Taste Of Confusion II von Karma (Adrian x Jonas) ================================================================================ Kapitel 11: Nico und andere Probleme ------------------------------------ So, wie angekündigt gibt's auch hier gleich ein neues Kapitelchen. Ich hoffe, ihr mögt Drama, denn davon gibt's hier reichlich. Aber es gibt auch - hoffentlich - wieder etwas zu lachen. Sollte also für jeden etwas dabei sein, denke ich. ^____^ Joah, ich glaub, der Titel ist eigentlich schon recht aussagekräftig, oder? Und dieses Kappi ist auch mal wieder ziemlich lang (6.368 Wörter reiner Kapiteltext, um genau zu sein), aber das ist nicht meine Schuld. Nico wollte einfach nicht aufhören zu quatschen. *es einfach mal auf ihn schieb* XD Freut mich übrigens, dass ihr alle Dev so mögt. Ich hab ihn auch richtig lieb. Und ich hab noch ein paar weitere lustige Szenen mit ihm, eine davon sogar in diesem Kapitel. Er ist mir im Laufe der ersten Story richtig ans Herz gewachsen, obwohl er so ein Muffelkopf ist. *ihn puschel* Tja, zu der Sache mit Mama: Ihr werdet ja sehen, wie sie reagiert und was sie tut. Das nächste Kapitel hab ich schon angefangen abzutippen, das übernächste ist handschriftlich ebenfalls fertig und das insgesamt fünfzehnte ist auch schon angefangen. Vielleicht gibt es das nächste ja, wenn ihr mich weichkocht, schon am Sonntag und das danach am Mittwoch. Und wenn ich ganz gut bin, lade ich das Weihnachtskapitel auch so um die Feiertage herum hoch. Danke übrigens an alle, die bis jetzt schon an meiner Umfrage teilgenommen haben. Derzeit sieht das Ergebnis ja recht eindeutig aus. XD Und ihr werdet lachen, die grobe Idee steht schon. Ich muss also nur hier zum Ende kommen, dann könnte ich theoretisch anfangen. Falls jemand noch nicht teilgenommen hat und sich bemüßigt fühlt, das tun zu wollen, schaut einfach in die Kapitelüberschrift, mein Weblog oder meinen Steckbrief und gebt nach Herzenslust eure Stimmen ab. Ich freu mich über jeden, der mitmacht. *alle dafür knuddel* *Dankeschönkekse verteil* So, und jetzt hab ich lange genug gelabert. Liest das hier eigentlich wer? Falls ja, entschuldigt, dass ich mich wieder nicht kurz fassen kann. *drop* Nya, aber jetzt geht's endlich los. *mir den Mund zukleb und mich wieder ans Tippen setz* Enjoy reading! Karma oOo Ein ungemein nervtötendes Piepen reisst mich aus meinen Träumen und ich grummele unwillig. Muss ich den wirklich schon aufstehen? Es ist doch gerade so gemütlich hier. Viel zu warm und kuschelig, um sich jetzt schon aus dem Bett zu quälen. Kann ich nicht einfach noch etwas länger hier liegen bleiben und später aufstehen? Warum muss der Tag eigentlich so verdammt früh beginnen? "Jojo, wach auf.", murmelt eine sanfte Stimme ganz nah an meinem Ohr und der Kuss, der darauf gesetzt wird, schafft es in Verbindung mit einem zärtlichen Streicheln meiner Wange, dass ich schlagartig hellwach bin – viel zu wach, um genau zu sein, denn mein Herz rast wie verrückt und beinahe mein gesamtes Blut schiesst mir ohne Umweg sofort ins Gesicht. "Bin schon wach.", nuschele ich seltsam heiser und Adrian, der mich immer noch im Arm hält – so, wie er es die ganze letzte Nacht getan hat –, lacht leise. "Wenn Du so verschlafen bist, bist Du richtig niedlich.", teilt er mir mit und küsst mich, bevor ich protestieren kann. Damit, das haben wir im Verlauf des vergangenen Abends festgestellt, hat er eine ausgesprochen effektive Methode gefunden, mich ruhigzustellen, denn nach jedem Kuss von ihm brauche ich erst einmal mindestens eine volle Minute, um wieder in der Realität anzukommen. Adrian ist wirklich ein guter Küsser und je öfter er mir das beweist, desto süchtiger werde ich nach seinen Küssen – und nah ihm. "Gar nicht!", widerspreche ich viel zu spät und bekomme noch einen Kuss auf die Nasenspitze gehaucht, bevor er die Bettdecke zurückschlägt und aufsteht. "Doch, das bist Du. Keine Widerrede.", verlangt er und hält mir seine Hand hin. Ich ergreife sie, lasse mich so aus dem Bett ziehen und er streicht mir noch einmal durch meine vom Schlaf sicher ziemlich verwuschelten Haare, bevor er mich angrinst. "Und jetzt ab ins Bad mit Dir. Ich mach in der Zwischenzeit schon mal Frühstück. Du weisst ja, wo die Küche ist.", sagt er und verschwindet fröhlich pfeifend aus dem Zimmer, nachdem ich genickt habe. Ich selbst gehe brav hinüber ins Bad, ziehe mich aus und lege den von Devlin geliehenen Pyjama ordentlich zusammen. Dann steige ich unter die Dusche, um die Röte, die sich bei der Erinnerung an seine Worte vom Vorabend – "Bist Du sicher, dass Du heute Nacht was zum Anziehen brauchst?" – und sein zweideutiges Grinsen wieder ins Gesicht kriecht, zu vertreiben. Eigentlich war es, von diversen blöden Sprüchen seitens 'Picasso', wie Adrian seinen Cousin immer so liebevoll-spöttisch nennt, wirklich ein angenehmer Abend, erinnere ich mich mit einem leichten Lächeln, während ich mich einseife und mir die Haare wasche. Rita und auch Miriam waren zwar etwas überrascht, als Adrian mich ins Wohnzimmer geschoben hat – was wohl hauptsächlich daran lag, dass er dabei einen Arm um meine Schultern gelegt hatte, während meine Wange wieder einmal in leuchtendem Rot geglüht