände.

Spencer erhob sich unterdessen gleichmütig und trat aus der Tür, wohl um in sein Zimmer zu gehen. Bryan schloss kurz die Augen und schien, als er sie wieder öffnete, mehr oder weniger ruhig zu sein, denn er wandte sich dem Computer zu, ließ ihn wieder hochfahren und fluchte leise, als er feststellen musste, dass die Arbeit der letzten zwei Stunden dahin war.

Ian trat in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich und wurde sich gewahr, dass jemand sich auf seinem Bett niedergelassen hatte.

Tala blickte ihn aus klaren blauen Augen an, undurchdringlich und trotzdem von entwaffnender Ehrlichkeit, sein Gesicht eine einzige Maske, sein Körper eine zu Stein erstarrte Statue.
 

Ian war klar, wozu Tala hier war. Der Rotschopf saß immer nur in seinem Zimmer, auf seinem Bett, wenn er ihm zuhören wollte. Und da Ian gerne am Klavier spielte, machte es ihm nichts aus, wirklich nicht. Inzwischen machte es ihn auch nicht mehr so nervös, vor Tala zu spielen, da er eingesehen hatte, der Rotschopf verstand nichts von Musik.

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„Das halt‘ ich nicht mehr aus!“, regte sich der Silberhaarige auf und zog den Stecker, kappte somit die Stromzufuhr des stockenden Computers – zum wiederholten Male. Es war ihm klar, die Technik würde auch weiterhin nicht gerade kooperationsbereit auf ihn reagieren, wenn er in diesem Maße fortfuhr.. Aber es grenzte wirklich langsam an eine Verschwörung höherer Mächte gegen ihn! „Du verdammtes Mistding, wenn du nicht bald funktionierst schmeiß‘ ich dich hochkant aus dem Fenster!“, wütete Bryan und war tatsächlich schon nahe dabei, seine Drohung gegen das Elektrogerät in die Tat umzusetzen.

Nicht ein einziges Mal hatte dieses Ding beim Abspeichern funktioniert, so war die ganze Arbeit von zweieinhalb Stunden mühseligem Abtippen des Schmierblattes umsonst gewesen.

Bryan schnaufte entnervt und fuhr sich durch die Haare, schloss den Computer wieder ans Stromnetz der Wohnung an und beschloss, seine Anlaufstelle für alle kleineren technischen Mäkel zwei Zimmer weiter aufzusuchen: Tala.
 

Er fand den Rothaarigen nicht in seinem kargen Zimmer, das ihn jedes Mal wieder frösteln ließ, wenn er es betrat. Doch leise Klänge eines Klaviers lotsten ihn zuverlässig wie ein Navigationssystem zum Teamleader, und Bryan konnte sich ein schiefes Schmunzeln nicht verkneifen. Er hätte auch gleich zu Ian gehen können – dort fand sich der Rotschopf immer, wenn das Nesthäkchen des Teams zu spielen gedachte.

Zunächst schienen ihn weder Tala noch Ian zu bemerken. Tala hatte seinen Kopf abgewandt, den Blick offensichtlich aus dem Fenster gerichtet und wohl tief in seinen Gedanken versunken. Ian war während des Spiels meistens sowieso nicht ansprechbar, er war immer ein Gefangener der Töne, genauso wie Bryan selbst der Gefangene der geschriebenen Worte war, und befand sich in einer eigenen Welt.

Mit einem Räuspern machte der Silberhaarige auf sich aufmerksam, was ihm einen leisen Kommentar Ians (der anscheinend doch nicht so weit weggetreten war) – „Damit machst du dir die Stimme kaputt.“ – einbrachte, sowie einen schrägen Blick des rothaarigen Teamleaders.

Innerlich schnaubte Bryan und wandte unwillkürlich die Augen zur Zimmerdecke als er den wissend-spöttischen Blick des Teamleaders bemerkte. Natürlich, Tala wusste, was er von ihm wollte. Es war doch immer dasselbe zwischen ihnen beiden..

Endlich erwiderte er den stechenden Blick der eisblauen Augen.„Könntest du dir mal den Computer ansehen? Er ist abgestürzt..“, brummte Bryan miesgelaunt. Ein schmales, kaum sichtbares und mehr als nur spöttisches Lächeln schlich sich auf Talas Lippen. „Ich komme.“, meinte er und erhob sich.

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Ja.. ich denke, das hier soll ein Zwischenkapitel sein - so viel ist nun auch wieder nicht passiert.. aber ihr seht schon, Tala hat es nicht leicht^^..

Danke auch für Kommis, ihr Lüben.. da werd ich gleich mal nachgugen gehen=3
 

MVLG, eure FW

Ausnahme

Kapitel 12: Ausnahme
 

Kapitel 12: Ausnahme

Bryan fragte sich schon, ob der Teamleader seinen heimlichen Gewaltakt am PC erkannt hatte; der Rothaarige stand schon seit geschlagenen drei Minuten vor dem Gerät, ohne einen Finger zu rühren, und schien es mit seinen saphirblauen Augen zu durchleuchten.

Natürlich war ihm klar, dass das unmöglich war; es sah nur so aus, und allein das ließ Bryan schon an seiner ‚Spurenbeseitigung‘ zweifeln. Er hatte ja auch nur den Staub abgewischt, der sich in den letzten drei Monaten angesammelt hatte – das mochte für andere nichts Besonderes sein, doch für Tala konnte es ein Indiz bedeuten..

Hör auf, du Depp, schalt sich der Russe in Gedanken, Tala ist auch nur ein Mensch und kein Nachfolger von Sherlock Holmes..

Der Rotschopf unterdessen seufzte leise und zog das Etui seiner Lesebrille aus der Hosentasche, fokussierte das Gesicht des Silberhaarigen jedoch noch einen Moment, bevor er sich das randlose Gestell auf die Nase setzte. Wieder fühlte sich Bryan seltsam durchschaut; dieses ‚Tala-weiß-alles‘-Gefühl wollte sich einfach nicht so leicht vertreiben lassen.

Tala schien sich inzwischen nicht weiter an ihm stören, der seit mindestens fünf Minuten dastand und ihn anstarrte, und ließ sich langsam auf die Knie sinken. Er zog den Kabelsalat aus der Steckdose, löste die Kabel voneinander und verfolgte sie zum Computer zurück. Die anderen steckte er im Moment nicht wieder am Verteiler an.

Schließlich war er so weit, den PC anzuschalten. Der Bildschirm flackerte einige Momente, doch das tat er schon länger – mindestens seit zwei Wochen, glaubte Bryan. Da war er einmal etwas zu grob geworden..

Doch dieses Mal flackerte es stärker, und Tala runzelte skeptisch die Stirn. „Du bist sicher, dass dein Temperament nicht wieder mit dir durchgegangen ist..?“, stellte er die rhetorisch gemeinte Frage in den Raum, „So wie vorletzten Samstag? Oder den Donnerstag davor? Oder-“ Bryan murrte. „Ich hab’s ja verstanden, danke!“, er zog eine leicht gequälte Grimasse. Tala musste aber auch alles wissen.

Tala verdrehte die Augen und warf ihm einen eindeutig amüsierten Blick zu, ehe er sich wieder mit nüchterner Miene dem elektronischen Gerät zuwandte. Seine Finger tippten einige Befehle, er startete das Programm neu – und schon war wieder alles beim Alten.

Bryan traute seinen Augen kaum. Es war immer wieder faszinierend zu beobachten, wie der Rothaarige Probleme, wofür er selbst stundenlang gesessen wäre und es doch nicht geschafft hätte, mit Hilfe einiger weniger Handgriffe löste. Doch die drei Seiten, die er vorhin perfektioniert hatte, waren wohl restlos im Nexus des PCs verschwunden..

Tala musste seinen doch wenig enthusiastischen Blick bemerkt haben, denn er tippte abermals etwas und schon erschienen verloren geglaubte Dateien auf dem Monitor.
 

Es war nicht so, dass Bryan strahlte. Er strahlte nie. Doch Tala hatte ein unbestimmtes Gefühl, welches ihm sagte, Bryan würde ihn freudestrahlend angrinsen und ihm womöglich noch um den Hals fallen – wäre er denn anders erzogen worden. Der Silberhaarige stürzte sich auf den PC, starrte einige Momente die soeben wiederhergestellten Zeilen an – was für den Rothaarigen selbst jedoch kein allzu großes Wunderding darstellte.

Mit einem schmalen, aber deutlich zufriedenen Lächeln auf den Lippen zog er sich zurück, nahm seine Lesebrille von der Nase und verstaute sie im Etui.

Technische Dinge waren ihm in seiner Kindheit und während der ersten Zeit in Freiheit suspekt erschienen, schon allein, weil sie in seiner Vergangenheit oft Schmerzen und Qual bedeutet hatten. Vielleicht gerade deshalb hatte er sich schlau gemacht – wie hieß noch gleich das bekannte Sprichwort? >Kenne deinen Feind besser als er sich selbst kennt.< - und es hatte Tala zu einem recht guten Informatiker gemacht, auch wenn er sich nicht mehr Zeit als unbedingt nötig mit den Geräten aufhielt.

Bryan hatte schon wieder begonnen, munter drauflos zu tippen, in einer Geschwindigkeit, die der Rotschopf ihm nie zugetraut hätte. Bryan hatte wohl tatsächlich langsam Übung im Maschinschreiben – beinahe so viel wie im Schrotten seines PCs, was er wirklich mindestens alle zwei Tage schaffte, meldete sich eine belustigt-sarkastische Stimme in seinem Hinterkopf zu Wort.

Tala beobachtete den Silberhaarigen noch kurz und fühlte dabei ein warmes Gefühl in sich. Es war so seltsam, nach einer langen Zeit in Kälte und Einsamkeit etwas anderes zu fühlen. Dem Blauäugigen war nicht wohl bei der ganzen Sache, um nicht zu sagen.. er hatte beinahe Angst vor der ungewohnten Wärme, die sein Innerstes in Aufruhr versetzte.

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Ian hörte das Klacken des Schlosses mitten in seinem Spiel, dachte sich jedoch nichts dabei – bestimmt hatte Spencer wieder vergessen einzukaufen und Bryan geschickt – obwohl.. wenn Bryan hätte gehen müssen hätte Ian bestimmt sein Fluchen gehört.

Spencer konnte es auch nicht sein, sonst wäre die Techno-Musik aus seinem Zimmer schon längst verstummt. Und Tala.. der war doch seines Wissens nach bei Bryan..? Er musste es einfach sein, sonst würde der Silberhaarige doch schon wieder mit dem Fluchen begonnen haben.

Ian zuckte gedankenverloren die Schultern und versuchte sich wieder auf seine Übungen zu konzentrieren – was allerdings nicht sehr einfach war.

Der jüngste der Demolition Boys schnaubte genervt. Das war mal wieder so typisch. Immer, wenn Bryan mal ausnahmsweise Ruhe gab, fiel Spencer unweigerlich ein, dass er im Besitz einer Stereoanlage und Techno-CDs war. Langsam ließ der Dunkelhaarige seinen Kopf gegen das Notenpult sinken. Warum musste Spencer ausgerechnet Fan der einzigen Musik sein, die er nicht ausstehen konnte? Gerade Techno..

Ian ließ einen murrenden Laut hören. Warum konnte nicht Bryan wieder nerven? Den konnte man wenigstens ignorieren, auch wenn er definitiv mehr Ausdauer hatte als andere..

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Kühler Wind blies ihm ins Gesicht, ließ seine blassen Wangen sich rosig färben und fegte ihm seine beiden roten Strähnen aus dem Gesicht, die sein Team hinter seinem Rücken als ‚Antennen‘ zu betiteln pflegte. Es störte Tala nicht wirklich, doch hatte sich geschworen, würden sie es ihm je ins Gesicht sagen, würde er ihnen schneller einen Strick daraus drehen als sie ihre Beyblades starten konnten..

Er erreichte eine Straßenkreuzung und wandte sich nach kurzem Zögern in Richtung eines nahe gelegenen Parks, in den es ihn öfter zog. Es begegneten ihm ungewöhnlich viele Menschen – anscheinend war an diesem doch relativ warmen Frühlingstag halb Moskau auf den Beinen. Er war froh, eine dunkle Mütze mitgenommen zu haben – mit ihr, die seine roten Haare verbarg, und der olivfarbenen Jacke, konnte sich als normaler Passant auf die Straße trauen, ohne von Klatschgeschichten jagenden Reportern erkannt zu werden – und ließ ein kurzes, kaum sichtbares Schmunzeln über sein Gesicht blitzen. Seine Teamkollegen wussten nur von seinen Spaziergängen, dass er aus dem Haus ging und oft stundenlang weg war; ihm waren auch schon ihre manchmal an pure Banalität grenzenden Vermutungen zu Ohren gekommen.

Dabei hatte er nichts mit Drogen oder anderem zu tun, und er war stolz auf seine weiße Weste, die er sich seit dem ersten Tag in Freiheit buchstäblich zugelegt hatte.

Er nutzte seine Spaziergänge ein wenig Ruhe zum Nachdenken oder einfach um ein wenig Zeit für sich zu haben; auch wenn es schwer zuzugeben war, das Zusammenleben mit Bryan, Spencer und Ian konnte manchmal hart sein – besonders, wenn Spencer wieder eine dieser Techno-CDs aus dem Chaos seines Zimmers hervorgeholt und Bryan seinen PC lahmgelegt hatte, wobei letzteres in nahezu erschreckender Regelmäßigkeit passierte. Wenigstens blieb er dadurch in Übung, was das Reparieren von PCs betraf..

An diesem Punkt seiner Gedanken musste der Rothaarige innerlich den Kopf über sich selbst schütteln. Welche Seltsamkeiten sich in seine Gedanken schleichen konnten, das war beinahe schon amüsant. Aber nur beinahe.

Er schritt über einige der nicht asphaltierten Kieswege, zu seinem Stammplatz – einer leicht verborgenen Parkbank im verlasseneren Teil des Parks.

Eine Gruppe von Teenagern lümmelte sich an einer nahe gelegenen Parkbank, lachend und schwatzend umgaben sechs oder sieben Jugendliche einen stämmigen Jungen, der wohl den Anführer darstellen sollte.

Manchmal fragte sich Tala, ob auch er in einer solchen Gruppe seinen Platz gefunden hätte, wäre er anders – normal – aufgewachsen. Wäre er auch dann ein Außenseiter oder vielleicht ein Anführer oder ein Mitläufer? Er hatte dieses Phänomen des Gruppenzwangs niemals wirklich verstanden; es war ihm ein Rätsel wie man als freier, ungebundener Mensch jemandem folgen konnte, der einem die Entscheidungen abnahm.

Doch auch seine Teamkollegen folgten ihm bis zu einem bestimmten Grad, ohne dass er es von ihnen verlangt hätte. Vielleicht also..-
 

„Wusst‘ ich doch, dass ich dich hier finde.“, ertönte plötzlich eine dunkle Stimme, die Tala nur zu gut kannte, und ihn aus seinen Gedanken riss. Er musste sich nicht umdrehen um zu wissen, wer es war. Nur einer seiner Teamkollegen kannte diesen Ort; im Grunde hatten sie diese versteckt gelegene Bank sogar gemeinsam entdeckt.

„Könnt ihr mich nicht wenigstens für einen Moment in Ruhe lassen, Spencer?“, trotz seiner recht harschen Worte zierte ein spöttisches Grinsen seine Lippen, welches der große Russe als Einladung sah, sich zu setzen. Die alte Bank ächzte ein wenig, doch keiner der beiden machte sich wirklich Sorgen darum.

„Nie, wir sind schließlich dazu da, dir das Leben schwer zu machen – das weißt du doch!“, erwiderte der Blondschopf nun scherzhaft, und Tala lachte leise. „Könnte sein, so wie ihr euch manchmal aufführt..“, meinte er leise und heftete seinen Blick wieder auf die Jugendlichen. Spencer verdrehte schmunzelnd die Augen. „Bryan und sein Computer schon wieder?“, der Größere unterdrückte ein Lachen, „Das darfst du dir nicht persönlich nehmen.. Bryan ist einfach zu ungeschickt um mit technischen Geräten umzugehen.. Du musst nur dran denken, was er mit dem Videorekorder angestellt hat damals.“

Nun lachte Spencer wirklich, leise, leicht gehetzt, aber er lachte, und schon allein diese Tatsache war bei ihm nicht oft zu sehen, auch innerhalb des Teams nicht. Tala schmunzelte leicht, während er an den beinahe zur Unkenntlichkeit verstümmelten Rekorder dachte. Was Bryan damals angestellt hatte, hatte er leider niemals herausbekommen. Das Gerät war sowieso ein Geschenk der BBA gewesen, sozusagen als Einstand zum Wohnungseinzug – der alte Chef der Beyblade Battle Association hatte wohl eine Art Narren an ihnen gefressen gehabt und war ihnen oftmals mehr als nur auf die Nerven gegangen..
 

In manchen Momenten mochte Tala nicht alleine sein, auch wenn es egoistisch klang. Manchmal war die gläserne Scheibe, die er selbst gegossen hatte, nicht zwischen ihm und dem Rest seines Teams – was sie zur Seite schob war eine Art alter Freundschaft, die nur selten gepflegt wurde und doch Bestand hatte. An solchen Momenten konnte er sich auch in der Gegenwart eines zweiten vollkommen entspannen und einen Teil seines alten Selbst offenbaren – seines Selbst, welches sein Aufenthalt in der Abtei in scheinbar unzerstörbare Ketten gelegt hatte.

Genau in solchen Momenten hatten sich die Ketten gelöst, wenn auch nur wenig.
 

Einige Zeit lang schwiegen sie, und auch Spencer beobachtete die Jugendlichen auf der Bank. Ihm lag nicht viel an ihnen, doch Tala hatte vorhin so konzentriert hingestarrt – vielleicht war wirklich etwas Besonderes an ihnen. Doch Spencer fand beim besten Willen nichts Besonderes an ihnen – es waren nun mal ganz normale Jugendliche. Die Kinder – denn sie waren wirklich nichts anderes als Kinder – lachten gerade über etwas, das ihr augenscheinlicher Anführer soeben gesagt haben musste; auf einmal kam Spencer eine ein wenig abwegige Idee. Sah Tala ihnen etwa zu, weil er gern so wäre wie sie..?

Nein, das konnte doch nicht sein, rügte sich der Blonde in Gedanken selbst. Tala war immer ein Einzelgänger gewesen und auch heute noch musste man ihn manchmal dazu zwingen, sich in Gesellschaft anderer Menschen zu begeben, so wie er es gerade eben gemacht hatte. Das konnte es nicht sein. Wahrscheinlich würde der Blondschopf auch dumm bleiben. Denn auf diese Frage, selbst wenn er sie laut stellte, erhielte er keine Antwort. Sein Teamleader sprach nicht über sich, nicht über seine Empfindungen und Eindrücke – war das wirklich immer so gewesen?

Spencer erinnerte sich nicht mehr; er wollte sich nicht erinnern. Vieles hatte der Mantel der Zeit abgeschwächt und die Kanten des Schreckens geschliffen. Es hatte lange gedauert, doch irgendwie hatte er es geschafft, die Vergangenheit hinter sich zu lassen – das war richtig so, er würde die noch jungen Narben nicht aufreißen.

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Wer hätte gedacht, dass jetzt sowas kommt?

*drop* ich auch nich xDD

Ich hoffe, ihr findet die Jungs halbwegs IC?

Um Kommis wird wie immer herzlich gebeten=3
 

Etwas kleines zur Planung: Jetzt werden ein paar Zwischenkapitel solcher Art noch folgen, denke ich - wenn ihr also Vorschläge oder Szenen habt, die ihr gerne lesen würdet: immer her damit!^^

Für eure lieben Kommis möcht ich mich natürlich auch bedanken *fastvergessenhätt* und wenn wer eine ENS haben möchte, der sagt's mir, ja?=3

Thx to: Crazy_Rose, dass du mir das mit den Wiederholungen gesagt hast *keks anbiet*^^
 

Bis dahin *hutzieh*

yours, FW=P

Wartezeit

Kapitel 13: Wartezeit
 

Bryan jubelte innerlich, als er den PC ordnungsgemäß herunterfuhr und den Bildschirm abschaltete – trotz seiner kleinen >Problemchen< zu Anfang hatte er doch einen großen Teil seiner Arbeit geschafft.

Es klopfte an seiner Tür und der Jüngste des Teams steckte seinen Kopf zur Tür hinein. „Kommst du essen?“, fragte er und der Silberhaarige war sofort auf den Beinen, auch wenn sein in der Schlinge liegender Arm heftig protestierte als er damit gegen den Türrahmen stieß. Er murmelte einen leisen Fluch in seinen im Moment nicht vorhandenen Bart, ehe er tatsächlich in die Küche ging.

Bryan fand es immer wieder verwunderlich, dass er, wenn er nach einer Stunde oder mehr am Computer gesessen und gearbeitet hatte, etwas zum Essen brauchte.
 

Verwirrt blickte Bryan sich um und erkundigte sich leicht verwirrt: „Wo sind Spencer und Tala?“

Ian, der schon am Tisch saß, drehte sich um und bedachte ihn mit einem ‚Willkommen-in-der-Realität‘-Blick. „Weg.“

„Das hab‘ ich auch schon gemerkt.“, ärgerte sich Bryan, „Ich meine, wohin?“

Ian verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust, zucke mit den Schultern. „Weiß ich nicht. Oder hat Tala bis heute auch nur einmal Bescheid gesagt, wohin er geht?“

„Nein“, lenkte der Silberhaarige ein und setzte sich nun ebenfalls an den Tisch.

Skeptisch musterte er zunächst den für zwei gedeckten Tisch, dann die schlangenhaft anmutenden Spaghetti in der Pfanne zwischen ihnen. Das konnte nur eines bedeuten. „Du hast gekocht?“, wollte er also an seinen Teamkollegen gewandt wissen und blinzelte ihn ungläubig an. Doch Ian zuckte bloß mit den Schultern. „Wir brauchen auch was zum Futtern. Falls du noch nicht auf die Uhr geschaut hast, es ist nach halb acht.“

Bryan brummte und nahm sich nun endlich auch etwas von dem undefinierbaren Nudelgericht, welches Ian gezaubert hatte – obwohl gezaubert wohl nicht das richtige Wort war. Der Jüngere war alles andere als ein Sternekoch. Zunächst stocherte er in der etwas klebrigen Nudelmasse, ehe er sich probeweise eine Gabel voll in den Mund schob. Es schmeckte nicht schlecht, eigentlich sogar überraschend gut..
 

Ian konnte manchmal nur den Kopf über seinen Teamkollegen schütteln, wenn er sich seine abrupt wechselnden Launen so ansah – gerade eben war auch wieder eines der Paradebeispiele gewesen. Zunächst gab sich Bryan Kuznetsov extrem redefreudig – zumindest für seine Verhältnisse – dann fielen seine Antworten wieder nur als gebrummte Laute aus, die es zu interpretieren galt.

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Den Rückweg brachten Spencer und Tala in einträchtigem Schweigen zu – in der Tat waren sie beide keine sonderlich gesprächigen Wesen, wobei der blonde Riese seinen Teamleader noch übertraf.
 

Sie hatten etwa die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, da bemerkte Tala plötzlich eine dunkelhaarige Frau im grauen Mantel, die direkt auf sie zuzusteuern schien. Er wollte sie ignorieren und einfach weitergehen, doch schon hatte sie Spencer beim Namen gerufen.

„Petrov! Was für eine Überraschung, dich mal außerhalb der Arbeit zu sehen!“, die junge Frau lachte, ein Strahlen glitt dabei über ihr Gesicht.

„Ah, Nikita Andrewna.. Willst du immer denselben ärgern?“, Schalk blitzte in den grauen Augen des Hochgewachsenen, ein leichtes Grinsen zierte sein Gesicht.

Nikita Andrewna kam näher, lächelte nun auch Tala ohne Scheu zu; sie musste ihn gerade entdeckt haben. „Was denn, Großer, willst du uns nicht vorstellen?“, scherzhaft verschränkte Nikita die Arme vor der Brust und blinzelte zu Spencer hinauf, der bloß die Augen verdrehte. „Das kannst du schon selbst auch ganz gut.“, äußerte er und drehte sich betont gleichgültig ab.

Nikita lachte und wandte sich an Tala. „Mein Name ist Nikita Andrewna, ich bin eine Arbeitskollegin von dem unhöflichen Klotz hier.“, sie zwinkerte fröhlich. Tala nickte distanziert. „Tala Ivanow“, erwiderte er.
 

Nikita unterhielt sich eine Weile mit Spencer und Tala – wobei letzterer mehr oder minder die ganze Zeit schwieg – und lud die beiden schließlich dazu ein, mit ihr zusammen in ihr Lieblingspub gleich in der Nähe zu gehen.

Nebenbei beobachtete sie den Rothaarigen aus den Augenwinkeln. Er kam ihr irgendwie bekannt vor, auch wenn sie ihn nicht genau zuordnen konnte. Mit einem mentalen Wischen scheuchte sie die Gedanken davon; schließlich war sie ausgegangen um ihren freien Tag einzuläuten. Grinsend hakte sie sich bei ihrem Arbeitskollegen unter, was ihr einen leicht irritierten Blick einbrachte. Nikita lachte, machte sich über ihn lustig. Spencer Petrov war in gewisser Weise anders, aber irgendwann würde sie ihn schon noch knacken, das nahm sie sich vor.

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„Was denn, du hockst noch hier rum? Willst du etwa auf die beiden warten, bis sie sturzbesoffen hier herein torkeln?“

Ian musste sich nicht umdrehen, um zu wissen wer dort hinter ihm im Türrahmen lehnte. Der unterschwellige Spott war nicht zu überhören gewesen.

„Du meinst wohl, bis Spencer sturzbesoffen hier von Tala hereingebracht wird? Vielleicht.“, der Jüngere verdrehte leicht die Augen und beugte sich wieder über das Sudoku, welches gerade auf dem Küchentisch gelegen war – irgendwer musste es wohl vergessen haben. Vielleicht hatte Spencer mal wieder eine seiner Phasen..

„Nein, ich meinte diesmal wirklich beide. Du weißt, dass Spencer Tala zu fast allem überreden kann.“, erwiderte Bryan da, und Ian konnte hören, wie er sich vom Türrahmen abstieß und einige tapsende Schritte in den Raum machte; er musste barfuß unterwegs sein.

„Ach ja? Das ist mir ja neu.. Dabei dachte ich immer, Tala wäre Teamleader..“, Ian baumelte mit den Beinen, während er versuchte, die richtige Zahl für das richtige Feld zu finden. Leider musste er nach einem kurzen Spicken zur Lösung feststellen, dass seine Lösung nicht gerade richtig war. Diese komischen Rätsel waren wirklich nicht seine Welt..

Bryan kam wieder einige Schritte näher, wohl um ihm über die Schulter sehen zu können. „Hey“, stellte er dann fest, „Das ist überhaupt meins!“ Ian blickte auf. „Wie? Du?“, machte er gespielt überrascht.

Bryan brummte beleidigt. „Jaja, verarsch mich nur, Gnom..“ Dann beugte er sich über Ians Rücken und besah sich seine Art zu lösen. Er unterdrückte ein Lachen, und sein Atem streifte Ians Wange, als er sich über diesen lustig machte. „Wie ich sehe, bist du ja ein wahres Genie was Sudoku angeht..“, stellte er fest und seine Stimme troff nur so vor Sarkasmus.

„Ach ja? Dann zeig mir nur mal, wie das gehen soll, du Meister!“, murrte Ian beleidigt und schob Stift und Blatt von sich. „Nichts leichter als das“, Bryan ließ sich auf den Stuhl Ian gegenüber sinken und die nächsten sechs Minuten beobachtete letzterer mit einer Mischung aus Faszination und Frustration, wie der Silberhaarige die Zahlen einsetzte. Zu seinem Leidwesen auch noch richtig.

Nach getaner Arbeit sah der Silberhaarige ihn erwartungsvoll an. Ian schnaubte. „Jaa, ich hab‘ schon verstanden. Du bist genial und ich genialer..“, er grinste schief.
 

„Das habe ich jetzt nicht gehört.“, bestimmte Bryan und holte sich die Milchtüte aus dem Kühlschrank, schüttelte sie kurz prüfend und wollte sie dann an die Lippen setzen. „Das klang aber noch ziemlich voll!“ Bryan stockte mitten in der Bewegung und funkelte seinen Teamkollegen genervt an. „Du kannst aber auch nie deine Klappe halten, oder, Kurzer?“ „Nö“, bemerkte der Angesprochene arglos und stand auf.

Bryan schmunzelte. Obwohl Ian doch noch ein Stück gewachsen war musste er sich noch immer recken, um an das obere Regal des Küchenschranks zu kommen – und genau das rieb ihm Bryan nur allzu gerne und mit größter Freude unter die Nase.

Er nahm ein Glas aus dem Regal und stellte es vor Ian auf die Anrichte, der ihn eines kühlen Blickes bedachte und, während er ihm die Milchtüte aus der Hand nahm, ein „Danke“ grummelte. Bryan verdrehte die Augen und nahm sich nun doch ebenfalls ein Glas, welches er mit Saft füllte. Er nahm Ian sein unberührtes Milchglas aus und drückte ihm dafür das mit Saft gefüllte in die Hand – er wusste, dass Ian die Milch niemals trinken würde.
 

Es dauerte noch etwa eineinhalb Stunden, bis Ian die Augen zufielen, und er bettete den Kopf auf die Arme.

„Lateinisch ‚rufen‘.. Weißt du das?“, Bryan sah von seinem inzwischen dritten Kreuzworträtsel auf, als er keine Antwort erhielt, und schüttelte den Kopf. Ian musste aber auch immer warten und wachbleiben, um zu sehen, ob alles gut war, egal wie lange es auch dauern mochte..

Es war schon so gewesen, als sie kleine Kinder gewesen waren. Und wie früher brachte Bryan es nicht übers Herz, seinen jüngeren Teamkollegen zu wecken. Stattdessen breitete er eine Decke über dem Jüngeren aus und verzog sich in sein Zimmer.

Dort musste er nach einem Blick auf den Wecker einen Fluch unterdrücken. Inzwischen war es halb eins, und er war sich nicht sicher, ob der Rest seiner auswärtigen Teamkollegen überhaupt noch nach Hause kommen würde.

~*----------------------------------------------------------*~

Mit einem leisen Klacken fiel die Haustür ins Schloss, und Tala riskierte einen Blick auf die Uhr, die im Flur hing. Halb drei.

Bryan schlief schon, was der Rotschopf aus den gedämpften Schnarchgeräuschen aus dessen Zimmer schlussfolgerte. Auf Socken schlich er durch den dunklen Wohnungsflur in die Küche, wo er Ian unter einer Decke vorfand, den Kopf auf die Arme gebettet und friedlich schlummernd. Vor ihm standen zwei Gläser.

Der Rotschopf unterdrückte ein leises Schmunzeln, welches sich auf sein Gesicht stehlen wollte. Bryan hatte es sich also wieder nicht verkneifen können..
 

Auf leisen Sohlen tastete sich Tala in sein Zimmer und ließ sich mit einem leisen, aber deutlich erleichterten Seufzen auf die Matratze sinken. Seine hellen Augen verfolgten noch eine ganze Weile die flackernden Lichtmuster, die durch die bloß halb geschlossenen Rollläden in sein Zimmer fielen, und er lauschte längere Zeit auf das Klacken des Schlüssels im Schloss, bis ihm einfiel, dass Spencer seinen Haustürschlüssel prinzipiell ständig zu vergessen schien.

Ein Seufzen unterdrückend erhob sich der Rotschopf ein weiteres Mal und schaltete die Klingel aus – er wollte alles andere als mitten in der Nacht geweckt zu werden, bloß um die Türe aufzuschließen.
 

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Yes! Das Kapi ist endlich da! *freu* ^^V

Na gut, es ist kurz und klein und kompakt und... MIST T_T *fluch* tut mir Leid dass es für den kleinen Popel hier so lange gedauert hat - ich hoffe ihr verzeiht mir und lest trotzdem noch die eine oder andere Seite weiter?

Hier hatte ich arge Probleme mit dem Weiterschreiben - was weiß ich wieso.. Ich glaube einfach, ich will mich noch nicht für ein Ende entscheiden. -_-°

Nyo, dann lass ich euch also wieder mit meinen kleinen psychischen problemen in Frieden^^

Cya, und diesmal schneller

yours FW *alle knuddl*

Etwas fehlt

Kapitel 14: Etwas fehlt
 

Ian fühlte sich wie gerädert, als er aufwachte.

Er wusste nicht, was ihn geweckt hatte. Er wusste nur, so, wie er manchmal wusste, dass er nur träumte, dass er wach war.

Der Jüngste der Demolition Boys brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass er seinen Kopf auf seine Arme gebettet hatte und statt in seinem kuscheligen Bett drei Türen weiter am Küchentisch schlief. Er fühlte den weichen Stoff einer Decke um seine Schultern rascheln und verrutschen, als er sich halb aufrichtete, und hielt sie beinahe automatisch mit einer Hand fest, um sie am Fallen zu hindern.

Es war eine der Decken, die überall in ihrer kleinen Wohnung verteilt waren, stellte Ian nach genauerem Hinsehen fest. Oder besser: es war eine der Decken, die Bryan überall in der Wohnung verteilt hatte, für den seltenen Falle, dass einer von ihnen frieren sollte.

Ein schmales Lächeln zog sich über Ians kindliche Züge. Sie hatten es dem Silberhaarigen nicht ausreden können, als er überall mit den flauschigen Monstern im Arm herumgerannt war. Anfangs hatten diese Decken ein kleines Problem dargestellt, da immer wieder jemand frühmorgens darüber stolperte und mit dem damit verbundenen Krach den Rest des Teams geweckt hatte.. Meistens war das dann Bryan selber gewesen.
 

„Willst du nicht in dein Zimmer zum Schlafen?“, spöttisch zog Bryan eine Augenbraue in die Höhe, und Ian musste schwer an sich halten, um keine Beleidigung zu fauchen. Wenn man vom Teufel sprach.. Die Uhr, die in der Küche ihren Platz gefunden hatte, zeigte acht Uhr morgens an, und Ian fragte sich im wachen Teil seines Gehirns, was der Silberhaarige um diese gottlose Zeit hier tat, wo er doch zum einen krankgeschrieben und zum anderen ein Langschläfer wie kein zweiter war, da fiel sein Blick auf den zerknittert aussehenden Riesen, der hinter Bryan durch den Flur schlurfte.

„Spencer?“

Tatsächlich, es konnte niemand anderes sein. Der blonde Russe warf Ian einen verschlafen-gequälten Blick zu, der so viel hieß wie ‚Was-will-der-denn-von-mir?‘, und schlurfte, Unverständliches brummend, in sein Zimmer.

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„Verdammte Scheiße, welcher Idiot hat die Scheiß-Decke hier hingeschmissen?“, leise vor sich hin fluchend rappelte sich Spencer wieder auf und schwankte – zu mehr war er im derzeitigen Moment beinah vollständiger geistiger Umnachtung nicht fähig – in sein Zimmer, wo er sich, angezogen wie er war, auf sein Bett fallen ließ.

Gähnend besann er sich, zumindest die Hose auszuziehen, welche achtlos neben dem Bett landete. Er war todmüde – irgendjemand (er vermied es absichtlich, Namen zu nennen) hatte die Klingel abgestellt, und er hatte auf dem Treppenhaus sitzend Stunde um Stunde zugebracht, ohne auch nur ein kleines Bisschen Schlaf zu finden.

Es war auch schon zu Kindheitszeiten so gewesen – er hatte nie außerhalb seines Bettes schlafen können. Und scheinbar hatte sich sein Teamleader daran erinnert. Unterdrückt aufseufzend zog Spencer sich die blau-weiß karierte Bettdecke über den Kopf und mümmelte sich tiefer darunter ein, wo das grelle Tageslicht, welches durch das Fenster ins Zimmer strömte, keinen Zugang hatte. Warum konnte nicht irgendwo ein Schalter für automatische Rollläden sein, wie er es anfangs vorgeschlagen hatte?

Aber nein, lieber kurbelte man, wenn man frühmorgens von dem Saufgelage nach Hause torkelte und zu keinem geraden Schritt mehr fähig war… Manchmal war ihm die Denkweise seiner Teamkollegen mehr als nur suspekt – doch es lag nicht an ihm über die Ausstattung der Wohnung zu entscheiden. Er hatte abgelehnt, als er gefragt worden war, und nun musste er seine Dummheit eben ausbaden – wie hatte einer der Aufseher es immer so schön gesagt? »Selbst Schuld«.

Wohin seine Gedanken oft wandern konnten; besonders wenn er stark ermüdet war gingen sie Spuren nach, die es eigentlich nicht mehr geben sollte..

Früher hatte der Hiwatari-Bengel ihn einmal vor allen Kindern als dumm bezeichnet. Er hatte geschwiegen und hatte weiter in den Sand geschrieben. Es war eine Berechnung gewesen.

Die Drogen, die man ihnen verabreicht hatte, hatten nicht nur physische, auch psychische und intellektuelle Fähigkeiten gefördert und verstärkt (wahrlich machte Balkov in jenem Gebiet keine halben Sachen). Den anderen Kindern waren ebenso Drogen gespritzt worden, doch der blonde Riese konnte nicht sagen, welcher Art oder Wirkung.
 

Seine Augenlider senkten sich, schwer vor Erschöpfung und Schlafmangel, herab, und der große Russe glitt immer tiefer in das dichte Traumgestrüpp seines Unterbewusstseins.

Er bekam nicht mehr mit, wie Ian in der Küche über den Grund seines – Spencers – Unglücks aufgeklärt wurde, wobei Bryan jedoch ein Grinsen voller unverhohlener Schadenfreude aufgesetzt hatte.

~*-----------------------------------------------*~

Inzwischen war es schon nach halb elf, und Ian begann sich zu langweilen. Beinahe aus Gewohnheit griff er nach einem von Bryans Kreuzworträtsel und malte Kringel an den Rand des Blattes.

Er wurde das Gefühl nicht los, dass etwas – irgendetwas – fehlte. Bloß was?

Der Kleinwüchsige kam nicht darauf, dabei war es einerlei, wie viel und wie lange er sich sein Hirn zermarterte. Sein Tag im Orchester war erst nachmittags, und eigentlich hatte er ausschlafen wollen – falsch gedacht. Wobei er schon wieder bei diesem ‚irgendetwas‘ war..

Lautlos seufzend und sich der Langeweile ergebend – musizieren durfte er ja nicht, da Spencer schlief – verschränkte Ian die Arme auf dem Küchentisch und bettete seinen Kopf darauf. Trüb starrte er die weiß-grau gemusterten Schränke an und fand nicht zum ersten Mal, dass es trist aussah, wenn Spencer nicht gerade kochte.

Durch das große Fenster, das auf einen kleinen Innenhof und die Moskwa hinausführte drang der milde Frühlingsschein der Sonne und beleuchtete die beiden Grünpflanzen auf dem Sims. Das eine war ein kleiner Baum und sollte wohl einen Ficus darstellen, das andere war eine halb erblühte Orchidee, die eigentlich auf den Küchentisch gehörte.

Der Jüngste des Teams erhob sich mit leisem Seufzen und stellte die Blume an ihren angestammten Platz – Tala würde einen Mord begehen, würde auch nur eine der in der Wohnung vorhandenen Pflanzen eingehen. Wobei, bis auf Spencer – der eine Sondergenehmigung für Gewürzpflanzen hatte – durfte eigentlich niemand das Grünzeug anfassen, und daran hielten er und Bryan sich aufs Penibelste. Wenn es eines gab, das nicht sein musste, dann war das ein stinksaurer Teamleader.
 

„Was machst du denn hier?“, verwundert Blickte Bryan auf seinen Teamkollegen, der am Rand des Tableaus stand und den darin kreiselnden Beyblade beobachtete. Ian drehte sich um und verzog seinen Mund zu einem schiefen Grinsen. „Dasselbe könnte ich dich auch fragen, Kuznetsov..“ Bryan setzte eine überhebliche Miene auf und hob den Kopf in die Höhe. „Wir hatten wohl einfach denselben Gedanken, Papov“, meinte er, wobei er den Nachnamen seines Teamkollegen übertrieben betonte. Der kleinere verdrehte die Augen und murmelte etwas von wegen „Noch nicht mal in Ruhe bladen kann man heutzutage noch..“ – „Die Welt verkommt, was willst du machen?“, warf Bryan treffend ein und zog seinen Starter hervor.

Ians Beyblade schwankte und hörte schließlich auf sich zu drehen, während sein Besitzer das Treiben des Teamkollegen beobachtete. „Was soll das? Ich dachte, du solltest dich schonen..“, bemerkte er süffisant, konnte seine gemischten Gefühle jedoch nicht ganz verbergen.

Es war ihm nicht wohl dabei, gegen einen verletzten und somit auch geschwächten Bryan anzutreten – vor Jahren noch hätte er die Chance ohne zu zögern ergriffen, ihn fertig zu machen, doch nun?

„Hör auf, dir Sorgen zu machen“, kam es plötzlich von Bryan, der den Starter hochhielt und damit auf ihn zielte, „sonst muss ich dir das Gegenteil beweisen.“
 

Leichter Wind kam auf, als Bryans Beyblade in der Arena landete, und auch Ians Wyborg landete kurz darauf daneben. Sie brauchten kein Startsignal, irgendwie fühlten es beide noch immer in sich – wohl ein Überbleibsel ihrer Beyblade-Zeiten..

~*-------------------------------------------------------*~

Eine leichte Brise fegte über den Anlegesteg am Hafen der Moskwa. Der Beton war von dem salzigen Wasser feucht, auch die salzhaltige Luft hatte ihm – wie den umliegenden Häusern – schon zugesetzt und ihn porös gemacht.

Vereinzelte Zettel, es mochten Flugblätter sein, wehten über den zu dieser gottlos frühen Morgenstunde wie leergefegten Teil der Straßen und landeten schließlich mit leisem Plätschern im kühlen Nass der Moskwa, wo sie sich langsam mit Wasser vollsogen.

Kühl funkelnde Augen betrachteten dieses Geschehen, als der in einen dunklen Mantel gekleidete Fahrgast den Betonsteg betrat. Feuchte Nebelschwaden stiegen rings um ihn herum auf, und ab und an blitzte ein Scheinwerfer eines der Handelsschiffe oder Fischerboote (für andere Schiffe war es noch zu früh) durch den dichten Dunst des anbrechenden Morgens.

Er hauchte seine klammen Finger an, ehe er sie in die Manteltaschen steckte und die Tasche schulterte, mit langsamen Schritten in den Schwaden entschwand wie ein niemals da gewesenes Phantom.

Sein leises Murmeln verhallte ungehört in den Gassen. „Krasnowlasnij, wstreschai menja – Rothaariger, erwarte mich.“

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*Licht ausknips* *Taschenlampe unter Kinn halt* Mwahahahaha!! *irre Böser-Wissenschaftler-Psycho-Lache*

Tjahaha, es wird endlich auch mal spannend! xDD Wurde auch langsam mal Zeit, nicht?

Na, wer von euch kann mir sagen..

… wer das Kerlchen ganz am Schluss ist? (na? Naaaa?xDD)

… was Ian jetzt bitteschön fehlend vorkommt (Tja, schaun ob’s jemand rausbekommt… x3)

Ach ja, bevor ich’s vergesse: Thx für die Kommis

@Xenia-Crow: Nyo.. dein Wunsch wird erfüllt^^ ich glaub’s selber kaum xDD *schon freu* xDD
 

Und wieder fällt mir noch was ein: hat jemand nen Vorschlag für den Titel der FF? Mir hängt das Schnulze-Vieh, das sich da ganz oben eingenistet hat zum Halse raus... *würg* *sich schämen muss wenn Namen sagt*
 

Oh, und wegen dem Russischen Gelaber ganz am Schluss: ich nehme keine Haftung für evtl. Fehler.. ich hab’s mir mit n paar Russischbrocken aus anderen FFs (*auf block klopf*) zusammengebastelt (wen’s interessiert, das hier stammt aus „80 Days in My White Russia“ von Hamlet – dürft ja ruhig mal reinschaun^^*Schleichwerbung mach*) Dürft mich natürlich immer gerne verbessern xDD Is nicht verboten!

*alle Knuddl* *besonders Kommischreiber*

Yours, FW

Sorglos

Kapitel 15: Sorglos
 

Als Spencer die Augen aufschlug war es bereits später Nachmittag, und die Wohnung war – wie ein kurzer Blick in Küche und Wohnzimmer sowie leises Klopfen an eine der Zimmertüren bewiesen – leer.

Der Blondschopf gähnte lang gezogen und streckte sich einmal, ehe er sich in der Küche an der Kaffeemaschine zu schaffen machte. Was er jetzt dringend brauchte war eine große Tasse des schwarzen Türkengebräus. Manchmal war es schön, einfach so in der Küche zu sitzen, ohne dass jemand da war, die Sonne durch das Fenster fiel und die weißen Blüten der Pflanzen zum Leuchten brachte. Die Atmosphäre der kleinen Küche war in solchen Momenten wunderbar idyllisch – zwar nicht mehr als schöner Schein, doch was interessierte Spencer das?

Er lebte nun einmal manchmal gerne in den Augenblick hinein, ohne sich Gedanken und Sorgen machen zu müssen..

Der Kaffee in seiner Tasse dampfte schwarz und hellte sich erst auf, als der hochgewachsene Russe Milch hinein goss. Leider bemerkte er zu spät, dass die weiße Flüssigkeit gesauert war. „Welcher Idiot hat schon wieder vergessen, Milch zu kaufen?“, fragte Spencer in die Stille der leeren Wohnung hinein, seine Stimme ein einziger Ausdruck seines Ärgernisses. Wenn er etwas hasste, dann waren es verdorbene Lebensmittel im Kühlschrank. Die anderen wussten das und ließen es kaum einmal dazu kommen, etwas verderben zu lassen – Bryan hatte vor einiger Zeit einmal den spaßhaften Vorwurf geäußert, wegen Spencer würden sie alle noch verfetten. Es kam nicht dazu – Tala setzte immer noch auf Training, obwohl sie sich im Grunde nicht mehr als Beyblade-Team bezeichnen konnten, auch wenn sie es in letzter Zeit doch ziemlich vernachlässigt hatten.

Spencer grummelte noch leise vor sich hin, als er sich frischen Kaffee eingoss. Milch war keine mehr da – wie denn auch? Eines der ‚besonders sozialen‘ Wesen dieser WG – sprich Bryan – hatte seinen Einkaufsdienst wie immer vergessen. Der Blondschopf verdrehte die Augen. Weshalb ging er nicht in Zukunft einfach zweimal? Es würde sowieso nicht auffallen.. Andererseits konnte Bryan immer ein wenig Rabatt rausschlagen – wie auch immer er das anstellte..

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Zwei Beyblades – einer in grün, einer in lila gehalten – prallten aufeinander und wurden zurückgeschleudert. Doch keiner der beiden Kontrahenten wollte aufgeben, und wieder schossen die beiden Kreisel aufeinander, wie fest entschlossen, den jeweils anderen ins Aus zu befördern.
 

Man hätte meinen können, kleine Kinder, vielleicht auch Jugendliche spielten mit den Metallkreiseln. Umso überraschter mochte man nun sein, sah man die beiden jungen Männer mit den leuchtenden Augen kleiner Kinder vor sich.
 

„Falborg!“ – „Wyborg!“

Inzwischen hatte sich der Kampfplatz von dem kleinen Tableau des Parks auf die gesamte Spielwiese verlagert, die mehr oder weniger verlassen zwischen den Kontrahenten dalag. Der grüne Beyblade landete einen harten Treffer, und Wyborg wurde gegen einen Baum geschleudert, welcher ein bedenkliches Knarren von sich gab. Der Beyblade kreiselte an dessen Fuß weiter.

„Was ist los, Ian, schon genug?“, Bryan grinste hämisch, doch seine sturmgrauen Augen leuchteten und funkelten als wäre in ihnen ein verglimmendes Feuer wiederentfacht worden.

Ian erwiderte das Grinsen nicht minder zynisch; wie Bryans glommen auch seine Augen von einer inneren, unbekannten Flamme heraus.

„Reverse-Slam!“, befahl er, und der lilafarbene Beyblade war verschwunden. Bryan kannte die Attacke, und sah sich aufmerksam in der näheren Umgebung seines Beyblades um, gleichzeitig konzentriert lauschend. Woher mochte der Schlag kommen?

Es war ihm eine Millisekunde lang, als hätte er einen winzigen Ast knacken gehört, und allein diese Ahnung reichte schon aus, um den entscheidenden Befehl zu geben: „Weich nach links aus!“ Der grüne Beyblade machte einen Sprung zur Seite, als auch schon sein Gegner wie aus dem Nichts auftauchte – der größere Russe war bis heute nicht dahintergekommen, wie Ian das schaffte.

Doch nun war kein Moment, sich Gedanken darüber zu machen. Es war Zeit, dass auch er zum Angriff schritt. „Falborg! Stroblitz!“

Falborg sprang mithilfe eines schief stehenden Baumes in die Luft und stürzte sich im Sturzflug auf den violetten Beyblade, der nicht ausweichen konnte, war er doch gerade auf einem Fleck voller Sand gelandet, der allein das Kreiseln zum Balanceakt machte. Und doch schien es noch immer noch nicht genug, um Wyborg auszuschalten. Nun waren beide im Sand gelandet, Staub flog auf, verdeckte die Sicht.
 

Bryan schnaubte entnervt und sah Ian an. „Sag mal, dich kann man gar nicht aus der Bahn werfen, was?“, fragte er spöttisch und startete auch schon seinen nächsten Angriff. Anscheinend hatte er beschlossen, einfach alles zu riskieren, solange sein Beyblade im Sand steckte. Der Jüngere zuckte mit den Schultern. „Wohl nicht“, grinste er.

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Spencer saß gerade auf der Couch und sah sich mehr oder minder gelangweilt „Blair Wich Project“ an, als die Haustüre aufging. Er blickte über die Rückenlehne in den Flur, wo Bryan und Ian in der Diele standen. Der kleinere zog sich gerade einen Schuh aus. „Ich glaub‘ wir können einen Sandkasten aufmachen“, lachte er, als er den Sand sah, den er und Bryan auf dem Boden verteilt hatten.

Spencer zog eine Augenbraue in die Höhe. Was sollte das denn nun schon wieder bedeuten? Unterdessen spazierte der Silberhaarige des Teams ins Wohnzimmer, ohne den Dreck zu beachten, und ließ sich neben Spencer auf die Couch fallen. „Was“, fragte er, „schon wieder ‚Blair Wich‘? Hängt dir das nicht langsam mal zum Hals raus?“ Spencer grummelte unverständliches und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Horrorfilm zu.

Eine Zeit lang war Bryan sogar still, doch mit der Ruhe war es aus, als Ian – frisch geduscht ins Wohnzimmer spazierte. Scheinbar konnte auch er nicht umhin, seinen Senf hinzuzugeben. „Das wievielte Mal ist das jetzt? Das fünfzigste oder das hundertste?“, grinste er lakonisch und ließ sich auf einen der beiden Sessel am Samowar fallen. Der kleine, reich (um nicht zu sagen kitschig) verzierte Ofen war ein Erbstück irgendeiner vergessenen Großtante Bryans, welche >ihr Leben gelassen und friedlich entschlummert< war. Angeblich war das Ding lange Zeit in Familienbesitz gewesen und – wie sie gleich beim ersten Einweihen festgestellt hatten – leider nicht mehr funktionstüchtig; der innere Bleimantel war abgeschmolzen, und so fristete das hässliche Ding nun sein Leben als gelegentliche Ablagemöglichkeit für Bücher und Teetassen.

Spencer grummelte. „Es ist nur das zwanzigste Mal, und wenn du es nicht sehen willst, dann kannst du ruhig verschwinden, Krümel..“, kam es von ihm.

