The Road von Polarfuchs (Street Soldier [SasuSaku]) ================================================================================ Kapitel 5: Solange du da bist ----------------------------- Davenport, Iowa März 2009 Langsam wird es wärmer. Nicht viel, aber es reicht, um die Nächte erträglicher zu machen. Abends drücke ich Rose immer an mich und schlafe so mir ihr ein. Mittlerweile ist es okay für sie. Selten erzähle ich ihr dann von meinem alten Leben; von meinem großen Bett und den vielen weichen Kissen, in denen sie versinken würde. Sie lächelt dann immer, sagt, sie stelle es sich bildlich vor. Und ich folge ihrem Gedanken. Manchmal sehe ich sie dann im Bett liegen, zwischen den weißen Kissen und Decken, und ihre Haare liegen dort, wie ein breiter Fächer. Sie lächelt mich an. Aber es gibt auch Momente, in denen sie einfach in der Küche steht und Frühstück macht. Der Gedanke, dass sie nur ein Hemd von mir trägt, wie in diesen dummen Filmen, lässt mich dabei nicht los. Fast komme ich mir dumm vor. »Worüber denkst du nach?« Rose streicht mir über den Arm, den ich um ihren Bauch gelegt habe. Sie schaut zur Decke. Uns ist nicht nach Aufstehen. »Hm?«, macht sie nochmal. »Über dich.« Ich lege keine Gefühle in die Stimme. Sie weiß, es ist nicht böse gemeint. »Und was genau?« Ich muss grinsen. Ich weiß, es sieht verzerrt aus. So richtig will es nicht mehr funktionieren. »Wie es wäre, hätten wir uns anders kennengelernt.« »Du hättest mich wahrscheinlich gar nicht beachtet.« Ihre Stimme klingt normal. Irgendwo spüre ich aber ein bisschen Bitterkeit. Ich stütze mich auf meinen Unterarm. »Vielleicht hätten wir uns auf einer Abendgala getroffen.« Jetzt sieht sie mich an. »Du hättest ein Kleid getragen.« Ich streiche ihr über die Wange. »Hättest dich an ein Fenster gestellt und rausgeguckt.« Einen Moment halte ich inne. Sie schaut mich neugierig an - ihre Augen so groß und grün. »Und dann?« »Dann hätte ich dich angesprochen.« »Warum?« »Weil du etwas Besonderes bist.« Es ist plötzlich, als hätte ich eine Grenze überschritten. Sie weiß es. Ich weiß es. Es hätte uns vorher schon klar sein müssen. Ich bin ihrem Gesicht nah. Sie liegt einfach da und sieht mich an. Sie ist so wunderschön. Mein Daumen streicht über ihre Lippen. Meine Augen segeln über ihrer Miene hin und her. Sie hebt ihrem Kopf und küsst mich. Mein Gehirn schaltet sich aus. Ich fühle mich wie ein wildes Tier über seiner Beute. Ich kann nicht anders. Ich stemme mich über sie. Meine Handflächen halten ihre Wangen und drücken sie so auf die Materatze. Meine Lippen bewegen sich auf ihren. Sie ist noch schüchtern, aber es ist wie Heroin. Irgendwann drückt sie mich zurück – schnappt Luft. »Sakura.« Sie schließt die Augen. »Nicht.« »Es ist dein Name. Er gehört zu dir.« Sie zögert - nickt still. Dann: »Warum ist es dir so wichtig?« »Mum sagte immer, der Name ist der Titel der Geschichte.« »Dann kann ich auch zwei Geschichten haben.« »Nein.« Ich küsse sie kurz. Einen Moment ist sie verwirrt. »Es gibt nur eine Geschichte und die ist das Leben.« »Es ist aber, als hätte ich zwei Leben. Das Eine ist eben schon vorbei.« »Nein.« Ich wiederhole mich. »Wieso?« Ich muss einatmen. Wir flüstern. Meine Stirn lehnt sich gegen Ihre. »Alles, was du bist«, fange ich an. »Das bist du, weil das alles passiert ist. Das ist deine Geschichte. Das wird immer deine Geschichte sein. Und sie heißt Sakura.