FFVII: Blue Wanderer - In the lines von Ich_eben ================================================================================ Kapitel 30: Konfrontationen --------------------------- „Wollten die nicht schon längst hier sein?“ Reaktorwache 1 nahm den Helm ab und fuhr sich durch die kurzen Haare. „Das nervt! Dieses verdammte Warten hält ja kein Mensch aus!“ Er wandte den Kopf und warf dem hinter ihm liegenden Reaktor einen missbilligenden Blick zu. „Die anderen da drin können wenigstens ungesehen Karten spielen, aber wir hier draußen...? Dieses Ding zu bewachen ist der langweiligste Job, den ich jemals hatte. Mach ich nie wieder!“ „Wenn du dafür eingeteilt wirst“, ließ sich Wache 2 vernehmen, „hast du gar keine andere Wahl. Es sei denn, du willst Ärger mit dem Boss.“ Wache 1 verzog das Gesicht. „Ob wirklich der General hier auftaucht?“ „Wer sonst? Etwa deine Schwester?“ Ein urplötzliches Knacken unterbrach das Gespräch. Beide Männer brachten augenblicklich ihre MG´s in Stellung, visierten einen bestimmten Teil des Waldrandes an, den Finger am Abzug... und ließen die Waffen augenblicklich sinken um hastig Haltung anzunehmen und zu salutieren, als General Crescent zwischen den Bäumen auftauchte – allein. „Sie schicken nur ihn?!“, wisperte Wache 1. „Wo ist das verdammte Ersatzteil?“ Sephiroth kam näher, ohne hastig oder gar angespannt zu wirken. Er hatte die beiden Wachen aus seinem gut gewählten Versteck lange genug beobachtet, um sich ein detailliertes Bild über deren zu erwartendes Verhalten zu machen. Die Reaktionen beim absichtlichen Zerbrechen des Astes und die Schnelle des Salutes entsprach ShinRa Standard. Der Rest allerdings... Es lag ihm fern, zu spielen. Diesen Auftakt einer Schlacht zügig hinter sich zu bringen, um den eigentlichen Kampf zu beginnen, war das höchste Bestreben des Generals. Ganz dicht trat er an die beiden Männer heran. „Ich gebe euch Beiden und den anderen im Reaktor genau 5 Sekunden Zeit zum Kapitulieren.“ Seine Stimme war nur ein kaum hörbares Flüstern, beinhaltete aber die Schärfe eines blutrot gefärbten Schwertes. „Die Zeit läuft.“ „Falsch, großer General.“ Wache 1 grinste. „Sie ist schon um!“ Beide Rebellen rissen ihre Waffen empor und sanken nur einen Sekundenbruchteil später leblos in sich zusammen, als Masamune ihre Leben mit der Schnelligkeit eines Gedankens beendete. Gleichzeitig explodierte der Eingang des Makoreaktors förmlich nach außen. Monster drängten sich, unterstützt durch urplötzlich aus dem Reaktor peitschenden Kugeln, durch die Öffnung in die Freiheit und wurden von den Schwertern der aus unterschiedlichen Richtungen aus dem Wald stürmenden SOLDIER in Empfang genommen. Der Kampf begann. Kugeln, gewaltige Klauen, furchteinflößende Krallen und gigantische, körperliche Stärken prallten gegen scharf geschliffene Schwerter und Magie. Die SOLDIER mochten kleiner sein, aber ihre Entschlossenheit machte diesen Mangel schnell wieder wett. Außerdem verfügten sie über größere körperliche Beweglichkeit, und so dauerte es nicht lange, bis dunkelrotes Glühen erste Verluste auf Seiten der Rebellen verkündete. Aber irgendetwas... Irgendwas stimmt hier nicht, dachte Cutter. Sie war Sephiroths Befehl befolgend im Wald geblieben, beobachtete gut versteckt die tobende Schlacht und lauschte auf das immer stärker werdende, unheilverkündende Gefühl tief in ihrem Inneren, bemüht, dessen Ursprung herauszufinden, um ihn genauer analysieren zu können. Irgendwann wurde ihr klar, was sie störte: Die Monster kämpften... seltsam. Brutal, ja – aber irgendwie nicht so zielstrebig, wie man es von ihnen gewohnt war. Als hätten sie es in Wahrheit gar nicht auf die SOLDIER, sondern etwas völlig anderes abgesehen. Oder bilde ich mir das nur ein? Aber sie halten immer wieder inne und sehen sich um... Sie suchen etwas... Warten sie vielleicht auf Verstärkung? Bestimmt auf diesen entsetzlichen `FireBooster´! Kann dieses blöde Teil nicht einfach kaputt gehen? Sie hielt nach Sephiroth und Zack Ausschau und wurde schon bald fündig. Es war lange her, dass sie die beiden 1st Class SOLDIER in derselben Schlacht erlebt hatte, und einmal mehr nahm sie die von ihnen ausgehende, einzigartige Atmosphäre völlig gefangen. Beide schienen mit Monstern und den MG Salven der im Reaktor verschanzten Rebellen förmlich zu spielen. Ihre Bewegungen waren elegant und zielstrebig, von verheerender Kraft und dem Gegner immer einen Schritt voraus, aber keiner der Beiden quälte seine Opfer unnötig. Sie brachten den Tod schnell und endgültig. Eben sprintete Zack unerschrocken auf den Eingang des Reaktors zu. Augenblicklich konzentrierte sich der mörderische Kugelhagel auf ihn, aber der 1st wich den Kugeln mit beeindruckender Präzision aus, oder brachte sie mit dem Busterschwert aus der Bahn ohne das Tempo auch nur für einen Sekundenbruchteil zu verlangsamen. Binnen weniger Sekunden hatte er als Erster der kämpfenden SOLDIER den Eingang erreicht und verschwand in der Öffnung... ... aus dem nur einen halben Herzschlag später blauweißes Feuer nach draußen quoll. Cutter konnte spüren, wie sie kreidebleich wurde und ihre Beine zu zittern begannen, gleichzeitig fühlte es sich an, als risse man ihr den Boden unter den Füßen weg. Nicht Zack!, dachte sie in hilflosem Entsetzen. Bitte, bitte nicht Zack...! In ihrem Schrecken bemerkte sie erst in letzter Sekunde, dass die blauweiße Attacke über das Schlachtfeld genau auf sie zugewabert kam. Cutter musste ausweichen! Sie versuchte, zwischen den Baumstämmen in Deckung zu