haben –, aber das hat nicht lange angehalten. Rita hat mich einen Moment lang skeptisch gemustert, wie um zu prüfen, ob das zwischen ihrem Sohn und mir etwas Ernstes ist, aber dann hat sie wissend gegrinst. "Verstehe.", hat sie gesagt und mir zugezwinkert. "Dann bist Du also der Grund für die gute Laune, die mein Großer in der letzten Zeit hatte. Hätte ich mir ja auch gleich denken können." Allein beim Gedanken daran beschleunigt sich mein Herzschlag schon wieder. Wenn ich ihren Worten glauben kann – und so verlegen, wie Adrian war, als sie es gesagt hat, habe ich keinen Grund, daran zu zweifeln –, dann hat er wohl seit der Ausstellung, auf der ich mich ihm gegenüber verplappert habe, auch ziemlich oft an mich gedacht. Schon die bloße Möglichkeit, dass das wirklich wahr ist, lässt mich fast platzen vor Glück. Wenn er nur halb so oft an mich denken musste wie ich an ihn, dann bin ich der größte Glückspilz, der auf dieser Welt herumrennt. Sogar Devlin hat die Worte seiner Tante bestätigt – zwar auf seine eigene unnachahmliche Art und mit seinem typischen fiesen Grinsen, aber das ist mir egal. Auch wenn er seinen Cousin hundertmal in die Pfanne hauen wollte, das kümmert mich nicht. Scheinbar ist er eben einfach so. aber daran werde ich mich mit der Zeit schon noch gewöhnen. Immerhin habe ich ihn ja jetzt sozusagen am Hals. Aber so gut, wie ich heute drauf bin, erscheint mir das wie eine Kleinigkeit. Noch immer etwas verträumt – ich habe seit gestern Abend förmlich das Gefühl, permanent einen halben Meter über dem Boden zu schweben – stelle ich das Wasser ab, steige aus der Dusche und trockne mich ab. Dann schlüpfe ich wieder in meine Klamotten, bringe meine Haare in Ordnung und schlendere hinüber in die Küche. Der Tisch dort ist bereits gedeckt, Adrian verteilt gerade Kaffee auf drei Tassen und Miriam, die schon am Tisch sitzt, lächelt mir zum ersten Mal seit über vier Monaten unbefangen und ohne Schuldgefühle entgegen. "Morgen, Jonas.", grüßt sie und ich erwidere ihren Gruß, bevor ich mich ebenfalls setze. Adrian stellt die Tassen auf den Tisch – eine für mich, eine für sich und eine für den Platz, auf dem gestern beim Abendessen sein Cousin gesessen hat. Offenbar wird der große Schweiger auch zum Frühstück erwartet. Na, das kann ja was geben. Aber so gut, wie ich mich gerade fühle, kann nicht mal er mir heute meine Laune verderben. "Arschkalt draussen.", erklingt Devlins Stimme in meinem Rücken, als ich gerade an meinem Kaffee nippe. Er kommt in die Küche, lässt sich auf seinen Platz fallen und legt seine Hände um seine Kaffeetasse, um sich daran aufzuwärmen. Ganz offenbar war er gerade zum Rauchen mal wieder draussen – etwas, das Rita konsequent durchgesetzt hat. Seit sie von Miriams Schwangerschaft weiss, gilt im gesamten Haus – mit Ausnahme von Devlins Atelier – ein striktes Rauchverbot. "Zieh Dich warm an.", ermahnt er Miriam gerade und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Adrian sein Schmunzeln schnell hinter seiner eigenen Tasse versteckt. Ich selbst muss auch grinsen – diese Fürsorglichkeit ist gerade von ihm einfach total ungewohnt –, aber mir gelingt es nicht, das zu verbergen. Daraufhin trifft mich ein abschätziger Blick aus hellgrünen Augen, der von einem abfälligen Schnauben begleitet wird. "Noch Jungfrau, aber hier blöd in der Gegend rumgrinsen.", murmelt Devlin und ich verschlucke mich vor Schreck an meinem nächsten Atemzug. Mein Gesicht läuft halb wegen des Hustens und halb vor Scham wieder flammend rot an und wenn ich nicht so mit Atmen beschäftigt wäre, würde ich ihm dafür jetzt an die Gurgel gehen. Dieser dämliche Idiot! Ich habe ihm doch nie etwas getan, also kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? "Lass Dich erst mal flachlegen, dann unterhalten wir uns noch mal, Kleiner." Offensichtlich kann er es nicht. Arschloch. "Ich hasse Dich!", krächze ich etwas kraftlos, nachdem ich meine Stimme endlich doch mal wiedergefunden habe. Davon zeigt er sich allerdings vollkommen unbeeindruckt. "Passiert mir oft.", entgegnet er einfach nur schulterzuckend, leert seine Tasse und steht dann auf. Bevor er die Küche allerdings verlässt, beugt er sich noch einmal zu mir und sieht mir genau in die Augen "Pass gut auf sie auf.", verlangt er mit einem kurzen Nicken in Miriams Richtung. "Ich mach Dich persönlich dafür verantwortlich, wenn ihr was passiert. Dann gnade Dir Gott, denn ich werde es nicht tun.", schiebt er noch hinterher und ich bin mir absolut sicher, dass ich meines Lebens nie wieder froh werde, wenn er seine Freundin nicht vollkommen heil und unbeschadet zurückbekommt. Heilige Scheisse, kann der Typ gruselig sein! Da kriegt man echt Angst, wenn man ihn so sieht. Hilfe! "Ignorier das einfach, Jojo." Adrian legt eine seiner Hände auf meine und mir fällt erst jetzt auf, dass meine Finger tatsächlich zittern. Verdammt, wie peinlich ist das denn? "Dev ist morgens immer so liebenswürdig. Er ist und bleibt eben ein Morgenmuffel. Nimm das nicht persönlich, okay?", rät er mir und streichelt mit seinem Daumen meinen Handrücken. Diese sanfte Geste vertreibt das ungute Gefühl, das ich gerade noch hatte, und lässt mich gleich wieder lächeln. Ich sehe