FFVII: Blue Wanderer - In the lines von Ich_eben ================================================================================ Kapitel 56: Verzweifelte Hoffnungen ----------------------------------- Cutter kannte einige Schleichwege im HQ, aber die Wege, auf die Tseng sie führte, waren ihr völlig neu, und so blieb ihr nur, dem Turk staunend zu folgen. „Ich hatte ja keine Ahnung ...“, brachte sie schließlich zustande. Tseng wandte den Kopf und grinste fast verschmitzt. „Das ist der Sinn von Schleichwegen und Geheimgängen. Aber, um ehrlich zu sein, deine Verblüffung erstaunt mich.“ „Ich wäre nicht mal annähernd auf die Idee gekommen, nach so was überhaupt zu suchen!“ „Um ein weiteres Mal ehrlich zu sein, ein paar dieser Abkürzungen wurden von den Turks erst vor kurzer Zeit ... nennen wir es mal `erschlossen´. Vermutlich werden sie nie wieder verwendet.“ „Verstehe“, antwortete Cutter leise. „Wow.“ Und in Gedanken fügte sie hinzu: Hoffentlich geht alles gut ... Tsengs Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Kennst du den Schwachpunkt der S-1 Einheiten?“ Und als Cutter den Kopf schüttelte: „Sie befolgen nur die Befehle von Rufus und Hojo.“ „Das heißt, wenn keiner der beiden ihnen einen Befehl gegeben hat, tun sie gar nichts?! Das ist aber ein ziemlich großer Schwachpunkt!“ „Den wir nutzen werden! Wenn wir im Labor sind, werde ich Hojo ausschalten. Sofern die S-1 Einheit nicht den Befehl hat, ihn zu beschützen, wird sie sich völlig ruhig verhalten, und das heißt, du hast freien Zugriff auf die Luna Lance!“ „Und wenn die S-1 Einheit doch den Beschützer spielen soll?“ „Du kümmerst dich ausschließlich um die Luna Lance und überlässt den gesamten Rest mir.“ „Aber ...“ „Kein `aber´!“ Und dann, verhältnismäßig grimmig: „Meine gesamte Einheit und ich stehen ganz oben auf Rufus´ Todesliste, aber so leicht werden wir es ihm nicht machen! Dich zu befreien war eine Gemeinschaftsentscheidung, bei der es keine Gegenstimmen gab, deshalb kümmer dich nicht um uns. Bring die Luna Lance wieder in deinen Besitz und versuch zu fliehen. Erlange deine Fähigkeiten zurück! Und dann entscheide selbst, was zu tun ist. Du bist eine der wenigen Personen in diesem Unternehmen, die trotz großer Macht ihre Seele nicht verloren haben. Vergiss das nicht, ganz egal, was geschieht!“ Cutter mochte Tseng. Er war jemand, der sich – genau wie Sephiroth – niemals zu überstürzten Handlungen hinreißen ließ. Was er tat, hatte immer einen Grund, auch, wenn dieser oft nicht gerade als `gut´ zu bezeichnen gewesen wäre, aber letztendlich vermittelte auch der Turk ständig das Gefühl, dass nichts schief gehen konnte, weil er sich intensive Gedanken gemacht hatte. Sowieso, die Turks. Wäre die ShinRa Belegschaft ein Kartenspiel gewesen, so hätte man Leuten wie den Turks die Rolle der Joker zugesprochen. Und wer freute sich in einem derart riskanten Spiel nicht über den ein oder anderen Joker? Momentan hatte Cutter, wie es schien, 4 Stück auf der Hand, aber allein der Gedanke, die Turks könnten bei diesem letzten Spiel ihr Leben verlieren ... wie jedoch waren Tsengs Worte gewesen? `Es war eine Gemeinschaftsentscheidung, bei der es keine Gegenstimmen gab!´ Er und seine Leute wollten diese Rettungsaktion. Niemand hatte sie dazu gezwungen oder überredet. Sie gingen diesen Weg, den Weg des freien Willens, weil es ihres Erachtens nach der richtige war. Und so blinzelte Cutter tapfer die Tränen zurück, nickte und wisperte: „Versprochen! Tseng? Vielen Dank!“ Es entging ihrer Aufmerksamkeit, aber Tseng schmunzelte kaum merklich. Es war wirklich kein Wunder, dass Sephiroth und Cutter zueinander gefunden hatten. Dass der General tot war ... am liebsten hätte Tseng diese Information nicht zurückgehalten. Aber er wusste, dass dies die gesamte Rettungsaktion vereitelt hätte, und so schwieg er. Cutter würde es selbst herausfinden müssen. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht dran zerbrach. Aber es war sehr wahrscheinlich. Wenig später erreichte das ungleiche Duo den Laborbereich und letztendlich auch die Tür, die zu Hojo führte. Für gewöhnlich hätte Cutter zuerst mit Hilfe der Lines den derzeitigen Standort des Wissenschaftlers ausfindig gemacht, aber so konnten sie und Tseng nur die Tür öffnen und hoffen, sich nicht direkt mit Hojo konfrontiert zu sehen. Sie hatten Glück. Im ersten, trügerisch weißen Raum, befand sich niemand. Tseng bedeutete Cutter, ihm zu folgen und schlug die Richtung zum zweiten Raum, dem mit den Makotanks, ein. An der Tür angekommen hielten sie inne, spähten vorsichtig hinein und wechselten wenige Sekunden später einen: „Oh, verdammt!“ Blick. Hojo stand nur wenige Meter von ihnen entfernt, den Rücken zur Tür gewandt, und starrte in einen der Tanks. Ihn zu erledigen und die Luna Lance zu holen, wäre ein so leichtes Unterfangen gewesen – hätte sich diese nicht in den Händen einer der S-1 Einheiten befunden. Es lag Tseng völlig fern, aufzugeben. Aber somit war die Luna Lance momentan absolut unerreichbar. Er warf Cutter einen langen Blick zu, den diese nicht erwiderte, da ihre Augen fest geschlossen waren. Als sich die Lider über den bernsteinfarbenen Iriden wieder hoben, lag in ihnen ein Ausdruck, den Tseng nur zu gut kannte. Verzweifelte Hoffnung. Dann hob die junge Frau die Hand und signalisierte: `Sie = Hojo. Ich = S-1 Einheit. Los!´ Bei `verzweifelter Hoffnung´ wusste man für gewöhnlich nie, was überwog. Aber von Cutter ging in diesem Moment mehr `Hoffnung´ als `Verzweiflung´ aus. Und so vertraute ihr Tseng, ohne sich weiter zu sträuben, trat aus der Deckung, in den Raum hinein, war binnen weniger Herzschläge genau hinter Hojo und schlug zu. Nur einmal. Aber der Wissenschaftler sackte augenblicklich in sich zusammen. Tseng ignorierte, dass sich die S-1 Einheit augenblicklich umwandte, da sie nur das tat. Sie hatte keinen Befehl, Hojo zu beschützen. Und so fing Tseng den jetzt erschlafften Körper des Professors auf, ließ ihn zu Boden gleiten und realisierte nur einen Sekundenbruchteil später, wie Cutter an ihm vorbeiging - direkt auf die S-1 Einheit zu. Was hat sie vor?! Sie hat keine Chance gegen dieses Ding! Aber andererseits war die Luna Lance ihre Waffe. Tseng wusste von der gewaltigen Energieentladung damals in Rufus Büro. Was, wenn der Stab über weitere, ebenso durchschlagende Effekte verfügte? Aber konnte Cutter diese in ihrem momentanen Zustand wecken? Er wollte aufspringen. Sie zurückreißen. Aber Cutter war schneller. Wandte den Kopf in seine Richtung, rollte mit den Augen und stürzte Tseng mit nur einem Satz in restlose Verblüffung. „Meine Güte, immer diese brutalen Turks!“ Sie bewegte sich weiter auf die S-1 Einheit zu und deutete mit dem Daumen auf Tseng. „Besonders der da. Grauenhaft. Überhaupt keine Manieren.“ Sie schüttelt den Kopf, sah zu der S-1 Einheit, die ihren Blick völlig emotionslos erwiderte, auf und lachte. „Aber jetzt bin ich ja wieder bei dir.“ Dann wies sie auf die Luna Lance ... „Das ist jetzt wieder meine. Danke schön fürs Aufpassen, Sephy!“ ... und legte ohne jegliche Furcht die Hand auf den mondlichtfarbenen Stab. Und die S-1 Einheit, eine der S-1 Einheiten, die für so viel Leid gesorgt hatten, die für ihre Unbarmherzigkeit gefürchtet und gehasst waren, die nur den Befehlen Rufus und Hojos gehorchten ... öffnete die Hand und ließ sich die Luna Lance wegnehmen. Cutter wich immer noch vergnügt lächelnd zurück. „Danke! Ok, die nächste Mission wartet. Ich sollte mich sputen. Ich nehme diesen Grobian mit, bevor er noch mehr kaputtmachen kann, ok? Abmarsch, Turk!“ „Wie hast du ...?“, wisperte Tseng, nachdem er neben sie getreten war und sie sich in Bewegung gesetzt hatten. „Hojo“, wisperte Cutter wesentlich freundlicher als noch vor wenigen Sekunden zurück, „hat die S-1 Einheiten aus Sephiroth heraus erschaffen. Und Sephiroth ist mein Freund. Ich ... wusste es nicht mit 100 %iger Sicherheit, aber anscheinend ...