bleiben, kam aber bei weitem nicht so schnell vorwärts, wie es die Situation erforderte. Notgedrungen verließ sie das schützende Dickicht, schaffte es, dem Feuer zu entgehen, und noch während sie von ihrem neuen Versteck aus den Verlauf der scheinbar unaufhaltsamen, blauweißen Flammen verfolgte, spürte sie heißen Atem in Nacken, dicht gefolgt von einer Flüssigkeit, die langsam und klebrig an selbigem herunterrann. Langsam, ganz langsam wandte Cutter den Kopf. Das Monster war größer als es jemals hätte werden sollen, Krallen und Zähne unterstrichen die in den Augen funkelnde Mordlust. Es hob den Kopf und brüllte, ein Schrei, der für einen Augenblick die gesamte Schlacht zu dominieren schien. Gleichzeitig schlug es mit den Vorderpranken zu. Cutter rollte sich blitzartig zur Seite, entging der Attacke um nur wenige Millimeter, kam auf die Füße. Ein erneuter Angriff des Monsters zwang sie, nach hinten auszuweichen. Sofort folgte ihr das Ungetüm, setzte seine Angriffe fort, hielt den Teenager in Bewegung. Und Cutter begriff, dass ihre Einschätzung völlig richtig gewesen war. Die Monster hatten jemanden gesucht. Sie selbst. Und gefunden. Jetzt wurde sie vorwärtsgetrieben, wobei das Verhalten des Monsters wirkte, wie eine lange Reihe von spannungsgeladenen Punkten, an deren Ende etwas Furchtbares wartete, und der Teenager konnte sich schon denken, wer. Der erste Fluchtversuch scheiterte, und ab dem zweiten gab ihr das Monster keine Möglichkeit mehr für einen dritten Anlauf. Unbarmherzig trieb es den Teenager auf den Reaktoreingang zu. Wenn es mich durch diese Tür drängt, hab ich verloren, dann habe ich für immer verloren... Warum, warum kann ich nicht einfach mit meiner Materia angreifen?? Weshalb greift mein Training nicht?? Toron ist da drin, ich spüre es, ich weiß es, komm schon, Cutter, du kannst es! Die Verachtung, mit der das Monster ihren ausgestreckten Arm beiseite fegte, war unübersehbar, gleichzeitig verpasste es dem nicht ernstzunehmenden Mädchen einen Stoß, der sie rückwärts taumeln ließ und erst wieder von den harten, zum Reaktoreingang führenden Stufen schmerzhaft gebremst wurde. Kugeln fegten an ihr und dem Monster vorbei, trafen aber nicht. Cutter startete einen erneuten Fluchtversuch – und zerriss den Geduldsfaden des Ungetüms. Riesige Zähne schlossen sich blitzartig mit der Kraft eines gigantischen Schraubstockes um ihren Arm, gleichzeitig preschte die Bestie vorwärts und zog ihr sich trotz allem heftig sträubendes Opfer mit in den Reaktor. Diesmal musste Sephiroth sich keine Fragen stellen. Zu vertraut, zu intensiv war die empfundene Panik. Eine letzte Bewegung erledigte seinen momentanen Gegner, und schon scannten die Augen des Generals das Schlachtfeld, suchten nach Cutter – und blieben an einer sich langsam aus dem verglühenden Wald rollenden, blauweißen Feuerfront hängen. Sie wollen uns von zwei Seiten in die Zange nehmen? Wie einfallslos... Wo ist Cutter?! Dann spürte er Heiterkeit in sich aufsteigen. Man sollte doch meinen, ich würde die Schwerpunkte dieses Kampfes anders setzen... Aber das änderte nichts am jähen Verschwinden des Teenagers. Beinahe beiläufig fiel Sephiroths Blick auf den Reaktor, aus dem immer noch MG Salven peitschten. Konnte es wirklich sein? Aber die aktuelle Situation gestatte keine nähere Überprüfung. Eben erreichte die zweite Feuerwand das Schlachtfeld. Cutter hatte schon viele Geschichten über Makoreaktoren gehört, war aber nie davon ausgegangen, jemals einen zu betreten, und auch, wenn sich diese Annahme mittlerweile geändert hatte – begeistert über den Grund und die Art war der Teenager nicht. Immer noch schleifte sie das Monster rücksichtslos vorwärts, ungeachtet aller Versuche seiner Beute, sich irgendwo festzuhalten oder zu befreien. Es knurrte nicht einmal, wenn einer der heftigen Tritte traf, sondern zerrte das kostbare Opfer mit sich, über Stufen und Etagen, vorbei an Schläuchen, Kabeln, purer ShinRa Technologie, immer tiefer in den Reaktor hinein. Immer näher zu Toron! Und dann, urplötzlich, hielt es an. Gewaltige Kiefer öffneten sich, aber gleichzeitig landete eine riesige Pranke auf Cutters Brustkorb und verhinderte so jeden weiteren Fluchtversuch. „Lass mich los!!“ Mittlerweile rasend vor Wut und Angst hämmerte Cutter mit den Fäusten auf die Pranke ein, aktivierte zum wiederholten Mal den Elektroschocker, trat wild um sich, traf auch, erreichte aber nicht das Geringste. Ihr Überlebenswille jedoch gestattete es ihr nicht, aufzugeben. Toron war mit Sicherheit schon unterwegs... Ich muss dieses verdammte Monster loswerden, aber wie?! Es ist viel größer und stärker als ich, und ich... Wenn ich doch nur endlich meine Materia benutzen könnte... Nein, nein, nein, denk nach, denk nach!! Es muss noch eine andere Möglichkeit geben, es muss... Hektisch sah sie sich um. Momentan befanden sie sich auf einem der untereinandergelegenen, geländerlosen Gänge, die zweifelsfrei für Reparaturarbeiten genutzt werden sollten. Zwar lag dieser nicht auf der obersten Etage, war aber dennoch ein gutes Stück vom Boden entfernt. Weder von der Seite, noch von unten gab es etwas Hilfreiches zu entdecken. Cutter sah an dem furchteinflößenden Kopf des Monsters vorbei nach oben. Es war Instinkt, gemischt mit purer Verzweiflung und einer nicht ganz unwesentlichen Menge an Wut, die den Teenager eine ihrer Materia aktivieren ließ. Sie hatte keine Ahnung, ob die nach oben geschleuderte Attacke stark genug war, um die gewünschten Konsequenzen auszulösen, sie hatte nicht