auf und kann meinen Blick nicht von seinen Augen abwenden. Sie sind einfach unglaublich faszinierend. Pechschwarz und doch so ausdrucksstark, dass ich jedes Mal in ihnen versinken könnte. "Wir müssen langsam los.", reisst Miriams Stimme mich nach einer viel zu kurzen Ewigkeit aus meiner Verzückung. Sofort werde ich wieder rot und auch Adrian, der mich ebenso unverwandt angesehen hat, macht einen etwas ertappten Eindruck. Irre ich mich oder zieht er seine Finger nur sehr langsam und ziemlich widerstrebend zurück? "Dann mal los, ihr beiden Hübschen." Und schon verdunkelt sich meine Gesichtsfarbe noch ein bisschen mehr. Ist das sein Ernst? Findet er mich wirklich hübsch? Himmel, ich würde alles dafür geben, wenn es wirklich so wäre! Aber er wäre ja wohl kaum mit mir zusammen, wenn ich ihm nicht zumindest ein ganz kleines bisschen gefallen würde, oder? Vollkommen verstrickt in meine Grübeleien folge ich Adrian und Miriam nach draussen zu seinem Wagen. Im Gegensatz zu den Beiden habe ich keine Unterlage für die Schule heute bei, aber das registriere ich nur am Rande ebenso wie die Tatsache, dass Miriam extra auf die Rückbank rutscht, damit ich neben ihrem Bruder sitzen kann. Diese kleine Geste unterstreicht sie mit einem Lächeln und ich lächle etwas verlegen zurück. Ich weiss, dass es mir eigentlich nicht peinlich sein sollte, aber die ganze Sache mit Adrian und mir ist für mich eben noch vollkommen neu. Ich werde wohl noch eine Weile brauchen, um mich daran zu gewöhnen, dass ich jetzt endlich kein Single mehr bin. "Hey, Du Träumer, wir sind da." Adrians leises Lachen unterbricht meine Gedanken und ich blinzele verwirrt. Habe ich tatsächlich die ganze Fahrt über vor mich hin gegrübelt? "Oh.", ist meine einzige, wenig intelligente antwort und ich höre nun auch Miriam vom Rücksitz kichern. "Traumtänzer.", neckt Adrian mich und ich laufe schon wieder rot an – was bei dem Blick, mit dem er mich bedenkt, sogar noch schlimmer wird. "Darf ich Dich küssen?", bittet er leise und ich kann nur stumm nicken. Ich traue meiner Stimme zwar nicht, aber selbst wenn, könnte ich bei dieser Frage nicht Nein sagen. Dafür liebe ich seine Küsse doch viel zu sehr. Wie kann er nur glaube, dass er jemals fragen muss, ob er mich küssen darf? Ich habe diesen Gedanken kaum zu Ende gedacht, da löst er auch schon meinen Anschnallgurt, legt eine Hand in meinen Nacken und zieht mich so zu sich, um meine Lippen mit den seinen versiegeln zu können. Meine Augen schliessen sich wie von selbst und ich kralle mich haltsuchend in sein Shirt. Jedes Mal, wenn er mich so küsst, habe ich das Gefühl, völlig den Bezug zur Realität zu verlieren, wenn ich mich nicht irgendwo festhalten kann. Als er mich nach einer viel zu kurzen Ewigkeit wieder loslässt und mich lächelnd ansieht, fühle ich mich, als wäre ich im Himmel oder in einem meiner Träume – nur mit einem Unterschied: Das hier ist real. Dass Miriam immer noch hinter uns sitzt und das mit ansehen kann, blende ich vollkommen aus. "Dev oder ich holen euch später wieder ab.", murmelt Adrian und streicht mir sanft eine Strähne, die sich aus meinem Zopf gelöst hat, hinter mein linkes Ohr. "Bis nachher, okay?" Ich nicke nur, mache aber keine Anstalten, aus dem Auto zu steigen, bis Miriam sich räuspert und mich daran erinnert, dass wir noch zu spät kommen werden, wenn wir uns jetzt nicht beeilen. Etwas beschämt steige ich doch noch aus, warte auf sie und blicke dann dem Wagen nach, bis ich einen leichten, aber dennoch energischen Schubs bekomme. "Wir sollten jetzt wirklich langsam reingehen." Darauf nicke ich nur und setze mich doch endlich mal in Bewegung. Gemeinsam mit Miriam betrete ich den Schulhof und halte ihr gerade die Tür zur Pausenhalle auf – um draussen rumzustehen, bis es zum Unterricht klingelt, ist es eindeutig zu kalt –, als ich einen nachdenklichen Blick von ihr auffange. "Du magst Adrian wirklich sehr, oder?", werde ich gefragt und nicke sofort, ohne lange darüber nachzudenken. "Ja, allerdings.", gebe ich zu und nach diesem Geständnis lächelt sie wieder. "Das ist schön. Ich wünsche mir nämlich, dass er glücklich ist. Und Du auch.", fügt sie schnell hinzu und ich bin irgendwie erleichtert. Sie nimmt es mir also nicht übel, dass ich jetzt mit ihrem Bruder – Halbbruder, aber das ist ja egal – zusammen bin. "Das mit mir war dann wohl nur Tarnung, oder?", fragt sie weiter und dieses Mal fällt mein Nicken etwas beschämt aus. "Ja. Ich dachte, das wäre am sichersten, weil Du ja sowieso immer nur Deinen Devlin im Kopf hattest. Tut mir leid, dass ich Dich da mit reingezogen habe.", entschuldige ich mich. Es ist mir wichtig, dass sie mich versteht und mir deshalb nicht böse ist. Das scheint allerdings auch nicht der Fall zu sein, denn sie winkt ab und schüttelt den Kopf. "Ist nicht so schlimm. Ich glaube, ich kann mir gar nicht vorstellen, was Du in der ganzen Zeit durchgemacht hast. Es muss schlimm sein, wenn man so ein Geheimnis hat und es niemanden gibt, dem man sich anvertrauen kann.", seufzt sie und lächelt mir dann aufmunternd zu. "Aber jetzt bist Du ja nicht mehr alleine damit. Du hast ja jetzt Adrian. Und wenn Du mal jemand anderen zum Reden brauchst, musst Du es mir