“ Weiter kam sie nicht. Eine Hand schloss sich fest um ihren linken Fußknöchel, gleichzeitig zischte eine von unten kommende Stimme: „Du bleibst hier!“ Hojo war wieder bei Bewusstsein. Cutter dachte nicht nach, sie handelte, schlug mit der Luna Lance zu, so fest es nur ging, spürte Knochen brechen und rannte mit Tseng, untermalt vom Schmerzensschrei des Professors, in Richtung Tür. „Pack sie!“, konnten die flüchtenden Hojo noch kreischen hören, bevor sie die auf den Flur führende Tür erreichten. „Fang sie und bring sie zurück! Das ist Verrat, Tseng, das ...“ Die Tür schloss sich. Tseng und Cutter erhöhten das Tempo. „Lauf zum Jeep!“ Cutter erinnerte sich mit aller Kraft an ihr Versprechen und rannte los. Gleichzeitig ertönte hinter ihnen das typische Geräusch einer S-1 Einheit, die den direkten Weg durch die Tür nahm, ohne diese zu öffnen, und nur eine Sekunde später begannen die Alarmanlagen in der „Häftling auf der Flucht“ Variante zu schrillen. Dieses Geräusch, Cutter wusste es nur zu gut, würde die gesamte im HQ befindliche, in den Bereitschaftsmodus versetzte Army mobilisieren. Es war besser, das Gebäude zu verlassen, bevor die Army wusste, wen sie zur Strecke bringen sollte. Von der S-1 Einheit, die mit Sicherheit mittlerweile Verstärkung bekommen hatte, ganz zu schweigen. Cutter rannte, wie sie noch niemals zuvor gerannt war, wissend, dass sie nach wie vor relativ schutzlos war, mit wild klopfendem Herzen, keuchendem Atem und einer Angst im Herzen, die sich mit Worten nicht beschreiben ließ. Sie kam nur wenige Flure weit, ehe die erste S-1 Einheit ihren Weg kreuzte. Cutter bremste ab, wirbelte herum und bog in einen der angrenzenden Flure ab, allerdings nur, um sich nur wenige Biegungen später mit einem weiteren Gegner derselben Art konfrontiert zu sehen. Abermals blieb nur die Flucht in eine neue Richtung - und abermals endete sie aus demselben Grund. Diesmal blieb nur langsames Zurückweichen, wieder auf den Hauptflur. Und hier warteten S-1 Einheiten in jeder Richtung. Cutter saß in der Falle. So fest ihre Hand um die Luna Lance geschlossen war, hilfreich würde der Stab nicht sein. Nicht so. Dabei liegt es gar nicht an ihr, dachte Cutter verzweifelt. Ich bin kaputt. Ich! Und jetzt werden sie mich kriegen. Ich habe Hojo verletzt! Hojo! Jetzt wird er mich in sein Labor holen und auseinandernehmen, bei vollem Bewusstsein, Stück für Stück, und ich kann nichts dagegen machen, gar nichts, ich ... ich werde sterben. Langsam und qualvoll. Sephy, Zack, wo seid ihr? Aber niemand antwortete ihr. Sie war allein. Bis auf die S-1 Einheiten, die jetzt aus allen Richtungen anrückende Army ... und Hojo. „Sieh an, sieh an. Hast du wirklich geglaubt, fliehen zu können? Du hast mir das Handgelenk gebrochen! Mir, dem größten Genie der Electric Power Company! Du bist eine gefährliche Terroristin ... und ich werde herausfinden, was in deinem Kopf so schief gehen konnte! Packt sie!“ Und die S-1 Einheiten rückten vor. Langsam, denn ihr Opfer konnte unmöglich entkommen. Es saß fest, war eingekeilt zwischen der Wand hinter ihrem Rücken und purer Gewalt. Cutter suchte verzweifelt nach einem Fluchtweg. Aber es gab keinen. Selbst das Glas hinter ihr war Sicherheitsglas und ließ sich nicht zerschlagen; und sogar, wenn es ihr gelungen wäre, sie war unmöglich fit genug, um sich nach einem Sprung aus dem zwölften Stock abzufangen. Und Flügel hatte sie nicht mehr. Es ist wahr, dachte Cutter und ließ den Kopf sinken. Ich habe nichts mehr. Gar nichts mehr. Dabei war das doch früher mal anders. Ich hatte so viel. Sephy. Zack. Die Lines. Die Luna Lance. Mich selbst. Wie nur konnte ich all das verlieren? Und dann gab sie sich selbst die Antwort. Indem ich mich zu etwas habe machen lassen, das ich nicht bin. Ich bin zu einem `Death Walker´ geworden. Ich habe den Tod gebracht oder zugelassen, dass andere ihn durch meine Hilfe herbeiführen. So wollte ich nie sein, niemals ... Warum bin ich es trotzdem geworden? Und wieder fand sie die Antwort alleine. Weil ich bei Sephy sein wollte. Mehr als alles andere. Und ich war bei Sephy. Anders und intensiver als jemals ein anderer Mensch zuvor. Aber dabei habe ich einen Teil von mir irgendwann verloren. Es ist wahr. Vielleicht hätte ich all das vorhersehen müssen, damals, als ich den Vertrag zum zweiten Mal unterschrieben habe. Aber ich war zu naiv und zu gutgläubig, habe mich über- und ShinRa unterschätzt. Das war mein größter Fehler. Aber ich habe ihn begangen. Ebenso wie all meine anderen Taten. So erschöpft Cutter war, so überrascht war sie über die urplötzliche Ruhe ihrer Gedanken. Sie glitten dahin wie Wasser, weder schnell noch langsam, aber beständig. Als seien sie auf der Suche ... An meinen Taten kann ich nichts mehr ändern, niemals wieder. Was also bleibt mir? Selbstmitleid? Nein. Selbstmitleid ist wie ein Strudel. Es zieht einen immer tiefer hinab und letztendlich ertränkt es einen. Hoffnung auf Vergebung? Wenn ich möchte, dass andere mir vergeben, muss ich zuerst lernen, mir selbst zu vergeben. Und dazu muss ich die schrecklichen Punkte meiner Vergangenheit und meine Taten als das akzeptieren, was sie sind. Dinge, auf die ich nicht stolz bin. Und die ich niemals wieder tun möchte. Cutter war sich dessen nicht bewusst. Aber in der Luna Lance, die bisher wie erloschen in ihrer Hand gelegen hatte, erwachte ein winziger Funken des früheren Lichts. Ich habe all diese Dinge getan, weil ich dachte, dies sei der einzige Weg. Das war ein Irrtum. Es war nur der Weg, den ich gewählt habe. Mit allen Höhen und Tiefen. Aber das Leben und die Welt bestehen aus mehr als nur einem Weg. Es gibt unzählige Wege, unzählige Weggabelungen, unzählige Möglichkeiten. Ich ... Muss ich mich vielleicht einfach nur neu entscheiden? In der Luna Lance wurde der Lichtpunkt intensiver, gleichzeitig begannen sich fein glühende Linien herauszuschieben und krochen an dem Stab entlang. Sie wirkten wie Adern. Oder eine Landkarte, bestehend aus Straßen und Möglichkeiten. Gleichzeitig erwachte ein sanfter Pulsschlag in dem zweifach gegabelten Stab, als feuere er seine Besitzerin an, weiter zu denken. Und Cutter begriff. Genau! Das ist es. Sephy hat es mir schon einmal gesagt, aber den wahren Sinn dieser Worte verstehe ich erst jetzt. Ich muss meine Vergangenheit akzeptieren. Und aus den Fehlern lernen! Um sie nie wieder zu begehen! Ich muss wach und aufmerksam sein, die Fallen erkennen und einen großen Bogen drum herum machen, oder sie entschärfen. Man lernt nicht nur aus seinen Erfolgen, sondern auch aus seinen Fehlern. Und ich war ... viel zu lange ... ShinRa´s Death Walker! Licht explodierte in ihren Händen. Die Luna Lance hatte nicht einfach nur zu leuchten begonnen, sie strahlte so gleißend hell, dass jedes menschliche Wesen geblendet die Augen schloss. Cutter hörte sich selbst aufschreien und wusste nicht, ob es ein Jubel- oder ein Kampfschrei war. Aber sie wusste, dass sie nicht mehr schutzlos war - und eine neue Möglichkeit gefunden hatte. Sie wirbelte die immer noch gleißend helle Luna Lance herum und wünschte sich etwas. Einen Sekundenbruchteil später gab es keine Army und keinen Hojo mehr. Nur noch bunte, über den Boden rollende Murmeln. Und, mitten zwischen ihnen, eine große, gleich von mehreren Krankheiten gezeichnete Ratte. Cutter grinste vergnügt. „Das ist eins von meinen Experimenten, Hojo! Ich hoffe, es gefällt Ihnen!