einmal richtig zielen können... aber der Angriff traf das anvisierte Reaktorteil. Löste es von seinem Ursprungsort. Ließ es fallen, die beiden Gänge über Cutter krachend durchschlagen, näherte sich mit rasender Geschwindigkeit... Das Mädchen kniff die Augen zusammen, drehte den Kopf weg, machte sich auf explosionsartigen Schmerz und das Gefühl, abzustürzen, gefasst – aber es erklang nur ein dumpfes Röcheln, untermalt von grauenhaftem Quietschen überbeanspruchten Metalls, das sich gefährlich bog... aber nicht brach, wie die beiden vorherigen Gänge. Cutter öffnete die Augen. Vor ihr glühte der Körper des Monsters in empörten Dunkelrot... und verschwand. Nur das durch den Angriff abgetrennte Reaktorteil und Bruchstücke der durchschlagenen Gänge blieben zurück. Es mussten zwei absolut perfekte Treffer gewesen sein. Zeit, sich über den Erfolg zu freuen, blieb allerdings nicht, das signalisierte die dem Übergang gehörende Line überdeutlich. Hastig kam Cutter wieder auf die Beine, ließ ihre Bewegungen jedoch augenblicklich langsamer und vorsichtig werden, als unter ihren Füßen warnendes Stöhnen überbeanspruchten Metalls erklang. So behutsam wie möglich verließ das Mädchen den stark beschädigten Übergang, orientierte sich kurz, und begann, Etagenweise in Richtung des rettenden Ausgangs zu laufen – ein mehr als nervenzerfetzendes Unterfangen, denn zu überquerenden Gänge waren untereinander angeordnet, und über ihnen knirschte und kreischte das Metall des durch das schwere Reaktorteil völlig überlasteten Reparaturganges, dränge, warnte, schien förmlich zu schreien: `Lauf!´. Irgendwann würde das Metall nachgeben, und die letzten 50 Meter bis zum Ausgang verliefen ebenfalls genau unterhalb des letzten Reparaturganges... Cutter war sich ganz sicher, an MG Schützen vorbeigezerrt worden zu sein, konnte aber keine mehr entdecken und musste sich unwillkürlich fragen, was außerhalb des Reaktors geschehen war. Und was war mit Zack? Über ihr wimmerte Metall. Für gewöhnlich hatte Sephiroth für Personen, deren stärkste Fähigkeit darin lag, sich aufzuspielen, nur ein mitleidiges Lächeln übrig, bevor er ihnen eine schmerzhafte Niederlage bescherte. Diesmal hielt er sich nicht mit einem körperlichen Beweis seiner Verachtung auf. Die Rebellen waren sich ihres Sieges so sicher, dass sie sich offen zeigten, um die SOLDIER mit MG Salven unter Beschuss zu nehmen. Gleichzeitig walzten zwei aus unterschiedlichen Richtungen abgefeuerte Attacken des `FireBooster´s auf das Schlachtfeld zu – zweifelsfrei um, sich dicht aneinander vorbeischiebend, endgültig aufzuräumen. Sephiroth hielt die Zeit für mehr als gekommen, an ein paar grundlegende Dinge zu erinnern. Zum Beispiel daran, dass man sich besser nicht mit ihm anlegen sollte. Er nahm festeren Stand, hob Masamune in Augenhöhe und visierte über die unvergleichliche Klinge eine der beiden Feuerwände an. Im Reaktor erreichte Cutter das Erdgeschoss. Jetzt trennten sie nur noch 50 Meter vom rettenden Ausgang, nur ein kurzer, letzter Endspurt vor der ersehnten Freiheit, dem Ausweg aus der Falle... Toron tauchte völlig unvermittelt vor dem Teenager auf... – und Cutter bremste ab, entsetzt, erschüttert, und keine 25 Meter vom Ausgang entfernt, starrte in die tiefschwarze Mündung des `FireBooster´s... und wich zurück. Toron folgte ihr, langsam und siegessicher. „Der Trick mit dem Monster war gut, Schätzchen, aber wirkungslos. Du willst mir immer noch nicht sagen, wie ich in die 2nd Lines komme, nein? Dann endet dein Leben hier.“ Sie lächelte eisig. „Bleib stehen!“ Wieso gerade hier?! Instinktiv überprüfte Cutter die Lines – und begriff, überwältigt von eisigem Entsetzen. „Ganz recht“, fuhr Toron immer noch lächelnd fort. „Genau dort, wo du jetzt stehst, landet gleich das Reaktorstück. Es wird deinen Schädel zerschmettern, und du wirst in den Lebensstrom eingehen. Freust du dich?“ Ihre Überheblichkeit, das Kreischen des sich immer weiter biegenden Metalls, die scheinbar ausweglose Situation vor einer knapp 25 Meter entfernten Rettung... und die neu erweckten Erinnerungen an die Entführung in Junon, die erneute Hilflosigkeit... „LASS MICH DURCH!“, fauchte Cutter mit einer Wut, die sie selbst überraschte. Gleichzeitig nahm sie tief in sich eine Hitze wahr, die ihren Körper förmlich von innen heraus zu pulverisieren schien. Toron aber warf nur den Kopf in den Nacken, begann schallend zu lachen, und als sei dieses Geräusch der letzte Auslöser gewesen, gab Metall über Cutter seinen Widerstand endgültig auf. Das Bruchstück fiel erneut, riss Böden mit sich, wurde zu einer Lawine des Todes, raste mit unaufhaltsamer Gnadenlosigkeit heran... Und tief in Cutter verwandelte sich heiße Wut binnen eines Sekundenbruchteils zuerst in Eis und dann in völlige Emotionslosigkeit. Das harte Training mit Sephiroth... griff. Ergänzte uralte Überlebensinstinkte. Fegte alle Barrikaden beiseite. Und übernahm die Kontrolle. Es ließ Cutter in einem perfekten Blitzstart nach vorne jagen, direkt auf Toron zu, und entfesselte gleichzeitig die Gewalt eines direkt auf die Rebellenführerin gerichteten Materiaangriffes. Tödliches Feuer verschlang die Welt. Cutter streifte wie auf Automatik geschaltet noch im Rennen den neuen Gesichtsschutz über, stieß sich mit aller Kraft vom Boden ab. Die zwischen ihr und dem rettenden Ausgang tobenden Flammen hüllten ihren Körper ein, raubten ihr die Luft zum atmen, mehrere Sekunden lang, und dann... Sephiroth wusste, dass sich sein Ghost Walker in möglicherweise tödlichen Schwierigkeiten