Yesta von abgemeldet (Begehr) ================================================================================ Morgendliche Begegnung ---------------------- ~*~Kapitel 12~*~ Am darauf folgenden Morgen wachte Neraya noch vor Sonnenaufgang auf und fragte sich, wieso sie so aufgeregt war. Schnell stand sie auf- zu schnell, denn plötzlich drehte sich der gesamt Raum und Neraya musste sich erst einmal wieder setzen. Ihr Beine zitterten und sie hatte das Gefühl sie wären aus Pudding. Also blieb sie erstmal auf der Bettkante sitzen. Wann Glorfindel sie wohl abholen kommen würde? Er hatte nicht gesagt, ab wann sie ihn zu erwarten hatte. Leichte Enttäuschung machte sich breit, was wäre, wenn sie jetzt hier den ganzen Vormittag hier warten musste? „Kommt er nicht zu mir, gehe ich eben zu ihm!“, beschloss Neraya und wagte einen zweiten Versuch aufzustehen. Mit kleinen tapsigen Schritten ging sie zu ihrem Kleiderschrank und kramte ein wenig darin herum, bis sie ihr lavendelfarbenes Lieblingskleid gefunden hatte. Es dauerte etwas und erforderte viel Geduld, bis Neraya das Kleid endlich an ihrem Körper trug. Dann wusch sie sich, bürstete zügig ihr Haar und band es in einem einfachen Halbzopf zusammen. Froh darüber endlich ausgehfein zu sein, betrat Neraya vorsichtig den langen Gang. Lautlos schlich sie sich in den Westflügel, von wo sie wusste, dass sich dort Glorfindels Gemach befand. Als sie vor der hölzernen Tür stand, schlug ihr das Herz bis zum Halse, vielleicht hätte sie doch lieber in ihrem Gemach auf ihn warten sollen. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und klopfte leise an. Keine Antwort. Wieder klopfte sie an. Wieder keine Antwort. Nach kurzem Überlegen versuchte sie die Tür zu öffnen und zu ihrer Überraschung war diese nicht verriegelt worden. „Ganz schön unvorsichtig…“, murmelte sie und betrat den Raum. Da es dunkel war und sie nicht wusste, wo sie hintrat, warf sie erst einmal mit lautem Gepolter einen Stuhl um. „Verdammt!“ Im nächsten Moment sah sie auch schon, wie eine schattenhafte Gestalt aufsprang und ihr einen scharfen Gegenstand an die Kehle drückte. „Daro*!“, rief Neraya und rang nach Luft. „Neraya?“ Glorfindel ließ sie los und entzündete eine Kerze, um sich zu vergewissern, dass er richtig lag. Immer noch etwas erschrocken stand sie schwankend da und erkannte jetzt, dass es ein langer Dolch gewesen war, mit dem Glorfindel sie beinahe einen Kopf kürzer gemacht hätte. „Es tut mir leid, entschuldige, ich dachte du wärst-“ Doch Neraya winkte ab und sah Glorfindel prüfend an. „Schläfst du immer mit unverriegelter Tür?“ „Schleichst du dich immer des Nachts in die Gemächer anderer Männer?“, konterte Glorfindel und ließ sich müde auf den noch stehenden Stuhl nieder. Neraya setzte sich frech auf sein Bett. „Wir hatten keinen Zeitpunkt ausgemacht, an dem ich dich zu erwarten hatte, also bin ich gleich nach dem Aufstehen herüber gekommen. Und nein, ich habe es nicht nötig.“ Glorfindel musterte Neraya eindringlich. „Es dauert noch 1 Stunde bis die Sonne aufgeht, du solltest dich hinlegen und noch etwas schlafen. Ausserdem: Was fällt dir eigentlich ein ohne Begleitung durchs Schloß zu spazieren?“ „Soll das jetzt eine Standpauke werden? Wenn ja, dann lasse ich dich wissen, dass ich nicht zuhören werde.“ Offensichtlich war Glorfindel zu müde, um noch etwas zu erwidern und so stand er seufzend auf und machte sich fertig. Neraya währenddessen ließ sich zurück auf sein Bett fallen und fragte sich, wieso sie kein Bett mit Himmel hatte. Außerdem ist seines viel breiter als meins, ging es ihr durch den Kopf. Sie stand auf und schaute sich etwas genauer in Glorfindels Gemach um. Das große Bett hatte sie bereits ausgehend inspiziert, nun machte sie sich an den Rest der Inneneinrichtung. Da waren zwei Stühle, von denen immer noch nur einer stand, ein kleiner Tisch, auf dem ein Pergament lag und ein riesiger Kleiderschrank und Neraya fragte sich, wieso ein männliches Wesen, einen so großen Kleiderschrank in seinem Zimmer stehen hatte, aber vermutlich war dieses Zimmer sowieso eher für zwei Personen ausgelegt, als für eine. Neraya hatte gerade eine Hand auf den Griff des Kleiderschranks gelegt, ohne sich etwas dabei zu denken, als Glorfindel wieder aus dem Bad kam. „Was tust du da?