“ Aber so gerne sie sich noch eine Weile an Hojos neuestem Äußeren erfreut hätte, die S-1 Einheiten ließen ihr keine Gelegenheit. Sie hatten einen Befehl erhalten – und würden ihn befolgen! Sie rückten vor. Cutter wirbelte herum und sprang. Die Wand hatte den Kräften der Luna Lance nichts entgegenzusetzen, verschwand mit der Schnelligkeit eines Lidschlages. Cutter ließ sich einfach fallen. Die S-1 Einheiten folgten ihr, wie erwartet, erreichten aber niemals ihr Ziel oder gar den Boden, denn dieser wurde urplötzlich lebendig, schoss nach oben, wickelte sich um seine Gegner, zerrte sie nach unten, schloss sich über ihnen und wurde zu Stahl. Cutter landete nur einen Sekundenbruchteil später dank der jetzt zurückgewonnenen Flügel völlig unversehrt auf der matt schimmernden Oberfläche und begann in Richtung des von Tseng beschriebenen Jeeps zu rennen, schlitterte um eine Kurve und konnte nur wenige Sekunden später hören, wie die S-1 Einheiten aus dem Gefängnis ausbrachen und sich in die Luft katapultierten, um die Umgebung von oben besser sondieren zu können. Der wenig später quer über das ShinRa Gelände jagende Jeep weckte sofort ihre Aufmerksamkeit, ließ sie die Verfolgung aufnehmen. Das Fahrzeug brach rücksichtslos durch das große Eingangstor, löste den Alarm aus, jagte dessen völlig ungeachtet aber weiter, erreichte die Hauptstraße und setzte die Flucht unter Nichtachtung sämtlicher Verkehrsregeln fort. Die S-1 Einheiten folgten dem Fahrzeug, jagten es, ließen es nicht eine Sekunde aus den Augen, zwangen es schließlich in eine scharfe Kurve ... eine zu scharfe Kurve. Die Reifen des Jeeps verloren den Bodenkontakt. Einen endlos scheinenden Moment lang verharrte das Auto in bedrohlicher Schräglage – dann kippte es um, überschlug sich mehrfach, ging schließlich in Flammen auf ... und explodierte. Als die S-1 Einheiten landeten, waren von dem Fahrzeug nur noch brennende Bruchstücke übriggeblieben – und eine Pfütze dunkelroten Blutes auf dem Asphalt. Genug Beweise um zu begreifen, dass mindestens ein Leben erfolgreich ausgelöscht worden war. Die S-1 Einheiten traten den Rückzug an. Übrig blieben nur die Überreste einer gewonnenen Schlacht. Tseng war nicht über Nacht zum kommandierenden Offizier der Turks geworden. Dem derzeitigen Rang gingen unzählige Ereignisse, hauptsächlich Missionen, voraus. Situationen, die er stets hatte meistern können, unter anderem, weil er sich schlauer und geschickter anstellte als die Leute, gegen die er angetreten war. Aber trotz aller Erfolge hatte sich Tseng immer bemüht, objektiv zu bleiben. Er war sich ziemlich sicher, nicht unsterblich zu sein, und handelte entsprechend. Tseng war kein Narr! Dass er dieses sonst immer im Vordergrund seines Denkens gesicherte Wissen diesmal komplett beiseite geschoben hatte, um zu tun, was er getan hatte, war ihm ebenso bewusst wie die Tatsache, den seinen eigenen Tod betreffenden `Standby Modus´ aufgehoben zu haben. Rufus Shinra zu verraten, war ein absolutes Todesurteil, und es würde vollstreckt werden, ganze egal, wo. Aus exakt diesem Grund war Tseng zu dem Entschluss gekommen, seinem Noch-Arbeitgeber nicht die Freude einer Hetzjagd zu gönnen, sondern genau hier zu bleiben: In einem der höher gelegenen Flure des HQ´s, von denen aus man einen guten Blick auf die Straßen der Stadt und die Zufahrt zur Electric Power Company hatte. Auf diese Art und Weise war es ihm möglich gewesen, Cutters Flucht sowie deren weiteren Verlauf mitzuverfolgen, und dasselbe galt auch für die Rückkehr der einmal mehr siegreichen S-1 Einheiten zum HQ. Tseng schmunzelte immer noch. Ernsthaft anzunehmen, Cutter, die ihre Fähigkeiten zurückerlangt hatte, würde sich so leicht wieder einfangen lassen ... Nur dumme, seelenlose Marionetten aus dem Labor konnten etwas derart Absurdes ernsthaft glauben! Aber somit standen die Chancen recht gut, dass niemand außer Tseng Zeuge gewesen war, wie die echte Cutter sich blitzschnell mit Hilfe ihrer Flügel (deren Existenz den Turk seltsamerweise kein bisschen überraschte) in Richtung Himmel katapultierte, während die S-1 Einheiten den durch die Lines gesteuerten Jeep verfolgten und somit ihrem eigentlichen Zielobjekt genug Zeit gaben, völlig unbehelligt im Nachthimmel über der Stadt zu verschwinden. Der Plan hatte funktioniert. Cutter war wieder frei. Gut gemacht!, dachte Tseng. Viel Glück! Einen Sekundenbruchteil später drückte sich die Mündung einer Schusswaffe an seinen Hinterkopf. „Das war sehr, sehr dumm, Tseng!“ Rufus Stimme klang leise, aber höchst bedrohlich. Tseng jedoch zuckte weder zusammen, noch hob er beschwichtigend die Hände oder versuchte gar, sein Verhalten zu erklären. Er wandte lediglich den Kopf – und lächelte. „Oh, nicht ganz so dumm, wie den Planeten zu töten, auf dem man lebt.“ „Sie wird nicht weit kommen!“ „Cutter war schon immer weiter als du oder ich, Rufus. Weil sie sich ihr Gewissen nicht hat nehmen lassen. Jetzt hat sie ihre Kräfte und sich selbst zurück. Wenn sie erfährt, dass Sephiroth und Zack tot sind, wird sie dich vernichten, und dein gesamtes Imperium dazu.“ Rufus lächelte kalt. „`Tot´ ist ein ausgezeichnetes Stichwort. Gute Reise, Tseng.“ Sein Zeigefinger krümmte sich. Rufus hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, einen Schalldämpfer zu benutzen, und so hallte das ausgelöste Geräusch laut durch den Flur. Tseng aber nahm es gar nicht mehr wahr. Zu dicht waren sich Kugel und Kopf gewesen. Der Turk brach zusammen und blieb bewegungslos liegen. Rufus beobachtete den leblosen Körper, den aufflammenden Lebensstrom und die beschmutzte Scheibe angewidert, dann wandte er sich um und verließ den Flur. Cutter bewegte sich mit ruhigen Flügelschlägen durch die Nacht und konnte ihr glückliches Grinsen einfach nicht abstellen. Entkommen! Entkommen aus einer scheinbar wirklich aussichtslosen Lage! Die S-1 Einheiten ausgetrickst! Zurück zu sich selbst gefunden! Und wieder unterwegs! Die junge Frau schloss die Augen. Es tat so gut, sich wieder zu bewegen. Frische Luft zu atmen. Den Wind zu spüren. Aber sie konnte nicht leugnen, dass ihr Adrenalinspiegel stetig abfiel und die Erschöpfung anstieg. Lange würde sie sich nicht mehr in der Luft halten können. Wohin sollte sie also gehen? Sich unter Menschen aufzuhalten, erschien ihr keine Option. Einsamkeit war besser. Und Ruhe. Aber wo? Eine glückliche Erinnerung flackerte in ihrem Kopf auf, dicht gefolgt von mentalem Schmerz, aber das Glück überwog. Ja. Es gab einen Ort, der wie geschaffen dafür war, sich auszuruhen. Die Landung auf der kleinen Lichtung mitten im Wald erfolgte völlig lautlos. Cutter sah sich um. Bei ihrem letzten Besuch hier war alles so anders gewesen. Warm und vom Licht der Sonne beschienen, mit gesund aussehendem, bis zur Hüfte reichendem Gras und leicht im Wind rauschenden Bäumen. Ein paradiesischer Ort, erfüllt von tiefem Frieden. Jetzt war es kalt, das Gras war braun und vertrocknet, die Bäume wirkten wie Gerippe, die ihr Geäst verzweifelten Händen ähnlich in den düsteren Himmel streckten, und auch der Frieden war nahezu spurlos verschwunden. Ein Ort völliger Trostlosigkeit. Die kleine Holzhütte am Waldrand aber schien diesem Gefühl mit aller Kraft zu trotzen. Langsam ging Cutter auf sie zu, und für einen Moment verspürte sie die Hoffnung, Sephiroth und Zack könnten hier sein, gleichzeitig allerdings wies ihr Verstand darauf hin, wie sinnlos diese Gedankengänge waren hinsichtlich der sicheren Gewissheit, dass die beiden SOLDIER sie niemals so lange allein und hilflos der Electric Power Company überlassen hätten - es sei denn, ihnen war etwas zugestoßen. Die gesamte Situation (inklusive des Blutes im Makoreaktor) sprach dafür, aber daran konnte Cutter einfach nicht glauben, schließlich ging es hier um Sephiroth und Zack, ihre beiden besten Freunde, außerdem waren es erfahrene Kämpfer ... und dennoch wusste die junge Frau, das irgendetwas Entsetzliches geschehen war. Noch hatte es keinen Namen, aber bestimmt würde ein Blick in die Lines alles klären. Und wenn ihr in Schwierigkeiten seid, dachte Cutter grimmig, komme ich, euch retten. Ich habe meine Fähigkeiten zurück, ich ... Euch ist nichts passiert in der Zwischenzeit, ok? Bitte! Dann schüttelte sie den Kopf in