befand – diesmal jedoch war es ihm nicht möglich, helfend einzugreifen. All seine Aufmerksamkeit lag auf der anvisierten blauweißen Feuerwand und dem Schwert in seinen Händen. Seitdem er das legendäre Katana führte, war nichts auf ganz Gaia in der Lage gewesen, ihn aufzuhalten. Der General plante diesbezüglich keinerlei Änderung! Die Attacke erfolgte in einem kraftvollen Sprung mit punktgenauer Landung unmittelbar vor dem sich immer noch bewegenden Zielobjekt. Die Waffe der Rebellen mochte furchtbar sein - konnte jedoch keine Energie aus der verursachten Zerstörung gewinnen. Verschiedene physikalische Gesetze bewirkten eine Abschwächung der gigantischen Kraft im Laufe der vernichtenden Vorwärtsbewegung, bis hin zum endgültigen Verlöschen. Und hier lag der Schlüssel. Nur in Bewegung entfaltete sich die ganze Stärke des blauweißen Feuers! Was, wenn man dieser Stärke einen ebenbürtigen Gegner in den Weg stellte? Masamune kollidierte mit einer Facette des Todes, die es in dieser Form noch nie gegeben hatte, die bisher unaufhaltsam ihren Weg des Terrors und der Vernichtung gegangen war, für die Hindernisse nicht existierten... – und fegte sie mühelos zur Seite. Direkt, und somit ganz nach Plan, in die Bahn des von der anderen Seite heranrollenden Angriffes. Nur eine halbe Sekunde später prallten zwei völlig identische Kräfte aufeinander, unterbanden einander die Vorwärtsbewegung, bäumten sich auf in dem Versuch, einander zu verschlingen, um den Regeln ihrer Existenz zu gehorchen – und scheiterten. Die der Explosion folgende Druckwelle war so stark, dass es selbst Sephiroth trotz des wiedererlangten Abstandes nur mit Mühe gelang, sich auf den Beinen zu halten und zeitgleich das Gefühl, in tausend Stücke gerissen zu werden, auszublenden. Und dann... war es vorbei. Dem vorherigen Lärm folgte eine Stille, die sich förmlich zurückzulehnen schien um: `Und jetzt?´ zu fragen. Der General sah sich aufmerksam um. Schwaden des Feuers schwebten zahlreich und in unterschiedlicher Höhe, aber verloren und harmlos über dem Schlachtfeld wie Teile einer auseinandergetriebenen Herde. Am Boden zeigte sich Leben in anderer Form, Schatten, mal bewegungslos am Boden, mal auf allen Vieren, mal aufrecht gehend. Sephiroth erkannte viele seiner SOLDIER an deren Bewegungen – Zack war allerdings nicht darunter. Und der General hatte ihn den Reaktor keinesfalls verlassen sehen... Der Idiot wird doch nicht... Energisch rief er sich zur Ordnung. Wennschon... Aber es gab noch jemanden, dessen Verbleib ihn interessierte. Sephiroth lauschte einen Augenblick lang in sich hinein – dann setzte er sich zielstrebig in Bewegung. Cutter konnte sich nicht mehr an eine Landung erinnern. Irgendetwas Mächtiges hatte ihren aus dem Feuer kommenden Körper gepackt, als dieser den Reaktor verließ, davon geschleudert wie ein bedeutungsloses Blatt im Wind und letztendlich wieder fallen lassen, irgendwo und nicht gerade sanft. Das Mädchen stöhnte leise. Der metallische Geschmack frischen Blutes füllte ihren Mund aus, ließ sie husten und beschwor ein Gefühl von alles beherrschender Übelkeit herauf, das sich erst nach etlichen Sekunden wieder legte. Cutter sah sich vorsichtig um, befragte lautlos alle Komponenten des Augenblicks, ob die Stille nur trügerisch oder der Kampf wirklich vorbei war – dann fiel ihr Blick auf ein nur wenige Meter von ihr entfernt am Boden liegendes Objekt. Cutter zuckte wie elektrisiert zusammen, ging in die Lines und erhielt die endgültige Bestätigung: Es war einer der `Fire Booster´. Cutter kam so schnell auf die Beine, wie es ihr schmerzender Körper zuließ, näherte sich dem Zielobjekt... Zu sagen, woher der Schuss kam, war ihr unmöglich. Aber er traf. Katapultierte ihr Bewusstsein auf die schmale Grenze zur Besinnungslosigkeit und ließ ihren Körper zusammenbrechen. Ich... darf... nicht... Finsternis begann sich am Rand ihres Blickfeldes auszubreiten. Ich... muss... Los! LOS! Ausschließlich auf das nur wenige Meter von ihr entfernte Zielobjekt konzentriert, begann der Teenager sich auf dem Bauch liegend vorwärts zu schieben, Zentimeter um Zentimeter. Dem näher kommenden Sephiroth genügte ein einziger Blick, um zu erkennen, was vor sich ging, und wenn er in sich hinein lauschte, konnte er Cutters Wut spüren, ihre Entschlossenheit, ihren Schmerz... Ein Gefühlsinferno, welches ihn um die Sinnlosigkeit eines jeden Befehls wissen ließ. In Ordnung, Ghost Walker, dachte er. Du holst die Waffe. Ich kümmere mich um den Schützen! Er war schlau. Schoss und wechselte danach sofort die Stellung. Er spielte. Und Sephiroth zweifelte nicht daran, dass der letzte Schuss der geheimnisvollen Waffe gelten würde, um diese zu zerstören. Aber trotz aller Gerissenheit... es gab eine gewisse Grundrichtung aus der die Kugeln kamen! In seinem Versteck legte der Scharfschütze abermals an. Aus irgendeinem Grund vermochten seine Angriffe nicht zu töten, aber das bedeutete nicht, dass es keinen Spaß machte... Erneut betätigte er den Abzug, ließ den anvisierten Körper zusammenzucken, wechselte rasch die Stellung, betätigte erneut den Abzug... Aber die Attacke erreichte niemals das Ziel. Eine wahre Explosion aus Silber und Schwarz teilte die Geschosse säuberlich in zwei harmlose Hälften und sorgte gleichzeitig dafür, dass die Bewegung des Zeigefingers die Letzte gewesen war. Sephiroth sah nicht einmal zu, wie der Körper in den Lebensstrom einging. Er kehrte zum eigentlichen Schlachtfeld zurück, Cutters letzte Position anstrebend. Das Mädchen kam ihm bereits nach wenigen Schritten entgegen. Sie humpelte, und ihre Uniform wies etliche Brandlöcher auf, unter denen der schwarze Schutzanzug zu sehen war, aber der Blick des Teenagers war zu größten Teilen klar. Wortlos übergab das Mädchen ihrem General den `FireBooster´ - dann allerdings griff sie sich mit beiden Händen in die Haare und konstatierte mit einer Stimme, der die Strapazen der vergangenen Stunden deutlich anzumerken waren: „Oh Sephiroth-sama, mein Kopf tut so weh!