Ian legte den Kopf schief und tat so, als müsse er angestrengt überlegen. „In meinem Zimmer ist’s mir zu langweilig, und außer dir gibt’s gerade leider niemanden, den ich nerven könnte.“, grinste er dann süßlich und nahm eines der Samowar-Bücher in die Hand und betrachtete es halb interessiert. »Der Joker«? Seltsamer Titel.. bestimmt war es wieder eines von Bryans Büchern..

Der Jüngste des Teams wurde neugierig und schlug versuchsweise die erste Seite auf. »Was für ein blöder Bankräuber..«, kaum hatte er die erste Seite gelesen, musste er sich ein Lachen verbeißen. Das hatte er nicht erwartet.

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YES!

2 ganze Kommis^^ *freu* Lady_Reena & Xenia_Crow, nur dass ihr's wisst: ihr haltet mich an der Tastatur *lol* *beide knuddl*
 

Und da ich gerade soo kreativ bin muss sich niemand Sorgen um den Fortbestand machen *lol* *selber am meisten drüber freu* xDD
 

btw: hat jemand auch schon das geniale Buch "Der Joker" gelesen? Es sieht zwar dick aus, ist aber sooo... *i-luv-it - Schild hochhalt* *lol*
 

cya another time

yours, FW^^

Gefunden

Kapitel 16: Gefunden
 

Spencer wunderte sich über die plötzlich eingekehrte Stille im Raum, obwohl die Heizungsrohre immer noch gluckerten, wie immer, wenn ein Temperaturumschwung bevorstand, und der Fernseher noch immer den Horrorfilm und die damit verbundene Geräuschkulisse zeigte, irgendwo ein Fenster offenstand und Geräusche der Stadt hereinströmten. Es war in jener eigentümlichen Art still, wenn ein eigentlich gesprächiger Mensch einmal still in der Ecke saß; normalerweise hätte Ian es niemals unterlassen, „Blair Witch Projekt“ – seinen absoluten Favoriten, was Hass-Filme angingen – Szene für Szene genauestens zu kommentieren und den Genuss des Films damit gestört hätte (obwohl Spencer immer der einzige war, der den Film genoss).

Immer wieder schielte der große Russe hinüber zu seinem jüngeren Teammitglied, welcher zusammengekauert auf dem roten Sofa beim Samowar hockte, konnte jedoch aufgrund dessen Haltung nicht viel erkennen. Schließlich drehte er ganz den Kopf und – Spencer konnte seinen Augen kaum glauben – Ian las. Still, versunken und vollkommen regungslos schien er auf dem Sessel angewachsen zu sein.

Spencer musste blinzeln, um es zu glauben. Ian – gerade der kleine Hummeln im Hinten habende Ian – saß still da. Ein Tag zum rot im Kalender Anstreichen…
 

Ian wurde sich plötzlich eines Blickes gewahr und blickte verwirrt auf: „Ist was? Hab ich irgendwas im Gesicht hängen, dass du mich so anstarrst?“ Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch. Doch Spencer antwortete ihm bloß indirekt. „Es ist so still hier drinnen..“, murmelte er wie zu sich selbst, und der Jüngere seufzte entnervt auf. „Bitte, ich kann auch gehen..“, brummte er, die Tatsache ignorierend, dass er Spencer damit nur einen Gefallen tat.

Er verließ den Raum, um sich in sein Zimmer zu begeben. Währenddessen steckte seine Nase schon wieder mitten in der Geschichte. Erst als es zu spät war, bemerkte er die am Boden liegende Decke, doch er hatte sich schon darin verheddert und kämpfte einige Momente mit dem Gleichgewicht, ehe er mit einem lauten Krachen zu Boden ging. Der Dunkelhaarige rieb sich die Nase und setzte sich auf, betrachtete das Ding, welches ihn zu Fall gebracht hatte, mit einem Todesblick der besonderen Art – würde er funktionieren, dessen war er sich sicher, würde die rot-gelbe Decke in Flammen aufgehen.
 

Bryan streckte seinen Kopf vorsichtig aus dem Zimmer, durch den Krach aus seinen Arbeiten aufgeschreckt worden, einen jeden Muskel in Erwartung eines plötzlichen Angriffs angespannt. „Ach, nur du..“, er atmete erleichtert aus, hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet.

Ian, der verheddert in einer der Decken am Boden saß und besagtes Objekt soeben noch mit Blicken zum Implodieren hatte bringen wollen, richtete seine Augen mit einem unterkühlten Ausdruck auf ihn. Bryan konnte sein eigenes Spiegelbild in den rotbraunen Seelenspiegeln betrachten. „‘Nur ich‘..“, grummelte der Jüngere, „Ja, wirklich ‚nur ich‘..“

Er rappelte sich auf und tapste, die Decke im Flur liegen lassend, in sein Zimmer und schloss die Tür mit geräuschvollem Knall.

Bryan blickte ihm noch einige Momente nach, ehe er sich nach der roten Wolldecke bückte; Tala würde ihm etwas antun, sähe er die Unordnung.. Unter dem Objekt lag ein Buch. „Der Joker“, murmelte Bryan wie zu sich selbst. Von Marcus Zusac. Wo hatte er das Buch bloß schon gesehen?
 

Staub tanzte im Licht der einfallenden Sonne, während Ian sich auf den Schaukelstuhl in der einen Ecke fallen ließ. Das alte Holz knarzte leicht, doch er wusste aus Erfahrung, das alte Stück war noch vollkommen intakt. Das kleine Zierkissen, das dazugehörte war lange nicht mehr ausgeschüttelt worden, das bemerkte er erst jetzt, und erhob sich abermals um das Fenster zu öffnen. So strömte zwar die noch kühle und von Abgasen versetzte Luft in sein Zimmer, doch schien ihm, besser atmen zu können als noch vorhin.

Er hatte Bryan schon fast wieder vergessen – der Silberhaarige achtete nicht besonders auf andere; es war einfach so, schon in der Abtei. Das hatte sie doch eigentlich erst alle in die Scheiße geritten..

Mit einem leichten Kopfschütteln vertrieb Ian die sich ihm aufdrängenden Bilder und hielt seine Augen so lange offen, bis er nicht mehr konnte. Seine Sicht trübte sich, und er musste mehrere Male blinzeln, bis er wieder wirklich sehen konnte. Doch es half. Die Bilder waren weg, wie von einem Sturm weggefegt.

In gerade diesem Moment fiel Ian etwas auf: wo war sein Buch gelandet?

Mit einem leisen Grummeln begab er sich in den Flur, wo Bryan noch immer stand, die Decke in der einen, das Buch in der anderen Hand. Er entwand dem Silberhaarigen das Objekt einfach und ging ohne ein Wort zurück in sein Zimmer. Sollte der doch sehen, woher er neuen Lesestoff bekam..

~*------------------------------------------------*~

Die Straßen waren überfüllt wie immer, Menschen in verschiedenfarbigen Mänteln von unterschiedlicher Qualität hasteten vorbei, Fahrzeuge schoben sich stockend durch den Nachmittagsverkehr. Ab und an verfing sich einer der Sonnenstrahlen in einem Schaufenster und warf ein blitzendes Licht in die vorbeieilende Menge, welche dies jedoch nicht zu bemerken schien. Mitten darin schien seine unauffällig gekleidete Gestalt kaum aufzufallen, in dem knielangen schwarzen Mantel, der sich bei jedem Schritt leicht bewegte.

Das Kleidungsstück war weder neu noch alt, und auch sonst fiel er – ließ man seinen langsamen, beinahe schon schlendernden Gang außer Acht – kaum in der Masse auf. Er bemerkte eine jede Spiegelung in Gläsern von Sonnenbrillen, Schaufenstern.. Er bemerkte auch das gedämpfte Gurren der Tauben auf dem vor ihm erstreckenden Roten Platz, in den er soeben eingebogen war, und sah kurz einigen sich balgenden Spatzen zu, welche aufflogen, sobald er sich auf weniger als einen Meter genähert hatte.

Das Bild des sich tummelnden Vogelschwarmes in der Luft spiegelte sich in Augen, die keine Emotion nach außen ließen.

Der Blick der ungewöhnlichen Augen richtete sich wieder auf das Kopfsteinpflaster des Gehwegs, und mit in den Manteltaschen vergrabenen Händen nahm er seinen Weg wieder auf, irrte scheinbar ohne Ziel zwischen Gassen hindurch, an Prostituierten am Straßenrand vorbei, bis er schließlich vor einem großen Gebäudekomplex zum Stehen kam. Er hatte nicht vor, den Platz zu betreten.

Er sah es sich nur an, wie jedes Mal, wenn er hierher kam, und dachte daran, dass es endlich vorbei war. Für ihn zumindest.

Kühler Wind fegte über die Straßen, und das vor wenigen Momenten noch frühlingshaft anmutende Wetter war dem eines der frühen Herbsttage gewichen, trotz des Datums. Ihn fröstelte in seinem Mantel, und er zog ihn enger um sich. Er bemerkte nicht, wie Augen von ähnlich ungewöhnlicher Farbe wie der seinen ihn beobachteten, jede seiner Regungen taxierten und einzuschätzen versuchten.

Auch er war bereits entdeckt worden; eisblaue Augen, so hell, dass sie beinahe schon durscheinend waren, beobachteten ihn auf dieselbe Weise.
 

„Ich wusste, dass ich dich hier finde.“

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*evil grin* Tja, jetzt müsst ihr euch fürs erste selbst zusammenreimen, was die tun werden xDD Und zur (schon von vielen erwähnten/bemängelten/…) Länge: V.v Tut mir Leid.. Ich krieg die Kapitel hier einfach nicht länger, da kann ich machen, was ich will *grumml*

Aber dafür hau ich ja fleißig in die Tasten ^^ *rauszureden versucht*
 

Bryan: Aha.. oO Davon haben wir ja seeeeehr viel bemerkt..

FW: >.<“ *Bratpfanne überhau* Du warst nicht gefragt, du Einbildung, du!
 

BTW: Ich mache jetzt eine neue Regelung bez. der Benachrichtigung und leg mir eine ENS-Liste an - wer also benachrichtigt werden will, muss es mir ab jetzt sagen^^

Was willst du?

Kapitel 17: Was willst du?
 

Eine der feuerroten Augenbrauen Talas verabschiedete sich in luftige Höhen als er dies hörte, und ein spöttischer Zug erschien um seinen Mund.

„Ach, wirklich?“, erwiderte er, ohne sich mit der Antwort zu beeilen, „Vielleicht habe ja ich dich gefunden, Hiwatari..“

Er konnte das Gesicht des anderen nicht sehen, doch er war sich sicher, dass jener nun die Augen verdrehte. Mit sturen Blicken versuchte er, den ihm zugewandten Rücken zum Umdrehen zu bewegen.

Tatsächlich drehte sich Kai um, und Tala fand sich den roten Augen des anderen gegenüber, in deren seelenlosen Spiegeln er seinen eigenen hellen Augen begegnete, die das Gesicht des anderen genauso reflektierten.

„Das ist Ansichtssache“, fand der Silberhaarige kaum merkbar schleppend, und unwillkürlich regte sich Talas alter Teamleader-Instinkt. Er bemerkte meist sofort, wenn es jemandem gesundheitlich schlecht ging, und sei es bloß eine Erkältung. In seinem Kopf setzten sich die einzelnen Indizien, die er hatte, beinahe automatisch zusammen; Hiwatari konnte auf Reisen nicht oder nur schlecht schlafen, er war, dem Aussehen seiner Kleidung zu urteilen, erst angekommen und schien schon lange Zeit auf den Beinen.

Tala hob in einer arrogant wirkenden Geste eine Augenbraue und maß Kai eines weiteren Blickes. „Leg‘ dich hin, Hiwatari, und dann kannst du gerne wieder leineziehen.“, bemerkte er und schickte sich an, seines Weges zu gehen. Doch Kai stellte sich ihm schweigend in den Weg, erwiderte seinen Blick starr. Für sich vermerkte der Rotschopf, dass er recht gehabt hatte; dunkle Augenringe hatten sich unter den fahl roten Augen eingegraben, die den anderen noch blasser erscheinen ließ. Und doch wollte keiner der beiden den Blick senken.

„Leider kann ich dir diesen Gefallen nicht tun, oh Teamleader.“, mit süffisantem Spott unterstrich Kai die letzten beiden Worte.

Innerlich zuckte der Angesprochene wütend zusammen, doch nach außen hin war nichts seiner inneren Gefühlswelt zu erahnen. Dieses Mal bestand seine Reaktion aus einem missmutigen Stirnrunzeln und einem grimmigen Blick der Marke ‘Du-bist-gerade-dabei,-dich-auf-immer-dünnerem-Eis-zu-bewegen‘, welcher dem Ex-Teamleader der Demolition Boys schon so manchen guten Dienst erwiesen hatte, nun jedoch wirkungslos blieb.

„Du bist so durchschaubar, Ivanow, weißt du das eigentlich?“, eines der so seltenen sarkastischen Schmunzeln glitt über Kais Gesicht, ehe es wieder zu einer Maske gefror.
 

Tala wandte sich ab, drehte sich nach einigen Schritten wieder um und blickte starr in die Spiegelung seines Gesichts. „Na gut, Hiwatari. Was willst du von mir?“

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Spencer starrte noch längere Zeit auf die schwarze Mattscheibe, zum Aufstehen zu faul, und versuchte angestrengt das Schließen seiner Augen zu verhindern, was allerdings immer schwieriger wurde, je länger er nur dasaß.

In weiter Ferne hörte er das Klingeln eines Telefons, welches jedoch bald abbrach, und fragte sich dumpf, ob die Wände tatsächlich so dünn waren, dass man jedes Klingeln durch das gesamte Haus hören konnte. Das war doch nicht möglich..

Er hörte Ian aufgeregt und reuig reden, dann schloss sich eine Zimmertür und es wurde still. Kurz darauf wurde wieder eine Tür geöffnet, hastige Schritte waren vernehmbar und jemand fluchte – zu Spencers Überraschung war es Ian. Etwas wurde geräuschvoll zu Boden befördert, und das Klirren des Schlüsselbundes war zu hören. Natürlich, Ian hatte die etwas eigen anmutende Angewohnheit, immer hinter sich abzuschließen, sobald er die Wohnung verließ..

Und dann war es für kurze Zeit wieder still, wenn man von dem ewigen Ticken der Uhren und dem leisen Blubbern des Wasserkochers absah – Bryan musste wohl vergessen haben, ebenjenen abzustellen.

Spencer seufzte leise und stand mit einem Ächzen auf, worauf sich eine belustige Stimme in seinem Hinterkopf meldete, er höre sich schon wie ein alter Mann an.
 

Sein Weg führte ihn in die Küche, wo Tala an der Anrichte lehnte und scheinbar auf das heiße Wasser zu warten schien. Spencer war etwas verwundert über die Uhrzeit, immerhin war es erst früher Nachmittag, doch es war ihm nichts Neues, dass der Rotschopf sich hin und wieder auch mal einen Tee machte – ohne die Küche dabei in die Luft zu sprengen verstand sich.

Am Tisch hatte sich eine weitere Person eingefunden. Der junge Mann trug einen dunkelblauen Pullover und Jeans, und aus irgendeinem Grund kamen Spencer die schwarz-blauen Haare, welche er von hinten sehen konnte, bekannt vor. Dann hatte er die Kaffeemaschine erreicht, und er stutzte, als er den Gast erkannte.

„Sdràstwuj“, meinte der Besucher neutral.

„Hiwatari“, stellte er überrascht fest und musste anschließend einen großen Schluck seines Kaffees nehmen, um den Schock zu überwinden. Rote, ausdruckslose Augen betrachteten ihn einzig einen kurzen Moment lang unter silbernen Ponyfransen hervor, dann starrte der junge Hiwatari wieder auf den ehemaligen Teamleader der Demolition Boys.

Spencer entschloss sich dazu, es dem Halbrussen in voller Münze heimzuzahlen und ihn zu ignorieren, und wandte sich an seinen Ex-Teamleader. „Was sucht der verwöhnte Bengel hier?“, giftete er und ballte die freie Hand zur Faust. Der Rotschopf ließ ein halbherziges, spöttisches Lächeln aufblitzen. „Er ist mir gefolgt und hat sich nicht mehr abwimmeln lassen.“, erklärte er unterkühlt. „Ach, und dann bittest du den Wichser einfach auf ein Tässchen Tee hinein?“, entgegnete der große Russe verächtlich schnaubend. Tala ließ sich von ihm nicht stören, sondern goss endlich das heiße Wasser über den Schwarzteebeutel. „Ich habe ihn nicht eingeladen“, stellte er klar, „Er ist auf einmal hier gesessen.“

Spencer atmete einmal tief durch und entschied sich, lieber eine Runde joggen zu gehen, als seine schlechte Laune am verwöhnten Bengel von Hiwatari auszulassen.
 

Eine Zeitlang war es vollkommen still in der Küche. Tala nippte hin und wieder von seinem Tee, während er einige abgefallene Blätter der Orchideen aus den Töpfen klaubte und in den für Kompost vorgesehenen Behälter beförderte. Schließlich war der Schwarztee ausgetrunken und die Orchideen badeten unbehelligt in der Sonne. Erst nun wandte sich Tala an den ungebetenen Gast. Er spülte seine Tasse aus, sorgfältig darauf achtend, ihm den Rücken zuzudrehen. „Nun, da du mir in der letzten halben Stunde nicht gesagt hast, weshalb du hier bist“, der Rotschopf unterbrach seine kurze Rede, um ein frisches Geschirrtuch zu suchen, „werde ich dich jetzt auf die Straße setzen und dir jeglichen weiteren unbefugten Zutritt verwehren.“

Als noch immer keine Antwort kam, begann der Rothaarige zu zweifeln, ob Kai Hiwatari überhaupt noch des Russischen mächtig war, und drehte sich doch um. Der Halbjapaner schien zur Säule erstarrt zu sein, seine Augen starrten hinüber zu den Orchideen, wo er vorhin noch gearbeitet hatte. Ob er ihn überhaupt gehört hatte?

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Bryan hörte die Tür schon wieder ins Schloss fallen und wunderte sich nebenbei ein wenig, ob er jetzt alleine in der Wohnung war. Für sich beschloss er, für diesen Tag genug gearbeitet zu haben. Seine Arbeit war um sieben Seiten reicher – definitiv ein guter Tag. Mit Zeigefinger und Daumen der linken Hand massierte er sich die Nasenwurzel und blinzelte mehrere Male, um seine Sicht zu klären.

Der Bildschirm des PCs war schwarz, das Gehäuse relativ warm, und wie ihm ein Blick auf die Uhr verriet, war er schon länger als drei Stunden bei der Arbeit gesessen, hatte Notizen verarbeitet und versucht, sie zu einem Text zusammenzufassen.. Was er jetzt brauchte war eine schöne Tasse Tee.

Im Hinausgehen streckte er sich einmal, sodass Bryan seine Wirbel knacken zu hören glaubte, und seufzte gepresst. Es war wirklich Zeit, von der Arbeit am Computer abzulassen. Für heute zumindest.
 

Schon als er in den Gang getreten war, war ihm etwas seltsam vorgekommen, ohne es benennen zu können. Nun fühlte er es immer deutlicher, und ohne dass er es selbst bemerkte, spannte er sich innerlich an. Äußerlich vollkommen ruhig trat er in die Küche, stutzte leicht über seinen Teamleader, welcher mit verschränkten Armen am Küchenbord lehnte, und registrierte die Anwesenheit des Dritten mehr aus den Augenwinkeln. Es dauerte etwas, bis er Kai erkannt hatte, so ganz ohne sein übliches, ihn von der Menge abhebendes Outfit, doch nun konnte er seine Anspannung erklären, welche sich auch nach außen zu zeigen begann.

Er fühlte die alte Feindschaft, welche lange geschlummert hatte, wieder in sich, jene hitzige Welle. Bryan fühlte sie in sich aufsteigen wie in einem Thermometer, welches in kochendes Wasser gehalten wurde.

Seine Stimme war einzig ein Zischen, ein bedrohliches Knurren, als er den Halbjapaner vor sich ansprach. „Was willst du hier, Hiwatari?“, er bemühte sich nicht, den feindseligen Tonfall seiner Stimme zu verhehlen.

Kai Hiwatari war schon immer sein ärgster Widersacher gewesen; sie hatten sich vom ersten Augenblick an gehasst.

Der Angesprochene wandte ihm seinen Blick zu, musterte ihn herablassend, ehe er sprach. Ein spöttisches Lächeln blitzte über sein Gesicht. „Noch immer nicht erwachsen geworden, Kuznetsov?“

Bryans Hände öffneten und schlossen sich in stetigem Rhythmus, die Knöchel traten weiß hervor, und ein Blick voller Hass stach direkt in die feurig roten Augen seines Gegenübers.

Er war der einzige, der es je gewagt hatte, den Hiwatari-Spross ernsthaft anzufallen, und er war bereit es wieder zu tun.

Bryan spürte die heiße Welle in sich aufwallen, weiß glühend war seine Wut, dieser unbändige Dämon, dabei, überzuschäumen, und mit ihr kam auch eine Welle der Erinnerung. Bryan presste seine Augenlider zusammen, sodass er bunte Punkte hinter jenen sehen konnte, und zwang sich zum ruhigen Durchatmen.

„Hau ab, solange du noch kannst“, warnte Bryan mit zusammengebissenen Zähnen und hielt seine Fäuste nun so fest geballt, dass seine Fingernägel die Haut durchstießen. Er wollte niemals wieder dermaßen die Kontrolle verlieren. Niemals wieder.
 

Am Rande registrierte Bryan, wie die Haustür zuschlug, verharrte jedoch noch einige Momente in derselben Position. Erst dann wagte er es, die Augen zu öffnen. Bryan spürte Übelkeit in sich aufsteigen, doch er hatte nichts im Magen, soweit er sich erinnern konnte. Vor seinen Augen tanzten noch immer bunte Punkte, und er fühlte enorme Hitze in sich. Dann nahm er die hellblauen, durchscheinenden Augen wahr, fühlte sie auf sich ruhen.

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Wow, zur Zeit bin ich ja richtig schnell;D *freu* Und sogar die Länge hab‘ ich diesmal halbwegs hinbekommen…
 

außerdem gibt's sogar schon Kapitel 18.. aber das stell' ich erst beim nächsten Mal on xDD
 

btw: ich erinnere nochmal an mein kleines ENS-Listchen (wird heut aufgestellt.. also wer noch hinzugefügt werden will, SAGEN bitte! Ich kann bis jetzt leider noch keine Gedanken lesen ;3~)
 

*knuddl*

und thx für eure kommis ^^
 

FW

Spassiwa

Kapitel 18: Spassiwa
 

v.V Ok.. scheiß Titel... aber ich komm endlich mal mit der Handlung weiter ^o^V *freu*

Riesenmega Danke an meine supertollen kommentatoren («.. hm.. vlt wär mal n Pic fällig, oder? x3)

*alle knuddl*

So, jetzt.. have fun and enjoy reading *hauptfilm start*
 

______________________________
 

Tala trat langsam auf Bryan zu, ihn keinen Augenblick aus den Augen lassend. Bedächtig legte er ihm eine Hand auf die Schulter, führte ihn zu einem der Stühle und zwang ihn mit sachter Gewalt dazu, sich hinzusetzen.

Bryan vergrub den Kopf in seinen Händen und ließ ein geräuschvolles Ausatmen hören. Schweigen herrschte in der Küche, einzig unterbrochen durch das unermüdliche Ticken der Uhr und den leisen Atemzügen der beiden.

Das Wasser war bald heiß, dank des Wasserkochers, welchen Bryan angeschafft hatte, und der Schwarztee im Beutel verteilte sein Aroma schnell, sodass Tala Bryan das dunkle, flüssige Getränk vorsetzen konnte. Bryan sah erst auf, als sein Teamleader die Tasse zwischen seine aufgestützten Ellenbögen geschoben und sich danebengesetzt hatte, ihn schweigend beobachtete.
 

Auch wenn er es ungern zugab, es zerriss Tala beinah das Herz, seinen ehemaligen Teamkameraden so zu sehen. Er hatte in der Vergangenheit oft Verzweiflung gesehen und nicht weniger oft auch selbst empfunden. Er hatte jene tiefe Depression, welche den Silberhaarigen gerade zu plagen schien, lange nicht mehr erlebt. Doch scheinbar war durch Kai nicht nur die alte Aggressivität wieder durchgebrochen, sie musste noch etwas anderes mit sich gebracht haben, etwas viel Dunkleres, als Tala sich vorzustellen wagte.

Der Rotschopf seufzte lautlos und nippte an seiner Tasse Tee, einzig um festzustellen, dass sie kalt war. Auch wenn er den Grund nicht benennen konnte, Tala hatte geahnt, dass es so kommen würde.

Tatsache war, dass Bryan und Kai sich vom ersten Moment an nicht hatten ausstehen können. Mit der Zeit war es schlimmer und schlimmer geworden, und schließlich hatte es zu immer wiederkehrenden Prügeleien geführt. Die Schlägereien waren damals auf den Gängen der Abtei nichts Ungewöhnliches gewesen; vielmehr hatte der ständige Kampf um einen besseren Rang die Prügeleien immer wieder provoziert. Doch Hiwatari hatte sich nie beteiligt, er hatte durch seine Verwandtschaft einen Grad der Unantastbarkeit innegehabt, welchen keiner der gewöhnlichen Schüler je erreicht haben konnte. Doch Bryan war immer schon anders gewesen; er war impulsiv und hatte ein überschäumendes Temperament, was sich ihm zwar auf der Straße – wo auch sie beide einander begegnet waren – als nützlich erwiesen hatte, doch in der Abtei war es das Schlimmste gewesen, was Bryan und auch ihm selbst, Tala, hatte passieren können.

Die Schlägereien mit Kai mehrten sich von Begegnung zu Begegnung, die Verletzungen wurden immer schlimmer, bis Voltaire Hiwatari schließlich ein Machtwort sprach – danach hatten die Demolition Boys, damals schon eines der besten Teams, ihn für lange Zeit nicht mehr wiedergesehen.
 

Bryan schien die Tasse unter seinem Gesicht endlich bemerkt zu haben, denn er lehnte sich weit in seinem Stuhl zurück, starrte die gegenüberliegende Wand an und drehte die Tasse gedankenverloren in seinen Händen. In diesem Moment sah er einfach nur ungeheuer müde aus, und wieder einmal stach Tala der verletzte Arm ins Auge, welcher in keiner Schlinge lag und eine jede Bewegung nur unbeholfen ausführte. Missbilligend zog er eine Augenbraue in die Höhe, verkniff sich jedoch jeglichen Kommentar.

„Ich war so kurz davor“, ertönte plötzlich Bryans heisere Stimme, und Tala schrak unwillkürlich zusammen. Er schüttelte den Kopf. „Es ist nichts passiert“, widersprach er und betrachtete die leicht zitternden Hände des Silberhaarigen, wie er die Tasse endlich zum Mund führte. Bestimmt war das Getränk inzwischen kalt. Als wolle sich jener Gedanke bestätigen, verzog Bryan angewidert das Gesicht. „Du kannst immer noch keinen Tee kochen“, bemerkte er trocken und wechselte somit abrupt das Thema. Tala verzog leicht beleidigt das Gesicht. „Dann mach es das nächste Mal doch einfach selber.“, bemerkte er trocken. Seine hellen Augen verhärteten sich, nachdem er die zierliche, weiß-blaue Tasse in die Spüle gestellt hatte, und er sich umwandte.

„Spassiwa“

Er wusste nicht, ob er sich bloß verhört oder es sich eingebildet hatte. Es war so leise gewesen, es hätte auch ein Windhauch, welcher durch das auf Kipp gestellte Fenster eingedrungen war, sein können. Oder aber Bryan hatte sich tatsächlich bedankt – eine sehr, sehr unwahrscheinliche Möglichkeit..
 

Ohne eine Regung nach außen hin zu zeigen schritt Tala in sein Zimmer – in der Wohnung einer seiner favorisierten Aufenthaltsorte. Sicher, er mochte es, in Ians Zimmer zu sitzen und sich die paar Aquarelle anzusehen, welche jener bei sich aufgehängt hatte, während der Jüngere spielte. Er fühlte sich auch in Bryans verstaubtem Zimmer ganz wohl, welches er im Geheimen ‚die Bibliothek‘ nannte, wenn er mal wieder den Computer vor dem totalen Systemabsturz bewahren durfte. Spencers chaotisches Zimmer betrat er aus Prinzip nicht mehr, seit er einmal zufällig eine dreckige Socke mit einem Taschentuch verwechselt hatte.. Tala schüttelte sich, dies war ein Erlebnis, was er nicht gerne wiederholen wollte. Außerdem herrschten dort meistens neben den katastrophalen Ordnungs- auch unmögliche Lichtverhältnisse; kurzum, man bemerkte, dass Spencer sein Zimmer eigentlich nur verließ, wenn er gerade nicht schlafen wollte oder konnte.

Aber alle ihre Zimmer hatten etwas an sich: Persönlichkeit. Man bemerkte, dass sie bewohnt wurden, sei es nun an der verschmierten Staubschicht auf allen Ablagen, dem heillosen Chaos oder der zerwühlten Bettwäsche.

In seinem Zimmer hingegen.. Tala blickte sich kurz in dem kahlen, schlicht weiß gestrichenen Raum um. Außer dem Schreibtisch, seinem Bett und dem großen Schrank gab es keinerlei besondere Einrichtung oder Dekoration, sah man einmal von dem alten, hässlichen Flickenteppich ab, den er vor langer Zeit von einem entfernten Verwandten in sein Zimmer der Abtei geschickt bekommen hatte. Hier in diesem Raum konnte er alleine mit sich und seinen Gedanken sein.

Mit einem leisen Seufzen ließ er sich auf sein mit roter Bettwäsche bezogenes Bett fallen, schloss unruhig die Augen, fühlte sein Herz schlagen. Wieder einmal musste er daran denken, dass ihm im Moment bestimmte Dinge schwerer fielen als früher. Er kam schneller außer Atem, und wo er noch vor einem halben Jahr munter hatte die Treppe zur Wohnung hinaufspringen können, war er nun gezwungen, auf halbem Weg eine Pause einzulegen.. Woran das wohl lag?

Schon kurze Zeit später schnaubte Tala genervt auf, wischte sich fahrig über die Augen. Vielleicht sollte er besser etwas lesen..? Mit zielsicheren Schritten durchquerte er den Raum zu seinem Schrank und öffnete scheinbar beliebig eine Tür. Ein von oben bis unten mit Büchern vollgestopfter Teil des Schrankes sah ihm entgegen, und Tala ärgerte sich im Stillen selbst über seine eigene Unordnung.. aber was sollte er schon machen, hier konnte und wollte er nicht aufräumen.

Nachdenklich strich Tala über einige der Buchrücken, ließ seinen Blick schweifen und zog schließlich auf Gutdünken einen Band hervor. ‚Die Verwandlung‘ von Kafka.. auch nicht schlecht..

~*------------------------------------------------------*~

Ian hetzte durch die Gassen, nachdem er den Anruf seines Professors am Konservatorium bekommen hatte. Überraschend waren Prüfer zum Konservatorium gekommen, welche Musikschulen und Konservatorien als Talentsucher für eines der renominiertesten Orchester mit Blitzbesuchen beehrten und Vorspielgeneigte anhörten.

Ian war froh, dass sein Lehrer da an ihn gedacht hatte, und hetzte, die lederne Notentasche unter den Arm geklemmt (eigentlich war es ja eine ausrangierte Schultasche, doch dies musste nun wirklich niemand wissen..), durch die kleinen Seitengassen auf das altertümlich anmutende Gebäude zu, in der Hoffnung, noch rechtzeitig zu kommen.

Sollte er – und daran wagte er kaum zu denken – sollte er es tatsächlich schaffen, stände ihm die Welt offen, sinnierte Ian vor sich hin, während er sich durch eine größere Menschenmenge schlängelte.
 

Im Musiksaal des Konservatoriums hatten sich unterdessen nicht viele der Schüler eingefunden, sich der großen Probe zu stellen, hatten doch viele Angst vor der Kritik des französischen Dirigenten, welcher mit ihnen reiste und hin und wieder beiläufige Kommentare in seiner Muttersprache hervorbrachte, welche allerdings von den russischstämmigen Herren neben ihm sehr ernst genommen und übersetzt wurden.

Schüler kamen und gingen wieder, die Pianisten mit gebeugten Rücken und zitternden, feuchten Händen, mit den Tränen kämpfend, denn noch war dem Dirigenten keiner der jungen Klavierspieler als der Richtige für das internationale Orchester begegnet, das er aufzubauen gedachte.

Dafür waren einige begabte Violinisten – fünf an der Zahl – und drei sehr gute Cellisten mit Potential schon in der näheren Auswahl.

Nach einer halben Stunde verließ der letzte Pianist den mit Eichenparkett ausgelegten Raum, dessen rote Samtvorhänge sich im leichten Lufthauch des geöffneten Fensters bewegten. Der Franzose räusperte sich, wandte sich mit einigen Worten an seine beiden Begleiter. „Es tut mir Leid, meine Herren, aber bis jetzt konnte ich keinen Pianisten finden“, bedauernd zuckte er mit den Schultern, die schmalen Lippen unter dem dünnen, sorgsam gepflegten Schnurrbart nach unten gekräuselt.

Nun meldete sich einer der Klavierprofessoren des Konservatoriums, welcher schon längere Zeit unruhig am Fenster gestanden und hinab auf die Straße gesehen hatte. „Bitte, ich bitte Sie!“, rief, flehte er in seinem besten Französisch, „Warten Sie noch zwei Minuten! Ich habe einen meiner besten Schüler herbestellt!“

„Monsieur“, der hagere Dirigent richtete sich stockgerade auf, „Es gibt etwas in meinem Land, welches als ‚Pünktlichkeit‘ bekannt ist, auch wenn ich nur zu gut weiß, wie gerne sich der Russe Zeit lässt.“

Er richtete sich so weit auf, wie er nur konnte, und sah auf den gebückten, alten Klavierlehrer herab, welcher in olivgrünem Pullunder vor ihm stand, den von weißem, mittellangem Haar gesäumten Kopf leicht geneigt. Der Klavierlehrer versprach: „Ich bin mir sicher, er wird gleich da sein“ Doch auch er selbst schien sich nicht vollständig sicher zu sein.

Der Franzose nickte. „Gut. Ich gebe Ihrem.. ‚Musterschüler‘ noch fünf Minuten. Sollte er nach verstrichener Frist nicht aufgetaucht sein, werden wir weiterziehen.“, bestimmte er in nasalem, brüchigem Russisch.
 

Die fünf Minuten verstrichen, und der arme, alte Klavierlehrer in dem grünen Pullunder, welcher schon schlimmere Desaster miterlebt hatte, zitterte doch innerlich und bangte um jede Minute.

Er hatte schon die Hoffnung aufgegeben, und mit ihm scheinbar auch die Talentsucher, denn einer nach dem anderen machten sich die drei zum Aufbruch bereit, streiften sich ihre Mäntel über und unterhielten sich schwatzend in einer Mischung aus Französisch und Russisch.

Schließlich war die Zeit verstrichen, und der französische Dirigent öffnete schwungvoll die Tür. Er stockte, als ihm ein junger, scheinbar kleinwüchsiger Mann vor der Nase stand, in Jeans und rotem Pullover, über welchen er scheinbar hastig einen schwarzen Mantel geworfen hatte. Er schnaufte atemlos und drückte eine zerschlissen wirkende alte Ledertasche an sich.

Seine großen, rotbraunen Augen erwiderten verdutzt den Blick des Franzosen. „Bin ich“, keuchte er, „etwa zu spät?“

Requiescat in pacem

Kapitel 19: Requiescat in pacem
 

Nikita lachte. „Das meinst du nicht ernst, Petrov!“

Wieder waren sie einander zufällig begegnet, als Spencer – noch immer aufgewühlt durch den unerwarteten Besuch – durch den Park nahe der Moskwa gejoggt war. Genauer gesagt, er hatte sie beinahe umgerannt, und Nikita hatte die Chance genutzt, ihn zu einem Kaffee zu nötigen.

Weshalb sie sich immer über den Weg liefen war dem jungen Russen äußerst suspekt, doch bislang war es noch nicht unbedingt störend – weshalb sollte er also nicht auch etwas Spaß haben..?

Er rührte die Brühe, die sie in dem billigen Straßencafé Tee zu nennen pflegten, um, um den Zucker aufzulösen, und nickte. „Doch, doch“, beteuerte er, „vollkommen Ernst. So drei-, viermal im Monat schau ich mir den noch an..“

Nikita schüttelte wiederholt den Kopf. „Dann müssen das doch mindestens fünfzig Mal allein schon im letzten Jahr sein.. und dir wird das Teil nicht langweilig?“, noch immer leicht lachend nippte sie an ihrer Tasse. Spencer zuckte mit den Schultern. „Ich mag ‚Blair Witch‘“, fand er, „Was ist so schlimm daran?“

Nikita lachte wieder. „Überhaupt nichts! Es ist nur..“, meinte sie, hielt inne, in der Suche nach einem passenden Wort. „Nur was?“, hakte der Blonde nach, fuhr sich kurz durchs Haar. „Lustig, das will ich sagen“, strahlte die Schwarzhaarige nun freundlich.

Spencer grinste, trank aus und bezahlte seinen Teil der Rechnung. Wenn er konnte, blieb er niemandem eine Gefälligkeit schuldig – Gegenleistungen zu erbringen war ihm nicht geheuer. In Gedanken seufzte er; er hatte wohl einfach zu viel erlebt.

~*--------------------------------------------*~

Ein unerwartetes Geräusch ließ Tala von seinem Buch aufschrecken. Die Tür war ins Schloss geworfen worden, mit so viel Schwung, wie es nur einer konnte – dann war Bryan jetzt wohl auch aus der Wohnung..

„Und eine weitere Tür requiescat in pacem..“, seufzte er leise und blickte mehrere Sekunden lang auf den weißen Einband des Taschenbuches. Es störte ihn ungemein, dass sie dank Bryan immer wieder die Türen auswechseln oder reparieren mussten – es war doch nicht so schwer, eine Türe leise hinter sich zu schließen, oder?

Leicht die Stirn runzelnd legte er das Buch neben sich auf die Bettwäsche. Es war ihm klar, dass die Frage rein rhetorisch gemeint war; es war besser, wenn Bryan seinen Frust an leblosen Gegenständen ausließ als an allerlei Lebewesen, die kreuchten und fleuchten.

Außerdem hatte er seine Ruhe für seine Arbeit.. auch wenn er gerade lieber weiter in der ‚Verwandlung‘ gelesen hätte, wie er es – ausnahmsweise ehrlich vor sich selbst – zugab.
 

Und doch legte sich leise Sorge in dem Rotschopf, als er an den psychischen Zustand seines Teamkollegen dachte. Es war für Außenstehende schwer zu begreifen, selbst der Psychoanalytiker, den der Silberhaarige ein Jahr lang hatte aufsuchen müssen, hatte ihn nicht vollkommen zu durchschauen vermocht.

Wiederum leise seufzend machte Tala sich daran, sein Buch gegen ein Latein-Wörterbuch und einen Notizblock einzutauschen, mit welchen er sich wieder auf sein Bett setzte.

Doch seine Gedanken hatten nun eine Reise in die nähere Vergangenheit unternommen, und er konnte nicht mehr so einfach zurück.

Man hatte Bryan als ‚geheilt‘ und ‚sozial integriert‘ bezeichnet, als er die Sitzungen bei dem Seelenklempner abgebrochen hatte, das war Tala bekannt. Nur zu gut erinnerte er sich an die stoische Miene des Teamkollegen, als er damals in die Wohnung gekommen war. Es war ein auf schwere Weise zu bezeichnender Zug der Erleichterung in seiner Miene gewesen – anscheinend hatte er sich nun auch selbst für gesellschaftsfähig gehalten.

Schon seltsam, wie andere Menschen die Bestätigung brauchen, um selbst an etwas glauben zu können.. Der Rotschopf schmunzelte, schlug den Notizblock auf.

~*----------------------------------------------------------*~

Der Weg zur stillgelegten und später modernisierten Fabrikshalle war mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als nur umständlich, und Bryan beschloss, sich das Geld für die letzten zehn Minuten Busfahrt zu sparen und zu Fuß zu gehen. Seine Laune war auf dem Nullpunkt, und wenn er sich noch einen dieser überfüllten Busse antun musste (nun, nach der von ersten Touristen überfüllten Straßenbahn und der noch volleren U-Bahn) war er sich nicht sicher, noch für die Sicherheit der Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung garantieren zu können.

Seine Fäuste zitterten vor unterdrückter Wut, noch immer, obwohl er vor über einer Stunde aus der Wohnung gerauscht war, und noch immer wartete diese beängstigende Hitze in ihm, jederzeit bereit, wieder aufzustehen.
 

Der Trainer sah ihn erst, als er unmittelbar hinter ihm stand.
 

Gewissermaßen hatte Bryan Angst vor sich selbst, vor dieser unbarmherzigen Seite seiner Selbst, die er zu unterdrücken und zu verstecken gelernt hatte; und doch war er immer wieder fasziniert von dem unheimlichen Gefühl der Macht, das die Hitze mit sich brachte.
 

Endlich erreichte er die stillgelegte Halle, die nun, zu dieser nachmittäglichen Zeit, gut besucht von Boxbegeisterten war, trat ein, und fand sich in einer anderen Welt wieder, einer Welt, in der er sich von Anfang an hatte besser zurechtfinden können als in der wahren Realität mit ihrem Chaos, ihrer Massen von Reizen, an die er sich erst hatte gewöhnen müssen.

Mit einer fahrigen Bewegung wechselte er in der voll besetzten Umkleide seine Straßenkleidung gegen die Sportsachen, die er hier zwischengelagert hatte, und trat mit grimmigem Gesicht in die große Halle.
 

Grigorij Parkov war schon zu seinen Zeiten als Kickboxer ein Mann gewesen, der ein gutes Gespür für ein Geschäft gehabt hatte – seinem Manager von damals verdankte er einiges. Er hatte dieses Gespür auch beim Kauf der stillgelegten Halle voller Gerümpel und industriellem Schrott ein weiteres Mal unter Beweis gestellt; die Halle hatte perfekte Beleuchtung, die durch die hoch angelegten Fenster bloß noch ergänzt wurde, hochwertiger Parkettboden war unter einem billigen, verdreckten Linoleum zum Vorschein gekommen, und der Industrieschrott hatte dem Boxtrainer gutes Geld für die nötigen Geräte gebracht.

Nun stand er, die Arme verschränkt, beinah ein wenig stolz auf seine Leistungen – obwohl er sich dies vehement verbot – am Rande der Halle, beobachtete die Trainingskämpfe in den beiden Kampfringen. Die einen waren Anfänger, die anderen trieben den Sport schon länger. Parkov grinste in sich hinein. Aus einigen der Anfänger konnte noch einiges werden, wenn sie nur Willen hatten, sich anzustrengen.
 

Er bemerkte, dass ein neuer Kämpfer die Halle betrat. Kuznetsov, der introvertierte Moskauer, der seit inzwischen eineinhalb Jahren regelmäßig zum Training kam, stapfte mit energischen Schritten auf einen der Boxsäcke zu. Parkov hatte ihn nie in hellen Farben gesehen, fiel dem Trainer nun auf, da er seinen Schützling neben einem der weiß gekleideten Anfänger sah. Immer waren es dieselben schwarzen Shorts und das gleichfarbige T-Shirt..

Kuznetsov machte sich nun an einem der Säcke zu schaffen, mit kräftigen, zielsicheren Schlägen trieb er den Trainingspartner, der sich dazu bereitgestellt hatte, das Trainingsgerät festzuhalten, ins Schwitzen.

Grinsend trat Parkov zu dem Silberhaarigen. „Kuznetsov“, sprach er ihn an und registrierte wieder einmal, wie der andere leicht zusammenzuckte, als sein Name genannt wurde, „wie wär’s wieder mal mit einem Kampf?“

Die dunkel schimmernden Augen des jungen Kämpfers hefteten sich auf ihn. „Wenn Sie einen haben, der nicht nach einer Minute schon schlappmacht.“, meinte er heiser.

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Ihm sahen viele Seiten entgegen, voll beschrieben in enger Schrift, die jeden Millimeter ausnützte. Das ganze Gekrackel war wohl einzig für ihn verständlich, überlegte Tala und legte seinen Stift beiseite. Er hatte schon immer eine einzigartige Handschrift besessen – einzigartig insoweit, dass niemand bis auf ihn sie entziffern konnte; zumindest nicht ohne Lupe und einem Leitfaden für die einzelnen Buchstaben. Das hatte ihm in seiner Kindheit schon einige Probleme bereitet..

Eigentlich hatte er noch drei lateinische Texte von jeweils etwa einer Seite zu übersetzen, doch ihm fehlte im Moment der Nerv; außerdem hatte er noch über eine Woche bis zur Abgabe Zeit, und solche Texte pflegte er in etwa zwei Stunden Kombination vollständig entschlüsselt zu haben – und das fehlerfrei..
 

Er hatte Bryan wenige Male wirklich ausflippen sehen, und mit ‚wirklich‘ meinte er, dass der Silberhaarige vollständig die Kontrolle verloren hätte. Heute war Bryan sehr nahe an die Grenze geraden, er hatte es beinahe körperlich gespürt.

Er wusste nicht, wie der Silberhaarige es empfand; ihm kam es immer vor wie ein plötzlicher Temperaturumschwung ins Negative, in die arktische Kälte, der er entflohen war.

Tala massierte sich mit Zeigefinger und Daumen die Nasenwurzel. Hoffentlich stellte Bryan keinen allzu großen Mist an; er hatte keine Lust, den anderen von der nächsten Polizeiwache abzuholen..
 

Wie aus einem anderen Universum hörte er, wie die Wohnungstür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Er hörte Spencer mit einer Frau sprechen und fragte sich unwillkürlich, was der große Russe jetzt schon wieder angestellt hatte.

Als ein glockenhelles Lachen ertönte, erhob er sich und ging mit steifen Gliedern zur Tür, die plötzlich schwungvoll geöffnet wurde. Er sah in das Gesicht der schwarzhaarigen Arbeitskollegin, die ihm schon einmal begegnet war, und mit der sich Spencer letzte Nacht hatte zulaufen lassen. Im Moment allerdings blickte sie ihn ziemlich nüchtern und deutlich peinlich berührt an. „Entschuldige.. das Badezimmer..“, murmelte sie den Blick zu Boden senkend. Tala wies mit der Hand zwei Türen weiter. „Merk dir das“, bemerkte er trocken, ehe er sein Zimmer endlich vollständig verlassen und in die Küche treten konnte.

Er setzte sich an den Küchentisch und blickte Spencer mit hochgezogenen Augenbrauen an, welcher ihm geschlagen seufzend eine Tasse Tee vor die Nase setzte. „Frag nicht“, bat er, woraufhin die eine Augenbraue des Rotschopfs wieder ein Stück weiter in die Höhe wanderte.

Doch Spencer wurde vor diesem stummen Verhör verschont, da die Schwarzhaarige, deren Namen Tala entfallen war, wieder den Raum betrat und ihn mit einem Seitenblick bedachte, ehe sie freundlich lächelte. „Ich hab‘ ihn genötigt, mich mitzunehmen“, erklärte sie plötzlich so breit lächelnd wie entschuldigend, „Petrov wollte mir nämlich ‚Blair Witch‘ leihen..“

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Oo.. ich hab‘ derzeit so viele Ideen, dass aus dem einen Zwischenkapitel zwei werden mussten.. das ist mir auch kaum mal passiert… O_O° I-wie sehr strange…
 

Requiescat in pacem – wer hat erraten, was das heißt? ;D Mancher mag’s von den vielgesehenen Grabsteinen mit der Inschrift R.I.P. kennen.. und sein tut’s Latein und heißt „Er/sie/es ruhe in Frieden“ ^o^ Jesses, Leute, ich bin schau XD und ich mag Latein..<3 zumindest bis jetzt x3

xD
 

Na dann.. wir sehen dann, ob Ian noch pünktlich angekommen ist.. und zwar im Kapitel 20 (das eigentlich hätte an Stelle dieses Pitelchens kommen sollen…Oo“ Verratet’s nicht weiter;P)
 

Thx an meine tollen kommentatorInnen *alle drück* und an die schwarzleser da drausen auch xD *auch drück*
 

eure FW

Talent

Kapitel 20: Talent
 

Parkov grinste breit und winkte Bryan, ihm zu folgen, was dieser tat. Entschlossenen Schrittes trat er in den Ring und unterbrach mit einer einfachen Handbewegung den Kampf der Anfänger, der ihm stümperhaft genug erschien.

Die beiden sahen ihn angsterfüllt an – wohl die nächsten Beyblade-Fans, die sich an ihn, oder besser an seine Taten, erinnerten.. Er war es so Leid, ständig mit seiner Vergangenheit konfrontiert zu werden, ständig wegen seiner Taten vorschnell verurteilt zu werden..
 

Der Kickboxer, der sein Gegner sein sollte, war ein dunkelhaariger Russe mittleren Alters, ein Stück größer als Bryan selbst und bestimmt in einer anderen Gewichtsklasse. Der Silberhaarige ließ seine Fingerknöchel knacken, grinste abfällig. Trainer Parkov wusste einfach, wann er ihm den richtigen Gegner vorsetzen musste.

Der Russe allerdings schien noch nichts von ihm gehört zu haben, denn er wandte sich an Parkov. „Das is‘ nich‘ dein Ernst, Grischa! Die halbe Portion hab‘ ich spätestens in der zweiten Runde umgenietet!“, beschwerte er sich und schüttelte demonstrativ siegessicher die Faust.

Bryan fühlte die dumpfe, heiße Welle wieder hochkochen und seine Stirn runzelte sich leicht. Der Kerl hatte ja beinah dieselbe arrogante Art wie Hiwatari..

Doch das abfällige Grinsen blieb auf seinen Zügen bestehen, ließ ihn gefährlich aussehen – so gefährlich er tatsächlich sein konnte. „Versuch’s doch, du Möchtegern“, forderte er mit eiskalt beherrschter Stimme, „Und finde heraus, wie viel du gegen mich auszurichten vermagst..“

Dies ließ sich der Kerl nicht zweimal sagen, und stieg nun tatsächlich in den Ring, wo er vorhin noch gezweifelt zu haben schien.

Parkov übernahm den Part des Schiedsrichters, zählte ein. Dann begann der Kampf.

Der erste Hieb seines Gegners traf Bryan so unvermittelt, dass ihm die Luft aus den Lungen getrieben wurde, seine Bauchmuskeln sich schmerzhaft unter der Faust des anderen verkrampften, wie um den Schlag abzufedern. Er taumelte wenige Schritte zurück, sah in das überhebliche Gesicht seines Gegners.
 

„Ich hab’s doch gesagt, Grischa. Der taugt doch nichts.“, wandte sich dieser soeben an den Trainer, der jedoch vehement den Kopf schüttelte. Seine Worte verloren sich im Rauschen des Blutes in seinen Ohren, und Bryan fühlte, wie scheinbar jeder Muskel in seinem Körper zur selben Zeit kontrahierte.

Das Bild eines kleinen Jungen mit demselben Blick wie seines Gegners legte sich vor seine Augen, sein Sichtfeld beschränkte sich für einen Moment nur auf den Jungen und die Dunkelheit um ihn herum.
 

„Was soll das, Kuznetsov? Willst du dich wirklich so schnell besiegen lassen? Ich bitte dich..“, die tadelnde wie anstachelnde Stimme des Trainers hallte in seinen Ohren wieder und half ihm, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Bryan blinzelte.

Nein. Er hatte sein Leben lang kämpfen müssen, um Zuneigung, Respekt, Aufmerksamkeit, ums nackte Überleben. Sein ganzes Leben war ein Kampf gewesen – er würde nicht aufgeben. Niemals.
 