dem Versuch, ihre Ängste zu vertreiben, öffnete die Tür der Hütte, trat ein, schloss die Tür wieder sachte und ließ den Blick durch den ersten Raum schweifen. Es sah noch genauso aus, wie im Sommer. Zerschlagene Fenster, welke Blätter auf dem Boden, Staub, Spinnweben, in der Luft der Geruch von langsam vermoderndem Holz, und doch, deutlich spürbar, dieser gewisse Zauber von glücklichen Tagen. Aber keine Spur von Sephiroth und Zack. Cutter ließ sich langsam auf einen der neben dem Tisch stehenden Stühle nieder, schloss die Augen und betrat trotz ihrer Erschöpfung die Welt der 2nd Lines. Sie wusste, dass sie nicht suchen musste. Wie immer würde ein Ruf genügen, um die beiden gewünschten Lines zu ihr zu bringen ... aber nichts geschah. Cutter blinzelte irritiert. Bin ich wirklich so müde? Abermals schloss sie die Augen, konzentrierte sich stärker, und rief erneut. Aber die Lines, die Lines der beiden wichtigsten Menschen ihres Lebens, jene schwarze mit den sternsilbernen Punkten und jene, die aussah wie wild zusammengewürfeltes Konfetti ... erschienen nicht. Auch nicht nach mehrmaligem Rufen. Cutter öffnete langsam die Augen, schüttelte den Kopf und bemühte sich, die immer stärker werdende Kälte in sich zu verdrängen. Das kann nicht sein! Sie sind da! Sie müssen da sein! Sie sind doch immer da gewesen! Ich weiß, ich ... ich bin zu müde. Genau, das ist es. Ich muss nur ein wenig schlafen, dann werde ich sie schon sehen können. Cutter versuchte, sich an diese Hoffnung zu klammern – aber sie sah, wie klar alle anderen 2nd Lines vor ihr lagen. Und so sehr sie sich auch wehrte, sie wusste, was es bedeutete, wenn eine (oder mehrere) Lines auf ihren Ruf hin nicht erschienen. Das betreffende Leben ... war zu Ende. „Nein“, wisperte Cutter, gefangen in einem Entsetzen, das tiefer ging als es Worte auszudrücken vermochten. „Bitte, bitte nein ...“ Aber die Realität ignorierte ihr Flehen. Die Fakten änderten sich nicht. Cutter schloss abermals die Augen und lauschte in sich hinein, wild entschlossen, irgendeinen Hinweis auf den wahren Verbleib von Sephiroth und Zack zu erspüren ... empfand aber nur Leere. Sie war anders als alle bisher bekannten Varianten. Diese Leere zeugte von einem wirklich großen Verlust, versicherte auf endlos traurige Art und Weise, zu keinem Albtraum zu gehören, aus dem man erwachen konnte, und ließ einem somit nur die Option, den aktuellen Zustand zu akzeptieren. Cutter wehrte sich mit aller übriggebliebenen Kraft dagegen. Es konnte, es durfte einfach nicht wahr sein! Jede andere Person, jede, aber nicht diese beiden ... niemals! Dass ihre Lines nicht erschienen war ein dummer Zufall, ein Streich, irgendetwas, aber es bedeutete nicht den Tod! Nicht dieses Mal ... Nur dieses eine, einzige Mal nicht ... Abgesehen davon, weder Sephiroth noch Zack wollten sterben! Darauf mussten die Geschehnisse doch Rücksicht nehmen ... Irgendwann wurde Cutter bewusst, dass sie weinte. Und noch während sie sich fragte, warum, denn es gab doch gar keinen Grund, die Lines logen und sie selbst war einfach zu erschöpft, brach der letzte Rest ihrer mentalen Stärke zusammen wie ein Kartenhaus in einem starken Windstoß. Sephiroth und Zack waren nicht gekommen, um sie aus dem ShinRa HQ zu befreien, weil sie nicht mehr am Leben waren. Cutters haltloses, verzweifeltes Schluchzen füllte den Raum, schwoll an und ab, aber es versiegte nicht. Ich konnte ihnen nicht helfen, dachte Cutter irgendwann unter Tränen. Ich war nicht da. Meine beiden besten Freunde waren in Gefahr und ich war völlig nutzlos ... Tief in ihr erlangten Leere und Kälte restlose Gewalt und spielten diesen Triumph gnadenlos aus, indem sie jedes bisschen wiedererlangte, zaghaft leuchtende Hoffnung zerschlugen. Allumfassende Finsternis breitete sich in Cutter aus. Sephy und Zack waren in ihren vorsichtig geschmiedeten Zukunftsplänen immer ein fester Bestandteil gewesen – und jetzt waren sie nicht mehr hier. Dasselbe galt für die Zukunft, denn die konnte sich Cutter ohne ihre beiden besten Freunde einfach nicht vorstellen. Was also blieb noch? Nur dieser dem entsetzlichen G-Mako unterworfene Körper und die Electric Power Company. Nichts, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Sollte Rufus doch den Planeten zerstören. Jetzt war sowieso alles sinnlos ... Die Müdigkeit kam wie ein starker Retter in der Not und überspülte Cutters Bewusstsein mittels einer einzigen, zu gleichen Teilen entschlossenen wie auch sanften Bewegung. Die Realität verlor jeglichen Schrecken und Festigkeit, wurde weich und biegbar, franste schließlich an den Rändern aus und begann, sich aufzulösen. Das erste bewusst wahrgenommene Gefühl war Wärme. Angenehme, alles umfassende Wärme, die: `Alles ist gut´, zu flüstern schien. `Du bist hier sicher.´ Leises, wie aus großer Ferne kommendes, gleichmäßiges Rauschen, verstärkte das Gefühl von Sicherheit. Cutter hatte geschlafen, tief und fest, weil es hier sicher war. Aber ... weshalb war sie dann aufgewacht? Die Antwort erfolgte nur einen Herzschlag später in Form eines Kitzelns auf ihrer Wange. Cutter murrte leise und drehte den Kopf weg. Aber das Kitzeln folgte ihr, dicht gefolgt von einem mühsam unterdrückten Kichern, dessen Art und Tonfall sie nur zu gut kannte. „Zack“, grollte sie, „hör auf.“ „Aber ich habe doch gerade erst angefangen, dich zu ärgern.“ Cutter schnaubte amüsiert, gleichzeitig griff sie zu und nahm dem 1st den langen Grashalm, mit dem er sie immer noch kitzelte, ab. Eine Sekunde später erkundigte sich Zack hörbar grinsend: „Würde es dich sehr frustrieren, wenn ich dir sage, dass mir quasi unbegrenzter Nachschub zur Verfügung steht?“ „Mh“, machte Cutter leise und schmunzelte. Mittlerweile konnte sie auch den Stoff einer Decke unter sich wahrnehmen und das Zwitschern von Vögeln irgendwo über ihr. Und dann, schlagartig, lichtete sich der Nebel über ihrem Orientierungssinn. Richtig. Sie war in diesem Wald, in der Nähe des Makoreaktors, der für die Tests, die ihn und Seinesgleichen vor den Angriffen des Planeten schützen sollten, vorgesehen worden war. Der erste Test war furchtbar schief gegangen und jetzt hatte Rufus die Kontrolle übernommen. Oh, kostbare Freizeit ... Cutter atmete tief durch. Jetzt konnte sie den Wald auch riechen. Ein guter, friedlicher Geruch. Was für ein Vergleich zu ... „Zack“, wisperte sie mit immer noch fest geschlossenen Augen, „ich hatte einen furchtbaren Traum. Ich ... habe geträumt, ShinRa hätte dich und Sephiroth umgebracht und ich konnte nicht das Geringste dagegen tun. Ich konnte euch nicht helfen. Das war so grauenhaft! Vielen Dank fürs Wecken.“ Sie hätte mit einer von Zacks üblichen, frechen Antworten gerechnet - aber der 1st schwieg. Es war, das wurde Cutter irgendwann klar, ein Schweigen in der keine Kraft für die erwartete Reaktion gesammelt wurde, und so blinzelte die junge Frau verwirrt. Zack lag genau neben ihr. Er sah aus wie immer, aber der Ausdruck in seinen Augen ... Niemals zuvor war er so ernst und traurig gleichzeitig gewesen. Und Cutter begriff, obwohl sie es eigentlich gar nicht wollte. „Das hier ist der Traum“, flüsterte sie. „Richtig?“ Zack nickte sachte. Cutter schloss die Augen und spürte, wie abermals Tränen über ihre Wangen zu laufen begannen. Für einen kurzen, zerbrechlichen Moment war wieder alles gut gewesen - und jetzt musste sie diesen Moment schon wieder hergeben. Es war nicht richtig! Das hier hätte die Realität sein sollen! Aber sie war es nicht. Und so würde es bleiben, ganz egal, wie stark die geleistete Gegenwehr sein mochte. Zacks Stimme vermischte sich mit ihren Gedanken. „Alles, was in Nibelheim und danach passiert ist, stand so nicht im Drehbuch. Jedenfalls nicht in meinem. Aber das ist jetzt alles völlig unwichtig, wichtig ist nur, dass du mir zuhörst. Du ...