nur sagen, okay?", bietet sie an und ich erwidere ihr Lächeln dankbar. "Das ist wirklich..." Weiter komme ich nicht, denn just in diesem Moment taucht mein Bruder auf der Bildfläche auf. "Jonas Daniel Ritter, Du verdammtes Arschloch!", brüllt er durch die gesamte Pausenhalle, bringt so alle Gespräche zum Verstummen und mich zum Zusammenzucken. Mein voller Name war noch nie ein gutes Zeichen. Eigentlich bekomme ich meinen zweiten Vornamen noch von unseren Eltern zu hören – und das auch nur dann, wenn ich richtig Scheisse gebaut habe. Nico hat mich noch nie so genannt. Das und sein Gesichtsausdruck, als er sich geradezu grob durch die Schülermasse in meine Richtung drängelt, zeigen mir deutlich, dass er nicht einfach nur wütend ist, sondern stinksauer. Schlagartig ist meine gute Laune von vorhin verflogen und zurück bleibt nur noch nackte Angst. Ich kann förmlich spüren, wie mein Gesicht sämtliche Farbe verliert und ich zu zittern beginne. Bitte nicht! Oh bitte, bitte nicht! Nicht auch noch er! Er darf mich nicht hassen! Das darf er einfach nicht! "Jonas...", fängt Miriam an und greift nach meiner Hand, aber ich schüttele ihre Finger ab. "Schon okay.", bringe ich irgendwie heraus und versuche, ihr beruhigend zuzulächeln, aber ich bin mir sicher, sie kann mir meine Panik ganz genau ansehen. Bevor sie allerdings dazu kommt, noch etwas zu erwidern, hat mein Bruder uns auch schon erreicht und funkelt mich wütend an. "Ich muss mit Dir reden. Jetzt. Alleine.", sagt er und ich drehe mich wortlos um, um die Pausenhalle wieder zu verlassen. Draussen auf dem Schulhof stehen bei dieser Kälte nur die hartgesottensten Raucher, also dürften wir da zumindest einigermaßen ungestört sein. Beim Rausgehen kann ich aus dem Augenwinkel noch erkennen, dass Miriam von ihrer besten Freundin Claudia in den Arm genommen wird, was mich ungemein erleichtert. Ich will nicht, dass sie sich aufregt. Nicht in ihrem Zustand. Das wäre sicher nicht gut für das Baby – und auch nicht für mich, denn ich traue es Devlin durchaus zu, dass er vollkommen ausrastet, wenn seiner Freundin oder dem Kind etwas passiert. Im Augenblick habe ich allerdings erst mal ein dringenderes Problem als einen blonden Kettenraucher – und zwar meinen eigenen Bruder. Inzwischen haben wir uns in eine abgeschiedene Ecke des Schulhofs zurückgezogen und ich lehne mich rücklings an den dort befindlichen Metallzaun, der das Schulgelände umgibt. Ich brauche jetzt einfach etwas, woran ich mich festhalten kann, denn ich habe das Gefühl, sonst jeden Moment den Boden unter den Füßen zu verlieren. Scheisse, ich will nicht, dass er mich hasst! Ich will ihn doch nicht auch noch verlieren! "Nico, ich...", fange ich den Versuch einer Erklärung an, aber er schneidet mir mit einer unwirschen Handbewegung das Wort ab. "Du bist so ein verdammtes Arschloch, weisst Du das eigentlich?", pflaumt er mich an und ich zucke wieder zusammen. Seine Worte tun weh. Verdammt weh sogar. So etwas von ihm zu hören ist noch schlimmer als die Ohrfeige, die Mama mir gestern verpasst hat. "Ich wollte doch nicht...", stammele ich, aber wieder lässt er mich nicht ausreden. "Weisst Du eigentlich, wie scheisse es ist, nach Hause zu kommen und mitten in einen Streit reinzuplatzen? Ich kann Dir sagen, so übel haben Mama und Paps sich vorher noch nie angeschrieen. Die haben nicht mal gehört, dass ich reingekommen bin! Ich bin dann in unser Zimmer gegangen, weil ich von Dir wissen wollte, was da abgeht, aber Du warst nicht da, also bin ich wieder zurück ins Wohnzimmer. Die Beiden haben mich überhaupt nicht bemerkt, aber ich hab ein paar Mal Deinen Namen aufgeschnappt und irgendwann dann geschnallt, dass sie sich Deinetwegen so gefetzt haben, aber ne weitere Erklärung gab's nicht. Dann klingelte irgendwann das Telefon, ich bin drangegangen und hatte Dennis an der Strippe, der total besorgt war, weil Du ihn nicht zurückgerufen hast, obwohl Du's ihm versprochen hattest. Er hat gesagt, er hätte Dich zigmal zu erreichen versucht, aber Du hättest nicht reagiert und irgendwann wär Dein Handy sogar aus gewesen. dann wollte er wissen, ob Mama sich wegen 'der Sache' schon wieder abgeregt hat und als ich mich erkundigt hab, wovon er eigentlich redet, fragte ernsthaft nach, ob Du mir denn noch nicht gesagt hättest, dass Du schwul bist. Scheisse, Jojo, ich saß da wie ein Volldepp, der von nichts ne Ahnung hat! Kannst Du Dir eigentlich vorstellen, wie ich mich gefühlt hab? Mama und Paps schlagen sich wegen Dir fast die Köpfe ein – Paps hat sogar sein Bettzeug geholt und wollte auf der Couch schlafen! –, sogar Dennis weiss Bescheid und ich wusste nichts! Und dann bist Du auch noch verschwunden, tauchst die ganze Nacht nicht auf und gehst weder ans Handy noch rufst Du an. Hast Du eigentlich auch nur die leiseste Ahnung, was für Sorgen ich mir um Dich gemacht hab? Als ich mitgekriegt hab, dass Mama Dir eine geklebt hat und Du danach abgehauen bist, dachte ich mir bleibt das Herz stehen! Ich hatte echt Panik, dass Du Dummheiten machst, von irgendeiner Brücke springst oder was weiss ich! Nachdem Mama sich im Schlafzimmer eingeschlossen hatte, sind Paps und ich rumgerannt wie die Blöden und haben Dich überall