“, fragte er und hob eine Augenbraue. „Nichts!“, entgegnete sie und sah Glorfindel mit geröteten Wangen und großen Augen an. Jetzt fiel Neraya auf, dass er unglaublich gut roch, doch sie statt es ihm zu sagen, fragte sie: „Können wir?“ Glorfindels Laune schien sich im Bad gebessert zu haben und er erschien Neraya nun weniger mürrisch. Aber vermutlich hätte sie noch viel heftiger reagiert, wäre er plötzlich in ihr Gemach eingedrungen, während sie schlief. Er bot ihr seinen Arm an und Neraya hakte sich lächelnd bei ihm unter. „Es wundert mich, dass du schon so gut auf den Beinen bist.“ „Ich bin eben nicht zu bändigen.“ Glorfindel lachte und schenkte Neraya einen sanften Blick von der Seite. Neraya erwiderte seinen Blick und für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke, doch fast im selben Moment schauten beide abrupt zur Seite. Leise betraten sie in den königlichen Garten und ließen sich auf einer der hellen Steinbänke nieder. „Was ist das für ein Brief, der da auf deinem Tisch lag?“, fragte Neraya und konnte ihre Neugier kaum zügeln. Kaum zu glauben, dass sie ihn vor einem Monat noch loswerden wollte, denn jetzt gelüstete es ihr danach alles über Glorfindel zu erfahren. Neraya konnte Glorfindels angespanntes Gemüt förmlich spüren. „Der Brief ist nicht wichtig.“ „Glorfindel?“ „Hm?“ „Sieh mich an, ich weiss ganz genau, dass du lügst.“ Er seufzte und blickte starr zu dem großen Teich hin, welcher das Zentrum des Gartens bildete. „Agarwaen droht Düsterwald in Schutt und Asche zu legen, wenn Elfarion ihm nicht binnen der nächsten zwei Wochen die Herrschaft übergibt.“ „Das ist aber noch nicht alles, du verschweigst etwas…“ „Das war alles.“ Neraya spürte, dass an diesem Punkt kein Weiterkommen, ohne größeren Konflikt, war und beließ es dabei, stumm schaute sie auf die spiegelglatte Oberfläche des Teichs. „Ich frage mich eines…“, begann Glorfindel und Neraya widmete ihm ihre volle Aufmerksamkeit. „Was fragst du dich?“ „Wieso weißt du, wann ich die Unwahrheit spreche?“ „Ach… Hmm… Ich weiss nicht… Es ist einfach so, ich spüre es… Noch dazu bist du ein miserabler Lügner.“ Verwundert sah Glorfindel ihr in die Augen. „Für mich zumindest, andere scheinen nicht zu merken, wenn du nicht ganz die Wahrheit sprichst.“ „Du bist wirklich einzigartig…“ „Jeder ist einzigartig...“ Neraya wandte den Blick von Glorfindel ab und eine zeitlang saßen sie dort am Teich und schwiegen. Es war bereits kurz vor Sonnenaufgang und die ersten Vögel erwachten aus ihrem Schlaf. „Garech in ind nîn phain*².“ Neraya sah Glorfindel verwundert an und die Worte schienen in ihrem Kopf abertausendmal wiederzuhallen. „Aber gestern, da-“ Glorfindel legte ihr liebevoll den Zeigefinger auf die Lippen und gebot ihr so zu schweigen. Neraya’s Herz schlug ihr bis zum Halse und sie wusste nicht, was sie nun tun sollte. Gestern hatte sie ihm ihre Liebe gestanden und er hatte gesagt, dass er Zeit brauchte und nun sagte er so etwas. Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf, während Glorfindel sie sanft zu sich heranzog, Neraya ließ ihn gewähren, denn ein solches Glück hatte sie noch nie empfunden. „Liebst du mich?