Mit einem Satz war er auf den Beinen, hochkonzentriert und zitternd vor unterdrückter Wut, die seine Muskeln zum Anspannen zwang, sodass diese beinah schmerzten. Doch Bryan hatte schon schlimmeres erlebt, um diesen zugegebenermaßen süßen Schmerz nicht ignorieren zu können. „Du hältst dich für was Besseres“, stellte er an seinen Gegner gewandt fest, mit eiskalt berechnender Stimme, „Das würde ich lieber lassen.“

Er stand vollkommen gerade, hochkonzentriert, und fühlte die heiße Welle wieder in sich hochkochen. Doch dieses Mal hatte er sie unter Kontrolle – zumindest bis er sich entschloss, sie freizulassen.

Etwas rastete beim Anblick seines Gegners in ihm ein, ein lange Zeit von vielen Forschern erzwungener, psychischer Mechanismus. Das Bild des Gegners vermischte sich mit den herablassenden Zügen der Person, die seinen Hass auf sich zog; Kai Hiwatari.

Dann stürzte er los, um seinem Gegner die schlimmste Zeit seines Lebens zu bereiten.
 

Der von seinen Kollegen, Freunden und Schützlingen bloß Grischa genannte Grigorij Parkov war sich bewusst, dass Zeuge eines höchst seltenen Moments des Selbstvergessens wurde, und achtete genau auf die koordinierten Schläge, seines besten Kämpfers. Kuznetsov schlug Kombinationen, die ihm niemals von Grischa gezeigt worden waren, er fing hastig, beinah panisch hingeworfene Schläge seines Gegners mit enormer Leichtigkeit ab, um sie für einen Konter zu nutzen.

Parkov hatte nicht nur einen guten Riecher für Immobilien – er erkannte Talent fürs Kickboxen, wenn es sich denn in seiner Nähe befand, sofort. Und Kuznetsov gehörte unumstößlich zu ebenjenen, die Chancen auf eine gute Karriere und das große Geld hatten. Er hatte es vom ersten Moment an gewusst, als er den noch jungen Russen in seiner Halle trainieren sah.

Er bewunderte die scheinbar unermüdliche Schnelligkeit und Ausdauer seines Schützlings, sie verblüffte ihn ein jedes Mal, wenn er ihn kämpfen sah. Es war ihm klar, wen er vor sich hatte – vor einigen Jahren hatte es viele Berichte in den Klatschblättern der Stadt über die gewalttätigen Methoden der Beyblader. Aber er hatte niemals gedacht, dass diese Milchbubis, wie er sie insgeheim nannte – denn für ihn war das Spielen mit Kreiseln kein wahrer Sport – noch andere Talente haben konnten. Er hatte seinen Irrtum schnell eingesehen, als er Kuznetsov zum ersten Mal hatte tatsächlich gegen einen seiner Gegner kämpfen sehen. Er schien alles um sich herum zu vergessen und nur mehr auf das Niederschlagen seines Gegners aus..
 

Zitternd und schwitzend stand Bryan dar, die Fäuste in den Boxhandschuhen noch immer geballt, so fest, dass er meinte, die Lederne Ummantelung einzig durch Kraft seiner Finger durchbrechen zu können. Sein Atem ging stoßweise und mit kaltem Blick sah er auf seinen Gegner hinab, der mehr in den Seilen hing als dass er sich selbstständig aufrecht erhielt.

Der Kampf war vorbei. Und er hatte gewonnen.

Er versuchte, sich an den Kampf zu erinnern, doch es tat sich bloß eine bloße, weiße Wand vor seinem inneren Auge auf. Blackout.

Urplötzlich schien ihm die Zeit, die ihm wie Sekunden vorgekommen war, unheimlich, und es wurde ihm trotz der gut beheizten Halle kalt zumute. Was hatte er alles mit dem Kerl getan? Wie stark hatte er zugeschlagen?

Plötzlich hörte er jemanden außerhalb des Rings klatschen, und urplötzlich schien etwas wieder einzurasten, das aus den Fugen gewesen war. Mit diesem Einrasten – es schien Bryan als hätte er das Klicken einer metallischen Feder vernommen – stürmte auch die Realität auf ihn ein, sein Sichtfeld erweiterte sich so plötzlich, dass er geblendet die Augen zusammenkneifen musste, die Geräusche um ihn herum bestürmten ihn mit solcher Lautstärke, wie er vorhin die Stille wahrgenommen hatte, kurzum, die ganze Welt stürzte mit unglaublicher Intensität auf ihn ein, mit einer unfassbaren Fülle an Einflüssen.

Dann ging sein Blick weiter, äußerlich teilnahmslos, zu seinem Gegner, der ihn aus von Verzweiflung und Angst verschatteten Augen anstarrte und fragte sich unwillkürlich, wer er war, wenn sein Hass die Oberhand gewann.

Er fühlte sich müde und ausgelaugt, und ihn verlangte im Moment nichts weiter als eine heiße Dusche.
 

Grischa Parkov kam auf ihn zu, breit grinsend, und klopfte ihm schwungvoll auf die Schulter. „Das war ein erstklassiger Kampf, Kuznetsov!“, meinte er, und fuhr sogleich fort, war es doch schließlich gewohnt, keine Antwort von ihm zu erhalten, „Ich habe dir einen Vorschlag zu unterbreiten: Was hältst du davon, wenn ich dich beim nächsten Kickboxkampf aufstelle?“
 

Bryan sah den Trainer lange mit leerem Blick an, ehe er etwas erwiderte. Wieder in die Gewalt? Wieder ins Rampenlicht, diese seltsame Welt voller Schein?

Er lächelte, ein abgekämpftes wie spöttisches Lächeln, das ihn mehr aussehen ließ wie einen alten Veteranen als einen knapp Zwanzigjährigen. Doch er wurde sogleich wieder ernst, seine Miene gefror zur gewohnten Maske, wenn auch nicht in vollkommener Perfektion.

„Nein danke“, erklärte er schlicht, „Kein Bedarf.“

~*--------------------------------------------------*~

Der Klavierlehrer klatschte freudig in die Hände, als er seinen besten Schüler auf ihn zukommen sah, dem die lilafarbenen Stirnfransen verschwitzt in die Stirn hingen. „Ian, was bin ich froh, dich hier zu sehen! Du hast es gerade noch geschafft!“, plötzlich kam Leben in den so trist und trostlos wirkenden alten Pianisten, und er legte besorgt eine Hand auf die Schulter seines Schützlings, welcher noch immer schnaufte wie nach einem Marathon. „Gute Güte, Junge, bist du etwa den ganzen Weg gerannt?“, fragte er nicht ohne Entsetzen in der Stimme und reichte seinem Landsmann sogleich eine Flasche Wasser, welcher sie in langsamen Zügen leertrank.

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Jaaa, ne Portion mitleid für den als Boxsack verwendeten Kerl xD und einen großen Knuddl für Bryan ;D
 

Und im nächsten Kapitel geht's endlich mit Ian weiter - da haben ja schon einige gefragt;D
 

und.. wollt ihr, dass Spence was mit seiner Arbeitskollegin anfängt???? Oo Das ist bei mir nirgends drinnen, weder im Kopf noch sonstwo (als ob's sonstwo gäb *hüstel*)Oo" Die haben sich ihnter meinem Rücken verselbstständigt! >.< *keule schwenk* XD
 

*alle knuddl* *kommischreiberlis kuchen dalass*
 

cya next time ;D

FW

Chance of a Lifetime

Kapitel 21: Chance of a Lifetime
 

Im ersten Moment, als Ian dem groß gewachsenen Herrn mit den ausgeprägten Wangenknochen gegenüberstand, hatte er ihn mit Balkov verwechselt. Der Haarschnitt der lilanen, lichter werdenden Haarpracht, der Blick der von Tränensäcken untergrabenen, wässrigen Augen, der lange, braune Trenchcoat.. alles hatte so zusammengepasst, dass Ian unheimlich erschrocken war. Der Mann machte ihn mit seiner unangefochtenen Autorität unglaublich nervös – aber Tala hatte etwas nicht Unähnliches an sich, sodass er mit der Nervosität zumindest im Ansatz zurechtkam.

Doch dann hatte der Franzose ein Grinsen über sein Gesicht ziehen lassen, während er in langsamem, furchtbarem Russisch geantwortet hatte: „Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen, mein Guter.“ Er hatte das erleichterte Ausatmen seines Klavierlehrers gehört und mit ihm ausgeatmet, beinahe erleichtert aufgelacht.

Es war nicht Boris Balkov; er würde es nie wieder sein.

Am liebsten hätte er sich jetzt erst einmal eine Runde hingelegt, um wieder Kraft zu schöpfen, doch gerade dies sollte ihm im Moment nicht vergönnt werden.

Die Talentsucher und der Dirigent hatten wieder Platz genommen, der Lehrer saß in der letzten Reihe. Ian konnte es nicht klar erkennen, dazu war er im Moment zu aufgeregt, doch er konnte sich gut vorstellen, wie der alte Herr die Augen genüsslich schloss, wie er es bei so manchem Klassenabend zu tun pflegte, und sich ganz der Musik hinzugeben.

Zuvor hatte er ihm noch einige letzte Ratschläge gegeben; was in Ian verwurzelt geblieben war, war ein einziger davon, welchen er jedoch für sich immer wieder wiederholte: >Spiel nicht nur mit der richtigen Technik. Spiel auch mit deinem Herzen, dann kannst du Millionen berühren. Und das ist die Aufgabe der Musik. Berühre die Menschen; mach mich stolz.<

Er sollte mit dem Herzen spielen.. bei seiner Aufregung war es das letzte, was er sich vorstellen konnte zu tun. Ian zitterte am ganzen Körper, er fühlte sich innerlich wie leer gefegt, und starrte wenige Minuten lang auf die Noten vor sich. Er öffnete den Deckel des Flügels, leise stieß er gegen die Rückenleiste. Der Stuhl war genau in der richtigen Höhe für ihn, weshalb waren seine Finger dann immer noch glitschig vor lauter Aufregung? Es schien, als flattere anstelle seines Herzens ein Kolibri in seiner Brust.

Und dann fasste er einen Entschluss.

Ian schlug, die Augen schließend, das Notenheft zu, legte es auf die Ablage hinter dem Klavierhocker und hob seine Hände an die Tasten, sodass die Finger das kühle weiß berührten. Er fühlte, wie sein Herz sich beruhigte, spürte den Rhythmus seines Körpers.

Er sollte mit dem Herzen spielen.. endlich hatte er eine vage Ahnung, was dies bedeuten sollte..

Draußen vor dem Fenster schien ein einzelner Vogel zu zwitschern, und die war für Ian das mit der Musik in seinem Inneren vereinbarte Zeichen. Er öffnete die Augen und schlug den ersten Akkord an, eine wahre Disharmonie, und weitere folgten. Im Bass kamen immer wieder kleine Verzierungen hinzu, bis die Melodie sich fand, das Vogelgezwitscher zu seinem Thema machte.

Ian legte sein Herz in sein Spiel, mehr noch, seine Seele und seinen Geist. Es war sein Traum, in einem großen Orchester spielen zu dürfen, auch wenn er wusste, er würde seine Familie unglaublich vermissen.

Verzierungen und Verschnörkelungen verschlangen sich ineinander, lösten sich wieder und tanzten einen wilden Tanz des Lebens miteinander und wurden wieder sanft, melancholisch, dass sie Ian selbst einen Kloß in den Hals trieben. Er spielte mit geschlossenen Augen, hatte sich vollkommen von der Welt losgelöst und stellte sich vor, wie die Melodie durch das geöffnete Fenster hinaus drang in die weite Welt, alle Geräusche übertönte. Wie Menschen in ihrem Tun innehielten, einzig um seiner Musik zu lauschen. Wie die ganze Welt für einen Moment still stand, einzig wegen der Musik.
 

Weil die Musik die Menschen berührte..
 

Dass auch seine Freunde, sein Team, seine Familie – wie auch immer er es nennen wollte – die Musik seiner Seele hören konnten und ihm lauschten, wie Tala es oft tat, die Augen geschlossen und wunderbar entspannt.

Die Melodie verlor sich langsam, wie das Vogelgezwitscher im Straßenverkehr unterging, sosehr es auch dagegen anzukämpfen versuchte, und Ian ließ seinen weiten Geist langsam wieder in seinen Körper zurück. Lange noch lauschte man dem Nachhall des Klanges, ehe Ian tatsächlich wieder zurückgekehrt war mit Seele und Geist, zurück in seinen Körper, der ihm nun wie ein Gefängnis vorkam, da er ihn einmal verlassen hatte.

Als er die Augen endlich wieder aufschlug und er seine Finger, welche an den Tasten zu kleben schienen, langsam wieder löste, den Bann, welchen der Flügel – oder im Besonderen die Musik – um ihn geschlagen hatte, brechend, fühlte er sich wie in Trance. Wie ein Schlafwandler stellte er fest, dass sich der Saal plötzlich gefüllt hatte, und sah sich selbst von donnerndem Applaus umgeben.

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Kühler Nordwind wehte durch die dem Frühlingserwachen nahenden Straßen Moskaus, bliesen in jeden kleinen Winkel und ließen keine Gasse aus, egal wie klein sein mochte, keinen der schier endlosen, verborgenen U-Bahnschächte. Männer und Frauen eilten mit hochgestellten Krägen an ihm vorbei, ohne ihn auch nur im Geringsten wahrzunehmen, ohne einen Blick auf ihn zu werfen.
 

Träge blickte er hinauf zu den weithin sichtbaren Türmen der Basiliuskathedrale, die ihm schon seit geraumer Zeit den einzigen wahren Anhaltspunkt lieferte. Es war schwer, es zuzugeben, doch er kannte sich in seiner eigenen ehemaligen Heimatstadt nicht aus. Er hatte jegliches Orientierungsgefühl im Laufe der Jahre verloren, das ihn hier in der Stadt einst durch jeden Schlupfwinkel hindurch zum Flughafen geleitet hatte. Er fand sich kein bisschen zurecht, doch sein Stolz verbot es ihm, einen Stadtplan auch nur eines schiefen Blickes zu würdigen.

Kurz blieb er stehen, zog den kurzen, weißen Schal um seinen Hals an die richtige Stelle und stemmte sich weiter gegen den starken Wind, immer auf die Türme der Kathedrale zu. Sein dunkler Mantel, schon an mehreren Stellen zerschlissen, bot ihm kaum Schutz gegen die eisigen Böen und ließ ihn so erbärmlich frieren. Er hatte nicht mit solchen plötzlich hereinbrechenden Sturmböen gerechnet - wahrlich hatte er die Mentalität des Landes vergessen, seine herzlich einladende, gleichzeitig abweisend kühle Heimat..

~*------------------------------------------------------*~

Es war nur Einbildung; außer den drei Talentsuchern und dem Klavierlehrer war niemand hier. Wäre auch zu schön gewesen, bedauerte Ian im Geheimen. Doch es rührte ihn zutiefst, die stählern grünen Augen seines alten Klavierlehrers voller Tränen vorzufinden, und machte ihn leicht beschämt.

Der alte Herr trat auf ihn zu, legte ihm beide Hände auf die Schultern und schien sich einen Moment auf ihn stützen zu müssen; „Das war..“, hauchte er, „wahrlich die Musik der Seele und des Herzens. Ich hätte niemals gedacht, so etwas sagen zu können, aber ich habe dir nichts mehr beizubringen, mein Junge.“ Stolz war in seinem Blick zu lesen, Ergriffenheit und Bewunderung. Ian schmunzelte leise. Der alte Pianist war wirklich ein wunderbarer Mann, ein wunderbarer Lehrer.
 

Der französische Dirigent wischte sich mit einem blütenweißen Taschentuch über die Stirn und die Augen. Er redete in schnellem Französisch, was Ian nicht verstehen konnte, ehe er schließlich fragte: „Kak u wa‘ ßawut? – Wie heißen Sie?“ Ian blickte zu ihm auf. „Ivan Papov“

Nun ergriff einer der Russen das Wort. „Nun, Ivan Papov.. wir würden uns sehr freuen, wenn Sie unser Angebot annehmen und uns mit ihrem Spiel beim neuen ‚All Nations Orchester‘ des Herren hier beehren würden.“, erklärte er stockend, denn auch an ihm war das Vorspiel des klein geratenen Russen nicht spurlos vorbeigegangen.

Ian blickte verdutzt von einem zum anderen, ehe ein Strahlen sein Gesicht überzog. „Das.. das.. Meinen Sie das ernst?“, hakte er nach, und tauschte einen Blick mit seinem alten Klavierlehrer. „Das.. das.. das..“, stotterte er, unfähig, auch nur einen Satz zusammenzubringen. Eine ungeheure Last der Emotionen stürzte auf ihn ein, sodass Ian sich wahrlich erdrückt sah.

Der andere russische Talentsucher warf hastig ein: „Sie können alles natürlich noch in aller Ruhe überdenken, bestimmt haben Sie hier in Moskau Freunde und Familie..“
 

Und da fielen Ian wieder Spencer, Bryan und Tala ein.

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pampam-paaaaa XD

ich bin gemein, oder? genau jetzt aufzuhören.. xD *freu* hach, jetzt wisst ihr endlich, was Ian gemacht hat ;D ich hoffe, ihr seid nicht allzu enttäuscht davon, wer sich jetzt was andres erwartet hat.. ^-^
 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei meinen kommentatorInnen und freu mich über eure verschiedenen ansichten über Spencer und Nikita.. ich bin selbst noch am Überlegen, aber im nächsten Pitel kommt Tala auch mal wieder vor (obwohl er ja die ganze Zeit über da war *irre lol* *tipp geb* - mal sehn wers rausbekommt bevor ich's geschrieben hab;D) xD

*heut waffeln aufstell*

Mahlzeit;D & cu next time ;D
 

eure FW

Le fantôme dell Opéré

Kapitel 22: Le fantôme dell Opéré
 

Endlich hatte er den Roten Platz erreicht. Es war nicht einmal mehr so schwer gewesen als er gedacht hatte – irgendwie blieben einem einige alte Wege wohl doch im Gedächtnis. Nun stand er da, ohne weiteres Ziel als vielleicht der Suche einer Schlafstatt.

Auf dem Kopfsteinpflaster des Roten Platzes tummelten sich viele Menschen, manche eilten, andere schlenderten oder spazierten. Er allein schien inmitten der vorbeiziehenden Menge stehen zu bleiben, hinaufzublicken in den kornblumenblauen Himmel, dort, mitten auf dem Schauplatz blutiger Revolutionen. Horden von Tauben, in allen Farbvariationen von schwarz bis hellbraun vertreten, scharten sich gurrend um Bänke, rund um die Babuschkas, auf ebenjenen sitzend, Vogelfutter verstreuten. Andere führten ihre Enkel an der Hand mit sich, die verwöhnten kleinen Kinder immer wieder mit liebevollen Hätscheleien liebkosend.

Den etwas älteren Enkeln mochte es lästig sein, doch manchmal wollte auch er so umsorgt werden – nur leider hatte Kai nie eine solche Babuschka kennenlernen dürfen. Sie war schon zu früh gestorben, um ihn noch erleben zu können – oder er war noch zu jung gewesen, um sich an sie erinnern zu können; wie man es auch drehen und wenden wollte, er hatte keinerlei Erinnerung an sie. Schade, eigentlich.
 

Hin und wieder wurde jemand auf ihn aufmerksam, ihn in seinem dunklen Mantel. Manchmal begegnete ihm ein neugieriger Blick, bei anderen Gelegenheiten ertönte auch ein überraschter Ausruf. Nicht alle waren positiv; wahrlich, er hatte sich in Russland nicht gerade viele Freunde gemacht. Mit großer Wahrscheinlichkeit war er auch erkannt worden, doch er verschloss sich gegen die teils feindseligen Blicke, die ihm entgegenschlugen, verschloss sich vor der Welt um ihn herum.

Sie hassten ihn – wie sollte es auch anders sein..?

Sie hatten ihn immer schon gehasst, alle, die je seinen Weg gekreuzt hatten. Bis auf eine Handvoll, welche seine Macken zu akzeptieren gelernt und die er immer wieder enttäuscht hatte – schließlich hatten sich sogar jene von ihm abgewandt.
 

„Manchmal ist es einfacher, gehasst zu werden..“, meinte plötzlich eine Stimme in der Nähe, und mit einem Ruck drehte sich Kai um, um die zweite Insel im Strom der Menschen zu fixieren. Der junge Mann in der dunklen Lederjacke wandte sich sogleich um, ohne sich ein weiteres Mal umzusehen, bahnte sich mit der tänzerischen Anmut eines angriffsbereiten Tieres einen Weg durch die Menge, ohne auch nur einen einzigen zu berühren.

Eine Kunst, die außer ihm selbst nur wenige beherrschten.

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Der Franzose blickte ihn noch einige Zeit an, ein breites, selbstverliebtes auf dem Gesicht; wahrscheinlich hatte er während des schnellen, auf Russisch geführten Gesprächs kein einziges Wort verstanden. Nichts verriet seine Gedanken, außer vielleicht seinen Augen, in die zu sehen Ian sich erst nach einiger Zeit traute. Er staunte. Die von tiefen Furchen umgebenen Augen des Franzosen waren so kohlschwarz wie er es kaum einmal bei einem Menschen gesehen hatte, und weit, weit in die Ferne gerückt.

Der Dirigent blickte nicht ihn an. Er blickte durch Ian hindurch, und vielleicht ließ gerade das den kleingeratenen Russen schaudern. Woran der lilahaarige Mann wohl denken mochte?
 

„Erik“, plötzlich sprach der große Dirigent, so unvermittelt und trotz der geringen Lautstärke so schneidend, dass ein jeder im Raum zusammenzuckte. Der Name kam Ian in keinster Weise bekannt vor, so blickte er seinen potentiellen neuen Arbeitgeber fragend an.

Der Franzose lachte leise. „Sie haben niemals vom.. ‚Engel der Musik‘ gehört, nicht wahr?“, er hauchte die Bezeichnung wie einen uralten Zauber, sodass Ian die Nackenhaare zu Berge standen, und lachte abermals leise, „Nun, besser bekannt könnte er sein als..-“

Er unterbrach sich, legte eine Kunstpause ein, sodass sich seine Zuhörer, die sein gebrochenes Russisch ansonsten schon schwer verstanden, unwillkürlich vorbeugten, gespannt lauschend, was nun kommen möge.

„..le fantôme dell opéré..“
 

Ian lief ein kalter Schauer über den Rücken. „Natürlich.. das musikalische Phantom des Musicals Webbers nach einem Gruselroman eines Mannes namens Leroux..“, murmelte der alte Klavierlehrer abwesend. Er hatte sein gebeugtes Gesicht von den Anwesenden ab- und dem Fenster zugewandt.
 

Der Dirigent schüttelte den Kopf, lächelte – Ian schien es, als belächele er ihr aller Unwissen. „Nicht bloß ein Phantom, Monsieur. Der Erbauer der Pariser Oper, ein Zauberer, ein Bauchredner, ein Architekt, ein Steinmetz, ein Arzt und Kräuterkundiger zugleich. Ein grausamer Todesengel, ein geduldiger Lehrer und Ausbilder. Vor allem aber war er der größte Musiker, den die Welt je gesehen hatte, ein Sänger, der es vermochte, einzig mit seiner Stimme Menschen zu betören und zu seinen Marionetten zu machen.“, verkündete er in leiser, bedächtiger Tonlage, wobei einer seiner russischen Begleiter übersetzte. Mit einem Mal klärte sich sein versonnener Ausdruck und richtete sich auf Ian. „Sie, Ivan, könnten es weit bringen.. Sie könnten ihm in seiner einzigartigen Genialität nahekommen.. Nicht im Gesang, sondern in der Fertigkeit am Instrument. Sie haben die Musik im Herzen, und das meine ich ernst. Wenn Sie es nur wollten, könnten Sie den ‚Triomphe de Don Juan‘ vollenden..“

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Er lief seinem seltsamen Führer nun schon einige Zeit hinterher, quer durch Gassen und über kleinere Mauern, durch Mietshäuser und über einige nahe beieinanderstehende Dächer der Stadt. Es ging Feuertreppen hinauf und hinunter, gerade so, als würden sie verfolgt, und Kai hatte schon nach wenigen Straßen die Orientierung vollständig verloren. Nur hin und wieder warf er einen Blick zurück, jedoch nicht oft, um seinen Führer nicht aus den Augen zu verlieren, und sah die Türme des Kremls immer weiter hinter sich liegen. Wohin brachte ihn dieser Kerl bloß?

Unvermittelt hielt Kai in seinem schnellen Schritt inne. Überhaupt, wer war dieser seltsame Typ, dass er es sich erlauben konnte, einfach darauf zu vertrauen, dass Kai ihm hinterherrenne? Leiser Trotz regte sich in ihm, doch dieser war niedergekämpft, kaum dass sich der Halbrusse umgesehen hatte. Er hatte seine Orientierung nun vollkommen eingebüßt – also war er mehr oder weniger auf den Fremden angewiesen, bis er sich wieder halbwegs zurechtfand.
 

Das konnte noch lange dauern, denn je länger sich Kai an die Fersen des Unbekannten heftete, desto heruntergekommener wurde die Gegend – gewiss hatten sie nun schon ein gutes Viertel der Stadt bewältigt, und mussten nun schon ungefähr ebenso weit von den üblichen Touristenanlaufstellen entfernt sein. In Kai schlug eine rot blinkende Sirene inneren Alarm. Hier wäre es dem Fremden ein leichtes, ihn zu überfallen und orientierungs- und hilflos zurückzulassen. Aber so leicht war er nun auch wieder nicht unterzukriegen, berief sich der Silberhaarige zur Ordnung.

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„D.. Das ist jetzt aber wirklich nicht Ihr ernst!“, protestierte Ian, erschlagen von der Erwartung des Dirigenten. Er hatte einige Zeit vollständig überrumpelt von solcher Information geschwiegen.
 

„Ich denke, sie wollen unter anderem im Notre Dame spielen?“, stellte auf einmal einer der russischstämmigen Begleiter seine unvermittelte Frage. Ian stotterte. „I-i-ich denke schon..“, gab er kleinlaut zu. „Und in der Pariser Oper?“, ergänzte der andere Talentsucher mit ernster Miene. Ian beeilte sich, zu nicken. „Natürlich – das will doch jeder Musiker, mindestens einmal in den großen Häusern der Musik spielen..“, erwiderte er, diesmal etwas selbstsicherer.
 

Plötzlich klatschte der Franzose in die Hände. „Nun, das ist der richtige Geist.“, verkündete er, ehe er seinen Ledermantel aufnahm. Ein Barett schützte seinen Kopf vor dem tückischen Wind des heutigen Tages, und er sah, fand Ian, etwas fehl am Platze aus, hier, in der russischen Hauptstadt und Megacity. Der französische Dirigent massierte sich kurz den Nacken. „Ach, das russische Klima ist nichts für mich“, bekannte er seufzend, und noch immer in demselben schlechten Russisch, „Während in Paris schon die Alleen in voller Pracht stehen, bläst hier noch eisiger Wind..“

Ian zuckte leicht grinsend die Schultern. „Das ist Gewöhnungssache“, fand er.

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V.v ich sag's gleich: ich kann kein Französisch - wer also nen Fehler im Kapiteltitel findet, darf/soll sich plz bei mir melden und kriegt ne widmung und nen Keks dafür;3
 

Und wieder kommt Tala viel, viel, viel zu kurz, nicht?uû mal sehen.. aber er ist da, er ist noch da *überzeugt nod*

;D

Jetzt bedank ich mich noch für eure lieben kommis <3 *alle abknuddl* und freu mich schon auf nächste;D
 

(apropos Kommis: wer hätte einen Wunsch bezüglich eines Dankeschön-Bilds? ich bin zwar keine überragende Meisterin, aber n bisschen was kann ich auch malen;D)

Verrücktheiten

Kapitel 23: Verrücktheiten
 

Grischa Parkov schauderte es, als er sich des leeren Blickes seines Schützlings gewahr wurde. Wohlbemerkt ließ er es sich nicht anmerken, doch die plötzlich so eisige, abgekämpfte Ausstrahlung Bryan Kuznetsovs war ihm mehr als nur ein Rätsel. Etwas verbarg sich hinter dem spöttischen, schmallippigen Grinsen, welches bloß seine Miene verzog.

Er zeigte kaum Anzeichen der Erschöpfung, der Atem ging ruhig.. einzig der Schweiß zeugte von einer körperlichen Anstrengung.

Die kalten, grauen Augen des Silberhaarigen hatten sich zu schmalen Schlitzen zusammengezogen, als Kuznetsov seinen Trainer seinerseits musterte, welcher dem Blick begegnete und standhielt. Es schien den jüngeren der beiden zu überraschen, dass sein vollkommen emotionsloser Blick auf strenge Erwiderung stieß. Kurze Zeit fochten sie beide ein Blickduell aus, ohne ersichtliches Indiz auf einen Gewinner. Dann plötzlich riss sich Kuznetsov aus seiner Erstarrung, wandte seinen Kopf und somit auch seinen Blick zu Boden.

„Nein danke“, erklärte Bryan schlicht, „Kein Bedarf“

Parkov war.. überrumpelt. Tatsächlich, ihm war kaum einmal ein Kickboxer über den Weg gelaufen, der ein solches Angebot ausgeschlagen hätte. Ein verdutzter Ausdruck machte sich in seinem von früherer Zeit als Landarbeiter gegerbten Gesicht breit. „Wie..-?“, perplex runzelte Parkov die Stirn.
 

Bryan seufzte innerlich. Er hatte es immer gewusst; irgendwann war immer der Moment gekommen, an dem er sich für sein Verhalten hatte rechtfertigen müssen.. bei jedem seiner früheren Jobs war es so gewesen, warum hatte er es sich dann bloß nicht auch bei Grigorij Parkov denken können?

Wahrscheinlich, murmelte eine leise Stimme in ihm, welche sich schon lange nicht mehr gemeldet hatte, weil er in ihm nie etwas anderes als einen Kickboxer gesehen hatte, nicht die wütende, gnadenlose Kampfmaschine oder den eiskalten Mörder, der er nicht einmal war.

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Bloß vage wurde ihm bewusst, wie sie sich immer weiter vom Stadtzentrum entfernten, und spürte wieder leise Unruhe sich in ihm regen. Wohin wurde er bloß geführt..? Sein seltsamer Führer war immer gerade so weit von ihm entfernt, dass er kaum etwas anderes als dessen knielangen Mantel klar erkennen konnte.

Kai wurde langsam dieser vollkommen abstrusen Verfolgungsjagd überdrüssig. Was sollte das bloß wieder für ein perfider Plan irgendeines Größenwahnsinnigen sein, der ihn hier quer durch die Stadt jagte? Denn sie machten Umwege, das war dem Silberhaarigen aufgefallen, nachdem er innerhalb der letzten Stunden vier Mal an einem zerbrochenen Blumentopf und stets demselben Stapel ausrangierter Zeitungen mitten in einer der schmalen Gassen vorbeikam.
 

Irgendwann kamen sie an einen U-Bahnabgang, und Kai musste sich stark anstrengen, seinen Führer im Gewühl der Menschen nicht zu verlieren. Er hatte keinen Blick für die großen Hallen, die in der ganzen Welt als Attraktion galten, und durchquerte die Schranke mit hastigen Schritten. Nur mit Müh und Not konnte er sich zwischen all den Menschen hindurch zum Wagon hin quetschen, die sich durch die geöffneten Bahntüren auf den Steig ergossen.

Schließlich standen sie nebeneinander, eingekreist von Fremden, die teilweise penetranten Geruch verströmten. Kai hatte Glück gehabt – es war keine der Stoßzeiten, sodass er relativ viel Raum für sich hatte, ob denn er sich teilweise, Rücken an Rücken, an seinen Begleiter gedrückt sah. Beide ließen sich mit keiner Bewegung der starren Miene zu einer Veranschaulichung ihrer Innenwelt verleiten.

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„Sie werden es nicht wissen wollen“, mutmaßte Bryan und nahm Parkov so viele der Fragen, die dieser auf der Zunge gehabt hatte.

Parkov zog überrascht beide Augenbrauen in die Höhe, setzte dazu an, eine Beteuerung auszusprechen, wie sehr er es eigentlich wissen wollte – und hielt inne. Der Ausdruck der sonst so ruhigen, grauen Augen seines Gegenübers verunsicherte ihn, auch wenn er es nicht nach außen hin durchsickern ließ. Ein anderer Ausdruck lag darin, etwas Neues. Im sturmgepeitschten Wolkendicht Bryans Augen spiegelte sich die erschöpfte Ruhe eines Kämpfers, der aus dem Krieg heimkehrte. Derartiges war ihm in solch einem Alter noch nie untergekommen, obwohl er vielen Dingen hatte ins Gesicht sehen müssen.

Schon lange hatte er sich gefragt, was seinen besten Kickboxer zu dem hatte werden lassen, was er war. Parkov war kein Mann, der Fragen stellte oder auffällige Bemerkungen fallen ließ – egal, dass sein Großvater bei den Anfängen der Gestapo dabei gewesen war. Ihm war jenes Erbe der hinterlistig gestellten Wort-Fallen nicht vererbt worden, vielmehr war er vom schweigsamen kleinen Jungen zum schweigsamen Erwachsenen geworden, der innerhalb der Ausübung seines Berufes laut brüllen konnte wie ein jeder Fußballtrainer.

Er hatte immer darauf vertraut, dass seine Schützlinge von allein zu ihm kamen, wenn sie Probleme hatten – meist war es ja auch so gewesen, und mit vielen seiner Schützlinge verstand er sich privat recht gut.. aber Kuznetsov war ihm immer ein Rätsel gewesen, ein Buch mit sieben Siegeln.. Grischa Parkov konnte nicht ahnen, dass seine Augen seine Zweifel genau wiedergaben..
 

Bryan schüttelte den Kopf als hätte er die Gedanken des alternden Trainers erraten. „Es sind keine schönen Dinge.“, meinte er ernst, ehe er sich umwandte und die Halle verließ. Sein kochendes Blut war abgekühlt, und er hatte das Gefühl, wieder nach Hause gehen zu können, ohne Gefahr, jemandem zu schaden.

Bleierne Müdigkeit lullte ihn ein, kaum dass er sich in der Herrenumkleide auf die Holzbank niederließ, so stark wie vorhin die Wut in ihm aufgewallt war. Bryan fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung durch das kurze Haar, registrierte den Schweiß nebenbei; er war nie sonderlich anspruchsvoll gewesen, doch im Moment nicht gerade erpicht darauf, zu Fuß wieder zurück zur Wohnung gehen zu müssen. Seufzend zog er sich den dunkelgrauen Pullover über, stopfte seine Sportkleidung in sein Schließfach und trottete in Richtung des Ausgangs. Dabei musste er abermals durch die Sporthalle, und war sich des Blickes des Trainers durchaus bewusst, der ihn nachdenklich beobachtete. Leise Nervosität regte sich in dem jungen Russen; er fühlte sich unangenehm in der Zeit zurückversetzt, als Versuchsobjekt für diverse Verrücktheiten aus Köpfen von Irren, welche sich als Wissenschaftler hatten bezeichnen dürfen.. Mit einem kaum merkbaren, leichten Kopfschütteln vertrieb er die aufkeimenden Erinnerungen. Wie er selbst gesagt hatte; es waren keine schönen Dinge. Und gerade jetzt war ihm der Gedanke ein Graus, sie könnten in seinem Geist herumspuken.
 

Parkov hatte mit einer Erklärung gerechnet, doch wie so oft musste er sich nun eingestehen, wie sehr ihn sein Schützling doch verwirrte. Er wartete ab, bis dieser wieder aus der Umkleide kam, und rief ihm dann hinterher, im seinem wirksamsten Befehlston als Trainer: „Ich will dich Samstag in zwei Wochen im offiziellen Ring sehen, Kuznetsov! Daran ist nicht zu rütteln!“

Er konnte genau sehen, wie sich der Silberhaarige zunächst anspannte, ehe er sich wieder lockerte. Dem Trainer lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als er dem tiefen, stechenden Blick der Augen Kuznetsovs begegnete. „Ich sagte bereits, danke“, erklärte dieser leise, doch so kalt und von solcher Schärfe, dass ein jeder in der Turnhalle auf- und zwischen den beiden hin- und hersah, „Aber kein Interesse“

Wieder hatte der silberhaarige Jüngere die Augen verengt, was ihm den Ausdruck eines abschätzenden, angriffsbereiten Raubvogels verlieh. Er stand kurze Zeit so da, ehe Bryan seine Haltung aufgab und den Weg aus der Turnhalle einschlug. Schweigen geleitete ihn hinaus in den Moskauer Frühlingstag, über dem sich im Blau der Kornblumen das Himmelszelt spannte.

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Morgens, halb Sieben in Moskau, Russland. Trotz der relativ frühen Morgenstunde hatte schon der Stau seinen Weg in die unebenen Straßen der Megacity und Hauptstadt gefunden, die Busse und Bahnen waren bis auf den letzten Stehplatz besetzt.

In einer der etwas abgelegen liegenden Villen im Nobelviertel schliefen die meisten der wohlhabenden Bewohner den Rausch der letzten Nacht aus, wenn sie denn Zuhause anzutreffen waren, und nicht schon seit Stunden oder Tagen im Ausland zu tun hatten.

Im Grunde wirkte diese Villengegend für den Betrachter sehr idyllisch; alte Häuser reihten sich in großem Abstand aneinander, umgeben von großen, im Moment in voller Blüte stehenden Gärten. Allesamt waren sie von hohen Mauern umgeben, die den Blick auf die dahinterliegenden Villen verwehrten. Das einzige, was hin und wieder zwischen vereinzelten Wipfeln hoher Bäume auszumachen war, war ein braunes bis schwarzes Dach.

Gesamt war es eine saubere und vor allem ruhige Wohngegend, was wohl daran liegen mochte, dass kaum einmal ein Besitzer anwesend war.

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Hi, hier meldet sich die verrückte Autorin mal wieder mit ihrem geschwafel;D
 

also, hier die anfängliche Auswertung der (ganzen 4) Meinungen über das FA:
 

3 von hätten gern einen Yuriy/Tala

1 wär auch für ein Gruppenbild (auch mit Kai) zu haben...
 

und der rest?? xD von denen hab ich keine Ahnung;D
 

Nya, also.. dieses Kapitelchen löst noch immer keine Fragen xD schön wär's, nich? aber dann wär ja alles schon zu Ende, und das muss ich auch nicht haben;D Wenigstens liegt Kai noch nicht abgestochen in ner dunklen Gasse (*rofl* der Joke ist von Jeschi xD *freu* *drück*) XD
 

*wink*

*kekse und milch dalass*

Thx an alle;D

eure FW

Ein Schritt nach vorne

Kapitel 24: Ein Schritt nach vorne
 

Spencer gähnte und setzte sich träge auf. Konnte es tatsächlich schon wieder ein Arbeitstag sein..? Er verzog sein Gesicht zu einer gequälten Grimasse – wie er dieses frühe Aufstehen hasste. Der Wecker neben seinem Bett spielte munter eine der neueren Pophits irgendeiner russischen Band und schien nicht still sein zu wollen, bis er aufstand.

In der Küche gluckerte unbeachtet eine Kaffeemaschine vor sich hin – unwillkürlich fragte sich Spencer, wer sie wohl angestellt haben mochte, als er schwerfällig durch den Flur wankte. Er sollte es sogleich herausfinden; Ian saß am Küchentisch, über einen Zeitungsausschnitt gebeugt, und sah auf, sobald er sich der Anwesenheit des anderen Gewahr wurde. „Guten Morgen“, grüßte er friedfertig – beinah kam es Spencer so vor, als wäre etwas Besonderes geschehen – und lächelte leicht. Spencer brummte unverständliches, während er sich eine Tasse des türkischen Gebräus eingoss. Er wunderte sich, dass der jüngere schon auf war, geschweige denn Frühstück vorbereitet hatte. Doch wirklich konnte er es noch nicht fassen, was es auch sein mochte – er war noch zu müde und damit auch zu unzurechnungsfähig.
 

Wenige Minuten, nachdem Spencer sich an den gedeckten Tisch gesetzt hatte, schlurfte auch ein weiterer Morgenmuffel der WG in die Küche. Bryan zog sich geräuschvoll einen der Stühle heran und ließ sich, nicht minder laut, darauf fallen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, streckte sich leicht, fuhr sich durch die Haare – in keinster Weise war er sich der verdatterten Blicke seiner beiden Teamkollegen bewusst.

Ian schmunzelte leicht. Entweder war Bryan noch zu müde um zu begreifen, wo er war, oder aber er wollte bedient werden.. Der Jüngere blickte Bryan etwa eine Minute lang prüfend an, ehe er zum Schluss kam, dass wohl Letzteres der Fall sein musste. Unhörbar genervt aufseufzend erhob er sich ein weiteres Mal, um die vorbereitete Milchtüte zu holen – an dieser Stelle seiner morgendlichen Gedanken trat ein spitzbübisches Grinsen auf Ians Lippen. Er hatte die Tüte extra überzogen und sauern lassen, sodass sich sein Teamkollege hüten würde, sich weiterhin von ihm – also von Ian selbst – bedienen zu lassen..

~*-------------------------------------------*~

Kai wusste im ersten Moment nicht, wo er war. Wie er dorthin gekommen war, wo er war. Und weshalb, verdammt, er eigentlich in einem völlig verstaubten Zimmer geschlafen hatte, das er vor Jahren einmal sein eigen hatte nennen dürfen.

Die Luft im Raum war verbraucht und angefüllt vom Staub der Jahre, während derer keine Putzfrau hier nach dem Rechten gesehen hatte. Der junge Halbrusse seufzte, wischte sich in einer fahrigen Bewegung mit einer Hand übers Gesicht. Kai bemerkte das weiche, weiße Laken, unter dem er die Nacht verbracht hatte, und starrte einen Moment lang hoch zum Mobile aus Sternen, Sonnen und Monden, welches von einer Lampe herabhing, versuchte dabei, die Spinnenweben zu ignorieren.

Dann endlich stützte er sich auf die Ellenbögen und riskierte es, die ihm mehr oder weniger unbekannte Umgebung zu registrieren.

Da war einmal die übliche Ausstattung eines Zimmers – ein Schrank und ein Schreibtisch, beide wie das Bett, in dem er lag, aus einem hellen Holz gefertigt, das durch die Last und den Staub der Jahre dunkler geworden war, außerdem hatte ein Teppich seinen Platz mitten auf dem Parkettboden gefunden. Rote Vorhänge wehten leicht, als Kai das Fenster mit einiger Mühe öffnete und die Morgenluft hereinströmen ließ, und er stutzte bei einem Blick auf seine Umgebung. Vor ihm erstreckte sich ein Garten, dessen wunderbare Blüten ihn zu begrüßen schienen wie einen vermissten Hausherrn, und ob des schlechten Zustandes, in dem er sich befand, erfreuten die unzähligen Blumen und Sträucher das Auge des Betrachters.

Ein unbestimmtes Gefühl stieg in Kai auf, die ihm sehr unwirklich erschienen. Es waren Empfindungen, die sich einstellten, wenn man nach Hause kam – tatsächlich fühlte er sich hier irgendwie.. Zuhause. Auf eine schwer zu beschreibende Art.

Mit einem Ruck wandte sich der junge Hiwatari ab, schüttelte trotzig den Kopf. Er kannte diesen Ort nicht, es konnte nicht sein.. ‚Zuhause‘ sein, redete er sich ein.

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Ians Plan wurde durch eine Person vereitelt, die er mit den Jahren mögen und hassen gelernt hatte, und derzeit einer rothaarigen Wasserleiche ähnlicher war als einem menschlichen Wesen. Tala sah aus, als hätte er drei Nächte nicht mehr anständig geschlafen. Die tiefen Augenringe ließen seine ansonsten schon blasse Haut noch fahler wirken, und Talas Bewegungen waren fahrig, was bei ihm, dem doch stets beherrschten Teamleader, mehr als ungewöhnlich war.

In einer kurzen Bewegung griff Tala die Milchtüte, nachdem er herein gewandelt war wie ein Gespenst, und goss sich etwas davon in seine Tasse. „Tala“, wollte Ian noch ein Unglück verhindern, doch sein Teamleader schien ihn zu ignorieren. Ohne das weiße Getränk weiter zu überprüfen trank der Rotschopf nun einen Schluck, und Ian begann, innerlich sein Testament aufzusetzen – nicht, dass ihm dies etwas nützte, sollte es zu einem Unglück kommen, eher war es eine symbolische Handlung des Abschieds.
 

„Was soll denn das sein?“, mit vor Ekel verzogenem Gesicht blickte Tala zum jüngeren, welcher bloß eine schuldbewusste Miene machte. „Scheint, als wär die Milch gesauert?“, merkte er zaghaft an – aus Erfahrung wusste er, dass er sich um keinen Preis gerade jetzt verraten durfte.

Tala verschränkte die Arme vor der Brust, taxierte sein Gegenüber mit einem Blick, der kälter als Eis zu sein schien. „Ach wirklich?“, erkundigte er sich, gefährlich ruhig, „Und wer hat vergessen, einzukaufen?“

Auf diese Frage hin starrten sich die anderen drei ein wenig ratlos an und verursachten so ein längeres Schweigen, während dessen Tala sich eine Tasse Schwarztee aufbrühte. Er führte seine Tätigkeit in aller Ruhe, beinahe schon mit einem gewissen Bedacht, aus, bis ihm die Stille zu lang wurde. „Also?“, der Rotschopf hob eine Augenbraue in die Höhe, blickte einem jeden prüfend ins Gesicht.

Ian war es schließlich, der zögerlich eine Antwort gab. „Ähm.. ich glaub‘, du warst dran, Tala“, meinte er, und blickte seine anderen beiden Teamkollegen zustimmungsheischend an.

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Den ganzen Morgen hatte Kai damit verbracht, sich in dem Herrenhaus umzusehen, in welchem er Unterkunft für die Nacht gefunden hatte. Ihm war keine bessere Beschäftigung eingefallen – sein geheimnisvoller Führer war nicht wieder aufgetaucht – außerdem war er neugierig auf dieses seltsame Haus, welches ihm zugleich fremd wie vertraut schien. Er hatte während seines Streifzuges zwei wesentliche Feststellungen gemacht: zum einen war das Haus vollkommen verlassen, zweitens hatte sich überall Staub abgelagert.

Letzteres stellte für den jungen Halbrussen ein größeres Problem dar – er mochte eine saubere Umgebung einfach, und hier war wirklich in jeder Ecke, auf jedem Möbelstück und überhaupt überall eine zentimeterdicke Schicht von Staub, der sich über Jahre hinweg abgelagert haben musste. Nun ja, überall, außer im Zimmer, in welchem er geschlafen hatte. Das war augenscheinlich vor Kurzem erst geputzt worden.
 

Nachdenklich blickte sich in dem Flur um, in durch welchen er gerade ging – er war lang, schien durch das gesamte Gebäude hindurchzuführen, und mündete am Ende in eine Doppelflügeltür. Der Boden war von Teppichboden bedeckt, welcher vor einigen Jahren wohl einmal mittel- bis dunkelblau gewesen sein musste – der Staub hatte ihn zu einem unkenntlichen Blaugrau werden lassen. Zierliche Fußleisten waren weiß gestrichen und mündeten auf eine ebenso weiße Wand. Gerahmte Bilder waren auf dem ganzen Weg durch den Flur hindurch verteilt und bewiesen ein Auge für Schönheit und Ästhetik – dabei schienen sie wie in wildem Sammelsurium zusammengestellt worden zu sein, aus einer unwillkürlichen Laune heraus. Alles war da, wie der junge Silberhaarige auf seinem Weg hatte feststellen können, von Aquarellen über Ölgemälden bis hin zu einfachen Kinderzeichnungen, von einem Van Gogh, über einen Velasquéz über einen Manet bis hin zu.. Kai führte seinen Gedanken nicht zu Ende – wer mochte schon wissen, von wem die gerahmten Kinderzeichnungen stammen konnten?

Inzwischen hatte der junge Halbrusse die doppelflügelige Holztür erreicht, die ihn vom letzten Zimmer dieses Stockwerkes trennte. Die in einem mittelbraunen Ton gehaltene Tür war über und über mit Schnitzereien verziert, sodass Kai einen Augenblick darin verharrte, die Muster der sich schlingenden Ranken zu betrachten. Wie durch ein Wunder schienen sie lebendig geworden zu sein und wandelten die Gestalt des Tores, immer und immer wieder.

„Wer hat denn hier was von Tor gesagt?“, ärgerte der junge Silberhaarige sich laut über seine eigenen Gedanken. Ruckartig schüttelte er den Kopf, wollte den sich ihm aufdrängenden Gedanken vertreiben. Dann machte er einen Schritt nach vorne..

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Tadaaaa~! ^^° ein neues Kapitel für die nächsten zwei Wochen - ich bin nächste Woche nämlich mal wieder I-net und überhaupt PC-los auf ner Singwoche...
 

*verbeug* arigatou für eure Kommentare und viel Vergnügen in der nächsten Woche=D
 

FW *knuff*

Einfach weg

Kapitel 25: Einfach weg
 

Nachdenklich ließ er seine Blicke durch den Flur schweifen, an dessen Anfang er stand, versuchte, die von den vergangenen Erlebnissen getränkte Atmosphäre weitestmöglich zu ignorieren und verdrängen. Er hatte, schon als er an diesem Morgen zur Tür hereingekommen war, eine Ahnung verspürt, wohin er sich wenden musste, um seinen.. „Gast“ zu finden.

Tatsächlich, da waren Fußabdrücke im Staub des verblassten, ehemals wohl einmal blauen, Teppichs. Sie stachen ihm wie Mahnmale ins Auge, schienen zu flüstern: >Ein Eindringling, ein Eindringling!< Ebenso die Bilder, jene seltsame Ordnung aus Kunstwerken und Kritzeleien, schienen ihn verspotten zu wollen. Von überall her schrien sie ihm zu, sich vom Acker zu machen, das Weite zu suchen wie ein jeder anderer Unbefugter, der es wagte, doch schon vor langer Zeit hatte der Fremde es zustande gebracht, sich gegen jene beinah übermächtigen Stimmen zu stellen. So auch nun, atmete er einmal tief durch, sog die Melancholie des Hauses mit in sich auf und setzte langsam seinen Weg, seine Suche fort.

Er hatte durch sein Eingreifen einen Stein ins Rollen gebracht, der – nach Plänen anderer, Verstorbener – niemals hätte in Bewegung kommen sollen. Er hatte es immer gewusst, er hatte auch vorgehabt, den Stein auch ruhen zu lassen, an seiner angestammten Stelle, doch in der Vergangenheit war so vieles schief gegangen, so viele verrückte Pläne waren gescheitert, dass er nur eines einzigen Blickes in die Augen seines.. >Schützlings<.. hatte werfen müssen, um zu erkennen, dass ebenjener seine Grenzen bald erreicht haben musste.
 

Der Fremde ließ ein ungehörtes Seufzen in dem Flur hören, folgte den Fußspuren im Staub und drang somit immer tiefer ins Innere der Villa vor. Mit einem jedem Schritt wuchs sein Widerstreben vor einem Fortsetzen des Weges, doch er schaffte es, sich von der Harmlosigkeit des Ortes zu überzeugen, konnte den langen, scheinbar endlosen Flur überwinden und fand sich endlich vor den angelehnten Pforten einer Doppelflügeltür.

Ihr einstig wohl helles Holz war um einige Nuancen dunkler und hatte im Laufe der pflegelosen Jahre seinen Glanz eingebüßt. Spinnen hatten ihre Bahnen gewebt und die Türen mit ihren Fäden überzogen. Die Ranken, die hinter ihnen versteckt waren, erinnerten ihn an die Stränge eines wild wuchernden Efeus in voller Blüte, und regten seine Phantasie zu wilden Eskapaden an; sie schlangen sich im leuchtenden Grün einer Giftpflanze unter den silbernen Netzen hervor, schlangen sich um seine Arme und Beine, wollten ihn in ihre todbringende Umarmung ziehen, ihn hineinreißen in die alles verschlingende Dunkelheit..-

Mit einem Kopfschütteln war der Eindringling zurück in der Gegenwart. Urplötzlich hatte der Flur nichts Besonderes mehr an sich, und er konnte nur die Augen über sich selbst verdrehen. Wie typisch für ihn.. obwohl diese ausufernde Phantasie mehr das Fach eines anderen war.