« Dann küsst sie mich. April 2009 An einem Abend - ein paar Wochen später – liegen wir wieder nebeneinander. Dass wir uns wärmen, uns streicheln und sogar küssen, ist fast schon normal. Aber manchmal will ich mehr als das. Manchmal will ich ihre Brüste anfassen und ihren nackten Körper. Manchmal will ich wissen, wie es wäre, mit ihr zu schlafen. Aber ich halte mich zurück – ich muss mich zurückhalten. »Sasuke?« »Hm?« »Ich denke, wir müssen morgen nicht raus.« »Wir haben genug. Das reicht auch für die nächsten Tage«, sage ich dann. Mir ist auch nicht nach Rausgehen. Der Gedanke, im Bett zu bleiben, ist verlockend. Sie drückt sich näher an mich – ihr Kopf liegt jetzt auf meiner Brust, daneben ihre Hand. Meine Finger spielen mit ihren Haaren. Früher hätte ich nicht gedacht, einmal mit einem Mädchen einfach dazuliegen und sie wirklich zu mögen. Ich dachte, es würde immer nur oberflächlich sein. Ich gebe zu, Sakura ist nicht die beste Wahl; sie ist nicht die Hübscheste, sie hat viele Macken, sie kennt meine Schwächen – aber für mich ist sie perfekt. Ich kann mir vorstellen, mein ganzes Leben mit ihr zu verbringen. Es ist komisch. Dann kommt mir ein anderer Gedanke: Ich bin bereit, für sie zurück zu gehen. Ich bin bereit, für sie das Blut von Mum aus dem Teppich zu waschen. Ich bin bereit, ihr ein Leben zu bieten, dass sie wirklich verdient. Verdammt, ich würde alles tun. Und mir wird klar, dass ich Sakura wahrscheinlich mehr brauche, als sie mich. Mai 2009 Es ist jetzt ein Jahr her. Ich habe viel nachgedacht. Sakura macht sich Sorgen deswegen, denkt wohl, ich will verschwinden. Sie hat auch recht, nur wird sie mitkommen. Manchmal fragt sie mich, ob sie etwas falsch macht, ob sie mich verscheucht. Ich schüttle dann immer nur den Kopf, hoffe sie versteht. Manchmal sagt sie aber auch einfach, ich wär der wichtigste Mensch für sie. Es kommt aufs Gleiche hinaus – ihre Angst mich zu verlieren. Sie weiß nicht, wie groß meine Angst ist, sie zu verlieren. 23. Juli 2009 Wir hatten Sex. Es war das beste Gefühl seit langem – ich weiß nicht genau, ob es das Beste meines Lebens war. Sie ist wunderschöner als ich dachte. Sie wird es wohl immer sein. Ich sage ihr oft, bald wird alles besser. Wahrscheinlich glaubt sie mir nicht. Heute ist der 23. Juli. Mein Geburtstag. Heute bin ich ein Stück weit reich. Ich stehe auf und verstecke Sakuras nackte Haut unter den Decken. Wecken tue ich sie nicht. Es soll eine Überraschung werden. Ich schleiche raus. Wahrscheinlich bin ich zu spät. Es ist egal, Kakashi Hatake wird warten. Er ist der Anwalt meiner Eltern gewesen, eigentlich der ganzen Familie. Er verwaltet mein Erbe, bis ich einundzwanzig bin und ab achtzehn lässt er mich über geringe Summen selbst verfügen. Besser so, sage ich mir immer wieder. Ich muss ihm nicht sagen, was ich damit mache – jetzt nicht mehr. Heute ist mein Geburtstag. Seine Nummer steht in jedem Telefonbuch der Stadt. Das Gespräch war kurz, aber seine Termine hat er schnell verschoben. Ich sehe ihn, bevor er mich sieht. Er trägt einen schwarzen Anzug, eine blaue Krawatte und Hochglanzschuhe. Fast muss ich lachen: Er sieht aus, wie er immer schon aussah, aber heute hätte ich ihn als Arschkriecher bezeichnet – einen Mann, der nicht weiß, was wichtig ist, der nicht weiß, was Hunger bedeutet. Er bemerkt mich erst, als ich fast direkt vor ihm stehe. Es ist klar. Ich sehe auch aus wie ein Penner. »Mr. Uchiha.