gesucht. Ich glaub, Dennis wär am liebsten auch gleich hergekommen, um uns dabei zu helfen, wenn er gekonnt hätte. Er hat alle paar Minuten angerufen und wollte wissen, ob's schon was Neues von Dir gibt. Wir haben alle Drei kaum geschlafen. Paps hat sich sogar heute morgen extra freigenommen, damit er weitersuchen kann. Verdammt, Jojo, wo warst Du?!" Zum Ende hin überschlägt sich Nicos Stimme fast und mein schlechtes Gewissen erdrückt mich beinahe. "Tut mir leid.", entschuldige ich mich kleinlaut. Verdammt, über den Stress mit Mama habe ich völlig vergessen, dass Nico und Papa sich vielleicht meinetwegen Sorgen machen könnten. Wie konnte ich nur so blöd sein? "Das wollte ich nicht. Wirklich nicht. Aber Mama... Sie ist total ausgeflippt und nach der Ohrfeige wollte ich einfach nur noch weg." Ich weiss, damit mache ich es nicht ungeschehen, aber vielleicht versteht mein Bruder so wenigstens annähernd, warum ich abgehauen bin. "Wo warst Du, Jojo? Ich hab Dich überall gesucht." Der Blick, der mich bei diesen Worten trifft, ist zu Recht vorwurfsvoll und ich hadere einen Moment lang mit mir. Dann entscheide ich mich allerdings, die Wahrheit zu sagen. Das bin ich ihm einfach schuldig. "Bei Adrian.", antworte ich leise. "Ich hab bei ihm übernachtet und er hat Miriam und mich heute morgen eben zur Schule gefahren." Mehrere Atemzüge lang sagt Nico gar nichts dazu, sonder denkt ganz offensichtlich nach. Dann legt er den Kopf schief und sieht mich fragend an. "Bist Du mit ihm zusammen?", fragt er unvermittelt und ich werde rot, nicke aber trotzdem. "Ja. Seit Samstagabend.", gestehe ich und mache einen Schritt auf ihn zu aber er schubst mich weg, so dass ich mit dem Rücken gegen den Zaun krache. "Verdammt, warum hast Du mir das denn nicht erzählt? Jojo?", will er wissen und klingt dabei mehr verletzt als wirklich wütend, obwohl er sich redlich Mühe gibt, wenigstens sauer auszusehen. "Mann, ich wär doch für Dich da gewesen! Ich hätte Dir doch geholfen, Du Trottel! Oder hast Du etwa geglaubt, dass mich das stört?" Skeptisch sieht er mich an. "Ist es das? Hast Du mir das deshalb verheimlicht?", hakt er nach und zieht scheinbar seine eigenen – und durchaus nicht falschen – Schlüsse aus meinem Schweigen. "Mensch, Jojo, Du Idiot!", kommt es von ihm und im nächsten Moment finde ich mich in einer Umarmung wieder, die mich vollkommen unvorbereitet trifft. Das hat er schon seit Jahren nicht mehr gemacht – zumindest nicht an einem öffentlichen Platz wie der Schule, wo es jeder sehen könnte. Ich kann fühlen, wie meine Augen verdächtig zu brennen beginnen, während meine Knie vor Erleichterung ganz weich werden. "Ich wollt's Dir ja sagen.", nuschele ich in den Kragen von Nicos Jacke und verfluche mich dabei für das Zittern meiner Stimme. "Schon lange, ehrlich, aber ich hatte solchen Schiss davor. Dann hab ich gestern mit Papa gesprochen und mit Dennis telefoniert und dabei hatte ich mir vorgenommen, mit Dir zu reden, sobald Du nach Hause kommst. Aber dann kam die Sache mit Mama und nachdem sie so ausgerastet ist... Ich war mir plötzlich einfach nicht mehr sicher, ob Du mich nicht auch dafür hasst. Ich hatte solche Panik, dass ich einfach nur weg wollte. Ich... ich hab nicht nachgedacht, verstehst Du? Ich wollte einfach nicht nach Hause. Wenn Du auch noch so ausgetickt wärst, dann..." Für diese Worte ernte ich eine Kopfnuss und ein "Idiot!", das sich allerdings nicht mal halb so böse anhört, wie es wohl klingen sollte. "Ich weiss, das war blöd, aber ich konnte einfach nicht mehr klar denken.", murmele ich leise und Nico löst sich so weit von mir, dass er seine Stirn gegen meine lehnen kann. Dadurch bin ich praktisch gezwungen, ihm in die Augen zu sehen. "Ich war gestern stinksauer auf Dich.", gibt er zu, lässt mir aber nicht die Möglichkeit, etwas darauf zu erwidern, sondern spricht gleich weiter. "Aber nicht, weil Du schwul bist, sondern weil Du mir nicht vertraut hast. alle Anderen wussten vor mir Bescheid. Das tat echt weh, Jojo. Ich hab immer gedacht, wir können über alles reden. Und dann das. Ich hab mich total verarscht gefühlt.", sagt er dann und mein schlechtes Gewissen wird immer schlimmer. Was bin ich eigentlich für ein erbärmlicher Feigling? "Tut mir leid.", wiederhole ich und Nico lässt mich endgültig los, aber nur, um mich in die mittlerweile vollkommen leere Pausenhalle zu schleifen. Ganz offenbar hat es in der Zwischenzeit zum Unterrichtsbeginn geklingelt, ohne dass wir das gehört haben. Wir kommen also zu spät. Na wunderbar. Da wird Frau Klöpper, unsere Mathelehrerin, sich aber freuen. Mein Bruder hat allerdings ganz offensichtlich andere Pläne als in den Unterricht zu gehen, denn er zieht mich hinter sich her bis zur Treppe, drückt mich auf eine der Stufen und setzt sich dann neben mich, so dass er mich ansehen kann. "Wir kommen zu spät.", informiere ich ihn, doch er winkt ab. "Scheiss auf Mathe. Wir müssen uns unterhalten. Das ist wichtiger.", erwidert er und ich gebe ihm insgeheim Recht. Wir müssen uns wirklich endlich mal richtig aussprechen. Und genau das tun wir in den nächsten zwei Schulstunden auch erst einmal ausgiebig. So viel haben wir schon lange nicht mehr miteinander geredet. Das