“, hauchte sie ihm leise ins Ohr und ihre Hände zitterten. Da legte Glorfindel eine Hand in ihren Nacken, zog ihr Gesicht ganz nahe zu dem seinen heran und bedachte Neraya mit einem tiefen Blick in die Augen, bevor er sie dann zärtlich küsste. Neraya erwiderte seinen Kuss und obwohl sie so glücklich wie noch nie zuvor war, so fragte sie sich gleichzeitig, was sie denn da überhaupt tat. Elbenfürsten gingen nur Verbindungen mit Elbinnen adligen Geschlechts ein. Als jemand ein Porzellangefäß zu Boden fallen ließ, fuhr Neraya zusammen und sah Glorfindel erschrocken an, dieser jedoch lächelte. Dann sahen sie auf und sahen gegenüber auf einem der Balkone eine Elbin stehen, die entsetzt auf sie herabstarrte. „Wer ist das?“, fragte Neraya und musterte die Gestalt auf dem Balkon. „Ich weiss es nicht, vielleicht ein neuer, unerwarteter Gast? Oder eine der Dienstmägde?“ Neraya stöhnte leise auf. „Dann wird es wohl am Mittag das gesamte Schloß wissen…“ Glorfindel wandte sich wieder ihr zu und strich ihr liebevoll über ihr helles Haar. „Lass sie doch.“ „Aber…“ „Nein, kein aber. Soll doch jeder hier wissen, dass du fortan zu mir gehörst.“ „Ich bin aber nur… Neraya… Die Schwester der Königin von Düsterwald… Ich trage keinen Titel und stamme aus einfachen Verhältnissen.“ „Ich verstehe… Deine Schwester entstammt auch einfachen Verhältnissen, wie du es zu nennen pflegst.“ „Jaaa… Aber sie kennt Elfarion schon sehr, sehr lange… „Vielleicht ist es Schicksal gewesen, dass wir uns trafen.“ „Vielleicht…“ Die Sonne ging auf und Glorfindel und Neraya entschlossen sich zur Frühstückstafel zu begeben. Mittlerweile war das Schloß aus seinem Schlaf erwacht und überall, wo sie auftauchten, sah man sie mit großer Neugier an. Einige der weiblichen Bediensteten bedachten Neraya mit neidischen Blicken, was ihr weniger behagte. Die Nachricht schien sich wie ein Lauffeuer verbreitet zu haben und als sie den Speisesaal betraten, wandten sich ebenfalls aller Köpfe zu ihnen um. Schweigend nahmen sie Platz. „Siehst du! Es fängt schon an…“, flüsterte Neraya Glorfindel ins Ohr. „Was fängt an?“ „Sie starren und an.“ „Lass sie doch starren, vielleicht fallen ihnen ja irgendwann die Augen raus.“ Neraya musste kichern und begann dann ihr Frühstück zu verzehren, während unter den Anwesenden weiterhin verwunderte und argwöhnische Blicke ausgetauscht wurden. Schließlich trat Laurelin an sie heran und strahlte übers ganze Gesicht. „Wie ich sehe, hat Neraya doch etwas für den Herr von Gondolin übrig.“ Neraya aß den letzten Bissen und sah zu ihrer Schwester empor. „Grins mich nicht so unverschämt an“, war ihre Antwort. Laurelin, die wusste, wie es gemeint war, grinste nur noch breiter. „Ich wünsche euch beiden alles Glück dieser Welt.“ „Hanon le*³.“ „Da werden jetzt aber viele Frauenherzen brechen, wenn sie erfahren, dass Glorfindel in festen Händen ist.“ „Solange die mich in Ruhe lassen…“ Glorfindel lächelte und war gleichzeitig peinlich berührt. „Nun, ich denke, dass sie es mit Fassung tragen werden“, meldete er sich zu Wort. „Da wäre ich mir nicht so sicher, wir Frauen können zu giftspuckenden Ungeheuern werden“, erwiderte Laurelin sichtlich schadenfroh darüber, dass ihre Schwester in den Händen Glorfindels war und keine andere Elbin. „Wo ist Elfaron?“, warf Neraya dazwischen. „Oh, jetzt wo du es sagst! Wir sind verabredet! Bis später!“ „Namarie…“ Glorfindel indes hatte sich bereits erhoben und wartete auf Neraya, die sich nicht lange bitten ließ, da ihr die Blicke allmälig zu aufdringlich wurden. Eiligen Schrittes verließen sie das Schloß. „Lass uns ausreiten, in den Wald“, schlug Neraya vor. „Sehr gern.“ „Glorfindel?“ „Ja?“ „Kann ich bei dir mit reiten? Sie haben mein Pferd getötet…“ Glorfindel nickte und so machten sie sich auf zu den Ställen… *Daro! – Haltet ein! *² Garech in ind nîn phain. – Du besitzt alle meine Gedanken. *³ Hanon le – Danke (diesmal richtig *g*) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)