« Er sieht geschockt aus, seine Stimme nur ein Windstoß. »Sasuke reicht.« »Du hast dich verändert.« Natürlich habe ich das, will ich ihm fast schon entgegen schreien. Ich lasse es. Er seufzt. »Wo warst du das letzte Jahr? Die ganze Welt sucht dich.« »Sie haben meine Leiche gesucht.« »Das ist nicht wahr.« Auch wenn er es so sagt, er weiß, dass ich richtig liege. Mit meiner Leiche würde das Erbe verfallen. Dann ginge meine Hälfte an Itachi. Mit seinem Verzicht ginge alles an die Stadt und die wissen, wie man sowas anstellt. »Ich bin wegen dem Erbe hier.« »Du siehst aus, als könntest du es auch dringend gebrauchen.« Er macht eine kurze Pause, denkt nach und streicht sich durch die Haare. Sie sind grauer geworden, seit dem letzten Mal. »Du hättest mich auch früher fragen können. Du weißt genau, dass ich dir genug überlassen hätte.« »Ich brauchte die Zeit.« Ich will mich nicht rechtfertigen. Er schweigt einen Moment. »Du kehrst also zurück unter die Lebenden?« Ich sehe ihn an. Einen Augenblick ist es so, als würde sich in seinen Augen der ganze Luxus widerspiegeln, der mal so selbstverständlich war. Es ist fast verlockend. »Nicht direkt. Ich will keine Aufmerksamkeit. Mir reicht eine Wohnung und genug Essen.« Er muss lachen. Ich brauche vier Sekunden, bis ich verstehe, warum. »Es sieht so aus, als wüsstest du, was wichtig ist im Leben. Du bist erwachsen.« »Es hat sich viel getan.« »Das sehe ich.« Seine Stimme senkt sich. In seinen Augen spiegelt sich sowas, wie väterlicher Stolz wieder. »Das sehe ich.« Wir schweigen. Er vergräbt seine Hände in den Hosentaschen und schaut mich an, dann in die Ferne. »Sieh es so: Halte ein paar Wochen durch, dann werden sie dich bestimmt vergessen haben.« Ich schüttle den Kopf. »Es geht weniger um mich.« Er ist überrascht, das weiß ich, ohne hinzusehen. Wir stehen in einem öffentlichen Park im Armenviertel. Die Bänke hier sind heruntergekommen und das Grünzeug wurde schon länger nicht gepflegt. »Wie darf ich das verstehen?« »Ich hab ’ne Freundin.« Ich zögere. »Sie ist ziemlich ängstlich.« »Ah.« Er schweigt. Als Anwalt stand er unserer Familie nah. Er war schon immer sowas wie ein Onkel. »Können Sie da was machen?« »Ich kann die Namen von der Liste streichen lassen. Der Rest liegt bei dir.« Er geht ein paar Schritte an mir vorbei. Sein Blick liegt abschätzend auf den brüchigen Bauten. »Du brauchst eine Wohnung in einer anderen Gegend. Vorzugsweise keine Vorstadtgegend. Ihr müsst unauffällig bleiben. Vielleicht auch neue Namen-« »Nein, keine neuen Namen.« Er mustert mich. Ich weiß, er macht sich Sorgen. Er ist ein guter Kerl. »Okay, lassen wir das mit den Namen.« »Was noch?« »Für den Moment dürfte das genügen. Trotzdem musst du noch eine Menge Papierkram hinter dich bringen. Alles Finanzielle habe ich für dich geregelt, aber da bleiben noch schulische Angelegenheiten und die Verwaltung der ganzen Immobilien und Wertgegenstände.« »Sie haben die Immobilien nicht verkauft?« Ich bin verwundert. Ich habe damit gerechnet, dass er alles zu Geld gemacht hat. »Nein. Ich habe vorerst alles so gelassen. Euer Haus steht auch noch, ist aber noch versiegelt.« Ich habe das Gefühl, dass meine Stimme versagt. »Warum das?