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Ian starrte auf das einfache Notenblatt vor sich, das dicht bestückt war mit Viertel- und Achtelnoten, mit Pausen und Taktwechseln, Bindebögen und Trillern. Sie waren vor ihm aufgebaut, schienen sich zu einem unüberwindlichen Berg aufgetürmt zu haben, wurden für ihn so unverständlich wie für einen jeden Laien, der die Noten zum ersten Mal sah. Sie wurden zu den unentschlüsselten Keilschriftzeichen der Kelten und Normannen, welche keinen Stein der Rosette als Lösungshilfe hatten, sondern mühsam entschlüsselt werden mussten.

Er hatte diese Noten jahrelang als seine Freunde angesehen, als seine Verbündeten in einer Welt voller Kummer und Leid. Sie waren immer da gewesen, in einem jeden Augenblick der Freude und in den sehr viel häufigeren Momenten der Trauer und des Elends. Als Lichtblick und Hoffnungsschimmer hatten sie ihm den Weg aus den schlimmsten Zeiten seines Seins herausgeführt, seinem Leben außerhalb der in sich abgeschlossenen Welt der Abtei einen neuen Sinn und eine neue Lebensaufgabe gegeben – sie waren sein Leben gewesen, schon seit er denken konnte. Sie waren es noch immer.

Ian sah die Noten vor sich, die ihm plötzlich zum sagenumwitterten Geheimnis geworden waren, eine Geheimschrift, die er nicht zu entziffern vermochte. Es war ihm ein Rätsel. Er hatte sie immer lesen können, auch ohne nur einmal zu zögern hatte er sie abgelesen, ohne Furcht vor Fehlern, ohne sie jemals lesen gelernt zu haben.

Do, re, mi, fa, dann sol, la, ti und wieder alles von vorne.

So einfach war das. Es hatte immer ein System gegeben, sodass er schließlich ein kleiner Experte geworden war, was Fingersätze oder verschiedene Schlüssel anging – auch wenn das ihm mit der Zeit als Grundvoraussetzung erschienen war, nicht mehr wie der Schlüssel zu einer einzig ihm allein vertrauten Welt, wie damals, als alles noch voller Ordnung und Kontrolle gewesen war, der er sich manchmal entwunden hatte, mit Hilfe dieser Noten.

Doch nun.. seine Hände weigerten sich, den Tasten zu nahe zu kommen, und sprachen auf keine Überredungskunst an. Er hatte gefleht und gedroht, geschmeichelt und es mit der Umsetzung der Drohungen versucht – doch alles war vergeblich.

Seine Hände hatten sich von den tanzenden Ästen einer kleinen Pflanze zu den knorrigen, steifen Ästen eines Baumes gewandelt. Es war zum Verzweifeln!

Musik hatte bis jetzt immer sein Leben bestimmt, von früh bis spät, auch noch im Traum hatte er eine Melodie in seinem Inneren klingen gehört, ein Jubilieren und das dumpfe Streichen eines Kontrabasses war immer da gewesen. Die Musik war die Essenz seines Lebens – doch nun, da er sie einmal tatsächlich gespielt hatte, da er einmal die Musik einem Menschen offenbart hatte, der ihm noch nicht einmal viel bedeutete, schien er seine Gabe, die Musik, verloren zu haben. Er hatte sich Fremden offenbart, ihnen das Innere seiner Seele gezeigt – zum wiederholten Mal fragte sich Ian, wie er das bloß hatte tun können. Solch eine Torheit zu begehen, dies war wirklich nicht seine Art. War es ihm tatsächlich so sehr um die Anstellung gegangen, weit weg von hier, und die er nun umso mehr anzweifelte? Dieser Platz im Orchester würde ihn weit weg führen, weiter weg von den Menschen, die ihm das Teuerste auf der Welt waren, als ihm lieb war.

Ian seufzte.

Seit er die Melodie gespielt hatte, ohne dass auch nur einer sie als das erkannt hatte, was sie war, ohne, dass auch nur einer wirklich zugehört hätte, war seine Gabe, sein Lebensinhalt, seine Musik weg. Sie war einfach weg, und schien so unerreichbar wie die Vorstellung, ein Lachen aus Talas Mund zu hören.

Ian ließ seinen Kopf langsam nach vorne auf das Notenpult sinken, lehnte seine Stirn an die nach altem Papier duftenden Noten. Weg. Die Musik war einfach nicht mehr da.
 

Es klopfte an der Zimmertür, welche sich öffnete, obwohl keine Antwort seitens des apathisch scheinenden, klein geratenen Russen gekommen war. Bryan trat leisen Schrittes ein, sah sich in dem hellblau gestrichenen Zimmer kurz um, überflog die weiß gestrichenen Möbel und das Bett mit der violetten Bettwäsche. Sein Blick blieb an einem Poster der kleinen gelben Pferde von Franz Marc hängen. Kurz bewunderte er die Kunst des expressionistischen Zeitalters der Ausstellung der Organisation des >Blauen Reiters< für einen kurzen Augenblick. Eine winzige Bildunterschrift gab an, dass es aus dem Jahr 1912 stammte, doch Bryan hatte sich nie für Kunst interessiert.

Bryan machte noch einige unschlüssige Schritte, dann blieb er schlussendlich hinter seinem Teamkollegen stehen. Er sah über Ians Schulter hinweg auf die Notenblätter, die ihm wie eine Geheimschrift sondergleichen erschienen. Doch noch mehr stellte ihn sein kleiner Teamkamerad und Mitbewohner vor ein Rätsel, der seit geschlagenen drei Tagen keinen einzigen Ton mehr gespielt hatte – das bereitete ihm ernsthafte Sorgen, auch wenn er es nicht zugeben mochte.

~*--------------------------------------------------*~

Rote Pinselstriche schlangen sich ineinander, wanden sich umeinander. Sie umtanzten sich in einem wilden Tanz der Leidenschaft, einem Tango aus reiner Hingabe, gelbe und goldene Funken zwischen ihnen zeugten von der Passion der Farben, von der Liebe des Malers. Hinter ihnen schlang sich der tiefschwarze, in Tusche gemalte Himmel um sie, schien sie verschlingen zu wollen. Sie tanzten, kämpften dagegen an, umschlangen einander und lösten sich wieder in der wilden Verzweiflung, welche Leidenschaft nun einmal mit sich bringt. Gleichzeitig schienen sie ihre unsichtbaren Augen nach vorne geneigt zu haben, das tiefe, smaragdene Grün eines Phönixauges neigte sich – es musste ein einziges Geschöpf sein, welches tanzte, dennoch mit demselben Schaffensdrang; es gab sich seinen eigenen Tanz vor, schritt seinen eigenen Reigen, bestimmte Musik wie Takt selbst. Es schien zu singen, jenes einzelne Wesen.

Es waren Engel und Teufel. Sie mussten es einfach sein, denn gegensätzlicher hätten sie nicht sein können.

Der feuerrote Engel hatte seine mächtigen Schwingen erhoben, stieg immer höher hinauf, dem schwarzen Himmel entgegen, welcher gestirnlos über ihm prangte wie ein Mahnmal der verlorenen Welt. Gleichzeitig schienen von überall her die schwarzen, gefühllosen Pranken des noch dunkleren Teufels zu sein, der, aus dem Engel selbst erschaffen, immer weiter nach ihm griff, geifernd über die Flügel des Lichtwesens.

Der schwarze Teufel war bloß eine in sich zusammengesunkene, in Ketten gelegte Spiegelung des Engels, doch besaß er gleichzeitig sein eigenes, durch und durch abscheulich böses Wesen. Er hatte sich in abwartender Haltung niedergelassen, bevor ihn die Ketten erreicht hatten, und schien nun in dem roten Flammenmeer des Unterganges darauf zu harren, dass auch seine Ketten schmolzen.

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Jaaa, meine liebsten Lesertütchen <D

ich hab's geschafft! *freu* ein neues Kapitel, only for you ^______^v *auf Wolke sieben schweb* ich bin echt saumäßig froh, dass ich das noch vor September geschafft hab onzustellen <3~
 

*knuddl*

FW

Da läuft nichts

Kapitel 26: Da läuft nichts
 

Mittagszeit im Restaurant „Zum singenden Schneemann“ – zumindest für die Belegschaft der Küche samt Service. Zwar waren schon rund um sie einige Gäste versammelt, doch nicht wirklich viele, die schon eingesehen hatte, dass sie sich gedulden mussten. Die Besitzerin des Restaurants saß bei ihrem Personal und scherzte gut aufgelegt mit dem Küchenchef – für altgediente Ober, wie etwa den Chef de Rang, war es klar, dass da mehr zwischen den beiden war als bloß Freundschaft. Allerdings hatte keiner der beiden jemals auch nur eines ihrer kleineren Stelldicheins zugegeben, die im Laufe der Jahre stattgefunden haben mussten.

So blieben die Jüngeren der Mitarbeiter im Dunkeln – auch Spencer, welcher stillschweigend das Gerede eines der anderen Köche, Sascha, über sich ergehen ließ. Sascha und er hatten ungefähr zur selben Zeit die Stelle angetreten, bloß, dass Spencer ein besseres Händchen beim Kochen hatte, und so hatte sich zwischen den beiden ein stummes Einverständnis entwickelt: Spencer ließ Sascha reden und hörte ab und an sogar zu, während er sich nicht zum Alleinunterhalter der gelangweilten Köche entwickeln musste – Sascha konnte das immerhin sehr gut. Besonders mit seiner eigenen Version von „Hakuna Matata“ hatte er schon einigen Erfolg für sich verbuchen können.

Nun, die meiste Zeit kasperte der strohblonde, schmächtige Jungkoch herum, an diesem Tag jedoch schien er nichts anderes im Sinn zu haben als Spencer zum Reden bringen zu wollen. Und leider war er in allem, was er tat, ein furchtbarer Sturschädel; beinah schlimmer als Tala, wie Spencer für sich fand.

„Sag mal“, begann Sascha, leicht zögerlich, „zwischen dir und der Kellnerin da drüben – wie heißt sie noch gleich?“ Spencer antwortete mit betont teilnahmsloser Stimme, während er dem Winken seines Kollegen folgte: „Nikita“ – „Ja, die meine ich.“, nickte Sascha hastig. Spencer verdrehte im Geiste die Augen. „Und was soll mit ihr sein?“, erkundigte er sich gelangweilt. „Also, läuft da was zwischen euch beiden?“, wollte der Jungkoch wissen, während ein schiefes, unecht wirkendes Grinsen auf seinen Lippen lag, das seine Neugier nur schwer verschleiern konnte.

Spencer runzelte die Stirn und senkte den Blick auf das Fischfilet. Heute war ein Scheißtag gewesen, und Sascha Pjotrewitsch nervte ihn gerade gewaltig, was nicht gerade zu einer Besserung seiner Laune innerhalb der nächsten Woche führen würde. Der Chefkoch hatte ihn schon wieder zum Fisch abkommandiert, schon wieder entgräten und filetieren. Spencer unterdrückte ein Seufzen – ja, langsam aber sicher beherrschte er die Technik, bloß hing ihm das Meeresgetier inzwischen wahrlich zum Halse raus.

„Spencer? Ich rede mit dir!“, beschwerte sich Sascha gerade in dem Moment und funkelte seinen Kollegen aus blauen Augen heraus beleidigt an. „Hm?“, machte Spencer bloß und zog die Augenbrauen nach oben, „Oh, entschuldige..“

Sascha starrte ihn einen Moment lang undurchdringlich an, was diesem kurzzeitig das überaus intelligente Aussehen eines Goldfischs verlieh, und wiederholte schließlich seine soeben gestellte Frage – mit einem noch penetranteren Tonfall als zuvor: „Also, zwischen dir und Nikita.. läuft da was?“ Spencer zog eine möglichst unbeteiligte Miene in die Höhe und starrte seinen Fisch an, welchen er zerschnitt. „Sollte da etwas laufen?“, stellte er eine Gegenfrage. Sascha ließ ein Schnauben hören und wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, da kam Nikita an ihre Ecke des Tischs – gerade, als hätten unhörbare Sirenen nach ihr gerufen.

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Kai war erstarrt – so zumindest fühlte es sich an, als er gefühlte Ewigkeiten vor dem Bild saß, die Knie an den Körper gezogen und mit beiden Armen umschlungen, und mit trüben Augen hinauf starrte zu den schwarzen und roten Strichen, die sich in dem tiefen Rot seiner Iris spiegelten. Er kam sich vor wie betäubt, während er da saß – Kai selbst glaubte, vielleicht zehn Minuten vor dem Bild gesessen haben, dort, auf dem honigfarbenen Parkettboden, doch tatsächlich waren zwei Stunden vergangen; er hatte es nach einem kurzen, beinah hastigen Blick auf seine Armbanduhr überrascht festgestellt.

Kai, dem es immer ein Graus gewesen war, Zeit zu verschwenden, machte es nichts aus – und das überraschte ihn am meisten. Hier in seiner Heimat hatte er schon immer seltsame Seiten an sich entdeckt, doch er war nie darauf vorbereitet.. Auf einmal machte ihm das Verstreichen der Zeit nichts mehr aus, auf einmal schien er alle Zeit der Welt zu haben, hier im Staub zu sitzen, die abgestandene Luft zu atmen und das Bild anzustarren. Gewissermaßen versuchte er gerade, eine mentale Fotografie davon zu machen, doch war es ihm unmöglich, alles zu erfassen – ständig erweiterte ein neues Detail sein Blickfeld. Es war gerade so, wie der Halbrusse nicht ohne Schaudern feststellte, als ob sich das Bild selbst malte und immer weiter ausbreitete.

Täuschte er sich, oder war da ein hellblauer Fleck, wo vorhin keiner gewesen war..? Doch der Fleck wies gleichzeitig auch auf einen grünen und einen lilafarbenen Fleck, die er noch nicht gesehen hatte, und so Kai versank wieder in der Betrachtung des seltsamen Bildes, in jener seltsamen Hypnose, deren Netz dicht gewebt war – zu dicht für ihn, zu dicht für seinen Geist. Sein Stolz mochte ihn halten, doch tief in seinem Inneren musste schon lange etwas weg sein. Vielleicht war es ja sein Wille zum Sieg.
 

So sollte ihn auch sein geheimnisvoller Führer und Wegbegleiter antreffen, als er durch die kaum geöffnete Doppeltür lautlos ins Zimmer schlüpfte: die Beine angewinkelt, die Arme darum geschlungen und die fasziniert geweiteten, immerzu huschenden rubinroten Augen auf jenes seltsame Bild gerichtet. Er öffnete ein Fenster hinter den schweren, weißen Leinenbahnen des Vorhangs, dieser Fremde, um etwas frische Luft einzulassen in den lange versiegelten Raum.

Verharrend, so sollte der Fremde befinden, sah Kai Hiwatari in jenem Moment aus, als er sich hinter ihm auf dem staubigen Parkett niederließ.

~*----------------------------------------------------*~

„Na, Petrov“, Nikita ließ sich neben ihren Arbeitskollegen auf einen Stuhl plumpsen und musterte den anderen Koch, dessen Namen sie noch nicht kannte, hinter langen, schwarzen Wimpern hervor. Dieser schluckte, doch sie lachte bloß. „Das ist doch nicht möglich – da arbeite ich jetzt schon beinah ein Jahr hier und weiß noch immer noch nicht, wie du heißt..“, grinste die schwarzhaarige Russin Sascha entschuldigend an.

Dieser bekam einen hochroten Kopf und stammelte mehr ratternd wie eine Kalaschnikow als höflich wie ein Gentleman seinen Namen. „Mein Name ist A-a-alexandr Pjo-pjo-pjotrewitsch“, stotterte er, und seine noch im Stimmbruch gefangene Stimme überschlug sich mehrmals. Nikita bedachte den ebenfalls Siebzähnjährigen mit einem schmalen, etwas schalen Lächeln, ehe sie nach einem unangetasteten Glas griff. „Soso“, fand sie, „Alexandr – ich darf dich doch so nennen, oder?“ Wieder lächelte sie Sascha von unten herauf an, welcher sich beeilte zu beteuern: „M-meine Freunde nennen mich alle Sascha!“
 

Spencer konnte sich das Lachen kaum verbeißen, als er die hochroten, leicht abstehenden Ohren seines Mitkochs bemerkte. Dabei war er immer davon ausgegangen, der Junge hätte sich in die Chefin höchstpersönlich verguckt – tja, wie man sich so täuschen konnte. Er besah sich Nikita von der Seite, die inzwischen aufgegeben hatte, den angehenden Jungkoch in ein Gespräch zu verwickeln, und sich ihm zuwandte. Aus ihrer weißen Schürze zauberte sie eine DVD hervor. „Übrigens danke nochmal für ‚Blair Witch‘“, lächelte sie, „Ich hab‘ dir dafür ‚Nightmare before Christmas‘ mitgebracht“

Spencer zog unwillkürlich seine beiden Augenbrauen in die Höhe. „Ist das nicht so ‘ne Art Kinderfilm?“, fragte er skeptisch. Nikita lachte leicht und winkte ab. „Stimmt schon, aber das ist okay. Ich finde den Film ganz lustig – zwar nicht gerade so wie ‚Blair Witch‘, aber ganz gut.“

Spencer überlegte kurz, ehe er die zweite, schmale Hülle an sich nahm. „Ich kann’s mir ja mal ansehen“, fand er augenzwinkernd, und Nikita lachte und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Das ist eine gute Idee!“, verkündete sie, ehe sie zurück zu ihrer Stelle kehrte – als Baristin musste sie ihre Mittagspause heute etwas früher beenden als die anderen.

Sascha hatte anscheinend noch etwas sagen wollen, doch der arme Junge schien so nervös, dass er sich bald in die Hosen machen musste vor lauter Schiss, auch nur eine Silbe hervor zu bekommen. An dieser Stelle biss sich Spencer wirklich auf die Zunge, um keinen unpassenden Kommentar abzugeben – seine Belustigung musste ihm allerdings sehr wohl anzusehen sein, denn Sascha stieß ihm schmerzhaft einen Ellenbogen in die Seite. „Was soll den das blöde Grinsen?“, fragte er beleidigt, doch Spencer erhob sich bloß, um die DVD zu seinen Sachen zu bringen – danach musste er sowieso wieder in die Küche. „Ach, überhaupt nichts..“, verkündete er, deutlich amüsiert.

„Hey, warte auf mich!“, Sascha folgte ihm so hastig, dass er beinahe über seine eigenen Füße stolperte und er sich fast in seiner langen, weißen Schürze verhedderte.
 

„Erzähl mir doch nochmal das Märchen, dass zwischen euch nichts läuft!“, forderte Sascha am Ende, als Spencer die DVD bei seinen Sachen verstaute. Der blonde Hüne erwiderte nichts, sondern schloss nur seine Tasche wieder sorgfältig. „Jetzt sag schon, Petrov!“, beharrte Sascha abermals. Spencer seufzte ungehört, als er brummend zu einer Antwort ansetzte. „Wie oft muss ich dir das denn jetzt noch sagen?“, grummelte er – inzwischen hatte Sascha bei ihm mit seiner Penetranz ziemlich an Sympathie eingebüßt, und das wollte er ihn nun auch spüren lassen. Alles konnte sich der Jüngere doch nicht erlauben, und Neugierde zählte da mit Sicherheit nicht dazu, fand er. „Da ist wirklich überhaupt nichts.“, erklärte Spencer nun brummend. Zu dumm, dass Sascha Pjotrewitsch nicht wirklich empfänglich war für indirekte Botschaften seiner Mitmenschen..

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*seufz* ein laaaangweiliges Zwischenkapitel.. Oo" Ich hoffe, ihr verzeiht mir das. Ich hab' gerade ein wenig Stress mit ersten Schulwochen etc. und leichtem Ideenstau.. nya, wird schon wieder^^
 

*knuddl* *kekse dalass*
 

mvlg

Freewolf

Äpfel

Kapitel 27: Äpfel
 

Es war still – Ian hatte die Anwesenheit seines Teamkollegen beinah vergessen, so sehr nahm ihn die Stille gefangen, in der er nun wohl würde wohnen müssen. Doch.. gleichzeitig glaubte er, den anderen atmen zu hören. Die Uhr in der Küche tickte unregelmäßig – vielleicht musste Spencer bald wieder die Batterien auswechseln.

Ian schmunzelte unbemerkt und lehnte seinen Kopf weiter gegen das lackierte, kühle Holz des Wandklaviers. Er versuchte, sich bloß auf das monotone Klicken der Zeiger zu konzentrieren, die ihre mit jeder vergehenden Minute langsamer zu werden schienen und nachts, wenn einen die alten Albträume plagten, in den Schlaf wiegten. Nachts war Ians Zimmertür immer bloß angelehnt.

Die Uhr war zu irgendeinem Anlass von der BBA gekommen – der Kleinwüchsige konnte sich nicht mehr genau erinnern. Jedenfalls, das Gerät hatte die Form eines knallbunten Fischs und hatte sich zu Spencers Lieblingsstück gemausert, welches er hegte und pflegte – was bei ebendiesem bedeutete, dass er die Batterien auswechselte und die Uhr vor Bryan beschützte wie nur die Küchengeräte. Sie war auch dem Jüngsten ein unverzichtbares Stück geworden.

Ein plötzliches Knacken riss den Jüngsten des Teams aus seinen Gedanken und Ian drehte leicht seinen Kopf in die Richtung Bryans. Leicht überrascht verzog Ian seinen Mund. Der Silberhaarige war ja noch da..

Wieder ein Knacken, als der ältere wieder in den Apfel hineinbiss und seinen Bissen gründlich kaute, scheinbar jedes einzelne Kauen genießend. Ian bildete sich sogar ein, den anderen Kauen hören zu können.. Unwillkürlich hatte Ian mit den Beinen zu baumeln begonnen, was er immer tat, wenn er nervös oder aufgewühlt war. In dem Moment, als er sich dessen Gewahr wurde, stoppte er mitten in der Bewegung. Ian sah Bryan die Noten eindringlich betrachten und begann wieder, in diesem unaufmerksamen Augenblick, mit den Beinen zu baumeln.

Dann – nach einem weiteren Knacken, Abbeißen, Kauen, Schlucken – zuckte der Silberhaarige mit den Schultern und schien entschlossen zu haben, dass ihn diese Noten nichts angingen. Wieder biss er in den Apfel – Knacken, Abbeißen, Kauen, Schlucken – und Ian schürzte nachdenklich die Lippen, während er in seinem Hirn eine endlosschleife von Echos wahrzunehmen glaubte.

Bryan saugte etwas von dem süßen Saft aus dem angebissenen Apfel heraus, und zu den anderen Geräuschen gesellte sich ein weiteres.

Ticken, Knacken, Abbeißen, Kauen, Saugen, Schlucken.
 

Ian hob langsam seinen Kopf, die Augen auf seine Blätter geheftet, die mit einer der schwierigsten Partituren bestückt waren, die er je gespielt hatte. Warum spielte er diesen Blödsinn überhaupt? Es war doch alles Kinderkram, bemerkte eine Tala-ähnliche Stimme im Hinterkopf des Kleinwüchsigen spöttisch, und Ian konnte nicht anders als zustimmen. Seine Musik war doch viel besser.

Es fiel ihm auf, dass er durch seine vermeintlich schallisolierten Fenster auch den Verkehr der Straße hören konnte, und auch, dass Bryan beim Kauen leise schmatzte.
 

„Ticken, Knacken, Abbeißen, Kauen, Schmatzen, Saugen, Schlucken, Rauschen.“
 

Ian murmelte es leise vor sich hin, seine dunkle, angestrengte Miene zeugte von seinem Brüten. Ian hörte das Echo, er hörte die Geräusche.. und er hörte noch etwas anderes. Etwas, das nur er hören konnte.
 

Langsam, wie in Zeitlupe hoben sich seine trotz der Kleinwüchsigkeit eher großen Hände mit den langen Fingern an die Tasten, dieses schwarze und weiße Wunderland, welches sich vor ihm erstreckte, und in dem er sich verlieren konnte, ohne sich wirklich zu verlieren. Ian legte seine Finger an die kühlen Tasten, von denen einige von seinem Atem leicht beschlagen hatten. Sie schienen allesamt selbst zu atmen, diese 88 Tasten, und er konnte sie zum Singen bringen..

Ian schloss die Augen, fuhr blind über die vertrauten Freunde, die nur er hatte, und schlug die ersten Tasten an. Das Geräusch des volltönenden Akkords hallte in dem kleinen, vollgestellten Raum wider, ein stummes Echo, und Ian fühlte, wie der Atem des Klaviers in ihn einströmte, wie es ihm mit einer jeden Bewegung seiner Finger auf diesem Spielplatz der unendlichen Möglichkeiten von erneutem Leben erfüllte, von neuer Melodie.

Ian lächelte, während er seine Umgebung zu vergessen begann und sich auf die Schwingen seiner Fantasie schwang, weit fort von dem trüben Licht des Alltags. Seine Musik war zurück.

~*-----------------------------------------------*~

Als Kai das nächste Mal aufsah, hatte die Sonne den Zenit bereits überschritten, und das sanft-goldene Licht des Nachmittags schien in das Zimmer. Nichts schien sich veränder zu haben – oder doch. Der Silberhaarige blickte sich um, als wäre er aus einem Traum erwacht.

Das Zimmer um ihn herum war zwar einigermaßen gut in Schuss, doch der allgegenwärtige Staub haftete überall an ihm, und der Halbrusse nieste.

Als wäre er selbst eines der Möbelstücke im Raum..

Er schüttelte den Kopf und versuchte vorsichtig, seine steifen Gliedmaßen zu bewegen. Auch der Führer hinter ihm, den er im geheimen ‚Notsch‘ – also Nacht – getauft hatte, bemerkte seine Bewegungen und erhob sich in einer einzelnen, fliesenden Bewegung von seiner sitzenden Position. Er hatte den Mantel abgelegt, und ein schmächtiger, hoch gewachsener Körper in dunkler Kleidung kam zum Vorschein. Kai kniff leicht frustriert die Augen zusammen, als er das Wesen musterte, das, obwohl es im Licht stand, mit den Schatten zu verschmelzen schien. Unwillkürlich musste Kai an das Bild in seinem Rücken denken, welches noch immer seine Sirenengesänge in seine Richtung schickte.
 

Notsch musterte ihn einen Moment lang aus hellen Augen, die keine wirkliche Farbe zu haben schienen, und winkte ihm, ihm zu folgen. Kai seufzte ungehört. „Sprichst du auch mal mit mir?“, fragte er unbestimmt in den Raum hinein, „Oder verständigst du dich bloß per Zeichensprache?“

Notsch ließ keine Antwort hören. Natürlich. Kai verzog frustriert das Gesicht. „Natürlich nicht“, fand er frustriert und erhob sich nun ebenfalls, um dem Fremden zu folgen, der ihm einen Flügel der Tür aufhielt – ganz wie ein wahrer Gentleman, spottete eine Stimme in Kais Hinterkopf. Der junge Russe schmunzelte leise in sich hinein, ehe er am schwarz Gekleideten vorbeischritt, den Kopf stolz hoch erhoben, wie es sich für einen Hiwatari gehörte, auch wenn er auf einem Drahtseil über einen Abgrund balancierte, ohne Netz, ohne Sicherungsseil.

Er bemerkte den Blick aus dunklen Augen in seinem Nacken und zuckte innerlich zusammen. Was wollte das Schattenwesen hinter ihm? Kai war es noch nicht klar, doch ihm kam beizeiten das Gefühl, dieses Wesen, das er Notsch getauft hatte – wartete nur darauf, einen schwachen Moment abzuwarten und ihn anzufallen..

~*------------------------------------------*~

Tala atmete tief durch, ehe er seinen Blick hob, um sich den durchaus pompösen Altbau aus Zarenzeit genauer zu besehen, in welchem eines der städtischen Krankenhäuser untergebracht war. Der Bau war reichlich mit Stuck verziert und hatte auch hier und da – wo der Rotschopf die Direktion oder Ähnliches vermutete – einen Balkon, er war beeindruckend für jeden, der ihn betrat. Hinter ihm rauschten in einiger Entfernung die Autos auf einer der Ringstraßen Moskaus vorbei, einzig durch eine hohe Mauer und etwas Grünfläche gedämpft, was allerdings nicht viel brachte.

Tala schloss die Augen, atmete ein weiteres Mal durch, ließ die Frühlingsluft in seine Lungen strömen. Wie viel Zeit war vergangen, seit er das Krankenhaus verlassen hatte? Knapp drei Wochen erst? Dem Rotschopf kam es so vor, als wären Monate vergangen. Rund um ihn herum liefen Menschen über den Kiesweg, viele in diesen seltsam quietschenden Krankenhauspantoffeln, die er bei den Schwestern bemerkt hatte, andere in normalen Turnschuhen.
 

Sollte er tatsächlich reingehen? Sich seinem Schicksal stellen?
 

Tala öffnete die Augen wieder, sah sich kurz um. Menschen wichen ihm in einem Bogen aus, auch wenn er mitten im Weg stand. Rollstühle knirschten über den Weg, betont fröhliches Geplapper erfüllte die Luft, und Tala kniff die Augen kurz zusammen, fasste den Griff seiner Tasche fester. Nur wenige Schritte trennten ihn von einem Schicksal, welches er vielleicht selbst nicht einmal wollte.

Tala sandte ein letztes Mal einen Blick in Richtung der Krankenhausauffahrt, die jedoch leer blieb. Keine »Läuft-wie-eine-Eins-Minus«-Klapperkiste in Sicht. Wie denn auch? Er hatte niemandem erzählt, dass er den Anruf erhalten hatte.

Die Diagnose war gestellt worden. Und er wollte sie um nichts in der Welt erfahren. Und Tala glaubte in dem Moment, in welchem er das Krankenhaus betrat, kurz das Geräusch eines Apfels, der angebissen wurde, zu hören, was Bryan in letzter Zeit auffällig von sich gegeben hatte.

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Jaah.. fürs erste mal ein versprochener Auftakt für die Action^^
 

und wer lust hat, was Lustiges zu lesen, warum klickt ihr euch nicht mal durch zu meinen FFs, dann auf "Our Story"...? Das ist jetzt nur ein kleiner, schmackhafter Hinweis und keine Kommibettelei, oder???? Oo
 

*alle knuddl*

Waffeln für alle Kommischreiber! ~^o^~

Offen

Kapitel 28: Offen
 

Kai lief durch Gassen und Gässchen, in welche sich kaum ein anständiger Moskauer Bürger zu gehen traute, er sprang über Kisten und überwand Hindernisse wie etwa Mauern, ständig seinem Führer – Notsch – folgend. Er fluchte und schimpfte lange, ehe er einsah, dass er die dunkle Gestalt damit nicht sonderlich beeindrucken konnte. Irgendwann nach zwei Stunden, nachdem er die Orientierung vollständig verloren hatte, gab er auch das Fluchen fürs erste auf. In Gedanken schweifte er immer wieder ab – wahrlich, dieses seltsame Gekrackel, welches das seltsame Bild im Elternschlafzimmer wohl am besten und am schlechtesten zugleich beschrieb, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Da war eine Lücke, die ihm niemals aufgefallen war, weil er sich ohnehin an kaum etwas aus seiner frühesten Vergangenheit erinnern konnte – und doch, nun, da er wusste, dass es da etwas gab, wollte er unbedingt erfahren, was.

Diese Neugier war eigentlich doch eher typisch für Tala.., murmelte leise etwas in ihm, was jedoch gleich wieder vergessen wurde und im Nexus des Unterbewusstseins verschwand, denn Kai stand vor einer gefährlich hohen Sackgasse, hinter welcher der Mantel Notschs gerade verschwunden war. Grummelnd und fluchend sah der Silberhaarige sich um, auf der Suche nach einer Mülltonne oder ähnlichem, doch da war nichts. So nahm er Anlauf und hoffte, durch eine Willkür des Schicksals einfach den oberen Rand der Mauer erreichen zu können – wenn sein Führer dies konnte, warum dann denn nicht auch er?

Kai nahm also einige Schritte Anlauf und sprang kraftvoll an der Mauer in die Höhe, streckte seine Arme aus und erreichte tatsächlich die Mauer. Er spannte seine lange antrainierten Muskeln an und zog sich mit einem leisen Ächzen in die Höhe. Vielleicht wurde er ja langsam zu alt für solche Blödsinne, dachte er und schüttelte im selben Moment den Kopf über solcherlei Gedanken. So konnte er denken, wenn er 50 war, aber doch nicht jetzt schon, mit knappen 18 Jahren auf dem Buckel!

Kai schüttelte den Kopf ein weiteres Mal als er oben auf der Mauer saß, um seinen Kopf freizubekommen, und sprang nach unten, wobei sein Mantel leicht hinter ihm herwehte. Der Silberhaarige landete auf seinen Knien und hob langsam den Kopf, um zu Notsch aufzusehen, dessen schattenhafte Gestalt ein Nicken kenntlich machte. Auf einmal wurde der Halbrusse wütend. Schrecklich wütend, wie es eigentlich nur sein Großvater hatte werden können. „Was fällt dir überhaupt ein?“, knurrte er, „Was soll das ganze hier überhaupt werden? Ein Hindernisparcours für mich, oder war? Ich sag dir jetzt mal was, du.. du..“, dem Silberhaarigen, welcher sich soeben noch imposant vor Notsch aufbauen wollen, blieben die Worte im Halse stecken, und sein Ärger war schlagartig wie von der leichten Frühlingsbrise fortgetragen.

Kai blickte starr auf die Ebene, die sich hinter ihm erstreckte, gespickt von Kreuzen und Grabsteinen, in der Ferne begrenzt durch eine Mauer. Es war ein Ort, den er bloß einmal gesehen hatte – im Dunkeln – und doch kannte er ihn genau. Kai hatte ihn in seinen Träumen so oft durchwandert, so oft durchstreift, dass er sich schließlich selbst beinah wie ein Teil der letzten Ruhestätten, die hier bereitet worden waren, vorkam.

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„Kommen Sie bitte hier entlang.“, eine Krankenschwester erschien vor Tala, welcher die letzten eineinhalb Stunden schweigend auf einem der quietsch bunten, unbequemen Stühle des Wartebereiches zugebracht hatte, die Arme verschränkt, die Augen teils geschlossen, teils leicht geöffnet und mit scharfem Blick die Umgebung betrachtend. Der Rotschopf hatte niemals Sympathie für Krankenhäuser oder ähnliche Institutionen empfunden, doch noch mehr waren ihm diese überfüllten Wartezimmer voller Patienten, mit denen man zusammengepfercht wurde, ein Graus.

Nun ja, zumindest im letzten Aspekt hatte er diesmal Glück gehabt – das Wartezimmer war beinahe leer, bis auf die wenigen ihm vorausgehenden Patienten, und das schon die ganze Zeit. Vielleicht warteten ja alle mit ihrer Krankheit, bis sie Feierabend hatten, spottete eine leise Stimme in Talas Kopf, und der helläugige Russe beinah unmerklich den Kopf, während er hinter der völlig in Weiß gekleideten Schwester folgte, welche vor ihm her trippelte, stets begleitet von dem hellen Klicken der Absätze ihrer Krankenhauslatschen.
 

Dr. Karschtschow hatte nicht viel zu tun an diesem herrlichen Vormittag und stierte während einer längeren Pause, während derer sie auf die Ergebnisse eines Bluttests wartete, sehnsüchtig aus dem Fenster ihres Behandlungsraumes. Gerade heute – am einzigen Tag dieser verdammten Woche, an dem sie arbeiten musste – schien die Sonne mit beinah gottlos wunderbarem Schein vom Himmel und erwärmte die Umgebung. Der erste und wohl einzige Flecken Gras, der nicht vom Verkehr und vom sauren Regen der Stadt zersetzt worden war, kam ihr herrlich grün vor. Die Ärztin schob ihre Brille mit einer Bewegung auf ihre Nase, verfluchte den Tag, an dem sie sich dazu entschieden hatte, eine medizinische Laufbahn einzuschlagen statt der netten Kindergärtnerinnenstelle, die ihr von ihrem Großvater angeboten worden war.

Seufzend wandte sich die blondhaarige Mittdreißigerin ab, schob ihre Brille abermals zurecht und setzte sich an ihren Schreibtisch, ein schlichtes, funktionales Modell. Zwischen ihr und der Computertastatur lag schon die aufgeschlagene Akte ihres nächsten Patienten, der wohl schon auf dem Weg zu ihr war. Sie hatte diesen Patienten nicht bloß übernommen, weil er gerade zu ihrer Dienstzeit eingeliefert worden war, nein, auch wegen seiner besonderen Krankengeschichte hatte sie darauf bestanden, ihn zu behalten. Die Krankengeschichte war für ein so junges Leben von neunzehn Jahren schon recht lang, voller seltsamster Einträge, die wohl bloß von wenigen Ikonen auf dem Gebiet der Humanmedizin verstanden werden konnten. Dieser Patient war eine Neuheit, in medizinischer Hinsicht verstand sich. Er trug einige Implantate in seinem Körper, die noch nie verwendet worden waren, und Dr. Karschtschow war begierig darauf zu erfahren, wie ein solcherart veränderter (um nicht zu sagen mutierter) Körper auf ihre Behandlungen anspringen würde.

Es klopfte, und besagter Patient mit dem auffallend blutroten Haar trat in den Raum. Wie bei einer jeden ihrer Sitzungen hatte er eine ernste Miene aufgesetzt, welche nicht zu durchschauen war, und Dr. Karschtschow bot dem Rotschopf mit einer Handbewegung den Platz auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch an. „Nun, Herr“, begann die blonde Ärztin, ihr Blick huschte kurz suchend auf die Krankenakte, „Iwanov. Wie Sie wissen, haben wir die Ergebnisse der Tests.“ Der Patient nickte, hielt ihrem Blick mit skeptisch zusammengezogenen Brauen stand. Dr. Karschtschow fuhr sich mit der Hand übers Haar. „Wir haben keine guten Nachrichten für Sie.“, warnte sie und sah ihren rotschöpfigen Patienten zum ersten Mal mit einem anderen Gesichtsausdruck als sonst.
 

Tala sah diese seltsame Ärztin, die wohl von der neuen Schule sein sollte, es jedoch nicht wirklich war, offen an. Seine Augen erwiderten ihren Blick beinah erschöpft, und sein gesamtes Gesicht war eine einzige Maske der Resignation. „Das habe ich mir beinahe schon gedacht“, gab er entwaffnend ehrlich zu und schloss die Augen, atmete einmal tief durch. „Schießen Sie los, und machen Sie’s kurz und schmerzlos.“, bat er, im Stillen aufseufzend, und ohne den Gedanken hinzuzufügen, welcher ihm im Moment durch den Kopf schoss. »Schmerz wird’s wahrscheinlich noch genug für mich geben.«

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Wie ich höre, haben die Waffeln gemundet? ;D
 

*riesen sternchenaugen krieg*

103 KOMMENTARE!!! Ist es denn zu fassen?!?!?

*.*

*rumhops* *imaginäre Träne aus Augenwinkel wisch* Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe.. *strahl* *alle knuddl* =D Deshalb gibt’s heute endlich zwei Pics^^ Das eine – wer hätt’s gedacht – ein großes kleines THX an alle! xD

Das andere.. Schaut euch doch mal die Illustrationen an…;D
 

*alle knuddl* TT.TT *sturzbäche heul vor Freude* *alles überschwemm* *auf Boot rumfahr*

Ich bedanke mich jetzt mal bei einem jeden einzelnen Leser und Kommentator, der sich hier her verirrt hat^o^ *riesenbüffet aufbau*

Und das Kapitelchen hier widme ich meiner Jeschi, die den 100. Kommi geschrieben hat *applaudier*
 

*knuff*

FW

Diagnose

Kapitel 29: Diagnose
 

Dr. Karschtschow seufzte schwer, jedoch bloß innerlich, ehe sie sich vom Fenster ab- und ihrem Patienten wieder zuwandte. Sie war eine Frau mit klaren Prinzipien, die sich einem jeden Gefühl für ihre Patienten, und sei es bloß Sympathie, verschloss und versuchte, bloß die wissenschaftlichen Aspekte zu sehen. Und doch fiel es ihr gerade dieses Mal schwer, und sie wünschte sich für ihren rothaarigen, äußerst faszinierenden Patienten alles möglich Gute. Irgendwie.

Sie wandte sich wieder ihren Akten zu, blätterte schweigend durch die Ergebnisse, fragte sich, wie sie die Nachricht am besten übermitteln konnte, ohne gleich wieder zu sachlich zu klingen.

„Sie wollen es kurz und schmerzlos“, wiederholte sie nachdenklich die Worte ihres Gegenübers und legte eine Kunstpause ein, musterte die unnatürlich blasse Gesichtshaut des Patienten. Sie kam schlussendlich zum Entschluss, dass es vielleicht wirklich besser war, sie käme zur Sache. Es gab noch genug Zeit zum Schweigen. Später.

Sie seufzte vernehmbar. „Bitte bedenken Sie, dass die Tests relativ schnell durchgeführt wurden und wir dementsprechend noch nicht allzu viel sagen können – unsere Abteilung für bestimmte Testergebnisse ist unterbesetzt, daher fehlen auch noch zwei davon.“, Dr. Karschtschow öffnete die Augen, maß ihren Patienten mit einem Blick, der genauso klinisch und steril wirkte wie das Krankenhaus, „Was wir jedoch – unter anderem beim Herz-Ultraschall und beim Belastungs-EKG – feststellen konnten ist alles andere als erfreulich.“

Tala runzelte die Stirn. Diese Frau redete ihm zu viel um den heißen Brei herum. Am liebsten hätte er eine genervte Bemerkung in diese Richtung fallen gelassen, doch im Moment gehorchte ihm sein Bewegungsapparat wie sein Sprachzentrum nicht. Wie gelähmt saß er steif da, atmete so leise und blickte so starr drein, dass sich die Ärztin fragen musste, ob er überhaupt noch lebte.

Dr. Karschtschow atmete tief durch. „Um zum Punkt zu kommen. Sie leiden an einer Globalinsuffizienz Stufe III des Herzens und einer Herzvergrößerung.“, ratterte sie emotionslos herunter, „Das heißt, Sie haben eine ausgeprägte Herzschwäche.“

Dr. Karschtschow blickte den Rothaarigen prüfend an, wobei ihre grünen Augen unruhig flackerten. „Sie taucht nicht von heute auf morgen einfach so auf, jedoch sagten Sie bei einer der ersten Visiten, Sie wären sehr lange sportlich aktiv gewesen, ohne etwas zu bemerken – richtig?“ Tala nickte, fragte sich, was die Ärztin ihm sagen wollte. Unwillkürlich zog er eine Augenbraue in die Höhe, was seiner Skeptik Ausdruck verlieh. Die blonde Ärztin schien ihn nicht mehr zu beachten, sondern vertiefte sich abermals in die Akten, während sie in ihrem kleinen Vortrag fort fuhr. „Zurückzuführen ist das auf gewisse..“, Dr. Karschtschow tippte auf eine Ultraschallaufnahme seines Brustkorbes, „Implantate, die Ihnen vor Jahren eingesetzt wurden.“

Tala zuckte merkbar zusammen. Er war jedoch nicht überrascht, nein. Irgendwie hatte er immer gewusst, dass da etwas in ihm war, das da nicht hingehörte. Er hatte von den Implantaten gewusst, seit ein Arzt der BBA ihn kurz nach der Auflösung der Abtei untersucht und sie dabei festgestellt hatte. Und er hatte gewusst, dass sie ihn immer zu einem Sonderling machen würden.

„Diese haben jetzt allerdings offenbar ihre Tätigkeit – auch in Funktion eines Herzschrittmachers – aufgegeben, und eine angeborene Herzrhythmusstörung hat sich innerhalb kürzester Zeit weiter verschlimmert, dazu kommt noch eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels, eine so

genannte Myokardhypertrophie, was wahrscheinlich teilweise durch die Implantate hervorgerufen wurde, nachdem Sie mit dem Sport aufgehört haben.“, fuhr Dr. Karschtschow ungerührt fort.

~*----------------------------------------------------------*~

Langsam schritt Kai durch die Reihen von Grabsteinen, blickte einen jeden an, musterte die eingravierten Namen und Zahlen, die Grabinschriften. Die Kreuze und kleinen Statuen, die die Gräber schmückten, die Blumen und kleinen, immergrünen Stauden, die Angehörige gepflanzt hatten. Und die Kerzen. Kai sah überall Kerzen brennen, an jedem Grab mindestens eine, und blickte immer wieder in das Angesicht von warm im seichten Abendwind flackernden Flammen.

Merkwürdiger Weise fühlte er sich von einer ihm neuen Ruhe beseelt, von einem beruhigenden Prickeln irgendwo tief in ihm drinnen, das der Flamme einer Kerze nicht unähnlich war. Kai hatte aufgehört sich zu wundern. Oder viel mehr hatte er dies einfach beschlossen. Er schaffte es nicht mehr, ständig und immerzu Energie für Wut oder Empörung seinem Führer gegenüber aufzubringen, der auftauchte und verschwand, sich nahezu in Luft auflöste, und das scheinbar immer, wenn ihm gerade danach war. Nein, viel lieber verbiss er sich die Fragen und folgte einfach wortlos dem Schatten, Notsch, über Pfade, die ihm bekannt schienen und es doch nicht waren.

Kai schritt an den Aschegräbern vorbei, die ihn an Regale voller Schubladen erinnerten, wobei auf jeder Schublade ein neuer Name, ein neues Datum, ein neues Bild eingraviert waren. Überall waren Kränze verteilt und Trockenblumen, und überall brannten Kerzen. Weiter hinten – es musste ein ziemlich weitläufiger Friedhof sein – verlor sich das Licht der Kerzen, und Kai fragte sich unwillkürlich, ob dort einfach nichts mehr war, die Welt aufhörte, oder ob es dort auch Kerzen gab.

Einem unbekannten Instinkt folgend schritt er voran, erst langsam, dann immer sicherer und auch etwas schneller lenkten seine Füße ihn auf unbekannten, bekannten Pfaden durch den Dschungel aus Gräbern und kleinen Flecken Kiesweg. Seine Schritte lenkten ihn quer durch die Gräberreihen hindurch, im Vorbeigehen sah Kai Namen, die ihm entfernt bekannt vorkamen und dann doch wieder nicht. Immer tiefer stieß er in die immer weiter gehende Dunkelheit ein, die einzig von den Kerzen auf den Gräbern durchbrochen wurde. Und dann stand er vor einem Grab, das ihn dazu brachte, anzuhalten. Eine einzelne, kleine Kerze brannte hier, daneben stand ein verlöschtes Teelicht. Kai stand vor dem einen Grab, zu dem auch er gehörte, vor dem Grab, das er kannte, das er liebte und das er hasste. Es war das Grab seiner Eltern und Großeltern, vielleicht würde auch er eines Tages hier zur letzten Ruhe gebettet werden, wenn er es denn wünschte.

Lange Zeit stand er einfach so da, völlig versunken in die Bilder und Inschriften, die im flackernden, unruhigen, kleinen Licht der Kerze lebhaft und bewegt wirkten.

Da war das lächelnde Gesicht seiner Großmutter, die so fröhlich schien wie auf den wenigen Fotografien, die er von ihr gesehen hatte, vom Alter und den Geburten von vier Kindern gezeichnet, doch die goldgerahmte Brille voller mütterlicher Liebe auf der Nase, den Blick in die Kamera gerichtet, stolz lachend über ihr Werk. Sie schien laut zu lachen, dort auf ihrem Foto, so offen und laut und unbändig, wie Kai es nie gesehen hatte. Oder vielleicht doch?

-Anna Michailowna Hiwatari

*xx.xx.19xx - +xx.xx.19xx
 

Leise murmelte er die Worte, den Namen seiner Großmutter, seiner Babushka, die er nie kennengelernt hatte, und blickte dann auf das nächste Bild. Es war das jüngste von allen, sein Großvater war erst vor wenigen Jahren gestorben, und Kai erinnerte sich nicht mehr wirklich an gute Zeiten mit ihm. Doch auf dem Bild und im flackernden Schein sah er so.. friedlich aus. Kai war sich bewusst, wie abstrakt dieser Begriff in Verbindung zu ‚Voltaire’, wie er sich hatte nennen lassen, wirken musste. Wahrlich, die sonst so strengen Züge wirkten entspannt und beinahe fröhlich.

-Wolodja Pjotrewitsch Hiwatari

*xx.xx.19xx - +xx.xx.20xx
 

Und dann sah er seine Eltern, wahrscheinlich zum ersten und letzten Mal wirklich. Sie hatten beide kein eigenes Foto, sondern zeigten sich gemeinsam über ein breiteres. Sie beide lächelten glücklich, und Kai schluckte hart, während er sich die silbernen Strähnen im Pony seiner Mutter betrachtete. Er erinnerte sich noch an Zeiten, manchmal wenn er allein war, als er Voltaire noch „Djedutschka“ genannt hatte und dieser ihm beim Einschlafen erzählt hatte, wie ähnlich er doch seiner Mutter sah. Endlich konnte Kai sehen, dass dies keine Lüge gewesen war.

-Marija Andrejewna Hiwatari

*xx.xx.19xx - +xx.xx.19xx
 

-Alexandr Wolodjewitsch Hiwatari

*xx.xx.19xx - +xx.xx.19xx

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# Myokardhypertrophie: Das Herz hat eine Durchblutungsstörung, durch die sich die Muskelfasern des Herzmuskels verdicken und verlängern und das Herz so „ausgeleiert“ wird und ein Teil des Blutes zurückbleibt, weil er nicht mehr herausgepumpt werden kann. Das Herz ist zu schwach dafür. Auch bekannt als „Herzvergrößerung“.
 

Und dann will ich mich für eure lieben Kommentare bedanken ^^ *alle knuddl* Ich find's echt super, dass ihr euch immer die Mühe macht <3 Ihr haltet mich am Schreiben =3
 

FW

Entscheidung

Kapitel 30: Entscheidung
 

Tala saß einige Zeit da und starrte die Ärztin einfach nur an, versuchte zu verarbeiten, was ihm da gerade gesagt worden war. Er war krank. Schwer krank. Und er hatte ohne Behandlung wahrscheinlich auch nicht mehr allzu lange zu leben. „Und.. wie steht es mit einer Behandlung?“, fragte er ohne große Hoffnung, beinah zögerlich. Tala fühlte sich matt und wie erschlagen. Es war zu viel Information auf einmal für ihn.

Dr. Kraschtschow blickte ihn forschend an, ehe sich ihre Gesichtszüge etwas entspannten, sodass die Denkerfalte auf ihrer Stirn weniger stark hervortrat. „Nun, Herzinsuffizient ist durchaus behandelbar. Wir versuchen, das Herz zu entlasten, indem wir die verschiedenen Ursachen teils medikamentös behandeln. In Ihrem Fall würde ich dazu raten, die Implantate entfernen zu lassen, außerdem würde Ihnen ein neuer Herzschrittmacher eingepflanzt, um die Herzrhythmusstörung auszugleichen. Das würde Ihr Leben um einige Jahre verlängern.“

Die blonde Ärztin strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und blickte den jungen Russen aufmerksam an. „Wir könnten gleich morgen mit der Therapie beginnen, wenn Sie es so wünschen. Ich brauche bloß Ihre Unterschrift.“
 

Der Rotschopf blickte auf das Aufnahmeformular, welches ihm vorgelegt wurde. Er überflog die Zeilen, ehe sein stechender, klarer Blick aus hellen Augen sich auf die Ärztin fokussierte. Sie sprach von etwas wie Heilung, und davon, dass er diese verdammten Implantate, die ihm sein Leben lang nichts als Unglück gebracht hatten, endlich loswurde. Sie schien so überzeugt.

Und doch zweifelte er noch. Es schien ihm so einfach, bloß das Papier zu unterschreiben und dann abzuwarten, viel zu leicht – gerade das machte ihn skeptisch. Es war zu leicht, um wirklich sein Leben zu sein. In seinem Leben lief niemals etwas leicht. Bei ihm war es immer über den schmerzhaften Weg gegangen.