Wissen, dass mein Bruder mir nicht böse ist, macht mich mutig und so erzähle ich ihm restlos alles, angefangen von dem, was ich damals auf Dennis' Geburtstagsparty wirklich gedacht und gefühlt habe über meine Schwärmerei für meinen besten Freund und die Angst, ihn zu verlieren, wenn er davon erfährt – weshalb Nico mir auch schwören muss, kein Sterbenswörtlichen darüber zu verlieren –, bis zu der Sache mit Miriam und dem Moment, in dem ich gemerkt habe, dass ich mich Hals über Kopf in Adrian verliebt habe. Ich erzähle, wie ich mich bei er Ausstellung verplappert habe und wie er mich am nächsten Tag angerufen hat, um in der Galerie zu helfen. Bei der Erwähnung der Tatsache, dass ich mich nach meinem verunglückten Outing vor Dennis praktisch bei Adrian ausgeheult habe, erhalte ich einen Boxhieb in die Seite. "Blödmann!", grummelt mein Bruder mich an. "Du hättest auch mit mir reden können.", fügt er hinzu und ich nicke etwas schuldbewusst. "Das weiss ich auch – jetzt. Aber bei Adrian wusste ich, dass er genau versteht, wie ich mich fühle. Immerhin hat er das ja selbst auch alles schon mal durchgemacht und Nico nickt nur. "Schon klar. Aber trotzdem hättest Du wissen müssen, dass ich immer für Dich da bin. Mann, Du bist mein Bruder!", erwidert er und schiebt schmollend seine Unterlippe vor – eine Geste, die mich unwillkürlich grinsen lässt. "Du siehst aus wie ein Fünfjähriger, Nicki.", ziehe ich ihn auf und muss im nächsten Moment seine Hände abwehren, weil er sich wie immer in so einer Situation auf mich stürzt, um mich durchzukitzeln – etwas, was ich ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen versuche. So leicht kriegt er mich nicht klein! Genau so – lachend und uns kebbelnd wie kleine Kinder – finden Miriam und Claudia uns vor, als es zur Pause klingelt und sie nach unten kommen. "Wie die Kindergartenkinder.", stellt Claudia fest und seufzt theatralisch, was ihre beste Freundin zum Kichern bringt. "Typisch Jungs, echt. Lass zwei von denen bloß fünf Minuten unbeaufsichtigt alleine und es kommt nur Chaos dabei raus.", setzt sie noch hinzu und ich grinse, während Nico empört die Wangen aufbläst. "Du kannst mich gar nicht meinen.", kontere ich und gebe meinem Bruder einen kleinen Schubs. "Ich bin der gute Zwilling. Nico ist der böse. Sein zweiter Vorname ist Chaot.", behaupte ich und finde mich im nächsten Moment nicht nur mit Claudias skeptisch zusammengekniffenen grünen Augen konfrontiert, sondern bekomme auch noch eine Hand auf die Stirn gelegt. "Also Fieber hast Du nicht.", teilt sie mir mit, hockt sich vor mich und sieht mich eindringlich an. "Da Du ja jetzt offensichtlich beschlossen hast, endlich auch wieder aktiv am Leben teilzunehmen: Was war los mit Dir, Jonas?", erkundigt sie sich dann. Ich zögere einen Moment, gebe mir dann aber einen Ruck und entschliesse mich, auch ihr die Wahrheit zu sagen. Sicher, es muss längst nicht jeder wissen, aber ich habe keine Lust mehr, meine Freunde zu belügen. Das habe ich jetzt wirklich lange genug getan. "Ich bin schwul.", antworte ich deshalb geradeheraus und Claudia blinzelt zwei Mal, bevor sie ächzend wieder aus ihrer unbequemen Position aufsteht. "Das ist alles?", will sie wissen und wirft einen Blick zu meinem Bruder, nachdem ich genickt habe. "Na toll. Miriam will einen anderen Kerl und Jonas steht auch auf Kerle. Da hätten wir ja lange kuppeln können. Was für eine Zeitverschwendung!", seufzt sie übertrieben und reizt uns damit alle zum Lachen. Ich bin ungemein erleichtert, denn ganz offenbar stört Claudia sich ja wohl auch nicht wirklich daran, dass ich schwul bin. Irgendwie beginne ich gerade, mich selbst für meine Feigheit zu verfluchen. Ich hätte mir so viel Panik, schlechtes Gewissen und auch einige schlaflose Nächte ersparen können, wenn ich schon eher mit meinen Freunden gesprochen hätte. Aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer. Trotzdem bin ich froh, dass ich mich jetzt nicht mehr verstellen muss. So fühle ich mich schon wesentlich wohler. "Sag mal, Jonas, müssen wir uns jetzt eigentlich noch um nen Freund für Dich kümmern oder bist Du schon versorgt?" Claudias Frage trifft mich vollkommen unvorbereitet. Ich blinzele verwirrt, aber sie grinst nur und bevor ich antworten kann, erledigt mein Bruder das netterweise für mich. "Das hat er ausnahmsweise alleine geschafft. Er hat sich Adrian geangelt.", erzählt er und sie grinst breit, bevor sie gespielt verträumt seufzt. "Du Glückspilz!", säuselt sie in meine Richtung und klimpert so übertrieben mit den Wimpern, dass Nico und Miriam beide zu kichern beginnen. "Ich sag Dir, wenn er nicht schwul und ich Single wäre, hätte ich ihn mir schon längst unter den Nagel gerissen. Der Kerl ist ein echter Traumtyp!", schwärmt sie weiter und ich muss schmunzeln. Ich weiss genau, dass sie das, was sie gesagt hat, nicht wirklich ernst meint – bis auf den letzten Satz vielleicht. Und genau deshalb zwinkere ich ihr auch zu und aus meinem Schmunzeln wird ein Grinsen, das ihrem in nichts nachsteht. "Und er ist ein wahnsinnig guter Küsser, musst Du wissen.", erzähle ich und die beiden Mädchen lachen, während Nico sich ächzend ans Herz fasst und von der Treppe rutscht, bis er endgültig auf dem Boden sitzt. "Mein kleiner Bruder wird endlich erwachsen! Dass ich das noch erleben darf!", japst er und nun muss auch ich lachen. "Das hat Dennis gestern auch gesagt.", erinnere ich mich und werde schlagartig wieder ernst. "Scheisse! Ich muss ihn anrufen!" Damit stehe ich auf, verlasse die Pausenhalle und suche mir eine ruhige Ecke auf dem Schulhof, wo niemand mein Gespräch belauschen kann. Dort krame ich mein Handy heraus, mache es wieder an und meine Augen weiten sich schlagartig. 