“ Jeder andere, dachte die SOLDIER Legende, hätte jetzt versucht, sich und den Erfolg so vorteilhaft wie möglich zu präsentieren. Und ich hätte es ignoriert, die Waffe an mich genommen und wäre gegangen. Aber du... bringst mich immer wieder in Situationen, die mich aus meinem üblichen Handlungsmuster reißen. Und ich... lasse mich darauf ein. Er legte den ehemaligen Trumpf der Rebellen zu Boden und untersuchte vorsichtig den Kopf des Teenagers, bis er eine leicht blutige Stelle fand. Fast behutsam fuhr er durch die schweiß- und blutverklebten Haare (einmal zu oft, wie er sich sofort lautlos rügte), und erklärte schließlich: „Du hast einen Kopfschuss abbekommen. Dein Schädel ist unversehrt, aber ich tippe auf eine Gehirnerschütterung. Nimm den Schmerz als Beweis, dass dein Körper nicht über dem Hals einfach aufhört.“ „Um ganz ehrlich zu sein“, murmelte Cutter, während sie nach der ihr entgegengestreckten Potion griff, „ich habe schon zweimal gefühlt, ob da wirklich noch etwas ist.“ Sephiroth beobachtete sie aufmerksam. Er wusste, dass sie in Gefahr gewesen war, und sein Instinkt sagte ihm ganz klar, wer sie bedroht hatte – da sie aber lebte... „Trainingsziel erreicht!“, konstatierte er mit einem Hauch Triumph in der Stimme. Cutters Blick verdunkelte sich augenblicklich, gleichzeitig ließ sie die Potion ungenutzt sinken. „Sie... war im Weg...“ Ihre Stimme war nur ein kaum hörbares Flüstern. „Und wollte ihn nicht freigeben... Ich...“ Intensives, selbstbezogenes Entsetzen nach all dem Adrenalin ließ sie verstummen. Und obwohl Sephiroth (in diesem sehr speziellen Fall) bereit war, hilfreich auf den Schrecken einzugehen – jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. „Trink deine Potion, Cutter!“ Der Teenager nickte müde, nahm ein paar Schlucke und spürte, wie der Schmerz nachließ, Raum für andere Gedanken schuf. Suchend sah sie sich um. „Wo ist Zack?“ „Ich fürchte“, antwortete Sephiroth wenig begeistert, „genau hinter dir.“ Cutter wandte sich um – und atmete erleichtert auf. Zack marschierte auf das ungleiche Duo zu, grinsend und völlig unversehrt. Das Mädchen schlang die Arme fest um den 1st, sobald dieser nahe genug war. „Ich dachte wirklich“, murmelte sie, „diesmal hat es dich erwischt.“ „Mich doch nicht“, schmunzelte Zack und wuschelte ihr durch die Haare. „Wenn man sie eine Weile beobachtet, wird selbst eine solche Attacke berechenbar. Aber ich glaube, du brauchst eine neue Uniform.“ Dann lachte er sowohl mitfühlend als auch erheitert: „Langsam wirst du teuer, Cuttie-cut!“ Nur Sekunden später fiel sein Blick auf den Gegenstand in Sephiroths Händen. „Ist das etwa...?!“ „Die Schmusestunde ist hiermit beendet!“ Seine Stimme klang eisig, und sie behielt diesen Klang auch während der Erteilung neuer Befehle bei. Bis zu deren Ausführung vergingen nur wenige Minuten. Der Black Hawk landete, das Reparaturteam begann, sich einen Überblick zu verschaffen und war schon bald in lautstarken Streitigkeiten versunken. Sephiroth sah zu ihnen hinüber und schüttelte innerlich den Kopf. Solche Diskussionen waren auf seinem Schlachtfeld nicht vorstellbar... Eine noch nie da gewesene Empfindung riss ihn aus seinen Gedanken. Irgendjemand zupfte ihn an der Uniform, sehr sachte und vorsichtig, aber allein die Tatsache, dass es jemand wagte... „Sephiroth-sama? Ich habe auch was kaputt gemacht...“ Die geplante, scharfe Rüge des Generals verblasste hinsichtlich des zerknirschten Ausdruckes in Cutters Augen. Schweigend lauschte er der Schilderung des Kampfes gegen das Monster im Reaktor - und machte den auf die Schäden zurückzuführenden Schuldgefühlen des Teenagers mit einer für ihn völlig untypischen Handbewegung zunichte. „Wird auf die Liste der von den Rebellen verursachten Schäden gesetzt. Das heißt, keine Konsequenzen für dich.“ Ihren Gesichtsausdruck richtig deutend, ergänzte er: „Ich will keinen Protest hören!“ Cutter wusste, dass sie seinen Worten glauben konnte, und so nickte sie einfach nur und begrub wenigstens dieses eine Schuldgefühl – gab somit jedoch einem weitaus Größeren noch mehr Platz und Macht. Als die Abenddämmerung herankroch, begannen einige der SOLDIER, Zelte aufzustellen und Feuerholz heranzuschaffen, während der Rest aufmerksam die Umgebung im Auge behielt oder dem immer noch (oder schon wieder) streitenden Reparaturteam lauschte. Dessen völlig ungeachtet loderten schon bald die ersten Flammen. „Wie idyllisch!“, seufzte Zack. „Lagerfeuerromantik. Und ich habe keine Gitarre dabei.“ „Weil du keine besitzt!“, grollte Sephiroth. „Ich könnte mir eine kaufen.“ „Tu mir einen Gefallen, Zackary. Bleib im nächsten Kugelhagel einfach ruhig stehen.“ Zack machte seinem direkten Vorgesetzten durch ein breites Grinsen klar: `Ich weiß, du meinst das nicht ernst!