Noch immer unschlüssig drehte der Rotschopf den Stift in seinen Händen, betrachtete die schwarze Hülle des Kugelschreibers und überflog ein weiteres Mal das Formular.

Die Ärztin hatte von einer Operation gesprochen. Einer Operation, das hieß, andere Menschen würden an ihm herumschnippeln, während er selbst tief und fest schlief, ohne Schmerz zu empfinden oder zu wissen, was sie da machten. Tala gefiel dieser Gedanke überhaupt nicht. Prüfend blickte er die Ärztin ein weiteres Mal an.

„Das ist aber noch kein Einverständnis zu einem Eingriff, oder?“, fragte er misstrauisch, während er sich das Formular ein weiteres Mal genau ansah. Dr. Karschtschow sah ihn überrascht an. „Nein“, erwiderte sie, „Das kommt erst, wenn wir sicher sind, dass Sie einen Eingriff ohne längerfristige Folgen überstehen werden, was derzeit – verzeihen Sie bitte – nach meiner Einschätzung der Lage noch nicht der Fall zu sein scheint.“

Tala nickte, sich scheinbar fürs erste mit dieser Antwort abfindend, und setzte in winziger, unleserlicher Handschrift die Unterschrift >Yuriy Ivanow< auf das Formular.

~*----------------------------------------------------*~

Kai stand längere Zeit vor dem Grab seiner Angehörigen, das flackernde Licht der Kerze hüllte sein Gesicht in ein Spiel von Helle und Dunkel und ließ seine Augen teils blutrot, teils schwarz erscheinen. Die Bilder seiner Lieben, allesamt so glücklich und unbeschwert, trieben ihm Tränen der schieren Verzweiflung in die Augen, dass er sein Elend am liebsten laut in die Welt geschrieen hätte – doch er blieb stumm. Er hatte seine Eltern so lange gesucht, und vor Jahren einmal hatte er auch dieses Grab besucht, mit dem Großvater, den er noch „Djeduschka“ genannt hatte, hier gebetet. Er hatte sie immer gesucht, obwohl er gewusst hatte, dass sie gestorben waren. Weshalb, woran, das wusste er nicht mehr.

Kai seufzte betrübt. Er wusste so vieles nicht mehr, wurde ihm hier draußen, in der kühlen, von Kerzenschein erfüllten Frühlingsnacht bewusst. Die blutig roten Augen weiteten sich leicht, und Kai starrte den Schatten, der dunkler war als die Nacht um sie herum und sich im schwachen Kerzenlicht abzeichnete, an. Notsch war wieder da. Und er wollte, dass der Silberhaarige ihm folgte.

Wie in Trance wandte sich Kai nun vom Grab ab, ohne ein letztes Mal zurückzublicken, und ließ sich vom Dunkel des Pfades, rund um den die Kerzen ihren Schein verströmten, vorwärts leiten. Beinah willenlos taumelte der Silberhaarige voran, übermüdet und hungrig wie er war. Tatsächlich musste es bald zwei Tage her sein, dass er zum letzten Mal eine anständige Mahlzeit gehabt hatte.
 

Ganz vorne, am Eingang des Friedhofes, dieser Stätte des letzten, ewigen Friedens, waren die Kindergräber. Es waren nicht viele, bloß drei schmale Reihen, und einige davon mussten – zumindest ihrem Aussehen nach – schon sehr lange da sein. Kai blickte die kleinen, kindlichen Engelsstatuetten an, die ihm durch die Dunkelheit hindurch entgegenlächelten, irgendwie voller Hoffnung auf ein besseres Leben, und der Halbrusse fühlte sich seltsam berührt. Sein Herz, von dem er geglaubt hatte, es könne nichts mehr empfinden, wurde ihm mit einem Mal schwer, und er sank vor einem der kleinen Gräber in die Knie. An allen anderen Kindergräbern brannten – genauso wie überall – Kerzen, große, kleine, viele, an manchen Gräbern auch nur eines. Bloß hier waren sie alle drei erloschen.

Kai blickte sich um, ob denn Notsch noch in der Nähe war, und erblickte den seltsamen Schattenführer schon am schmiedeeisernen Tor des Friedhofs. Notsch schien nicht auf ihn warten zu wollen, wie er es sonst auch tat. Vielleicht brauchten ja auch Schatten ihren Schlaf?

Kai schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Kindergrab zu. Er besah sich die Kerzen, ehe er noch einmal unschlüssig den Kopf in die vermeintliche Richtung Notschs drehte. Der Führer war beinahe verschwunden. Was sollte das?

Kais Blick verweilte noch kurz auf dem sich entfernenden Notsch, ehe er eine der weißen Kerzen zur Hand nahm und sich suchend umsah. Da waren nirgends Streichhölzer oder ähnliches, wie sollte er sie also dann anzünden? Kai sah die rotgolden verzierte Kerze am Nachbarsgrab und beschloss kurzerhand, dass es in Ordnung war, wenn er diese Flamme dazu benutzte, diese Kerzen anzuzünden.

Als wäre eine höhere Macht dagegen, fuhr in dem Moment, an dem die weiße Kerze endlich entzündet war, der Wind auf, bloß ein wenig, doch genug, um die winzige Flamme zum Flackern und Zaudern zu bringen. Kai schützte das Licht mit seiner einen Hand, während er auch die anderen beiden Kerzen auf dem Kindergrab entzündete. Ihm war, als ginge mit einer jeden Flamme auch ein kleines bisschen neue Hoffnung in ihm auf. Kai betrachtete sein Machwerk kurz, ehe er sich ab- und dem Tor zuwandte, doch dieses Mal zögerte er nochmals auf halbem Weg, blickte sich um. Die kleinen Flammen erfüllten die umliegende Nacht mit ruhigem Schein.

Kai lächelte.

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Ian streckte sich seufzend. Jetzt hatte er den halben Tag lang geübt und das Stück perfektioniert – zumindest seiner Meinung nach – und jetzt war ihm nach einer Pause zumute. Er lächelte zufrieden, während er das Notenheft zuschlug, und schlenderte gemütlich in die Küche, musste feststellen, dass er alleine war. „Auch gut“, brummelte er zufrieden und machte sich daran, sich etwas zum Essen zusammenzusuchen. Ian steckte seine Nase in den Kühlschrank, auf der Suche nach Saft und er fand sogar Käse und Wurst, obwohl er keine Ahnung hatte, wer diese Woche wohl mit dem Einkaufen dran gewesen war.

Plötzlich schellte die Türklingel, und Ian hob verwundert den Kopf von seiner Zwischenmahlzeit. Müßig schlurfte er zum Türöffner und drückte auf den Summer – es gab sowieso kaum jemanden, der sich zu ihnen in die Wohnung traute. Er schmunzelte breit. Vielleicht war es ja Spencers >Affaire<, wie er den einzigen weiblichen Gast des Hauses, der hin und wieder mal vorbeischaute, getauft hatte.

Wenige Minuten später wurde die Wohnungstür vorsichtig aufgedrückt, und beinah zögerlich lugte ein zweifarbiger Haarschopf zur Tür hinein. Ian legte überrascht den Kopf schief als plötzlich Kai Hiwatari vor ihm stand. Seine vorher mehr oder weniger gute Laune sank mit einem Mal in Richtung Nullpunkt. „Was willst du denn schon wieder hier?“, fragte er schroff, obwohl es eigentlich mehr Bryans Art war, jemanden auf diese Weise zu begrüßen.
 

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Danke für eure ganzen Kommentare zum letzten Kommentare^^ Ich krieg mich kaum noch ein - und die FF ist auch schon so lang, das ist mir gerade mal wieder bewusst worden..

Die Szene auf dem Friedhof ist ein wahres Erlebnis meinerseits, da ist mir übrigens auch die Idee gekommen.
 

Nun denn, monströse Liebe an alle, die mit mir die FF erleben^^
 

*knuddl* FreeWolf

Essen

Kapitel 31: Essen
 

Kai zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß nicht.“, bekannte er ehrlich, „Eigentlich hatte ich gehofft, hier ein paar Antworten zu finden.“

Ian war versucht, seinem Gegenüber – dem Verräter, wie eine leise, äußerst penetrante Stimme in seinem Hinterkopf rief – die Tür vor der Nase zuzuknallen, doch er machte es nicht. Stattdessen musterte er den Halbrussen prüfend. Kai Hiwatari sah unausgeschlafen aus, dunkle Ringe hatten sich in sein mageres Gesicht gefurcht, und die blutroten Augen lagen im Schatten seines zerzausten Ponys. Ein wilder, irgendwie verrückter Eindruck spiegelte sich in den sonst so berechnend-kalten Augen, sodass sich Ian fragte, was wohl geschehen sein mochte, auch wenn er diesen Gedanken sogleich wieder in die hinterste Ecke seines Bewusstseins drängte. Mit einem Verräter hatte er kein Mitleid oder Mitgefühl, redete er sich ein. Ein vernehmbares Magenknurren riss die beiden aus ihrer Starre, und Kai senkte verlegen seinen Kopf, schien seine Füße auf einmal äußerst interessant zu finden, vermochte es allerdings nicht, der Verlegenheit zu entgehen.

Ian hob seinen Blick gen Zimmerdecke, als könne ihm von dort ein Zeichen in den Schoß fallen – was jedoch schon allein mangels Logik ausblieb. ‚Na gut’, Ian seufzte ungehört, ehe er laut aussprach: „Komm’ rein, wenn du schon so nötig hast – ich wollte mir eh gerade was zu essen machen.“ Es stand ja nirgendwo geschrieben, dass man einem halb verhungerten Verräter das Essen verweigern sollte, zum Glück..

Er winkte den Silberhaarigen durch den Flur in die Küche, wo er ihn einfach auf einem der Plätze platzierte und nun doch etwas Anständiges in den Untiefen des Kühlschranks zu suchen begann. Ian, der sich tief in den Kühlschrank gebeugt hatte, überlegte, während er nach dem von Spencer platziertem Essbaren suchte. Was war es diese Woche gewesen? Klöße? Oder doch eher etwas Suppenartiges – vielleicht Borsch oder Soljanka?

„Ah“, Ians Gesicht erhellte sich, als er auf ein volles Glas mit Borsch stieß. Er füllte die dicke Suppe aus roter Beete in einen Topf und stellte zwei Teller auf den Tisch, während das Gericht langsam vor sich hin zu köcheln begann.

Kai hatte ihm die ganze Zeit über schweigend zugesehen, und Ian begann die stumme Gesellschaft des anderen beinah erträglich zu finden. Beinah, und das auch nur, solange der vermeintlich arrogante Halbrusse den Mund hielt. Als die dampfende Suppe schließlich vor den beiden stand, dazu auch noch Brot und Besteck auf dem Tisch waren, fühlte sich Ian irgendwie in die Abtei zurückversetzt. Nicht, dass die Umgebung ihn irgendwie erinnert hätte – die eigentlich bunte Küche der WG hatte nichts vom alten, tristen Speisesaal, in dem der leise Lärm hunderter von auf Tellern schabender Löffel beinah das einzige Geräusch gewesen war – es war die vertraute und doch befremdliche Situation, in der sich Ian befand.

Stumm gegenüber von dem >Verräter<, wie Kai Hiwatari unter den ehemaligen Demolition Boys noch immer genannt wurde, Suppe zu löffeln war keine alltägliche Handlung – auch war es das damals nicht gewesen, in der Zeit, in der sie mit dem Halbjapaner ein Team hatten bilden müssen. Tala war die gute Seele, wenn man es denn so nennen wollte, die sie alle dazu gezwungen hatte, mit dem silberhaarigen Hiwatari-Sproß zu speisen. Ian konnte sich noch lebhaft an Bryans Versuche, dieses Gebot für Streiche zu nutzen.. Es war allerdings ziemlich oft in die Hose gegangen – Bryan hatte nämlich anstelle von Kai Tala getroffen, und das hatte einige unangenehme Folgen für den introvertierten Russen gehabt. Ian grinste, amüsiert über sich selbst, und wunderte sich, als er sich plötzlich sprechen hörte. „Hiwatari“, sprach er den anderen an und verfluchte sich gleichzeitig selber deshalb, „Weißt du noch der Speisesaal damals? Diese vergammelte Baustelle. Und dann noch der Tisch, wo mal die Lampe raufgekracht ist.. - Das ist doch krank“, fand er, und nun lachte er doch tatsächlich. Gemeinsam mit einem ehemaligen Feind, einem Verräter und – was das schlimmste war – ohne sich deshalb Vorwürfe zu machen.

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Die alte Lagerhalle, in der Coach Parkov seinen Kickbox-Club untergebracht hatte, war wie immer gut besucht – Bryan hatte noch nie einen Tag oder eine Tageszeit erlebt, an der es vergleichsweise leer gewesen wäre. Es gab zwar die einen oder anderen, die noch nicht so lange dabei und demnach noch nicht allzu trainiert oder routiniert waren, doch es hatte sich mit der Zeit eine Art ‚Stammkundschaft’ zu erkennen gegeben – zu der auch Bryan mit Sicherheit gehörte. Besonders jetzt, während er noch krank geschrieben war, verbrachte er viel Zeit beim Training.
 

„Los, Kuznetsov! Ich will noch zwanzig von dir sehen!“
 

Parkovs Stimme schallte in der stillgelegten Halle wider, obgleich er von der anderen Seite der Halle herauf schrie war er sehr gut vernehmbar, und Bryan zuckte zusammen. Kurz – einzig für den Bruchteil einer Sekunde und auch bloß für ihn selbst merkbar – verlor der Silberhaarige das Gleichgewicht und strauchelte unbemerkt. Sein Arm, den er bis vor einen Tag noch in der Schlinge getragen hatte, schmerzte höllisch, doch sein Stolz und sein im Laufe der Jahre eingebläuter Ehrgeiz, ständig das Beste zu geben und seine Grenzen zu überschreiten, ließen ihn unerbittlich weitermachen.

Vielleicht war er leichtsinnig. Vielleicht stimmte es, wenn Ian und Spencer ihn lebensmüde und größenwahnsinnig, unvorsichtig und fanatisch nannten.

Bryan biss die Zähne zusammen, während der Trainer durch die Halle hinauf zu ihm marschierte. „Nicht schlappmachen!“, feuerte Parkov ihn an, und Bryan stieß einen ungehörten, knurrenden Laut aus. Er war nicht wütend auf andere. Viel mehr packte ihn die Wut auf sein eigenes Versagen. Er hatte immer die hundert Liegestütze beinah mühelos geschafft, und nun drohte er schon bei fünfzig schlappzumachen? Das war so erbärmlich…, flüsterte eine kleine, stetig aggressive Stimme in seinem Hinterkopf, und Bryan war versucht, ihr zu glauben wie er damals den Erziehern geglaubt hatte. Energisch schüttelte er kurz, aber heftig den Kopf, um seine Gedanken zu klären.

Bryan kniff die Augen zusammen, als sein Arm heftiger zu schmerzen begann. Verdammt, tat das weh.. er glaubte, die leise schleichenden, jedoch umso stechenderen Schmerzen innerlich vor sich sehen zu können, wie sie sich in immer schlimmeren, heißen Wellen ausbreiteten.

Vielleicht hatte auch Tala Recht, der denselben, selbstzerstörerischen Ehrgeiz mit sich trug und ihn in diesem Bezug irgendwie verstehen konnte. Allerdings übertrieb der Rotschopf nicht so sehr wie Bryan selbst. Tala hatte seine Erfüllung in einer eigentlich toten, dafür aber viel zu lebendigen Sprache gefunden, die Bryan Chinesisch vorkam.
 

Parkov hatte sich neben ihn gehockt und beobachtete mit starrem Blick die Bewegungen seines Schützlings. Bryans Liegestützen waren immer von derselben Mechanik, und er musste bald an die 100 Liegestütze vollendet haben. Parkov hatte den Silberhaarigen schon oft hart trainieren sehen, doch noch nie in solchem Ausmaß. Es hatte beinah etwas.. Selbstzerstörerisches an sich, wie der jüngere Russe sich hier selbst an die Grenzen trieb. Parkov sah, dass er schon gefährlich nahe an der Grenze angekommen war, sah die zitternden, zuckenden Armmuskeln, sah die Anstrengung und hörte das leise Ächzen Bryan Kuznetsovs.

Parkov schüttelte den Kopf und strich sich kurz über sein Kinn. „Es reicht“, befand er schließlich mit ruhiger, dunkler Stimme und berührte den Silberhaarigen an der Schulter, woraufhin dieser heftig zusammenzuckte. Dem Trainer schoss unwillkürlich die häufig gestellte Frage in den Kopf, was Bryan Kuznetsov wohl diese Berührungsängste beschert haben mochte, doch er sprach sie nicht aus.
 

Bryan ließ sich erleichtert zu Boden sinken, aufseufzend blieb er liegen, seinen verletzten Arm unter dem Gewicht seines Körpers begrabend, abwartend, dass die grellorange Schmerzwellen, die besagtes Körperteil aussandte. Sein Gesicht berührte dabei die kühle, raue Oberfläche der Turnmatte, wie sie überall in der Halle verteilt waren. Er fühlte sich ausgelaugt, aber in einem positiven Sinn. Nur sein Arm tat noch weh, aber das würde schon vergehen.

Der Silberhaarige erhob sich irgendwann, ignorierte nun jeglichen Schmerz und stellte sich an einen Ring, an welchem Parkov Stellung bezogen hatte.
 

Parkov sprach mit einem jungen Mann mit kristallklaren, blauen Augen, den er noch nie gesehen hatte. Er hatte den alten Trainer einfach angesprochen, dieser junge Mann mit dem feuerroten Haar unter der schwarzen Mütze, und sich nicht einmal vorgestellt. Er hatte einfach nach Kuznetsov gefragt, jedoch ohne einen Namen gewusst zu haben – das war für Trainer Parkov ein eindeutiges Indiz dafür, dass er entweder Talent-Scout oder Manager war. „Ich bin sicher, Sie-“, beteuerte Parkov gerade, da sprach ihn der besagte Kickboxer an. „Ich mache mit.“, mehr sagte Kuznetsov nicht, und der Trainer musste schlau aus ihm werden – das hatte er noch nie hingekriegt, doch gerade war es sich seltsam sicher, dass es sich um den kleinen Cup in privatem Rahmen in der nächsten Woche handeln musste. Ein breites, äußerst zufriedenes Grinsen breitete sich auf dem runzligen, bärtigen Gesicht des Trainers aus – er war die letzten Tage nicht mehr zum Rasieren gekommen, weil seine Freundin ihn vor die Tür gesetzt und dabei leider vergessen hatte, dass er seine Sachen noch brauchen konnte, ehe sie sie bei E-Bay versteigert hatte.

Als Grischa Parkov sich wieder zum vermeintlichen Talent-Scout herumdrehte, war dieser bereits verschwunden. Der alte Mann zuckte ärgerlich mit den Augenbrauen. Was hatte das denn jetzt für eine Verarsche werden sollen?

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xDD Wer hat mitbekommen, wer der sog. Talentscout ist? XD
 

*knuddl* danke an alle, die Comments schreiben ^^ Ihr haltet mich an der Tastatur und versorgt mich in letzter Zeit mit genügend Plätzchen, dass ich x-Mas locker überstehen were XD
 

fühlt euch geknuddlt
 

FW

Milch

Kapitel 32: Milch
 

Tala ging, so schnell es ihm sein gerade alles andere als schmeichelhafter Gesundheitszustand erlaubte. Er hatte eigentlich bloß zwei Stunden, bis er wieder in der Klinik sein musste, mit seinem Sack und Pack für die folgenden Tage. Dr. Karschtschow hatte doch noch einen OP-Termin für ihn gefunden, am kommenden Dienstag, spätabends, und er hatte sich darüber klar werden müssen, dass er noch so einiges auf seiner Liste hatte, bevor er gehen konnte.

Ein randvoller Bus hielt direkt neben ihm, und Tala bestieg ihn nicht ohne Zögern. Er mochte keine solcherlei Fahrzeuge, doch gerade bot es ihm sich an – geradezu wie ein Zeichen einer höheren Macht, auch wenn der Rotschopf nur bedingt daran glaubte.

Wie dem auch sei, gerade war Stoßzeit, und der Bus war gerammelt voll – Tala konnte sich gerade noch in das klapperige, alte Fahrzeug hineinquetschen, da ruckelte das Gefährt schon weiter. Der Rotschopf konnte sich gerade noch so festhalten, um nicht an einen äußerst unsympathischen Skin-Head zu knallen, welcher jetzt schon einen ziemlich unangenehmen Eindruck auf den ehemaligen Teamleader der Demolition Boys. Das alles sollte nicht heißen, dass Tala es nicht locker hätte mit ihm aufnehmen können – der andere würde ihm wohl kein Haar krümmen, wenn Tala sich richtig einschätzte, auch in seinem derzeitigen Zustand.

Es ging ein Rucken durch den Bus, und ein paar Leute stiegen aus, und mit einem weiteren, kleinen Hopser ging es weiter. Tala kämpfte gegen aufkommende Übelkeit – dass er kaum mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fuhr hatte einen einfachen Grund: ihm wurde immer kotzübel, kaum hatte er ein solches Fahrzeug auch nur betreten.

Schon wieder ging ein Rucken durch den Bus, und Tala versuchte, seine Gedanken auf seine letzte Entdeckung zu konzentrieren – Bryans Kickbox-Training. Obwohl, er hatte ja gewusst, dass Bryan in diese seltsame Halle ging, und er hatte hin und wieder auch den Namen des Trainers gehört. Doch nun hatte er diesen klein geratenen, korpulenten Grigorij Parkov gesehen, hatte in seine matschig-braunen Augen geblickt und die langsam ergrauenden Haare gesehen.

Tala hatte bei sich gedacht, dass dieser seltsame alte Mann genau der richtige sein konnte, Bryan auf dem richtigen Weg zu halten. Wusste der Himmel, weshalb. Wenn es überhaupt so etwas wie einen richtigen Weg geben sollte.

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Ian blickte auf, als er die Tür ins Schloss fallen hörte, und trat aus dem inzwischen ordentlich aufgeheizten Wohnzimmer, in dem er es sich mit dem V.. – ähm, mit Hiwatari gemütlich gemacht hatte. Irgendwann war auch Spencers beinahe-Stalkerin dazugekommen, die immer mehr Zeit in ihrer Wohnung zu verbringen schien, egal, ob der Blondschopf nun da war oder nicht.

Da standen sowohl Bryan als auch Tala, und während der eine ein relativ neutrales Gesicht machte, schaute der Rotschopf drein als hätte er in den letzten Tagen nur mehr vergammeltes Brot bekommen – oder als hätten sie ihm die letzte Pizza unter der Nase weggefuttert, was bei ihm, Bryan und Spencer durchaus möglich sein konnte.

Obwohl.. nein. Keine Pizza-Situation, überlegte Ian. Da wäre er nämlich schon längst toter als tot.. Der Kleinwüchsige schalt sich sogleich selbst, doch er konnte es nicht verhindern, innerlich erleichtert aufzuatmen, als er Bryan in der Küche mit dem Herd hantieren hörte. Er hatte alle auf Kai hindeutenden Indizien wieder verstaut, von daher wähnte Ian sich in wohliger Sicherheit, und auch den Halbrussen, der dies wohl nötiger hatte als er selbst.

Tala war nicht – wie sonst auch – wortlos in seinem Zimmer verschwunden, sondern gammelte noch im Eingangsbereich der Wohnung herum. Er traktierte ihr Telefon, welches diesmal noch nicht einmal einen Mucks von sich gegeben hatte, mit grimmigen Blicken. Langsam tat Ian das weiße Kommunikationsmittel leid, das ständig unter ihrer aller Launen zu leiden hatte – eigentlich war es ja schon ein Wunder, dass es noch nicht in Flammen aufgegangen war oder anders seinen Geist ausgehaucht hatte. Er zog die Augenbraue in die Höhe. „Das arme Telefon kann diesmal auch nichts für deine schlechte Laune.“, bemerkte er grinsend, was er allerdings gleich wieder bereute. Tala konnte einem manchmal echt Angst einjagen, besonders wenn er in einer Stimmung wie dieser war.

Der Rotschopf strich sich eine Strähne aus der Stirn, jedoch ohne seinen übelgelaunten Blick aufzugeben.

„Solche Blicke machen Falten“, informierte plötzlich eine amüsierte Frauenstimme aus dem Wohnzimmer, und Talas Stirn umwölkte sich bloß noch mehr. „Sind wir jetzt eine Fremdenpension oder was?“, grummelte er so leise, dass nur Ian es hören konnte, und drehte sich ab in sein Zimmer. Nikita blickte ihm verwundert hinterher. „Ich hab‘ nicht gewusst, dass es ein Problem ist, wenn ich hier bin. Sonst wäre ich weit weniger oft hier.“, erklärte sie betroffen, doch Ian verstand es, sie zu beschwichtigen. „Mach‘ dir mal keinen Kopf wegen Tala. Manchmal hat er seine Launen, da ist es das Beste, wir lassen ihn sich in Ruhe abreagieren, ja? Außerdem hätte er dich schon längst rausgeschmissen, wenn er dich nicht irgendwie doch mögen würde.“, mit diesen beruhigenden Worten schob der Kleinwüchsige sie zurück ins Wohnzimmer.
 

Tala hatte nicht übel Lust, sich auf sein Bett zu werfen und einfach nichts zu tun. Er war wieder einmal daran erinnert worden, warum er prinzipiell lieber zu Fuß durch die Straßen Moskaus lief. Und dann war dann noch Nikita, die ihre WG scheinbar als Zufluchtsstätte sah – ihn würde es nicht wundern, sollte sie in nicht allzu ferner Zeit mit Sack und Pack vor ihrer Tür stehen.

Tala verharrte nicht lange an einem Platz in seinem Zimmer, dazu hatte er – wie ein Blick auf die Uhr bestätigte – nicht mehr die Zeit. Tala ließ einen gezischten Fluch von beträchtlicher Länge hören, ehe er sich aufraffte und endlich frische Wäsche, ein paar Klamotten und einige Zettel für die Uni zusammenklaubte und auf sein Bett beförderte.

„Was ist denn hier los? Willst du auswandern?“, meldete sich plötzlich die bekannte Stimme Ians zu Wort, welcher gerade hinter sich die Tür schloss und dem geschäftigen Treiben Talas mit gemischten Gefühlen zusah. „So was Ähnliches“, brummte der Rotschopf, welcher Anstalten machte, unter sein Bett zu krabbeln, um den Rucksack zutage zu befördern. Ian konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und schob Tala ein wenig zur Seite. „Lass‘ mich mal ran, Großer.“, meinte er. Tala saß auf dem Boden, die langen Beine im Schneidersitz, und maß den Jüngeren skeptisch. „Wenn du glaubst, du kannst es besser“, erlaubte der Rotschopf schließlich miesepetrig.

Ihm lief die Zeit davon, und mit jeder erledigten Aufgabe schienen sich tausende von neuen anzuhäufen.

Mit einem ungehörten Aufseufzen schlurfte er ins Badezimmer, um noch sein Waschzeug zu holen, wo er auf einen unerwarteten weiteren Gast traf. „Was zum Teufel suchst du denn schon wieder hier?“, zu sagen, Tala wäre überrascht, wäre reinste Blasphemie, denn Tala war nicht zu überraschen. Er rechnete prinzipiell mit dem Unmöglichen in dieser riesigen Welt, in die sie entlassen worden waren. Viel mehr war er.. überrumpelt starrten er und der Halbrusse sich an, ehe Kai Hiwatari endlich hilflos mit den Schultern zuckte. „Ich weiß nicht.“, befand er beinah verzagt, und schon war er wieder im Wohnzimmer verschwunden, wo man Nikita lachen hören konnte, kaum, dass die Tür aufgegangen war.

„Was hat dir denn heute die Laune verdorben, du alter Miesepeter?“, fragte Ian, kaum, dass Tala zurück in seinem Zimmer war. Der Rotschopf hob eine Augenbraue. „Hast du mir etwas zu den beiden Gästen im Wohnzimmer zu sagen?“, stellte er die ruhige Gegenfrage.

Eigentlich erwartete er von Ian, dass dieser nervös herumstottern würde, doch dem war nicht so. „Er ist vor unserer Haustür gestanden, und ich konnt‘ ihn nun mal nicht abweisen.“, schulterzuckend blickte der Dunkelhaarige zu seinem Gegenüber, welcher bloß nickte. Tala wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, zeigte auf den Rucksack. „Danke jedenfalls“

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Man konnte nicht sagen, Bryan wäre fröhlich gewesen, das war zu viel gedeutet für eine introvertierte und von Natur aus ernste Persönlichkeit wie ihn. Doch gleichsam erfüllte ihn jene Zufriedenheit, die er immer empfand, wenn er eine schwierige Leistung vollbracht hatte. Allein schon, wenn er an sein heutiges Training dachte – das Pensum, das er absolviert hatte, gehörte zur Sonderklasse, selbst für seine Verhältnisse. Nun war er ausgelaugt und hungrig, und vor allem verlangte es ihm nach etwas: Milch. Es mochte absurd scheinen, doch er war verrückt nach dem Kuhgesöff, dem Ian mit Freuden aus dem Weg zu gehen pflegte. Der WG-Kühlschrank – seiner Meinung nach eine Zumutung an schlechtem Geschmack – beinhaltete zwei Milchflaschen; die eine war seine, die andere für die Allgemeinheit. Die restlichen drei ehemaligen Teamkollegen wussten sehr wohl von seiner Gewohnheit, gleich aus der Tüte zu trinken, und auf Talas Anweisung hin standen immer zwei Milchflaschen im Kühlschrank.. Bryan grinste in sich hinein und führte seine Flasche zum Mund, während er sich die neuen Notizzettel auf der Kühlschranktür besah, die die kotzgrüne Verkleidung jedoch leider nicht zu überdecken vermochten.

Das Ding war.. Bryan runzelte nachdenklich die Stirn, während er sich den Milchbart von der Oberlippe leckte. Ja, wo kam das Teil von Kühlschrank eigentlich her?

Da kam dem Silberhaarigen Tala ganz recht, der zur Küchentür herein kam. Er hatte seinen Rucksack bei sich – vielleicht ging er noch in die Uni. Das war bei dem Rotschopf nicht unüblich, er hielt sich gerne in menschenleeren Hörsälen oder Bibliotheken auf, um in Ruhe lernen zu können, soweit Bryan mitbekommen hatte.
 

~*---------------------------------------------------*~

Hach, ich bin schon ein Arschloch, oder? Schon wieder ein lausiges Zwischenkapitel.. Nja.. bleibt mir treu – die Handlung geht im folgenden aber wirklich weiter.. *sich selber mit Kapitellänge überschätz* Und ein schönes Jahr 2010!

Notizzettel

Kapitel 33: Notizzettel
 

Was soll ich groß sagen heute? *überleg*

Ich danke allen Kommischreiberlein, dass ich meine derzeitige Tiefphase ertragt - dafür gibt's wieder ein Kapitelchen^^

*knuddl*

FW

*_________________________*
 

„Woher haben wir nochmal das Verbrechen?“

Eisblaue Augen hefteten sich auf den Mitbewohner, und Tala zog eine Augenbraue hoch, während sich ein schmales, spöttisches Lächeln in seine Mundwinkel schlich. „Du meinst den Kühlschrank?“, hakte er skeptisch nach, während er seine müden grauen Zellen ankurbelte. Ein Seitenblick auf die Uhr sagte ihm, dass er bald losmusste, wenn er nicht zu spät kommen wollte. Er hasste es.

„Ich hoffe für dich, mein Lieber, das ist die richtige Milch“, Spencer war eingetreten, ohne dass seine beiden ehemaligen Teamkollegen es bemerkt hätten, und musterte nun die Milchflasche in der Hand des Silberhaarigen skeptisch.

„Hat den nicht Tala gekauft, weil er ja so spottbillig war?“, fiel Bryan plötzlich ein und zeigte mit dem Finger auf den Rotschopf, welcher grummelte. „Zeig nicht mit nacktem Finger auf angezogene Menschen“, brummte er und nahm nebenbei einen der Notizzettel vom Kühlschrank. „Zahnarzttermin irgendwann im Oktober letzten Jahres, B Punkt Kuznetsov“, las er halblaut vor und musterte Bryan amüsiert. Spencer prustete schnaubend. „Den hast du wieder verpennt“, befand er, und der Rotschopf nickte. „Worauf du einen lassen kannst..“

„Dein Stalker ist wieder im Haus“, überging Bryan einfach den Spott seiner beiden Mitbewohner, woraufhin Spencer zu seiner und Talas Überraschung nickte. „Ich weiß.“, grinste er und zuckte mit den Schultern. Er nahm sich eine Schüssel und einen Beutel Nüsse und verschwand.
 

Schweigen kehrte in die Küche ein, einzig durchbrochen vom beständigen Ticken der fischförmigen Uhr, jedoch ohne auf den beiden verbleibenden zu lasten. Tala fand sich unwillkürlich an andere Zeiten erinnert – als sie beide sich noch allein hatten durchschlagen müssen auf der Straße mit ihren rauen Regeln und der Angst, den folgenden Tag zu erleben. Man mochte es kaum glauben, doch der Rotschopf schätzte jene Tage noch immer hoch in seinen Erinnerungen, auch wenn sie noch nicht einmal ansatzweise der allgemeinen Meinung von ‚toll‘ entsprachen. Sie hatten zusammengehalten, sie hatten geteilt und gestritten. Sie hatten viel und häufig gestritten, doch am Ende waren sie immer zusammengeblieben. Bryan hatte die Chance gehabt, ihn zurückzulassen, als der Rotschopf todkrank zusammengerollt in einem der provisorischen Zelte in ihrem Gebiet verkrochen und auf den frühen Tod gewartet hatte. Aber Bryan hatte ihn nicht zurückgelassen wie seine Mutter, er hatte ihn einfach auf seinem Rücken mitgetragen, und ihn bis heute nie alleine gelassen.
 

Bryan grummelte und knallte die Kühlschranktür zu, und Tala erwachte mit einem Blinzeln aus seiner Erinnerung, brauchte noch ein weiteres Blinzeln, um den trüben Schleier vor seinen Augen zu vertreiben. Vielleicht war dies der Punkt, der ihn zu einer Entscheidung trieb, die er vielleicht nicht gefällt hätte. Dem Rotschopf wurde wieder einmal bewusst, dass er seine Teamkollegen eigentlich gern hatte – mit all ihren Macken, wie auch er selbst sie hatte – und die Wohnung gerne betrat. Vielleicht war das hier so eine Art.. Zuhause für ihn; Tala konnte es nicht sagen.

Dies war der Moment, indem er beschloss, ihnen nichts zu sagen. Der Rotschopf ballte seine Hand, welche zuvor lose an seinem Körper gelehnt hatte, zur Faust und zerknüllte so ungesehen den kleinen, knallgrünen Notizzettel.

Der Silberhaarige steckte die Hände in die Hosentaschen und machte Anstalten, die Küche zu verlassen. Er grummelte verhalten und war beinahe schon wieder zur Tür hinaus, da bekam er aus den Augenwinkeln mit, wie Tala einen kleinen, grünen Zettel in den Müll schmiss, der verdächtig nach einem seiner Notizzettel aussah. Bryan drehte sich halb zum Rotschopf um und beäugte ihn misstrauisch, zuckte jedoch gleich wieder mit den Schultern. Vielleicht war es ja wieder einer seiner verschlafenen Termine..

Tala blickte auf, und obgleich er nichts von dem, was er gerade dachte, durchblicken ließ, wurde ihm mulmig zumute. Bryan beobachtete eine jede seiner Bewegungen, wie ein Raubvogel auf Beutezug. Es hatte Tala immer gleichsam nervös gemacht, beobachtet zu werden wie ein Labortier, wie es ihm vertraut war. „Lass das“, bellte er schließlich mürrisch, und verflogen war die vorher noch relativ aufgelockerte Stimmung im Raum.

Bryan gab klein bei – er wusste, Tala würde ihm so oder so nichts sagen, und sein Verlangen nach einer Dusche war gerade einfach größer als das, dem Verdacht, ob der Zettel mit seinem Zahnarzttermin nicht doch gelb gewesen war, nachzugehen.

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Spencer zog eine Augenbraue in die Höhe als er Kai Hiwatari im Wohnzimmer sitzen sah. Er war nicht überrascht – vielmehr hatte er den Halbrussen beinah in ihrem Haus erwartet. Kai war immer zweimal in einer kurzen Zeitspanne aufgetaucht, und dann lange Zeit nicht mehr. Es war wirklich ein Phänomen für sich – der Blondschopf hatte sogar etwas mehr als sonst eingefroren; Na gut, das tat er sonst allerdings auch, schon alleine, weil er in Nikita wirklich eine gute Abnehmerin gefunden hatte. Die junge Frau konnte mehr essen als man ihr zutraute.

„Hiwatari“, begrüßte er so nickend den anderen, welcher den Gruß auf selbe Weise zurückgab. „Petrov“

Nikita schien verwirrt über die kühle Begrüßung der beiden und blickte irritiert zwischen den beiden jungen Männern hin und her. Ian, welcher ihr Unverständnis bemerkt hatte, grinste leicht: „Wir haben eine etwas seltsame Art, mit alten Bekannten umzugehen.“ Es war keine Erklärung der Situation, doch die noch junge Nikita schien sich damit zufriedenzugeben. Überhaupt hatte sie Ian und Kai die letzte Stunde über gut unterhalten – sie waren von Filme über Schauspieler auf Musik gekommen, und wie es schien, hatte die Schwarzhaarige viel über die hiesige Rock-Szene zu sagen. Doch jetzt wandte sie sich ihrem großgewachsenen Arbeitskollegen und Freund zu und klimperte auffällig mit den Wimpern. „Hast du was für mich, großer Meisterkoch?“, fragte sie mit verstellter Stimme, und Spencer zog amüsiert die Augenbrauen in die Höhe, während Ian sich im Hintergrund die Hand vor den Mund presste, um nicht laut heraus zu lachen. „Nur ein Meisterkoch?“, erkundigte sich der Blondschopf grinsend. Nikita ließ den Kopf hängen. „Na gut!“, meinte sie theatralisch, „Dann eben größter aller auf Russlands schöner Heimaterde wandelnder Super-Meisterkoch?“ Spencer erlaubte sich ein Grinsen, welches ihn vom stoischen Riesen in ein fröhliches, großes Kind verwandelte. „Schon besser.“

Ian schüttelte den Kopf. „Ich weiß ja, dass zwischen euch angeblich nichts läuft, aber müsst ihr in der Öffentlichkeit rumturteln?“, beschwerte er sich, „Ich würde ganz gerne mal wieder einen anderen Film als ‚Blair Witch‘ oder ‚Nightmare before Christmas‘ oder ‚Remains the day‘ sehen.. Oder lieber gar keinen mehr.“ Er spielte damit darauf an, dass er sich in letzter Zeit auffällig oft hatte einen der drei Filme ansehen müssen, und das jedes Mal mit Spencer, Nikita oder auch wahlweise beiden. Langsam hingen ihm die Filme zum Halse raus – nicht, dass sie ihm jemals gefallen hätten. Ian war niemand, der gerne oder oft Filme ansah. Er seufzte erleichtert auf, als Nikita und Spencer die gute Stube verließen, um in der Küche über Essen zu diskutieren – oder was auch immer sie dort machten.

Kais blutrote Augen maßen die zufallende Türe eines misstrauischen Blickes, welcher sich zu einem fragenden wandelte als er sich an den jungen Pianisten wandte. Ian winkte ab. „Frag nicht“, murrte er, „Das geht jetzt schon bald einen Monat so, und wir – das heißt Tala, Bryan und ich – haben schon Wetten laufen, wann die beiden was miteinander anfangen…“

Kais blasse Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln, während Ian sich bloß die Schläfen massierte und weiter vor sich hin schimpfte. „‘Nein, wie kann man ‚Blair‘ bloß nicht mögen?‘“, äffte er missgelaunt nach, und der Silberhaarige schüttelte amüsiert den Kopf. „Jedem sein Fetisch“, gab er seine ungefragte Meinung ab, und Ian nickte aufseufzend. „Wenn sie einem ihren Fetisch bloß nicht auch noch aufzwingen würden! Ich hasse Filme!“, nörgelte der Kleinwüchsige voller Inbrust, während Kai die beiden ‚Film-Fetischisten‘, wie er Spencer und Nikita im Geheimen getauft hatte, in der Küche reden hören konnte. Er verkniff sich ein Lachen.
 

„Was sucht der Bastard hier, verdammt?“, eine eiskalte Stimme ließ die amüsiert-freundschaftliche Atmosphäre mit einem imaginären Klingen zerspringen, und mit einem Mal wurde dem Silberhaarigen wieder bewusst, dass er sich im Grunde unter Menschen befand, welche ihn als Feind ansahen.

Letzter Moment

Kapitel 34: Letzter Moment
 

Tala seufzte kurz ungehört, ehe er sich seine beiden typischen Strähnen aus dem Gesicht strich – was machte es schon, wenn sie immer wieder zurückfielen? – und langsam den Weg die Straße hinunter antrat. Eine jede Bewegung, ein jeder seiner abgehackten Schritte kam ihm vor wie der letzte, den er auf dieser Erde machte. Wahrlich, er fühlte sich wie kurz vor seinem Tod – vielleicht war dies ja auch nicht bloß Einbildung, immerhin stand ihm ein Treffen mit Gevatter Tod bevor, wie er glaubte, und gleichzeitig hatte er noch so viel zu regeln..!

Eine Welle von Selbstmitleid überwogte ihn, obgleich es nicht seine Art war, sich in solcherlei zu suhlen. Weshalb gerade er?, fragte er sich doch und bereute all die Male, in denen er alle Gelegenheiten vor sich hingeschoben hatte, sich einzusetzen.

Die eisblauen, im spärlichen, noch kühlen Sonnenlicht hellen Augen verhärteten sich. Er hatte doch schon genug gelitten – warum ließ man ihn dann nicht den Rest seines Lebens mit dem ganzen Mist in Ruhe?

Er stoppte abrupt, als ihm der Blick von dunklen, verängstigten Rehaugen, welche ihn musterten, begegnete. Sie blickten ihn in einer Mischung aus Ehrfurcht, Scheu und Angst an und veranlassten den Rotschopf, sein eigenes, grimmiges Gesicht zu mustern.

Oh ja, er sah schon überhaupt nicht aus wie ein Kinderschänder… Seine Lippen verzogen sich zu einem zynischen Grinsen – er konnte die Angst der jungen Frau beinahe riechen und drehte sich um, um ihr leibhaftig zu begegnen, doch sie war schon in der Menge rund um sie herum untergetaucht. Dabei hatte er sich bloß davon überzeugen wollen, ob sie tatsächlich denselben Ausdruck der stumm suggerierten Angst zur Schau trug wie er einst oder ob er bloß wieder zu viel in den Rest der Menschheit hineininterpretiert hatte.

Es ging ihm auf, dass er es vielleicht doch nicht eingebildet hatte – besonders wenn er bedachte, wie er gerade jetzt aussah. Er hatte immerhin den Ausdruck seines.. seines Vaters im Gesicht als dieser die Familie endgültig zerstört hatte.

Tala schüttelte den Kopf, um die brüllende Stimme, welche aus seinem Unterbewusstsein durchdringen wollte, jedoch an den vielen Ketten und Schlössern scheiterte, zu unterdrücken. Er begann zu verstehen, weshalb seine Mutter ihn damals zurückgelassen hatte – immerhin sah er seinem Vater so ähnlich, dass er sich beizeiten selbst dafür hasste, oder gehasst hatte.

Noch immer verfolgte ihn ihr Rücken mit dem langen, roten Haar manchmal im Traum, wie sie ihn zurückließ und langsam im Schneetreiben verschwand – für immer.

Ärgerlich schüttelte er den Kopf, um endlich diese aberwitzigen Gedanken abzuschütteln und zog die Schultern unter seiner dunklen Jacke hoch. Ein plötzlicher, kühler Windhauch fegte über ihn hinweg, und Tala strich sich kurz übers Kinn, welches sich stoppelig anfühlte. Er hätte vielleicht einmal rasieren können in den letzten Tagen.., überlegte der Rotschopf, nur, um sogleich wieder stumm über sich selbst zu seufzen. Also bitte, für Eitelkeit hatte er heute wirklich keine Zeit..

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„Was sucht der Bastard hier, verdammt?“
 

Ian hatte die Schwierigkeiten schon geahnt, als er Kai Hiwatari vor sich auf der Türschwelle hatte stehen sehen – im Grunde genommen, war es klar gewesen, dass es früher oder später auf eine Konfrontation hinauslaufen würde. Schon als Bryan zur Tür hereingekommen war, hatte der Kleinwüchsige vorausgeahnt, dass alles ein schlechtes Ende nehmen würde. Was sich gleich bewahrheiten würde, fürchtete er. Und das war nicht der Pessimist in ihm, das war schlicht und ergreifend die Wahrheit.

Bryan hatte sich in der Tür des Wohnzimmers aufgebaut, vereinzelte Wassertropfen benetzten seinen vernarbten, trainierten Brustkorb, welcher sich in erzwungen ruhiger Atmung hob und senkte. Er trug bloß eine Boxershort, doch dies gab seinem Erscheinen nicht weniger Wirkung. Viel mehr war das Gegenteil der Fall; eine jede der vielen Narben, die der gezeichnete junge Mann trug war sichtbar, klar und deutlich – er war derjenige mit den meisten physischen Narben.

Die zu Fäusten geballten Hände öffneten und schlossen sich in beständigem Rhythmus, wurden immer schneller, und bis auf den Atem der jungen Männer – Ian stieß die Luft geräuschvoll aus, als er bemerkte, dass er den Atem angehalten hatte. Bryans eiskalt schimmernden Augen waren zusammengekniffen, wie die eines wilden Tieres, und ein jeder seiner Muskeln schien zum Zerreißen gespannt.

Ian konnte nur raten, wie viel Zeit vor dem endgültigen Armageddon bleiben mochte, damit Kai sich in Sicherheit bringen konnte.. Das hieß, verbesserte er sich in Gedanken, wenn der Silber-Blau-Haarige überhaupt zur Flucht schreiben würde, was jedoch äußerst unwahrscheinlich erschien. Sowohl Bryan als auch Kai würden eher sterben, als sich die Schmach einer Niederlage oder gar einer Flucht zu geben, darin waren sie immer schon gleich gewesen.

Das Rascheln von Stoff ließ den Pianisten von Bryan hinüber zu Kai blicken, welcher sich erhoben hatte und scheinbar lässig dastand.

Doch bloß scheinbar, wie auf den zweiten Blick feststellbar: Kais Kiefer waren so fest zusammengepresst, dass der Kleinwüchsige glaubte, seine Zähne knirschen hören zu können. Seine Hände hatte er in die Hosentaschen gesteckt, doch es war klar, dass dies bloß Farce war. Kais blutroten Augen glänzten blank und von verhaltenem Hass auf den anderen, welcher den Blick mit derselben Intensität erwiderte.

Sollte es zum Eklat kommen, war den beiden Streithähnen zuzutrauen, gleich zuzuschlagen – das einzige, was sie im Moment voneinander unterschied, war ihre Aura. Kai war, trotz seiner zum Zerreißen gespannten Muskeln und Sehnen, ruhig wie ein dem Tode geweihter Gladiator, während Bryan nur so vor Aggressivität und Hass überzuquellen schien. Der Silberhaarige zitterte vor Anspannung, und seine Fäuste blieben nun geballt, während in seinen grauen Augen Stürme über einem arktischen Meer tobten.

„Was suchst du hier, Bastard?“, wandte sich nun Bryan knurrend direkt an Kai, beinahe ohne die zusammengekniffenen, blassen, schmalen Lippen zu bewegen, welche eine harte Linie bildeten.

„Selber Bastard“, die Stimme des Halbrussen war rau von unterdrückten Aggressionen, doch laut und verständlich zu vernehmen.
 

„Scheiße nochmal“, Ian drehte sich zu Spencer herum, welcher im Hausflur stand und leise vor sich hin fluchend auf Bryan zuging. Scheinbar hatte ihn die Stimme des Hiwatari-Sprösslings aus der Küche gelockt. Hinter ihm sah Nikita aus der Küche hervor, schien jedoch instinktiv zu spüren, dass es besser für sie war, sich nicht einzumischen. Spencer packte Bryan grob am Arm, rüttelte leicht daran. „Es langt jetzt“, schalt er, doch der Silberhaarige, welcher bloß kurz gezuckt hatte als der großgewachsene Russe ihn berührte, schien noch nicht einmal zuzuhören. Sein ganzer Körper war angespannt – keiner der beiden hatte sich auch nur einen Millimeter von der Stelle gerührt. Nun trat auch Ian in Aktion, indem er sich vor Bryan aufstellte, die Arme in die Hüften gestemmt, und seinen Blick suchte.

„Kuznetsov!“, sprach er ihn in einem bellenden Tonfall an, auf welchen er normalerweise immer reagierte, wenn Tala ihn anschlug. Vielleicht, so hoffte er, konnte er damit etwas bewirken. Tatsächlich richtete sich der Blick des Silberhaarigen auf Ian, leicht verwirrt, doch nun endlich ansprechbar, wobei dieser den Augenkontakt keinen Moment abwandte. Spencer packte ihn ohne Vorwarnung von hinten und schleifte ihn aus dem Türrahmen, noch ehe er protestieren konnte – völlig überrumpelt ließ Bryan dies alles mit sich geschehen.
 

Ian sandte Kai Hiwatari einen Blick, welcher ihm zeigte, wie wenig willkommen er ihm im Moment war. „Es ist Zeit für dich, zu verschwinden.“, stellte Ian nüchtern fest, „Du weißt ja, wo die Tür ist.“
 

Die Haustür fiel zu, und wohl im selben Moment schien Bryan seine Starre überwunden zu haben. Heftig und vor allem lautstark fluchend hämmerte er gegen die abgeschlossene Badezimmertür, welche unter seinen Schlägen bebte. Ian seufzte und tauschte einen Blick mit Spencer, ließ sich an der besagten Tür zu Boden rutschen und wischte sich fahrig übers Gesicht. Der Moment ihres Einschreitens war der allerletzte gewesen. Wirklich der allerletzte.
 


 

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Und? xD Diesmal wieder etwas mehr Handlung, im nächsten Kapitel kommt auch mal ein bisschen was raus, WARUM Bryan und Kai sich so hassen.. vielleicht xD Wenn ich eine Motivation bekomme;)

Was denkt ihr? *fg*
 

*knudda* und ein herzliches Dankeschön an meine liebsten Kommischreiber - das Kapitel ist euch gewidmet ;3
 

FW

Spiegelbild

35: Spiegelbild
 

Bryan hämmerte eine gefühlte Ewigkeit gegen die robuste Tür – Ian überlegte, während er die dumpfen, leicht abgedämpften Schläge in seinem Rücken spürte, ob Tala sich schon bei ihrem Einzug bereits solcherlei Szenarien ausgemalt hatte. Er erinnerte sich noch lebendig daran, wie Tala in der Tür gestanden und stur darauf beharrt hatte, die Badezimmertür – vor ihrem Einzug bloß ein Vorhang – durch ein besonders dickes, stabiles Exemplar auszutauschen. Tala hatte es niemals ausgesprochen, und es war auch nicht vonnöten gewesen, doch der helle Blick der Augen war zu Bryan gewandert, welcher zu jener Zeit noch zu diversen Psychologen hatte laufen müssen und dementsprechend reizbar gewesen war.

Psychologen waren ihnen allen durch die BBA aufgezwungen worden, außerdem noch sogenannte Resozialisierungsprogramme, die sie alle vier gehasst hatten. Aber es war nötig gewesen, musste Ian für sich zugeben. Er selbst war schreckhaft gegenüber Fremden gewesen, Spencer hatte in seinem Beschützerinstinkt keinen an das Team näher als drei Meter rangelassen, Tala war empfindlich gegenüber einer jeden Berührung gewesen und Bryan hatten die Psychologen als psychisch instabil eingestuft – obgleich der Silberhaarige vor dem Team oft das Gegenteil bewiesen hatte.