134 Anrufe in Abwesenheit? Oh Scheisse! Was hab ich da gestern bloß angerichtet? So schnell wie möglich suche ich Dennis' Nummer heraus, drücke auf den grünen Knopf und muss kaum zehn Sekunden warten, bis ich auch schon seine Stimme höre. "Jo?", fragt er atemlos und ich kriege gleich wieder ein richtig schlechtes Gewissen. Es ist wirklich nicht zu überhören, dass er sich meinetwegen richtige Sorgen gemacht hat. Da hab ich ja was Schönes ausgefressen. "Dennis, es tut mir leid.", entschuldige ich mich und er atmet hörbar auf. "Gott sei Dank, Dir geht's gut!", erwidert er und ich nicke leicht. "Ja. Ich hab bei meinem Freund übernachtet.", gebe ich die Kurzfassung zu und wieder atmet er auf. "Zum Glück. Ich dachte, Du wärst wer weiss wo und würdest irgendwelchen Scheiss machen.", sagt er und ich schüttele verlegen den Kopf. "Nach der Sache mit Mama bin ich erst mal nur rumgelaufen und am Abend schliesslich bei Adrian gelandet. Und weil ich nicht nach Hause wollte, hat er mir angeboten, ich könnte bei ihm schlafen. Ich war so durch den Wind, dass ich gar nicht mehr daran gedacht hab, zu Hause oder bei Dir anzurufen.", gestehe ich zerknirscht. "Schon okay.", bekomme ich zur Antwort. "Ich bring Dich eben einfach um, wenn ich das nächste Mal vorbeikomme." In seiner Stimme schwingt neben Erleichterung auch ein unterdrücktes Lachen mit und ich muss unwillkürlich lächeln. Wenn er schon wieder so witzeln kann, dann ist er mir nicht mehr böse. Jedenfalls nicht allzu sehr. Was für ein Glück! "Du, ich muss noch zu Hause anrufen. Da hab ich mich schliesslich auch noch nicht gemeldet.", informiere ich ihn und am Klacken seines Ohrrings kann ich erkennen, dass er offenbar nickt. "Okay. Ruf mich im Laufe der Woche an, ja? Und dann erzählst Du mir alles haarklein, klar?", verlangt er und legt auf, nachdem ich ihm das felsenfest versprochen habe. Ich atme mehrmals tief durch und wappne mich innerlich, bevor ich als nächstes die Nummer von Papas Handy wähle. Dieses Mal dauert es etwas länger, aber schliesslich nimmt auch er ab. "Bist Du das, Jonas?", erkundigt er sich und ich fühle mich richtig mies, denn er klingt wirklich besorgt – und verdammt müde. "Ja.", antworte ich deshalb schnell und schlucke den Kloß herunter, der sich in meinem Hals festgesetzt hat. Scheisse, was hab ich gestern bloß angestellt? "Es tut mir so..." "Wo bist Du gerade?", werde ich unterbrochen. "In der Schule. Ich hab bei Adrian übernachtet. Er hat mich hergefahren. Ich weiss, ich hätte anrufen sollen, aber..." "Schon gut. Ich weiss, was gestern passiert ist." Er seufzt abgrundtief und ich fühle mich noch schlechter, denn mir kommt wieder in den Sinn, was Nico mir vorhin erzählt hat. "Ich wollte wirklich nicht, dass Mama und Du euch meinetwegen streitet.", nuschele ich daher kleinlaut, aber Papa geht nicht darauf ein. "Hast Du mit Deinem Bruder gesprochen?", will er stattdessen wissen und seufzt erneut, als ich die Frage bejahe. "Gut. Sag ihm von mir aus noch eben Bescheid und dann komm ins Café Röder. Ich warte da auf Dich. Wir müssen uns unterhalten. Wenn Du eine Entschuldigung für die Schule brauchst, schreibe ich Dir eine." Nach diesen Worten legt er auf und ich schlucke schwer. So ein Angebot hat ganz sicher nichts Gutes zu bedeuten. Heilige Scheisse, was ist bloß los? Ich entscheide mich, Nico nicht persönlich Bescheid zu sagen, sondern ihm nur eine SMS zu schicken und dann gleich zum Café Röder zu gehen. Ich bin viel zu unruhig, um jetzt noch lange zu warten oder irgendwelche Erklärungen abzugeben, also verlasse ich den Schulhof und tippe die Nachricht für meinen Bruder unterwegs. Ich informiere ihn, das ich sowohl Dennis als auch Papa angerufen habe und mich jetzt mit Letzterem treffe, dann schalte ich den Vibrationsalarm ein, damit ich es noch mitbekomme, wenn Nico mir antwortet. Den Weg bis zum Café Röder schaffe ich in wenig mehr als zehn Minuten. Normalerweise würde ich länger brauchen, aber ich bin so nervös, dass ich schon fast renne. Dabei zerbreche ich mir die ganze Zeit den Kopf. Worüber mag Papa mit mir reden wollen? Was kann so wichtig sein, dass ich sogar praktisch seine Erlaubnis bekomme, die Schule zu schwänzen? Ist es wegen gestern? Ist er jetzt vielleicht doch sauer auf mich, weil er meinetwegen Streit mit Mama hat? Oder ist es, weil ich mich nicht gemeldet habe? Ich bin so in Gedanken, dass ich um ein Haar am Café vorbeilaufe. Erst im letzten Moment bemerke ich das noch, öffne die Tür und sehe mich suchend um. Papa sitzt bereits an einem der Ecktische, vor sich eine Tasse Kaffee, und winkt mich zu sich, als er mich bemerkt. Ich gehe zu ihm hinüber und erschrecke, denn er sieht wirklich furchtbar