´, ignorierte, dass er ignoriert wurde und setzte sich augenblicklich in Bewegung, als vom Feuer her der Beginn des Abendessens verkündet wurde. Sephiroth war weder nach essen, noch nach Gesellschaft zumute, und so blieb er allein in der mittlerweile allumfassenden Dunkelheit zurück. Die Äste der nahen Bäume bewegten sich im leichten Wind, und von den sanften Bewegungen glitt der Blick des Generals höher, zum nachtschwarzen Firmament, an dem bereits unzählige Sterne funkelten. Kein seltener Anblick. Aber diesmal erklang tief in Sephiroth die Stimme eines gewissen Teenagers. „... wenn du in einer sternklaren Nacht zum Himmel aufsiehst – das ist sie.“ Meine Line, dachte der General. Die Finsternis war dominant, keine Frage. Aber all das Glitzern und Funkeln... wie die letzten, beharrlich kämpfenden Reste alter Hoffnung... auf irgendetwas... irgendjemanden? Ich glaube, dachte Sephiroth fast bedächtig, ich mag sie. Sein Blick wanderte zurück zu den SOLDIER. Bis auf die Wachen saßen alle kauend um die Flammen, Cutter wie üblich ein wenig abseits, und der General konnte ihr ansehen, dass sie tief in Gedanken versunken war. Ob sie müde ist?, dachte er. Eine Sekunde später rief er sich hart zur Ordnung. Der Teenager würde bis auf weiteres wach bleiben müssen! Ihr Zustand spielte keine Rolle! Fast ein wenig ärgerlich über sich selbst suchte er sein Zelt auf, führte eine nähere Untersuchung des `FireBooster´s durch und verfasste eine äußerst detaillierte Berichtanfertigung über den bisherigen Missionsverlauf. Stunden vergingen. Es war weit nach Mitternacht, ehe Sephiroth Cutter zu sich kommen ließ und ihr die Möglichkeit eröffnete, etwas zu schlafen. „Hier?“, fragte der Teenager schüchtern. „Wo sonst?“ „Und wenn die Rebellen zurückkommen? Wir haben doch eine ihrer wertvollsten Waffen...“ „Wir haben“, antwortete Sephiroth nicht unfreundlich, „wie du selbst am besten wissen dürftest, noch viel mehr als das. Genau deshalb werden sie sich hier nicht mehr blicken lassen, sondern sich verkriechen und eine neue Strategie ausarbeiten. Geh schlafen.“ „Ja, Sir“, murmelte Cutter, streckte sich dankbar auf der Pritsche aus, zog die Decke über sich, schloss die Augen... Das ging ja schnell, dachte Sephiroth. Eigentlich war er davon ausgegangen, sie würde den gesamten Schlafplatz für sich beanspruchen, aber Cutter hatte sich nur am äußersten Rand ausgestreckt und so einen beachtlichen Freiraum übrig gelassen – ideal um sich vorsichtig zu setzen und mit der Arbeit an dem kleinen Tisch fortzufahren. Einige Minuten lang arbeitete er konzentriert, dann, fast unabsichtlich, warf er dem schlafenden Mädchen einen kurzen Blick zu. Deren Decke war etwas verrutscht und ließ die dunkelblauen Ausläufer eines dank des Schutzanzuges nicht tödlichen MG Treffers am Hals erkennen – eine Verletzung, gegen die eine Potion nichts ausrichten konnte. Sephiroth hatte in seiner bisherigen Laufbahn schon wesentlich grausamere Verletzungen gesehen und sich unberührt davon abwenden können. Diesmal allerdings... Er wusste, wie empfindlich die Haut dort war. Dieser Treffer musste besonders schmerzvoll gewesen sein. Und trotzdem, dachte er, hat sie nicht aufgegeben, sondern die Stellung gehalten und gekämpft. Ich... sollte dieses Verhalten einfach erwarten, aber... sie hat ihre Sache großartig gemacht. Er griff nach der verrutschten Decke, zog sie behutsam wieder über die Schultern des Mädchens und setzte so ungewollt eine ganze Kette von Ereignissen in Gang: Cutter erschauerte kurz im Schlaf und dann, völlig unvermittelt... schmiegte sie sich vertrauensvoll an ihn. Sephiroth erstarrte. Für einen Augenblick vergaß er sogar, zu atmen. Nur seine Gedanken rasten, gleichzeitig unterdrückte er mit aller Kraft den durch die Berührung ausgelösten Wunsch, zu flüchten. Verdammt!, dachte er, als ihm dies wieder möglich war. So war das nicht geplant! Für einen kurzen Augenblick war er fest entschlossen, das Mädchen zu wecken und scharf zurechtzuweisen – dann entschied er sich anders, begann vorsichtig abzurücken... und hielt nach wenigen Millimetern inne. Sieh sie dir an. Liegt hier, als sei das... als sei ich... völlig normal. Nach allem, was sie gesehen hat, nach allem, was sie über mich weiß... Es scheint sie überhaupt nicht zu belasten. Außerdem... Niemals zuvor hatte er Cutter so handeln sehen. Nicht einmal bei Zack. Du... kuschelst dich nicht einfach so an andere. Ist das... wirklich nur für mich? Fast unbewusst ließ er sich zurücksinken gegen Wärme, die ihn so vorbehaltlos empfing, als sei sie nur seinetwegen hier, habe nur auf ihn gewartet, und dann konnte er spüren, wie die von dem Mädchen ausgestrahlte Ruhe begann, auch auf ihn überzugehen, behutsam, fast fragend, als wolle sie seine Gefühle nicht verletzen. Und seine Anspannung wich. Irgendwann versuchte er, weiterzuarbeiten, aber seine Konzentration verhielt sich nicht ihrem legendären Ruf entsprechend. Immer wieder ertappte er sich bei Blicken zu Cutter, durch deren Hände mittlerweile Strähnen seines langen, silberfarbenen Haares liefen – allerdings ohne den geringsten Zug auszuüben. Mach dir nicht mehr Ärger, als du verkraften kannst, dachte Sephiroth warnend – und kam sich im selben Augenblick vor wie ein Idiot: Eine Warnung zu denken, statt sie auszusprechen... Er startete einen weiteren, energischen Versuch, die Arbeit wieder aufzunehmen. Diesmal gelang es ihm. Einige Stunden blieb es ganz still in dem kleinen Zelt. Dann streckte Zack den Kopf zum Zelteingang herein. „Seph, die Techniker haben die... “ Der sich ihm bietende Anblick einer schlafenden, eng an den Körper des gefürchteten Generals gekuschelten Cutter, katapultierte den angefangenen Satz augenblicklich ins Nirgendwo. Zack setzte seinen ursprünglich nur für besonders niedliche Tierkinder reservierten Gesichtsausdruck auf und flüsterte: „Oh wie...