Ian seufzte. Heute allerdings war Bryans Aussetzer ein Meilenstein in der langen Geschichte der Rückfälle.. Wobei dieselben gar nicht mehr vorgekommen waren im letzten Jahr – davor aber hatte Bryan bereits einmal den Vogel abgeschossen, indem er auf unschuldige, zufällig starrende Passanten losgegangen war – also seit Bryan mit dem Kickboxen begonnen hatte.

Und jetzt? Bryans Ausbrüche hatten sich ohne Grund wieder gehäuft.
 

Vielleicht hatte Tala Recht gehabt, als er neben dieser einen auf verstärkte Türen verzichtet hatte – das war wirklich genug, dachte der kleinwüchsige Pianist bei sich, und wünschte den Rotschopf zu sich. Der Teamleader hatte immer gewusst, was zu tun war, um Bryan zu beruhigen, anstatt ihn in ihr kahles Badezimmer einzusperren, welches den Kleinwüchsigen so sehr an die Abtei und ihre Zellen erinnerte, wenn die Türe geschlossen war.

Das Toben hinter der Tür hörte kurz auf, um bloß zwei Augenblicke später abermals über ihn hereinzubrechen. Ian hörte noch Bryans Stimme, wie er in einem lichten Moment scherzte, ob Tala die Tür bloß hätte einbauen lassen, weil er Angst hatte, beim Wichsen erwischt zu werden.

Ein kurzer Moment der Ruhe wurde ihm vergönnt, während dessen der Kleinwüchsige sich übers Gesicht fuhr. Das Schmunzeln, welches die Erinnerung hervorgerufen hatte, verschwand wieder.
 

Auf einmal war es still in der Wohnung, wenn man von den Techno-Klängen vergaß, welche unter Spencers angelehnter Tür hervorkrochen. Sie untermalten diese eigentümlich bedrückte Stille irgendwie, fand Ian und lehnte den Kopf an die nun nicht mehr zitternde Badezimmertür. Eigentlich wollte er in diesem Moment bloß an sein Wandklavier und die Stille um ihn herum mit Tönen füllen.. – Aber irgendwer musste doch in Bryans Nähe bleiben. Nicht, dass der Silberhaarige sich je etwas angetan hatte – er hatte seinen Frust immer an anderen ausgelassen – es war bloß.. eine Ahnung, wenn man so wollte.

Ian blieb lieber dort, wo er noch eine Ahnung von Schrödingers Katze hatte als den Deckel der Kiste vollständig zu schließen..

Warum fiel ihm gerade jetzt die Theorie eines Physikers ein?, fragte sich Ian, während er auf die Scherben sah, die Zeugen Bryans Wutausbruch waren. „Vielleicht sollte die jemand wegräumen“, fand er für sich, jedoch ohne sich auch nur einen Meter fortzubewegen, und blickte auf das Bild, welches den einzigen wirklichen Schmuck im Hausflur dargestellt hatte und nun in vielen Stücken am Boden lag.
 

~*--------------------------------------*~
 

„Verdammt, was sperrt ihr mich ein und nicht den Bastard?!“, brüllend warf Bryan sich gegen die Tür, bearbeitete sie mit schmerzenden Fäusten. „Er hat Schuld, verflucht, nicht ich!“

Seine Kehle schmerzte, als er die letzte Silbe mitsamt seiner verbleibenden Wut herausbrüllte: „ER!“
 

Mit einem letzten, einem Jaulen gleichen Aufschrei gab er schließlich seinen Kampf mit dem übermächtigen Gegner auf. Die Tür war nicht kleinzukriegen, und schlug er sich auch die Knöchel blutig. Seine Kehle schmerzte und brannte, ein jeder Atemzug fühlte sich an als schluckte er Schmirgelpapier, stach in seinem Hals genauso wie in seiner Brust. Bryans Fäuste schmerzten, und vielleicht war es der Schmerz der aufgeplatzten Fingerknöchel, welcher ihn ungläubig darauf starren ließ. Die sturmgrauen Augen weiteten sich, während er vorsichtig mit blutbeschmierten Fingern seine Hänge betastete, und er kniff sie zusammen. Was hatte er schon wieder getan?

Er blickte sich um, begegnete seinem Spiegelbild, welches seinen Blick genauso verwirrt erwiderte. Seine Hände mit Blut und Schweiß besprenkelt, jedes Atemholen eine Feuersbrunst – das letzte, woran er sich erinnern konnte, bevor alles mit weiß-milchigem Nebel überzogen war, war, dass er ins Wohnzimmer geblickt hatte und..
 

Er wollte knurren, doch seiner Kehle entwich bloß ein schwaches Jaulen.

Hiwatari.

Kai Hiwatari war in ihrem Haus gewesen, in ihrer Wohnung, in ihrem Wohnzimmer – und keiner hatte etwas gegen die Anwesenheit des Verräters unternommen. Wegen ihm.. wegen ihm hatten sie..

„Es ist doch seine Schuld“, brachte der Silberhaarige schwach flüsternd heraus und sank auf dem Badewannenrand zusammen, die Ellbogen auf die Knie gestützt und den Kopf in den Händen vergraben, „Nicht meine.“

Der Spiegel antwortete ihm nicht, doch er kannte die Erwiderung bereits. Sie gaben ihm die Schuld – nicht direkt, doch er wusste es.

Bryan blickte auf, sah wieder den sturmgrauen, verzweifelt umwölkten Blick aus den Augen und schaute genauer hin. Die ganzen Narben, das scheinbar versteinerte Gesicht, die gebrochene und schlecht verheilte Nase.. war das wirklich noch er? Oder war er wieder das Monster, zu dem man ihn hatte machen wollen?

Bryan erinnerte sich noch an all die einsamen Abende, die er weggesperrt in der Nähe der Laboratorien verbracht hatte, sein Spiegelbild die einzige Gesellschaft in der spärlich von einer Petroleumlampe beleuchteten Dunkelheit – man hatte kein elektrisches Licht für die Schüler übrig gehabt, weil all der Strom für die Labore gebraucht wurde. In der kleinen Scherbe hatte ihn immer der kleine Junge erwartet, mit dem er darüber sprechen konnte, was vorgefallen war – in Gedanken, denn er hatte immer gewusst, dass man ihm nur wehtun würde, hätte man ihn gehört. Und die Wände waren sehr dünn gewesen.
 

Die grauen Augen blickten ihn aufmerksam an, und unwillkürlich erinnerte er sich an das unwirkliche Flackern des Lichtes auf dem Gesicht seines Spiegelbildes, welches niemals einen Namen erhalten, aber sein einziger Freund gewesen war.

Und nun blickte er in das vertraute Gesicht, welches eines Tages nicht mehr zu ihm Gesprochen hatte, und erkannte es kaum wieder. Die ganzen Narben, der harte Zug um seinen Mund.. war das alles schon immer da gewesen?

Er stellte das Wasser an, wusch sich seine verschmierten Hände und das Gesicht und sah auf. Ein Seufzen entwich seinen Lippen, während er leise die erklärenden Worte flüsterte, um den anklagenden Ausdruck seines Spiegelbildes zu mindern. „Es war doch sein Plan..“, Kais Plan.

Der ihrer aller Leben für immer verändert hatte.
 

~*-----------------------------------------*~
 

Die Stille war beinahe friedlich geworden, und Ian traute sich nun, da er sich Bryans Gemütszustand sicher war, endlich in sein Zimmer. Er stieg über die Scherben des Bildes hinweg, welches vergangene Zeiten anzeigte, einen glücklichen Moment in schlechter Zeit, um in sein Zimmer zu gelangen und hörte, kaum dass er die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte, die Badezimmertür mit einem Klicken aufgehen. Ein schmales Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, ehe er sich an sein Klavier setzte und auf Lebenszeichen der anderen horchte.
 

Bryan zuckte zusammen und fluchte verhalten, als er die Scherbe in seinen Fuß dringen fühlte, und blickte nach unten. „Verdammt“, knurrte er und bückte sich nieder. Ihn kümmerte der Glassplitter in seinem Fuß wenig, während er den Schaden betrachtete, welchen er vermutlich angerichtet hatte. Das einzige Bild, welches ihm jemals etwas bedeutet hatte – im Grunde dem ganzen Team – lag auf dem Boden, mit der Bildseite nach unten. Splitter hatten sich rundherum verteilt, welche vom Glas stammte, und der Rahmen lag in Stücken in der Nähe. Das Blut, welches aus seinem Fuß quoll, verschmierte den Fliesenboden, doch Bryan konnte die Photografie gerade noch retten.

Es war doch das einzige Photo, das sie von sich allen hatten!

„Wer hat das jetzt kaputt gemacht?“, fragte er ärgerlich, ehe er innehielt. Das Geräusch von klirrendem, zerspringendem Glas kam ihm in den Sinn, und Bryan stöhnte gequält. „Nein..“ Er war seine Schuld.

Bryan hatte gar nicht bemerkt, wie er den Atem angehalten hatte, während er das Bild betrachtete, welches vor seinen Augen lebendig wurde. Schneeflocken wirbelten um ihn herum, und er sah sich selbst, wie er skeptisch – im Spiel innegehalten – in die Kameralinse blickte. Seine Nase war noch gerade und sein Gesicht trotz der Skepsis noch fröhlich.

Ian war noch beinah ein Kleinkind, lachte und patschte mit seinen winzigen Händchen im Schnee, während Spencer – damals schon der Größte von ihnen allen – den Kleinen festhielt, damit er nicht plötzlich umfiel. Und neben Bryan leuchteten die ihm nur zu gut bekannten, blutroten Haare Talas, welcher ihn antippte. ‚Komm schon, vergiss die Typen‘, schien er zu sagen, und wies mit dem Finger hinüber zu einem kleinen Kai, welcher im Inbegriff war, einen Schneeball zu werfen, ‚Wir müssen schließlich Kai ‘ne Abreibung verpassen‘
 

Bryan blickte nachdenklich auf die Photografie. Damals – das musste jetzt gut über 13 Jahre her sein. Damals waren sie gerade von Balkov aufgegabelt worden. Damals war die Welt noch irgendwie in Ordnung gewesen. Damals waren sie noch so etwas wie.. Freunde gewesen.
 

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*überleg*

Ich weiß nicht, ganz zufrieden bin ich hiermit nicht.. Aber was sagt ihr?

*knuddl*

FW

Was Teppiche und Wandfarbe gemeinsam haben

Kapitel 36: Was Teppiche und Wandfarbe gemeinsam haben
 

Die automatischen Türen der Privatklinik schlossen sich mit einem leisen Zischen hinter ihm, welches ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Tala trat durch einen Schwall trockener Luft hinein in eine überheizte Eingangshalle, welche vollkommen – wirklich vollkommen – in einem seltsamen Mintgrün gehalten war. Zumindest schien man nach dem Streichen der Wände noch genug Farbe für den Boden und die etwas entfernt stehende Theke übrig gehabt zu haben, denn das einzige, was nicht in Grün gehalten war, waren die weiße Einrichtung des Raumes (wollte heißen, ein paar Plastik-Gartenstühle) und die babyblaue Schwesternkluft der Empfangsdame.

Schon nach wenigen Minuten Aufenthalt in dem eher kleinen Raum wünschte sich der Rotschopf eine frische Brise. Er rümpfte die Nase, wie immer, wenn der Geruch eines Krankenhauses in seine Reichweite kam, und fasste den Griff seiner Tasche fester.

Hinter der Theke saß eine Kaugummi kauende Frau in Schwesterntracht, welche der Rotschopf auf knappe 40 schätzte. Sie hatte sich über eines der örtlichen Klatschblätter gebeugt und schien ihn noch nicht einmal wahrzunehmen, genauso wenig wie die grauenhafte Farbe rund um sie herum, und das, obwohl er vor ihr Aufstellung genommen hatte. Tala verdrehte die Augen, ehe er sich kurz räusperte. Die Frau schreckte auf und zupfte kurz an ihrem blonden Haar und der darauf platzierten Haube herum, während sie sich äußerst wortreich nach seinem Begehr erkundigte. „Ja?“, fragte sie mürrisch, und man konnte ihr ansehen, dass sie wohl lieber irgendwo im GUM gewesen wäre als hier.

Der Blick, womit sie ihn bedachte, sollte ihn wohl darauf hinweisen, wie vielbeschäftigt sie war, doch Tala ließ sich nicht abschrecken. Viel mehr nahm er die Herausforderung nicht ohne Schadenfreude an. Sein Blick erwiderte, wie viel sie denn zu tun hatte, wenn sie auch Zeit für Klatschblätter hatte – bei den Klatschblättern senkte er vielsagend seine Augen auf die bedruckten Papierbögen und zog spöttisch eine Augenbraue in die Höhe. Ian hätte ihm nun sicher einen Vortrag über soziales Verhalten gehalten, wie er es gerne tat, wenn der Rotschopf sich gegen soziale Normen wie Höflichkeit auflehnte.

Die junge Frau lief tiefrot an, sodass sie seiner Haarfarbe beinahe Konkurrenz machte – doch bloß beinahe. Tala war zufrieden über diesen Ausgang dieser kleinen, nonverbalen Auseinandersetzung, was seine Laune merkbar hob. Ein kaum merkliches Grinsen schlich sich auf die schmalen Lippen des Rotschopfes – sie hatte sich eben mit dem Falschen angelegt.

„Ich habe einen Termin bei Dr. Karschtschow.“

Die Schwester blätterte gar nicht erst im Terminkalender, welcher vor ihr lag, um Zeit zu schinden – er zeigte am heutigen Tag sowieso beinahe tabula rasa – sonder führte den zukünftigen Patienten durch einige Gänge hin zum Büro der Ärztin.

Der Rotschopf war beinahe froh, dass die abschreckend grüne Farbe hier nicht mehr gereicht hatte; die Wände erstrahlten in klinischem Weiß, was ihn eher beruhigte als die vorgetäuschte Freundlichkeit in der Empfangshalle der Privatklinik.
 

Dr. Karschtschow blickte von einer medizinischen Fachzeitschrift auf und strich sich eine Strähne ihres blonden Haars hinters Ohr, rückte die Brille auf ihrer Nase zurecht und suchte mit ihren Blicken den Himmel nach Wolken ab – im Radio hatte die Wettervorhersage Regen gemeldet, doch noch war der Himmel so blau wie Kornblumen. Erste Frühlingsblumen machten sich in der Parkanlage, welche klein, aber durchaus gut gepflegt die Privatklinik umgab, bemerkbar und reckten ihre kurzen Hälse vorsichtig dem wärmenden, lebensspendenden Licht der Sonne entgegen. Die blonde Ärztin seufzte – es war schon wieder einer dieser schönen Tage, an denen sie garantiert zu arbeiten hatte, auch wenn heute nicht viel los war. Nun gut, heute war eigentlich noch überhaupt nichts los gewesen, alle ihre Patienten hatten – bis auf die paar, die gerade in Behandlung waren und zur Untersuchung mussten – abgesagt.

Es klopfte, und Dr. Karschtschow setzte sich gerade hin, beobachtete, wie der rotschöpfige Patient eintrat und sich ungefragt auf einen der mit Leder bespannten Sessel niederließ, die Dr. Karschtschow von ihrer ehemals eigenen Praxis behalten hatte. Die blonde Frau erinnerte sich an den Patienten – der Mutant, wie er unter ihren Assistenten schon genannt wurde, war aufgrund seines roten Haares nicht zu verkennen. Sie blätterte in der Akte, während sie sich noch einen Moment der Ruhe gönnte, bevor sie richtig loslegen würde.
 

„Sie sind also bereit, anzufangen?“, grüne Augen richteten sich auf Tala, welcher den Blick kurz skeptisch erwiderte, ehe er nickte. Vor dem Fenster, welches links von Dr. Karschtschow nach draußen zeigte, zogen langsam, aber sicher schwere Regenwolken zusammen.

„Gut“, Dr. Karschtschow schlug die Akte zu, „Dann folgen Sie doch bitte Schwester Ljudmila auf eines der Zimmer. In einer Stunde können wir dann mit dem Ultraschall beginnen.“

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Bryan hatte sich, nachdem die Scherben weggeräumt waren, ins Wohnzimmer begeben und begonnen, in der Kommode hinter dem Samowar zu kramen. Er wusste nicht genau, was er suchte, aber irgendetwas – das wusste er einfach – musste in dem Schrank vergraben worden sein, was nicht dorthin gehörte.

Die Kommode – ein Erbstück Bryans von irgendeinem weit entfernten Verwandten – war ein äußerst hässliches Möbelstück, und irgendwann war alles, was zwar nicht gebraucht, aber auch nicht weggeschmissen werden sollte, einfach dort drinnen gelandet. Das Zeug verstaubte dann meistens, bis einer von ihnen einen plötzlichen Anfall von Ausmist-Wut bekam. Es musste nicht erwähnt werden, dass dies nie der Fall war.

Bryan stöberte in den Untiefen der Kommode und stolperte zufällig über einen zerknitterten Brief, welchen er jedoch rasch wieder weglegte. Es war doch bloß der Brief seines Ur-ur-Großonkels mütterlicherseits, Nikolaj Wroljew, der ihn nicht hatte zu sich nehmen wollen – nicht, dass Bryan das gewollt hätte. Weder kannte er den Mann, noch hatte er von seinem Team, seiner Familie, weggewollt.

Irgendwo weiter vorne waren Tassen mit irgendwelchen Firmenlogos darauf, die ihnen irgendwelche interessierte Sponsoren angedreht hatten, dann ein Teppich, der aufgerollt das Ergebnis eines kleinen Unfalls mit der Wandfarbe seines Zimmers entblößte.. Bryan schüttelte den Kopf. Das Streichen damals war doch ziemlich in die Hose gegangen.. oder auf die Hose, besser gesagt.
 

„Was machst du da?“, fragte plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihm.

Bryan stieß sich schmerzhaft den Kopf an, als er hochfuhr, und drehte sich blinzelnd zum Sprecher um. Spencer hatte sich hinter ihm aufgebaut und beobachtete wohl schon eine Weile, wie er, unschön mit dem Hintern wackelnd, in der Kommode kramte.

„Au, verdammt!“, beschwerte sich der Silberhaarige und sandte dem Hünen einen vernichtenden Blick, doch dieser ließ bloß ein leises, hämisches Lachen hören, „Mich hat die Ausmist-Wut gepackt, sieht man das nicht?“

Wie zum Beweis rollte Bryan den mit weißen Farbkleksen besprenkelten Teppich vor Spencer auf, welcher bloß die Schultern zuckte. „Wenn du dich bloß an dein nicht existentes Talent als Maler erinnern wolltest hättest du auch einfach in dein Zimmer gehen und die Wand anstarren können“, tat er altklug kund und gab der ruinierten Auslegware einen Schubser mit dem Fuß.

Bryan zog eine Augenbraue hoch und machte ein mürrisches Gesicht. „Vom Treten wird der auch nicht wieder neu“, fand er, die Bemerkung über den kleinen Vorfall beim Streichen seines Zimmers, wobei er sich ausversehen in eine Wanne voller Farbe gesetzt und dies nicht bemerkt hatte, bis er sich auf dem Teppich niederließ, übergehend, „Der sollte wirklich mal entsorgt werden“

Spencer verdrehte die Augen. „Und das soll deiner Meinung nach wer übernehmen?“, fragte er, während ihm eine leise Vorahnung zuflüsterte, so schnell wie möglich zu verschwinden, ehe ihm irgendeine Aufgabe aufgehalst wurde. Oder Tala zu holen. Der konnte Bryan immer dazu bringen, sein Zeug selbst zu erledigen statt aus notorischer Faulheit einfach alles an andere abzuschieben.

Bryan zeigte ein schmallippiges Grinsen. „Immer der, der fragt“, bemerkte er geistreich. Spencer seufzte innerlich auf. Zu spät. „Oder der, der die blöde Andeutung macht?“, schlug er daher nicht sonderlich gut gelaunt vor.

„Der hat gerade anderes zu tun wie du siehst“, gab der Silberhaarige kühl zurück und richtete sich auf, blickte Spencer direkt in die Augen. „Der kann seinen Kram allerdings selbst erledigen und den verdammten Teppich selber runtertragen“, Spencer erwiderte den Blick des anderen ebenso kühl.

Der Blondschopf wusste, wie leicht reizbar Bryan war, aber er hatte es manchmal einfach satt, nichts zu sagen, wenn ihm wieder alle auf den Nerven rumtrampelten und die zehn As der Arbeitswelt* anwandten. Manchmal wollte er sich einfach beweisen, dass er nicht immer sprang, wenn irgendwer pfiff – dagegen hatte er sich immerhin lange genug gewehrt.

Außerdem sollte Bryan ruhig mal merken, dass er ihm nicht auf der Nase rumtanzen konnte, bloß weil der Blondschopf Tala hin und wieder einen Gefallen tat – dass der ehemalige Teamleader furchteinflößender sein konnte als Bryan spielte dabei allerdings auch eine nicht unbedeutende Rolle.

„Ich hab‘ aber keine Lust dazu, und weil du gerade nichts zu tun hast, kannst du auch gleich einen neuen Rahmen kaufen gehen.“, gab Bryan nun zurück.

„Wer konnte sich denn wieder nicht beherrschen?“, meinte Ian neutral, spazierte zur Tür herein und warf einen überraschten Blick auf den verschandelten Teppich. Andere, die die beiden nicht sonderlich gut kannten, hätten sich jetzt vielleicht aus der gröbsten Gefahrenzone verkrochen und von einem hochgelegenen, sicheren Ort aus die Auseinandersetzung beobachtet, aber Ian war da anders – er stellte sich zwischen den beiden auf, blickte von links nach rechts, um zu beobachten, welcher zuerst zuschlagen würde.

Er wurde enttäuscht, denn Spencer schnappte sich schnaubend den Teppich und rauschte mit schlagender Türe aus dem Haus. Ian grinste spöttisch. „Das geht auch leiser“, bemerkte er zum Türenknallen. Ach, was waren Spencer und Bryan nur für Sonnenscheinchen..
 

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Kurz, kürzer.. Zwischenkapitel=P Aber im nächsten gibt’s dann endlich mal wieder Tala im Überfluss. Und er ist halbnackt. xDD

Hach, ich finde den Kapiteltitel einfach bescheuert.. xDD Aber ich liebe die FF trotzdme XD

Danke an alle Kommentare *kekse und schokolade dalass*

*knudda* FW

Zerbrechlich

37: Zerbrechlich
 

„Wenn Sie sich bitte frei machen“, mit einer routinierten Geste deutete Dr. Karschtschow zunächst auf den schwarzen Trainingsanzug, welchen ihr Patient für seinen Krankenhausaufenthalt angezogen hatte, und machte eine einladende Geste in Richtung einer bereitstehenden, flachen Liege, während ihr der Gedanke kam, wie schmal und.. zerbrechlich der Rothaarige in schwarz aussah. Beinahe wie ein Kind, obgleich dieser Vergleich hinten und vorne hinkte, was klar wurde, nachdem sie einen Blick auf seinen trainierten Oberkörper hatte werfen können.

Der Rotschopf entledigte sich ausnahmsweise widerspruchslos der überflüssigen Kleidung und ließ sich in seinen blau-weiß karierten Shorts auf der Liege nieder. Irgendwie erinnerte ihn die Untersuchung, die ihm bevorstand, an frühere Zeit, als Ärzte und Wissenschaftler während solcher Visiten um ihn geschart und angestrengt auf allerlei Monitore geblickt hatten, während sie in unverständlichem Fachjargon miteinander diskutierten. Natürlich hatte er damals kein Wort verstanden, und vielleicht waren ihm auch deshalb Untersuchungen aller Art ein Graus.

Seine Augen schmerzten in Erwartung eines grellen Lichtes, welches ihn blenden würde, und er schloss die Lider, immer darauf harrend, dass gleich eine barsche Hand sein Auge aufreißen würde. Doch nichts dergleichen geschah, und während er die Augen wieder öffnete, blickte er gleichzeitig Dr. Karschtschow an und ins Antlitz der unheimlichen Wissenschaftler aus den Laboratoren.

Die Berührung mit etwas Kühlem, Gallertartigen holte Tala zurück in die Realität. Er blinzelte kurz, richtete seinen Blick auf die Blonde Ärztin.

Die unerwarteten Erinnerungen legten ihn manchmal momentelang lahm und ließen ihn innehalten, immer darauf wartend, dass er aufwachen und sich wieder in der Abtei wiederfinden würde, schweißgebadet auf seinem knarrenden, alten Bett im großen Schlafsaal. Sein Herzschlag beschleunigte sich nie, doch er spürte noch immer das nervöse Flattern im Magen, wenn er sich an die Treppe hinunter in den Keller zu den Laboren erinnerte.
 

Dr. Karschtschow verteilte kühles Gel auf seinen trainierten Bauch und schaltete den Monitor des bereitstehenden Ultraschallgeräts ein. Ein Summen und schon flackerte ein verschwommenes, unscharfes Schwarzweißbild kurz. Die blonde Ärztin verdrehte die Augen, ehe sie der Maschine einen Klaps gab. „Verdammte Technik, nichts geht, wenn’s soll.“, grummelte sie zu sich selbst, und ein schmales Grinsen zog sich unsichtbar über Talas Züge. Diese Frau hier war bestimmt keine der Wissenschaftler, und irgendwie beruhigte ihn dieser Gedanke umso mehr.

Flimmernd ging das Gerät nun tatsächlich dazu über, betriebsbereit zu sein. Auf dem fleckigen Schwarz-weiß-Bild, auf dem des Rotschopfs ungeschultes Auge überhaupt nichts erkennen konnte, zeigten sich seine Innereien – oder was auch immer die dunklen und helleren, breiten und weniger breiten Flecken sein sollten, die dort aufschienen. Dr. Karschtschow war nun – im Gegensatz zu ihm, der sich immer unwohler zu fühlen begann, sich dies jedoch nicht anmerken lassen wollte – vollkommen in ihrem Element.

Sie rückte ihre Brille zurecht, maß ihren Patienten mit einem prüfenden Blick, betrachtete kurz den durchtrainierten Körper des Rothaarigen. Sie hörte die leise Stimme in ihrem Kopf, welche ihr manchmal Ahnungen in den Kopf setzte, obgleich es weder Hand noch Fuß dafür gab, und vertrieb sie mit einem mentalen Wegwischen. Für die Stimme in ihrem Kopf hatte sie später auch noch genug Zeit. Stattdessen konzentrierte Dr. Karschtschow sich nun auf ihren Patienten.

Die Ärztin wies mit dem Finger auf verschiedene, runde und nicht ganz so runde Flecken auf dem Bildschirm und erklärte: „Das hier, was Sie hier sehen, ist die Leber. Daneben liegt gleich das erste der Implantate – das sollte wohl für eine bessere Leberfunktion sorgen, hat die Arbeit jedoch nie aufgenommen.“ – „Woher wollen Sie das wissen?“, unterbrach Tala beinah brüsk. Ihm hatten schon viele Ärzte Dinge erzählt, von denen er kaum Ahnung hatte. „Ganz einfach“, die Ärztin schob ihre Brille zurecht, während sie sprach, „die meisten anderen Implantate sind mit den Organen verwachsen, dieses jedoch nicht – das bedeutet, dass es seine Tätigkeit nicht aufgenommen hat.“ „Aha“, lautete die missmutige Antwort, und Tala ließ sich wieder von seiner aufgestützten Position in eine entspanntere nach hinten sinken.

Dr. Karschtschow sah dies als Aufforderung, weiterzusprechen, und wies auf ein anderes Organ. „Das hier sind Magen und Darm – das Implantat ist anfangs verwachsen, scheint jedoch bald die Funktion aufgegeben zu haben, genauso wie bei der Lunge.“, die Ärztin verteilte noch etwas Gel auf Talas Brustkorb, um ihm auch seine Lunge zeigen zu können. Tatsächlich war da ein Implantat – irgendwie erinnerte es den Rotschopf an einen runden Stein, den er einmal gefunden hatte – welches bloß zum Teil vom Gewebe eingeschlossen war, im Gegensatz zu dem an seinem Herzen, welches er als nächstes zu sehen bekam; sein Herz sah aus als wüchse ein riesiger, bösartiger Tumor daraus hervor. „Und das“, fragte Tala nun beinahe ehrfurchtsvoll, „soll das Implantat sein, das mich umbringen wird?“

Dr. Karschtschow blickte ihn überrascht an, hatte einen solchen Ausspruch nicht erwartet. „Nun, das ist das Implantat, das die meisten Probleme verursacht, könnte man sagen. Da es, wie alle anderen, seine Tätigkeit aufgegeben hat, ist es wie eine Art Geschwür, bloß, dass es seine jetzige Größe beibehalten und nicht wie ein Tumor weiterwuchern wird.“
 

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Bryan schnaubte und grub sich wieder weiter in den Schrank hinter dem Samowar. „Was suchst du überhaupt?“, wollte Ian wissen, während er seinen Mitbewohner mit skeptisch schiefgelegtem Kopf beobachtete. Bryan fuhr hoch, hatte vollkommen vergessen, dass Ian auch noch da war. „Autsch“, murrte er aus dem Schrank heraus, und Ian glaubte beinahe, der Schrank könnte reden. Er lachte kurz. „Eigentlich könntest du dich im Schrank verstecken, wir stellen dich auf die Straße und machen ein Monstergeschäft mit dem Schrank, der auf alle Fragen antwortet“, sinnierte der Kleinwüchsige gut gelaunt. Bryan tauchte aus dem Schrank auf, das nächste Fundstück in der Hand – ein alter Tennisschläger, der allerdings arg zertrümmert war, und grinste. „Wer von uns hat Tennis gespielt?“, fragte er amüsiert, „Und dann auch noch so schlecht, dass er ihn zerbrechen musste?“ Ian zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung“, lachte er leise, „Aber so wie er aussieht musst du ihn in einem deiner Wutanfälle zerbrochen haben“

Bryan verdrehte die Augen und verfrachtete den Schläger auf den »Muss-unbedingt-weggeworfen-werden«-Haufen, welcher gerade gegründet wurde und im Laufe des Nachmittags noch wachsen sollte. Als nächstes konnte er einige Spraydosen zutage befördern, die noch beinahe voll waren. „Wer hat sich denn bitte als Grafity-Künstler betätigt?“, lautete Ians Kommentar dazu, ehe er kopfschüttelnd in die Küche verschwand.
 

Spencer kam etwa eine halbe Stunde später wieder. „Bin wieder da“, brummte er und stellte den neuen Rahmen für ihr Bild in den Flur – das konnte Bryan getrost selbst machen. Der hochgewachsene Russe fand Ian in der Küche. „Und, Krümel“, sprach er ihn an, „Was macht unser Putzteufel?“ Ian blickte auf, grinste lakonisch. „Ich will das gar nicht wissen“, bemerkte er und wechselte prompt das Thema, „Was gibt’s denn heute?“ Spencer zuckte mit den Schultern. „Essen?“, fragte er, schief grinsend. „Geht’s denn noch konkreter?“, seufzend verdrehte Ian die Augen.
 

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Weil ich das letzte Mal die 10 As vergessen habe: "Alle anfallenden Arbeiten auf andere abschieben, anschließend anbrüllen, aber anständig"

;) Ich hoffe, jetzt hat jeder einen Lacher;D
 

Was haltet ihr vom nächsten Bild: ein halbnackter Tala vlt? Ich brauche nur etwas Zeit dazu, während der ihr die 200-er Marke bei den Kommentaren knacken könnt xD
 

Also, das nächste Kapitel kommt dann nach dem 4. Juli - genaueres über meinen Urlaub, den ich die nächsten 3 Wochen einfach mal hernehmen werde, könnt ihr in meinem Weblog lesen;)
 

*knudda* schönen Sommeranfang an alle wünsche ich ;)

FW

Die Kiste

Kapitel 38: Die Kiste
 

Hallo!^^
 

Da bin ich wieder, zurück aus dem Urlaub, gut gelaunt und mit massenhaft Ideen in meinem kleinen Moderhirn - und Schreiblaune im Handgepäck. <3 Ich hatte eine tolle Zeit, und starte jetzt, erholt wie ich bin, wirklich durch mit meinen FFs (bald kommt auch ein Update zu Mirror, wenn jemand mal reinschauen möchte;)).

Hier also ein neues Kapitel von "FdH" (ich finde den Titel übrigens immer noch beknackt, liebe ihn dennoch xD), und ich möchte mich jetzt wirklich mal für eure lieben Kommentare bedanken^^

Ihr haltet mich am Ball dran, dass ich beständig weitermache! *knuddl*
 

Genug gequatscht, jetzt lest und amüsiert euch<3
 

FW
 

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Ein zufriedenes Grinsen breitete sich über Bryans Gesicht, während er über den Deckel des großen Pappkartons strich. Ein dünner, grauer Film aus Staub blieb an seinen Fingern kleben, welchen der Silberhaarige sogleich an seiner Hose abwischte. Am schwarzen Jeansstoff wurden Striemen sichtbar, doch dies kümmerte ihn nun wirklich nicht – immerhin hatte Ian diese Woche Wäschedienst, und der Kleine ihres Teams sollte doch nicht arbeitslos bleiben..

Ein schmales, spöttisches Grinsen zog über Bryans Miene. Nein, er war überhaupt nicht schadenfroh – er sorgte bloß dafür, dass in ihrem Haushalt keine Unterbeschäftigung bestand.

Was nicht heißen sollte, dass er nicht auch manchmal über die Wäscheberge seiner drei Mitbewohner klagte und meckerte, dass sich die Balken bogen, wenn er im Keller sein Werk der Woche tat. Wobei, immer, wenn er die drei Stunden am Nachmittag gebrauchte, um ihre Wäsche zu erledigen, fiel ihm jedes Mal die Sozialarbeiterin (ein Exemplar der sogenannten »alten Schule«) ein, welche geglaubt hatte, sie vier wüssten überhaupt nichts von Hygiene, Sauberkeit oder Dergleichen. Dabei hatte Boris Balkov, trotz aller schlechten Taten, es nicht versäumt, ihnen die Feinheiten von Mundhygiene oder sauberer Kleidung irgendwann einmal während einer Sonderversammlung innerhalb von drei Stunden näherzubringen. Dass dem alten Leiter der Balkov-Abtei kein Mensch zugehört, sondern lieber geschlafen hatte, war jenem leider nicht entgangen, was eine lange, lange Nacht zur Folge gehabt hatte, worunter vor allem sie vier – die Vorzeigemannschaft – zu leiden hatten.

Bryan vertrieb die Erinnerungen mit einem Kopfschütteln und der Beteuerung an sich selbst, dass alles vorbei war, und wandte sich der Kiste zu, welche er hervorgezogen hatte. „Da bist du ja!“, grinste er triumphal. Die Schlacht gegen den chaotischen Wohnzimmerschrank hatte er gewonnen!, freute er sich stumm, musste sogleich über seinen eigenen, abstrusen Gedanken schmunzeln.

Die Kiste war ohne Beschriftung und wog – in Anbetracht ihrer Größe – relativ wenig, sodass der Zweifler in Bryan sogleich erwachte, ihm zuflüsterte, ob er wohl wirklich das Gesuchte hierin finden würde. Doch der Silberhaarige entschied ausnahmsweise gegen seinen Kopf und für sein Bauchgefühl, welches die Kiste als Volltreffer bezeichnete.

„Was hast du gefunden?“, ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Türrahmen, „Ich bin schon länger da.“ Spencer schickte sich an, in den Raum zu treten, stieß jedoch sogleich gegen ein Stück Gerümpel auf dem „dringendst-wegzuschmeißen“-Haufen und murmelte einen Fluch, den er irgendwann einmal bei Fischern aufgeschnappt haben musste, denn er war von einer Länge, die die Schimpfworte Talas beinahe übertrumpfen konnte. Bryan schmunzelte abermals. Zum Glück nur beinahe. Zwei Schandmäuler in der WG waren definitiv eines zu viel, überlegte er weiter.

„Was grinst du denn so blöde?“, murrte der blonde Hühne, während er sich den bloßen Fuß rieb, „Und woher kommt der ganze Scheiß hier?“ Bryan blickte sich um, realisierte erst jetzt, welches Chaos er veranstaltet hatte. „Stell dir vor“, erklärte er mit todernster Miene und machte eine weite Geste gen Schrank, „Das kommt alles hier raus.“ – „Der ganze Müll?“, Spencer hob seine Augenbrauen. Bryan nickte bestätigend. „Der ganze Müll“, meinte er, wobei er das zweite Wort besonders betonte.

Kurz herrschte Stille im Wohnzimmer, während dessen sich die beiden jungen Männer schweigend und mit ernsten Mienen anblickten. Dann – von einem Wimpernschlag auf den anderen – entlud sich die angespannte Atmosphäre in einem schallenden Lachen.
 

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»Und heute wieder, liebe Zuschauer, können wir einen besonderen Gast bei uns begrüßen..«
 

Tala verdrehte die hellen Augen, starrte jedoch weiterhin stur auf die überschminkte Moderatorin der Talkshow, während er neben seinem Bett auf dem Nachttisch nach der Fernbedienung tastete. Er fühlte sein Brillenetui, eines dieser bescheuerten Sudoku-Heftchen, wie Kai sie früher geliebt hatte und bei denen er keinen Durchblick hatte, jedoch keine Fernbedienung. Verdammt, wo war das Teil denn schon wieder gelandet?

„Suchst du das, Kamerad?“, kam es schelmisch vom Nachbarbett, und der Rotschopf sah sich gezwungen, seinen Blick auf seinen Zimmergenossen zu richten. Der Mittvierziger war da gewesen, als er von der Untersuchung wiedergekommen war, und hatte bis jetzt – sprich die letzten drei Stunden – bloß den sogenannten ‚Kumpel‘ raushängen lassen. Er war laut, machte dauernd schlechte – und vor allem plumpe – Witze an der falschen Stelle, hatte überhaupt unangemessen schlechte Manieren.. Kurz gesagt, er verhielt sich Talas Ansicht nach nicht seinem Alter entsprechend – und mit seiner betont lockeren Haltung und der erzwungenen ‚Jugendsprache‘, die er an den Tag legte, machte er beim Rotschopf bestimmt keine Pluspunkte wett…

Er hob eine Augenbraue an, musterte seinen Zimmerkameraden, welcher sich noch nicht einmal vorgestellt hatte, abschätzig.
 

»Extra eingeflogen aus Deutschland, nur heute und bloß für Sie, einen herzlichen Applaus für.. THOMAS GOTTSCHALK!«
 

Hatte er schon mal erwähnt, wie sehr ihm solche Talkshows und überhaupt Fernsehen auf die Nerven gingen?

„Könnten Sie mir bitte die Fernbedienung geben?“, fragte er überhöflich, bedacht auf einen neutralen Ton. Der Mittvierziger jedoch lachte bloß, was in ein röchelndes Husten überging. „Jetzt komm schon, Jungchen, hab dich nicht so!“, meinte er, wies in einer schalkhaften Bewegung auf die Moderatorin auf dem Bildschirm und leckte sich betont anzüglich über die Lippen, „Das ist doch ein Augenschmaus!“

Tala verschränkte stur die Arme vor der Brust, wandte seinen Blick geradeaus und versuchte, die Wand zu Boden zu stieren. Er hörte ein Seufzen und Rascheln von Bettzeug, während sein Zimmergenosse seine Haltung veränderte. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Mittvierziger sich an den Bettrand gesetzt hatte. „Hör mal, Jungchen..“, der Mann stockte, hustete, „Wie alt bist du? Zwanzig, zweiundzwanzig?“ – „Neunzehn“, korrigierte der Rotschopf automatisch. Der andere Patient machte eine abwinkende Geste. „Wie auch immer“, beschloss er, „Du siehst so aus, als wärst du die ganze Zeit am Brüten.. Versuch’s mal mit ‘nem freundlichen Gesicht!“ Der Ratschlag wurde begleitet von einem breiten Grinsen, welches gelbe, nikotingefärbte Zähne entblößte. „Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe“, fauchte der Jüngere ungehalten, ehe er sich wieder abwandte.

Kurze Zeit später tastete er nach seinem Sudoku-Heft. Er mochte es hassen, war allerdings noch immer eine bessere Unterhaltung als die Wand mit Blicken einzureißen.
 

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„Na toll, haben wieder alle Spaß außer mir, was?“, beschwerte sich Ian scherzend, während er die Nudeln mit Pesto verschlang, welche Spencer gezaubert hatte. Bryan zuckte für seine Verhältnisse frohgemut die Schultern. „Du bist eben nie dort, wo der richtige Spaß abgeht“, behauptete er, während er mit der Gabel Luft aufspießte. „Du doch auch nicht“, konterte der Kleinwüchsige. „Ich brauche das nicht, mein guter Krümel“, erwiderte der Silberhaarige mit hochgezogenen Augenbrauen, „Ich mache nämlich meinen eigenen Spaß!“ – „Der so aussieht, dass du Unschuldige verprügelst?“, warf Spencer ein, welcher bloß den Kopf schüttelte.

„Wisst ihr was?“, Ian stand auf, um seinen leergegessenen Teller in die Spüle zu stellen, „Manchmal seid ihr einfach unmöglich.“

„Übrigens hab‘ ich was für uns alle Interessantes gefunden“, warf Bryan schnell dazwischen, bevor der Kleinwüchsige aus der Küche verschwinden konnte, „Wenn ihr mir helft, den Müll wegzubringen, lass‘ ich euch daran teilhaben!“ – „Du willst dich doch bloß wieder vor dem Aufräumen drücken und uns die ganze Arbeit aufhalsen“, brummte Spencer kopfschüttelnd.

Bryan grinste schräg. „Warum weißt du das bloß immer? Ich hatte mich schon auf eine Pause von dem ganzen Rumgestöber gefreut..“, meinte er ironisch. „Was hast du überhaupt ausgegraben, weswegen wir uns die Hände schmutzig machen sollten?“, kam es nun von Ian, welcher die Notizzettel am Kühlschrank begutachtete.

„Die Kiste“, erklärte Bryan mit ehrfurchtsvoller Stimme. Ian runzelte die Stirn, Spencers Haupt wurde von einer imaginären, dunklen Gedankenwolke umhüllt. „Du meinst doch nicht etwa die bestimmte Kiste, oder?“, erkundigte sich letzterer. Er mochte sich eine Verneinung erhoffen, doch Bryan stimmte seiner Vermutung zu. „Genau die.“

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Fernbedienung

Kapitel 39: Fernbedienung
 

„Ach“, machte Ian, bei weitem noch nicht überzeugt, seinem Misstrauen Luft, „Und wo soll die deiner Meinung nach herkommen?“ Spencer nickte nachdenklich, während seine Arme ellenbogentief im Abwaschwasser steckten. „Dabei dachte ich immer“, bemerkte er, während er Bryan dabei beobachtete, wie er das Bild in seinem neuen Rahmen aufhängte, „Ich dachte immer du und Tala hättet sie verschwinden lassen?“ Bryan zuckte mit den s Bryan zuckte bloß mit den Schultern, ein schmales Grinsen auf seinen Lippen. „Eigentlich hat das bloß Tala getan“, klärte er seine beiden Teamkollegen auf, „Und er war so dumm, mir das Versteck zu verraten, als ich ihn einmal ohne sein Wissen abgefüllt hab’.“

Spencer schüttelte den Kopf, konnte ein Schmunzeln jedoch nicht vermeiden. „Das ist bekanntlich nicht sonderlich schwer“, brummte er einlenkend und reichte Ian den letzten Teller, welcher diesen abtrocknete und in den Schrank stellte.

„Ich glaub’ s dir trotzdem nicht, Kuznetsov“, murrte der Kleinwüchsige. „Dann lässt du’s eben“, gab der Angesprochene bissig zurück und schritt hinaus in den Flur, „Aber ich weiß, dass du neugierig bist, Krümel.“ Der als >Krümel< angesprochene grummelte verhalten und verwünschte in diesem Moment den Silberhaarigen, der ihn so gut kannte. Das war manchmal wirklich lästig.. besonders wenn er eigentlich lieber Klavier spielen würde.

„Na komm’ schon, Krümel“, forderte Spencer den Kleinwüchsigen munter auf, während er sich einen Müllbeutel aus dem zweckentfremdeten Schirmständer im Flur schnappte. Ian seufzte, ehe er es dem Blonden nachtat. „Ich hab‘ heute aber noch ein paar Stunden zu üben, nur dass ihr’s wisst“, informierte er seine beiden Mitbewohner grimmig.
 

Im Wohnzimmer erwartete die beiden ahnungslosen WG-Bewohner eine Überraschung der weniger erfreulichen Art. „Was zum Teufel ist denn hier passiert?“, empörte Ian sich, während Spencer angestrengt ein Grinsen zu unterdrücken suchte, „Hast du Kai Black Dranzer abgeluchst oder bloß eine Plutonium-Atombombe getestet?“

Bryan grinste schief. „Ich denke, letzteres ist zu bevorzugen“, erwiderte er. „Das soll alles aus dem Kästchen da kommen?“, verblüfft blickte Spencer von der Kommode hinter dem Samowar auf den >dringendst-wegzuschmeißen<-Haufen. Bryan zuckte mit den Schultern. „Ich hab’ noch nicht einmal die Hälfte ausgeräumt – scheinbar hat Tala hier alles aufgehoben, das vollkommen hinüber war“ – „Bloß Tala?“, mutmaßte Ian, „Da musst du auch was damit zu tun haben. Tala ist immerhin der Ordnungs-Fanatiker, während du, mein Lieber..“ Spencer führte den angefangenen Satz zu Ende, lachte leise: „..das Chaos in Person darstellst..“

Bryan murrte, während er einen Teil des Haufens in einen Müllbeutel beförderte „Das sagt gerade der richtige, Petrov“, knurrte er, doch ein schmales Grinsen strafte seinen Groll Lügen, „Wer weckt denn ständig das ganze Haus, weil er in seinem Zimmer über was weiß ich welches Gerümpel stolpert?“
 

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Tala runzelte die Stirn und blickte von seinem Sudoku auf, an welchem er seit gefühlten drei Stunden herumbastelte, ohne eine Lösung zu finden. Was hatte Hiwatari daran bloß immer gefunden?, fragte er sich und musterte die Wand ihm gegenüber als könne diese ihm die richtigen Zahlen verraten. Sie tat es nicht und war leider eine ebenso schlechte Unterhaltung als das Sudoku-Heft.

„Na, ausgeschmollt?“, meldete sich sogleich eine raue Stimme vom Nebenbett. Der Rotschopf biss die Kiefer zusammen, dass er seine Zähne zu knirschen hören glaubte. Der Typ war sogar nervenaufreibend, wenn er bloß da war.. Wenn das mal keine Leistung war. Tala wandte sich langsam zu seinem Zimmergenossen, erwiderte eisig: „Ich habe nicht geschmollt“

Der Mitvierziger hatte dafür bloß ein trockenes Lachen übrig, welches wie ein Bellen klang und sogleich in ein röchelndes Husten überging. „Und wie du geschmollt hast.“, grinste er atemlos, „Mein Sohn hat genauso geschmollt wie du. So.. brütend, weißt du? Als würde er über ein wichtiges Problem wie die globale Erwärmung oder so nachdenken. Das war richtig niedlich als er klein war.“ Er lachte abermals, diesmal leichter, und machte ein paar fahrige Handbewegungen, um das gesagte zu unterstreichen, ehe er sich durch sein schütter werdendes, aschblondes Haar strich und den Blick wieder auf die Talkshow im Fernsehen schweifen ließ.

Tala nahm die schmale, randlose Brille von der Nase und massierte sich den Nasenrücken, während auch er zum Fernseher blickte. Die Moderatorin war noch immer überschminkt, aber eine andere. Es war immer noch genauso stupide und nervig, doch den Mitvierziger schien der Ausschnitt einer der weiblichen Gäste sowieso mehr zu interessieren als das Gerede einer Teenager-Mutter, die auf den Strich ging, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen – bei diesem Punkt der Talkshow schüttelte der Rotschopf ungläubig den Kopf. Ein kurzes, humorloses Grinsen blitze über sein bleiches Gesicht. Dabei hatte er gedacht, sein Leben sei scheiße verlaufen.. Obwohl, diese Talkshows betraten so oder so bloß Schauspieler.

Aus den Augenwinkeln fiel ihm auf, dass die Fernbedienung für den Fernseher nun auf dem Nachtkästchen seines Zimmergenossen lag – beinahe wie auf dem Präsentierteller. Der Rotschopf vergewisserte sich abermals, dass sein Zimmergenosse auch wirklich auf den Fernseher konzentriert war, dann lehnte er sich hinüber zum Nachtkästchen, wie um nach seinem Brillenetui zu greifen. Doch kaum berührten seine Finger die Fernbedienung, hatte der Mitvierziger sie ihm schon weggeschnappt und wedelte damit vor seiner Nase herum. „Nanana“, ein breites Grinsen entblößte seine nikotingelben Zähne, „Das war jetzt aber eine schlechte Idee“

Tala blickte pikiert auf die Fernbedienung – verflucht, warum hatte der Mitvierziger ihn jetzt erwischen müssen? Er drehte sich um und verschränkte die Arme vor der Brust, versuchte abermals, die Wand mit Blicken zur Implosion zu bringen. Der Blondschopf hingegen brach in schallendes Gelächter aus, das in ein besorgniserregendes Röcheln und Krächzen überging, doch seine smaragdgrünen Augen sprühten Funken, selbst als er sein Lachen aufgeben musste, um nicht zu ersticken. „Das ist ein Gesichtsausdruck für die Götter“, kicherte der Mitvierziger atemlos, „Schon wieder schaust du drein wie mein Sohnemann.“

Tala kniff die Augen zusammen, während er den anderen musterte, und presste die schmalen Lippen zusammen. Der Kerl war ja noch schlimmer als Mr. Dickenson, der Alt-Leiter der BBA, der ihnen alle ein, zwei Monate mal wieder auf den Nerven herumtrampelte. Und dennoch – er schien irgendeinen seltsamen Test bestanden zu haben, denn plötzlich tauchte die Fernbedienung in seinem Blickfeld auf. „Du scheinst trotzdem ganz in Ordnung zu sein, Kleiner“, bemerkte der Mitvierziger beiläufig, während er das Objekt des Rotschopfs‘ Begierde vor dessen Gesicht herumtanzen ließ. Die Augenbraue Talas wanderte in die Höhe, doch er ließ die Fernbedienung nicht aus den hellen Augen. Was hatte der Typ denn jetzt schon wieder vor?

„Übrigens, ich bin Michail“, stellte der Blondschopf sich plötzlich vor, und als Tala nicht gleich darauf reagierte, grinste er schief.

Skeptisch hob er eine Augenbraue, überlegte, ob er auf die Geste eingehen sollte. „Komm‘ schon, Kleiner“, meinte Michail bloß auffordernd, „Ich fress‘ dich schon nicht“

Der Blonde hustete in ein Taschentuch, welches er krampfhaft gegen seinen Mund presste, ließ seine Hand jedoch ausgestreckt, sodass Tala die Fernbedienung problemlos erreichen konnte – wenn er es denn wollte. Tala musterte das kleine, schwarze Plastikgerät in der Hand des anderen skeptisch, ehe er es schließlich umfasste. „Yuriy“, nannte er in einem ihm üblichen, klaren und vor allem kalten Tonfall seinen Namen und erwiderte den Blick des Mitvierzigers, der die Fernbedienung nun endlich aus seiner großen, schwieligen Pranke entließ und leicht lachte, um nicht schon wieder beinahe an einem Hustenanfall zu ersticken. „Na, geht doch“, freute sich Michail über seine aufgegangene List, während er noch immer sein Taschentuch festhielt als wäre es ein Schild gegen alles Übel.

Tala hatte dafür bloß ein Augenverdrehen übrig und ein himmelhohes Stoßseufzen, nachdem er den Fernseher ausgeschaltet hatte und endlich wieder Ruhe einkehrte.
 