“ Aber Cutter nahm seine Worte kaum wahr. Jetzt erinnerte sie sich wieder – an alles. Damals war sie nicht alleine mit Zack hier gewesen, und so ignorierte sie sein zu gleichen Teilen flehendes wie eindringliches: „Tu´s nicht“, drehte sich auf die andere Seite ... und erstarrte. Sephiroth lag mit dem Gesicht zu ihr gedreht auf der Decke und schien zu schlafen. Die Schatten der lichtüberglänzten Baumkrone über ihm malten ungreifbare Symbole auf seine helle Haut, wie die Erinnerungen an ferne Träume, und die von ihm ausgehende Ruhe synchronisierte sich völlig problemlos mit der restlichen Umgebung. „Sephy ...“, wisperte Cutter, streckte die Hand aus und streichelte vorsichtig über Sephiroths Wange. Sie fühlte sich an wie immer, glatt und warm, aber ... „Er kann dich nicht wahrnehmen.“ Zacks Stimme klang leise und mitfühlend. „Das hier ist ... nur ein Traum, zusammengefügt aus deinen und meinen Erinnerungen. Ich ... musste einen Ort und einen Moment wählen, an dem wir beide anwesend und entspannt waren. Mir ist nur dieser Platz eingefallen. Tut mir Leid.“ Cutter konnte nicht antworten. Schmerz von unbekannten Intensität war dabei, abermals ihr Herz zu zerreißen. Sephiroth war so nahe und gleichzeitig so fern ... Wach auf!, dachte die junge Frau verzweifelt. Bitte, wach auf. Blinzle und sei da. Sag meinen Namen. Oder etwas anderes. Nur bitte, bitte wach auf ... „Cuttie, ich weiß, das ist unglaublich schwierig für dich, aber ich habe nicht viel Zeit, mit dir zu reden, deshalb musst du mir jetzt gut zuhören. Hörst du mir zu?“ Die Stimme des ehemaligen 1st Class SOLDIER klang zu ernsthaft und drängend, um sie zu ignorieren. Cutter nickte, immer noch unter Tränen. Und so begann Zack zu erzählen. Von den Cetra und Aerith. Den Wünschen der Electric Power Company. Vom Jenova Projekt, dessen Ergebnis Sephiroth war. Und vom Planeten selbst, der ihm all diese Dinge anvertraut hatte. „Gaia hatte viel Kraft angesammelt, aber jetzt gibt es einfach zu viele Reaktoren. Mittlerweile kann sie das Leben auf ihrer Oberfläche nur noch mit äußerster Mühe aufrecht erhalten und konzentriert den Rest ihrer Kraft auf Sabotageaktionen, aber sie kann nur noch für kurzfristige Störungen sorgen. Irgendjemand muss ihr helfen, indem die Reaktoren vernichtet werden. Das ist die einzige Chance.“ Mittlerweile hatte Cutter es geschafft, auf die Knie zu kommen, aber ihr Blick galt nach wie vor einzig und allein dem wie schlafend daliegenden Sephiroth. Wie aus weiter Ferne hörte sie sich selbst sagen: „Und dieser jemand soll ich sein.“ „Niemand außer dir ist dazu noch in der Lage.“ „Wozu, Zack?“ Cutters Stimme klang völlig ruhig. „Niemand auf dieser Welt war mir wichtiger, als Sephy und du – und jetzt seid ihr tot. Ich selbst bin immer noch vom G-Mako abhängig und wenn die Wirkung das nächste Mal nachlässt, werde auch ich sterben, denn ich kehre auf keinen Fall zu ShinRa zurück. Nenn mich egoistisch, aber ich sehe keinen Sinn mehr im kämpfen. Soll Rufus doch gewinnen. Es stört mich nicht mehr. Und ich bin so müde.“ „Ich kann dich so gut verstehen. Glaub mir, ich bin auch traurig. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen und so viele Dinge verhindern. Aber diese Macht ist mir nicht gegeben. Ich ...“ „Ich vermisse euch so entsetzlich!“, schluchzte Cutter. „Ich wollte, dass wir drei für immer zusammenbleiben. Was war daran so falsch? Ihr habt mich immer beschützt, aber als ihr mich gebraucht habt, war ich nicht da! Ich wollte da sein, ich ...“ „Oh, Cuttie, Cuttie!“ Gleichzeitig schlang er die Arme um den Körper der jungen Frau und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Als er wieder sprach, klang seine Stimme nach wie vor warm und tröstend. „Nichts, absolut nichts an dieser Nibelheimgeschichte ist deine Schuld, und daran wird sich niemals etwas ändern. Verantwortlich sind ganz allein Rufus und Hojo! Sie haben all das organisiert und geplant, und das weißt du auch, also hör bitte auf, dich schlecht zu fühlen. Du kannst nichts dafür! Verstehst du mich?“ Zack, das begriff Cutter trotz allem, hatte Recht. Die Geschehnisse im Nibelheim Reaktor waren die Früchte einer Saat, die von zwei Wahnsinnigen ausgestreut und letztendlich eingebracht worden war, rücksichtslos und unbarmherzig. Die geschlagenen Verletzungen waren ihnen ebenso egal, wie der verursachte Schmerz und die endlose Trauer. Weil es nicht ihre Verletzungen, ihr Schmerz und ihre Trauer waren. Für sie war Nibelheim ein Triumph. Für Cutter hingegen ... „Ich will euch zurück!“, schluchzte sie. „Hörst du mich? Ich will euch sofort zurück!“ Zack schwieg einen Moment, und ihm war anzumerken, wie hart er mit sich selbst kämpfte. „Ich sollte dir das nicht sagen.“ Seine Stimme klang, als bewege sie sich über einen unberechenbaren Untergrund. „Weil ich keine falschen Hoffnungen wecken will. Nicht einmal Gaia weiß mit Sicherheit, was passiert ist, und ich weiß es auch nicht, aber ...“ „Wovon redest du?“ „Cuttie, es wäre möglich, dass Sephiroth noch existiert.“ Cutter vergaß, dass dies nur ein Traum war, sie vergaß die Vergangenheit, sie vergaß sogar ihren Schmerz. Nur noch Zacks Stimme existierte. „Es gibt nicht viele Punkte, die dafür sprechen, aber es gibt welche. Sephiroth und Jenova haben im Lebensstrom gegeneinander gekämpft und letztendlich hat ihn ein Wesen, das wie unser Freund aussieht, wieder verlassen – aber er hat keine Line mehr, und Gaia ist es nicht gelungen, eine neue zu ihm aufzubauen. Das liegt an ihrem schlechten Zustand und Jenovas Identität als außerirdisches Wesen.“ „Deshalb war Sephys Line schon immer so anders“, wisperte Cutter. „Ja. Die von ShinRa an ihm durchgeführten Experimente haben seine Line von Anfang an maßgeblich beeinflusst. Gaia war es schon immer nicht möglich, sie so klar zu lesen wie die anderer Lebewesen – und jetzt gibt es gar keine Verbindung mehr. Aerith ist sich ganz sicher, von Jenova getötet worden zu sein. So gesehen ist es sehr wahrscheinlich, dass Jenova in seiner Gestalt herumläuft. Aber ... seine Seele – und wir wissen, dass er eine hatte! - befindet sich auch nicht im Lebensstrom.“ „Er lässt sich nicht so einfach besiegen!“, flüsterte Cutter. „Dazu ist er viel zu stur, selbst, wenn es ihm schlecht geht. Vielleicht ist es genau anders herum und er kontrolliert Jenova!“ „Das glaube ich nicht“, antwortete Zack sanft. „Vergiss nicht, Aerith war Teil einer direkten Konfrontation. Sie sagte, von `unserem´ Sephiroth sei nichts mehr übrig geblieben. Wenn überhaupt, dann ist es viel wahrscheinlicher, dass er noch irgendwo in Jenova existiert. Wenn du deine Hoffnung in irgendetwas setzen willst, dann nur darin. Aber um herauszufinden, ob es wirklich so ist, darfst du jetzt nicht aufhören, zu kämpfen.“ „Ich will nicht glauben, dass er verloren hat!“, flüsterte Cutter. „Ich will nicht!“ „Das kann ich so gut verstehen. Versuch, die Wahrheit herauszufinden. Wenn Jenova die Kontrolle hat, wird sie versuchen, sich die Lebensenergie des Planeten anzueignen, das war von Anfang an ihr Plan. Aber dafür muss sie Gaia schwer verletzen. Wie sie das tun will, weiß niemand, aber Gaia ist zu schwach, um ihr etwas entgegenzusetzen.“ „Wenn ich gewinne, kommt Sephy dann zurück?“ „Darüber hat Gaia nichts gesagt.“ Cutter wandte sich um und griff nach der Hand des 1st. „Was ist mit dir? Werde ich dich jemals wiedersehen?“ Zack schüttelte sachte den Kopf und streichelte tröstend durch Cutters Haare. „Mich kannst du nicht mehr retten, Cuttie, und treffen wirst du mich maximal in deinen Träumen. Aber möglicherweise kannst du alle anderen retten. Versuch es, ok? Alles Leben auf dieser Welt glaubt an dich und drückt dir fest die Daumen.“ Cutter schniefte leise, nickte und atmete tief durch. Dann beugte sich zu dem wie schlafend daliegenden Sephiroth hinunter und küsste ihn mit aller für ihn empfundenen Zärtlichkeit. „Ich lasse dich nicht allein“, wisperte sie und schob ihre Hand auf seine. „Versprochen! Ich finde dich. Und wenn es das letzte ist, was ich tue.