Das Ende und der Anfang
Benommen stand Jeanne da, unfähig sich zu rühren oder etwas zu sagen. Ein Zittern lief über ihren gesamten Körper während seine Worte in ihrem inneren Ohr sich immer und immer wieder abspielten, wie bei einer hängen gebliebenen Schallplatte.
- Liebe... liebe... liebe... dich...
Und jetzt würde er sterben, für sie. Weil sie so dumm war! Er, von dem sie mal
dachte, er wolle ihren Tod. Er würde sie retten. Mit seinem Tod. Welch Ironie!
PLATSCH
Access schreckte aus seinem Schlaf hoch, als ein dicker Tropfen auf seinem Kopf zersprang. Erschrocken blickte er nach oben und sah Jeannes verzweifeltes Gesicht.
- J-jeanne?
Sie sprach ohne den Schwarzengel an zusehen.
- Es tut mir leid, Access! Ich schaffe es nicht. Ich kann ihn nicht retten. Ich kann mein Versprechen nicht einlösen. Ich bin zu schwach. Es tut mir so leid...
Sie schluchzte auf. Access sah sich panisch um. Was war denn passiert? Grade sah er, wie der Dämon sich auf den letzten Entscheidungsschlag gegen Sindbad zugewandt. Und zu seiner größten Überraschung schien dieser weder Furcht noch Schmerz zu empfinden. Er lächelte. Und es war ein mildes, liebevolles Abschiedslächeln. Access wusste, was das bedeutete. Er wusste, dass er seinen Partner verlieren würde. "Nein", flüsterte er verzweifelt. "Bitte nicht..."
Er schloss die Augen. Jetzt war alles vorbei.
"Nein", schrie Jeanne, "nein, das darf nicht sein!! Ich liebe dich, bitte, nein..." Das war die letzten Worte, die Sindbad hörte. Er drehte den Kopf in Jeannes Richtung, um ihr noch ein letztes Mal zuzulächeln, aber da spürte er einen dumpfen Schlag und es war alles dunkel. Ah, dachte er, so ist das also, wenn man stirbt. Wie dumm wir doch waren. Wenn ich nur noch eine Chance hätte. Nur noch eine. Ich würde dafür sorgen, dass sie nie mehr weint. Ich würde... Aber plötzlich hörte auch das Denken auf und die Nacht wurde schwarz.
Und Jeanne weinte. Sie sah, wie er fiel und spürte, dass es keine Hoffnung mehr geben würde. Es war alles vorbei. Stumme Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie wusste, dass sie schrie vor innerem Schmerz, aber sie hörte und fühlte nichts. Alles war irgendwie nur stumpf und grau. Alles war egal. Alles egal. Alles egal. Von weit her schien der Boden zu beben und ihr war, als riefe sie eine Stimme. Egal. Es war alles egal. Der graue Vorhang fiel und bedeckte lautlos alles, was unter ihm begraben werden wollte. Die Nacht wurde ein bisschen schwärzer und unter lautem Ächzen brach das alte Schützenhaus in sich zusammen. Begrub sich und die Vorkommnisse der letzten Nacht unter sich. Und dann war wieder alles ruhig. Nur in der Ferne schrie ein Käuzchen zu.
Und wenn man genau hinhörte, konnte man das leise Schluchzen eines kleinen Engels vernehmen, der auf dem Trümmerhaufen saß und nicht mehr wusste, wo er hinsollte. Aber die Welt ist grausam und die Nacht erbarmungslos, denn der Mondschein ließ sich weder von den Tränen des kleinen Engels noch von dem Elend der Welt beeindrucken und erhellte die scharfen Umrisse der Bäume und Häuser, als gäbe es für ihn nichts Schöneres in diesem Universum.
+ + +
Zu einem anderen Zeitpunkt, an einem anderen Ort treffen abermals ein Junge und ein Mädchen aufeinander. Das Mädchen hat kurze, braune Haare, die sie sich mit Haarspangen aus dem Gesicht hält, weil sie so wuschelig sind.
"Oh, komm schon, Miki, das ist nicht dein Ernst, oder!?", prustet sie und ihre braunen Augen füllen sich vor Lachen mit Tränen. Das schwarzhaarige Mädchen neben ihr sieht sie empört an. "Natürlich!", ereifert sie sich, "und tu bloß nicht so erwachsen, bloß weil du heute 17 geworden bist." Das Mädchen grinst sie an. "Dooooch, ich bin gaaaanz erwachsen!" , kichert sie. "Und vor allem nicht so tollpatschig, vergesslich und schusselig wie d-d-aaaaaah...". Gerade als sie die Worte aussprechen will, kracht ihr Hinterkopf gegen eine Tüte mit Milchflasche, die die Berührung mit ihrer Schädeldecke mit einem Klirren begleiten. Bevor sie realisiert, was geschieht, segelt sie auch schon dem Typen, der Tüte in der Hand hielt, benommen in die Arme. "Alles in Ordnung?!", quiekt Miki erschrocken. Das andere Mädchen nickt benommen.
"Wirklich?", fragt der Typ mit den Milchtüten erstaunt und eh sie sich versieht, zieht er sie rauf und sieht ihr ins Gesicht. Sie spürt, dass sie rot wird. Ziemlich gut sieht er aus, hat kluge, hell leuchtende blaue Augen und halblange, bläuliche Haare. Interessiert, fast misstrauisch beäugt er sie, dass sie fast wütend wird. "Was soll das werden?", fragt sie unwirsch, der Schädel brummt ihr noch. Vorsichtig stellt er sie auf die Beine.
"Scheint doch noch alles dran zu sein", meint er und grinst, "bist ja ziemlich tollpatschig." Das Mädchen wird rot und wütend, aber Miki kichert.
Dann lächelt er. Plötzlich, ganz unerwartet. "Sag mal, kennen wir uns nicht irgendwo her?", fragt er. Das Mädchen sieht ihn einen Moment lang verblüfft an, dann lacht sie. "Das ist echt die älteste Anmache der Welt!", sagt sie und grinst. Der Junge sieht sie erstaunt an, aber eh er sich versieht, hat das Mädchen seine Hand ergriffen und ihn mit sich gezogen. "Komm schon", lacht sie, "wir gehen ein Stück. Sieh' nur wie schön die Kirschbäume blühen!" Der Junge nickt. Und das Mädchen lacht. "Komm schon! Ich heiße Marron."
ENDE