Unvermittelt klopfte es, und ein junger Mann in Arztkittel trat in den Raum, grüßte Yuriy nickend, ehe er sich mit einem breiten Grinsen an Michails Bett setzte. „Na wenn das keine Überraschung ist“, meinte er scherzhaft, fuhr sich durchs schwarze Haar, „Michail Sergejewitsch, wie lange haben wir uns jetzt nicht mehr gesehen?“ – „Das müsste jetzt schon so ein, zwei Jahre her sein, Doc“, erwiderte der Patient ebenso grinsend. Der Arzt hob seine Augenbrauen. „Wirklich, schon so lange?“, er blätterte kurz durchs Krankenblatt des Mittvierzigers, ehe er wieder aufblickte, „Tatsächlich! Was macht denn Ihr Sohn so?“ – „Ach, Joscha murrt über dies und das. Kennen Sie ja, nicht?“

Die beiden Männer plauschten noch ein Weilchen, ohne Tala zu beachten, der sich wieder in sein Sudoku vertieft hatte, und schließlich klopfte der Arzt, dessen Namen der Rotschopf nicht kannte, Michail auf die Schulter. „Morgen fangen wir mit der Therapie an, mein Freund“, kündigte er an, „Damit Sie schnell wieder heim zu Ihrem Sohn kommen.“
 

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So, bevor ich mich nach München absetze (nur 3 Tage *sniff* xD Aber auch gutig xD) noch ein neues Kapitelchen für euch^-^

Ich hoffe, es gefällt - und wenn nicht, ich hab gerne Kommentare^^ *grins*

Apropos Kommentare, dankeschön an alle, die so lieb sind und mir immer welche dalassen^^ *knuddl* *coffee&cookies dalass*
 

FW

Kalinka

Kapitel 40: Kalinka
 

Spencer lachte leise, während er, munter zwei Tüten voll Unrat in seinen Armen transportierend, die Stufen hinunter in Richtung Innenhof in Angriff nahm. „Wisst ihr noch die Mülldienstsache in unserem ersten Jahr als Team?“, fragte er gedämpft, mit einem halben Schmunzeln auf den Lippen. Ian fluchte, während er seinen Sack geräuschvoll die Stufen hinunterzog. „Wann hat der Aufzug eigentlich zum letzten Mal funktioniert?“, fragte er grummelnd, während er versuchte, nicht gegen den Hochgewachsenen vor ihm zu prallen, mitgerissen vom Schwung seines Müllsackes. „Als wir eingezogen sind, glaub‘ ich“, meldete sich das Schlusslicht, Bryan, zu Wort, „Und ja, ich glaube, ich erinnere mich dunkel daran, dass Tala und ich den Mülldienst für drei Wochen übernehmen mussten.“

Der Aufzug war wieder einmal mit dem Pappschild »Ne rabotajet«, >Arbeitet nicht<, und etwas Sperrband, das der Hausmeister bestimmt der Polizei gestohlen hatte, abgesperrt – eigentlich hatte das Ding ja nie mehr richtig funktioniert. Die Techniker neigten dazu, überhaupt nicht zu kommen, was hieß, das Beförderungsmittel blieb stillgelegt, außer der Hausmeister konnte mal kurzfristig Zeit aufbringen, seinen Großneffen anzurufen, der dann kostenlos an ein paar Kabeln zog.. Es musste nicht erwähnt werden, dass besagter Großneffe eigentlich einen Bauernhof irgendwo in der Pampa betrieb und ergo auch keine Ahnung von Aufzugtechnik hatte.

„Wer hatte damals eigentlich die Idee dazu?“, kam es von Ian, der ein unterdrücktes Kichern hören ließ. „Und warum sind Ian und ich dabei mit heiler Haut davongekommen?“, wunderte sich Spencer grinsend. „Ich glaube, das war Bryans Idee – schließlich ist es ja schief gelaufen“, vermutete Ian breit grinsend. Der Silberhaarige ließ ein Schnauben hören. „Warum glauben eigentlich alle immer, dass bloß meine Ideen schieflaufen?“, fragte er gespielt verzweifelt ins Blaue.

„Deine Pläne gehen einfach immer schief“, antwortete Spencer sogleich, „Das ist irgendwie ein Naturgesetz.“ – „Dankeschön, wie freundlich“, erwiderte Bryan säuerlich, „Aber einer hat geklappt!“

Ian ließ ein Lachen hören. „Du meinst das Kuchenkomplott?“, fragte er breit grinsend, während er sich sicher war, dass Bryan ihm nun die Zunge rausstreckte. Manchmal waren sie einfach kindisch, wie Tala augenverdrehend und leicht den Kopf schüttelnd bemerken würde.

Inzwischen hatten sie die schwere Metalltür zum Hof erreicht, über die die Frau im ersten Stock immer jammerte, und Bryan zog sie ächzend auf. Schweigend überquerten sie den gepflasterten Hof, in dessen Mitte jemand einen Holunderbusch gepflanzt hatte. Allerdings war das schon länger her, denn er Busch wucherte beinahe die Hälfte des Hofs zu, wenn es im Sommer warm war.

„Das Kuchenkomplott hat aber geklappt!“, hörte man die überzeugte Stimme Bryans, während er sich zum Müllcontainer durchkämpfte – ein Scherzbold hatte den Container wieder einmal zugeparkt. „Ja klar, und wer musste dann die Schuld auf sich nehmen?“, brummte Spencer nachtragend, „Ich musste eine Woche lang mit Hiwatari Toiletten bürsten!“

Ian grinste schief, als er dem Hünen seinen Müllbeutel reichte, damit dieser ihn zu den anderen warf. „Stimmt aber, wir anderen hatten an dem Abend Kuchen“, erwiderte er. Spencer schnaubte kopfschüttelnd. „Danke, dass du mir in den Rücken fällst“, grollte er, während er an dem Holunderbusch vorbei in Richtung der schweren Metalltür ging. Ian grinste breit, erwiderte ein „Gern geschehen“ und schlenderte hinter dem Blondschopf her, welcher bereits im Treppenhaus verschwunden war. Dabei summte er gedankenverloren das alte Lied über den Holunderbusch vor sich hin.

„Kalinka, kalinka, kalinka maja..“
 

Die alte Frau aus dem ersten Stock musterte Sergej verblüfft, als dieser ihr die Tür zum Hinterhof aufhielt, damit sie an ihrem Spazierstock hindurch humpeln konnte. Die Hüfte machte wieder Probleme – eine Operation konnte sie sich nicht leisten – und so konnte sie kaum bis zum wuchernden Holunderbusch im Hof gelangen, wo irgendwann einmal jemand eine Bank gestellt hatte. Seufzend ließ sie sich nieder, stieß schmerzhaft die Luft aus, während sie das erste Laub am Busch bewunderte. Sie hatte den Busch gemeinsam mit ihrem Mann eingesetzt, als sie in dem Haus hier eingezogen waren – das war noch zu Sowjetzeiten gewesen, als Genosse Andropow* gerade seine letzten Atemzüge tat, glaubte sie sich zu erinnern.

Im Nachhinein konnte sie sich nun wundern, weshalb der hünenhafte Blonde aus dem zweiten Stock ihr die Tür aufgehalten hatte. Und ja, sein kleinwüchsiger Mitbewohner – dieser hässliche Gnom mit der zu groß geratenen Nase, der vom Aussehen her beinahe das genaue Gegenteil zum Blonden war – hatte vorhin, als er an ihr vorbei die Treppen erklommen hatte, sein Summen unterbrochen, um sie zu grüßen! Dabei machten beide Wohnparteien keinen Hehl daraus, dass sie einander nicht leiden konnten.

Die alte Frau, Ninette Sergejewna mit Namen, hatte bei der Eigentümerversammlung ihres Wohnblockes vor inzwischen bald vier Jahren nicht zugestimmt, die vier damals noch minderjährigen, in sich gekehrten Jungen im Hause wohnen zu lassen – und das ohne Aufsicht eines Elternteils oder durch sonstige Verwandte!

Bei der Versammlung waren die vier Jungen anwesend, gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin hatten sie den Diskussionen gelauscht und manchmal auch einer Frage geantwortet, wobei meist der Rothaarige antwortete – er schien damals so etwas wie der Wortführer gewesen zu sein. Egal, was gefragt wurde – die Antworten waren vage, und als Ninette auf die Vergangenheit der vier Jungen zu sprechen kam, stieß sie auf eine dicke, eiserne Mauer des Schweigens.

Fortan hatte sie den Jungen hinter ihrer Haustüre aufgelauert, um sie auffällig unauffällig in ein Gespräch zu verwickeln und mehr zu erfahren. Doch keiner der Jungen ließ auch nur eine Silbe über ihr Vorleben verlauten – keiner von ihnen, egal, wie viel sie nachzufühlen versuchte.

Schließlich – nachdem sie den mit den roten Haaren so sehr mit Fragen bedrängt hatte, dass er voller unterdrückter Wut und einer eiskalten Stimme angefahren war, sie vier in Ruhe zu lassen – hatte sie aufgegeben. Doch eines hatten beide Wohnparteien unabhängig beschlossen: sie konnten einander nicht ausstehen.
 

„War das nicht eben die KGB-Tante aus dem ersten Stock?“, ließ Ian verwundert verlauten. Spencer nickte, während er die Wohnungstür mit dem Fuß zukickte. „Sie hat noch nicht einmal versucht, mich wegen irgendwas zu löchern!“, wunderte er sich.

Ian lachte leise. „Vielleicht lernt sie’s ja doch noch“, vermutete er betont hoffnungsvoll, ehe er lachte. Bryan ließ ein abfälliges Schnauben hören. „Wer’s glaubt!“, murrte er, während er mit einer Kiste auf dem Arm in die Küche schritt. Spencer zuckte mit den Schultern, folgte Ian in die Küche. Es wurde Zeit, die Kiste zu öffnen – die Vergangenheit hatte lange genug geruht, zumindest fürs erste.
 

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Grigorij Parkov stapfte nicht zum ersten Mal an diesem Tag durch die Straßen, auf denen es von Menschen nur so wimmelte, und fluchte dabei ohne Unterlass. Warum war er bloß zu knauserig, um seinem Neffen die paar Rubel zu geben, die er fürs Plakate-Verteilen verlangte?

Obwohl, ihm gefiel die Arbeit doch selbst am besten, auch wenn ihm die für den Frühling typischen, letzten Stürme gesundheitlich doch ziemlich zusetzten.

Zufrieden blickte der Boxtrainer auf sein Plakat, welches er geradewegs auf Thomas Gottschalks Gesicht getackert hatte, und nickte. „Diesen Dienstag wird Kuznetsov antreten!“, triumphierte er, während er weiterlief, die irritierten Blicke der Passanten rund um ihn herum ignorieren.

Ihm fiel ein Lied aus seinen Kinderzeiten ein, als er mit seinem Bruder auf dem Hof der Großeltern den Sommer unter Sonnenblumenfeldern verbracht hatte, und Grischa Parkov konnte es sich nicht verkneifen, leise und etwas falsch vor sich hin zu singen:

„Kalinka, kalinka, kalinka maja!“
 

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* Jurij Wladimirowitsch Andropow (geboren 1914) war 1982-84 Generalsekretär der KPdSU (Kommunistischen Partei der Sowjetunion). Er starb 1984 an akutem Nierenversagen.

Er folgte Breschnew in seinem Amt nach, der berühmte Gorbatschow war sein Nachfolger;)
 

Damit seid ihr jetzt auch in Sachen Andropow informiert *lach* <D Und ja, „Kalinka“ ist tatsächlich der Holunderbusch ;) Eigentlich sogar das Holunderbüschchen..;3
 

<D Ich liebe dieses doofe Lied XD *lach* *summ*

Bis zum nächsten Mal! *knuff*
 

Und danke für eure ganzen Kommentare^^

Schnappschüsse

Kapitel 41: Schnappschüsse
 

ÜBERRASCHUNG!

^^

Das hättet ihr jetzt nicht gedacht, dass ich es im Oktober noch schaffe mit dem Schreiben, oder? XD

Aber ich faule Nuss hab' mich hochgerafft und endlich weitergeschrieben^^ Mein Schulstreß lässt mich ja gerade mal ein bisschen atmen^^ *hust* zum Glück xD
 

*knuff*

Viel Spaß beim Lesen^^

FW
 

„Die Alte unten im ersten wird sich genauso wenig ändern wie Tala“, proklamierte Bryan abermals, während er am einzigen Haushaltsgerät hantierte, welches Spencer nicht mit Hummerzange und Schöpfkelle vor der leicht chaotischen WG verteidigte – der Kaffeemaschine. Der Silberhaarige verspürte den dringenden Wunsch nach einem heißen, milchigen Kaffee, wie er ihn manchmal nachmittags einfach brauchte – hin und wieder war Tee eben einfach nicht genug für seine Nerven. „Machst du dir wieder die Nerven mit dem Koffein kaputt?“, ertönte sogleich Ians Stimme vom Küchentisch, welcher sich mit einem Glas Saft genügte.

Bryan schnaufte, drehte sich mit schmalem Grinsen zu seinem Mitbewohner um. „Ich weiß nicht, was du meinst, Krümel“, erwiderte er schlicht. Ian plusterte seine Wangen auf, was ihm wie immer ein ziemlich witziges Aussehen verlieh.

„Hör auf, mich ständig Krümel zu nennen!“, maulte er eingeschnappt und wandte sich sogleich an Spencer, „Sag doch auch mal was, Spencer!“ Der hochgewachsene Russe zuckte mit den Schultern, ließ sich auf einen der Stühle fallen, der leicht knarzte. Bryans Gesicht zierte ein schiefes Grinsen. „Vielleicht solltest du mal wieder was für deine Linie tun, Meisterkoch, sonst brechen uns hier noch die Stühle zusammen“, stichelte er, ließ sich ebenfalls auf einem der Stühle nieder, eine Tasse in seiner Hand.

Spencer verzog keine Miene. „Bevor ich so fett werde, dass ein Stuhl zusammenbricht, wirst du noch zum Kontrollfreak“, erwiderte er ungerührt.

„Ach, hör auf mir mit Tala zu kommen!“, knurrte der Silberhaarige augenverdrehend, „Der ist auch kein Heiliger!“ – „Immerhin heiliger als du“, überlegte Ian grinsend, verschränkte die Arme vor sich auf dem Tisch und legte seinen Kopf darauf. Seine dunklen, leicht asiatisch geschnittenen Augen blitzten voller Schalk zwischen dunklen Stirnfransen hervor.

Urplötzlich schlug sich Bryan mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Jetzt weiß ich wieder von wem die Spraydosen waren!“, er war wohl der einzige, der sich über diese plötzliche Erkenntnis zu freuen schien. Ian verdrehte die Augen. „Lass‘ uns bitte nicht an deiner immensen Weisheit teilhaben“, bat er halb ernst, halb lakonisch. Bryan streckte ihm in einem infantilen Anfall einfach die Zunge heraus.

„Ist ja auch egal“, fiel ihnen Spencer ins Wort, um ein weiteres Gefecht mittels derselben zu verhindern und blickte fragend zu Bryan, „Was machen wir jetzt mit der Kiste?“

Der Silberhaarige zuckte mit den Schultern. „Öffnen, würde ich sagen“, befand er.
 

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„Ja wen haben wir denn da?“, die Stimme der Schwester, die ihn sonst immer schroff behandelte, strahlte Michail förmlich an. Der blonde Mitvierziger blinzelte die Krankenschwester freundlich - beinah ein wenig dümmlich, wie Tala fand - an. „Schwester Ljudmilla!“, begrüßte er sie sogleich schmeichlerisch, „Dass ich Sie nicht gleich erkannt habe! Sie sehen so jung aus!“ Die grauhaarige Schwester verzog ihr faltiges Gesicht zu einem breiten Lächeln, das sie wohl nicht für jeden übrig hatte. Zumindest den Rotschopf im Nebenbett bedachte sie nicht damit.

Tala hob hinter der Tageszeitung eine Augenbraue, ehe er sich wieder in einen langweiligen Artikel über die neuesten Bestimmungen der Regierung vertiefte. Oder zumindest so tat. Im Stillen verfluchte er sich, seine Bücher nicht mitgebracht zu haben. Mit den Metamorphosen hätte er sich eher ablenken können.. Obwohl ihn seine gesamten Studienkollegen schief ansahen, weil er das Buch normalerweise ständig mit sich herumtrug.

Tala schmunzelte über dem Bild Wladimir Putins, worüber irgendein Scherzkeks, der die Zeitung zuvor in den Händen gehalten hatte, Teufelshörner und Dreizack gemalt hatte.

Wo er so recht nachdachte, obwohl er inzwischen seit etwa einem Jahr Latein studierte hatte er noch nicht wirklich Anschluss oder gar wirklichen Kontakt zu seinen Kommilitonen gefunden. Wenn er ehrlich zu sich war, kümmerte den Rotschopf das nicht wirklich. Aber manchmal – insbesondere, wenn er den direkten Vergleich vom Verhalten anderer zu ihm selbst und zu anderen vor sich hatte – fiel ihm ihre Sozialarbeiterin doch wieder ein. Lustiger Weise hieß sie auch Ljudmilla – allerdings war sie so ziemlich das Gegenteil der mürrischen, ruhigen Krankenschwester gewesen. Sie war eine kleine Ukrainerin gewesen, der sich mit der Auflösung der UdSSR eine neue Möglichkeit des Lebens erschlossen hatte, wie sie immer betont hatte - wenn er sich recht erinnerte. Allerdings war die Sozialarbeiterin Ljudmilla auch ein ziemlich nervöses Persönchen gewesen, insbesondere in Anwesenheit von Polizeibeamten.
 

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„Das ist also die Kiste“, befand Ian leicht skeptisch. Bryan warf ihm einen entnervten Blick zu. „Was denn sonst, hm?“, murrte er. Der Kleinwüchsige zuckte mit den Schultern. „Irgendwie hatte ich sie wesentlich.. spektakulärer in Erinnerung“, merkte er an.

Die Schachtel war ohne Beschriftung und wog – in Anbetracht ihrer Größe – relativ wenig. Es war im Grunde noch nicht einmal eine richtige Kiste. Viel mehr war die berühmt-berüchtigte, viel ummunkelte und beinahe schon sagenumwobene »Kiste« nichts weiter als eine schlichte Kartonschachtel aus Wellpappe, auf der der Staub eine dichte und vor allem dicke Schicht bildete. Sie hatte im Laufe einen leicht rötlich-gelben Stich angenommen und sich leicht verbogen, sodass die Kanten sich langsam aber sicher den Regeln der Schwerkraft zu beugen hatten.

Spencer musterte die Schachtel skeptisch. „Sollten wir nicht auf Tala warten oder so?“, fragte er nach einer Weile des Schweigens. Bryan zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, das verschmerzt er. Außerdem weiß er doch am besten, was da drin ist.“, meinte er ausweichend. Ian blickte den Silberhaarigen skeptisch an. „Na“, machte er, noch nicht recht überzeugt, „Wenn du meinst..“ „Und ihm dann auch erklärst, warum wir nicht auf ihn gewartet haben“, setzte Spencer noch hinzu.
 

Bryan schnaufte. „Jaja“, murrte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Er maß einen Moment lang das feste, breite, braune Klebeband, mit dem die Kiste verschlossen war. „Da braucht’s aber was Scharfes“, murmelte er zu sich und machte sich daran, in einer Küchenschublade hinter sich zu kramen. Spencer und Ian beobachteten mit mäßigem Interesse den akrobatischen Akt, den ihr Teamleader durchführte. Statt aufzustehen kippelte der Silberhaarige nämlich nach hinten und drohte mehr als einmal das Gleichgewicht zu verlieren – so war Bryan immer gewesen. Der blonde Hüne grinste in sich hinein. Wenn es irgendwo eine Gefahr gab, der man sich unbeabsichtigt aussetzen konnte, dann war Bryan immer der erste gewesen, der sich ihr aussetzte – und das auch noch unbeabsichtigt.

Und irgendwie hatte der Silberhaarige immer Glück – so auch jetzt. Mit einem Papierschneidemesser bewaffnet setzte er sich schließlich wieder richtig hin. Ian nahm ihm das Utensil aus der Hand. „Ich will keine Verletzten haben hier“, begründete er ernst, wenn auch mit einem breiten, gemeinen Grinsen auf den Lippen, „Und du mit einem Messer in der Hand bist eine Katastrophe“

Bryan verzog beleidigt das Gesicht. „So eine Katastophe bin ich jetzt auch wieder nicht“, meinte er beleidigt. „Du weißt doch noch, was das letzte Mal passiert ist, als ich dir in der Küche was zum Schneiden gegeben habe“, versuchte Spencer, ihn etwas aufzumuntern. Bryan blickte ihn missmutig an. Nun ja, der blonde Hüne hatte sich noch nie darauf verstanden, jemandes Laune zu heben.. Aber ein Versuch war es immerhin gewesen!, sprach Spencer sich selbst gut zu.
 

Ian hatte unterdessen das Klebeband am Deckel des Kartons abgetrennt und blickte hinein in einen ziemlich großen Stapel von Papier. „Was ist denn das?“, wollte er wissen und nahm das Foto heraus, das obenauf lag. Bryan beugte sich vor, musterte die abgebildete Person mit zusammengekniffenen Augen. „Hey“, befand Spencer, „Das ist ja diese trottelige Sozialarbeiterin, die als letzte für uns zuständig war!“ Bryan grinste breit. „Du meinst die, mit der sich Tala immer gestritten hat?“, fragte er breit grinsend.

„Genau! Ljudimilla!“, Ian grinste breit, stolz darüber, sich ihren Namen noch gemerkt zu haben.

„Wer hat die Fotos hier überhaupt geschossen?“, wollte der Blondschopf der Runde wissen, in der Hand noch zwei weitere Schnappschüsse, die verschiedene Aufnahmen des Teams zeigten.

Holzfäller

Kapitel 42: Holzfäller
 

Also.. Hallö^^

Das erste Kapitel, das ich von mir Zuhause aus on stelle und.. hehe. Fühlt sich gut an^^

Viel Spaß beim Lesen und ganz, ganz, ganz herzlichen Dank für die ganzen Kommentare^^ :3
 

Zufrieden pfeifend trat Grischa Parkov aus dem Supermarkt. Er drehte sich, wenige Schritte vom Ausgang entfernt, um und nickte zu sich selbst. Der schmächtige, hühnerbrüstige Junge, der vorhin hinter der Fleischtheke gestanden war, machte sich wie versprochen daran, die letzten paar Plakate im Supermarkt aufzuhängen. Herr Parkovs Rucksack wog schwer vom Wocheneinkauf, den er auch gleich erledigt hatte. So, wohin jetzt?, fragte sich der etwas in die Jahre gekommene Boxtrainer und blickte sich um. Sollte er den langen Weg über den Kreml machen oder den Kurzen Richtung Ringstraße?

Wenn er wieder so lange brauchen würde, würde Jelena ihn bloß wieder mit kalten Klößen überraschen. Oh, sie sagte nichts – sie sagte nie etwas, und selbst wenn er um vier Uhr früh mit Alkoholfahne, die man schon von weitem riechen konnte, nach Hause kam – ihre Einstellung zu ihm ließ sich immer (und wenn er immer sagte, meinte er auch immer) an der Qualität des Essens feststellen, das sie ihm vorsetzte. Grischa Parkov hustete einmal trocken und entschied sich für das kleinere Übel: den kurzen Weg über die Ringstraße.

Lieber hatte er zu wenig Bewegung als schon wieder eiskalten Borsch ohne saure Sahne.
 

Er war noch nicht weit gekommen, da trötete sein Handy schon fröhlich die Titelmelodie von „Pippi Langstrumpf“. Fluchend tastete der Boxtrainer in seiner Jackentasche nach dem Mobiltelefon. Verdammt, was hatte seine Enkelin da schon wieder getan?

Der nächste Fluch war von der Sorte, die er sich normalerweise verkniffen hätte, wäre seine Frau in seinem näheren Umfeld gewesen wäre. Zum Glück war sie nirgends zu sehen. Hatte man ihm sein Mobiltelefon etwa gestohlen?

Auf die Jugend von heute und die zunehmende Kriminalität schimpfend fand der Boxtrainer das gesuchte Gerät schließlich in der Innentasche seiner Jacke. So viel zur Kriminalität – beinahe tat es ihm Leid, so geflucht zu haben. Leider hatte der Anrufer aber noch nicht aufgegeben, so konzentrierte sich Grischa Parkov auf seinen ausdauernden Störenfried.
 

„Alló?“ , meldete er sich brummend, noch schroffer als sonst. „Papotschk, kannst du nicht schneller abheben?“, beschwerte sich die Stimme seiner Tochter am anderen Ende der Leitung. Ach, was war sie nur für ein Sonnenschein… Der Boxtrainer verdrehte die Augen. „Was ist los? Normalerweise schickt ihr den Suchtrupp erst nach fünf Stunden los!“ – „Ich lach mich tot“, konterte die junge Angestellte trocken. Ganz, wie Grischa es gewohnt war. „Also“, überging er den Konter, „Shto tej chatshisch? Was willst du?“

Wenigstens kam Talja immer gleich auf den Punkt. „Ich habe einen Anruf von der Firma gekriegt.“, berichtete sie sogleich, „Ich soll nochmal hin, aber Pjotr ist nicht Zuhause und Mama kann auch nicht auf die Kleine aufpassen, wegen ihrer Migräne.. Darf ich die Kleine am Dienstag zu dir in die Halle bringen?“ Grischa Parkov verfluchte sich manchmal selbst. Ein Kind beim Boxtraining.. „Aber nur dieses eine Mal“, meinte er brummig. Talja lachte erleichtert. „Spassiba, papotschk! Damit rettest du mir das Leben!“, Grigorij konnte sich förmlich vorstellen, wie seine Tochter übers ganze Gesicht strahlte. „Paká“
 

Sie hatte aufgelegt, bevor er noch etwas erwidern konnte. Der etwas in die Jahre gekommene Boxtrainer schüttelte den Kopf über sich selbst. Wo er bei seinen Schützlingen vom Thai-Box-Club zu hart war, war er mit seiner Tochter zu nachsichtig gewesen.
 

~*-----------------------------------------------------*~
 

„Ich glaube, die Kiste war wirklich mal toller“, bemerkte Spencer desillusioniert. Ian nickte. „Das sag‘ ich doch schon die ganze Zeit!“, verkündete er. Bryan zuckte bloß mit den Schultern, beförderte Fotos zutage, von deren Existenz er noch nicht einmal etwas gewusst hatte. „Das macht die Erinnerung“, fand er nüchtern, „Andere Leute glauben an Märchen, bei uns ist’s eben die Kiste. Auch nichts weiter“ - „Das klingt als wäre die Kiste eine Art Ersatzreligion“, Spencer schüttelte den Kopf und klaubte weiter in den Fotos herum, versuchte, die jeweiligen Situationen zu erkennen.
 

„Na sieh mal einer an“, gab er plötzlich von sich und hielt grinsend ein Bild in die Höhe.

Sie alle vier saßen erschöpft und vollkommen durchnässt auf einem Treppenaufgang. Bryans spöttisches Grinsen war dem verärgerten Ausdruck Talas zugewandt, welcher den Schaum aus seinen Haaren zu drücken versuchte. Bryan schien noch am wenigsten abbekommen zu haben, doch Ian und Spencer waren über und über von Schaum bedeckt wie der Rotschopf. Sie lachten lauthals.
 

„Wisst ihr noch? Das war Talas genialer Plan gegen die Waschmaschine!“, verkündete Spencer beinahe stolz, und Bryan grinste schief. „Wir müssen ihm zugute halten, dass er es zumindest weiter geschafft hat als wir drei zusammen.“, lenkte er ein. „Ach was“, grinste Ian, „Wir hätten das alles ohne seinen ultimativen Superplan geschafft, wenn er uns überhaupt hätte machen lassen!“

Die drei ehemaligen Demolition Boys brachen in schallendes, für sie eigentlich untypisches Gelächter aus. Oh ja, Waschmaschinen konnten sehr, sehr tückische Geräte sein, besonders, wenn man glaubte, man könnte sie überlisten.

„HA!“, tönte Bryan, „Der Plan war nicht meiner und ist trotzdem in die Hosen gegangen!“ – „Dafür hast du aber die ganzen Regale falsch zusammengezimmert, als wir hier eingezogen sind“, versetzte Ian ihm einen Seitenhieb und hielt ein Foto der verkorksten, windschief stehenden Regale nach oben, „Du konntest ja noch nie Gebrauchsanweisungen richtig lesen“ – „Oder sie richtig herum halten“, ergänzte Spencer breit grinsend. Bryan murrte und verschränkte die Arme. „Wer hat überhaupt die ganzen Fotos gemacht?“, versuchte er abzulenken.

Spencer zuckte mit den Schultern, machte ein ratloses Gesicht. „Was weiß ich“, meinte er. Im Grunde genommen war ihm das auch egal. Ian blickte auf die Fotos. „Vielleicht war’s ja Ljudmilla“, mutmaßte er, während er die Bilder aus ihrer ersten Zeit außerhalb der Abtei betrachtete. Ljudmilla hatte ja diesen Fotografie-Tick gehabt und ständig eine Spiegelreflexkamera mit sich herumgetragen, fiel dem jungen Pianisten nun ein. Und Tala hatte sich irgendwann einfach einmal die Kamera genommen, um sie sich genau anzusehen..

Nachdenklich blickte Ian auf den buchstäblichen Haufen an Fotos, die auf dem Küchentisch ausgebreitet lagen. Hatte womöglich Tala…? Nein, das konnte nicht sein.

Oder?
 

~*-----------------------------------------------*~
 

Tala legte die Zeitung auf den Nachttisch und lehnte sich zurück. Hatte er den Tag jetzt wirklich über den Kreuzworträtseln in den diversen Zeitungen rumgebracht, die im gesamten Krankenhaus verstreut zu finden waren?

Ein bitteres Schmunzeln überzog sein Gesicht. Michail im Nebenbett ließ ein Grunzen hören – so laut, dass man es am anderen Ende des Krankenhauses bestimmt noch hören musste. Tala verzog das Gesicht. So geschnarcht hatte zuletzt Spencer, als er sich vor Jahren hatte mit ihm das Zimmer teilen müssen. Nach einer Woche hatte er mit Ian getauscht damals – bei seinem leichten Schlaf hatte er einfach keine Ruhe gefunden.

Auf den ersten Grunzer folgte ein zweiter, und Tala war sich sicher, bald würde das gurgelnde Schnarchen einsetzen. In einem Anflug von schrägem Humor stellte der Rotschopf sich die Bäume vor, die deshalb abgeholzt wurden. Mann, Michail war ja wirklich zum Holzfäller geboren..!
 

Seine Augen fühlten sich trocken an, seine Lider schwer, doch egal, wie fest er sich das Kissen über die Ohren presste – oder wahlweise versuchte, sich damit zu ersticken, was auch nicht klappte – er fand einfach keinen Schlaf. Müde wälzte er sich auf die andere Seite.

Wo blieb das Sandmännchen, von dem sein Vater immer geredet hatte, als er klein gewesen war und nicht hatte einschlafen können?

Frustriert öffnete Tala die zusammengepressten Augen. Scheiße. Wenn Michail schon Holzfäller war – warum ging er dann nicht in den Wald?
 

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Montage

43: Montage
 

Danke für die motivierenden Kommentare und die Geduld :3 Langsam geht's in die heiße Phase bei dieser FF, und ich werd mich ab jetzt Mühe geben, jeden Monat mindestens ein Kapitel zu schreiben und hochzuladen ;)

Viel Spaß beim Lesen!
 


 

Das Telefon klingelte lautstark auf dem niedrigen Tischchen im Flur. Das weiße Gerät war noch nicht kaputtgegangen – sehr zu Bryans Leidwesen, der gerade versuchte, den Kaffee hinunterzuwürgen, den er gebraut hatte. Verdammt, warum hatte Spencer heute nur frei? Er hätte einen guten Kaffee brauchen können..

Doch leider beschränkten sich Bryans Kochkünste auf das Tee-Brauen, und wirklich nur auf das. Deshalb ließen seine Mitbewohner auch meistens nicht an etwas Ähnliches wie den Herd oder generell Speisen. Der Silberhaarige zuckte beim ersten Klingeln zusammen und hätte beinahe die Tasse fallen lassen. Beim zweiten Klingeln versuchte er festzustellen, was es überhaupt war, ehe es ihm einfiel: irgendwer musste den Kabel wieder in die Dose gesteckt haben.

So viel zur sogenannten seligen Ruhe der Morgenstunden.. Bryan seufzte lautlos. Sollte er das Telefon erdolchen? Das Küchenmesser wäre dazu bestimmt gut zu gebrauchen, auch wenn Spencer ihn dafür bestimmt umlegen würde… Wer rief um sieben Uhr früh überhaupt an?

Bryan kam es unmenschlich vor, dass er überhaupt schon so früh auf sein musste – als einziger der WG! Tala war entweder nicht über Nacht nach Hause gekommen oder hatte sich irgendwann in sein Zimmer geschlichen und würde nicht vor Mittag herauskriechen, Ian schien überhaupt mehr Freizeit als Arbeit zu haben, Spencer hatte sich frei genommen..

Verdammt, und er, Bryan, musste heute wieder anfangen.

Missgelaunt brummelte der Silberhaarige Unverständliches in seine Kaffeetasse – ob nun Flüche auf das Telefon, Verwünschungen für seine Mitbewohner oder einfach nur ein herzhaftes „Ich hasse Montage“ würde wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Falls er selbst überhaupt wusste, was er so vor sich hin murmelte.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er sich beeilen wollte, wollte er mit der Metro fahren – und das musste er. Sein Motorrad war bei seinem Chef untergestellt, weil in ihrer Wohnung keine Parkplätze waren. Oder besser, Spencer brauchte allen Parkplatz für seine uralte Schrottkarre..

Bryan seufzte auf und zuckte bei einem erneuten Klingeln des Telefons zusammen. Schade, und er hatte schon gehofft, der Anrufer hätte aufgegeben.. Der Silberhaarige fuhr sich einmal durch die Haare und blickte abermals auf die Küchenuhr, deren lautes Ticken im Moment das einzige Geräusch im Raum war. Ians Zimmer war ihm am nächsten, als er in seine Schuhe stieg, und so schlug er einmal kräftig dagegen.

Sollte Krümel doch den penetranten Anrufer abwimmeln – der Silberhaarige hatte keine Lust darauf, seine gerade wirklich kostbare Zeit mit sinnlosen Werbeanrufen vom Tonband zu verbringen. „Okay, wenn ich laufe, schaffe ich es noch“, murmelte er sich selbst zu und schlug die Wohnungstür hinter sich zu.

Ob er damit sämtliche andere Bewohner des Hauses aufweckte war ihm da mehr oder weniger schnuppe.. Zumindest, solange die KGB-Oma ihn nicht wieder aufhielt..
 

Ian war schon halb wach, als ihn ein lautes, einmaliges Hämmern an seine Zimmertür vollständig aufweckte. Das Knallen der Tür folgte, und benommen stellte der Kleinwüchsige fest, dass Bryan wohl wieder einmal zu früh dran war.. entweder er oder Spencer – das machte dann allerdings weniger Unterschied.

Wer klingelte da denn so penetrant?, wunderte der verschlafene Lilahaarige sich und drehte sich auf die andere Seite. War das die Wohnungsklingel im oberen Stock? Oder unter ihnen, bei der KGB-Tante? Ach nein, die besuchte schon lange niemand mehr, und wenn, dann nicht um sieben Uhr morgens.

Ian drehte sich wieder auf die andere Seite, diesmal jedoch vollständig wach. Oh, war das etwa ihr Telefon..?

Mühsam rappelte der Lilahaarige sich hoch. Wer rief denn bitte um die Zeit an? Und dann schien es auch noch dringend zu sein.. Hoffentlich war nichts mit Tala! Ian bekam augenblicklich ein schlechtes Gewissen, weil er nicht wusste, wie lange das Telefon schon klingelte. Aber wenn Bryan dagewesen war, bestimmt länger.

Er trat schleppend aus einem Zimmer, registrierte nebenbei die Kälte unter seinen Fußsohlen. Warum waren nochmal fließen in ihrem Flur? Ach ja, wegen der Sauberkeit.. wenn man denn Tala glauben mochte..

„Alló?“, meldete er sich, inzwischen halbwegs zurechnungsfähig.

„Bon jour, Monsieur Papov!“, kam es aus dem anderen Ende der Leitung, ein unverkennbarer französischer Akzent schlug dem Kleinwüchsigen entgegen, der erst einmal nicht wusste, wer da dran war, „Sie erinnern sich an mich, oui? Vom All Nations Orchestra?“

Ian war im ersten Moment zu überrumpelt, um mehr als ein stotterndes „J-ja“ herauszubringen.

„Nun“, kam der Talentsucher auch gleich zur Sache – er schien in Eile zu sein, „Ich möchte Ihnen ein volles Stipendium für unsere Akademie in Paris anbieten, sowie ein Engagement für das All Nations Orchestra. Wir brauchen Musiker von Ihrem Kaliber“

„Das-das..“, Ian brachte keinen vollständigen Satz heraus. Er hatte nicht erwartet, nochmals etwas von dem Talentsucher zu hören. Und nun so ein Angebot? Das grenzte an ein Wunder!

„Ich brauche nur eine Antwort von Ihnen“, erklärte der Franzose weiter, während Ian sich erstmal an der Wand abstützten musste. Ein volles Stipendium mit Engagement.. Das war der Traum eines jeden Musikers! Fassungslos hörte der Kleinwüchsige das folgende, ohne es wirklich wahrzunehmen: „Sind Sie dabei?“

Ian atmete einmal tief durch, um das „Ja!“, das seine Kehle herauf drängte, hinunterzuschlucken. Ging das überhaupt? Konnte er weg? Einfach so? „Ich.. Ich brauche noch etwas Zeit zum Überlegen.“, erklärte er schließlich stockend. Jetzt, wo Tala nicht da war.. Vielleicht musste er das erst einmal mit seinem Ex-Teamleader absprechen..

Der Talentsucher schien zu verstehen und Ian glaubte sein Nicken durch das Telefon hindurch zu hören. „Teilen Sie mir Ihre Entscheidung bis spätestens Mittwoch mit“, wurde Ian noch eine kurze Zeitspanne gewährt, „Dann verlassen wir Russland wieder – ob nun mit oder ohne Sie. Lieber wäre uns natürlich mit Ihnen, Monsieur Papov.“

Ian verabschiedete sich höflichst von dem Franzosen – so höflich er nun einmal war. „Bei Gott“, hauchte er in den Raum und ließ sich gegen die Wand sinken, rutschte an ihr hinunter, bis er saß, „War das gerade wirklich echt?“

Dieser Montag war wirklich der Hammer. Und er hatte noch nicht einmal richtig angefangen..
 

~*-------------------------------------------*~
 

Bryan saß in der Metro, eingekeilt zwischen Schülern und Geschäftsmännern, und kam sich so deplatziert vor wie vor vier Jahren, als sie die ersten Ausgänge nach „draußen“ unternommen hatten. Allerdings war da noch Ljuda mit ihnen gekommen und hatte im Zweifelsfall immer eine Alternative zu Menschenmassen gehabt. Die nervöse Ukrainerin hatte wirklich immer einen Plan B in petto gehabt – selbst als Bryan einmal ausgetickt war. Der Silberhaarige schluckte leicht und hielt sich an einem der Halteriemen über seinem Kopf fest, um nicht beim nächsten Halt der Moskauer U-Bahn gegen die schweißnasse Achsel des Riesen vor seiner Nase geschleudert zu werden. Er verzog unauffällig das Gesicht.

Bah, gab es schlimmeres als diese Pseudo-Schlägertypen, die in letzter Zeit überall herumliefen? Da waren dem Silberhaarigen selbst noch die diebischen Elstern lieber, die gerade unauffällig einer Touristin die Geldbörse aus der Handtasche klauten.

Na, die würde noch Spaß haben heute. Der Silberhaarige quetschte sich zu den Kindern durch und packte den blonden Jungen mit der Kapuze über dem Kopf am Kragen. „Du gibst ihr der Frau das Portemonnaie wieder, das du gerade aus ihrer Tasche genommen hast, klar?“, knurrte er sotto voce und erwiderte den trotzigen Blick eiskalt. Wenn er etwas nicht leiden konnte, waren es solche Kinder – vielleicht, weil er in ihnen sich selbst wiedererkannte, wie er hätte enden können.

Bryan knurrte abermals und riss dem Jungen das Portemonnaie aus der Hand, ehe er ihn beim nächsten Halt frei ließ. Der kleine Möchtegern-Gangster floh fluchend zu seinen Kameraden, die schon auf ihn warteten. Bryan schüttelte den Kopf und schmuggelte der Frau ihre Börse wieder in die Handtasche, ohne, dass sie etwas davon bemerkte.

Oh ja, er war ein talentierter Taschendieb gewesen.. Und hatte beinahe nichts verlernt.

Der Silberhaarige grinste schief, da fiel ihm ein, dass er eigentlich hätte vor zwei Stationen aussteigen müssen. Fluchend trat er zur Tür, wurde beinahe von den Menschenmassen rundum zerquetscht, die nach draußen strömten. Bryan hatte einen Moment lang ganz vergessen, wie sehr er die Massen doch hasste, doch nun wurde es ihm mit einem Schlag wieder bewusst. Er hörte seinen Puls in den Ohren und ballte die Fäuste, um die aufkommende Übelkeit, die ihm immer aufkam, wenn er sich in einer Menschenmenge aufhielt, zurück zu kämpfen.
 

Als er endlich wieder auf dem Bürgersteig stand und die kühle Morgenluft einatmete beschloss er, Plan B anzuwenden: lieber rannte er innerhalb der nächsten Viertelstunde zu seinem Arbeitsplatz als nochmals in der vollgequetschten Metro eingeklemmt zu sein.

Seufzend fuhr sich der Silberhaarige durchs Haar. Heute war wohl einfach nicht sein Tag.
 

~*---------------------------------------------*~
 

„Guten Morgen!“, die laute, überfröhliche Stimme riss Tala aus dem Halbschlaf. Er fühlte sich – gelinde ausgedrückt – wie von einer Horde Büffel überrannt. Obwohl, hier in Russland trafen es eine Horde Bären wohl eher.. Tala massierte sich genervt die Schläfen und drehte seinem nervtötenden Zimmergenossen, auch bekannt als Michail, den Rücken zu.

Das dünne Laken, für das er während der Nacht dankbar gewesen war, rutschte ihm von den Schultern, und auch der Ärmel seines T-Shirts hatte sich verschoben. Michail räusperte sich. Bestimmt sah er gerade die vielen feinen, weißen Narben, die sich über seinen Oberarm zogen, mutmaßte Tala und schloss die Augen, rückte beinah automatisch das T-Shirt wieder zurecht. Er mochte es nicht, angesehen zu werden. Und besonders diesen verdammten, mitleidigen Blick konnten sie sich sparen. Wenn er es gekonnt hätte, er hätte eine jede Narbe unsichtbar gemacht. Doch sie waren da – und vielleicht war es auch gut so. So konnte jeder sehen, dass die Welt nicht so gerecht war wie man die Menschheit glauben machen wollte.

Mensch?

44: Mensch?
 

Hallöchen an alle ^^

Ja, das Wunder ist geschehen, und FreeWolf hat ihre Schreibfaulheit überwunden :D Das Kapitel ist einem lieben Menschelein gewidmet, das zufällig auch noch Geburtstag hat.. ;) Wer könnte das wohl sein..?

*grins*

*Kuchen herstell*

Alles Gute, Jeschi! :3
 

Und auch allen anderen wünsche ich viel Freude am neuen Kapitel :3
 


 

„Guten Morgen!“, eine Schwester trat kurz nach der Morgentoilette ein, gefolgt von Dr. Karschtschow. Die Schwester lachte gut gelaunt – beinahe zu gut gelaunt für den Morgen, wie Tala meinte – und scherzte etwas mit Michail. Dieser wurde von ihr zu seinem ersten Behandlungstermin gebracht. Ein Wunder eigentlich, dass die junge, eher schmächtige Frau das Bett mit dem schweren Mittvierziger überhaupt schieben konnte, überlegte Tala und heftete seine hellen, an diesem Morgen mehr grau als blau scheinenden Augen auf das Bett, ohne der Ärztin die Beachtung zu schenken, die sie vielleicht verdient hätte. Noch hatte sie nichts für ihn tun können, außer die Diagnose zu stellen – noch, denn ihrer Miene nach zu schließen hatte sie Nachrichten für ihn.

„Endlich geht’s los!“, Michail reckte ihm einen Daumen entgegen, da er das Starren des Rotschopfes als etwas Anderes interpretierte als es war. Der Mittvierziger zwinkerte abschreckend gut gelaunt, und Tala schwor sich, seinem Leben ein Ende zu setzen, sollte er jemals solches Verhalten an den Tag legen. Das war vielleicht nicht die beste Einstellung für jemanden, dessen Leben am folgenden Tag enden konnte, doch der Rotschopf meinte seinen Vorsatz bitterernst.

..So bitterernst eben, wie man es meinen konnte, wenn man eine schlaflose Nacht hinter sich hatte und entsprechend schlecht gelaunt war.

Der Rotschopf überlegte, dass er Michail vielleicht doch noch eine der Kanülen aus dem Arm ziehen und an einen ganz anderen Ort hätte rammen sollen für das Schnarchen während der vergangenen Nacht. Doch nein, Ljuda, die gute, alte Sozialarbeiterin hielt doch so viel darauf, die ehemaligen Demolition Boys zu pazifistischen Jungen gemacht zu haben – zumindest hatte sie das bei der allerletzten Anhörung gegen Balkov dem Richter gegenüber behauptet. Ihre allgegenwärtige Nervosität war damals mit einem Schlag verschwunden, und sie war – trotz eines unglaublichen Polizeiaufgebotes – gefasst und selbstbewusst aufgetreten. Tala hatte Ljudmilla bis dahin nie wirklich ernst genommen, doch nach dieser Anhörung, während derer sie vier innerlich aufs Äußerste angespannt gewesen waren, erfüllte ihn eine Art Respekt vor der Sozialarbeiterin, die sich solche Mühe mit ihnen gab.

Tala schüttelte den Kopf über sich selbst und machte so auch dem Starren ein Ende, welches sich zuletzt bloß noch auf den Rücken der Krankenschwester in ihrem rosa-weißen Kittel geheftet hatte, und Dr. Karschtschow machte seinen gedankenverlorenen Überlegungen schlussendlich ein Ende.

„Wie ich sehe, haben Sie bereits Freundschaft mit Michail Wolodjew geschlossen..“, bemerkte sie lakonisch – sie hatte den Blick auf die richtige Art und Weise aufgefasst. Die Ärztin öffnete das Fenster und warf einen Blick nach draußen, während sie darauf wartete, die ungeteilte Aufmerksamkeit Talas zu bekommen. Der Rotschopf erhob sich schwerfällig und ging die paar Schritte zum Fenster – selbst das stellte sich gerade als Kraftakt heraus, obwohl er eigentlich vor Energie sprühen sollte, und der Rotschopf tobte innerlich über seinen unmöglichen Zustand. Er warf einen Blick nach draußen, um sich etwas abzulenken, hinauf in den Himmel. Der Himmel war so blau und klar, dass er blauer nicht hätte sein können. Das strahlende Azur war nirgends von Wölkchen oder Wolken verunreinigt, und Tala fühlte die ungewisse Sehnsucht, die ihn auch in Kindertagen veranlasst hatte, jede freie Minute am Fenster zu stehen und das Himmelszelt zu beobachten.

„Er ist.. gewöhnungsbedürftig“, antwortete er schließlich mit vollkommener Verspätung, und die Ärztin nickte. Sie putzte ihre Brille am Saum ihres Kittels und er wandte ihr seine hellen Augen zu, die selbst im Vergleich zum Himmel noch als Sieger hervorgingen. Das reine, helle Blau stach wahrlich hervor, und die Ärztin erwischte sich bei dem Gedanken, was denn mit dem Rotschopf passiert sein möge, dass sie so kalt funkelten wie die Eisberge im Polarmeer.
 

„Nun, lassen Sie uns mit der Untersuchung anfangen“, wechselte sie in ihre professionelle Art zurück und führte ihn ins Untersuchungszimmer drei Türen weiter. Dort räusperte sie sich, um zurück zum Wesentlichen zu kommen. „Wenn Sie sich bitte frei machen“

Der Rotschopf entledigte sich langsam des blauen T-Shirts, welches er getragen hatte, und hervor kam ein kräftiger, sehniger Körper, dessen Fragilität die Ärztin immer wieder überraschte. Dr. Karschtschow wusste nicht, woher die vielen langen und kurzen, hellen und dunklen Narben stammten, die die bleiche Haut überzogen wie ein dichtes Netz – aus den Akten ging nichts darüber hervor. Oder.. vielleicht wäre etwas darüber hervorgegangen, doch die Akten existierten bloß ab dem sechzehnten Lebensjahr des Rotschopfes. Alles, was vorher gewesen war, lag verschwommen und versteckt wie unter einer dicken Schneeschicht. Und etwas sagte Dr. Karschtschow, dass ihr Patient ihr bestimmt keine Auskunft über seine Vorgeschichte geben würde. Sie vertrieb ihre Gedanken mit einem leichten Kopfschütteln und blickte nochmals die Narben an, die sich in die Haut gefressen hatten wie die Brandmale eines anderen Patienten, dessen Visite sie heute überstanden hatte.

Tala setzte sich auf die Liege und beobachtete jede Bewegung Dr. Karschtschows genau. Sie setzte das Stethoskop an die trainierte Brust, und mit dem Abhören des Herzschlages wurde sie sogleich wieder ruhiger. Ihre innere Unruhe heute hatte hier im Krankenhaus nichts zu suchen, beschloss sie.

Die blonde Ärztin war nicht gewillt, sich übermäßig viele Gedanken um ihre Patienten zu machen – daran ging man bloß kaputt. Ihre grünlich-braunen Augen hefteten sich auf eine Narbe, sie sich quer über den ganzen linken Arm des Rotschopfes zog. Dieser Patient jedoch gab ihr ausnehmend viel Material zum Nachdenken.
 

~*--------------------------------------*~
 

„Kusnetsov!“, die laute, tiefe Stimme seines Chefs dröhnte an den kahlen Betonwänden der Kellerräume, und Bryan zuckte zusammen. Dabei hatte er sich doch unauffällig hereinschleichen wollen.. „Du bist zu spät!“, nun kam der Chef höchstpersönlich aus dem Hinterzimmer. Der Silberhaarige musste sich – wie immer – ein breites Grinsen verkneifen. Angesichts der tiefen, dröhnenden Bassstimme, die wohl eher in einen verrauchten Nachtclub gepasst hätte als in den Pizza-Express, einen der wenigen in Moskau, erwartete ein jeder einen einbeinigen, bärtigen Seebären mit Pfeife im Mund. Stattdessen trat jedoch ein schmächtiger, rasierter, geschniegelter und vor allem klein geratener Mann um die Dreißig aus der Küche. Pjotr Smejow trug bereits seinen weißen Kochanzug, die karierte Schürze, die er nie ablegen wollte und die weiße Kochmütze, die an ihm wirkte wie eine OP-Kappe.

Die Wangen waren schon jetzt, kurz nach halb neun, mehlbestäubt, und die vorstechende Nase leuchtete Rot wie die Rudolphs, des Rentiers. Die Heizung war wieder ausgefallen, und auf dem Metallofen kochten bereits Töpfe mit heißem Wasser, um es wenigstens ein kleines Bisschen angenehmer zu machen. Bryan zog ein verlegenes Gesicht. „Tut mir Leid“, murmelte er und versprach, „Kommt nicht wieder vor“

Der Chef des „Smejow-Express“ nickte, war fürs erste zufrieden gestellt. Er machte eine Handbewegung in Richtung Treppenaufgang zum Hinterhof. „Geh dir dein Motorrad holen, wir haben schon drei Bestellungen, die in der nächsten Stunde ausgeliefert werden müssen“, wies er an. Bryan grinste breit und irgendwie auch ein bisschen vorfreudig. Er hatte lange genug auf seinen kleinen, zweirädrigen, ein bisschen klapprigen, aber dennoch wunderbaren fahrbaren Untersatz verzichten müssten. Zum Glück musste er jetzt nicht hier herumlungern und sich den Hintern abfrieren! Bryan schnappte sich die drei Pizzaschachteln, prüfte schnell die Adressen auf den Bestellzetteln und stürmte beinah enthusiastisch die paar Stufen zur breiten Klappe hinauf, die einst für Kohlen, nun für Pizza-Lieferanten, vorgesehen war. Er schwang sich auf das schwere Motorrad, welches unter seiner Führung jedoch wendig wurde, und verschwand bald in entgegen der Einbahnstraße der nächsten Gasse.