“ Und dann, etwas lauter: „Zack, schick mich zurück. Und pass auf dich und Aerith auf, ja?“ „Versprochen. Und viel, viel Glück!“ Cutter nickte abermals. Nur Sekunden später ging das Licht in Dämmerung über. Die Geräusche des Waldes wurden leiser und verstummten schließlich ganz, Zacks Gegenwart verblasste, Sephiroths Körper wurde unscharf, das Gefühl, seine Hand zu halten, verging. Dunkelheit senkte sich herab. Als Cutter zum nächsten Mal blinzelte, saß sie wieder in der kleinen Holzhütte am Tisch, allein, und doch nicht alleine. Sie ließ sich zurücksinken, atmete tief durch und ging in Gedanken noch einmal alles gehörte durch. Dann fuhr sie sich mit beiden Händen übers Gesicht und durch die Haare, atmete ein weiteres Mal tief durch, hielt abermals inne und murmelte: „Ich darf jetzt nicht mehr schusselig sein!“ Dann versuchte sie, eine Strategie zu entwickeln, so, wie es ihre beiden besten Freunde getan hätte. Hunderte von Kilometern entfernt schlugen zwei tiefschwarze Flügel in regelmäßigem, ruhigen Rhythmus, um den dazugehörigen Körper stabil in der Luft zu halten. Dessen Blick war nicht auf die Erde unter sich, sondern auf den Himmel über sich gerichtet, und sein mentaler Blick galt einzig und allein Teilen der Macht in sich, die jetzt, beherrscht von einem starken Willen, gebündelt und schließlich in Richtung des dunklen Firmaments geschleudert wurden. Die Wolken zerrissen, als habe man mitten unter ihnen eine gigantische Ladung Sprengstoff gezündet. Die Luft bebte und zitterte, hatte dem Fremdkörper allerdings nichts entgegenzusetzen, und so verließ dieser den direkten Wirkungsbereich Gaias mit unmessbarer Schnelligkeit. Erst den Kräften des Weltalls gelang es, ihn zu bremsen – und aktivieren gleichzeitig die wahre Natur der bisher völlig gestaltlosen Kraft. Ob diese zu einem Ruf, einem Sog oder einem Befehl wurde ... es gab Nichts und Niemanden, der diese Frage hätte beantworten können. Aber eine Antwort war auch völlig nebensächlich hinsichtlich der Reaktion. Das Weltall wimmelte nur so von umherfliegenden Brocken unterschiedlichster Konsistenz und Größe. Was sie bewegte, war größtenteils unerforscht, und wohin sie sich bewegten, relativ uninteressant, solange sie in akzeptabler Entfernung an Gaia vorbeizogen oder in der Atmosphäre verglühten. Jetzt kamen innerhalb eines bestimmten Radius all diese Vorwärtsbewegungen zum Stillstand, verhielten völlig bewegungslos, als würden sie lauschen ... und setzten sich schließlich wieder in Bewegung. Sie kamen aus allen Richtungen, große und kleine, junge und alte, und sie alle trafen sich an demselben Punkt: Einem dumpfen Glühen inmitten all der Finsternis, winzig wirkend, aber dennoch stark genug, um all die Brocken miteinander zu vereinen. Das Endergebnis versetzte zahlreiche von ShinRa um den Planeten angeordnete Satelliten so schlagartig in Panik, dass ihre Sensoren völlig überfordert den Dienst quittierten. Andere aber sendeten wahre Datenfluten an die Computer weit unter sich – mit durchschlagendem Erfolg. Alarmsysteme wurden binnen Sekundenbruchteilen aus dem Schlaf gerissen, und jedes Aufleuchten der rot blinkenden Lichter in den Fluren, sowie jeder einzelne, durchdringende Signalton vermittelte dieselbe Botschaft: `Gefahr!´ In den dazugehörigen, ansonsten eher ruhigen Abteilungen des ShinRa HQ´s trat augenblicklich eine Panik ein, wie es sie noch nie gegeben hatte. Mitarbeiter, die sonst nur gingen, mussten schlagartig rennen, Kaffeetassen zerschellten am Boden, weil sie im ersten Schrecken einfach fallen gelassen oder mittels einer entschlossenen Bewegung beiseite gefegt wurden, um Platz zu schaffen, Computer, deren Haupttätigkeit bisher in friedlichem Träumen bestanden hatte, erwachten urplötzlich zum Leben und lieferten Daten in Form von über den Bildschirm rasenden Zahlenketten. Die ersten Ausdrucke allerdings verursachten allgemeines Kopfschütteln und nervöses Gelächter. Ein Scherz! Irgendeinem lebensmüden Idioten war es gelungen, sich ins ShinRa System zu hacken und einen Angriff aus dem All zu simulieren ... Alternativ auch eine Panne, hervorgerufen durch ... irgendetwas. Diese Zahlen konnten unmöglich der Wahrheit entsprechen! Die Abteilung für in- sowie externe Computersicherheit wurde kontaktiert und informiert, allerdings nicht mit dem gewünschten Ergebnis. Es gab keinerlei Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen ins ShinRa System, nur die bissige Bemerkung des IT Profis, vermutlich befände sich das Problem irgendwo zwischen Computer und dem Stuhl davor. Der zu diesem Zeitpunkt diensthabende Offizier wies wutschnaubend auf seine langjährige Erfahrung mit allen Computern und den gängigen Programmen hin, versprach dem wenig beeindruckten IT Profi am anderen Ende, eine Beschwerde bei Präsident ShinRa einzureichen, beendete das Gespräch und gab Anweisungen, den Hauptcomputer herunterzufahren und neu zu starten. Einige, wenige Sekunden lang herrschte Stille. Dann begann der Alarm erneut. Neue Anweisungen wurden erteilt, und nur kurze Zeit später begannen die ersten brauchbar im All platzierten ShinRa Satelliten, Bilder zu liefern. Es dauerte nicht lange bis feststand, was den Alarm ausgelöst hatte. Die Erkenntnis beschwor entsetzte Totenstille bei allen Anwesenden herauf. In sich stetig verringernder Entfernung zu dem Planeten befand sich ein Meteor von gigantischer Größe, eine Bedrohung, die, wie alle Erkenntnisse klar und nüchtern mitteilten, bei einer Kollision mit Gaia problemlos in der Lage war, alles Leben auszulöschen. Entsprechend zittrig klang die Stimme des diensthabenden, für den Bereich `Weltraum´ zuständigen Offiziers. „Ich brauche alle relevanten Daten für einen Bericht bei Präsident ShinRa! Sofort!“ „Ich hoffe“, Rufus Stimme wohnte nicht ein Hauch Freundlichkeit inne, „Sie sind sich darüber bewusst, dass die Verschwendung meiner Zeit üble Konsequenzen für Sie beinhalten wird!“ „Sir“, der Offizier vor dem Schreibtisch war schweißgebadet, und das nicht nur, weil er den Weg gerannt war, „ich versichere Ihnen, die Wahrheit zu sagen. Sehen Sie sich die Informationen doch an! Wir ...“ „Wenn die Bedrohung wirklich so groß ist“, unterbrach Rufus eisig, „weshalb stehen Sie dann noch hier rum? Ergreifen Sie entsprechende Gegenmaßnahmen!“ Der Mann wurde noch eine Spur blasser. „Sir, das ... das wird nicht möglich sein.“ „Und weshalb, wenn ich fragen darf?“ „Sie ... Sie haben uns vor 2 Jahren die Gelder zur `Weiterentwicklung der Bekämpfung möglicher Gefahren aus dem Weltall´ gestrichen. Und die ... die jetzigen Möglichkeiten reichen laut aller Berechnungen bei Weitem nicht aus, um einen so großen Meteoriten ...“ „Hören Sie auf, Ihre Zeit mit reden zu verschwenden und sorgen Sie dafür, dass dieses ... Ding verschwindet, verstanden!“ „Aber Sir ...“ „Ich werde mich nicht wiederholen!