“ „In deinem eigenen Interesse, SOLDIER, sollte das nächste Wort nicht `süß´ sein!“ Selbst flüsternd konnte seiner Stimme noch eine Schärfe innewohnen, die andere nur mit lautem Brüllen erreichten. Zu seinem Leidwesen war Zack flexibel. „Wie wäre es mit `goldig´? Oder `niedlich´? Nein? Schade...“ „Was willst du?!“ „Ich wollte was? Was... Oh ja, richtig. Die Techniker haben die Liste mit den zusätzlich benötigten Ersatzteilen fertig. Ist ziemlich lang geworden, die Rebellen waren nicht gerade zärtlich mit dem armen Reaktor.“ „Nach Midgar durchgeben und den sofortigen Versand der Einzelteile veranlassen. Sicherheitsstufe bleibt unverändert. Ich dulde keinerlei Verzögerungen!“ Normalerweise lässt er sich von keinem freiwillig berühren. Aber Cutter... Ich wusste schon immer, dass er sie mag! Es scheint stärker geworden zu sein. Wie schön! Vielleicht gelingt es ihr, seinen Eispanzer ein wenig anzuschmelzen. Auf alle Fälle... verändert sich Seph. Ob ihm das bewusst ist? Aber er lässt es zu... Und Cutter ist bis über beide Ohren in ihn verliebt, das steht außer Frage. Ich bin mir aber zu 99,9 % sicher, dass ihm genau das nicht klar ist... Trotzdem habe ich ihn noch nie so gesehen... Es war eines der Szenarien, die Zack sich für seinen besten Freund von ganzem Herzen gewünscht hatte, und dass es jetzt wahr wurde, machte ihn sehr, sehr glücklich, zeigte es doch eines überdeutlich: Hojo war es nicht gelungen, Sephiroths Seele völlig zu zerstören. Aber gleichzeitig eröffnete sich ein neues Problem von ungeahnter Schwere: Cutter war zu jung. Und ihre Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Sephiroth aber brauchte eine Person mit abgeschlossenem Charakter und gefestigter Persönlichkeit. Jemanden, der von sich selbst genau wusste, wo er stand, der zur Not mit aller Kraft widersprechen konnte und auch bereit war, die Konsequenzen zu ertragen ohne unter ihnen zusammenzubrechen. Cutter zeigte gute Ansätze. Aber für Sephiroth war es einfach nicht genug. Sollte ich mich einmischen? Mehrere Sekunden lang kämpften die Stimme seiner Logik und die seines Gefühls erbittert um die Vorherrschaft – dann stand ein Sieger fest. Zack beschloss, sich zurückzuhalten und die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Dann machte er sich daran, den erhaltenen Befehl auszuführen. Im Zelt legte Sephiroth seine Hand auf Cutters Schulter, und das Mädchen erwachte, blinzelte müde, setzte sich schließlich halb auf... „Ich bin wirklich ganz fest eingeschlafen?“ Sie rieb sich über die Augen, sah zu Sephiroth auf und murmelte: „Das ist deine Schuld.“ „Meine Schuld?“, wiederholte der General mit einer Verblüffung, die zu tief ging, um sich restlos verbergen zu lassen. „In deiner Gegenwart fühle ich mich immer so geborgen...“ Sie schüttelte den Kopf. „Gaia... ich habe geträumt, ich hätte mich an dich gekuschelt. So ein Blödsinn.“ „Tatsächlich.“ Gleichzeitig räkelte er sich wie zufällig. Schwarzes Leder rieb sich an der Uniform des Teenagers. Cutter schluckte. „Das... war kein Traum? Oh... Verzeihung, Sephiroth-sama!!“ Sie rückte ab, hielt aber urplötzlich inne, verzog, begleitet von einem leisen Schmerzenslaut, das Gesicht und rieb sich über den Oberschenkel. „Dieser blöde Scharfschütze!“ „An den wirst du dich noch eine ganze Weile erinnern“, prophezeite Sephiroth. „Aber ich werde nicht sterben.“ Sie lächelte. „Ich hab´ s meinem General versprochen.“ Sephiroth konnte ein flüchtiges Schmunzeln nicht unterdrücken. Diese Sorte der Erheiterung... Niemand außer Cutter vermochte sie in ihm wecken. Deren lächeln schwand allerdings gerade. „Denkst du, sie ist wirklich tot?“, fragte sie ganz leise. „Der menschliche Körper ist nicht darauf ausgelegt, hochstufige Materia wie deine heil zu überstehen. Und ein Angriff dieser Stufe tötet sehr schnell.“ „Das hoffe ich“, wisperte der Teenager. „Ich hoffe es wirklich so sehr... Ich hab ihr gesagt, sie soll mich durchlassen, aber...“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich wollte ihr nicht weh tun, ich wollte nur, dass sie... Warum ist sie nicht einfach zur Seite gegangen? Ich hätte das nicht tun dürfen!“ „Cutter. Feinde unterliegen aus einem einzigen Grund: Weil sie ihren Gegner unterschätzen.“ „Ich habe mich ja selbst unterschätzt. Und jetzt... bin ich ein Mörder.“ „In erster Linie bist du Überlebende einer Schlacht.“ „Schon. Aber andere gehen für eine ähnliche Tat jahrelang ins Gefängnis.“ „Zivilisten. Wir sind das Militär. Muss ich dir den Unterschied erklären?“ Die Betonung, eine Mischung aus gespieltem Entsetzen und ehrlicher Erheiterung, ließ ein flüchtiges Grinsen über Cutters Gesicht huschen. „Ich werde“, sagte sie schließlich leise, „versuchen, das nicht zu vergessen. Aber... ich brauche bestimmt eine Weile. Ist das in Ordnung?“ Sephiroth nickte. Dann informierte er den Teenager: „Die Techniker haben die Liste fertig, und die Ersatzteile werden in Kürze über den Luftweg geliefert. Überwach zusammen mit unserem Funker den Transport.“ „Schon unterwegs.“ Vollständig wach kam sie auf die Beine, näherte sich dem Zelteingang, hielt inne, wandte sich um... „Sephiroth-sama? Darf... darf ich dir noch was sagen? Was persönliches? Ja? Dein Körper ist unglaublich warm.“ Der General hatte schon viele Aussagen über seinen Körper gehört oder gelesen. Er wusste: Für nahezu alle Kadetten war er das Maß aller Dinge. Hojo sah in ihm nur etwas, in das man Nadeln jagen oder ein Skalpell senken konnte. An seinen (albernen) Fanclub mochte er nicht einmal denken. Aber die gerade von Cutter getätigte Aussage... Sephiroths Gesichtsausdruck veränderte sich und wurde zu einem schüchternen Lächeln. „Warm?