Pjotr Smejow hingegen kehrte ins Hinterzimmer zurück, wo der schwere Eisenofen bereits bis zum Anschlag beheizt wurde. Der Boiler hatte schon wieder den Geist aufgegeben, und scheinbar hatten alle Hydrauliker der Stadt beschlossen, heute nicht erreichbar zu sein. Der klein geratene Pizzaiolo seufzte auf und stieß mit der Schürgabel in den Ofen hinein. Blieb ihm bloß zu hoffen, dass ihm das Holz nicht ausging und die Wärme sich bald ausbreitete. Der Keller, in dem er seinen Pizza-Express angesiedelt hatte, lag nahe an der Moskwa, und die Heizungsrohre hatten die unschöne Angewohnheit, dauernd einzufrieren, wenn man nicht aufpasste – selbst im Sommer! Pjotr Smejow hatte schon beinahe alles versucht, um des Problems Herr zu werden. Er war vom Hydrauliker, über den Austausch der Rohre und des Boilers (was eine ungemein nutzlose Ausgabe gewesen war, der Boiler war nämlich auch schon ein Neukauf gewesen), bis hin zu Exorzisten und Geisterbeschwörern. Inzwischen hatte der Russe, der sich ursprünglich in Nachtclubmilieu bewegt hatte, sich auf eine neue Taktik verlegt: beständiges Ignorieren und den Umstieg auf Holzofen. So wurden immerhin auch die Pizze besser, und er konnte endlich die vielen Verluste ausgleichen, die ihm die Exorzisten beschert hatten. Smejow wandte sich dem Teig zu und warf einen Blick auf die Uhr, schloss mit sich selbst eine Wette ab, wann denn sein schnellster Pizzabote wieder eintrudeln würde.
 

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Die Untersuchung verlief Größtenteils schweigend. Dr. Karschtschow stellte hin und wieder eine Frage, die Tala einsilbig beantwortete. Ihm waren Menschen, die weiße Kittel trugen und sich Ärzte oder Wissenschaftler schimpften, noch immer zuwider. Da hatte ihm Ljuda noch so viele enthusiastische Reden von wegen „nützlich für die Gesellschaft“ oder ähnlichem halten können. Tala empfand tiefste Abscheu gegen diese Berufssparte, und noch schlimmer fand er es, dass er sich ihr gerade auslieferte – und das auch noch freiwillig.

Ein Arzt sollte die Fehler beheben, die andere Ärzte ihm eingepflanzt hatten.. Das klang für ihn einfach wie ein Absurdum. Der Rotschopf verfolgte eine jede Dr. Karschtschows Bewegungen eingehend. Als die Ärztin schließlich zufrieden nickte, sprang er behände auf die Füße – wenigstens das konnte er noch, ohne gleich umzukippen, und zog sich sein T-Shirt wieder über. Er hatte die eingehenden Blicke der Ärztin durchaus bemerkt, und hatte nun wahrlich keine Lust, darüber zu sprechen.

„Bleiben Sie noch einen Augenblick“, bat Dr. Karschtschow da, und der Rotschopf verdrehte unwillig die Augen, blieb jedoch stehen. „Soll ich mein Oberteil gleich nochmal ausziehen, damit Sie nochmals einen Blick auf meine ganzen Narben werfen können?“, warf er bitter die Frage in den Raum. Er hatte keine Lust auf großartige Gespräche. Er wollte eigentlich nur noch irgendwohin, wo er ungestört trainieren konnte. Er war zu lange auf der faulen Haut gelegen, und Tala spürte die angestaute Energie in jeder Faser seines Körpers.

„So war das nicht gemeint“, wich die Ärztin seiner Frage aus, doch es war offensichtlich, dass sie genau darüber sprechen wollte. Unwillig ließ er seinen Kopf einmal kreisen, fixierte sie dann mit seinen hellen, beinah durchscheinenden Augen. „Hören Sie“, meinte er ernst und die Ärztin bekam wieder eine vollkommen neue Seite ihres Patienten zu sehen, „Ich weiß genau, wie dieses Gespräch ablaufen wird, und ich habe gerade wirklich nicht den Nerv dazu. Sie werden Fragen stellen, die ich mich weigere zu beantworten.“

Tala wies zuerst mit der Hand auf die Ärztin, die vollkommen perplex von dieser für Talas Verhältnisse langen Rede dastand, ehe er auf sich selbst wies.

Der Rotschopf strich sich eine der roten Strähnen, die ihm ständig ins Gesicht fielen, aus der Stirn und wandte den Blick kurz aus dem Fenster, wie überlegen, als müssten die folgenden Worte ihn erst erreichen. Dr. Karschtschow fixierte ihn, und als ihre Blicke sich trafen, wurde ihr klamm im Magen. Was für ein Mensch stand ihr da gegenüber?

..War er überhaupt ein Mensch?

Dr. Karschtschow schauderte, als sie an die vielen mechanischen Elemente und Implantate im Rotschopf dachte, und ein unheimlicher Gedanke kam ihr auf. Was, wenn das Personal mit seinen losen Mundwerken Recht hatte, und sie eigentlich vor einer Art ..Cyborg.. stand?

Ein müder Held

45: Ein müder Held
 

Vielen lieben Dank für die Kommentare ^^

Ich habe das Kapitel jetzt - weil ich es selbst scheiße fand - nochmal überarbeitet, und hoffe es sagt euch noch immer zu :)

Ich habe mir vorgenommen, wieder fleißiger zu schreiben, immerhin liebe ich dieses Baby. *lach* Das eigentliche neue Kapitel ist schon in Arbeit.

Viel Spaß beim Lesen!
 

Dr. Karschtschow war niemals eine Ärztin gewesen, die sich als mutig bezeichnete. So wich sie auch nun einen halben Schritt zurück, als der Rotschopf auf sie zukam. Der auch sonst schon harte Zug um seinen Mund hatte sich zu einer schmalen, marmornen Linie verzogen, und sein Blick sprach Bände. Oder auch nicht, denn die Mischung aus Verachtung und eiskaltem Spott verlieh den hellen Augen einen Ausdruck von kaltem Nebel auf den Eisschollen der Polen.

„Sie denken, ich wüsste nicht, was über mich geredet wird, oder?“, ein höhnisches Schmunzeln, die hellen Augen verengten sich. Eine Grimasse – mit etwas Anderem konnte die Ärztin diesen Ausdruck nicht vergleichen. Der Rotschopf fuhr fort, ohne ihr Zeit zu geben, eine Erwiderung über die Lippen zu bringen – geschweige denn sich eine zu überlegen. Ein Bellen, welches wohl ein Lachen sein sollte, drang hart aus der Kehle Tala Iwanovs. „Die Schwestern schreien es durch die Gänge und glauben, die Patienten wären taub.“

Dr. Karschtschow senkte den Blick beschämt zu Boden. So wenig sie ihm gerade Recht geben wollte – sie musste es beinahe. Dieser Punkt war schon oft Beschwerde der Patienten gewesen, und sie konnte nicht alles überwachen. Zumal eigentlich der Oberarzt für solcherlei Ereignisse und Lästermäuler zuständig gewesen wäre. Doch sie wusste eines, instinktiv; Ausflüchte brachten bei diesem prekären Fall von Patienten nichts. Die Worte, mit denen sie ihm entgegentreten wollte und auch würde, mussten gut gewählt werden.

Die blonde Ärztin kniff die Lippen zusammen, um sich nicht zu viel ihres Schreckens vor diesem jungen Mann anmerken zu lassen. Obwohl – Schrecken war es nicht. Es war mehr ein innerer, urinstinktiver Reflex, schnell weglaufen zu müssen. Doch sie musste wohl hier bleiben, um ihm zu beweisen, dass sie keine Angst vor ihm hatte. Sie würde dies schaffen, sprach sie sich selbst Mut zu, während die seltsame, aggressiv knisternde Luft um sie herum immer dünner zu werden schien, je näher er ihr kam.

„Sie nennen mich einen..“, die Verachtung war in dem leisen Zischen, welches dennoch den ganzen Raum auszufüllen schien, nicht zu überhören, als er das Wort ausspie „..einen >Roboter<. Eine >Maschine<. Und wissen Sie was?“

Die eisblauen Augen funkelten noch immer, und Dr. Karschtschow musste unwillkürlich schlucken. Sie strahlten heller als alles ihr bisher begegnete. Wie die Polarsonne. Oder das Licht eines gespaltenen Atomkerns.

Sie hatte nicht gedacht, dass etwas Derartiges vorkommen konnte, konnte jedoch nicht anders, als ihren rotschöpfigen Patienten anzusehen. Eine seltsame Art der Faszination ging von ihm aus, so wie er gerade dastand – aufrecht wie ein stolzer Held aus antiken Mythen. Oder wie ein Superheld aus den Comics ihres Neffen, welcher diese dauernd mit sich herumtrug.

„Irgendwie kann ich nicht umhin, ihnen Recht zu geben.“, die hellen Augen verengten sich, und die ansonsten schon steinernen Züge des jungen Russen erstarrten vollkommen zur Maske. Dr. Karschtschow konnte beim besten Willen nicht erkennen, was in dem Rotschopf vorging. Sie erwiderte den Blick nun gefasst, hatte die Überraschung und Abstrusität des Augenblicks – wann war sie denn jemals mit einem solchen Patienten konfrontiert worden? – überwunden. Silberpartikel flossen in den Eisaugen, und unwillkürlich fühlte die Ärztin sich an Quecksilber erinnert. Sie erkannte eine völlig neue Seite – und witterte sogleich auch eine neue Möglichkeit, etwas über die Herkunft der seltsamen Implantate in Erfahrung zu bringen.

Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen – unwillkürlich straffte die Ärztin die Schultern, wie die selbstbewusste Frau es eben manchmal tat – erwiderte sie endlich langsam: „Sie mögen vielleicht nicht gewöhnlich sein, doch bestimmt keine Maschine.“, auch wenn dies auf den ersten Eindruck hin nicht viel aussagte, so entsprach es doch der Wahrheit, „Ihr Körper besteht nämlich nur zu etwa dreißig Prozent Fremdgewebe – deshalb können wir Sie auch mit relativ geringem Risiko zurück in einen >normalen Menschen<, wenn Sie es so nennen wollen, transformieren.“ Der Optimismus, der sie plötzlich ergriff, zeigte sich in einem optimistischen Lächeln, welches die Chirurgin mit dem Glauben an sich selbst in ihr kennzeichnete. Sie war sich ihrer Sache voll und ganz bewusst.
 

Tala Iwanov schnaubte abfällig. „Glauben Sie eigentlich selbst, was sie mir da weiszumachen versuchen?“, wies der Rotschopf Dr. Karschtschow ruhig hin, nun wieder ein abfälliges Schmunzeln auf dem eingefallenen Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Die Ärztin zuckte bloß mit den Schultern – die Erwiderung behielt sie für sich, und setzte einen doch etwas arroganten Ausdruck auf. „Ich bin mir meiner Sache sicher“, stellte sie klar, „Doch Sie müssen auch ein Minimum von Vertrauen in meine Kunst investieren.“

Der Rotschopf schüttelte leicht den Kopf. „So einfach ist das nicht“, befand er eisig, während er den Raum mit langen Schritten durchquerte. Ein Rückzug? Nein, wohl eher nicht, fand Dr. Karschtschow nachdenklich, während sie den Blick nicht von ihrem Patienten ließ. Seine Bewegungen waren plötzlich nicht mehr schwächlich, sondern koordiniert und kraftvoll wie die eines Raubtiers.

„Sie haben keine Ahnung“, befand er so kalt, dass ihr unter dem weißen, langärmligen Arztkittel eine Gänsehaut über den Rücken kroch.
 

~*--------------------------------------------------------*~
 

Ein ähnlicher Schauer kroch etwa zur selben Zeit, jedoch weit von der Klinik entfernt einer alten Dame mit Dackel über den Rücken – von einem bis in die Knochen reichenden Schreck abgesehen. Sie war gerade eben beinahe von einem waghalsigen, unglaublich laut und absurd fluchenden, jungen Mann auf einem Motorrad umgefahren worden, während sie versucht hatte, die Moskauer Ringstraße halbwegs sicher (also: mit allen Knochen an ihrem Körper, möglichst heile) hinter sich zu bringen.

Dieser Plan war an Bryan Kuznetsov und seinem überschnellen Motorrad gescheitert, welcher gerade noch die Faust schüttelte und die schönsten, schlimmsten Flüche vom Stapel ließ, die ihm gerade einfielen. Selbst ein Seitengassenschläger wäre vor Neid angesichts eines solchen Wortschatzes erbleicht. Der Silberblonde grummelte unter seinem Helm noch eine Weile weiter. Hatte die alte Schrulle etwa zu viele Mottenkugeln geraucht, so todesmutig – oder –freudig – wie sie gerade auf die Straße gesprungen war?

Er warf keinen Blick zurück und nahm in keiner einzigen Sekunde den Fuß vom Gashebel. Immerhin war ihr nichts passiert, so wie sie gerade krakelte und krächzte, dass selbst der Papagei in der Tierhandlung gegenüber in seinem brünftigen Gekrächze innegehalten und den Kopf schief gelegt hatte. Der schnellste Pizzabote Moskaus – zumindest auf diesen Titel konnte er sich etwas einbilden! – hatte jedoch wirklich gerade nicht die Zeit, weiter wertvolle Momente an die kleine, von ihm verursachte Karambolage zu verschwenden. Immerhin stand sein guter Ruf auf dem Spiel! Das Hupkonzert hinter ihm verwehte im Fahrtwind, bis er es nicht mehr hören konnte. Heute hatte sich wahrlich die Welt gegen ihn verschworen – oder aber das Pech verfolgte ihn. „Bullshit, ey“, eigentlich war das doch egal. Der Unterschied war bedeutend gering.

Er warf keinen Blick mehr zurück – die alte Schachtel hatte es bestimmt überlebt – und nahm den Fuß in keiner Sekunde vom Gashebel, wenn der Verkehr auch immer zähflüssiger wurde. Geschickt fädelte er sich durch die Privattaxis und bog in die nächste Seitengasse ein. Hoffentlich musste er nicht noch ein zweites Mal vor einer Polizeistreife flüchten – sein Pech hatte für heute schon genug bewiesen, dass es ihn noch nicht vergessen hatte.
 

~*-------------------------------------------*~
 

Dr. Karschtschow gewann langsam, aber sicher ihre Fassung zurück. Sie hatte genug davon, dass dieser eine Patient ihr auf der Nase herumtanzte. Sie knallte die Hand auf den Tisch, und ihre grünen Augen funkelten angriffslustig. „Nun, ich habe keine Ahnung“, gab sie in nüchternem Tonfall zu, „Doch auch nur, weil Sie sich weigern, mehr als einsilbige Antworten zu geben.“

Der Rotschopf ging nicht auf ihre – wenn auch wahre – Anspielung ein. „Sie wissen nicht, wie es ist, alles zu hören, alles zu sehen – Alles zu begreifen.“, die hellen Augen verengten, die Fäuste ballten sich. Ein höhnisches Schmunzeln wandelte sich zum freudlosen Abklatsch eines Grinsens; ein Zähnefletschen mehr als alles andere: „Cyborg eben.“

Die Ärztin runzelte unwillkürlich die Stirn. Der Patient war ihr ein Rätsel. Hatte er Wahnvorstellungen? War er Autist? Allerdings bewiesen die Implantate anderes. Erschreckenderes, da es von Menschenhand stammte. Oder hatte sie etwa einen Hirntumor übersehen..?

Abrupt riss sie sich am Riemen. Sie übersah nichts; schließlich war der des Arztes ihr Beruf – ihre Profession. Sie machte keine Fehler – zumindest nicht solch gravierende. Die blonde Russin schloss einen Moment lang die Augen, während der Rotschopf unbeweglich an der Tür stand, schon im Gehen begriffen. Sie atmete tief durch, und während der letzte Hauch über ihre Lippen drang, erwiderte sie den Blick der Eisaugen, welche sich auf sie geheftet hatten, gefasst erwiderte.
 

Die Lippen des Rotschopfs bewegten sich, und trotz des beinahe tonlosen Zischens schien ein jedes Wort im Untersuchungszimmer widerzuhallen. Tala – oder Yuiy, wie er auf einem jeden Formular unterschrieb – Ivanows Stimme prägte sich mit jedem Wort in ihren Geist.
 

„Wissenschaftler und Ärzte wie Sie haben mich zu diesem.. Monster gemacht.“
 

Ein Blick aus eiskalten Augen – ein letzter, vorerst, denn Tala hatte sich der Tür zugewandt. „Beseitigen Sie, was Sie können.“

Das Zischen noch in den Ohren, wurde dieses heisere Murmeln nun umso penetranter – wie ein gravierender Fall von Tinitus-Klingeln. Oder noch schlimmer.
 

Auf einmal schien der Rotschopf zu schwanken und fuhr sich übers Gesicht. Die Ärztin glaubte im ersten Moment, ihren Augen nicht zu trauen, während sie beobachtete, wie er urplötzlich nur mehr müde und abgekämpft wirkte. Sie runzelte die Stirn, beobachtete weiter, wie er sich einen Moment lang an der Wand abzustützen schien.

Wieder blitzte der Gedanke durch ihren Geist, welcher schon zuvor einmal aufgetaucht und sogleich wieder verdrängt worden war. Der starke, scheinbar unerschütterliche Rotschopf, welcher alle Untersuchungen über sich ergehen ließ, ohne zu murren, erinnerte sie an einen Superhelden, wenn auch er – wie sie wahrscheinlich am besten wusste – nicht unbesiegbar war. Er war Superman; doch das Kryptonid war zugleich sein eigener Körper.

Selbst wenn die Assoziation absurd sein mochte – immerhin war Tala Ivanow ein Mensch wie jeder andere. Vor allem ein kranker Mensch, dem geholfen werden musste. Die Ärztin wollte einen Schritt auf den Rotschopf zumachen, doch der wandte sich bloß ab, urplötzlich wie durch einen Stromschlag.

Tala – oder Yuriy, wie er auf jedem Formular zu unterschreiben gedachte – Ivanow war vielleicht ein Mensch, doch Dr. Karschtschow sah dennoch eine Art Held vor sich, während die Tür hinter dem Rotschopf ins Schloss fiel.

Ein müder Held.

Bei Licht betrachtet

46: Bei Licht betrachtet
 

Endlich, endlich ein neuer Teil, wie immer in einer moderaten Länge und endlich kommt auch mal wieder die Handlung etwas zum Zuge. Ich hoffe, es findet sich überhaupt noch der eine, oer andere Leser.

Wer es nicht bemerkt haben sollte: das letzte Kapitel wurde nochmals überarbeite. Ich hoffe, diesmal ist es nicht so ein schrecklicher missgriff.

Now enjoy reading (and leave me a comment, if you want to ;) )

sincerely yours,

FreeWolf


 


 

Tala ließ die Ärztin und alles, was auch nur irgendwie mit seinem medizinischen Problem zu tun hatte, hinter der zufallenden Tür zurück. Der Rotschopf sehnte sich nach nichts mehr als nach Ruhe – nach Ruhe und Frieden, wie es sonst nur Überlebende eines Krieges taten. Allerdings war er weder Veteran, noch Held – am ehesten noch konnte er als das Gegenteil durchgehen, sinnierte er, verdrehte jedoch sogleich die Augen über sich selbst und seine Gedanken.

Der junge Russe blieb kurz stehen, um Atem zu schöpfen, musste sich an die nächste Wand lehnen. Er war gerade mal bis zum Treppenhaus gekommen. Frustriert schnaubend starrte lehnte er den Kopf nach hinten, bis er an die weiß getünchte Wand stieß. Die hellen Augen schlossen sich, und er atmete ein-, zweimal tief durch. Verdammt, was war nur los?

In den letzten Tagen – eigentlich, seit er im Krankenhaus war und dieser vermaledeiten Operation harrte – hatten sich seine letzten Verbündeten immer mehr gegen ihn gewandt. Seine Gesundheit hatte sich sichtlich verschlechtert, und damit hing auch sein Körper zusammen, dessen zunehmende Schwäche er bei einem jeden Schritt beobachten konnte. Er hasste es, schwach zu sein.
 

Er hatte sich noch nicht ganz erholt, doch er musste weg, bevor er noch begann, über Dinge nachzudenken, die er eigentlich schon längst abgeschlossen hatte. Der Rotschopf schüttelte kurz den Kopf, und seine Beine fanden von alleine den Weg die Treppen hinunter. Er stürzte nicht, obwohl die Dunkelheit noch immer nicht vollkommen aus seinem Blickfeld gewichen war. Sie blieben unter ihm, auch wenn die Welt schwankte und im Nichts zu versinken drohte, unverrückbar wie Felsen und flink wie ein Raubtier auf der Pirsch. Sein Körper tat, wenn auch sichtlich langsamer, doch noch die lang antrainierte Pflicht: selbst, wenn er am Rande der Erschöpfung taumelte, seine Beine hielten ihn ihm Gleichgewicht auf dem schmalen Pfad und trugen ihn voran. Sie funktionierten immer, bewegten sich weiter – so hatte er sich davor bewahrt als schwacher kleiner Junge, der er damals gewesen war, in der strengen Hackordnung der Balkov-Abtei unterzugehen wie so viele andere.

Es war dasselbe berechnende Denken gewesen, durch welches er sich schließlich zum Besten aufgeschwungen hatte. Einzig die Besten hatten Vergünstigungen erhalten, gewisse Vorteile – gewiss, den Neid der anderen hatte er auch auf sich gezogen wegen des guten Tisches nahe des Abteileiters oder des kleineren Gemeinschaftszimmers mit weniger Leuten. Sie hatten keine Ahnung gehabt, was die Vergünstigungen ihn für Mühen gekostet hatten, auch seine Mitbewohner nicht, und es war auch gut so.
 

Tala schwankte leicht, als er ins Sonnenlicht trat, und er musste sich an die Wand neben der breiten Tür zum Park lehnen, um seinem erschöpften Körper eine Pause zu gönnen. Er rang nach Atem und spürte dumpfe Wut in sich hochkochen. Wut auf sich, und vor allem auf seinen Körper. Jede noch so kleine Anstrengung war ein Gewaltakt, ein einziger Kampf gegen seinen einzigen übrigen Verbündeten. Es war nur mehr eine Frage der Zeit, bis er sich überhaupt nicht mehr würde bewegen können, und Tala graute wahrlich vor diesem Moment. Das Unbehagen stieg in ihm hoch, während er seinem Herzschlag lauschte, welcher sich allmählich beruhigte.

Es konnte sein, dass auch dieses letzte Organ seinen – und somit ihm auch seinen – Geist aushauchte. Daran hatte der Rotschopf sich bisher zu denken geweigert, doch gerade lief ihm schon allein beim Gedanken ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er hatte noch so viel zu erledigen – er brauchte mehr Zeit.
 

Tala atmete tief durch und suchte den Himmel mit seinen hellen Augen nach einem Zeichen ab, doch er erstrahlte in einem solch absurden Blau, dass er beinahe lachen wollte ob der Ironie, die wohl nur er erkennen konnte.

Seine Füße setzten sich automatisch voreinander, immer und immer weiter; Tala steckte die Hände in die Hosentaschen, während er seinen Beinen nun vollständig die Führung überließ. Sein Ziel war ihm schleierhaft, doch er hatte schon auf seinen vielen langen Spaziergängen durch Moskau festgestellt, dass seine Beine ihn sicher dorthin führen konnten, wohin er eigentlich wollte. Auch, wenn es ihm ursprünglich nicht bewusst gewesen war.

Der Kies knirschte unter seinen Füßen und verklang, als er auf das Kopfsteinpflaster der Innenstadt trat. Tala verschwand in der Menge, seinem noch unbekannten Ziel entgegen.
 

~*-----------------------------------*~
 

Bei Licht betrachtet sah das ehemals verlassene, staubige Haus schon anders aus, fand Kai, während er sich, die Hände in die Hüften gestemmt, umblickte. Besonders, wenn man endlich wieder über seinen klaren Verstand verfügte – der Halbrusse schob seine letzthin aktuellen seltsamen Anwandlungen auf den Jet-lag, welchen er nicht richtig auskuriert – also weg-geschlafen – hatte. (Dass diese Ausrede so faul war, dass selbst er riechen konnte, wie sie verrottete ignorierte er geflissentlich mit der ihm eigenen Sturheit.)

Die Tage der Ruhe, welche er eingelegt hatte, hatten ihm sichtlich gut getan, fand er für sich, und die Putzarbeiten in seinem Elternhaus hielten ihn soweit auf Trab, dass er den Schatten – auch bekannt unter dem Namen Notsch – nicht vermisste. Nun gut, er hätte die seltsame Gestalt auf unter andern Umständen nicht vermisst. Immerhin hatte ihm der Staubsauer, ein Uralt-Modell der Marke nix-kaputtix, gute Gesellschaft geleistet. So konnte er nun wenigstens das Zimmer mit dem ansprechenden Bild – das frühere Schlafzimmer seiner Eltern – nutzen.

Kai seufzte und wischte über ein Regal, welches den Staub geradezu magisch anzuziehen schien. Es war das letzte Möbelstück im Zimmer, welches noch zur Sauberkeit zurückgeführt werden musste – doch es weigerte sich konsequent. Wobei, es hätte einiges gegeben, was Grund genug für einen Reinigungsdienst gewesen wäre – unter anderem die äußerst nervenzehrende Säuberung der Betten. Aber der junge Halbrusse hatte aus einem ihm noch unbekannten Grund den Drang, alles selbst zu erledigen.

Es wartete auch noch viel Arbeit auf ihn – der Garten wucherte seit Jahren wild vor sich hin und machte noch nicht einmal vor eisigen Wintern und Müll Unbekannter Halt. Er schien ein Eigenleben entwickelt zu haben, und dies in den Griff zu kriegen betrachtete Kai als sein aktuelles Hauptziel.

Der Silberschopf schüttelte den Kopf und stieg von der Trittleiter. „Na gut“, teilte er dem Regal wenig enthusiastisch mit, „fürs erste hast du gewonnen“

Fürs Erste wohlbemerkt, denn Kai hatte noch keinen Kampf aufgegeben. Außerdem war es schon längst Zeit für einen Imbiss – denn eine Mischung aus ‚Lunch‘ und ‚Dinner‘, so ähnlich wie ‚Brunch‘, gab es zumindest seines Wissens nach noch nicht… Kai verdrehte die Augen über sich selbst, ehe er das Staubtuch sowie die restlichen Utensilien im Kampf gegen den Staub beiseitelegte.

Im Kühlschrank warteten allerlei Leckereien vom Bauernmarkt auf ihn – er konnte zu seinem eigenen Leidwesen nur mäßig kochen – und Kai erfreute sich wieder einmal der wunderbaren Küche seiner Heimat. Wenn ihm in Japan jemals irgendetwas gefehlt hatte, dann hauptsächlich die russische Kost. Der Silberschopf nahm eine der eingelegten Essiggurken aus dem Glas und kaute genüsslich – eine Spezialität seiner Heimat, und oh, wie gut sie schmeckte.. Gerade schloss er die Augen, kostete den Moment vollkommen aus, da wurde ihm plötzlich unbehaglich zumute.
 

Es war wie beim letzten Mal; urplötzlich wusste der Silberhaarige, wenn er sich umwandte, würde er nicht mehr alleine sein. Es war seltsam, wie ein inneres Radar - oder aber eine Wahnvorstellung, die ihn schon oft hatte an seinem Verstand zweifeln lassen. Etwas hatte sich verschoben - er war nicht alleine. Kai musste keinen Blick nach hinten riskieren, um die schemenhafte Gestalt am Rande seines Blickfelds genauer zu betrachten. Notsch war immer so aufgetaucht, wie aus dem Nichts.
 

Doch diesmal herrschte keine Nacht, er war ausgeruht und fühlte sich stark - stärker als zuletzt. Er war stärker als alle zusammen - und vielleicht war es genau dies, was ihn am Boden der Tatsachen festhielt. Die Phantasien, welche ihn seit dem Vorfall mit Black Dranzer - zumindest redete er sich ein, dieser Vorfall sei der Auslöser gewesen, an Vorheriges gab er an sich nicht zu erinnern - immer wieder heimsuchten, blieben dort, wo sie schon lange sein sollten: verschlossen hinter Ketten und Riegeln in der Vergangenheit, irgendwo im hintersten Winkel.

"Da bist du ja wider", er begrüßte den bekannten unbekannten Gast wie einen alten Freund, und vielleicht hatte er sogar Recht damit. Nun, ohne die an Schizophrenie grenzenden Halluzinationen, welche ihn manchmal an seiner Zurechnungsfähigkeit hatten zweifeln lassen, lag alles in eigentümlicher Klarheit vor ihm, und er erkannte endlich, was er schon länger hätte sehen müssen. Bei Licht betrachtet war alles so.. absurd einfach! Er wollte Lachen und sich gleichzeitig für seine Dummheit ohrfeigen.

Notsch, dieser verschwommene Schatten, war ein alter Bekannter.

Geheimcodes

47: Geheimcodes

Beinahe ein Jahr seit dem letzten Update, und ehrlich, dieses Baby hier war eine schwere Geburt. Ich weiß nicht, wie viel ich verworfen habe, bevor ich endlich die springende Idee hatte.

Gewidmet ist das Kapitel wie immer allen Kommentatoren, und noch zwei besonderen Mitmenschen. :)

kylara_hiku_Lamore, die die Hoffnung nicht aufgegeben hat und mir hin und wieder in den Hintern getreten hat.

Genauso geht die Widmung an JoeyB, weil ich Dir mal wieder ein Geburtstagsgeschenk schuldig bin. (Du kennst mich ja. Spät, aber immerhin kommt etwas.)

Wir nähern uns langsam dem Ende der Geschichte, meine Lieben, und ich möchte mich bei euch allen bedanken, dass ihr immer noch lest. (Die nächsten Kapitel kommen in Kürze, wenn mein Leben mir nicht Streiche spielt.)

Nun viel Spaß!

Alles Liebe, euer Wolfi
 

„Warum bleibt die verdammte Arbeit überhaupt an mir hängen?“, laut vor sich hin grummelnd streckte sich Ian noch etwas weiter, um den letzten Teller in den Hängeschrank zu räumen. Diese Unterfangen war ihm bloß möglich, weil er auf Zehenspitzen auf der kleinen Trittleiter balancierte – andernfalls konnte er bestenfalls davon träumen, das oberste Regal über der Spüle zu erreichen. Nun gut, nicht dass er davon träumte; Ian hatte andere, weitaus bessere Träume. Ein Tag ganz allein für sich an einem Flügel zum Beispiel. Oder dieses Tiramisú von dem Italiener in derselben Straße, in der auch Spencers Arbeitsplatz lag.

Der Teller klirrte leise, doch er blieb in Position, und Ian war froh, die kompromittierende Position auf der Trittleiter aufzugeben. In solchen Momenten hasste er die paar Zentimeter, die ihn von der allgemeinen Durchschnittsgröße trennten. Nun gut, normalerweise musste er sich nicht mit solcherlei Problemen herumschlagen. Immerhin wohnten in der WG noch drei andere, weitaus höher gewachsene Russen, die für ihn die Teller an ihren Platz räumten. Oder generell den Abwasch erledigten, auch wenn sich immer alle einig waren, dass es Zug des jeweils anderen war. Die ehemaligen Demolition Boys waren verdammt kreativ, wenn es darum ging, sich vor dem Spüldienst zu drücken, stand nicht gerade der rotschöpfige Haustyrann Peitsche-schwingend hinter ihnen.

Angesichts des Berges von Geschirr, der bis vor etwa einer halben Stunde in der Spüle vor sich hin gemodert war, ließ sich schließen, dass der Rotschopf sich länger nicht mehr hatte blicken lassen.

Ian kümmerte sich normalerweise nicht sonderlich um die Küche – meist war es Spencer, dessen Nerven die verschmutzte Spüle nicht mehr aushielten und ihn zwangen, aufzuräumen. Er hatte andere Verpflichtungen – sein Pech, dass Talas Orchideen in der Küche angesiedelt waren, und er die Spüle zum Tunken brauchte.
 

„Hast du die Blumen schon gegossen, Ian? Du weißt, was passiert, wenn du es nicht machst“, äffte der Dunkelhaarige seinen Mitbewohner in grummeligem Falsett nach und antwortete sich gleich darauf selbst, „Nein, Bryan, wann hätte ich das auch tun sollen?“

Er ignorierte die Tatsache, dass er gerade Selbstgespräche führte wie Kai Hiwatari an schlechten Tagen. Genauso wie er das Faktum überging, dass er es laut machte. Nun gut, es konnte ihn wenigstens niemand erwischen, und diese Art von Aggressionsabbau war definitiv besser als Geschirr zerdeppern wie Bryan es einmal getan hatte. Ian war allein Zuhause – eine Begebenheit, die alle vier Monate einmal vorkam, und eigentlich sollte er dies feiern, indem er sich an sein Klavier setzte, das Dämpfer-Pedal löste und bei offener Tür Beethoven spielte. Allerdings waren da noch die Orchideen, und Ian war wohl wirklich einfach zu weich.

Ansonsten hätte er Bryan heute morgen, als dieser ihn mit seinem unverkennbaren Morgen-Poltern in der Küche geweckt hatte, bloß den Vogel gezeigt. Aber Bryan hatte auf den zweiten, etwas wacheren Blick Recht gehabt; Die Orchideen sahen aus, als bräuchten sie dringend Wasser.

Ian beäugte besagte Pflanzen und seufzte. „Es ist ja nicht so, als hätte ich ein Leben“, teilte er den Blumen mit und nahm einen Topf nach dem anderen, um sie zur Spüle zu tragen. Die hatte er in der Zwischenzeit mit Wasser halb volllaufen lassen, und kaum waren die Orchideen an Ort und Stelle lehnte er sich mit dem Rücken zur Spüle. Ian beäugte die improvisierte Pinnwand aus bunten Klebezetteln auf dem Kühlschrank, die dessen seltsam schlammig grüne Fassade verdeckten. Oder besser, die die schlammig-gründe Fassade des Kühlschranks verdeckt hatten.

Irgendein Genie – und er hatte eine starke Ahnung, wer dieses Genie sein konnte – hatte sich wohl gegen den Kühlschrank gelehnt, ohne nachzudenken. Wahrscheinlich mitten in einer ausgedehnten Übung in Zungenakrobatik mit seiner Freundin. Oder jemand der morgens zu hektisch war und sich schlicht nicht um etwas Ähnliches wie Ordnung scherte hatte die Kühlschranktür im üblichen Morgen-Poltern zugeknallt. Wer auch immer es gewesen sein mochte, gut die Hälfte der bunten Notizzettel lag am Boden. Und oh Gott, er wollte nicht wissen, ob Spencer nun wirklich mit Nikita in der Küche rummachte, oder ob sie überhaupt rummachten oder-

Ian stöhnte genervt auf. „Ich zieh aus!“, Ians schlechte Laune war wieder da, in ihrem vollen Ausmaß, während er sich nach den vielen kleinen Notizzetteln bückte.

Mürrisch beäugte er die vielen verschiedenfarbigen Zettel, versuchte, die allesamt schlicht unmöglichen Handschriften zu entziffern und erinnerte sich, dass dieses System eigentlich hätte Ordnung versprechen sollen. Ljudmilla hatte es ihnen immerhin aufgezwungen, mitsamt der Orchideen. Das Foto von Talas entgleisten Gesichtszügen musste noch irgendwo in der Kiste sein, dachte Ian und schüttelte gleichzeitig den Kopf.
 

~*----------------------------------------------------------------------------*~
 

„Ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell wieder auftauchst“, spöttelte Kai schmallippig, mit einem grimmigen Zug um den Mund, während er sich zur Gestalt im Türrahmen umdrehte. Seine Haltung blieb offen – Kai verschränkte die Arme nicht wie sonst, sondern ließ sie locker an seinen Seiten hängen. Er hatte nichts zu verbergen, genauso wenig musste er sich verteidigen – dies war ihm nun klar – noch musste er sich symbolisch zusammenhalten, indem er die Arme vor der Brust verschränkte. Es war ein komisches Gefühl, derart offen vor einem anderen Individuum zu stehen. Es war anders, aber nicht wirklich beängstigend. Kai hielt den Kopf hoch und hatte zum ersten Mal das Gefühl, dieser dunkel gekleideten Gestalt, die ihm nichts weiter als Rätsel aufgab, auf Augenhöhe zu begegnen, obwohl sie mehr oder weniger gleich groß waren. Kai hob den Kopf und fühlte sich innerlich stärker als seit langem. Er musterte seinen Gast abwartend, allerdings erwartete er nicht zu viel – bislang hatte Notsch auf keine seiner Fragen geantwortet.

„Willst du mich wieder irgendwohin bringen?“, vielleicht wollte der 'Schatten' dies wirklich. Notsch hatte sich als seltsame Art von Stadtführer herausgestellt; die dunkel gekleidete Gestalt führte ihn in unmöglichen Mustern quer durch Moskau, über Irrwege und vermeintliche Sackgassen hinweg, jedes Mal zu unbedeutend-bedeutenden Orten seiner Vergangenheit.

Wer wusste, was er Kai diesmal zeigen würde – vielleicht das ehemalige Haus Voltaires? Dessen Grab? Oder die Abtei selbst?

Der Silberhaarige wollte es nicht wirklich wissen. Allerdings hatte er einen Beschluss gefasst: er würde sich nirgendwohin bewegen. Zumindest nicht, bevor ihm Notsch nicht einige seiner vielen Fragen beantwortet hatte – immerhin gab es bis auf Voltaire niemanden, der die vielen Orte kennen konnte; Kai hoffte inständig, sein Großvater hatte die Finger nicht im Spiel.
 

Notsch schüttelte bloß kaum merklich den Kopf und bewegte sich geschmeidig, jedoch mit sichtlicher Mühe zur Seite. Dabei hinterließ er dreckige Abdrücke auf dem Boden, doch es schien ihn nicht zu kümmern als er sich gegen die cremefarben gestrichene Wand neben der Küchentür lehnte. Kai kniff die Augen minimal zusammen – spätestens die Abdrücke auf dem Boden waren Beweis dafür, dass Notsch wirklich existierte, nicht bloß in seinem Kopf.

Notsch war real.

Er stand in seiner Küche, groß und dunkel wie den alten Märchen entstiegen, in denen große, schwarze Männer die Kinder raubten, doch weit weniger bedrohlich. Kai konnte nicht genau benennen, was es war, doch etwas war heute an seinem Gast anders; es dauerte eine Weile, bis er begriff: Notschs stete Eleganz war gestört von etwas Menschlichem. Erschöpfung.

Die dunkel gekleidete Gestalt lehnte sich mit blassem Gesicht an die Wand, und er schien sich zwingen zu müssen, ruhig zu atmen. Seine Augen waren kurz geschlossen, als müsse er sich sammeln. Dann öffnete er sie, und der Blick der hellen Augen wirkte gesammelt und konzentriert.
 

„Also nicht“, stellte Kai fest, und als Notsch abermals den Kopf schüttelte, diesmal zur Bestätigung, nickte er abwesend. Notsch veränderte seine Haltung um keinen Millimeter, wartete bloß ab. „Das heißt, du beantwortest mir ein paar Fragen?“, erkundigte der Silberhaarige sich weiter, und es war klar, dass die Frage bloß rhetorisch gestellt war. Kai erwartete es von Notsch.

Notschs Miene änderte sich nicht, auch nicht die Art, in der er Kai anblickte. Er war vollkommen ausdruckslos, als wäre er tatsächlich bloß ein Schatten. Auch wenn Kai inzwischen klar war, dass dem nicht so war. „Es gibt keine Fragen zu beantworten“, ertönte die raue, dunkle Stimme Notschs in der Küche, während er den Halbrussen durch helle Augen hindurch fixierte, als wolle er es ihm mit einem gedanklichen Befehl verbieten, weiterzusprechen. Kai überging den Blick ungerührt. Er hatte im Laufe seiner Karriere als Teamleader der Bladebreakers so einige Blicke zu ignorieren gelernt.

Nun verschränkte er doch die Arme vor der Brust, und ein schiefes, höhnisches Schmunzeln stahl sich auf sein Gesicht. Er erreichte kaum mehr als die Mundwinkel. „Au contraire“, erwiderte er, und fühlte sich seltsam überlegen und zugleich wie in den Kindergarten zurückversetzt. Er erwiderte Notschs Blick ungerührt und hätte beinah aufgelacht. Dieser bizarre Wettbewerb war mindestens so alt wie er selbst; er war ein Überrest aus Tagen, an denen sie nichts weiter zu tun gehabt hatten als einander anzustarren und das Einschüchtern mit einem Blick im Spiegel des anderen zu üben. Es war beinah lachhaft, dass er Notsch nicht früher durchschaut hatte.

Kai verbiss sich ein Schmunzeln – im Grunde genommen war diese Situation hier typisch für ihn und den, der sich hinter Notsch zu verbergen suchte. Ihr Verhältnis war niemals einfach gewesen, und wahrscheinlich würde sich daran wohl niemals etwas ändern. Sie beide zogen die praktischste Taktik vor: sich darüber ausschweigen.

Sie hatten immer geschwiegen, so wurde Kais Forderung nach Antworten beinahe zu einer Art Sakrileg. Eigentlich brach er hiermit ein ungeschriebenes Gesetz ihrer Freundschaft. Es war an der Zeit.
 

~*------------------------------------------*~
 

Talas Examen waren auf quietschgrünen Klebezetteln vermerkt, mitsamt des geforderten Lernstoffs, und Ian staunte nicht zum ersten Mal, dass eine tote Sprache derart viele Aspekte haben konnte.

Spencer hatte sich die gelben Klebezettel angeeignet, und im Moment schmückten sie bloß seltsame Wortkonstruktionen und Termine, die der blonde Hüne noch nie aufgeschrieben hatte. „Zahnfee Dienstag 4.00“ klang nach einem Zahnarzttermin. Allerdings vergaß Spencer seine Zahnarzttermine – sofern er denn einen solchen hatte – nicht wie Bryan. Ian hatte das ungute Gefühl, dass er einen sehr leicht durchschaubaren Code für.. was-auch-immer-Spencer-trieb vor sich hatte. Die vielen seltsamen Namen konnten genauso gut für Filme stehen wie als Platzhalter für Stellungen oder-

Nein, stoppte sich Ian entschieden in Gedanken. „Ich will nichts darüber wissen.“, deklarierte er vor den Orchideen, die nicht sonderlich beeindruckt wirkten. Nun gut, vielleicht war er doch ein winzig kleines Bisschen neugierig, was Spencers Beschäftigungen mit seinen Kolleginnen betraf. Allerdings hörte seine Neugierde an dem Punkt auf, an dem Zungen nicht mehr bloß zum Reden gebraucht wurden. Ian schauderte leicht beim Gedanken und schüttelte den Kopf.

Immerhin, „Matrix Donnerstag Abend irgendwann“ klang nach einer Disco. Oder... „Bloß nicht weiter darüber nachdenken“, befand er für sich.

Bryan hatte im Moment nur ein, zwei seltsame Zahlenkolonnen festgehalten. Es sah zumindest so aus, oder wie eine seltsame Variante von alt-slawischer Sprache. Spencer war nicht der einzige mit Geheimnissen, die anscheinend bewahrt werden mussten – oder aber, Bryans Handschrift war ins Unverständliche übergegangen. Obwohl, es konnte auch sein, dass der Silberhaarige Elbisch übte, eine Gewohnheit, die Ian immer wieder beobachten konnte, wenn Bryan schrecklich langweilig wurde. Ian schüttelte den Kopf, und sein Blick fiel auf seinen aktuell wichtigsten Zettel. Es war die Visitenkarte des französischen Dirigenten, mit seiner Privatnummer. Ian wurde allein schon beim Anblick flau im Magen.

Er hatte Zeit bis Dienstag, sich zu entscheiden. Er wollte die Chance seines Lebens nicht ungenützt verstreichen lassen. Es war immerhin sein großer Traum – er hatte immer Reisen wollen, weit kommen. Und er wollte musizieren. Andererseits, sein Team war hier, und auch wenn er oft über die WG schimpfte und sich schier schwarz ärgerte, konnte er doch nicht ändern, dass die chaotische WG ihm ein Heim geworden war.

Ian zog die Visitenkarte unter dem Kühlschrankmagnet in Blumenform – eines von Ljudmillas Überbleibseln – hervor und betrachtete sie nachdenklich. „Warum ist das jetzt auf einmal so schwer?“, stellte er seine Frage an die Orchideen, die jedoch ihr Schweigen beibehielten. Er hatte nie gedacht, dass die Entscheidung dermaßen schwierig werden würde.
 

Unter dem Magnet hatte eine weitere Visitenkarte ihren Platz gefunden, und Ian hätte sie beinahe ignoriert, wäre nicht ein quietschgrüner Klebezettel über die Hälfte der Karte geklebt worden. Tala hatte niemals – wirklich niemals – Termine oder Visitenkarten hängen, außer es betraf gerade einen Termin bei der BBA oder beim Sozialamt, der sie alle anging.

„Was sucht Tala bei einem gottverdammten Kardiologen?“, stellte Ian die nächste unbeantwortete Frage an die Orchideen seines Teamleaders, „Er hasst Ärzte“

Es machte keinen Sinn. Doch die Orchideen, auch wenn sie vielleicht wussten, was los war – Ian war nicht der einzige, der Selbstgespräche führte, wenn er glaubte, unbeobachtet zu sein – behielten ihr Schweigen in voller Blüte bei.
 

~*----------------------------------------------------------------------------*~
 

Kai wartete den Ausgang ihres Blickduells nicht ab. Erfahrungsgemäß konnte er vorhersagen, dass es zu dem Zeitpunkt noch länger dauern konnte. Immerhin hatten sie Übung im sich-Anstarren. Dabei hatten sie bereits genug Zeit verschwendet, befand er, sie mussten nicht noch mehr verschwenden. „Woher wusstest du davon?“, ihm war klar, dass die Frage zu vage war, zumindest für Notsch. Der dunkel Gekleidete beantwortete Fragen generell nur nach Eigeninterpretation, wenn überhaupt. Kai wusste, er ließ zu viel Spielraum; immerhin, Fragen waren ein Anfang, ihr Schweigen zu brechen.



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Von:  kylara_hiku_Lamore
2020-06-09T11:22:21+00:00 09.06.2020 13:22
Ich lese dies FF immer wieder gern besonders wegen diesem letzten Absatz!! Deine Art diese Phönixgemälde zu beschrieben ist einfach unbeschreiblich schön!!! 😍 Es ist als würde man zusehen wie der Maler sein Kunstwerk erschafft!
Immer wenn ich es neu lese fallen mir irgendwo neue kleine Details auf die du so neben bei eingefügt hast die auf den ersten moment so bedeutungslos wirken und doch viel mehr zu sagen haben!
Ich liebe deine Art zu schreiben!! Vielen Dank dafür!
Glg Kya
Antwort von:  FreeWolf
09.06.2020 20:14
Oh du liebe Zeit, dass diese FF noch von irgendwem gelesen wird... :D Danke für dein Lob! Ich habe tatsächlich letztens wieder darüber nachgedacht, dass ich die FF doch noch beenden sollte. Ich hoffe, ich habe irgendwann die Inspiration, mich dranzusezten.
<3 Danke für deinen Kommentar!
Von:  Yuuki16
2019-03-24T11:41:39+00:00 24.03.2019 12:41
Heyho,
ich bin gestern auf deine Story gestoßen und konnte einfach nicht mehr davon weg kommen. Ich mag deinen Schreibstil und finde deine Geschichte mega. ICh würde mich freuen wenn du so schnell wie möglich weiterschreibst. Tala ist mein Lieblingscharakter aus Beyblade und möchte unbedingt wissen wie es weiter geht.
Lg Yuuki :D
Antwort von:  FreeWolf
29.06.2019 17:58
Hi! Vielen Dank für den lieben Kommentar. :-) Ich plane, die Geschichte noch irgendwann abzuschließen, aber wie man am Timing meiner Antwort merkt, bin ich nicht mehr sehr aktiv und auch nicht sehr schnell beim Weiterschreiben. Danke jedenfalls! :-)
Von:  Tiba
2017-03-24T18:54:08+00:00 24.03.2017 19:54
Vor Kurzem bin ich über diese Story gestolpert und sie hat mich sofort gefesselt. Jetzt habe ich noch sie viele offene Fragen, die mir nicht beantwortet werden sollen? ._.
Antwort von:  FreeWolf
30.03.2017 09:25
Das freut mich sehr zu hören.. :) Es tut mir Leid, dass ich schon so lange nichts mehr hochgeladen habe!
Von:  Dragoonkira
2013-05-05T19:38:41+00:00 05.05.2013 21:38
Hab deine Story erst jetzt gefunden und gelesen.
Gefällt mir sehr gut.
Kannst du mir eine ENS schicken wenn es weiter geht?
LG
Von:  kylara_hiku_Lamore
2012-08-27T08:24:41+00:00 27.08.2012 10:24
AHHHH! jz weis ich immer noch nicht wer dieser notsch ist!! ich meine ich hab ja eine vermutung aber trozdem .... =/

Ian und sein zettel wirwar "gg" bin ja gespand was es mit dem wieder auf sich hat. im geheimnisvoll schreiben bist du echt spize! aja vieleicht muss ich dieses mal nicht fast ein jahr auf ein neues kapi warten. wär nämlich echt schade =)
Von:  princess650girl
2012-08-25T11:43:41+00:00 25.08.2012 13:43
hi,

endlich ma nen neues kappi. nur ians frage ist nen bissl überflüsssig was will man wohl bei einem kardiologen. ich glaube die wg raucht dringend ma ne frau im haus oder ne spülmaschine. ich hab nen verdacht wer der schatten ist, bin aber gespannt ob ich recht habe.

bis nächstes ma

lg
Von:  Taiwolf
2011-12-30T17:42:50+00:00 30.12.2011 18:42
BITTEEE schrieb weiter *-*

omg tala geht einfach so aus dem krankenhaus weg :O nacher klapp der wida zsm so wie im prolog :O omg ich bin mir echt gespannt was mit tala passiert?? *ganz gespannt ist* *-*
machs ganz spannend :)
Von:  Taiwolf
2011-12-30T15:59:52+00:00 30.12.2011 16:59
AHHHHH ARMERRR TALAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA T-T
Von:  Fairytale_x3
2011-10-27T11:18:24+00:00 27.10.2011 13:18
So :)

ich komme dazu *freu*

also das kapitel hat mir wieder gut gefallen, ein wenig knapp gehalten, aber in ordnung ;)

toll fande ich talas innere welt beschrieben, ich glaube du hast dich sehr lange damit auseinander gesetzt und das find ich toll :)

und zu dem thema kai und putzen *hust* also entschuldige, aber DAS kann ich mir absolut nicht vorstellen :D aber nun gut xD

und ich glaube auch ich habe eine kleine ahnung, wer der 'unbekannte' ist :D

freue mich auf das nächste :)

liiiebe grüße
fairy :)
Von:  Jeschi
2011-09-25T15:35:37+00:00 25.09.2011 17:35
Ah, er erkennt ihn? lol XD Aber sehr spannend gemacht. Da kann man ja jetzt schön vermuten.

Aber Yuriy ist auch so einer... *ihn ins Bett pack* >-<

*Ian vermiss* Die Kapis sind so leer ohne ihn. XD"

lg x3

Heute kurzer Kommi, weil keine Zeit! ^^" sorry.


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