“ Der Mann schlich wie ein geprügelter Hund aus dem Raum. Rufus gestattete sich ein verächtliches Zischen. Immer diese elenden Zweifler! Es war höchste Zeit, dass die S-1 Einheiten ihren Platz einnahmen! Abgesehen davon gab es nichts, womit ShinRa nicht fertig wurde. ShinRa war es letztendlich sogar gelungen, sich Sephiroth´s zu entledigen. Der `legendäre General´ war nur noch eine Erinnerung, lächerlich und im Begriff, zu verblassen. Auf diesen Meteoriten, dessen war sich Rufus absolut sicher, würde schon bald dasselbe zutreffen. Aber er sollte sich irren. Die Electric Power Company feuerte jedes über die entsprechende Reichweite verfügende Geschoss auf den Meteoriten ab, erreichte jedoch nicht das Geringste. Und so näherte sich die gigantische Bedrohung unaufhaltsam weiter dem Planeten, gut sichtbar durch einen unheilvoll weiß glühenden Fleck am Himmel, Nachts- und Tagsüber. ShinRa hatte eine strikte Nachrichtensperre an alle Eingeweihten (inklusive der Personen in den freien Planetarien) verhängt, aber nicht einmal das vermochte die Wahrheit lange zurückzuhalten. Aus winzigen Tropfen wurde ein reißender Strom, und bald wussten alle Bewohner Gaias von der drohenden Katastrophe – und, dass nicht einmal die mächtige Electric Power Company etwas dagegen tun konnte. In manchen Gegenden brach Panik aus. Menschen kauften Unmengen an Lebensmitteln und begannen mit dem Bau unterirdischer Bunker oder zogen sich in die Berge zurück, wo es viele tiefe Höhlen gab. Andere saßen einfach nur stumm da und weinten. Einige belächelten die Bedrohung oder ignorierten sie sogar ganz. Manche fanden aber auch die Kraft, zu kämpfen. Ihre Wut richtete sich ganz gezielt gegen die Makoreaktoren, scheiterte jedoch in den meisten Fällen an den S-1 Einheiten. Einige wenige Angriffe allerdings verliefen erfolgreich, und das auf eine Art und Weise, die nur Trümmer von den jeweiligen Reaktoren übrig ließ – ein Szenario, das von den dort stationierten S-1 Einheiten sofort mit dem zügig voranschreitenden Wiederaufbau gekontert wurde. Es war ein Spiel, das die Angreifer unmöglich gewinnen konnten. Und über allem schwebte der immer näher kommende Meteor, das Ziel vieler, vieler ängstlicher Blicke. Auch Rufus Blick war momentan fest auf das Firmament gerichtet, allerdings lag in den Augen des Präsidenten keinerlei Furcht. Das Firmament ... eigentlich hätte es schwarz sein müssen, denn es war kurz vor Mitternacht, aber es leuchtete in unheilvollem, sich gleichmäßig in alle Richtungen ausdehnenden hellrot, das sich mit jeder Sekunde weiter ausbreitete. Der Meteor selbst glühte als weißer Kreis im Zentrum – immer noch. Er hatte sich allen Gegenmaßnahmen der Electric Power Company widersetzte und näherte sich weiterhin. Rufus schnaubte verächtlich. Ganz egal, ob die Experten ShinRa´s einen Einschlag innerhalb der nächsten Stunden und die Vernichtung allen Lebens auf diesem Planeten errechnet hatten, dieses ... Ding würde die Welt nicht zerstören! Nicht, solange sich auch nur ein einziger Gegenstand darauf befand, der das ShinRa Symbol trug, ganz egal, was welch völlig anderes Bild die vorliegenden Informationen zeichneten! Fehlende Zeit zur Entwicklung wirkungsvoller Maßnahmen ... Lächerlich! Wer brauchte schon Zeit, wenn einem eine ganze Armee, inklusive der S-1 Einheiten, zur Verfügung stand? Bisher hatte diese Armee alles und jeden zurückschlagen können, und daran würde sich nichts ändern! Die neuerlich zerstörten Makoreaktoren und der immer noch ungefasste Attentäter zählten nicht. Früher oder später würde man ihn (bzw. `sie´, denn Rufus konnte sich natürlich schon denken, wer ihm erneut den Kampf angesagt hatte) schon stellen. Wenn sie nicht sogar freiwillig zu ihm kam ... Abhängigkeit konnte so nützlich sein! Allerdings gab es, das musste Rufus sich eingestehen, auch Fragen, die er nicht so schnell beantworten konnte, die er sich immer wieder gestellt hatte, zuerst unbewusst, dann gegen sein Willen, dann ganz bewusst. Warum tauchte dieser Meteor gerade jetzt auf, und dann auch noch so plötzlich? Rufus hatte an Cutter gedacht, den Gedanken dann aber wieder verworfen, wissend, dass die junge Frau niemals ihres Erachtens nach Unschuldige in eine Privatangelegenheit hineinziehen würde, außerdem war sie immer noch vom G-Mako abhängig. Sie brauchte ShinRa! Nur deshalb war auch Rufus selbst noch am Leben! Aber wenn Tzimmek nicht für die aktuelle Situation verantwortlich war – wer dann? Im Grunde blieb nur Jenova Projekt 1, aber Crescent war tot! Tot! Falls er wirklich eine Seele besessen hatte, trieb diese jetzt im Lebensstrom. Abgesehen davon, wie soll Jenova Projekt 1 an solche Macht gekommen sein? Nein, ausgeschlossen! Aber es gab noch einen Punkt, der für eine Einwirkung von Jenova Projekt 1 sprach, nämlich die gewaltige, gänzlich unbekannte Energie, die sich seit ein paar Stunden am Nordkrater sammelte. Im Rahmen dieser Entdeckung hatte Rufus sofort Anweisungen erteilt, und jetzt war er in einem Helikopter auf dem Weg, um sich diese Sache selbst anzusehen – natürlich nicht alleine. Sämtliche Transport- und Kampfhelikopter der ShinRa Luftstreitkräfte, sowie alle S-1 Einheiten, begleiteten ihn, und in Kürze würden sie den Ausgangspunkt der Energie erreichen. Sollte es sich dabei wirklich um Crescent handeln, so war er so gut wie tot, und diesmal endgültig! Möglicherweise traf diese Prophezeiung auch auf andere, wesentlich nähere Personen zu. Rufus warf seinem Gegenüber einen finsteren Blick zu und konnte sich das Grinsen nur mit äußerster Mühe verkneifen – nicht aber einen Kommentar. „Immer noch wütend, Hojo?“ Hojo schob die ewig rutschende Brille mit einer ruckartigen Bewegung zurück auf ihren Platz. „Bei allem nötigen Respekt, Mr. President, Sie haben mich gegen meinen Willen aus meinem Labor in diesen Helikopter gezerrt und mir Beweggründe genannt, die ich als höchst lächerlich einstufe! Ganz egal, worum es sich bei dem Ursprung dieser Energiequelle handelt, Jenova Projekt 1 ist tot!“ „Dann haben wir ja nichts zu befürchten.“ „Von uns beiden fürchtet sich nur einer, Mr. President, und das sind Sie!“ Irgendetwas in Rufus sprang von `Gelb´ auf `Rot´. Er hasste es, sinnlose Diskussionen zu führen, aber noch mehr hasste er es, Widerspruch zu erhalten. Hojos Auflehnung verdiente nur eine einzige Reaktion. „Hojo, Sie sind hiermit offiziell gefeuert! Und noch etwas verspreche ich Ihnen: Bevor diese Sache erledigt ist, werde ich Sie höchstpersönlich erschießen! Und jetzt halten Sie die Klappe!“ Hojo schwieg beleidigt. Rufus entspannte sich etwas und konzentrierte sich wieder auf die Umgebung außerhalb des Helikopters. Irgendwo vor der Maschine befand sich der Nordkrater – und der Ursprung der unbekannten Energiequelle. Sie hielt sich konstant auf demselben hohen Niveau, als wolle sie es vermeiden, nicht gefunden zu werden. Mit anderen Worten, dachte Rufus, es ist ihm egal, ob wir ihn bemerken. Wenn `er´ es wirklich ist. Vielleicht will er sogar, dass wir zu ihm kommen? Aber warum kommt er nicht zu uns? Oder direkt zu mir? Dann rief er sich in Erinnerung, noch gar nicht zu wissen ob es wirklich Jenova Projekt 1 war, der dieses Endzeitszenario heraufbeschworen hatte. Es war klüger abzuwarten, bis der Ursprung dieser seltsamen Energie sich offenbarte. Aber tief in Rufus, auf rein mentaler Ebene, vibrierte etwas Unheilvolles, und es wurde stärker, je näher er dem Nordkrater kam. Die Region um den Nordkrater war eine seltsam leere, unwirkliche Welt, beherrscht durch Eis, Schnee, Kälte, Felsen und unberechenbaren Wind, hinzu kam eine Vegetation die so karg war, dass es kaum ein Lebewesen ernsthaft wagte, sich hier lange aufzuhalten. Wer es trotzdem tat, suchte entweder den Tod oder verfolgte einen Plan, der dem Tod trotzen sollte. Rufus stufte sich definitiv in letztgenannte Kategorie ein. Mittlerweile hatte er den Co-Piloten des Helikopters von dessen Sitz gejagt, den Platz selbst eingenommen und starrte entweder aus dem großen Frontfenster der Maschine oder auf den Laptop in seinen Händen, auf dessen Monitor die verbliebene Distanz bis zu der fremden Energiequelle angezeigt wurde. Viel war nicht mehr übrig, allerdings setzte jetzt starker Schneefall ein, der die Sicht weitestgehend einschränkte. Im vom Firmament ausgehenden Licht glühten die umherwirbelnden Flocken in allen Nuancen der Farbe Rot, eine außer Kontrolle geratene Vorstellung von fliegendem Feuer – und ein Vorgeschmack auf die bald stattfindenden Ereignisse, denn Feuer würde es hier schon sehr bald mehr als genug geben. Der einzige Gewinner, der einzige Herrscher ... „Fliegen Sie langsamer!