« »Zu viele Unklarheiten angeblich. Du bist verschwunden und Itachi ist tot.« »Er ist tot?« Plötzlich ist etwas anders. Mir wird ganz schwindelig und fast muss ich kotzen. Ich muss mich setzten. »Ich nahm an, du wüsstest es. Es kam in allen Medien.« »Ich hatte nicht den Zugang.« Ich lache leise. Der Wahnsinn zerfrisst mich und ich kann nichts dagegen tun. Irgendwo kommen Zweifel in mir auf. Bin ich denn wirklich schon bereit, zurückzugehen? Ich hab Sakura – meine hübsche, kleine, dürre, mutige, unschuldige Sakura. Ich spüre, wie meine Wangen nass werden. Ich wimmere. Irgendwann ist da eine Hand auf meinem Rücken. Kakashi versucht sein Bestes. Er ist nicht so der Gefühlsmensch. Es reicht nicht. Ich sitze stundenlang auf der Materatze. Sakura ist nicht da. Vielleicht denkt sie, jetzt bin ich wirklich gegangen. Sie wird mich hassen. Ich höre Schritte, dann die Tür. Sakura schaut mich an, ihre Augen sind rot und ich weiß, sie versteht gar nichts. Ich sage kein Wort. Ich erinnere mich an Kakashi und was er mir erzählt hat. Dass Itachi tot ist, mein Bruder, der Mörder meiner Eltern. Ich hasse mich dafür, ihm nachzutrauern. Er hat es nicht verdient. Es tut so verflucht weh. »Sasuke«, flüstert sie leise. Ihre Augen sind nass. Sie zittert. Ich schüttle nur den Kopf. Mir kommen wieder die Tränen. Die Trauer zerfrisst mich, darüber, dass meine Eltern tot sind, dass mein Bruder tot ist, dass ich einen Mörder betrauere, dass ich jetzt ganz alleine bin. Ich bin einer der reichsten Männer dieser Stadt. Meine Familie ist tot. Ich will sterben. Ich verliere kein Wort über mein Verschwinden. Tagelang nicht. Sakura macht sich Sorgen. »Komm her«, bitte ich sie. Sie schleicht zu mir, schüchtern und ängstlich, als wäre das hier ein Abschied. Sie setzt sich vor mich. Ich streiche ihr mir der Hand die Haare zur Seite. Sie sind länger als am Anfang. Meine Fingerkuppen streichen über ihre Wange. Ich erinnere mich daran, dass die Haut ihres Bauches noch weicher ist. »Keine Angst. Ich werde nicht gehen.« Ihre Augen werden groß und nass. Vielleicht hört es sich für sie wie eine Lüge an. »Ich will, dass du mir ein paar Fragen beantwortest. Sei ehrlich.« Sie nickt still, sagt immer noch kein Wort. »Willst du, dass ich bei dir bleibe?« Sie nickt. Fast hat es etwas Verzweifeltes an sich. »Willst du keine Angst mehr haben?« Sie stockt – und nickt. »Vertraust du mir?« »Ja.« Ich sehe sie an. Ich denke mir, sie versteht vielleicht, dass sich etwas verändert hat, etwas Grundlegendes. »Ich habe dir etwas versprochen. Ich will dir ein zu Hause geben. Willst du mich begleiten? Es wird alles besser.« Sie nickt. Sie weiß nicht, was sie erwartet, aber sie vertraut mir. Der Rest ist egal. Kakashi hat mir Geld mitgegeben, bevor er gegangen ist. Es ist mehr als ich brauche. Ich sage Sakura, dass wir nicht zurückkommen werden, dass da, wo wir hingehen, alles ist, was wir brauchen. Sie nimmt nichts mit. Ich auch nicht. Ich bringe sie in ein kleines Hotel in der Nähe des Mississippi River. Sie steht verloren in dem geräumigen Zimmer, traut sich nicht, sich aufs Bett zu setzen oder etwas anzufassen. Ich sage ihr, das ist der Anfang. Sie wird sagen, das ist die erste Nacht seit fast vier Jahren in einem richtigen Bett. Dann weint sie. Jetzt wird alles besser. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)