aus. Er hat Ringe unter den Augen, sein Hemd ist zerknittert und er ist, was für ihn absolut untypisch ist, nicht rasiert – kurzum, er sieht aus, als hätte er sich die ganze letzte Nacht um die Ohren geschlagen. Und das Wissen, dass das meine Schuld ist, lässt mein schlechtes Gewissen gleich wieder hochkommen. Das habe ich wirklich nicht gewollt! "Setz Dich, Jonas." Sogar Papas Stimme klingt müde. Ich komme der Aufforderung nach, nehme ihm gegenüber Platz und sehe ihn reumütig an. "Tut mir leid...", beginne ich, aber er winkt nur erschöpft ab. "Das weiss ich doch. Aber deshalb habe ich Dich nicht herbestellt.", erwidert er und seufzt. "Es geht um Deine Mutter.", fährt er leise fort und ich schlucke schwer. "Was... was ist mit ihr?", frage ich zögerlich und habe beinahe das Gefühl, wieder ihr wutverzerrtes Gesicht vor mir zu sehen und ihre Ohrfeige zu spüren. Meine Wange brennt wieder und ich kaue nervös auf meiner Unterlippe herum, weil ich nicht weiss, was ich fühlen soll. Sicher, sie ist meine Mutter, aber ich kann ihre Reaktion auf mein Geständnis von gestern nicht einfach vergessen und so tun, als wäre nichts gewesen. "Ich weiss nicht, wo ich anfangen soll." Papas Worte lenken meine Aufmerksamkeit zurück in die Gegenwart. Fragend und auch etwas unsicher sehe ich ihn an, sage jedoch nichts. Ich wüsste auch nicht, was ich sagen sollte. Dafür bin ich viel zu durcheinander. "Nico hat Dir sicher von dem Streit erzählt, oder?", will er wissen und ich nicke nur, während ich ihn dabei beobachte, wie er Milch und Zucker in den Kaffee rührt, den er sich bestellt hat – ein ziemlich schlechtes Zeichen, denn eigentlich trinkt er nie Zucker in seinem Kaffee. "Ja, hat er.", sage ich schliesslich, um das Schweigen zwischen uns zu brechen, und erst das macht ihm scheinbar bewusst, dass er gerade nicht weitergesprochen hat. "Oh ja. Gut. Also, was ich sagen wollte ist Folgendes: Ich habe versucht, mit Deiner Mutter zu reden, aber sie hat mir nicht zuhören wollen. Du weisst ja, wie stur sie sein kann." Papa seufzt und ich nicke erneut. Das weiss ich allerdings. Mama ist furchtbar dickköpfig und sie von einer einmal gefassten Meinung abzubringen ist so gut wie unmöglich. Ich habe also offenbar verdammt schlechte Karten. Wunderbar. "Jedenfalls... na ja... Ich wollte nur, dass Du das weisst. Einfach damit Du nicht unvorbereitet bist, wenn Du wieder nach Hause kommst." Er klingt wirklich mitgenommen und ich ertappe mich dabei, ihm tröstend eine Hand auf den Arm zu legen. "Ist okay. Ich komm schon klar. Danke, Papa.", murmele ich und als er von seinem Kaffee aufsieht, lächelt er ganz leicht. "Du bist ein guter Junge, Jonas. Das seid ihr beide. Und egal, was ihr Zwei auch anstellt, das wird sich nicht ändern. Ihr werdet beide immer meine Jungs sein.", erwidert er und ich spüre, wie meine Augen zu brennen beginnen. "Und ich bin sicher, Deine Mutter wird sich auch früher oder später an den Gedanken gewöhnen, dass Du eben einen Freund und keine Freundin hast. Gib ihr einfach nur ein bisschen Zeit, ja?", bittet er inständig und ich kann wieder nur nicken. "Klar.", antworte ich und versuche, sein Lächeln zurückzugeben. "Du weisst doch, dass ich geduldig sein kann. Ich schaff das schon.", verspreche ich ihm und muss unwillkürlich lachen, als er erleichtert einen Schluck von seinem Kaffee nimmt und gleich darauf wegen des Zuckers darin das Gesicht verzieht. "Wer hat denn den Zucker da reingetan?", will er verwundert wissen und ich halte mir prustend den Bauch. "Na, Du natürlich! Wer denn sonst?", gebe ich zurück und er blinzelt verwirrt. "Du gehörst ins Bett.", stelle ich daraufhin fest und nun grinst auch Papa. "Da spricht die Stimme der Vernunft.", neckt er mich und lacht, als ich ihm die Zunge herausstrecke. "Werd bloß nicht frech, Bürschchen! Ich bin schliesslich immer noch Dein Vater!" Spielerisch droht er mir mit seinem erhobenen Zeigefinger und ich sehe gespielt reumütig und zerknirscht zu Boden. "Ja, Papa.", erwidere ich folgsam und breche gleich darauf wieder in Gelächter aus – ebenso wie er. Und während wir hier sitzen, zusammen lachen und sämtliche anderen Gäste uns ansehen, als wären wir verrückt geworden, geht mir ein Gedanke nicht aus dem Kopf: Trotz allem, was passiert ist, habe ich immer noch verdammtes Glück. Meine Freunde akzeptieren mich so, wie ich bin und auch meine Familie – oder zumindest der größte Teil davon – steht zu mir und verachtet mich nicht. Bisher nimmt mir mit Ausnahme meiner Mutter niemand wirklich übel, dass ich schwul bin. Aber das Beste von allem ist wohl die Tatsache, dass ich nicht nur die Unterstützung meines Vaters, meines Bruders und meiner Freunde habe, sondern auch noch den tollsten Mann der Welt als meinen Freund bezeichnen darf. oOo Tja, das war's auch schon für dieses Mal. *kicher* Ich weiss, ist lang geworden, aber Papa ist doch klasse, oder? Eigentlich wollte ich das Kappi ja aufsplitten, aber als eins gefällt's mir irgendwie doch besser. Ich hoffe, ihr mögt es auch. Falls ja, dürft ihr mir das gerne sagen. ^.~ Falls nicht natürlich auch. Für Kritik bin ich immer zu haben. ^___^ Bis zum nächsten Mal! Karma Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)