“, wiederholte er leise. Und als Cutter nickte, fuhr er fast ein wenig verlegen fort: „Er kann unmöglich wärmer sein als deiner. Das ist... du bist...“ Er verstummte. Diese Ebene. Nur Cutter konnte ihn darauf bringen. Und es geschah immer so, dass er es erst zu spät bemerkte. Seltsamerweise gewann er einmal mehr den Eindruck, als ginge es ihr ebenso, denn ihr Gesicht war wesentlich röter als noch vor ein paar Sekunden, und im Großen und Ganzen wirkte sie, wie ein Musterbeispiel für Verlegenheit. „Du solltest dich beeilen“, rettete er sich (und sie?) wieder auf sicheres Terrain, und Cutter nickte fast dankbar und verließ das Zelt. Sephiroth starrte auf die Stelle, an der sie bis vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte, und lauschte den von ihr losgetretenen Gedankengängen. Sie... hat Recht. Mein Körper ist warm. Sehr sogar. Unter anderem, weil ich... lebe. Wann habe ich das vergessen? Ich darf es nie wieder vergessen! Die fremde Wärme war längst wieder zu seiner eigenen geworden, die durch sie vermittelte Botschaft jedoch rumorte in seinem Herzen, bis sie ein behagliches Fleckchen gefunden hatte. Dort lag sie, still - aber bereit, sich bemerkbar zu machen, sollte er je wieder Zweifel haben. Es dauerte nur wenige Stunden, ehe die Helikopter mit den gewünschten Ersatzteilen landeten. Cutter hätte mit einem mehrtägigen Aufenthalt gerechnet, aber zu ihrer Überraschung traten sie und der General noch am selben Tag den Heimweg an. „Und die Rebellen??“ „Werden sich nicht rühren!“ Sein Instinkt sagte ihm, dass `Liberation´ zu geschockt über den Verlust ihrer Anführerin sein würde, um etwas zu unternehmen. Im HQ angekommen übergab der General die eroberte Waffe sofort der entsprechenden Abteilung, machte klar, dass er binnen Rekordzeit Ergebnisse wünschte und kehrte in sein Büro zurück, um den Bericht an Präsident Shinra weiterzuleiten und den Krieg gegen den gewohnten Papierkram fortzusetzen. Es wurde spät, ehe er an diesem Tag sein Appartement betrat, duschte und zu Bett ging, aber die Ruhe hielt nicht lange an. Irgendwann wachte er auf in der sicheren Gewissheit, dass irgendetwas nicht stimmte. Fehlte. Und nach minutenlangen Versuchen, es zu definieren... wusste er es. Letzte Nacht um diese Zeit... war ich nicht alleine. Sephiroth war niemand, der vor einer Wahrheit flüchtete. Diesmal jedoch wehrte er sich mit aller ihm zur Verfügung stehenden, mentalen Kraft gegen die sanfte Gewissheit, dass es Cutters so warmer, respektlos an seinen eigenen geschmiegter Körper war, dessen jetziges Fehlen dieses seltsame Gefühl eines Verlustes in ihm heraufbeschwor. Aber den Teenager irgendwo schlafen zu lassen, alleine, war absolut inakzeptabel gewesen, und gleichzeitig die Pritsche im Zelt als Sitzmöglichkeit zu nutzen hatte sich nicht vermeiden lassen. Suche ich gerade nach Entschuldigungen für mein eigenes Verhalten? Anfänglich war es ihm kaum möglich gewesen, die Berührung zu ertragen, auch wenn sie... keinen Schmerz ausgelöst hatte. Und warm gewesen war. Sehr... warm. Vorsichtig rief er die Erinnerung ein wenig näher zu sich. Cutter hatte sich so vorsichtig an ihn gekuschelt, als fürchtete sie, ihn zu zerbrechen... Ihn! Er versuchte, es logisch zu sehen. Die Nächte waren kalt geworden. Sich unter diesen Umständen einer Wärmequelle zu nähern war... ganz natürlich. Und in diesem speziellen Fall die respektvollste Respektlosigkeit, der Sephiroth jemals begegnet war. Jetzt verweigerte es ihm sogar den Schlaf. Mit beiden Händen fuhr er sich in einer fast hilflos wirkenden Geste über das Gesicht und durch die Haare. Was ist mit mir los? Es ist nur Cutter. Cutter! Das größte Schussel unter meinem Kommando! Gerät ständig in Schwierigkeiten! Verschafft mir schlaflose Nächte! Ist absolut unberechenbar! Aber die seltsame Wahrheit hatte es sich bereits in seinem Kopf gemütlich gemacht. Es kann nicht sein! Ich... bin nicht geschaffen, um etwas wie Wärme zu vermissen. Etwas zu vermissen bedeutet, Gefallen daran gefunden zu haben. Sich abhängig zu machen! Ich bin nicht... War das wirklich nur für mich? Niemand war ihm jemals für längere Zeit so nahe gekommen. Niemand außer Hojo, und auch das lag nur an den eisernen Hand- und Fußfesseln. Aber diesmal... hatte es nichts von alle dem gegeben. Nur diese Wärme. Die ihn dennoch ebenso am Platz gehalten hatte. Völlig zwanglos. Dabei hätte ich doch... Warum habe ich nicht... Ich bin so verwirrt. Warum? Sein Blick fiel auf Masamune. Das Katana schien die Dunkelheit anzuziehen und in verstärkter Form wieder abzugeben, und Sephiroth streckte die Hand aus, fuhr beinahe zärtlich über den schwarzweißen Griff und spürte, wie die schäumende Irritation ein wenig nachließ. Den Rest der Nacht verbrachte er in seinem privaten Trainingsraum, und als der Morgen dämmerte, waren seine Gedanken zu der vertrauten Kühle zurückgekehrt, die ihn dort überleben ließ, wo andere starben. Er war wieder er selbst – zwar bereit, diese seltsame, Cutter betreffende Wahrheit zu akzeptieren... sich aber auf keine Art und Weise darauf einzulassen. Es war ihm unmöglich, die Undurchführbarkeit des Planes zu erkennen, was allerdings nicht zuletzt auch an den um ihn herum stattfindenden Entwicklungen lag, denen sich Sephiroth einmal mit voller Aufmerksamkeit widmen musste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)