“ Der Pilot, diesmal jemand rein menschlicher Art, gehorchte, nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie sein Arbeitgeber die Wärmebildkamera des Helikopters aktivierte, und verfluchte innerlich die Tatsache, dass dem Co-Piloten auf dessen Seite dieselben Steuerungsmöglichkeiten gegeben waren, wie ihm selbst. Es war mental schon anstrengend genug, Rufus Shinra zu befördern, konnte der Mann nicht wenigstens die Finger von den einzelnen Steuerungselementen lassen?! Ungeachtet des schlauerweise nur gedanklich geäußerten Protestes konzentrierte sich Rufus auf den Monitor vor sich und den in seinen Händen. Der Nordkrater lag jetzt weniger als einen Kilometer von ihnen entfernt, und somit auch die seltsame Energiequelle, was bedeutete, dass die Wärmebildkamera möglicherweise gleich aktiv werden ... Das Licht erwachte urplötzlich im bisher dunklen Bildschirm direkt vor Rufus, waberte hin und her – und nahm dann Konturen an. Menschliche Konturen. Ich wusste es!, dachte Rufus. Er lebt ... „Glückwunsch, Hojo! Nicht einmal der Lebensstrom kann etwas mit Jenova Projekt 1 anfangen!“ „Niemals! Ein solcher Sieg übersteigt selbst die Möglichkeiten dieses Monsters!“ Für einen kurzen Moment erwog Rufus ernsthaft, den Monitor in seinen Händen nach Hojo zu werfen – dann überlegte er es sich anders, bedachte den mittlerweile hinter den beiden Pilotensitzen aufgetauchten Professor mit einem Blick, der überdeutlich: `Ich diskutiere nicht mit Leuten, die ich in absehbarer Zeit töten werde!´ sagte, und starrte aus der Scheibe. Immer noch wurde die Sicht durch die rotglühenden Flocken erheblich beeinträchtigt. „Tun Sie etwas gegen den verdammten Schnee!“ „Verzeihung, Mr. President“, die Stimme des Piloten klang leicht brüchig, „aber das ist Schnee.“ „Den können nicht einmal Sie erschießen“, kicherte Hojo zutiefst vergnügt. Ganz offensichtlich hatte er sich mit seinem Schicksal, schon sehr bald sterben zu müssen, abgefunden und nutzte die verbleibende Zeit für Respektlosigkeiten. Rufus reagierte mit keinem Wort, beschloss aber, den Professor nicht mit dem ersten Schuss zu töten. Mindestens 4 Kugeln würde auch dieser Körper aushalten, und damit jede Menge Schmerz ... Dann riss er sich wieder zusammen und wies den Piloten an, die Maschine tiefer sinken zu lassen, um sich dem Ursprung für die immer noch im Monitor angezeigte Wärmequelle weiter zu nähern, gleichzeitig aktivierte er die Scheinwerfer. Zwei breite Lichtstrahlen erschienen, aber die wirbelnden Schneeflocken lagen wie ein lebendiger, schützender Vorhang vor dem Helikopter und dessen Ziel. Auch die Aktivierung der Kamera bewirkte trotz des starken Zooms nichts. „Näher ran!“ „Sir, diese Region ist bekannt für ihren wechselhaften Wind. Wenn wir uns dem Krater noch weiter nähern, laufen wir bei diesem geringen Tempo Gefahr ...“ Nur einen Sekundenbruchteil später drückte sich eine entsicherte Waffe an seine Schläfe. Rufus selbst sagte kein Wort. Nur sein Blick vermittelte überdeutlich den Ablauf der weiteren Geschehnisse, sollte seinem Befehl nicht sofort Folge geleistet werden, und einmal mehr wurde seinem Willen entsprochen – etwas verspätet sogar hinsichtlich des Schneefalls, denn dieser verringerte sich merklich. Auch der Wind wurde schwächer. Die Sicht besserte sich. Jetzt konnte man die gezackte Öffnung des Nordkraters wenige 100 Meter vor dem Helikopter deutlich erkennen – und noch mehr. Rufus bediente ein weiteres Mal die Kamera, und diesmal lieferte diese ein klares Bild. Aber auf dem Monitor erschien nicht, wie erwartet, Jenova Projekt 1, sondern ... „Tzimmek?“, wisperte Rufus. „Oh?“, erklang Hojos Stimme direkt neben seinem Ohr. „Tatsächlich.“ Und dann, mit unüberhörbarer Genugtuung: „Die können Sie auch nicht erschießen, Mr. President. Was für ein ausgesprochenes Pe ...“ Rufus dachte nicht nach. Er holte mit der Waffe aus und schlug zu, einmal, kraftvoll, äußerst zielgerichtet – und erfolgreich. Hojo verstummte mitten im Satz und fiel ohnmächtig zu Boden. Sein Geldgeber hielt sich nicht einen Sekundenbruchteil länger mit ihm auf, sondern konzentrierte sich wieder auf die Geschehnisse vor dem Helikopter. Wenn Tzimmek hier war, so konnte das nur eins bedeuten. Sein Blick wanderte weiter nach oben. Sephiroth schwebte, getragen von zwei gewaltigen, tiefschwarzen Flügeln etliche Meter über dem Nordkrater und wirkte, umgeben von den immer noch rotgefärbten Schneeflocken und überflutet vom unheilvollen Licht des kurz vor der Kollision mit Gaia stehenden Meteoriten wie ein erhabener Gott des Todes. Sein grün glühender Blick war von einer Kälte erfüllt, welche selbst die an diesem Ort vorhandenen Temperaturen, inklusive Schnee und Wind, problemlos in den Schatten stellten, aber er schien kein bestimmtes Ziel zu haben. Es war, als sehe er durch alles hindurch, weil es nichts mehr gab, das es wert war, angesehen zu werden – und Rufus begriff, wer für das Erscheinen des gewaltigen Meteoriten verantwortlich war. Natürlich nicht er selbst oder seine Firma. Sondern ... Nach allen stattgefundenen Ereignissen, dachte er zufrieden, hast du deinen irrsinnigen Glauben, ein Mensch zu sein, also doch begraben, um zum perfekten Monster zu werden, das diese Welt vernichten will. Aber vergiss nicht, armselige Kreatur, die Electric Power Company hat dich erschaffen ... und sie wird dich auch vernichten! Selbst, wenn es diesen Meteor nicht aufhält – dein Tod gehört mir! Und nicht einmal sie wird daran etwas ändern können, ganz egal, was sie vorhat. Er konnte es nicht wissen, aber Cutter auch war nicht ganz klar, was sie als nächstes tun würde. Den eisigen, heulenden Wind, die Schneeflocken, die sich langsam formierende Luftstreitmacht ... all das bemerkte sie gar nicht. Ihre Aufmerksamkeit war auf Sephiroth gerichtet. Seit der gewaltsamen Trennung in Nibelheim war jede Sekunde von dem Traum, ihren Freund wiederzusehen, beherrscht worden, und letztendlich hatte nur dieser Traum (und Zacks Besuch) ihr die Kraft gegeben, durchzuhalten und erneut gegen die Reaktoren und die S-1 Einheiten vorzugehen. Jetzt lagen einige wenige Reaktoren in Trümmern, aber ob es reichen würde, konnte Cutter nicht sagen. Sie wusste nur, dass sie keinen Sekundenbruchteil nicht nach innen und außen gelauscht hatte. Auf den Ruf, der ihr die Richtung zu Sephiroth weisen würde. Letztendlich war er erklungen. Cutter hatte sich sofort auf den Weg gemacht. Ihr Traum, Sephiroth wiederzusehen ... jetzt war er wahr geworden, und wäre alles normal gewesen, keine Macht der Welt hätte die junge Frau davon abgehalten, ihrem Freund um den Hals zu fallen und ihn einfach nur festzuhalten, wissend, dass er ohne jegliches Wort verstehen würde ... Aber an diesem Wiedersehen gab es kaum etwas Normales zu verzeichnen. Am drastischsten war die Aura des Generals. Cutter wusste, wie einzigartig sich diese anfühlte, jetzt aber war davon nichts mehr zu spüren. Unbändiger Hass und unmenschliche Kälte hatten alles vorherige verdrängt, außerdem fehlte seine Line, wie Zack schon gesagt hatte, jetzt endgültig – und obwohl er sich in ihrer unmittelbaren Nähe befand, erhielt Cutter auf ihren Ruf hin nicht, wie sonst, ein Echo. Dennoch konnte und wollte sie nicht an den Verlust der wichtigsten Person ihres Universums glauben. Er war doch hier, genau vor ihr! Seine Aura und der zweite Flügel hatte nichts zu sagen, absolut nichts ... Wenn es einen Kampf gab, den Cutter öfter als alle anderen geführt hatte, so lautete dessen Titel „Verstand gegen Gefühl“. Auch jetzt prallten die ungleichen Gegner im Kopf der jungen Frau hart aufeinander, krallten sich ineinander fest, schnappten nacheinander, verbissen sich ineinander, ließen wieder los, stürmten erneut aufeinander zu ... und hielten inne, als Cutter inmitten all der nur zu offensichtlichen Dinge ein Detail entdeckte, das ihr endgültige Gewissheit brachte. Die junge Frau atmete tief durch, ließ ihre Flügel erscheinen und schwang sich in die Luft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)